BT-Drucksache 17/8294

Angebote und Maßnahmen beim Übergang von der Schule in Ausbildung

Vom 3. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8294
17. Wahlperiode 03. 01. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kai Gehring, Brigitte Pothmer, Ekin Deligöz, Katja Dörner,
Agnes Krumwiede, Monika Lazar, Tabea Rößner, Krista Sager, Ulrich Schneider
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Angebote und Maßnahmen beim Übergang von der Schule in Ausbildung

Bereits im ersten nationalen Bildungsbericht „Bildung in Deutschland“ (Kon-
sortium Bildungsberichterstattung 2006) wurden außerschulische Maßnahmen
und schulische Bildungsgänge, die zu keinem qualifizierten Berufsabschluss
führen, als „Übergangssystem“ bezeichnet. Kritiker sprechen häufig von einem
„Maßnahmendschungel“, der eben nicht den Übergang in den Beruf befördert.

Aus dem Berufsbildungsbericht 2011 geht hervor, dass zurzeit noch immer
etwa 320 000 Jugendliche in unterschiedlichen Maßnahmen des „Übergangs-
sektors“ aufgefangen werden. Als „dritter Sektor des beruflichen Bildungs-
systems“ hat dieser nach wie vor eine große Bedeutung. Dessen Sinnhaftigkeit
wird jedoch in der bildungspolitischen und wissenschaftlichen Diskussion an-
gezweifelt (vgl. „Reform des Übergangs von der Schule in die Berufsausbil-
dung“, Bundesinstitut für Berufsbildung und Bertelsmann Stiftung, 2011, S. 4).
Der Innovationkreis berufliche Bildung hat am 16. Juli 2007 empfohlen, die
Förderstrukturen neu zu ordnen (Leitlinie 2) und die Übergänge zu optimieren
(Leitlinie 3).

CDU, CSU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag „Wachstum. Bildung.
Zusammenhalt.“ vereinbart: „Wir werden das Übergangssystem neu strukturie-
ren und effizienter gestalten. Maßnahmen sollen grundsätzlich – auch mit Hilfe
von Ausbildungsbausteinen – auf Ausbildung und Berufsabschluss ausgerichtet
werden. Es ist unser Ziel, die passgenaue Vermittlung von Ausbildungsplatz-
suchenden und Langzeitbewerbern zu stärken.“ (Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und FDP, 26. Oktober 2009, S. 62).

Angesichts der Herausforderung, die der demografische Wandel für Wirtschaft
und Gesellschaft und insbesondere die Fachkräfteentwicklung darstellt, bedarf
es neben einer frühzeitigen, professionellen und kontinuierlichen Berufsorien-
tierung in allen Schulen eines regionalen Übergangsmanagements, das trans-
parent und effizient alle Jugendlichen in den Blick nimmt und ihnen den Ab-
schluss einer Berufsausbildung ermöglicht.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegt der Bundesregierung eine umfassende Darstellung aller Maßnahmen,
Projekte, Programme und Initiativen des Bundes, der Bundesagentur für Ar-
beit (BA) und der Landesebene vor, die dem sogenannten Übergangssektor
zwischen Schule und Ausbildung zugerechnet werden können bzw. der Ver-
besserung des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt dienen sollen?

Drucksache 17/8294 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wenn ja, wer hat sie erstellt, wie viele und welche Maßnahmen sind darin
aufgeführt?

Wenn nein, plant die Bundesregierung die systematische Erfassung aller
Programme des Übergangssektors in Bund, Ländern und Kommunen?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Fachleuten, dass das Über-
gangssystem zu Kosten von jährlich über 4 Mrd. Euro führt?

Wenn ja, wie setzen sich nach Kenntnis der Bundesregierung diese jähr-
lichen Kosten zusammen?

Wenn nein, von welchen jährlichen Kosten des Übergangssektors geht die
Bundesregierung aufgrund welcher Erkenntnisse aus?

3. Zu welchen Erkenntnissen ist die von der Bundesregierung eingerichtete
ressortübergreifende Arbeitsgruppe Übergangssystem unter Federführung
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in Bezug auf die
Bündelung der Programme und Förderinstrumente gelangt, und wie bildet
sich dies konkret im „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen
am Arbeitsmarkt“ bzw. in anderen Bereichen ab?

4. Wie viele frühere Schulabgängerinnen und Schulabgänger, die sich bislang
erfolglos um einen Ausbildungsplatz bemüht haben (Altbewerberinnen und
Altbewerber) und wie viele Jugendliche, die von der BA als nicht „ausbil-
dungsreif“ eingestuft worden sind, befinden sich derzeit in einer Maß-
nahme des Übergangssektors?

