BT-Drucksache 17/9172

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP - Drucksachen 17/8877, 17/9152 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien

Vom 28. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9172
17. Wahlperiode 28. 03. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Sylvia
Kotting-Uhl, Stephan Kühn, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Cornelia Behm, Harald Ebner, Bettina
Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, Sven-Christian Kindler, Friedrich Ostendorff,
Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksachen 17/8877, 17/9152 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom
aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht
der erneuerbaren Energien

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Gesetzesnovelle gefährdet die Energiewende durch eine drastische Brem-
sung des Ausbaus der Solarenergie ab Mitte dieses Jahres. Sie bedroht zehntau-
sende Arbeitsplätze in einer Zukunftsbranche und legt den Grundstein für einen
Ausstieg aus dem erfolgreichen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat die Photovoltaik (PV) in Deutsch-
land einen sensationellen Aufschwung erlebt. Über 100 000 Arbeitsplätze in der
deutschen Solarindustrie und im Handwerk sind Ergebnis dieser Erfolgsge-
schichte. Mehr als eine Million Haushalte erzeugen heute sauberen Solarstrom
auf dem eigenen Dach und haben sich dadurch von Atomenergie, Kohle und den
großen Energiekonzernen teilweise unabhängig gemacht. Nach 3,2 Prozent im
Vorjahr dürfte der Anteil der Sonnenenergie am gesamten Stromverbrauch dieses
Jahr erstmals die 5-Prozent-Marke erreichen. Der weitere Ausbau der Photovol-
taik ist für den Erfolg der Energiewende, die Erreichung der Klimaziele und die
Stärkung des Industriestandorts Deutschland unverzichtbar.

Technischer Fortschritt und die durch das EEG angestoßene Massenproduktion
haben in den letzten Jahren zu beachtlichen Kostensenkungen für Photovoltaik-
anlagen geführt. Es ist richtig, diese Kosteneinsparungen durch regelmäßige

Kürzungen der EEG-Einspeisevergütung an die Stromverbraucher weiterzuge-
ben. Dabei rechtfertigt die Marktentwicklung einen weiteren Absenkungsschritt
um 20 Prozent in diesem Jahr. Der steile Preisverfall hat zudem zu einer Über-
hitzung des Marktes geführt. In den Jahren 2010 und 2011 lag der tatsächliche
PV-Ausbau mit jeweils rund 7,5 Gigawatt neu installierter Leistung nicht nur
über den Ausbauzielen der Bundesregierung, sondern auch über den Prognosen
und Zielen der PV-Branche selbst. Die Auswirkungen eines Ausbaus in dieser

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Größenordnung auf die Netze unterliegen noch der Diskussion. Ein Korridor von
zunächst 4,5 bis 5,5 Gigawatt ist hingegen sinnvoll. Der von der Bundesregierung
vorgesehene Ausbaukorridor von 2 500 bis 3 500 Megawatt Zubau pro Jahr ist
zu niedrig und sollte nicht ab 2014 um 400 Megawatt pro Jahr gerade dann weiter
abgesenkt werden, wenn Solarstrom immer günstiger wird. Ein stärkerer Zubau
ist ab 2014 anzustreben, wenn die Kostenentwicklung dies zulässt, die Netzfra-
gen umfassend geklärt sind sowie ausreichend kostengünstige und umweltver-
trägliche Speichertechnologien verfügbar sind. Um die Ziele der Energiewende
zu erreichen, benötigen wir einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien
und eine engagierte Energieeffizienzpolitik an Stelle des im Gesetzentwurf vor-
gesehenen stark rückläufigen Ausbaus.

Mit dem Beschluss zum Ausstieg aus der Atomenergie hat die Bundesregierung
im letzten Jahr gleichzeitig die Energiewende beschlossen. Die Photovoltaik
spielt in der Energiewende eine entscheidende Rolle, um die fossilen und atoma-
ren Energieträger abzulösen. Im Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energie
hatte die Bundesregierung bereits ein Jahr vor der Energiewende ein Ausbauziel
von 52 Gigawatt installierter Leistung bis zum Jahr 2020 an die Europäische
Kommission gemeldet. Vor dem Hintergrund der Reaktorkatastrophe von Fuku-
shima und der von der Bundesregierung beschlossenen Energiewende sollte die-
ses Ziel angehoben werden. Die Gesetzesnovelle wird aber dazu führen, selbst
das gemeldete Ziel nicht zu erreichen, was sich in dem vorgesehenen Ausbau-
korridor widerspiegelt, der jährlich fallende Zuwächse vorsieht.

Für breite Anlagensegmente werden die Vergütungssätze in der Einmalabsen-
kung zu stark abgesenkt und das Grundprinzip des EEG – die vollständige Ver-
gütung des eingespeisten Stroms aus erneuerbaren Energien – wird durch das
Marktintegrationsmodell ausgehöhlt.

