BT-Drucksache 17/9140

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 17/8841 - Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. September 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen

Vom 27. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9140
17. Wahlperiode 27. 03. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 17/8841 –

Entwurf eines Gesetzes
zu dem Abkommen vom 19. September 2011
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Türkei
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen

A. Problem

Doppelbesteuerungen stellen bei internationaler wirtschaftlicher Betätigung ein
erhebliches Hindernis für Handel und Investitionen dar. Das bisher gültige Ab-
kommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei
stammt aus dem Jahr 1985. Es muss durch einen modernen, internationalen
Standards besser entsprechenden Vertrag abgelöst werden.

B. Lösung

Das Abkommen ist weitgehend an das OECD-Musterabkommen 2008 (OECD =
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) angelehnt.
Insbesondere enthält es die aktuellen, von der OECD geforderten Grundlagen für
einen umfassenden steuerlichen Informationsaustausch.

Durch das vorliegende Vertragsgesetz sollen die Voraussetzungen nach
Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifikation des Abkom-
mens vom 19. September 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuer-
verkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen geschaffen werden.

Unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
C. Alternativen

Keine.

Drucksache 17/9140 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Durch das neue Abkommen ergeben sich für die öffentlichen Haushalte fol-
gende finanzielle Auswirkungen:

– Die Mindestbeteiligungshöhe für eine geringere Besteuerung im Ansässig-
keitsstaat unterliegende Schachteldividende wurde von derzeit 10 Prozent
auf 25 Prozent angehoben und der darauf entfallende Quellensteuersatz von
derzeit 15 Prozent auf 5 Prozent sowie der Quellensteuersatz auf sonstige
Dividenden von derzeit 20 Prozent auf 15 Prozent gesenkt. Damit verringert
sich in diesen Fällen einerseits für die in die Türkei fließenden Dividenden
die deutsche Kapitalertragsteuerbelastung, andererseits ist für die aus der
Türkei empfangenen Portfoliodividenden weniger türkische Kapitalertrag-
steuer in Deutschland anzurechnen. Grundsätzlich dürfte der Saldo der Steu-
ermehr- beziehungsweise -mindereinnahmen für Deutschland positiv sein,
weil regelmäßig mehr Dividenden aus der Türkei nach Deutschland als um-
gekehrt fließen.

– Die Senkung des Quellensteuersatzes auf Zinsen von derzeit 15 Prozent auf
10 Prozent dürfte im Saldo ebenfalls einen positiven Effekt auf das deutsche
Steueraufkommen haben. Auch bei diesem Sachverhalt fließen regelmäßig
mehr Zahlungen aus der Türkei nach Deutschland als umgekehrt.

– Auch die Abschaffung der bisher bestehenden Möglichkeit zur Anrechnung
fiktiver, tatsächlich nicht gezahlter türkischer Steuern auf die deutsche
Steuer dürfte sich positiv auf das deutsche Steueraufkommen auswirken.

Mithilfe der durch das Abkommen ermöglichten Ausweitung des Informations-
austauschs auf Steuern jeder Art werden künftig Steuerausfälle verhindert.

E. Erfüllungsaufwand

Grundsätzlich wird durch Doppelbesteuerungsabkommen kein eigenständiger
Erfüllungsaufwand begründet, da sie lediglich die nach nationalem Steuerrecht
bestehenden Besteuerungsrechte der beteiligten Vertragsstaaten voneinander
abgrenzen. Informationspflichten für Unternehmen werden weder eingeführt
noch verändert oder abgeschafft. Darüber hinaus führt das Abkommen weder
für Unternehmen noch für Bürgerinnen und Bürger zu einem messbaren zusätz-
lichen Erfüllungsaufwand.

Das Abkommen regelt zudem den steuerlichen Informationsaustausch im Ver-
hältnis zur Republik Türkei. Insoweit werden durch das Abkommen Pflichten
für die Verwaltung neu eingeführt. Eine Quantifizierung ist mangels belastbarer
Daten nicht möglich.

F. Weitere Kosten

Den Unternehmen entstehen durch dieses Gesetz keine unmittelbaren, direkten
Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das
Verbraucherpreisniveau, sind von dem Gesetz nicht zu erwarten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9140

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/8841 unverändert anzunehmen.

