BT-Drucksache 17/8352

Deutschen Qualifikationsrahmen zum Erfolg führen - Gleichwertigkeit von Abitur und Berufsabschlüssen sicherstellen

Vom 18. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8352
17. Wahlperiode 18. 01. 2012

Antrag
der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Agnes Krumwiede,
Monika Lazar, Krista Sager, Ulrich Schneider und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Deutschen Qualifikationsrahmen zum Erfolg führen – Gleichwertigkeit von Abitur
und Berufsabschlüssen sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zur Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) in Deutsch-
land haben das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und
die Kultusministerkonferenz im Oktober 2006 vereinbart, einen bildungsbe-
reichsübergreifenden Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) zu entwickeln,
der die Transparenz und Durchlässigkeit zwischen den Teilbereichen des deut-
schen Bildungssystems fördern soll. Hintergrund ist die Empfehlung des Euro-
päischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des EQR, die am 23. April
2008 in Kraft trat. Bei der Erarbeitung des DQR sollen die Besonderheiten des
deutschen Bildungssystems berücksichtigt und alle relevanten Akteure mit ein-
gebunden werden. Ziel des DQR ist es, eine angemessene Bewertung und Ver-
gleichbarkeit deutscher Qualifikationen in Europa zu ermöglichen und einen
Beitrag zur Förderung der Mobilität von Lernenden und Beschäftigten auf dem
europäischen Arbeitsmarkt zu leisten.

Bund und Länder haben sich auf eine Zusammenarbeit bei der Erarbeitung ver-
ständigt. Um weitere relevante Akteure – Einrichtungen der Hochschulbildung
und der beruflichen Bildung, Sozialpartner und Experten aus Wissenschaft und
Praxis – in den Erarbeitungsprozess einzubeziehen, haben Bund und Länder
neben einer eigenen Koordinierungsgruppe einen Arbeitskreis „Deutscher Qua-
lifikationsrahmen“ einberufen. Dieser hat im März 2011 eine bildungsbereichs-
übergreifende Matrix verabschiedet, die fachliche und personale Kompetenzen
auf acht Niveaus beschreibt, welche in der allgemeinen, der Hochschulbildung
und der beruflichen Bildung erworben werden. Die Niveaustufen orientieren
sich dabei weniger an den Lernorten als an den Lernergebnissen, d. h. der
jeweils erreichten Qualifikation und den aus ihr folgenden Handlungskompe-
tenzen.

Seit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20./21. Oktober 2011 ist
die Zuordnung der Hochschulreife im Verhältnis zu den beruflichen Erstausbil-

dungen strittig: Diese will demnach die allgemeine Hochschulreife, die fachge-
bundene Hochschulreife und lediglich die höchste Stufe der beruflichen Erst-
ausbildung auf Stufe 5 einordnen. Der überwiegende Teil der beruflichen Erst-
ausbildungen würde folglich der Stufe 4, zweijährige Erstausbildungen der
Stufe 3 zugeordnet werden.

Drucksache 17/8352 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Beschluss der Kultusministerkonferenz wird der Gleichwertigkeit von
allgemeiner und beruflicher Bildung nicht gerecht und gefährdet die Durch-
lässigkeit innerhalb des Bildungssystems. Entsprechend dem Beschluss der
Wirtschaftsministerkonferenz der Länder vom 25. August 2011 ist es fachlich
sinnvoll und geboten, die allgemeine und fachgebundene Hochschulreife und
die drei- und dreieinhalbjährigen Berufsausbildungen jeweils der Stufe 4 zu-
zuordnen.

Eine Differenzierung der beruflichen Erstausbildungen über drei Niveaustufen
des DQR entspräche nicht der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruf-
licher Bildung und würde die duale Ausbildung gegenüber der allgemeinbil-
denden Schulbildung herabsetzen. Die duale Berufsausbildung in Deutschland
ist für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft von
besonderer Bedeutung. Das duale Ausbildungsmodell ist international aner-
kannt und wird sogar in anderen Ländern aufgegriffen und übertragen. Durch
das Lernen in Betrieb und Schule erreichen junge Menschen mit einem erfolg-
reichen Abschluss einer dualen Ausbildung die volle Berufsfähigkeit. Im An-
schluss stehen ihnen Aufstiegsfortbildungen zum Meister, Techniker oder
Fachwirt offen. Nach der Verabschiedung einer Qualifizierungsinitiative für
Deutschland im Jahr 2008 haben die Länder die rechtlichen Voraussetzungen
für den Hochschulzugang beruflich Qualifizierter deutlich verbessert. Es be-
steht also ein fach- und parteiübergreifender Konsens, dass die Durchlässigkeit
innerhalb des Bildungssystems zu fördern ist. Eine Einordnung der allgemeinen
Hochschulreife eine Stufe bzw. im Falle der zweijährigen Berufsausbildungen
sogar zwei Stufen höher setzt falsche Anreize und bedeutet einen Rückschritt in
dieser Frage.

Aufgrund der mehrheitlichen Einordnung der allgemeinen Hochschulreife in
anderen EU-Mitgliedstaaten auf den Stufen 3 bzw. 4 könnte ein Sonderweg
Deutschlands durch eine höhere Einstufung der Hochschulreife zu nicht abseh-
baren Folgen führen und den gesamten Umsetzungsprozess des EQR in Europa
weiter verzögern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

darauf hinzuwirken, dass über die Zuordnung der Qualifikationen im Konsens
mit allen beteiligten Akteuren entschieden wird. Die Position der am dualen
Berufsbildungssystem Beteiligten ist dabei gleichberechtigt zu berücksichtigen.
Die Bundesregierung hat gegenüber den Bundesländern darauf hinzuwirken,
dass die Gleichwertigkeit von allgemeiner Hochschulreife und mindestens drei-
jährigen dualen Ausbildungen durch deren übereinstimmende Einordnung auf
Niveau 4 des DQR sichergestellt und zum Ausdruck gebracht wird. Zweijäh-
rige berufliche Erstausbildungen sollen nicht mehr als eine Niveaustufe unter-
halb der allgemeinen bzw. fachgebundenen Hochschulreife angesiedelt werden.

Berlin, den 17. Januar 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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