BT-Drucksache 17/8848

Stresstest des Forschungsreaktors in Berlin

Vom 2. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8848
17. Wahlperiode 02. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Lisa Paus, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn,
Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott,
Dorothea Steiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stresstest des Forschungsreaktors in Berlin

Die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e. V. unterhält
einen Forschungsreaktor im Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und
Energie GmbH (HZB). Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Fukushima in
Japan im März 2011 hat die Bundesregierung für alle kerntechnischen Einrich-
tungen in Deutschland sogenannte Stresstests angeordnet.

Inzwischen hat eine „Sonderüberprüfung des Berliner Forschungsreaktors vor
der Wiederaufnahme des Betriebs“ stattgefunden. Ein entsprechender Bericht
wurde durch die Berliner Landesregierung an das Berliner Abgeordnetenhaus
am 20. Dezember 2011 übermittelt. Der Reaktor ist seit Herbst 2010 wegen
Umbauarbeiten abgeschaltet und soll nach erfolgtem Stresstest nun wieder an-
gefahren werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegt der Bundesregierung der Bericht der Sonderprüfung, die die zustän-
dige Aufsichtsbehörde im Sommer 2011 eingeleitet hatte, vor, und wie wird
dieser bewertet bzw. wann wird dieser vorliegen?

2. Hat die Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, ihre Beratungen des Berichts
der Berliner Landesatomaufsichtsbehörde über den „Stresstest“ des For-
schungsreaktors Berlin abgeschlossen, und falls ja, wann und mit welchen
Ergebnissen (vgl. Plenarprotokoll 17/145, Anlage 53)?

Falls nein, wie lautet der aktuelle Zeitplan der RSK für ihre Stellungnahme
zu diesem Stresstestbericht?

3. Warum wurde der Weiterbetrieb für den der Atom-Forschungsreaktor nicht
von der Errichtung eines Containments abhängig gemacht, und wie wurde
dem Standort des Forschungsreaktors in der Hauptstadt in Anbetracht der
weltweit zunehmenden Terrorgefahr für den Weiterbetrieb Rechnung ge-
tragen?

4. Wie wurde das Gutachten des Öko-Instituts e. V. – Darmstadt vom Mai 1990
„Erforderliche Maßnahmen nach schweren Unfällen im Berliner For-

schungsreaktor BER II auf das Gebiet von Berlin“ berücksichtigt?

5. Welche Vorkehrungen sind für die empfohlene Evakuierungszone bei Aus-
tritt von Radioaktivität von 10 km bei normalem Wetter und von 20 km bei
extremer Wetterlage getroffen?

6. Warum wurde dem unabhängigen Strahlenschutzexperten Dr. Sebastian
Pflugbeil (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in
sozialer Verantwortung e. V. – IPPNW – und Ex-Minister in der ehemaligen
DDR) die Einsichtnahme in das Gutachten verweigert?

Drucksache 17/8848 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
7. Wie lange reicht der Strom der vorgehaltenen Batterien aus, um den Pum-
penbetrieb und die Überwachung des Reaktors auch im Falle einer Sabo-
tage oder eines Terrorangriffs sicherstellen zu können?

8. Wie sind die vorgehaltenen Batterien und Notstromaggregate gegen Sabo-
tage und Terrorangriffe geschützt?

9. Für welche Betriebsdauer sind die Dieseltanks für die Notstromaggregate
ausgelegt?

10. Stimmt es, dass die Grundlagenforschung für extrem beanspruchte Mate-
rialien und das neue Fünfjahresprogramm der Forschung mit extrem star-
ken Magnetfeldern hauptsächlich Rüstungszwecken und der Fusionsfor-
schung zugutekommt?

11. Warum wird für die Bevölkerung der radioaktiv besonders belasteten Um-
gebung des Berliner Reaktors, etwa im Umkreis von 1,5 km, wo selbst
kurzlebige Nuklide voll zur Wirkung kommen und Anwohner und Ärzte
eine auffällige Krebshäufung beobachten, kein Krebsregister erstellt?

12. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus der laut IPPNW welt-
weit aufwändigsten und exaktesten vom Bundesamt für Strahlenschutz in
Auftrag gegebenen und im April 2009 endlich veröffentlichten Kinder-
krebsstudie gezogen, nach der sich die Krebsrate bei Kindern unter fünf Jah-
ren, die im Umkreis von 5 Kilometern eines Atomkraftwerkes leben, um
60 Prozent erhöht und nach Feststellung des von der Gesellschaft für Strah-
lenschutz e. V. am 28. September 2008 in Berlin mit zahlreichen interna-
tional anerkannten Wissenschaftlern veranstalteten Symposions die für
zulässig erachtete Strahlendosis nach amtlicher Vorschrift „generell falsch
errechnet“ ist?

13. Wie wird die beim Verbrennen des radioaktiven Mülls entstehende Abluft
gefiltert?

14. Woher stammen die laut Bericht des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit für das Jahr 2008 in einer Berliner
Messstation ermittelten radioaktiven Partikel von Plutonium 239 und 240
mit Werten von 0,025 µBq/m3?

15. Wie stark ist die Lagerhalle der Sammelstelle für klein- und mittelradioak-
tiven Müll am HZB ausgelastet, wie viel Müll kann sie noch aufnehmen,
und welche Materialien mit welchem Volumen befinden sich in den im
Freien befindlichen Containern?

16. Wie viele Brennelemente befinden sich im Abklingbecken, und wie hoch
ist der in diesen Stäben enthaltene Anteil an Plutonium?

17. Wie ist das Abklingbecken gegen Flugzeugabstürze, Terrorangriffe und Sa-
botage geschützt, abgesehen von der Tatsache, dass sich der Reaktor inner-
halb eines Flugbeschränkungsgebietes zur Reduzierung der unfallbeding-
ten Absturzwahrscheinlichkeit befindet?

Was bedeutet es genau, dass der BER-II sich innerhalb eines Flugbeschrän-
kungsgebiets zur Reduzierung der unfallbedingten Absturzwahrscheinlich-
keit befindet?

18. Zu welchem Ergebnis ist das Ersuchen der Berliner Landesregierung beim
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gekommen,
eine Ausweitung des Flugbeschränkungsgebietes anzuordnen?

Berlin, den 2. März 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.