BT-Drucksache 17/9195

zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/3747 - Menschenhandel bekämpfen - Opferschutz erweitern

Vom 28. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9195
17. Wahlperiode 28. 03. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner, Jan van Aken,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/3747 –

Menschenhandel bekämpfen – Opferschutz erweitern

A. Problem

Mit ihrem Antrag möchte die Fraktion DIE LINKE. eine rechtliche Besserstel-
lung der Opfer von Menschenhandel erreichen und fordert deshalb die Bundes-
regierung auf, diesen unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft in Strafprozes-
sen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel von mindestens sechs Monaten zu
gewähren und einen befristeten Aufenthaltstitel der Betroffenen in einen unbe-
fristeten umzuwandeln, sofern diese dauerhaft in der Bundesrepublik Deutsch-
land bleiben möchten. Zudem soll den Betroffenen während ihres Aufenthalts in
Deutschland eine Arbeitserlaubnis erteilt und die Finanzierung von Sprachkur-
sen und Aus- bzw. Weiterbildungen gesichert werden. Für betroffene Kinder und
Jugendliche soll es kinderspezifische Betreuungs- und Schutzprogramme geben,
die die Bundesregierung fortentwickeln soll. Ferner sollen vom Staat abge-
schöpfte Gewinne aus dem Menschenhandel grundsätzlich zur finanziellen Ent-
schädigung der Opfer eingesetzt werden.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD.

C. Alternativen

Keine.
D. Kosten

Keine.

E. Bürokratiekosten

Keine.

Drucksache 17/9195 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/3747 abzulehnen.

Berlin, den 8. Februar 2012

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Tom Koenigs
Vorsitzender

Erika Steinbach
Berichterstatterin

Angelika Graf (Rosenheim)
Berichterstatterin

Annette Groth
Berichterstatterin

Pascal Kober
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ab-
stehe auch, dass man die Opfer im Land behalten müsse. Sie
seien bei uns Opfer geworden und infolgedessen sei es nicht
lehnung empfohlen.

Der Innenausschuss hat den Antrag 17/3747 in seiner
65. Sitzung, der Rechtsausschuss in seiner 73. Sitzung und
der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

angemessen, sie in ihr Herkunftsland zurückzuschicken. Tat-
sache sei, dass ein Opfer, das nicht weiß, wie seine Zukunft
aussieht, nur im seltensten Falle vor Gericht als Zeugin aus-
sagen werde. Dazu brauche man Regelungen – unter ande-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9195

Bericht der Abgeordneten Erika Steinbach, Angelika Graf (Rosenheim),
Annette Groth, Pascal Kober und Volker Beck (Köln)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/3747 in seiner 126. Sitzung am 21. September 2011 bera-
ten und an den Ausschuss für Menschenrechte und huma-
nitäre Hilfe zur federführenden Beratung und an den
Auswärtigen Ausschuss, Innenausschuss, Rechtsausschuss,
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit ihrem Antrag möchte die Fraktion DIE LINKE. eine
rechtliche Besserstellung der Opfer von Menschenhandel er-
reichen und fordert deshalb die Bundesregierung auf, diesen
unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft in Strafprozessen
einen verlängerbaren Aufenthaltstitel von mindestens sechs
Monaten zu gewähren und einen befristeten Aufenthaltstitel
der Betroffenen in einen unbefristeten umzuwandeln, sofern
diese dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland bleiben
möchten. Zudem soll den Betroffenen während ihres Aufent-
halts in Deutschland eine Arbeitserlaubnis erteilt werden
und die Finanzierung von Sprachkursen und Aus- bzw.
Weiterbildungen gesichert werden. Für betroffene Kinder
und Jugendliche soll es kinderspezifische Betreuungs- und
Schutzprogramme geben, die die Bundesregierung fortent-
wickeln soll. Ferner sollen vom Staat abgeschöpfte Gewinne
aus dem Menschenhandel grundsätzlich zur finanziellen
Entschädigung der Opfer eingesetzt werden.

