BT-Drucksache 17/9072

Pläne der Bundesregierung für eine Neuordnung der Küstenwachfunktionen

Vom 21. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9072
17. Wahlperiode 21. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Dr. Hans-Peter Bartels, Sören Bartol,
Edelgard Bulmahn, Martin Burkert, Garrelt Duin, Sebastian Edathy, Petra
Ernstberger, Karin Evers-Meyer, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Michael Groß,
Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn, Hubertus Heil (Peine), Gustav Herzog,
Gabriele Hiller-Ohm, Johannes Kahrs, Lars Klingbeil, Ute Kumpf, Gabriele
Lösekrug-Möller, Kirsten Lühmann, Caren Marks, Thomas Oppermann, Holger
Ortel, Florian Pronold, Sönke Rix, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Carsten Sieling,
Sonja Steffen, Kerstin Tack, Franz Thönnes, Dr. Frank-Walter Steinmeier und
der Fraktion der SPD

Pläne der Bundesregierung für eine Neuordnung der Küstenwachfunktionen

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
FDP angekündigt, die Kompetenzen der gegenwärtig am Küstenschutz beteilig-
ten Bundesbehörden zusammenzuführen mit dem langfristigen Ziel, eine Natio-
nale Küstenwache aufzubauen. Dazu hat sie im November 2010 eine Arbeits-
gruppe „Küstenwache des Bundes“ eingerichtet, deren Ergebnisse für Anfang
2012 angekündigt wurden.

Die Staatssekretäre der beteiligten Bundesministerien haben sich vor diesem
Hintergrund am 23. Februar 2012 auf Eckpunkte für ein weiteres Vorgehen in
Sachen Küstenwache des Bundes geeinigt.

Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Hat die Arbeitsgruppe „Küstenwache des Bundes“ inzwischen ihre Arbeit
beendet, und welches sind die konkreten Ergebnisse in Bezug auf die Wahr-
nehmung der Küstenwachfunktionen durch die im Maritimen Sicherheits-
zentrum (MSZ) vertretenen Bundesbehörden sowie die Prozesse und die
Organisation im Netzwerk Maritimes Sicherheitszentrum?

2. In welchen Bereichen sieht die Bundesregierung auf der Basis dieser Ergeb-
nisse Anpassungsbedarf in Bezug auf die Küstenwachaufgaben?

3. Welche Bundesbehörden sind derzeit mit eigenen Schiffen und eigener Zu-
ständigkeit auf See präsent, und auf welche rechtlichen Grundlagen gründet
sich ihre Aufgabenwahrnehmung?
4. Welches sollten aus Sicht der Bundesregierung die wesentlichen Bestand-
teile eines gemeinsamen Konzeptes der Bundesbehörden für die Aufgaben-
wahrnehmung auf See sein, das in den am 27. Februar 2012 in Cuxhaven
präsentierten Eckpunkten der beteiligten Bundesministerien zum weiteren
Vorgehen in Sachen Küstenwache angekündigt worden ist?

Drucksache 17/9072 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Wann soll dieses Konzept nach jetziger Planung vorliegen, und welches
Bundesressort wird die Federführung bei der Erarbeitung des Konzeptes
übernehmen?

6. Welche konkreten Aufgaben soll die „Bundesleitstelle aller auf See tätigen
Bundesbehörden“ erfüllen, die in den oben benannten Eckpunkten an-
gekündigt wird, und bis zu welchem Zeitpunkt soll diese nach jetziger
Planung eingerichtet werden?

7. In welche Ressortzuständigkeit wird die neu einzurichtende Bundesleit-
stelle fallen?

8. Welche zusätzlichen Kapazitäten sind für die Einrichtung dieser neuen
Bundesleitstelle nach Einschätzung der Bundesregierung erforderlich (bitte
nach Planstellen/Stellen sowie Finanzmittel aufschlüsseln), und inwieweit
ist dies durch die Arbeitsgruppe „Küstenwache des Bundes“ geprüft wor-
den?