Berlin, den 21. März 2012

Der Finanzausschuss

Dr. Birgit Reinemund
Vorsitzende

Manfred Kolbe
Berichterstatter

Lothar Binding (Heidelberg)
Berichterstatter

land und der Türkei führen insgesamt betrachtet zu nicht sei.
quantifizierbaren Steuermehreinnahmen, die dem Bund, den
Ländern oder den Gemeinden zufließen. Durch die Einfüh-
rung einer Umschwenkklausel, die künftig einen Wechsel

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teilte zwar
mit, dass sie das Abkommen ebenfalls grundsätzlich be-
grüße. Im Einzelnen zu nennen seien hier die getroffenen
Drucksache 17/9140 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Manfred Kolbe und Lothar Binding (Heidelberg)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/8841 in seiner 165. Sitzung am 8. März 2012 be-
raten und dem Finanzausschuss zur federführenden Bera-
tung sowie dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Das Abkommen vom 19. September 2011 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkür-
zung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen ersetzt
das Abkommen aus dem Jahr 1985 (BGBl. 1989 II S. 866,
867, 1066), das zwar bereits im Juli 2009 gekündigt wurde,
jedoch bis zum 31. Dezember 2010 anzuwenden war.

Im Vergleich zum bisherigen Abkommen aus dem Jahr
1985 beinhaltet das Abkommen vom 19. September 2011
nicht nur die zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erfor-
derlichen Regelungen, sondern enthält Anpassungen an die
aktuelle internationale und die deutsche Abkommenspolitik.
Es lehnt sich im Wesentlichen an das OECD-Musterabkom-
men 2008 an. Insbesondere enthält es die aktuellen, von der
OECD geforderten Grundlagen für einen umfassenden
steuerlichen Informationsaustausch. Zudem ist das Proto-
koll mit einigen, das Abkommen ergänzenden Regelungen
Bestandteil des Abkommens.

Im Einzelnen ist hervorzuheben, dass die durch das Abkom-
men vom 19. September 2011 vorgesehene Reduzierung
von Quellensteuersätzen (im Vergleich zum bisherigen Ab-
kommen aus dem Jahr 1985) zu einer geringeren Anrech-
nung der türkischen Steuer auf die deutsche Steuer führt. Im
Einzelnen wird angestrebt, die Quellensteuer

– auf Schachteldividenden von derzeit 15 Prozent auf
5 Prozent,

– auf sonstige Dividenden von derzeit 20 Prozent auf
15 Prozent und

– auf Zinsen von derzeit 15 Prozent auf 10 Prozent

herabzusetzen.

Zudem soll die bisher bestehende Möglichkeit zur Anrech-
nung fiktiver, tatsächlich nicht gezahlter Steuern abge-
schafft werden. Dies hat ebenfalls eine geringere Anrech-
nung der türkischen Steuer auf die deutsche Steuer zur
Folge. Die Einführung eines Quellensteuerrechts auf Renten
im Quellenstaat in Höhe von 10 Prozent des Bruttobetrages
führt wegen des jährlichen Freibetrages von 10 000 Euro
lediglich zu sehr geringen Steuermehreinnahmen.

Die Änderungen des neuen Abkommens zwischen Deutsch-

positive Effekte auf das deutsche Steueraufkommen erge-
ben.

Durch den erweiterten Informationsaustausch bezüglich
Steuern jeder Art und die Amtshilfe wird eine zutreffendere
Besteuerung erwartet.

III. Stellungnahme des mitberatenden
Ausschusses

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Gesetzentwurf in seiner 64. Sitzung am 21. März 2012 be-
raten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP bei Stimmenthaltung der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN An-
nahme.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
81. Sitzung am 21. März 2012 erstmalig und abschließend
beraten.

Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
empfohlen, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP be-
grüßten das verhandelte Abkommen zur Vermeidung dop-
pelter Besteuerung (DBA) mit der Republik Türkei. Es ent-
halte gegenüber dem alten Abkommen einige grundlegende
Verbesserungen. Unter anderem seien das

– die Anpassung der in der Vergangenheit überhöhten
Quellensteuersätze,

– der Wegfall fiktiver türkischer Steuern,

– die erstmalig geschaffene Besteuerungsmöglichkeit für
Sozialversicherungsrenten im Quellenstaat und

– die Einführung eines steuerlichen Informationsaustauschs
nach dem OECD-Musterabkommen.

