BT-Drucksache 17/8061

Schusswaffentraining für Nazis bei Reservisten- und Schützenvereinen und möglicher Änderungsbedarf beim Waffengesetz

Vom 30. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8061
17. Wahlperiode 30. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Jens Petermann, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel und der Fraktion
DIE LINKE.

Schusswaffentraining für Nazis bei Reservisten- und Schützenvereinen und
möglicher Änderungsbedarf beim Waffengesetz

Mindestens drei Alt- bzw. Neofaschisten konnten in der Vergangenheit mit
Hilfe des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V. an
Schusswaffen gelangen. Der Reservistenverband ermöglichte ihnen zudem
Schießtrainings in seinen Räumlichkeiten. Das brachte im Oktober 2011 die
sächsische Landtagsabgeordnete der Fraktion DIE LINKE. Kerstin Köditz an
die Öffentlichkeit, die zuvor vertrauliche E-Mails aus der NPD zugespielt be-
kommen hatte.

Bei den fraglichen Personen handelt es sich um den NPD-Landtagsabgeordne-
ten Winfried Petzold, den früheren NPD-Landesvize Helmut Herrmann und
einen Abgeordneten des Leipziger Kreisrates, der über die Liste der NPD ge-
wählt worden war. Ein Sprecher des Reservistenverbandes bestätigte, dass die
Nazis Mitglieder des Verbandes seien (die tageszeitung vom 7. Oktober 2011).

Offenbar haben diese Personen über ihre Mitgliedschaft im Reservistenverband
Waffenbesitzerlaubnisse durch die zuständigen Behörden erhalten. Die Mit-
gliedschaft im Reservistenverband dient den Ordnungsbehörden als Zuverläs-
sigkeitsnachweis.

Der Reservistenverband sah sich zu entschlossenem Vorgehen gegen Nazis
erst veranlasst, nachdem die Berichte über die terroristischen Straftaten der
„Zwickauer Zelle“ publik wurden. Mittlerweile hat das Bundesschiedsgericht
des Verbandes die Mitgliedschaft in der NPD als Ausschlussgrund bestätigt, in
einer Pressemitteilung vom 22. November 2011 wird gegenüber den Landes-
vorsitzenden die Erwartung ausgedrückt, gegen NPD-Mitglieder Ausschluss-
verfahren zu eröffnen.

Die Fragesteller begrüßen diese Entwicklung, wenngleich sie erst sehr spät ein-
setzt. Es verbleiben jedoch Fragen nach dem Umfang des Schusswaffen-
trainings, das Nazis bisher gewährt wurde.

Die Fragesteller sehen hier nicht zuletzt deswegen die Bundesregierung in der

Verantwortung, weil der Reservistenverband mit Bundesmitteln in Höhe von
über 13,7 Mio. Euro gefördert wird (Antwort der Bundesregierung auf die
Schriftliche Frage 69 auf Bundestagsdrucksache 17/7584 der Abgeordneten der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Monika Lazar).

Auch andere Reservistenkameradschaften bieten ihren Mitgliedern Schieß-
übungen an. Schützenvereine bieten diese Möglichkeit ebenfalls. Die Frage-

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steller halten es für dringend geboten, Rechtsextremisten die Teilnahme hieran
zu versagen.

Fragen verbleiben nicht zuletzt hinsichtlich der Notwendigkeit, das Waffenge-
setz zu ändern. Alleine in Sachsen sind 36 Nazis im Besitz von 156 legalen
Waffen.

Die Fragesteller gehen davon aus, dass die Bundesregierung angesichts der
bundesweiten Relevanz des Naziterrors ggf. die Länder um Auskünfte bittet,
soweit dies zur Beantwortung der Kleinen Anfrage erforderlich ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche finanzielle Förderung aus Bundesmitteln ist für den Reservistenver-
band im Jahr 2012 vorgesehen?

2. Seit wann hatte die Bundesregierung Kenntnis davon, dass Rechtsextremis-
ten über eine Mitgliedschaft im Reservistenverband an Waffenbesitzerlaub-
nisse gekommen sind, und um wie viele Rechtsextremisten handelt es sich
dabei (bitte nach Organisationen aufschlüsseln)?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass der Reservistenver-
band NPD-Mitglieder, auch wenn er sie möglicherweise aus vereinsrecht-
lichen Gründen nicht ausschließen konnte, nicht wenigstens von Schieß-
übungen ausgeschlossen hat, und inwiefern ist sie diesbezüglich in der Ver-
gangenheit mit dem Reservistenverband in Kontakt getreten?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Rechts-
extremisten in den letzten fünf Jahren an Schießübungen des Reservisten-
verbandes teilgenommen haben (bitte ggf. nach Organisationen aufschlüs-
seln)?