In ihrem Antrag weist die Fraktion DIE LINKE. darauf hin,
dass Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung
in erster Linie internationaler Frauenhandel sei. Nach Schät-
zungen des Europarates würden jährlich mehrere Hundert-
tausend Menschen in andere Länder verkauft. In den meisten
Fällen handele es sich um den Verkauf von Frauen in die
Zwangsprostitution. Entscheidend für den erfolgreichen
Kampf gegen Menschenhandel sei die Stärkung der Position
der Opfer. Die Bundesregierung soll deshalb nach dem Wil-
len der Fraktion DIE LINKE. den von Menschenhandel Be-
troffenen staatliche Rechtshilfe gewähren und einen staat-
lichen Entschädigungsfonds für sie einrichten, aus dem in
Härtefällen die Opfer direkt finanziell entschädigt werden
können.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag 17/3747 in sei-
ner 54. Sitzung am 8. Februar 2012 beraten und mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der

CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD die Ablehnung empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat die Vorlage in seiner 54. Sitzung am 8. Februar 2012 be-
raten.

Zu Beginn der Beratung hatte die Bundesregierung darauf
hingewiesen, dass die effektive Bekämpfung des Menschen-
handels eine Aufgabe sei, die sie bereits seit Langem mit
Nachdruck national, aber auch international verfolge und
auch in dieser Legislaturperiode nicht nachlassen werde. Es
gehe dabei um die Aufklärung von Verbrechen, um die Ver-
folgung und Bestrafung der Täter, insbesondere aber auch
um Schutz und Hilfe für die Opfer. Es gehe um Prävention
und langfristig auch um die Bekämpfung der Ursachen. Für
das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend hätten der Opferschutz und die Opferrechte immer
schon im Mittelpunkt gestanden.

Die Bundesregierung verwies zudem auf eine Studie, die das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2009 in Auftrag
gegeben habe, um bezogen auf den Menschenhandel zum
Zwecke der Arbeitsausbeutung eine zweiteilige Analyse
vorzunehmen, die sich zusammensetze aus einer Ist-Aufnah-
me und Empfehlungen, wie man möglicherweise in Struktu-
ren mit dem Thema umgehen könnte, soweit es um sozial-
und arbeitsrechtliche Aspekte geht. Die Auswertung sei jetzt
abgeschlossen und die Leitung des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales habe die Entscheidung getroffen, dass
zum Ende des Jahres diese Studie über das Internet der Öf-
fentlichkeit zugängig gemacht werden sollte.

Die Fraktion der SPD erläuterte, dass das Thema inzwi-
schen etwas stärker in den Köpfen der Menschen verankert
sei. In den 90er-Jahren habe die Erkenntnis darüber, dass
Menschen, die gehandelt werden – und damals sei es vorwie-
gend um sexuelle Ausbeutung gegangen –, Opfer seien, noch
nicht zum Allgemeingut gehört, wie das jetzt der Fall sei.
Man sei davon ausgegangen, dass die Frauen wüssten, was
sie machen und dass die Schuld eher bei ihnen liege als bei
denen, die sie handeln. Es gebe immer noch Aufklärungs-
und Handlungsbedarf, aber man sei zuversichtlich, dass auch
Deutschland sich dazu durchringen werde, die Forderungen,
die sich aus dem Übereinkommen des Europarates aus dem
Jahr 2005 zur Bekämpfung des Menschenhandels ergeben,
zu übernehmen. In dem Übereinkommen des Europarates
in seiner 57. Sitzung beraten. Diese Ausschüsse haben am
8. Februar 2012 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/

rem im Aufenthaltsrecht –, die den Familiennachzug ermög-
lichen müssten. Wenn die Familie nicht nachkommen könne,

Vertreter von Interpol gesagt, Menschenhandel sei der am
schnellsten wachsende Industriezweig und man brauche Ko-
operation auf globaler Ebene. Ein Vertreter von IOM, der In-
ternationalen Organisation für Migration, habe erklärt, Men-
schenhandel sei eine organisierte Form der Kriminalität, die
auch einen international abgestimmten Maßnahmenkatalog
brauche. 2,5 Mrd. US-Dollar würden allein in Europa einge-
setzt. Man brauche deshalb eine Gesetzesänderung.

