BT-Drucksache 17/8643

zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Monika Lazar, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/7953 - Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen umsetzen

Vom 10. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8643
17. Wahlperiode 10. 02. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Monika Lazar, Ekin Deligöz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/7953 –

Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen umsetzen

A. Problem

In dem Antrag wird eine Novellierung des Bundesgremienbesetzungsgesetzes,
die u. a. die Einführung einer Mindestquote von 40 Prozent eines Geschlechts
für Bundesgremien zum Gegenstand haben soll, sowie die Einführung einer
gesetzlichen Mindestquote für Vorstände und Geschäftsführungen von börsen-
notierten und mitbestimmten Unternehmen gefordert.

Zur Begründung wird auf den Frauenanteil in den Vorständen der DAX-30-
Unternehmen verwiesen, der in den letzten zehn Jahren lediglich von 2,5 auf
3,7 Prozent gestiegen sei. Freiwillige Maßnahmen hätten bislang nicht zu mess-
baren Erfolgen geführt und seien auch nicht von der zu unverbindlich formu-
lierten Selbstverpflichtung der DAX-30-Konzerne aufgrund des Treffens am
17. Oktober 2011 mit den Bundesministerinnen für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, für Arbeit und Soziales und der Justiz zu erwarten. Der Frauen-
anteil von durchschnittlich nur 24,5 Prozent in im Einflussbereich des Bundes
liegenden Gremien sei ebenfalls nicht akzeptabel. Der Wirtschaft sei eine
Quote für Aufsichtsräte und Vorstände nicht zu vermitteln, wenn der Gesetz-
geber im eigenen Einflussbereich nicht tätig werde.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 17/8643 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/7953 abzulehnen.

Berlin, den 8. Februar 2012

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen, und Jugend

Sibylle Laurischk
Vorsitzende

Nadine Schön (St. Wendel)
Berichterstatterin

Christel Humme
Berichterstatterin

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Nicole Bracht-Bendt
Berichterstatterin

Monika Lazar
Berichterstatterin

Bundesgremien zu erhöhen, seien klare Zielvorgaben, mehr IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse

Transparenz und ein nachhaltiges Gesetzes-Controlling er-
forderlich.

Deshalb soll die Bundesregierung aufgefordert werden,

im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8643

Bericht der Abgeordneten Nadine Schön (St. Wendel), Christel Humme, Jörn
Wunderlich, Nicole Bracht-Bendt und Monika Lazar

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/7953 wurde in der 147. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 2. Dezember 2011
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zur federführenden Beratung sowie dem Rechtsausschuss,
dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und dem
Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Mitberatung über-
wiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In dem Antrag wird die Ausgangssituation dargelegt, wo-
nach sich der Frauenanteil in den Führungspositionen der
deutschen Wirtschaft kaum erhöht habe. In den Vorständen
der DAX-30-Unternehmen sei er in den letzten zehn Jahren
lediglich von 2,5 auf 3,7 Prozent gestiegen. Freiwillige
Maßnahmen hätten bislang nicht zu messbaren Erfolgen ge-
führt und seien auch nicht von der zu unverbindlich formu-
lierten Selbstverpflichtung der DAX-30-Konzerne aufgrund
des Treffens am 17. Oktober 2011 mit den Bundesministe-
rinnen für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, für Arbeit
und Soziales und der Justiz zu erwarten. Die DAX-30-
Unternehmen hätten sich nicht einmal auf eine einheitliche
Definition einer Führungsposition einigen können. Auf-
sichtsräte und Vorstände seien von der Selbstverpflichtung
ausdrücklich ausgenommen. Ein ernstzunehmendes Be-
kenntnis mit konkreten Zielen und Fristen fehle. Eine Er-
gänzung des Deutschen Corporate Governance Kodex im
Jahr 2010 um die Formulierung, dass eine angemessene Be-
rücksichtigung von Frauen bei der Zusammensetzung des
Vorstands einer Aktiengesellschaft angestrebt werden solle,
führe ebenfalls nicht zum Erfolg, weil keine Sanktionen
vorgesehen seien und die Zielsetzung nicht konkret formu-
liert sei. Deshalb sei nunmehr der Gesetzgeber gefordert,
den Förderauftrag aus Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 des Grund-
gesetzes durch gesetzliche Quotierungen von Vorständen
umzusetzen.

