BT-Drucksache 17/8423

Position der Bundesregierung zur Spekulation mit Nahrungsmitteln

Vom 20. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8423
17. Wahlperiode 20. 01. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko,
Harald Koch, Paul Schäfer (Köln), Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Position der Bundesregierung zur Spekulation mit Nahrungsmitteln

Weltweit hungern ca. 925 Millionen Menschen. Dies sind knapp 100 Millionen
Menschen mehr als im Jahr 1990. Damit wird das Millenniumentwicklungsziel,
die Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren, nicht erreicht werden. Und
weitere Millionen Hungernde könnten allein durch geringe Preisanstiege im
Nahrungsmittelbereich hinzukommen. Besonders betroffen von Preissteigerun-
gen bei Lebensmitteln sind Menschen in den am wenigsten entwickelten Län-
dern, den Least Developed Countries (LDCs). Haushalte in diesen Ländern ge-
ben zwischen 60 und 80 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus.
Zum Vergleich: In den Industrieländern werden nur 10 bis 20 Prozent des Ein-
kommens für Lebensmittel ausgegeben.

Die Preise für Nahrungsmittel sind in den letzten Jahren massiv gestiegen und
unterliegen zusätzlich drastischen Schwankungen. Reis und Getreide verteuer-
ten sich zwischen Ende 2006 und März 2008 etwa um 126 Prozent. Als Ergeb-
nis der Preiserhöhungen stieg die Anzahl der Menschen, die in extremer Armut
leben, nach Schätzungen der Weltbank, zwischen 2007 und 2008 um 130 bis
150 Millionen. Nach einer zwischenzeitlichen Preissenkung steuerten die
Grundnahrungsmittelpreise Anfang 2011 auf ein erneutes Rekordhoch zu. So
genannte Fundamentalereignisse wie Dürren oder Überschwemmungen allein
erklären diese starken Preisanstiege und - schwankungen nicht ausreichend.

Vielmehr tragen Spekulationen mit Agrarrohstoffderivaten zu den extremen
und unberechenbaren Preisausschlägen bei. Die Nutzung von Agrarrohstoffen
als Vermögensanlage hat die Nahrungsmittelpreise insgesamt erhöht und die
Gefahr von Spekulationsblasen befördert, da Spekulanten, die nicht an der
Preisfindung oder den Produkten interessiert sind, die Preise über ihren Funda-
mentalwert treiben. So stiegen in den Jahren 2003 bis 2008 die Investitionen in
die beiden größten Rohstoffindexfonds, die in ihren Portfolios auch Agrarroh-
stoffe, wie z. B. Weizen, Mais und Sojabohnen, führen, von 13 Mrd. US-Dollar
auf 317 Mrd. US-Dollar. Dabei sind die Indexfonds an den Produkten an sich
nicht interessiert, sondern spekulieren nur auf deren fallende oder steigende
Preise. Diese exzessive Spekulation führt laut der Studie „Unschuldsmythen –

Wie die Nahrungsmittelspekulation den Hunger anheizt“ von MISEREOR aus
dem Jahr 2011 dazu, dass sich die Rohstoffmärkte weitgehend parallel zu den
übrigen Finanzmärkten bewegen. Dies sollte bei einer idealtypischen markt-
wirtschaftlichen Betrachtung nicht möglich sein, da Fundamentalereignisse den
Preis bestimmen sollten. Weiterhin stellt die Studie „Finanzmärkte als Hunger-
verursacher?“ der Welthungerhilfe aus dem Jahr 2011 fest, dass die Beteiligung
von Kapitalanlegern und deren Spekulationsgeschäfte auf den Getreidemärkten

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im Zeitraum 2007 bis 2009 zu einem Spielraum für Preisniveauerhöhungen von
bis zu 15 Prozent führte. Experten der Weltbank beziffern den Anteil des
Preisanstiegs von Nahrungsmitteln, der auf Spekulation zurückgeht, auf 37 Pro-
zent, der Chefvolkswirt der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und
Entwicklung (UNCTAD) Heiner Flassbeck sogar auf das Doppelte.