9. In welcher Form soll die Bundesleitstelle in die Führungsstrukturen des
Maritimen Sicherheitszentrums (MSZ) eingebunden werden, und wie wird
eine Abgrenzung ihrer Kompetenzen zu den bereits bestehenden polizei-
lichen und zivilen Sicherheitsstrukturen erfolgen, die im MSZ zusammen-
geführt sind?

10. Inwieweit hält die Bundesregierung an ihrem Plan fest, die Vollzugsauf-
gaben des Bundes auf See bei der Bundespolizei zu bündeln, wie dies im
Eckpunktepapier des Bundesministerium des Innern (BMI) „Küstenwache
des Bundes“ vom März 2010 vorgesehen ist?

11. Hält die Bundesregierung an der im Eckpunktepapier des BMI angekündig-
ten Übertragung der originären Zuständigkeit für den schifffahrtspolizei-
lichen Vollzug von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
(WSV) auf die Bundespolizei fest, und wenn ja, welche Rolle soll die WSV
künftig im Kontext der geplanten „Küstenwache des Bundes“ übernehmen?

12. Inwieweit wird dies mit einer Übertragung bisheriger Aufgaben im Zu-
ständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung (BMVBS) an das BMI einhergehen, und wie begründet die
Bundesregierung dies?

13. Wie will die Bundesregierung in diesem Falle sicherstellen, dass das
BMVBS auch künftig in der Lage ist, zugunsten der verkehrlichen Sicher-
heitsinteressen, Anforderungen an den schifffahrtspolizeilichen Vollzug zu
formulieren, und inwieweit erwartet sie nachteilige Auswirkungen auf die
Qualitätssicherung bei der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit
des Schiffsverkehrs?

14. Wie soll künftig das Havariekommando in die Neustrukturierung eingebun-
den werden?

15. Wie sollen die Schnittstellen zu den Wasserschutzpolizeien der Länder
künftig gestaltet und optimiert werden?

16. Welche Funktion soll künftig der „Point of Contact“ übernehmen bzw.
inwieweit werden seine Aufgaben künftig von der neu einzurichtenden
Leitstelle der Küstenwache übernommen, wie es das Eckpunktepapier des
BMI vorsieht?

17. Wird die Zuständigkeit für den „Point of Contact“ weiterhin bei der WSV
verbleiben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9072

18. Inwieweit sieht die Bundesregierung in der jetzt geplanten Neuordnung
der Küstenwachfunktionen einen Widerspruch zu der Einschätzung vom
Bundesrechnungshof und der Konferenz der Innenminister der norddeut-
schen Küstenländer, die die Einrichtung eines MSZ in den Jahren 2009
bzw. 2008 als zielführend zur Lösung der sicherheitspolitischen Herausfor-
derungen auf See bewertet haben?

19. Welche gesetzlichen Grundlagen müssen nach Einschätzung der Bundes-
regierung geändert werden, um die geplante Bundesleitstelle aller auf See
tätigen Bundesbehörden einrichten zu können, und an welchen Stellen ist
für die rechtliche Anpassung die Zustimmung des Bundesrates erforder-
lich?

20. Welche Aufgaben sind konkret mit dem gemeinsamen Führen der Schiffe
von Bundespolizei, Zollverwaltung, Fischereiaufsicht und WSV verbun-
den?

21. Über wie viele Schiffe verfügen die Bundesbehörden mit eigener Zu-
ständigkeit auf See im Einzelnen, und wie hat sich die Zahl dieser seit dem
Jahr 2000 entwickelt?

22. Um welche Art von Schiffen handelt es sich dabei (bitte nach Behörden
aufschlüsseln), und von welcher Stelle aus werden diese Behördenschiffe
bisher geführt?

23. Wie viele Beschäftigte sind auf den bislang eingesetzten Schiffen der oben
genannten Bundesbehörden sowie in den zuständigen Leitstellen tätig?

24. Hält die Bundesregierung an dem Plan fest, die Leitstellen des Zolls und
der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) künftig einzu-
sparen, wie dies im Eckpunktepapier des BMI vorgesehen ist, und welche
Pläne hat sie für die Leitstelle der Wasserschutzpolizei, die ebenfalls im
MSZ untergebracht ist?