Handlungsbedarf wird auch für die Gremien im Einflussbe-
reich des Bundes gesehen. Seit dem Inkrafttreten des Bun-
desgremienbesetzungsgesetzes im Jahr 1994 sei der Frauen-
anteil im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht einmal um
einen Prozentpunkt pro Jahr gestiegen. Der Frauenanteil
von durchschnittlich nur 24,5 Prozent in im Einflussbereich
des Bundes liegenden Gremien sei nicht akzeptabel. Der
Wirtschaft sei eine Quote für Aufsichtsräte und Vorstände
nicht zu vermitteln, wenn der Gesetzgeber im eigenen Ein-
flussbereich nicht tätig werde. Um den Frauenanteil in den

dabei seien insbesondere folgende Änderungen aufzu-
nehmen:

– Abschaffung der Doppelbenennung und Einführung
einer Mindestquote von 40 Prozent eines Geschlechts
für Gremien, die durch den Bund besetzt werden,

– Abschaffung der umfangreichen Ausnahmen, die
ohne hinreichende Begründung eine effektive ge-
schlechtergerechte Gremienbesetzung verhindern,

– Stärkung der Rolle der Gleichstellungsbeauftragten,

– Verpflichtung der Ressorts zur Führung einer Liste
aller Gremien, die unter den Anwendungsbereich des
Bundesgremienbesetzungsgesetzes fallen,

– Einführung von effektiven Kontrollmechanismen, mit
denen die Erreichung der Gleichstellungsziele über-
prüft werden können;

2. eine verbindliche Mindestquote für Vorstände und Ge-
schäftsführungen von börsennotierten und mitbestimm-
ten Unternehmen gesetzlich festzulegen;

dabei sei insbesondere auf Folgendes zu achten:

– die Mindestquote mit klaren Sanktionsmechanismen
für den Fall der Nichteinhaltung zu versehen;

– die Erfahrungen einer geschlechtergerechten Quote
zu nutzen, um eine Ausweitung der Quotenregelung
auf weitere Unternehmen zu prüfen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Rechtsausschuss hat in seiner Sitzung am 8. Februar
2012 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD die Ablehnung des Antrags auf Druck-
sache 17/7953 empfohlen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und der
Ausschuss für Arbeit und Soziales haben jeweils in ihren
Sitzungen am 8. Februar 2012 mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/7953 emp-
fohlen.
1. das Bundesgremienbesetzungsgesetz noch in dieser Le-
gislaturperiode zu novellieren;

DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ableh-
nung des Antrags auf Drucksache 17/7953.

Drucksache 17/8643 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Vorlage ist in der 57. Sitzung des Ausschusses am
8. Februar 2012 abschließend beraten worden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte hier-
bei, ihr Antrag betreffe zum einen eine verbindliche Min-
destquote für Vorstände und Geschäftsführungen von
börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen, zum an-
deren die Einführung einer Mindestquote für Bundesgre-
mien. Das erstgenannte Thema knüpfe an den Gesetzent-
wurf zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in Auf-
sichtsräten (Drucksache 17/3296) an, der im Dezember
2011 im Plenum abgelehnt worden sei. Der vorliegende
Antrag widme sich nunmehr der Quotierung von Vorstän-
den, bei denen die Situation noch schlimmer als bei den
Aufsichtsräten sei. Hier habe es in den vergangenen zehn
Jahren nur eine marginale Steigerung des Frauenanteils von
2,5 auf 3,7 Prozent gegeben. Deshalb schlage man nunmehr
eine verbindliche Mindestquote für Vorstände vor, die mit
Sanktionsmöglichkeiten für den Fall der Nichteinhaltung
versehen werden und somit kontrollierbar gemacht werden
solle.

Der zweite Teil des Antrages beziehe sich auf Bundesgre-
mien und damit auf einen Bereich, auf den die Politik Ein-
flussmöglichkeiten habe. Die Forderung nach der Einfüh-
rung einer Mindestquote von 40 Prozent eines Geschlechts
für Gremien, die durch den Bund besetzt würden, orientiere
sich am eigenen Vorschlag der Bundesregierung in ihrem
jüngsten Bericht. Seit der Einführung des Bundesgremien-
gesetzes im Jahr 1994 sei der Frauenanteil nicht stark genug
gestiegen. Im Jahr 2009 sei nur ein Viertel der Bundes-
gremien mit Frauen besetzt gewesen und jedes zehnte Gre-
mium sei „frauenfrei“ gewesen. In den vergangenen Jahren
habe es sogar eine gewisse Verschlechterung gegeben. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordere deshalb
auch hier eine Mindestquote und eine Abschaffung der be-
stehenden Ausnahmen. Es solle eine effektive Kontrolle
ermöglicht und die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten
solle gestärkt werden. Der Antrag solle eine Diskussion
zum Bundesgremienbesetzungsgesetz anstoßen.

Die Fraktion der CDU/CSU führte aus, man sei mit der
derzeitigen Situation sowohl in der Wirtschaft als auch in
den Bereichen, die die öffentliche Hand und die Politik be-
einflussen könne, ebenfalls unzufrieden. Hierbei handele es
sich nicht nur um eine Frage der Gerechtigkeit. Vielmehr
könne der derzeitige Anteil von Frauen in Führungspositio-
nen auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht hingenommen
werden. Gleichwohl hätten die politischen Diskussionen im
vergangenen Jahr bereits einiges bewirkt. In den Unterneh-
men stehe dieses Thema ganz oben auf der Agenda. Dies sei
positiv zu bewerten. Das Gipfeltreffen von Bundesministe-
rin Dr. Kristina Schröder mit den Unternehmen habe noch
nicht zur Verwirklichung aller Ziele geführt, sei jedoch ein
bedeutender Schritt auf dem Weg zu einem größeren Anteil
von Frauen in Führungspositionen.

