BT-Drucksache 17/8707

Kofinanzierung der Berufseinstiegsbegleitung

Vom 15. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8707
17. Wahlperiode 15. 02. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnes Alpers, Jan Korte, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein,
Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Sabine
Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Kofinanzierung der Berufseinstiegsbegleitung

Die Berufseinstiegsbegleitung nach § 49 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
– SGB III – (vormals § 421s SGB III) wurde 2009 durch das Fünfte SGB III-
Änderungsgesetz als neues Instrument der aktiven Arbeitsförderung installiert.
Ziel des Instrumentes ist es, förderungsbedürftige Schülerinnen und Schüler
beim Übergang von der allgemeinbildenden Schule in Ausbildung individuell zu
unterstützen und dadurch ihre berufliche Eingliederung zu erleichtern. Die Be-
rufseinstiegsbegleitung wurde zunächst als befristetes Instrument – Maßnahmen
konnten bei einem Einstieg bis zum 31. Dezember 2011gefördert werden – auf-
genommen und an 1 000 allgemeinbildenden Schulen erprobt. Von den am Pro-
zess beteiligten Akteuren wird die Berufseinstiegsbegleitung in ihrer Konzep-
tion als Instrument wahrgenommen, das sich durch Kontinuität, Passgenauigkeit
und Regelmäßigkeit auszeichnet und somit Voraussetzungen erfüllt, um Über-
gänge zu gestalten und zu begleiten. Jugendliche werden ab der Vorabgangs-
klasse einer allgemeinbildenden Schule bis mindestens ein halbes Jahr, höchs-
tens jedoch bis zwei Jahre, nach Aufnahme einer Ausbildung betreut.

Im Zuge des „Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Ar-
beitsmarkt“ hat der Deutsche Bundestag beschlossen, die Berufseinstiegsbeglei-
tung zu entfristen und als Regelinstrument in das Sozialgesetzbuch aufzuneh-
men. Allerdings wird die Berufseinstiegsbegleitung nur noch dann durch die
Bundesagentur für Arbeit gefördert, „wenn sich Dritte mit mindestens 50 Pro-
zent an der Förderung beteiligen“.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Oktober 2011 die Änderungen im
Bereich der aktiven Arbeitsmarktförderung durch das „Gesetz zur Verbesserung
der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ umfänglich kritisiert. Der feder-
führende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik empfahl die Einberufung des
Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Bundesrates mit
dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes (Bundesratsdruck-
sache 556/1/11). Der Ausschuss kam ferner zu dem Ergebnis, dass durch die
geplanten Änderungen die Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt nicht ver-
bessert werden. Stattdessen werde die aktive Arbeitsmarktpolitik weiter ein-

geschränkt. Neben einer Entfristung der Berufsorientierung und der Einstiegs-
qualifzierung forderte der Ausschuss die Beseitigung des Kofinanzierungserfor-
dernisses durch Dritte bei der Berufseinstiegsbegleitung. Trotz der im Bundesrat
geäußerten Bedenken blieb das Kofinanzierungserfordernis im Gesetz bestehen.

Drucksache 17/8707 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Bewertung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates
macht deutlich, dass die Bundesländer eine ablehnende Haltung gegenüber dem
Modell der Kofinanzierung bei der Berufseinstiegsbegleitung einnehmen. Dies
ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass laut Gesetzesbegründung unter an-
derem die Länder selbst als Kofinanzierer auftreten sollen. Bisher ist jedoch
nicht bekannt, dass sich die Bundesländer zu einer Beteiligung bereiterklärt hät-
ten. Eine alternative Kofinanzierung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds
(ESF) scheidet nach jetzigem Stand aus, da Länder und Kommunen ihre Mittel
bereits ausgeschöpft haben und die nächste ESF-Förderperiode erst 2014 be-
ginnt. Somit scheint der SGB-III-geförderten Berufseinstiegsbegleitung ohne
greifbare Alternative die finanzielle Grundlage entzogen worden zu sein; die
Fortführung des Programms ist damit trotz des neuen Status als Regelleistung
nicht gesichert. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Bildung und
Forschung im Rahmen der Initiative Bildungsketten ein Sonderprogramm „Be-
rufseinstiegsbegleitung Bildungsketten“ ins Leben gerufen, das parallel zur
SGB-III-geförderten Berufseinstiegsbegleitung läuft. Das Verhältnis der beiden
Programme zueinander ist unklar.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Jugendliche durchliefen seit Beginn der Erprobungsphase 2009 eine
SGB-III-geförderte Berufseinstiegsbegleitung (bitte nach Schulabschluss,
Geschlecht, Herkunft, Bundesländern und Jahren aufschlüsseln)?

2. Wie viele Jugendliche haben mithilfe von SGB-III-finanzierten Berufs-
einstiegsbegleitern erfolgreich eine Ausbildung aufgenommen und sind min-
destens ein Jahr in ihr verblieben (bitte nach Schulabschluss, Geschlecht,
Herkunft, Bundesländern und Jahren aufschlüsseln und sowohl in absoluten
Zahlen als auch in Prozent angeben)?

3. Wie viele Jugendliche haben eine SGB-III-geförderte Berufseinstiegs-
begleitung aus welchem Grund und zu welchem Zeitpunkt der Maßnahme
abgebrochen (bitte nach Schulabschluss, Geschlecht, Herkunft, Bundes-
ländern und Jahren aufschlüsseln und sowohl in absoluten Zahlen als auch
in Prozent angeben)?