Die Fraktion der FDP erläuterte, es sei richtig, dass die Ra-
tifizierung des Übereinkommens des Europarates gegenwär-
tig in zweiter Lesung im Familienausschuss sei. Insofern
könne man erfreulicherweise der Ratifizierung entgegense-
hen. Zu klären sei noch, wie die Betreuung der Opfer im me-
dizinischen und sprachlichen Bereich geregelt werde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, es sei
sehr erfreulich, dass die Konvention jetzt ratifiziert werde.
Man sei ja einer der ersten Staaten gewesen, der gezeichnet
habe, jetzt sei man allerdings einer der letzten, der ratifiziere.
Man wolle noch auf die Lücken eingehen, die es aus ihrer
Sicht gebe. Die Bundesregierung habe erklärt, es sei Sache
der Politik zu überlegen, was noch in deutsches Recht umge-
setzt werden müsse. Aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN seien es folgende Punkte: in der Europarats-

beraten. Es sei etwas unglücklich, dass man sich im Rechts-
ausschuss, im Menschenrechtsausschuss und im Familien-
ausschuss parallel in Anhörungen mit dem Thema befasse,
und dies nicht zusammenführe. Es wäre allerdings sinnvoll,
sich zu koordinieren, bevor man sich auf EU-Ebene ver-
netze. Man rege deshalb an, die Ergebnisse der Anhörungen
zusammenzuführen und mit dem Innenausschuss zu spre-
chen. Wichtig sei vor allem das Thema der Prävention.
Deutschland sei Ziel- und Transitland und es sei wichtig, in
den Herkunftsländern präventiv vorzugehen, um zu verhin-
dern, dass die Frauen in diese Situation der Zwangsprostitu-
tion kommen. Nach den vorliegenden Zahlen gingen in
Deutschland jeden Tag 1,25 Millionen Männer zu einer Pro-
stituierten. Das seien auch Freiwillige, aber auch Zwangs-
prosituierte. Da müsste angesetzt werden, denn ohne Nach-
frage gebe es kein Angebot.

Als Ergebnis der Beratung hat der Ausschuss für Men-
schenrechte und Humanitäre Hilfe den Antrag der Frak-
tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/3747 mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
der SPD die Ablehnung empfohlen.

Berlin, den 8. Februar 2012

Erika Steinbach
Berichterstatterin

Angelika Graf (Rosenheim)
Berichterstatterin

Annette Groth
Berichterstatterin

Pascal Kober
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter
Drucksache 17/9195 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

werde die Frau im Zweifelsfall die Aussage verweigern, weil
sie Angst habe, dass ihre Familie unter Druck gerate.

Mit Blick auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE. erklärte
die Fraktion der SPD, dass man zum selben Thema einen ei-
genen Antrag habe, der aber konkreter und zeitnäher sei, da
er 2011 verfasst worden sei. Dies sei der Grund, warum man
sich bei dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. enthalten
werde.

Die Fraktion DIE LINKE. legte dar, dass man viele Ausfüh-
rungen der Fraktion der SPD unterstützen könnte. Die kon-
kreten Forderungen, gerade mit Blick auf den Aufenthaltstitel
seien im Antrag der Fraktion der SPD und im Antrag der
Fraktion DIE LINKE. nahezu identisch. Ausdrücklich unter-
stütze man die Forderung der Experten aus der Anhörung,
dass die Opfer nicht noch zusätzlich bestraft werden dürften,
indem sie abgeschoben werden. 2010 habe bei einer Europa-
ratstagung in Mazedonien zum Thema Menschenhandel der

konvention sei eine Regelung enthalten, die die Unterstüt-
zung und Betreuung der Betroffenen unabhängig von der
Aussagebereitschaft sicherstellen soll, also unabhängig von
der Frage, ob sie als Zeuginnen aussagen wollen oder nicht.
Man meine, es müsse eine Regelung getroffen werden, die
vorsieht, dass sowohl der Aufenthaltsstatus als auch die Un-
terstützungsleistungen unabhängig vom Zeuginnenstatus
sind. Zudem hätte man gerne eine Sicherung der Finanzie-
rung der Fachberatungsstellen und zwar ausreichend und an-
gemessen. Ferner müsse ein Zeugnisverweigerungsrecht für
Beraterinnen und Berater etabliert und die Straffreiheit für
Betroffene von Menschenhandel festgelegt werden. Dies
seien zentrale Lücken, die es zu schließen gelte.

Die Fraktion der CDU/CSU erläuterte, der Antrag der
Fraktion DIE LINKE. sei schon älter, von Oktober 2010.
In der Zwischenzeit habe sich einiges getan. Das Rati-
fizierungsgesetz liege vor und werde in den Ausschüssen

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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