Nachdem die Volatilität von Nahrungsmittelpreisen bereits auf dem Gipfeltref-
fen der G20-Staaten 2009 in Pittsburgh behandelt wurde, gab es bis 2011 keine
konkreten Fortschritte. 2011, im Jahr der französischen G20-Präsidentschaft, er-
klärte der französische Präsident Nicolas Sarkozy die Volatilität von Nahrungs-
mittelpreisen zu einem Schwerpunktthema der G20. Schwankende Nahrungs-
mittelpreise bedrohten demnach die Nahrungsmittelsicherheit weltweit und die
Entwicklung in den Ländern des Südens. Das Gipfeltreffen der G20-Agrar-
minister im Juni 2011 brachte, trotz angeblich großer Ambitionen, eine erste
Ernüchterung. Die Agrarminister setzen weiter auf fehlgeschlagene Politiken
und einseitige Produktionssteigerungen, anstatt die Ursachen für die enormen
Preissteigerungen zu bekämpfen. Dazu zählt neben dem Klimawandel, der
Agrarrohstoffpolitik und den Exportbeschränkungen vor allem die exzessive
Nahrungsmittelspekulation. Da die Eindämmung der Nahrungsmittelspekula-
tion allein den Finanzministern überlassen wird, ist klar, dass die Auswirkungen
von Spekulation auf die Ernährungssituation im Süden und die Situation der
Kleinbauern vor Ort völlig aus dem Blickfeld verschwinden werden.

Auch die Europäische Union benennt im Rahmen der Reform der EU-Finanz-
marktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID) die pro-
blematischen Auswirkungen der Spekulation mit Agrarrohstoffderivaten. Vorge-
schlagen wird hier auch die Einführung einer Finanzmarktverordnung (Markets
in Financial Instruments Regulation – MiFIR), die besonders das Clearing des
außerbörslichen Handels (Over-the-counter-Handel) angehen soll. Nun liegt es
beim Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat, Stellung zu den Än-
derungen und Neuerungen zu beziehen. Die Revision der EU-Finanzmarktricht-
linie wird noch mindestens bis Herbst 2012 andauern.

Die Ergebnisse, die sich aus diesen internationalen Foren ableiten lassen, bezie-
hen sich im Besonderen auf die Schaffung von Transparenz auf den Agrarroh-
stoffmärkten in Bezug auf Fundamentaldaten, das Setzen von Positionslimits
sowie die Einschränkung des außerbörslichen Handels von Agrarrohstoffderi-
vaten. Obwohl sich die Bundesregierung zu den G20-Beschlüssen bekennt,
bleibt ihre Position zur Spekulation mit Nahrungsmitteln unklar. Darüber hi-
naus fehlen konkrete Informationen dazu, wie die Bundesregierung plant, diese
Beschlüsse auf nationaler und internationaler Ebene umzusetzen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Auswirkungen der
Spekulation mit Agrarrohstoffen, die über den Zweck der Preisfindung hi-
nausgehen, auf die Volatilität von Nahrungsmittelpreisen?

2. Stimmt die Bundesregierung Aussagen von Börsen- und Finanzexperten zu,
dass die Preisentwicklung von Agrarrohstoffen an den Warenterminbörsen
von Fundamentalereignissen abweicht und sich an den Finanzmärkten orien-
tiert?

3. Hält die Bundesregierung trotz vielfältiger auch wissenschaftlicher Analysen
weiterhin an der in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. zur Hungerkatastrophe in Ostafrika getätigten Aussage vom August
2011 (Bundestagsdrucksache 17/6808) fest, dass es wissenschaftlich nicht
geklärt sei, inwieweit das gestiegene Engagement von Finanzinvestoren zur

Verstärkung von Preisspitzen und -tälern führt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8423

4. Hält die Bundesregierung weiterhin an ihrer Aussage vom August 2011
(Bundestagsdrucksache 17/6808) fest, dass eine „gestiegene Lebensmittel-
nachfrage in den Schwellenländern“ ein Grund für Nahrungsmittelpreis-
steigerung sei, obwohl ein Arbeitspapier der Weltbank aus dem Jahr 2010
(Placing the 2006/08 Commodity Price Boom into Perspecitve) keinen Be-
leg dafür findet?

5. Welche deutschen Finanzunternehmen und Banken spekulieren nach
Kenntnis der Bundesregierung in welchem Umfang an den Warentermin-
märkten für Agrarrohstoffe?

