BT-Drucksache 17/9129

Beratungsprotokolle in der Finanzberatung

Vom 23. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9129
17. Wahlperiode 23. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, Harald
Ebner, Bärbel Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich Ostendorff und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Beratungsprotokolle in der Finanzberatung

Eine Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e. V. (vzbv) im
Rahmen der Initiative Finanzmarktwächter zur Umsetzung der Protokollpflicht
in der Anlageberatung kommt zu ernüchternden Ergebnissen. Zwischen Septem-
ber 2011 und Februar 2012 hatte die Initiative 50 Anlageberatungen bei 50 Kre-
ditinstituten untersucht und dabei festgestellt, dass in jedem fünften Gespräch
die gesetzliche Pflicht zur Aushändigung des Protokolls verletzt wurde. Gar
nicht bzw. fehlerhaft dokumentiert waren laut Angaben des Verbandes Vermö-
gen und die vorhandenen Verbindlichkeiten sowie die Risikobereitschaft der
Testkunden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie haben andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) auf Miss-
stände in der Finanzberatung reagiert, und in welcher Weise könnte Deutsch-
land von diesen Erfahrungen profitieren?

2. Welche anderen Mitgliedstaaten der EU haben ein Beratungsprotokoll ge-
setzlich vorgeschrieben?

3. Wie sichert die Bundesregierung die aufsichtsrechtliche Konvergenz der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit der Europäi-
schen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), wenn Anlegerinnen
und Anleger zu schützen sind?

4. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, dass die BaFin negativ
wirkende Anreize (wie Vertriebs- und Haftungsfreizeichnungsanreize) in der
Finanzvermittlung abstellt?

5. Mit welchen konkreten Standardisierungsmaßnahmen in der Protokollierung
lassen sich die identifizierten Ungenauigkeiten, insbesondere hinsichtlich der
Risikotragfähigkeit, finanziellen Situation, Ziele, Kenntnisse und Erfahrun-
gen der Anlegerinnen und Anleger lösen?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Schulungsmaßnah-

men von Finanzberaterinnen und -beratern in Kreditinstituten zur Protokol-
lierung?

Drucksache 17/9129 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

7. In welcher Weise stellt die Bundesregierung sicher, dass die BaFin Quali-
fizierungsmaßnahmen der Finanzberaterinnen und -berater inhaltlich und
methodisch überprüft?

8. Hält die Bundesregierung die Schulungen für ausreichend, um einer voll-
ständigen, verlässlichen und nachvollziehbaren Protokollierung der Bera-
tung gerecht werden zu können?

9. Welche Anforderungen stellt die Bundesregierung an entsprechende Quali-
fizierungsmaßnahmen inhaltlich und methodisch?

10. Wie lässt sich die Bundesregierung von der BaFin über nicht gesetzeskon-
formes Anbieterverhalten, z. B. die Verweigerung der Aushändigung von
Beratungsprotokollen, informieren?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die These, dass die Beratungsprotokolle
eher die Berater und Vermittler vor Schadenersatz schützen als die Verbrau-
cher vor Falschberatung?

12. Erachtet die Bundesregierung die Bußgeldhöhe von bis zu 50 000 Euro als
Sanktion auf ein nicht, nicht richtig, oder nicht rechtzeitig angefertigtes
oder ausgehändigtes Beratungsprotokoll nach wie vor für angemessen?

13. Bedarf es nach Ansicht der Bundesregierung auch eines vertragsrechtlichen
Anreizes für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sich an die gesetz-
lichen Pflichten zur Erstellung von Beratungsprotokollen zu halten, vor
dem Hintergrund, dass Untersuchungen wie die in der Vorbemerkung
genannte darauf hindeuten, dass es nicht ausreicht, wenn falsche oder
fehlende Beratungsprotokolle ausschließlich mit aufsichtsrechtlichen Maß-
nahmen geahndet werden?

14. Hält die Bundesregierung an ihrer Einschätzung fest, dass eine ausdrück-
liche Regelung zur Beweislast, wonach ein Verstoß gegen die gesetzlichen
Pflichten zur Erstellung des Beratungsprotokolls zu Beweiserleichterungen
zugunsten des Anlegers bei Schadenersatzansprüchen wegen fehlerhafter
Anlageberatung führt, deshalb nicht erforderlich sei, weil sich diese Be-
weislastverteilung bereits aus den allgemeinen Grundsätzen ergebe, wie sie
von der Rechtsprechung etwa zur ärztlichen Dokumentation entwickelt
wurden (zuletzt Gegenäußerung der Bundesregierung, Bundestagsdruck-
sache 17/3803, S. 2)?

15. Geht der Verweis auf die Grundsätze über die ärztliche Dokumentation
nicht deshalb fehl, weil die ärztliche Dokumentationspflicht eine grund-
legende andere Funktion als das Beratungsprotokoll hat, nämlich der
Sicherstellung von wesentlichen medizinischen Daten für eine Behandlung
dient, während das gesetzlich geregelte Beratungsprotokoll darauf gerichtet
ist, schriftliches Beweismittel für einen späteren Haftungsprozess zu
sichern, und beides daher vom Ansatz her nicht vergleichbar ist (Arne Maier
in: Verbraucher und Recht 2011, S. 3 ff.)?

16. Wie erklärt die Bundesregierung unterschiedliche Auskünfte bei der Zahl
der Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen die Vorschriften des § 34 Ab-
satz 2a des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) über die Anfertigung von
Beratungsprotokollen einerseits in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Antwort zu Frage 6 auf Bundes-
tagsdrucksache 17/8889 vom 6. März 2012) und gegenüber den Medien
(FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND vom 14. März 2012, S. 16, „BaFin
tadelt Banken für schlechte Beratung“)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9129

17. Gegen welche Geschäftsbanken wurden die Bußgelder verhängt, und wel-
che Geschäftsbanken verwenden einwandfreie Beratungsprotokolle?

18. Hat die BaFin Veröffentlichungen nach § 40b WpHG bei den festgestellten
Verstößen nach § 34 Absatz 2a WpHG vorgesehen?

Wann sind diese geplant?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 23. März 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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