BT-Drucksache 17/8450

Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Abitur gewährleisten

Vom 24. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8450
17. Wahlperiode 24. 01. 2012

Antrag
der Abgeordneten Uwe Schummer, Albert Rupprecht (Weiden), Michael
Kretschmer, Peter Altmaier, Marie-Luise Dött, Dr. Thomas Feist, Ingrid Fischbach,
Eberhard Gienger, Monika Grütters, Florian Hahn, Anette Hübinger,
Dr. Stefan Kaufmann, Ewa Klamt, Axel Knoerig, Stefan Müller (Erlangen),
Dr. Philipp Murmann, Tankred Schipanski, Marcus Weinberg (Hamburg),
Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Heiner Kamp, Dr. Martin Neumann (Lausitz),
Dr. Peter Röhlinger, Sylvia Canel, Florian Bernschneider, Rainer Brüderle
und der Fraktion der FDP

Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Abitur gewährleisten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) wird die Ver-
einbarung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und
der Kultusministerkonferenz vom Oktober 2006 umgesetzt. Hintergrund ist die
Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung eines
Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR), die am 23. April 2008 in Kraft trat.
Der Deutsche Qualifikationsrahmen soll bildungsbereichsübergreifend alle
Qualifikationen des deutschen Bildungssystems umfassen und dessen Beson-
derheiten berücksichtigen. Ziel des DQR ist es, das deutsche Qualifikationssys-
tem transparenter zu machen und Verlässlichkeit, Durchlässigkeit sowie Quali-
tätssicherung zu unterstützen und die sich dabei ergebenden Gleichwertigkeiten
und Unterschiede von Qualifikationen zu verdeutlichen. Dabei gilt es durch
Qualitätssicherung und -entwicklung Verlässlichkeit zu erreichen und die Orien-
tierung der Qualifizierungsprozesse an Lernergebnissen zu fördern. Die Beson-
derheiten des deutschen Bildungssystems berücksichtigend trägt der DQR zur
angemessenen Bewertung und zur Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen in
Europa bei. Damit leistet der DQR einen Beitrag zur Förderung der Mobilität
von Lernenden und Beschäftigten zwischen Deutschland und anderen euro-
päischen Ländern im Sinne bestmöglicher Chancen.

Der Arbeitskreis „Deutscher Qualifikationsrahmen“ wurde unter Einbeziehung
aller relevanten Akteure – Einrichtungen der Hochschulbildung und der beruf-

lichen Bildung, Sozialpartner und Experten aus Wissenschaft und Praxis – mit
der Entwicklung des DQR beauftragt. Er erarbeitete eine bildungsbereichsüber-
greifende Matrix, die im März 2011 verabschiedet wurde. Auf acht Niveau-
stufen werden fachliche und personale Kompetenzen beschrieben, an denen sich
die Einordnung der erworbenen Qualifikationen orientiert bzw. die zur Erlan-
gung einer Qualifikation erforderlich sind.

Drucksache 17/8450 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Dissens steht derzeit die Zuordnung der Hochschulreife im Verhältnis zu den
beruflichen Erstausbildungen. Die duale Berufsausbildung in Deutschland,
deren integraler Bestandteil die allgemeine Bildung ist, ist der Garant für die
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Nach einer
absolvierten dualen Ausbildung haben junge Menschen durch das Lernen in Be-
trieb und Schule die volle Berufsfähigkeit erlangt. Darüber hinaus eröffnen sich
im Anschluss attraktive Karriereperspektiven in der Aufstiegsfortbildung zum
Meister, Techniker oder Fachwirt. Nach dem erklärten politischen Willen der
Bundesregierung sollen die Hochschulen für den gleichberechtigten Zugang von
Absolventinnen und Absolventen des dualen Berufsbildungssystems geöffnet
werden. Aufgrund der hohen Komplexität beruflicher Handlungsfähigkeit mit
ihren Fertigkeiten und Kompetenzen sind drei- bzw. dreieinhalbjährige Berufs-
ausbildungen im Vergleich zur allgemeinen Hochschulreife als gleichwertig ein-
zuordnen.

Dementsprechend hat sich die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder mit
Beschluss vom 25. August 2011 dafür ausgesprochen, die Hochschulreife dem
DQR-Niveau 4 zuzuordnen und die drei- und dreieinhalbjährigen Berufsaus-
bildungen aufgrund der hohen Komplexität beruflicher Handlungsfähigkeit
mindestens gleichwertig einzuordnen.

Die Kulturministerkonferenz hat hingegen in ihrer Sitzung am 20. Oktober 2011
beschlossen, die allgemeine Hochschulreife, die fachgebundene Hochschulreife
und höherwertige Berufsabschlüsse gemeinsam auf Stufe 5 einzuordnen. Die
zweijährigen dualen Ausbildungen müssten demnach Stufe 3 und die dreijähri-
gen im Wesentlichen Stufe 4 zugeordnet werden.

Dieser Beschluss gefährdet die Kohärenz des DQR im Ganzen. Insbesondere
würde die Differenzierung und Spreizung der beruflichen Erstausbildungen der
Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung nicht gerecht und
setzte die duale Ausbildung gegenüber der allgemeinbildenden Schulbildung
herab. Auch werden nach den vorliegenden Informationen der allgemeinen
Hochschulreife vergleichbare Qualifikationen in Europa überwiegend in die
Niveaustufen 3 bzw. 4 des EQR eingeordnet.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. darauf hinzuwirken, dass die Entschlüsse zur Zuordnung der Qualifikationen
im Konsens mit allen beteiligten Akteuren getroffen werden. Dabei ist auch
und besonders die Position der am dualen Berufsbildungssystem Beteiligten
gleichberechtigt zu berücksichtigen. Die Bundesregierung hat gegenüber den
Bundesländern darauf hinzuwirken, dass der Gleichwertigkeit von allgemei-
ner bzw. fachgebundener Hochschulreife und mindestens dreijährigen dualen
Ausbildungen durch deren übereinstimmende Einordnung auf einer Niveau-
stufe des DQR Ausdruck verliehen wird. Zweijährige berufliche Erstausbil-
dungen sollen nicht mehr als eine Niveaustufe unterhalb der allgemeinen
bzw. fachgebundenen Hochschulreife angesiedelt werden;

2. für den Fall, dass eine entsprechende Einigung nicht erzielt werden kann, auf
die Einordnung allgemeinbildender Schulabschlüsse im DQR zu verzichten.

Berlin, den 24. Januar 2012

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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