Wie viele Beschäftigte oder arbeitslose junge Menschen im Alter von 25
bis 30 Jahren haben keinen Berufsabschluss?

5. Wie viel Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen des
Übergangssektors haben in den vergangenen fünf Jahren im Rahmen der
jeweiligen Maßnahme einen Schulabschluss nachgeholt (bitte nach Art des
Schulabschlusses und Art der Maßnahme aufschlüsseln)?

6. Welche Daten liegen der Bundesregierung über die Fachserie 11 Reihe 2
„Berufliche Schulen“ hinaus zu den Berufsfachschulen im Hinblick auf den
Verbleib ihrer Absolventinnen und Absolventen vor?

7. Wie bewertet die Bundesregierung das Konzept der Bertelsmann Stiftung
„Übergänge mit System“, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

8. Plant der Bund eine statistische Grundlage zur Identifizierung von Warte-
schleifen und zur Erforschung des Übergangssektors zu schaffen, z. B.
durch ein eigenes Bundesstatistikgesetz für den Übergang?

9. Wie will die Bundesregierung auf den Mangel an Bewerberinnen und Be-
werbern bzw. den Mangel an Ausbildungsplätzen in einzelnen Regionen
reagieren?

10. Wie steht die Bundesregierung zu einer Modularisierung von Berufsausbil-
dungen in Ausbildungsbausteine innerhalb eines Berufsbildes?

11. Wie will die Bundesregierung auf die Tatsache reagieren, dass Betriebe in
Zukunft durch den demografischen Wandel auf als „nicht ausbildungsreif“
geltende Jugendliche angewiesen sein werden?

12. Plant der Bund seine im Nationalen Ausbildungspakt festgeschriebene
Ausbildungsquote in Höhe von 7 Prozent langfristig an den tatsächlichen
Bedarf an Auszubildenden anzupassen, da mittelfristig ein Bewerberrück-
gang zu erwarten ist?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8294

13. Nach welchem Konzept soll der Übergangssektor, wie im Koalitionsvertrag
vereinbart, neu strukturiert und effizienter gestaltet werden, und welche der
zehn Leitlinien, die der Innovationskreis berufliche Bildung (IKBB) im Juli
2007 vorgelegt hat, verfolgt die Bundesregierung derzeit noch (bitte mit
Maßnahmenbeschreibung und Angabe der Höhe der Mittel für die gesamte
Dauer)?

14. Welche konkreten Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um aus
Projekten und Initiativen mit Modellcharakter (z. B. der 2008 gestarteten
Förderinitiative „Regionales Übergangsmanagement“) eine bundesweite
Initiative abzuleiten, und welche Vorhaben oder gesetzgeberischen Maß-
nahmen sind dazu geplant?

15. Gab es seitens der Bundesregierung in der Vergangenheit eine Initiative, alle
Akteure des Übergangssystems (zuständige Bundesministerien, BA, Länder,
Kommunalvertreter, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Stiftungen) an
einen Tisch zu bringen, um einen gemeinsamen Reformvorschlag für die
Gestaltung des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt zu erarbeiten?

Wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, wann ist eine solche Initiative geplant?

16. Welche Integrationsstrategie verfolgt die Bundesregierung für junge Men-
schen aus bildungsfernen Familien, ohne Schulabschluss, mit Hauptschul-
abschluss und mit Migrationshintergrund, und welche Inklusionsstrategie
verfolgt die Bundesregierung für junge Menschen mit Behinderung?

17. Welche der verschiedenen Maßnahmen, Programme und Initiativen des
Bundes, der BA, der Länder und der Kommunen bezogen auf das Hand-
lungsfeld Übergang von der Schule in den Beruf wurden bisher mit wel-
chen Ergebnissen evaluiert?

Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung daraus gezogen?

18. Wie viele jungen Menschen wurden im Rahmen der 22 Projekte des Pro-
gramms „Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung“ tatsächlich
erfolgreich nachqualifiziert, und welche Daten liegen über ihren Verbleib
vor?

19. Wie bewertet die Bundesregierung den Anstieg des Anteils der Jugend-
lichen, die Aktivierungshilfen in Anspruch nehmen, die z. B. berufsvor-
bereitenden Bildungsmaßnahmen vorgeschaltet werden (vgl. Datenreport
zum Berufsbildungsbericht, S. 220)?

20. Wie viel Prozent der für das Programm „Abschluss und Anschluss –
Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss“ zur Verfügung stehenden
finanziellen Mittel wurden bisher tatsächlich abgerufen?

21. Wie viel Prozent der für den Förderschwerpunkt „Regionales Übergangs-
management“ zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel wurden bisher
tatsächlich abgerufen?

Berlin, den 16. Dezember 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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