6. Welche deutschen Finanzunternehmen und Banken halten nach Kenntnis
der Bundesregierung Investmentfonds, die zum Teil oder überwiegend in
Agrarrohstoffe investieren, und welchen Umfang haben diese Fonds (in
Euro)?

7. Wie bewertet die Bundesregierung den als „passiv“ (sich nur wenig an der
realen Marktsituation orientierend) und „spekulativ“ eingeschätzten
PowerShares DB Agriculture Fund der Deutschen Bank, der zudem zu den
weltweit größten Rohstofffonds gehört?

8. Welche Daten erhebt die Bundesregierung – u. a. über die Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht – zum Thema Agrarrohstoffspekulatio-
nen, und inwiefern findet eine Beobachtung der Marktlage von Agrarroh-
stoffen statt?

a) Falls keine Daten erhoben werden und keine Marktbeobachtung in die-
sem Bereich stattfindet, warum nicht?

b) Plant die Bundesregierung, zukünftig Daten zum Thema Agrarroh-
stoffspekulation zu erheben?

c) Plant die Bundesregierung, zukünftig Banken und Finanzunternehmen
zur Offenlegung ihrer Finanzaktivitäten hinsichtlich Investitionen auf
den Agrarrohstoffmärkten per Gesetz oder Verordnung zu zwingen?

9. Im Rahmen welcher Diskussions-, Dialog- und Arbeitsgruppen erörtert die
Bundesregierung das Thema Agrarrohstoffspekulation auf nationaler und
internationaler Ebene?

10. Mit welchen Mitteln will die Bundesregierung preistreibende Spekula-
tionen an den Warenterminbörsen für Agrarrohstoffe eindämmen, und mit
welchen Maßnahmen möchte die Bundesregierung die Risikomanagement-
funktion der Terminmärkte weiter stärken, wie in ihrer Aussage vom
August 2011 (Bundestagsdrucksache 17/6808) angekündigt?

11. Hält die Bundesregierung nach wie vor an ihrer Aussage vom August 2011
(Bundestagsdrucksache 17/6808) fest, dass Warenterminbörsen generell
ein nützliches Instrument für das Risikomanagement der Agrar- und Ernäh-
rungswirtschaft nicht nur in Industrieländern, sondern auch in Entwick-
lungs- und Schwellenländern seien?

12. Befindet es die Bundesregierung nach wie vor als förderungswürdig, Ent-
wicklungs- und Schwellenländern den Zugang zu den Warenterminbörsen
– selbst bei deren momentaner Gestaltung, die exzessive Spekulation zu-
lässt – zu ermöglichen (Bundestagsdrucksache 17/7705), und falls ja, wie
begründet sie dies?

13. Welche Maßnahmen des G20-Aktionsplans der Agrarminister zu Lebens-
mittelpreisschwankungen und Landwirtschaft vom Juni 2011 sind bereits
umgesetzt worden, bzw. welchen konkreten Zeitrahmen gibt es für die Um-
setzung der Maßnahmen?

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a) Welche Maßnahmen sind im Handlungsfeld landwirtschaftliche Produk-
tion und Produktivität bereits ergriffen worden bzw. in Planung?

b) Welche Maßnahmen sind im Handlungsfeld Marktinformation und
- transparenz bereits ergriffen worden oder in Planung?

c) Welche Maßnahmen sind im Handlungsfeld internationale politische
Koordinierung bereits ergriffen worden oder in Planung?

d) Welche Maßnahmen sind im Handlungsfeld Verringerung der Auswir-
kungen von Preisschwankungen auf die Schwächsten bereits ergriffen
worden oder in Planung?

e) Welche Maßnahmen sind im Handlungsfeld Finanzmarktregulierung
bereits ergriffen worden oder in Planung?

14. Wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung von außerbörslich gehandel-
ten Agrarrohstoffderivaten auf die Volatilität von Nahrungsmittelpreisen
ein, die auf dem letzten G20-Gipfel in Cannes und von der EU in der
Reform der EU-Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments
Directive – MiFID) allgemein als Problem bezeichnet wurde?

a) Befürwortet die Bundesregierung eine absolute Börsenpflicht für Agrar-
rohstoffe, wie vom Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, Dirk Niebel, am 17. November 2011 in der Fernseh-
sendung „Maybrit Illner“ gefordert?

b) Empfindet die Bundesregierung die Vorschläge der G20 sowie der Revi-
sion der EU-Finanzmarktrichtlinie, die z. B. das Organisierte Handelssys-
tem (Organized Trading Facility) vorschlägt, als weitreichend genug, um
den außerbörslichen Handel mit Agrarrohstoffen effektiv zu bekämpfen?

c) Wie stellt sich die Bundesregierung die konkrete Gestaltung des von der
EU-Finanzmarktrichtlinienreform vorgeschlagenen Organisierten Han-
delssystems vor?

d) Welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung auf nationaler, in-
ternationaler und EU-Ebene unternehmen, um eine Börsenpflicht bzw.
eine Regulierung für außerbörslich gehandelte Agrarrohstoffderivate
durchzusetzen?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die Schaffung des von den G20 vorge-
schlagenen Agrarmarkt-Informationssystems (Agricultural Markets Infor-
mation System – AMIS), welches sich auf Fundamentaldaten konzentriert,
hinsichtlich der Verbesserung der Transparenz auf den Agrarmärkten?

a) Wie beteiligt sich Deutschland am Agrarmarkt-Informationssystem?

b) Welche zusätzlichen oder alternativen Maßnahmen neben der Schaffung
des Agrarmarkt-Informationssystems könnten nach Ansicht der Bun-
desregierung die Umsetzung der G20-Forderung nach mehr Transpa-
renz auf den Märkten für landwirtschaftliche Produkte befördern?

16. Welchen Einfluss wird nach Ansicht der Bundesregierung das Agrarmarkt-
Informationssystem auf die Volatilität von Nahrungsmittelpreisen sowie
auf die Spekulation mit Agrarrohstoffen haben?

17. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bereits unternommen,
um Warenterminbörsen transparenter zu gestalten?

a) Wird die Bundesregierung in internationalen Foren eigene Initiativen
zur Verbesserung der Transparenz auf den Warenterminmärkten für
Agrarrohstoffe einbringen, und wenn ja, in welchen Foren und zu wel-

chem Zeitpunkt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8423

b) Inwieweit stimmt die Bundesregierung mit der Forderung überein, ein
Händlerregister einzuführen, in dem sich alle Akteure, die mit Agrar-
rohstoffderivaten handeln, registrieren lassen müssen, und wenn nein,
warum nicht?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Effektivität von Positionslimits, die
sowohl von den G20 als auch der EU-Finanzmarktrichtlinienreform vorge-
schlagen wurden, um exzessive Spekulationen mit Agrarrohstoffen einzu-
schränken?

19. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Nichtregierungsorganisatio-
nen, wie z. B. WEED, dass die Positionslimits, wie bei der Reform der EU-
Finanzmarktrichtlinien vorgeschlagen, zu schwach sind, um effektiv gegen
exzessive Spekulation vorzugehen und leicht umgangen werden können?

20. Besitzt die Bundesregierung bereits Informationen darüber, in welchem
Rahmen (zeitlich und quantitativ) sich diese Positionslimits bewegen müs-
sen, um Marktmissbrauch an den Warenterminbörsen für Agrarrohstoffe zu
verhindern, und wie stellt sich die Bundesregierung eine effektive Ausge-
staltung der Positionslimits vor?

21. Mit welchen Eingriffsrechten, außer dem Setzen von Positionslimits, wie
von den G20 angedacht, sollen nach Ansicht der Bundesregierung Markt-
aufsichtsbehörden ausgestattet sein, um einem Marktmissbrauch auf den
Agrarrohstoffmärkten vorzubeugen?

22. Erachtet die Bundesregierung die G20- und EU-Vorstöße und - Empfehlun-
gen als weitgehend genug, um exzessive Spekulation mit Nahrungsmitteln
effektiv einzuschränken, um Spekulationsblasen und extreme Preisspitzen
und -schwankungen zu verhindern (bitte begründen)?

23. Wie bewertet die Bundesregierung den Einfluss von Leerverkäufen, gegen
die sich auch der Bundesminister Dirk Niebel in der Talkshow „Maybrit
Illner“ am 17. November 2011 ausgesprochen hat, auf die Volatilität von
Nahrungsmittelpreisen?

a) Plant die Bundesregierung, auf nationaler und internationaler Ebene ge-
gen Leerverkäufe vorzugehen?

b) Wenn ja, mit welchen Mitteln?

