BT-Drucksache 17/8566

Zunehmende Anwendung der automatisierten Kontenabfrage

Vom 7. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8566
17. Wahlperiode 07. 02. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann,
Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Zunehmende Anwendung der automatisierten Kontenabfrage

Seit dem 1. April 2005 ist es Behörden wie den Sozial- und Finanzämtern oder
auch den Arbeitsagenturen möglich, Kontostammdaten von Bürgerinnen und
Bürgern über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) oder die Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abzurufen. Zu den Kontostammdaten
zählen zum einen die Kontonummer, das Eröffnungs- bzw. Auflösungsdatum
eines Kontos, zum anderen aber auch Name, Anschrift, Geburtsdaten, vorhan-
dene Bausparverträge und Wertpapierdepots der Kontoinhaber. Alle deutschen
Banken und Sparkassen sind verpflichtet, diese Informationen in einer Daten-
bank abzulegen und unter niedrigen datenschutzrechtlichen Standards den be-
nannten Behörden bereitzustellen.

Auch wenn Kontostände und -bewegungen bisher nicht durch den automatisier-
ten Kontenabruf eingesehen werden können, nutzen die Behörden die erwor-
benen Informationen, um Rückschlüsse auf die Einkünfte der Betroffenen zu
ziehen.

Ziel ist dabei, die Aufdeckung bisher verschwiegener Kapitaleinkünfte, wobei
der automatisierte Kontenabruf einerseits zur Förderung von Steuerehrlichkeit
beitragen und andererseits Sozialleistungsmissbrauch, Wirtschaftskriminalität
und Schwarzarbeit eindämmen soll. Daher geraten nicht nur sogenannte Besser-
verdiener, sondern auch Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe,
Wohngeld, Erziehungsgeld, Unterhaltssicherung oder BAföG in das Kontroll-
raster der Behörden.

Am 12. Januar 2012 wurde durch die Berichterstattung der „Neuen Osnabrücker
Zeitung“ bekannt, dass Behörden den automatisierten Kontenabruf – welcher
ursprünglich einmal als Instrument zur Bekämpfung von schweren Verbrechen
und Terrorismus gedacht war und dessen Anwendung vom Bundesverfassungs-
gericht auf Ausnahmefälle beschränkt wurde – immer häufiger durchführen. So
wurden im Jahr 2011 die Kontostammdaten von rund 63 000 Bürgerinnen und
Bürgern abgefragt, was einen Anstieg von rund 10 Prozent gegenüber dem Vor-
jahr bedeutet. Im Vergleich zum Einführungsjahr 2005 lässt sich sogar eine Stei-
gerung der Abfragen um circa 700 Prozent ausmachen.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Kontostammdatensätze wurden seit Einführung der automatisier-
ten Kontenabfrage im Jahr 2005 abgerufen (bitte nach Jahren und Anzahl der
Abrufe aufschlüsseln)?

2. In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen hat das BZSt Zugriff
auf die Kontostammdaten der Kunden von Banken und Sparkassen?

Drucksache 17/8566 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Die Datensätze wie vieler Bürgerinnen und Bürger wurden seit der Einfüh-
rung der automatisierten Kontenabfrage in den Jahren 2005 bis 2012 vom
BZSt abgerufen?

4. In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen hat die BaFin
Zugriff auf die Kontostammdaten der Kunden von Banken und Sparkassen?

5. Die Datensätze wie vieler Bürgerinnen und Bürger wurden seit Einführung
der automatisierten Kontenabfrage in den Jahren 2005 bis 2012 von der
BaFin abgerufen?

6. Haben neben dem BZSt und der BaFin noch weitere Behörden und Institu-
tionen direkten Zugriff auf Kundendaten der Banken und Sparkassen?

Wenn ja, welche, und auf welcher gesetzlichen Grundlage?