5. Treffen Mediendarstellungen zu, denen zufolge der Reservistenverband an
Mitglieder bzw. Gäste Waffen ausgibt, um damit zu üben, und wenn ja, ist
die Bundesregierung an den Reservistenverband herangetreten, um der
Frage nachzugehen, welche Waffen an Rechtsextremisten ausgegeben wor-
den sind?

Welche Erkenntnisse hat sie diesbezüglich gewonnen?

Sind diese Waffen Eigentum des Reservistenverbandes oder der Bundes-
wehr?

6. Trifft es zu, dass Mitglieder des Reservistenverbandes, auch wenn es sich
um bekannte Nazis handelte, in der Vergangenheit Gäste (Nichtmitglieder)
zum Schießtraining mitbringen konnten, und falls ja, wie bewertet die Bun-
desregierung, dass der Verband Rechtsextremisten dieses Entgegenkommen
nicht verweigert hat?

7. Trifft es zu, dass die Mitgliedschaft im Reservistenverband von den Ord-
nungsbehörden als Zuverlässigkeitsnachweis gewertet wird, das den Erwerb
einer Waffenbesitzerlaubnis zumindest erleichtert?

8. Inwiefern wird die Bundesregierung darauf achten, dass die Gliederungen
des Reservistenverbandes tatsächlich schnellstmöglich Vereinsausschluss-
verfahren gegen alle bekannten Nazis einleiten und mit sofortiger Wirkung
Nazis von der Teilnahme an Schießübungen ausschließen, und inwiefern
hält sie es für angebracht, eine solche Erwartungshaltung durch den Hinweis
zu bekräftigen, dass ansonsten der Bundeszuschuss von über 13 Mio. Euro
zur Disposition steht?

9. Welche anderen Reservistengemeinschaften bzw. Kameradschaften bieten

Schießübungen für ihre Mitglieder an?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8061

a) Welche dieser Organisationen erhalten Förderungen aus Bundesmitteln
(bitte einzeln anführen und Beträge nennen)?

b) Inwiefern haben diese Organisationen ebenfalls Rechtsextremisten die
Teilnahme an Schießübungen gewährt, und will die Bundesregierung,
sofern ihr hierzu keine eigenen Erkenntnisse vorliegen, sich bei den
Ländern erkundigen?

c) Inwiefern haben diese Organisationen (bitte einzeln anführen) nach
Kenntnis der Bundesregierung, seit Bekanntwerden der Mordserie der
„Zwickauer Zelle“, Konsequenzen im Auftreten gegenüber ihrer etwaigen
faschistischen Mitglieder gezogen?

d) Inwiefern dient die Mitgliedschaft in diesen Organisationen ebenfalls
als „Zuverlässigkeitsnachweis“ im Sinne des Waffengesetzes?

e) Erwartet die Bundesregierung von diesen Organisationen, dass sie sofort
Rechtsextremisten vom Schießtraining ausschließen, und ist sie bereit,
ansonsten Kürzungen oder Streichung der Förderung mit Bundesmitteln
anzudrohen, und wenn nein, warum nicht?

10. Welche Schützenvereine haben nach Kenntnis der Bundesregierung Unver-
einbarkeitsbeschlüsse gegenüber Anhängern bzw. Mitgliedern rechtsextre-
mer Organisationen getroffen?

a) Beabsichtigt die Bundesregierung, sich gemeinsam mit den Ländern
und ggf. Repräsentanten der Schützenvereine auszutauschen, um zu ver-
hindern, dass Rechtsextremisten weiterhin ihre Kenntnisse im Umgang
mit Waffen vertiefen können (bitte ggf. ausführen, welche Maßnahmen
beabsichtigt sind), und wenn nein, warum nicht?

b) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Zahl der in Schüt-
zenvereinen organisierten Mitglieder/Anhänger rechtsextremer Organi-
sationen?

11. Wie erklärt die Bundesregierung, dass trotz der Formulierung im Waffen-
gesetz, dass Waffenbesitzkarten nicht an Mitglieder von Gruppierungen,
die „gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen
das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind“, ausgegeben
werden dürfen, dennoch NPD-Mitglieder solche Waffenbesitzerlaubnisse
erhalten haben, und inwiefern sieht sie

a) Veranlassung, die Länder auf die Ausschlusskriterien im Waffengesetz
hinzuweisen und sie entsprechend zu sensibilisieren,

b) Veranlassung, das Waffengesetz zu ändern, um den Zugang von Nazis
zu legalen Waffen zu erschweren,

c) Möglichkeiten, die an Nazis ausgegebenen Waffenbesitzerlaubnisse zu
widerrufen,

d) Veranlassung, das Kriterium der Mitgliedschaft in einem Reservisten-
verband, einer Kameradschaft, einem Schützenverein oder ähnlichen
Organisation als Zuverlässigkeitsnachweis im Sinne des Waffengesetzes
zu streichen?

Berlin, den 30. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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