25. Plant die Bundesregierung, die Zahl der bisher von den oben genannten
Bundesbehörden geführten Schiffe künftig zu verringern, und wenn ja,
wie begründet sie dies?

26. Auf welcher rechtlichen Grundlage soll der Einsatz gemischter Besatzun-
gen auf die Fischereiaufsicht und die WSV ausgeweitet werden, und wie
begründet die Bundesregierung ihren Plan?

27. Auf welche Aufgabenbereiche soll sich der Einsatz gemischter Besatzun-
gen erstrecken, und welches Gebiet soll der gemeinsame maritime Einsatz-
raum der Bundesbehörden nach derzeitiger Planung umfassen?

28. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung, dass sich die Bundes-
polizei- und Zollfahrzeuge für wesentliche Kernaufgaben der Strom- und
Schifffahrtspolizei nicht eignen (etwa Notschleppen, Tonnenlegen) und die
Schiffe der WSV zudem aufgrund eines engen Jahresplanes hinsichtlich ih-
rer Kernaufgaben für allgemeinpolizeiliche Aufgaben nicht zur Verfügung
stehen?

29. Inwieweit hat die Bundesregierung bzw. die von ihr eingesetzte Arbeits-
gruppe „Küstenwache des Bundes“ diese Aspekte untersucht?

30. Inwieweit ist aus Sicht der Bundesregierung eine abgestimmte, einheitliche
Bedarfsermittlung der oben genannten Bundesbehörden im Bereich der
Küstenwachfunktionen möglich, wenn die WSV „faktisch kaum schiff-
fahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben“ wahrnimmt, wie es im Eckpunkte-
papier des BMI formuliert ist?

Drucksache 17/9072 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
31. Hat die Bundesregierung den Einsatz gemischter Besatzungen von Zoll und
Bundespolizei in Nord- und Ostsee bereits evaluiert, und wenn ja, welche
Ergebnisse liegen vor?

32. Wie viele Ausbildungsplätze stehen in den oben genannten Bereichen seit
dem Beschluss des Deutschen Bundestages zur Errichtung des MSZ im
Jahr 2004 in welchen Ausbildungsgängen zur Verfügung, und wie viele
wurden mit welchen Abschlüssen erfolgreich abgeschlossen (bitte in abso-
luten Zahlen und in Prozent)?

33. Wie hat sich die Zahl der Auszubildenden in diesem Zeitraum entwickelt?

34. Welche Bereiche der maritimen Aus- und Fortbildung einschließlich der
Nachwuchsgewinnung sollen nach den Plänen der Bundesregierung genau
zusammengeführt werden, und in welchem Umfang will die Bundes-
regierung die bestehenden Ausbildungskapazitäten erhalten?

35. Inwieweit sind die Aufgaben der oben genannten Bundesbehörden nach
Einschätzung der Bundesregierung hinsichtlich Ausbildungsanforderungen,
operativen Einsatzanforderungen an das Personal sowie Einsatzstruktur
homogen?

36. Zu welchem Zeitpunkt rechnet die Bundesregierung bei den derzeit ein-
gesetzten Behördenschiffen mit einem Ersatzbedarf, und wie stellen sich
die Kosten für Anschaffung und Bereitstellung der Schiffe dar?

37. In welchen Bereichen erscheint eine Zentralisierung der Bereederung nach
Einschätzung der Bundesregierung als sinnvoll, und welche Wirtschaftlich-
keitsberechnungen legt sie dabei zugrunde?

38. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des Verbandes Deutscher
Reeder (VDR), die private Bereederung der Schiffe im Geschäftsbereich
des BMVBS sowie des Bundesministeriums der Verteidigung weiter auszu-
bauen, und inwieweit plant sie künftig eine Beteiligung der privaten Wirt-
schaft bei der Bereederung der Behördenschiffe?

39. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer durch den
VDR bei der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers AG in Auf-
trag gegebenen Studie zur Bereederung von Behördenschiffen durch die
Schifffahrtsunternehmen?

Berlin, den 21. März 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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