BT-Drucksache 17/8379

Rechtliche und finanzielle Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen

Vom 18. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8379
17. Wahlperiode 18. 01. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Jan Korte,
Agnes Alpers, Herbert Behrens, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Caren Lay,
Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der
Fraktion DIE LINKE.

Rechtliche und finanzielle Voraussetzungen für die Zahlung einer
Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Schaffen von Künstlerinnen und Künstlern aller Sparten ist unverzichtbar
für eine lebendige Demokratie. Aufgabe von Politik ist es, günstige Rahmenbe-
dingungen für ihr Wirken zu ermöglichen. Diese Rahmenbedingungen zu ver-
bessern ist nach wie vor Anliegen des Deutschen Bundestages. Angesichts der
schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage von Künstlerinnen und Künst-
lern, von der insbesondere bildende Künstlerinnen und Künstler betroffen sind,
besteht dringender Handlungsbedarf – so das Ergebnis des Abschlussberichts
der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ und aktueller Studien zu
diesem Thema.

Bildende Künstlerinnen und Künstler erhalten im Unterschied zu den Künstle-
rinnen und Künstlern aller anderen Sparten, bei denen das Urheberrecht eine
Vergütung für jede öffentliche Nutzung und Verwertung ihrer Werke vorsieht,
üblicherweise keine Vergütung für die öffentliche Ausstellung ihrer Werke. Bil-
dende Künstlerinnen und Künstler beziehen ihre Einnahmen daher allein aus
dem Verkauf der Werke bzw. der Nutzung von Abbildungen dieser Werke. Im
Urheberrecht ist derzeit kein Rechtsanspruch auf eine Ausstellungsvergütung
verankert. Diese Ungleichbehandlung ist einer der Gründe für das vergleichs-
weise geringe Einkommen und die prekäre wirtschaftliche und soziale Lage
dieser Künstlergruppe. Der Gesetzgeber ist hier gefordert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die rechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausstellungsvergü-
tung für bildende Künstlerinnen und Künstler zu schaffen. Dieser Anspruch
sollte im Urheberrecht verankert werden mit dem Ziel, den bildenden Künst-
lerinnen und Künstlern einen rechtsverbindlichen und zugleich unverzicht-

baren Anspruch auf eine angemessene Vergütung für die Verwertung ihrer
Werke im Rahmen von öffentlichen Ausstellungen zu sichern. Die Art der
Regelung sollte gewährleisten, dass diese Vergütung den Künstlerinnen und
Künstlern zugutekommt und nicht anderen Rechteinhabern. Sie sollte zugleich
berücksichtigen, dass Institutionen, die zeitgenössische Kunst ausstellen,
namentlich auch kleinere Vereine und Projekte, nicht über Gebühr belastet
werden und die Zugänglichkeit zu den Ausstellungen für alle Bürgerinnen

Drucksache 17/8379 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und Bürger gewährleistet bleibt. Der Kunsthandel sollte davon ausgenom-
men werden;

2. die konkrete Ausgestaltung der rechtlichen Regelung sowie die Höhe und
Kriterien einer Ausstellungsvergütung in einem Gremium mit Vertreterinnen
und Vertretern der betroffenen Verbände und Institutionen sowie ausgewähl-
ten Künstlerinnen und Künstlern und Rechtsexperten zu beraten;

3. bis zur Schaffung einer gesetzlichen Lösung eine verpflichtende Ausstel-
lungszahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler in die Förderkriterien
für die vom Bund geförderten Einrichtungen und Projektträger aufzunehmen
und die dafür nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen;

4. ihren Einfluss geltend zu machen, dass auch die Länder und Kommunen
eine verpflichtende Ausstellungszahlung in die Förderkriterien der von
ihnen finanzierten Einrichtungen und Projekte sowie in spartenspezifische
oder spartenübergreifende Kulturfördergesetze aufnehmen und die entspre-
chenden finanziellen Mittel dafür einplanen;

5. durch ein Umsteuern in der Finanzpolitik des Bundes die Voraussetzungen
dafür zu schaffen, dass die Länder und Kommunen ihren Aufgaben zur Da-
seinsvorsorge auch im kulturellen Bereich wieder nachkommen können.