24. Wie bewertet die Bundesregierung die Erhöhung der Sicherheitsleistungen
(Margin) als ein Instrument gegen übermäßige Spekulation mit Agrarroh-
stoffen?

25. Inwieweit sieht die Bundesregierung steuerliche Maßnahmen als eine
Möglichkeit, um exzessive Spekulationen auf Agrarrohstoffmärkten zu be-
schränken?

26. Welchen Einfluss haben nach Auffassung der Bundesregierung Index-
fonds, die in Agrarrohstoffe investieren, auf die Preisentwicklung auf den
Agrarrohstoffmärkten?

a) Gibt es nach Ansicht der Bundesregierung eine starke Korrelation zwi-
schen der Investitionstätigkeit von Indexfonds in Agrarrohstoffe und der
Preisentwicklung auf den Rohstoffmärkten, wie z. B. die Nichtregie-
rungsorganisation Oxfam behauptet?

b) Ist es nach Ansicht der Bundesregierung für die globale Nahrungs-
sicherheit förderlich, dass Indexfonds und Finanzmarktunternehmen
uneingeschränkt in Agrarrohstoffe investieren dürfen?

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27. Wurde nach Ansicht der Bundesregierung im Rahmen der G20 und durch
die MiFID-Revision die Problematik der Indexfonds in Bezug auf den
Handel mit Agrarrohstoffen ausreichend berücksichtigt (bitte mit Begrün-
dung)?

28. Reichen die vorgeschlagenen Reformen der EU-Finanzmarktrichtlinie
nach Ansicht der Bundesregierung aus, um eine negative Auswirkung von
Indexfonds auf Agrarrohstoffmärkte zu eliminieren, falls die MiFID-Revi-
sion auf Indexfonds angewandt wird?

29. Inwiefern kann der von der Regierung der Vereinigten Staaten zur Eindäm-
mung von Agrarrohstoffspekulationen erlassene Dodd-Frank Act nach An-
sicht der Bundesregierung zur Eindämmung der Agrarrohstoffspekulation
beitragen?

a) Inwiefern hält die Bundesregierung diese Schritte für auf den deutschen
und europäischen Finanz- und Börsenmarkt übertragbar?

b) Plant die Bundesregierung, die Regelungen des Dodd-Frank Act auf den
deutschen Finanz- und Börsenmarkt zu übertragen, wenn ja, in welchem
Zeitraum, und wenn nein, warum nicht?

30. Inwiefern stimmt die Bundesregierung mit der Forderung überein, entspre-
chend der US-Aufsichtsbehörde für den Handel mit Rohstoffderivaten
CTFC (U.S. Commodity Futures Trading Commission) eine europäische,
auf Agrarrohstoffe spezialisierte Warenterminhandelsaufsicht einzurichten
und mit Durchgriffsmöglichkeiten gegen Marktmissbrauch und extreme
Marktsituationen auszustatten, und wenn nein, warum nicht?

31. Inwiefern stimmt die Bundesregierung mit der Forderung überein, das An-
legen staatlicher, international koordinierter und kontrollierter, physischer
Nahrungsmittelreserven zu forcieren, um der Volatilität auf den Agrar-
märkten zu begegnen und auf Nahrungskrisen reagieren zu können, und
wenn nein, warum nicht?

32. Inwiefern stimmt die Bundesregierung mit der Forderung überein, dass der
Agrarrohstoffbereich im Interesse der Ernährungssicherheit im Rahmen
der UN, z. B. der UNCTAD, koordiniert und überwacht wird, und wenn
nein, warum nicht?

33. Welche Rolle spielt Nahrungsmittelspekulation bei der Hungerkatastrophe
in Ostafrika?

a) Hält die Bundesregierung an ihrer Aussage vom August 2011 (Bundes-
tagsdrucksache 17/6808) fest, dass die Hungerkrise in Ostafrika im
Wesentlichen durch Fundamentalereignisse und nicht durch Spekula-
tionen an Terminmärkten verursacht wurde?

b) Was versteht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang unter spe-
kulativer Lagerhaltung regionaler Akteure?