7. Welche Behörden und Institutionen haben auf welcher gesetzlichen Grund-
lage das Recht, die Abrufe von Kontostammdaten über BZSt und BaFin
vorzunehmen (bitte nach Behörde bzw. Institution, gesetzliche Grundlage,
bestehende Voraussetzungen aufschlüsseln)?

8. Zu welchem Zweck können welche Behörden und Institutionen unter
welchen Voraussetzungen die Abrufe von Kontostammdaten über BZSt
vornehmen lassen (bitte nach Behörde bzw. Institution, Zweck, Vorausset-
zungen aufschlüsseln)?

9. Zu welchem Zweck können welche Behörden und Institutionen unter
welchen Voraussetzungen die Abrufe von Kontostammdaten über BaFin
vornehmen lassen (bitte nach Behörde bzw. Institution, Zweck, Vorausset-
zungen aufschlüsseln)?

10. Welche Behörden und Institutionen haben in den Jahren 2005 bis 2012 wie
oft über wen eine Abfrage von Kontostammdaten vorgenommen (bitte nach
Jahren, Behörde bzw. Institution, BZSt, BaFin, Anzahl der vorgenommenen
Kontoabrufe aufschlüsseln)?

11. In welcher Form muss die Datenbank, in denen Banken und Sparkassen die
Kontostammdaten ihrer Kunden speichern, geführt werden?

12. Durch wen werden die Datenbanken, in denen Banken und Sparkassen die
Kontostammdaten ihrer Kunden speichern, verwaltet (bitte nach Bank bzw.
Sparkasse und jeweilige Verwaltung aufschlüsseln)?

13. Erfahren die betroffenen Bankkunden vom Abrufen ihrer Kontostamm-
daten?

a) Wenn ja, wann, und in welchem Umfang?

b) Wenn nein, warum nicht?

14. Wie viele Fälle von Terrorismus und schweren Verbrechen konnten bisher
durch die automatisierten Kontenabrufe aufgedeckt werden (bitte jeweils
für Fälle von Terrorismus und anderen schweren Straftaten nach Jahren,
Anzahl der durchgeführten Kontenabrufe, aufgedeckten Straftaten, Anzahl
der Straftäter und prozentualem Anteil an Gesamtzahl der Kontenabrufe
aufschlüsseln)?

15. Wie viele Fälle von Steuer- und Sozialleistungsbetrug konnten bisher durch
die automatisierten Kontenabrufe aufgedeckt werden (bitte nach Jahren,
Anzahl der durchgeführten Kontenabrufe, aufgedeckten Straftaten, prozen-
tualem Anteil an Gesamtzahl der Kontenabrufe aufschlüsseln)?

16. Konnten neben Steuer- und Sozialleistungsbetrug noch weitere Straftaten
durch den automatisierten Kontenabruf aufgedeckt werden, und wenn ja,

welche, und wie viele (bitte nach Straftaten und Anzahl aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8566

17. In wie vielen Fällen konnten durch den automatisierten Kontenabruf
verschwiegene Kapitaleinkünfte aufgedeckt werden (bitte nach Jahren, An-
zahl der durchgeführten Abrufe, Anzahl der aufgedeckten verschwiegenen
Kapitaleinkünfte, prozentualem Anteil an Gesamtzahl der Kontenabrufe
aufschlüsseln)?

18. Sind die Fälle von Steuer- und Sozialleistungsbetrug mit der Einführung der
automatisierten Kontenabrufe im Jahr 2005 zurückgegangen (bitte nach
Anzahl der Steuer- und Sozialleistungsbetrugsfälle in den Jahren 2000 bis
2005 und Anzahl der Steuer- und Sozialleistungsbetrugsfälle in den Jahren
2006 bis 2012 aufschlüsseln)?

19. Wie schätzt die Bundesregierung den immensen Anstieg der vorgenomme-
nen Kontenabrufe ein?

20. Hat die Bundesregierung vor, dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Wenn ja, wie?

Berlin, den 7. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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