BT-Drucksache 17/8575

Deutsches Ressourceneffizienzprogramm - Ein Baustein für nachhaltiges Wirtschaften

Vom 7. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8575
17. Wahlperiode 07. 02. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dr. Thomas Gebhart, Marie-Luise Dött, Peter Altmaier, Michael
Brand, Cajus Caesar, Dr. Maria Flachsbarth, Josef Göppel, Christian Hirte,
Andreas Jung (Konstanz), Jens Koeppen, Ingbert Liebing, Stefan Müller
(Erlangen), Dr. Georg Nüßlein, Dr. Michael Paul, Ulrich Petzold, Dr. Christian Ruck,
Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Horst Meierhofer, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst,
Dr. Lutz Knopek, Judith Skudelny, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP

Deutsches Ressourceneffizienzprogramm – Ein Baustein für nachhaltiges
Wirtschaften

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Eine sichere und ausreichende Versorgung mit Rohstoffen ist unabdingbare
Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg unserer Unternehmen. Deutsch-
land ist gerade bei den für die Industrie wichtigen metallischen Primärrohstof-
fen in hohem Maße von Rohstoffimporten abhängig. Bei den Seltenen Erden,
die in vielen Zukunftstechnologien verwendet werden, kommt hinzu, dass sich
das Fördervolumen auf einige wenige Länder konzentriert. Verknappungen an
den Rohstoffmärkten, die beispielsweise durch Explorationsengpässe oder
durch eine interessengeleitete Rohstoffpolitik in den Bezugsländern entstehen,
können zu Produktionseinschränkungen und Kostensteigerungen führen. Aus
diesem Grund hat die Bundesregierung eine Rohstoffstrategie verabschiedet,
um die deutsche Wirtschaft in ihrer Rohstoffbeschaffung zu unterstützen. Ne-
ben dem Ausbau von Rohstoffpartnerschaften sowie der Unterstützung der Un-
ternehmen bei der Diversifizierung ihrer Rohstoffbezugsquellen steht auch der
Abbau von Handelshemmnissen im Rahmen der EU-Handelspolitik im Vorder-
grund. Ein wichtiger Baustein, der mit einer hinreichenden Rohstoffversorgung
zusammenhängt, ist die Steigerung der Ressourceneffizienz.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist der weltweite Abbau von Bodenschätzen um
den Faktor 34 gestiegen. In der Europäischen Union benötigen wir heutzutage
jährlich 16 Tonnen Werkstoffe pro Person, davon werden sechs Tonnen zu Ab-
fall und die Hälfte endet auf einer Deponie. Die zunehmende Rohstoffgewin-
nung bei unzureichenden Umweltstandards in Drittländern kann weitreichende
negative Umweltauswirkungen nach sich ziehen, die zur Schädigung von Öko-

systemen und zu sozialen und wirtschaftlichen Spannungen führen können.
Ähnliches gilt für illegale Abfallexporte in Drittländer verbunden mit einem
gesundheits- und umweltgefährdenden Recycling unter Verwendung veralteter
und technisch unzureichender Methoden. Die Nachfrage nach Rohstoffen wird
durch die wachsende Weltbevölkerung verstärkt. Damit geht die Gefahr einher,
dass vermehrt Anlässe zu gewaltsamen Konflikten entstehen. Die deutsche
Ressourcenpolitik ist gefordert, im Rahmen ihrer internationalen Einflussmög-

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lichkeiten globale Verantwortung für die Folgen der Ressourcennutzung zu
übernehmen und die Herausforderung, eine gesunde wirtschaftliche Entwick-
lung mit ökologischen und sozialen Erfordernissen zu vereinen, auch im Hin-
blick auf den damit verbundenen Vorbildcharakter anzunehmen.

Auf europäischer Ebene hat die Europäische Kommission im Rahmen ihrer
konzeptuellen Rohstoffinitiative in drei Säulen dargelegt, wie eine kohärente
Rohstoffpolitik den Zugang der Wirtschaft zu wichtigen Rohstoffen unterstüt-
zen kann. Dazu zählen die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs
der Unternehmen auf dem Weltmarkt, die Förderung einer nachhaltigen Ver-
sorgung mit Rohstoffen aus europäischen Quellen sowie die Steigerung der
Ressourceneffizienz und die Förderung der Kreislaufwirtschaft.

Im Rahmen der Europa-2020-Strategie wurde die Leitinitiative „Ressourcen-
schonendes Europa verabschiedet, die durch eine Roadmap Ressourceneffizienz
konkretisiert worden ist. Die Mitgliedstaaten werden darin aufgefordert, institu-
tionelle Rahmenbedingungen zu entwickeln, die Wechselbeziehungen zwischen
Wirtschaft, Wohlergehen und Naturkapital anerkennen. Hindernisse für eine
höhere Ressourceneffizienz sollen ausgeräumt werden. Im Rahmen des Fahr-
plans sollen zudem geeignete Indikatoren entwickelt werden, die Ressourcen-
effizienz abbilden können.