Berlin, den 18. Januar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Seit der letzten großen Untersuchung zur sozialen und wirtschaftlichen Lage
von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Jahre 1972 hat sich die Einkom-
menssituation von freiberuflich und selbstständig tätigen Künstlerinnen und
Künstlern im Durchschnitt nicht verbessert – so lautete das Fazit der Enquete-
Kommission „Kultur in Deutschland“ in ihrem Abschlussbericht (Bundestags-
drucksache 16/7000, S. 297 ff.). In vielen Fällen hat sie sich sogar verschlech-
tert, ist von unsicheren und schwankenden, insgesamt geringen Einkünften ge-
kennzeichnet. Das betrifft insbesondere bildende Künstlerinnen und Künstler.
Die Gruppe der bildenden Künstlerinnen und Künstler verfügt mit 94 Prozent
über den höchsten prozentualen Anteil von Selbstständigen (ebenda, S. 240).
Der derzeitige durchschnittliche Jahresverdienst von bildenden Künstlerinnen
und Künstlern, die in der Künstlersozialkasse versichert sind, beträgt insgesamt
13 185 Euro. Frauen verdienen noch deutlich weniger: 11 103 Euro im Jahr. Sie
haben also mehrheitlich ein Einkommen, von dem sie nicht leben können. Die
Einkünfte aus dem Verkauf von Werken sind für die Mehrzahl nicht die ent-
scheidende Einkommensquelle. Wie aus einer aktuellen Studie im Auftrag des
Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler hervorgeht, betrugen
die durchschnittlichen Einkünfte der Befragten aus dem Verkauf von Kunst-
werken im Jahre 2010 nur 5 347 Euro mit starken Unterschieden zwischen
Künstlerinnen und Künstlern. Der Verkauf von Werken sichert nur ganz weni-
gen Künstlerinnen und Künstlern ein Auskommen, die anderen sind dringend
auf Erlöse aus der Verwertung und öffentlichen Ausstellung ihrer Werke ange-
wiesen, die ihnen aber im Unterschied zu anderen künstlerischen Berufsgrup-
pen derzeit rechtlich nicht zustehen. Deshalb plädieren viele von ihnen für eine
Ausstellungsvergütung.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8379

Der Bundesverband bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) und andere
Künstlerverbände kämpfen gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di seit nun-
mehr über 30 Jahren darum, die rechtliche Ungleichbehandlung zu beenden.
Eine im Urheberrecht verankerte Ausstellungsvergütung soll diese Lücke
schließen. Bislang aber waren ihre Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt. Eine
der Ursachen dafür war, dass die Verbände und die Gewerkschaft auch selbst
uneins über die konkrete Ausgestaltung dieser Regelung waren. Dies ist nun
anders. Sie haben sich auf einen gemeinschaftlichen Vorschlag geeinigt, mit dem
sie sich zuletzt im Januar 2010 an die Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien
im Deutschen Bundestag gewandt haben. Sie sprechen sich für eine Lösung im
Urheberrecht aus, die die Benachteiligung bildender Künstlerinnen und Künst-
ler beendet und ihnen eine angemessene Vergütung sichert, die andererseits
aber auch berücksichtigt, dass Institutionen, die zeitgenössische Kunst aus-
stellen, nicht über Gebühr belastet werden. Der Kunsthandel soll grundsätzlich
davon ausgenommen werden. Auf den Internetseiten des BBK sind die grund-
legenden Forderungen und eine Chronologie der Initiativen für deren Umset-
zung zu finden.

Die Fraktion DIE LINKE. hat diese Forderung immer unterstützt, auch im Rah-
men der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, die sich in ihrem
Schlussbericht nach Abwägung des Für und Wider leider mehrheitlich gegen
eine Handlungsempfehlung zu diesem Thema entschied (Bundestagsdruck-
sache 16/7000, S. 263 ff.). Die Fraktionen DIE LINKE. und SPD haben dazu
jeweils Sondervoten eingebracht und die rechtliche Verankerung einer Ausstel-
lungsvergütung im Urheberrecht empfohlen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun einen Antrag für eine Aus-
stellungszahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografinnen
und Fotografen bei durch den Bund geförderten Ausstellungen eingebracht
(Bundestagsdrucksache 17/6346). Der Bund soll eine verpflichtende Ausstel-
lungszahlung an diese Künstlergruppen in die Förderkriterien für die aus dem
Einzelplan 04 finanzierten oder bezuschussten Institutionen oder Projektträger
aufnehmen. Diese Forderung ist zu unterstützen, greift aber zu kurz. Zum einen
ist darauf hinzuweisen, dass von dieser Regelung nur jene 59 der insgesamt
ca. 6 000 Museen und Ausstellungshäuser in Deutschland erfasst wären, die
sich in Trägerschaft des Bundes befinden. Zum zweiten sind die finanziellen
Voraussetzungen nicht mit bedacht und nicht geregelt. Die Zuschüsse an die
vom Bund geförderten Einrichtungen müssen dem durch die Festlegung einer
Ausstellungszahlung verursachten finanziellen Mehrbedarf dann auch ange-
passt werden.