Auch die Fraktion der SPD begrüßte das Abkommen und
bedankte sich zudem ausdrücklich bei der Bundesregierung
für die sehr verständliche Aufzeichnung, die dem Aus-
schuss zur Beratung des Gesetzentwurfs zur Verfügung ge-
stellt worden sei. Hinsichtlich der vom OECD-Muster-
abkommen abweichenden Regelungen wurde um eine ge-
sonderte Erläuterung gebeten.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte, dass auch bei die-
sem Abkommen wieder keinen automatischer Informations-
austausch und keine Spontanauskunft verhandelt worden
von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode zu-
gunsten Deutschlands ermöglicht, könnten sich weitere

Vereinbarungen zum Schachtelprivileg und zur Besteuerung
der Renten sowie die Aufgabe der fiktiven Quellensteuern.

Berlin, den 21. März 2012

Manfred Kolbe
Berichterstatter

Lothar Binding (Heidelberg)
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9140

Aber sie hinterfragte ebenfalls die Verhandlungspositionen
Deutschlands und der Türkei zum Informationsaustausch.
Es befremde, dass es mit einem Staat mit so großer Nähe
zur Europäischen Union nicht gelungen sei, einen auto-
matischen Informationsaustausch zu vereinbaren.

Die Bundesregierung verwies hierzu hingegen auf ihren
Erfolg, den neuen Informationsstandard der OECD gegen-
über der Türkei überhaupt durchgesetzt zu haben. Ein auto-
matischer Informationsaustausch sei aufgrund der ohnehin
relativ schwierigen Verhandlungen nicht vertieft worden.

Auf Nachfrage der Fraktionen SPD und DIE LINKE. nach
den Abweichungen vom OECD-Musterabkommen betonte
die Bundesregierung, dass sich das Abkommen bezüglich
der Formalien und der wesentlichen Inhalte an das OECD-
Musterabkommen anlehne. Abweichungen gebe es bei-
spielsweise bei Lizenzgebühren: Hier seien im Musterab-
kommen keine Quellensteuersätze vorgesehen, im vorlie-
genden Abkommen aber vereinbart worden. Außerdem
habe nach dem Musterabkommen nur der Wohnsitzstaat ein
Besteuerungsrecht. Deutschland sei es aber gelungen, ein
eigenes Besteuerungsrecht durchzusetzen. Weitere Abwei-
chungen hätten sich bei der Definition von Betriebsstätten
ergeben: Die türkische Seite habe an dieser Stelle sehr mas-
siv an ihren Quellensteuerrechten festgehalten.

Zu den von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kri-
tisierten Quellensteuersätzen, die durch ihre niedrigere
Höhe Steuergestaltungsmöglichkeiten eröffnen würden,
verwies sie Bundesregierung auf die im alten Abkommen

aus dem Jahr 1985 extrem hohen, über den OECD-Standard
hinausgehenden Quellensteuersätze. Dem folgend sei das
deutsche Bestreben gewesen, diese Quellensteuersätze zu
senken, um dem Warenaustausch und den bilateralen Inves-
titionen keine steuerlichen Hindernisse in den Weg zu räu-
men. Eine Gefahr für Steuergestaltungen sehe die Bundes-
regierung nicht, da die Quellensteuersätze mit etwa 10 Pro-
zent angemessen seien. Eine Aufstellung der von Deutsch-
land vereinbarten Quellensteuersätze und der Anwendung
dieser Sätze in den einzelnen Staaten sagte die Bundesregie-
rung zu.

Zu der von den Fraktionen CDU/CSU und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN thematisierten Umschwenkklausel von der
Freistellungs- zur Anrechnungsmethode erläuterte die Bun-
desregierung, dass Deutschland die Verankerung dieser
Klausel im Abkommen als Verhandlungserfolg betrachte.
Diese Schutzklausel werde von Deutschland seit etwa
zehn Jahren als Folge der Freistellungsmethode verhandelt,
da diese dazu führe, dass letztlich der Quellenstaat die
Steuerlast für die darunter fallenden Einkünfte bestimme.
Deutschland besteuere diese Einkünfte nicht mehr, sondern
stelle sie steuerfrei. Würde der andere Staat nun aus Grün-
den des Steuerwettbewerbs seine Steuersätze drastisch sen-
ken, könne Deutschland durch diese Klausel von der Frei-
stellungs- zur Anrechnungsmethode übergehen. Die Türkei
ihrerseits vermeide aber die Doppelbesteuerung, wie viele
andere Staaten auch, nur durch die Anrechnungsmethode.
Damit wirke die Umschwenkklausel lediglich zu Gunsten
Deutschlands.

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