BT-Drucksache 17/8704

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union im Jahr 2011

Vom 15. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8704
17. Wahlperiode 15. 02. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Wolfgang Neskovic,
Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland
und die Europäische Union im Jahr 2011

Seit 1990 gab es zahlreiche Fälle, in denen Flüchtlinge an den Außengrenzen
der Bundesrepublik Deutschland tot oder verletzt aufgefunden wurden, teil-
weise infolge von Unfällen, infolge der Umstände der Flucht oder mittel- oder
unmittelbar bedingt durch Grenzkontrollmaßnahmen. Diese Fälle haben in den
vergangenen Jahren, insbesondere durch den Ausbau der Grenzüberwachung in
den süd- und osteuropäischen Nachbarländern, deutlich abgenommen.

Die Wege in die Europäische Union, vor allem über die Seegrenzen, bedeuten für
Flüchtlinge regelmäßig eine hohe Lebensgefahr. Die Überfahrt über das Mittel-
meer ist von einem hohen Risiko gekennzeichnet. Dennoch haben im vergangenen
Jahr erstmals wieder eine sehr hohe Anzahl von Migranten und Schutzsuchenden
versucht, über das Meer in die Europäische Union zu gelangen. Schätzungen von
Nichtregierungsorganisationen gehen von annähernd 2 000 Menschen aus, die
beim Versuch der Flucht über das Mittelmeer zu Tode gekommen sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2011

a) an den Landesgrenzen, Küsten, Seehäfen, Flughäfen bzw. im Grenz-
gebiet der Bundesrepublik Deutschland sowie

b) an den Grenzen der Europäischen Union insgesamt

tot aufgefunden worden (bitte nach Datum und Ort des Auffindens, Nationa-
lität des Opfers und Todesart bzw. Umständen des Todes aufschlüsseln)?

2. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2011
mit körperlichen Verletzungen durch Erfrierungen, Unterkühlungen, Hun-
ger/Durst o. Ä. aufgegriffen worden, die sie sich im Zuge ihres ggf. uner-
laubten Grenzübertritts

a) in die Bundesrepublik Deutschland sowie

b) in die Europäische Union
zugezogen hatten (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Kör-
perverletzungsart aufschlüsseln)?

3. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr
2011 im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts

a) durch die Bundespolizei oder durch Zollbeamte in Deutschland sowie

Drucksache 17/8704 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) durch die Bundespolizei- oder durch Zollbeamte in der Europäischen
Union

durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs bzw. im Zuge einer entspre-
chenden Nacheile körperlich verletzt?

c) Wie viele Ermittlungs- und Disziplinarverfahren wurden diesbezüglich
eingeleitet und mit welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüs-
seln)?

4. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr
2011

a) in der Bundesrepublik Deutschland sowie

b) in der Europäischen Union

im Zuge ihrer ggf. unerlaubten Grenzübertritte durch Privatpersonen (z. B.
Jäger, Angehörige so genannter Bürgerwehren, rechtsextremer Gruppierun-
gen) körperlich verletzt bzw. getötet (bitte nach Datum und Ort, Nationalität
des Opfers und Todes- bzw. Verletzungsart aufschlüsseln)?

c) Wie viele Ermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet und mit
welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

5. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2011

a) in der Bundesrepublik Deutschland sowie

b) in der Europäischen Union

tot aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ggf. uner-
laubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. Europäische
Union in ihrem Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte,
Überhitzung o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität
der Opfer, Transportmittel und Todesart aufschlüsseln)?

6. Falls jeweils zu den Fragen 1 bis 5b, insbesondere im Hinblick auf die EU-
Außengrenzen, keine auf amtlichen Daten basierende Antwort gegeben wer-
den kann,

a) welche Daten und sonstigen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung
dazu ansonsten vor, z. B. aus den Berichten der bei der Europäischen
Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen
(FRONTEX) eingesetzten Bundesbeamten oder entsprechende Daten,
mit denen Einrichtungen, wie das „Gemeinsame Analyse- und Strategie-
zentrum illegale Migration“ (GASIM), arbeiten,

b) welche Daten von internationalen Organisationen oder Nichtregierungs-
organisationen hat die Bundesregierung zur Kenntnis genommen, und
welche Schlüsse zieht sie daraus,

c) wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass im Rahmen der Tätig-
keit der FRONTEX solche Daten systematisch erhoben und der Öffent-
lichkeit zugänglich gemacht werden, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 15. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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