Eine Ausstellungszahlung bei durch den Bund geförderten Einrichtungen wäre
dennoch ein erster wichtiger Schritt, um zu einer allgemeinen Ausstellungsver-
gütung zu gelangen und könnte Beispielwirkung auch auf Länder und Kommu-
nen haben. Da die Kulturhoheit bei den Ländern liegt, kann der Bund solche
Regelungen in der Kulturförderung nicht vorschreiben, kann aber seinen Ein-
fluss geltend machen, dies zu tun. Gebraucht wird aber eine generelle Lösung,
die nur durch eine rechtliche Verankerung gegeben wäre. Das Urheberrecht
liegt in Bundeskompetenz und bietet daher die Möglichkeit zum Eingreifen.
Und es besteht eine eindeutige Lücke im derzeitigen Urheberrecht, die es ent-
sprechend des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung zu
schließen gilt.

Das derzeitige Urheberecht kommt seiner Aufgabe, die Urheber zu schützen
und zu stärken derzeit höchst unzureichend nach. Deshalb ist eine grundle-
gende Reform des Urheberrechts nötig, die die Urheber vor allem in ihren
Rechten gegenüber den Verwertern ihrer Leistungen stärkt. Neben Verbesse-

rungen im Urhebervertragsrecht könnte eine Ausstellungsvergütung wirksam
zur Stärkung der Rechte von bildenden Künstlerinnen und Künstlern beitragen.

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Es geht um eine Lösung, die zu einen die Benachteiligung bildender Künstle-
rinnen und Künstler im geltenden Recht beendet und sichert, dass die Vergü-
tung auch wirklich den Urheberinnen und Urhebern zugutekommt. Der Vergü-
tungsanspruch sollte deshalb unverzichtbar sein, im Voraus nur an eine Verwer-
tungsgesellschaft abgetreten und nur durch diese geltend gemacht werden kön-
nen. Zum zweiten sollten Institutionen, die zeitgenössische Kunst ausstellen,
namentlich auch kleinere Vereine und Projekte, nicht über Gebühr belastet wer-
den, hier sind Ausnahmeregelungen sinnvoll. Der Kunsthandel sollte davon
gänzlich ausgenommen werden. Die Neuregelung sollte auch sicherstellen,
dass Ausstellungen der Werke durch deren Eigentümer weiterhin möglich sind.
Und die Möglichkeit zur Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger sollten eben-
falls erhalten bleiben. Eine Erhöhung der Eintrittspreise von Museen und Aus-
stellungen ist im Interesse der Zugänglichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger
abzulehnen. Bei entsprechender finanzieller Ausstattung der Einrichtungen und
Projekte muss die Ausstellungsvergütung keineswegs zwangsläufig zu einer
Erhöhung der Preise für die Besucherinnen und Besucher führen. Dafür müssen
vor allem auf Bundesebene die entsprechenden finanziellen Voraussetzungen
durch ein Umsteuern der Finanzpolitik gegenüber den Ländern und Kommunen
geschaffen werden. Sie müssen wieder in die Lage versetzt werden, ihre Aufga-
ben zur Daseinsvorsorge und Kulturförderung erfüllen zu können.

Die konkrete Ausgestaltung der rechtlichen Regelung sowie die Höhe und Kri-
terien einer Ausstellungsvergütung sollten in einem Gremium mit Betroffenen
und Rechtsexperten beraten werden. Für die Neuregelung sind im Laufe der
Jahre verschiedene Vorschläge von Verbänden und Urheberrechtsexperten in
die Debatte eingebracht worden – eine Übersicht findet sich auf den Seiten des
BBK. Diese Vorschläge sollten vorurteilsfrei geprüft werden, inwieweit sie den
oben genannten Anforderungen entsprechen.

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