Um auf nationaler Ebene eine nachhaltige und effiziente Nutzung von Res-
sourcen zu forcieren, kann das von der Bundesregierung geplante Deutsche
Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) einen wichtigen Beitrag leisten. Ziel
ist es, die Beeinträchtigung der Umweltmedien durch Rohstoffgewinnung und
-verarbeitung zu minimieren und die Ressourcennutzung in Deutschland weiter
zu optimieren. Dabei muss als Bewertungsmaßstab der gesamte Produktlebens-
zyklus, von der Rohstoffgewinnung über die weitere Verwendung und Nutzung
bis hin zu der Verwertung, in den Blick genommen werden. Nur so ist eine Ge-
samtbewertung des ökologischen und ökonomischen Nutzens eines Produkts
unter dem Gesichtspunkt der Ressourceneffizienz möglich. Auch das Denken
in Stoffkreisläufen soll stärker als bisher betont werden. Dies gelingt, wenn Ab-
fälle in biologischen oder technischen Kreisläufen wiederverwendet oder, wo
dies an Grenzen stößt, sinnvoll energetisch verwertet werden.

Für die deutsche Wirtschaft ist ein nachhaltiger und effizienter Umgang mit
Ressourcen bereits heute – betriebswirtschaftlich wie volkswirtschaftlich – ein
maßgeblicher Erfolgsfaktor. Bisherige Erfahrungen der Materialeffizienzbera-
tungen in mittelständischen Unternehmen zeigen, dass bei den bisher beratenen
Unternehmen im Schnitt 200 000 Euro im Jahr allein an Materialkosten gespart
werden können. In zahlreichen Branchen sind hierzulande durch Optimierung
der Produktions- und Verbundprozesse bereits erhebliche Anstrengungen unter-
nommen worden. Dies schon deshalb, weil der Einsatz von Ressourcen in vie-
len Unternehmen einen maßgeblichen Kostenfaktor darstellt. Es bestehen je-
doch in Teilbereichen noch Effizienzpotentiale.

Ein wesentlicher Schlüssel, noch vorhandene Potentiale auszuschöpfen, besteht
in technologischen Innovationen. Zahlreiche deutsche Unternehmen sind heute
Weltmarktführer im Bereich Effizienztechnologien. Insofern kann die Steige-
rung der Ressourceneffizienz eine doppelte wirtschaftliche Chance bieten:
Einerseits führt eine effiziente Nutzung von Ressourcen zu einer Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Andererseits werden Effizienztechno-
logien weltweit vermutlich zu den Wachstumsbranchen zählen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung zu einem
nationalen Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) und den darin eingeschla-
genen Weg, der vor allem auf Anreize und freiwillige Instrumente, auf Informa-
tion, Beratung, Aus- und Weiterbildung sowie Forschung und Entwicklung zielt.

Dieses Programm soll im Vorfeld der Konferenz der Vereinten Nationen für

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nachhaltige Entwicklung (Rio plus 20) im Jahr 2012 die Vorbildrolle Deutsch-
lands in diesem Politikfeld stärken, einen Überblick über bereits vorhandene
Aktivitäten geben sowie Handlungsmöglichkeiten und Maßnahmen zur Steige-
rung der Ressourceneffizienz beschreiben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen des Bundeshaushalts 2012 und des Finanzplans

1. weiterhin engagiert für eine Steigerung der Ressourceneffizienz einzutreten
und die Steigerung der Ressourceneffizienz als Herausforderung und zu-
gleich als Chance für eine nachhaltige Entwicklung zu begreifen, die sowohl
ökonomische als auch ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt;

2. bei der Wahl der Instrumente auf eine auch im internationalen Maßstab wett-
bewerbskonforme Ausgestaltung zu achten und Anreizen und freiwilligen
Lösungen den Vorzug vor staatlichen Regulierungen sowie bürokratischen
Kostenbelastungen der Wirtschaft, die die Ressourcennutzung verteuern, zu
geben;

3. die Rohstoffstrategie der Bundesregierung, die Handelshemmnisse abbauen
und Unternehmen in ihrer Rohstoffbeschaffung unterstützen soll, konsequent
umzusetzen. Als Beispiele seien hier die Unterstützung von Unternehmen in
der Diversifizierung ihrer Rohstoffbezugsquellen, der Aufbau bilateraler
Rohstoffpartnerschaften mit wichtigen Lieferländern, die Steigerung der
Effizienz bei der Rohstoffgewinnung und bei der Material- und Rohstoffver-
arbeitung sowie verstärktes Recycling, die Unterstützung der Arbeiten der
Deutschen Rohstoffagentur bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe sowie der Ausbau von Forschung und Entwicklung genannt;

4. die hohen Verwertungsquoten bei mineralischen Abfällen auch zukünftig zu
gewährleisten, die Entwicklung von Stoffkreisläufen bei wirtschaftsstrate-
gisch bedeutsamen Metallen zu fördern und die Produktverantwortung im
Rahmen der Kreislaufwirtschaft zu stärken. Mit dem neuen Kreislaufwirt-
schafts- und Abfallgesetz und der geplanten Wertstofftonne oder der Wert-
stofferfassung in vergleichbarer Qualität sollen eine deutliche Verbesserung
des Recyclings sowie eine Gesamtsteigerung der verwerteten Abfallmenge
erreicht werden;