34. Welche Rolle spielt Nahrungsmittelspekulation bei der zunehmenden Nah-
rungsmittelkrise in der Sahelzone?

35. Inwieweit ist nach Ansicht der Bundesregierung gewährleistet, dass der
neue von der Bundesregierung unterstützte Afrika-Fonds der Deutschen
Bank AG und der Kreditanstalt für Wiederaufbau Bankengruppe (KfW)
nicht zu einem Anstieg von Spekulationen im Agrarrohstoffsektor führt?

a) Inwieweit stimmt nach Ansicht der Bundesregierung die im Zusammen-
hang mit dem Afrika-Fonds geäußerte Erwartung einer risikoorientier-
ten Rendite (siehe Handelsblatt vom 12. Januar 2012) der Deutschen

Bank AG mit dem Ziel der Nahrungsmittelsicherheit überein?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/8423

b) Was versteht die Bundesregierung konkret unter einer nachhaltigen
Rendite, und ist diese ebenso risikoorientiert wie die von der Deutschen
Bank AG erwartete Rendite?

c) Ist es nach Ansicht der Bundesregierung möglich, eine solche nachhal-
tige Rendite bei gleichzeitigem Management des Fonds durch die Deut-
sche Bank AG zu erzielen?

d) Ist der Bundesregierung die Kritik an der Deutschen Bank AG und ihren
Spekulationsgeschäften im Agrarrohstoffbereich im foodwatch-Bericht
„Die Hungermacher“ bekannt, und ist die Bundesregierung dennoch der
Meinung, dass eine Kooperation mit der Deutschen Bank AG im Rahmen
des Afrika-Fonds unbedenklich ist, und falls ja, wie begründet sie dies?

e) Ist der Bundesregierung die Aussage des Deutsche-Bank-Pressespre-
chers Frank Hartmann in einem Film über Nahrungsmittelspekulation
des Zentrums für Politische Schönheit bekannt, dass die Menschen in
Somalia selbst Schuld daran seien, sich die überhöhten Getreidepreise
nicht leisten zu können, und hält die Bundesregierung eine Kooperation
mit der Deutschen Bank im Agrarrohstoffbereich dennoch für unbe-
denklich (bitte begründen)?

f) Welche institutionellen und privaten Investoren haben nach Kenntnis
der Bundesregierung bereits Interesse an Investitionen in die Fonds an-
gemeldet, und mit welchen Investoren sind bereits Verträge in welchem
Umfang abgeschlossen worden?

g) Durch welche konkreten Maßnahmen soll nach Kenntnis der Bundes-
regierung verhindert werden, dass durch den Fonds Projekte finanziert
werden, die Spekulationen an Rohstoffmärkten fördern?

h) Durch welche konkreten Maßnahmen soll nach Kenntnis der Bundes-
regierung überprüft werden, dass die lokalen Partner keine direkten
Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen, Banken oder sonstigen Inves-
toren aus der EU oder den USA pflegen, die wiederum auf Rohstoff-
märkten aktiv sind?

36. Welchen Einfluss haben nach Ansicht der Bundesregierung spekulative
Maßnahmen wie spekulative Lagerhaltung der weltweit größten Getreide-
händler Cargill Deutschland GmbH, Bunge, Archer Daniels Midland Com-
pany (ADM), Louis Dreyfus Holding BV und Grupo André Maggi auf die
Entwicklung der Nahrungsmittelpreise?

a) Stimmt die Bundesregierung im Hinblick auf die Marktbeherrschung
durch die weltweit größten Getreidehändler Cargill, Bunge, Archer
Daniels Midland. (ADM), Dreyfus und Grupo Maggi der Forderung zu,
dass die Machtkonzentration auf den Agrarmärkten wirksam begrenzt
werden muss?

b) Wenn nein, warum nicht?

37. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen der ver-
mehrten Nutzung von Agrarflächen zum Anbau von Pflanzen für Agro-
treibstoffe und steigenden Nahrungsmittelpreisen?

38. Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung bis dato mit der Verbesse-
rung des regionalen Handels, dem Ausbau dezentraler Notfallreserven und
Ernteausfallversicherungen gesammelt, und sind diese Maßnahmen nach
Ansicht der Bundesregierung ausreichend, um Nahrungsmittelpreisanstie-
gen in den Ländern des Südens vorzubeugen?
Berlin, den 20. Januar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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