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ent-
halte mehrere richtige Ansätze. In Bezug auf Gremien im
Einflussbereich des Bundes deckten sich die Forderungen in
dem Antrag weitgehend mit der Koalitionsvereinbarung.
Derzeit werde in der Fraktion der CDU/CSU und innerhalb

vorliegenden Antrag nicht zustimmen könne. Für Gespräche
zu diesem Thema sei man weiterhin offen.

Die Fraktion der SPD trat der Argumentation der Fraktion
der CDU/CSU entgegen, in den Unternehmen habe sich be-
reits einiges bewegt. Richtig sei, dass sich auf freiwilliger
Basis nichts bewegt habe und auch nichts bewegen werde.
Dies zeige das Beispiel von Siemens, wo im Aufsichtsrat
die Einführung einer Quote für Aufsichtsrat und Vorstand
abgelehnt worden sei. Aus diesem Grund unterstütze man
den vorliegenden Antrag sowohl in Bezug auf die Privat-
wirtschaft als auch in Bezug auf Bundesgremien.

Bei der Forderung nach einer Quotenregelung für Vorstände
in der Privatwirtschaft sei festzustellen, dass die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nunmehr dem bereits im ver-
gangenen Jahr eingebrachten Antrag der SPD-Fraktion fol-
ge. Darin werde eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte
und Vorstände gefordert. Die Überlegung, diese Quote auch
für die Bundesgremien zu übernehmen, sei richtig. Man
unterstütze auch die Forderungen, mehr Transparenz für die
Gremien zu schaffen, keine „Hintertürchen“ für Ausnahme-
fälle offen zu lassen und vor allem eine stärkere Kontrolle
einzuführen. Die bisherige Möglichkeit der Doppelbenen-
nung und die fehlenden Sanktionen hätten dazu geführt,
dass das Bundesgremienbesetzungsgesetz keine Wirkung
entfaltet habe.

Wenngleich der vorliegende Antrag die 40-Prozent-Quote
für Vorstände nicht explizit enthalte, werde die SPD-Frak-
tion ihm zustimmen, weil er mit seiner Forderung nach
einer Mindestquote in die richtige Richtung gehe.

Die Fraktion der FDP stellte fest, sie nehme die Empfeh-
lungen des Fünften Gremienberichts sehr ernst. Deshalb sei
man dabei, einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den
Weg zu bringen. Demgegenüber lehne man eine starre
gesetzliche Quotenregelung in der Wirtschaft nach wie vor
ab, da sie nicht die strukturellen Probleme lösen könne. In
der im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Rechts-
ausschuss durchgeführten öffentlichen Anhörung sei deut-
lich geworden, dass eine Quotenregelung lediglich am
Symptom ansetze. Um eine nachhaltige Erhöhung des
Frauenanteils in Führungspositionen zu erreichen, bedürfe
es eines breiteren Ansatzes. Das bedeute, dass mehr Frauen
auf allen Hierarchiestufen, also gerade auch in der zweiten
und dritten Führungsebene, tätig sein sollten. Für die
frauenpolitische Debatte im Plenum des Bundestages am
8. März 2012 bereite die Koalition einen Antrag vor.

Die Fraktion DIE LINKE. unterstützte den vorliegenden
Antrag, denn die Bundesregierung müsse immer wieder an
ihre Aufgaben erinnert werden. Seit langem habe die Koali-
tion nachhaltige Verbesserungen im Bereich der Frauen-
quote versprochen. Bislang sei jedoch praktisch nichts ge-
schehen. Die von Bundesministerin Dr. Kristina Schröder
vorgeschlagene, als freiwillig bezeichnete „Verpflichtungs-
quote“ führe nicht weiter und gehe letztlich an der Realität
vorbei.

Es gehe nicht an, dieses Modell bei den Bundesgremien
nachzuahmen. Deshalb werde die in dem Antrag insoweit
vorgeschlagene 40-Prozent-Quote mit Nachdruck unter-
stützt. Der im Jahr 2009 festgestellte Gesamtanteil von
der Koalition die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung in
diesem Punkt noch diskutiert, so dass man gegenwärtig dem

24,5 Prozent weiblicher Mitglieder im Geltungsbereich des
Bundesgremienbesetzungsgesetzes sei zu gering. Aus der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8643

Sicht der Fraktion DIE LINKE. wäre mit Blick auf den An-
teil der Frauen an der Gesamtbevölkerung eine 50-Prozent-
Quote noch besser. Es sei schließlich auch richtig, die Mög-
lichkeit der Doppelbenennung – wie in dem Antrag vorge-
schlagen – abzuschaffen.

Berlin, den 8. Februar 2012

Nadine Schön (St. Wendel)
Berichterstatterin

Christel Humme
Berichterstatterin

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Nicole Bracht-Bendt
Berichterstatterin

Monika Lazar
Berichterstatterin

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