4. Wie viele Jugendliche durchliefen eine aus dem Programm Bildungsketten
geförderte Berufseinstiegsbegleitung (bitte nach Schulabschluss, Geschlecht,
Herkunft, Bundesländern und Jahren aufschlüsseln)?

5. Wie viele Jugendliche haben mithilfe von aus dem Programm Bildungs-
ketten geförderten Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleitern erfolgreich
eine Ausbildung aufgenommen und sind mindestens ein Jahr in ihr ver-
blieben (bitte nach Schulabschluss, Geschlecht, Herkunft, Bundesländern
und Jahren aufschlüsseln und sowohl in absoluten Zahlen als auch in Prozent
angeben)?

6. Wie viele Jugendliche haben eine aus dem Programm Bildungsketten finan-
zierte Berufseinstiegsbegleitung aus welchem Grund und zu welchem Zeit-
punkt abgebrochen (bitte nach Schulabschluss, Geschlecht, Herkunft,
Bundesländern und Jahren aufschlüsseln und sowohl in absoluten Zahlen
als auch in Prozent angeben)?

7. Wie viele Jugendliche hatte eine Berufseinstiegsbegleiterin bzw. ein Berufs-
einstiegsbegleiter durchschnittlich zu betreuen (bitte nach SGB-III-geförder-
ten Maßnahmen und jenen aus dem Programm Bildungsketten aufschlüs-
seln)?

8. Wie hoch lag das Durchschnittseinkommen einer Berufseinstiegsbegleiterin

bzw. eines Berufseinstiegsbegleiters (bitte nach SGB-III-geförderten Maß-
nahmen und jenen aus dem Programm Bildungsketten aufschlüsseln)?

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9. Welcher Anteil der Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleiter wurde
durch die entsprechenden Träger in Vollzeit beschäftigt, und für wie viele
Wochenstunden wurden die Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleiter
durchschnittlich beschäftigt (bitte nach SGB-III-geförderten Maßnahmen
und jenen aus dem Programm Bildungsketten aufschlüsseln)?

10. Wie viele Träger bzw. Anbieter von Berufseinstiegsbegleitungen mit wie
vielen in der Berufseinstiegsbegleitung tätigen Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern waren in der Lage, aus den ihnen zur Verfügung stehenden Mit-
teln ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Tarifvertrag zu bezahlen
(bitte nach SGB-III-geförderten Maßnahmen und jenen aus dem Programm
Bildungsketten aufschlüsseln und sowohl in absoluten Zahlen als auch in
Prozent angeben)?

11. Welcher Anteil der Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleiter war ehren-
amtlich tätig (bitte nach SGB-III-geförderten Maßnahmen und jenen aus
dem Programm Bildungsketten aufschlüsseln)?

12. Welche Bilanz zieht die Bundesregierung aus den bisherigen Erfahrungen
mit dem Instrument der Berufseinstiegsbegleitung (bitte nach SGB-III-ge-
förderten Maßnahmen und jenen aus dem Programm Bildungsketten diffe-
renzieren)?

13. Inwieweit hat sich nach Einschätzung der Bundesregierung die Doppel-
struktur der Berufseinstiegsbegleitung, gefördert nach SGB III bzw. durch
das Programm Bildungsketten, bewährt?

a) Welche Unterschiede gibt es hinsichtlich der konzeptionellen Ausgestal-
tung, der zu unterstützenden Schulen sowie der Zielgruppe zwischen
den beiden benannten Maßnahmen bzw. Programmen?

b) Ist eine Kofinanzierung der SGB-III-geförderten Berufseinstiegsbeglei-
tung aus Mitteln der Initiative Bildungsketten denkbar, und wenn ja,
wäre dies aus Sicht der Bundesregierung anzustreben (bitte begründen)?

14. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, welche Haltung die
einzelnen Bundesländer gegenüber des Kofinanzierungserfordernisses
einnehmen (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

a) Welche konkreten Zusagen für eine Kofinanzierung durch die Bundes-
länder liegen der Bundesregierung bereits vor?

b) Welche Kosten entstehen den Bundesländern, sollten sie eine Kofinan-
zierung gewährleisten (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

15. Wer kommt nach Auffassung der Bundesregierung neben den Bundes-
ländern als Kofinanzierer in Frage?

16. Welche konkreten Zusagen für eine Kofinanzierung durch andere Akteure
als die Bundesländer liegen der Bundesregierung bereits vor?

17. Gedenkt die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, um die Berufs-
einstiegsbegleitung sicherzustellen, sollten die Länder keine Kofinanzie-
rung anbieten (bitte begründen)?

18. Welche Konsequenzen erwartet die Bundesregierung aufgrund der nicht
sichergestellten Finanzierung der SGB-III-geförderten Berufseinstiegs-
begleitung für die betroffenen Jugendlichen, das pädagogische Personal
und die Anbieter der Berufseinstiegsbegleitung?

Drucksache 17/8707 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
19. Kann die Bundesregierung gewährleisten, dass alle bereits begonnenen
Maßnahmen der Berufseinstiegsbegleitung auch zu einem (erfolgreichen)
Abschluss geführt werden können, auch wenn keine neuen Finanzierungs-
quellen erschlossen werden können?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, welche Alternativen stehen betroffenen Jugendlichen zur Ver-
fügung?

Berlin, den 15. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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