5. sich dafür einzusetzen, dass bei Normungsprozessen neben dem Energiever-
brauch auch andere geeignete Ressourcenaspekte vermehrt berücksichtigt
werden. Dies soll die Anreize erhöhen, ressourceneffiziente Produkte und
Dienstleistungen zu entwickeln und zur Marktreife zu führen;

6. Herstellern und Vertreibern in dafür geeigneten Bereichen zu ermöglichen,
die für ihre Produkte verwendeten Materialien wiederzuerlangen und wieder
zu verwenden. Dies kann durch eigene Rückgewinnungssysteme oder aber
durch Kennzeichnung und Auslesemöglichkeit (z. B. RFID-Chips in den
Produkten) im Stoffstrom erfolgen;

7. gemeinsam mit den Ländern und mittelstandsnahen Wirtschaftsorganisatio-
nen die bereits existierende einzelbetriebliche Effizienzberatung weiter aus-
zubauen, um das Bewusstsein gerade der kleinen und mittleren Unterneh-
men für den effizienten Umgang mit Ressourcen zu schärfen und deren wirt-
schaftlichen Potentiale zur Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbs-
fähigkeit noch stärker auszuschöpfen;

8. die unterschiedlichen Forschungsprogramme stärker auf ressourcen- und
energieeffiziente Produktions- und Verarbeitungsprozesse auszurichten.
Dazu zählt auch die Erforschung neuer Technologien, wie beispielsweise der
Nanotechnologie oder die Erforschung von Ersatzmaterialien für Rohstoffe,

deren Gewinnung sehr aufwändig oder deren Extraktion mit hohen Umwelt-
belastungen verbunden ist, um Letzteres zu vermindern;

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9. eine umfassende Nationale Forschungs- und Innovationsförderstrategie für
neue Ressourcentechnologien zu entwickeln und dabei einerseits die tech-
nologieoffenen FuEuI-Programme (FuEuI: Forschung, Entwicklung und
Innovation) für kleine und mittlere Unternehmen, die in erheblichem Maß
auch die Entwicklung ressourcenschonender Techniken unterstützen, zu
stärken sowie andererseits das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcen-
technologie, die Deutsche Rohstoffagentur, das Umweltbundesamt, die
Technischen Universitäten in Deutschland und andere einschlägige For-
schungseinrichtungen und Wirtschaftsorganisationen in ein neues For-
schungsförderungsprogramm einzubinden;

10. eine enge Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und politischen Akteu-
ren zu befördern, um technologische Entwicklungen, neue Prozesse oder
Werkstoffe anwendungsorientiert zu erforschen und schneller in die betrieb-
liche Praxis umzusetzen. Dazu zählt auch, erfolgreiche Vernetzungsarbeiten,
wie zum Beispiel zwischen der Deutschen Materialeffizienzagentur (demea)
mit dem VDI Zentrum für Ressourceneffizienz GmbH (VDI-ZRE), in enger
Abstimmung mit dem Ausbau der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) bei
der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, weiter zu beför-
dern. Das gegründete Netzwerk Ressourceneffizienz kann einen weiteren
Beitrag leisten;

11. in Zusammenarbeit mit dem Handel das öffentliche Bewusstsein für einen
ressourceneffizienten Umgang mit Produkten zu schärfen und die Verbrau-
cherinnen und Verbraucher unter Beachtung sektorspezifischer Bedingun-
gen dafür zu sensibilisieren;

12. die Einführung freiwilliger Zertifizierungssysteme im Bereich der Ressour-
ceneffizienz zu unterstützen, die dazu geeignet sind, auf die Herkunft der
Roh- und Inhaltsstoffe und die Randbedingungen, unter denen sie gewon-
nen werden, hinzuweisen;

13. ihren Beschaffungsstellen zu empfehlen, die Leistungsbeschreibung in der
öffentlichen Beschaffung verstärkt an der Nutzung ressourceneffizienter
Produkte und Dienstleistungen auszurichten;

14. zu prüfen, ob es geeignete Ansatzpunkte gibt, Ressourceneffizienzaspekte
in den verschiedenen sektoralen Rechtsbereichen stärker zu verankern;

15. das Ressourceneffizienzprogramm in Abstimmung mit der Leitinitiative
„Ressourcenschonendes Europa“ der Europäischen Kommission und dem
konkretisierenden Fahrplan fortzuschreiben und die Zielsetzungen und
Maßnahmen des Ressourceneffizienzprogramms zu evaluieren und zu kon-
kretisieren;

16. für diese Überprüfung geeignete Indikatoren zu entwickeln, die Ressourcen-
effizienz praxisrelevant und widerspruchsfrei abbilden und dabei die Rah-
menbedingungen des Industrie- und Produktionsstandorts Deutschland und
die besonderen Umstände der auf seiner Grundstoffindustrie basierenden
Wertschöpfungsketten angemessen reflektieren;

17. dem Deutschen Bundestag alle vier Jahre über die Entwicklung der
Ressourceneffizienz in Deutschland zu berichten.

Berlin, den 7. Februar 2012

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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