Die Regelungen zum sogenannten Marktintegrationsmodell sind nicht geeignet,
ihren Zweck zu erfüllen. Eine Deckelung der Vergütung auf 80 bzw. 90 Prozent
des eingespeisten Stroms wird nicht zu einer Vermarktung der übrigen Strom-
mengen führen, da eine Vermarktung gerade bei kleinen Anlagen mehr Kosten
verursachen würde, als Erlöse zu erzielen. Deshalb bedeutet diese Regelung eine
zusätzliche Kürzung der Vergütung und eine Aushöhlung des Prinzips des Er-
neuerbare-Energien-Gesetzes. Zudem werden gerade bei kleinen Dachanlagen
unnötige Kosten sowohl auf Seiten der Anlagenbetreiber als auch der Netzbe-
treiber generiert. Im Ergebnis würden die Kosten des EEG ohne jeglichen Nutzen
erhöht. Zudem werden vor allem kleinere Netzbetreiber den zusätzlichen büro-
kratischen Aufwand kaum leisten können. Im Segment der kleinen Freiflächen-
anlagen bis 1 MW wird der Anteil, der selbstvermarktet werden soll, nicht mehr
in die Finanzierung der Projekte eingerechnet werden, wodurch Investoren einen
höheren finanziellen Eigenanteil einbringen müssen. Dies wird zu einer stark ver-
ringerten Anzahl an Projekten führen.

Die Vergütungssenkungen der Gesetzesnovelle fallen sehr drastisch aus und lö-
sen absehbar eine neue Stichtagspanik mit übermäßigen Zubauten vor Inkraft-
treten der Neuregelung aus. Die Novelle vergrößert damit genau das Problem, das
sie vorgeblich beheben soll. Auf die bereits erfolgte Degression von 15 Prozent
zu Anfang des Jahres werden einzelne Anlagengrößen zusätzlich um bis zu
37 Prozent weniger Vergütung erhalten. Dazu trägt auch die Zusammenlegung
unterschiedlicher Vergütungsklassen bei, was künftig zu einer Gleichbehandlung
von Anlagen zwischen 11 Kilowatt und 1 000 Kilowatt installierter Leistung
führt. Größere Anlagen sind aufgrund von Skalierungseffekten relativ kosten-
günstig zu betreiben als kleinere Anlagen. Dies führt zu einer Diskriminierung
von kleineren Anlagen. Auch die willkürliche Begrenzung der Vergütung für
Freiflächenanlagen auf eine installierte Leistung von 10 Megawatt ist kontrapro-

duktiv, denn so werden gerade die kosteneffizientesten Photovoltaikanlagen
nicht mehr gebaut werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9172

II. Der Deutsche Bundestag möge beschließen:

1. die Bundesregierung aufzufordern, künftig weitere Versuche zu unterlassen,
über Verordnungsermächtigungen substantielle Bestandteile des EEG wie
z. B. Vergütungshöhen und eingespeiste Strommenge am Deutschen Bun-
destag und Bundesrat vorbei eigenmächtig zu entscheiden;

2. das untaugliche und teure Marktintegrationsmodell, das einen Einstieg in den
Ausstieg aus der Förderung der erneuerbaren Energien bedeutet, auch für An-
lagen unterhalb 1 MW zu streichen;

3. die Anlagenvergütungsklassen des bestehenden EEG beizubehalten und die
übermäßigen Kürzungen der Vergütung von bis zu 37 Prozent zurückzuneh-
men;

4. zur Entlastung der Stromverbraucher

a) das Kostensenkungspotenzial der Photovoltaik durch eine einmalige Ver-
gütungsabsenkung um 20 Prozent für alle Anlagentypen zu nutzen,

b) den bisherigen Eigenverbrauchsbonus als Speicherbonus fortzuführen,

c) die besondere Ausgleichsregelung dahingehend zu modifizieren, dass nur
noch energieintensive Unternehmen privilegiert werden, die im interna-
tionalen Wettbewerb stehen, und so die zunehmende Kostenverschiebung
von Unternehmen auf Privathaushalte zu beenden – hierzu zählen u. a. die
Unternehmen des Stein- und Braunkohlebergbaus,

d) die Mitnahmeeffekte bei der Marktprämie umgehend drastisch zu redu-
zieren;

5. den Ausbaukorridor auf einen Zubau von 4 500 bis 5 500 Megawatt pro Jahr
anzuheben und diesen Korridor ab 2014 weiter nach oben anzupassen, soweit
die Kostenentwicklung und der Stand der Netzintegration inklusive Verfüg-
barkeit von Speichern dies zulassen;

6. die 1 000-MW-Degressionsstufen an den in Nummer 5 genannten Ausbau-
korridor anzupassen, wobei die bisher gültige Basisdegression von 9 Prozent
beizubehalten und die maximale Degression bei Überschreiten des Ausbau-
korridors weiterhin auf maximal 24 Prozent zu begrenzen sind. Statt wie bis-
lang halbjährlich soll die Absenkung monatlich erfolgen;

7. den 1. Juli 2012 als Beginn der Berechnungsperiode für die Ermittlung des
Zubaus festzulegen, da ansonsten ein aussagekräftiges Ergebnis angesichts
des durch die starke Kürzung verursachten hohen Zubaus im Frühjahr 2012
nicht zu erreichen ist;

8. die Größenbeschränkung für Freiflächenanlagen wieder zu streichen;

9. die 70-Prozent-Abregelung wieder abzuschaffen und durch eine Regelung zu
ersetzen, die das Ziel der Netzstabilität besser erreicht und zugleich weniger
Kosten verursacht;

10. den Anlagenbetreibern explizit das Recht einzuräumen, einen eigenen ge-
eichten Zähler zu betreiben;

11. die Kosten für die Umrüstung der Wechselrichter zur Lösung der 50,2-Hertz-
Problematik auf die Netzentgelte und nicht zur Hälfte auf die EEG-Umlage
umzulegen.

Berlin, den 27. März 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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