BT-Drucksache 17/7957

Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Abitur sichern

Vom 29. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7957
17. Wahlperiode 29. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Willi Brase, Klaus Barthel, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Garrelt Duin, Doris Barnett, Dr. Hans-Peter Bartels, Ulla Burchardt, Martin
Dörmann, Ingo Egloff, Petra Ernstberger, Michael Gerdes, Iris Gleicke,
Klaus Hagemann, Rolf Hempelmann, Christel Humme, Oliver Kaczmarek,
Daniela Kolbe (Leipzig), Ute Kumpf, Manfred Nink, Thomas Oppermann,
Florian Pronold, René Röspel, Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz
(Spandau), Wolfgang Tiefensee, Andrea Wicklein, Dagmar Ziegler,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Abitur sichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) wird die Ver-
einbarung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie
der Kultusministerkonferenz von Oktober 2006 umgesetzt. Hintergrund ist die
Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung eines
Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR), die am 23. April 2008 in Kraft trat.
Der DQR soll bildungsbereichsübergreifend alle Qualifikationen des deutschen
Bildungssystems umfassen und dessen Besonderheiten berücksichtigen. Ziel
des DQR ist es, das deutsche Qualifikationssystem transparenter zu machen und
Verlässlichkeit, Durchlässigkeit sowie Qualitätssicherung zu unterstützen und
die sich dabei ergebenden Gleichwertigkeiten und Unterschiede von Qualifika-
tionen zu verdeutlichen.

Der Arbeitskreis „Deutscher Qualifizierungsrahmen“ wurde unter Einbezie-
hung aller relevanten Akteure – Einrichtungen der Hochschulbildung und der
beruflichen Bildung, Sozialpartner und Experten aus Wissenschaft und Praxis –
mit der Entwicklung des DQR beauftragt. Dieser erarbeitete eine bildungsbe-
reichsübergreifende Matrix. Auf acht Niveaus werden fachliche und personale
Kompetenzen beschrieben, an denen sich die Einordnung der erworbenen Qua-
lifikationen orientieren bzw. die zur Erlangung einer Qualifikation erforderlich
sind.

Im Dissens steht derzeit die Zuordnung der allgemeinen Hochschulreife im Ver-
hältnis zu den Berufsabschlüssen. Die duale Berufsausbildung in Deutschland
ist der Garant für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen

Wirtschaft. Nach einer absolvierten dualen Ausbildung haben junge Menschen
durch das Lernen in Betrieb und Schule die volle Berufsfähigkeit erlangt.
Darüber hinaus eröffnen sich im Anschluss attraktive Karriereperspektiven in
der Aufstiegsfortbildung zum Meister, Techniker oder Fachwirt. Nach dem er-
klärten politischen Willen der Bundesregierung sollen die Hochschulen für den
gleichberechtigten Zugang von Absolventinnen und Absolventen des dualen

Drucksache 17/7957 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Berufsbildungssystems geöffnet werden. Aufgrund der hohen Komplexität
beruflicher Handlungsfähigkeit mit ihren Fertigkeiten und Kompetenzen sind
drei- bzw. dreieinhalbjährige Berufsausbildungen im Vergleich zur allgemeinen
Hochschulreife gleichwertig einzuordnen.

Die Kulturministerkonferenz hat in ihrer Sitzung am 20. Oktober 2011 be-
schlossen, die allgemeine Hochschulreife auf Stufe 5 einzuordnen, die zwei-
jährigen dualen Ausbildungen auf Stufe 3 und die drei- und dreieinhalbjährigen
Ausbildungen im Wesentlichen auf Stufe 4. Dieser Beschluss wird der Gleich-
wertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung nicht gerecht und setzt die
duale Ausbildung herab. Auch gefährdet er die Durchlässigkeit des Bildungs-
systems im Ganzen.

Im Vergleich bezüglich der Zuordnung der Allgemeinen Hochschulreife und der
beruflichen Ausbildung in den anderen EU-Mitgliedstaaten zeigt sich, dass eine
höhere Einordnung der Allgemeinen Hochschulreife auf das höhere Niveau 5 zu
Irritationen führen könnte. Nach den vorliegenden Informationen werden der
Allgemeinen Hochschulreife vergleichbare Qualifikationen in Europa überwie-
gend den Niveaustufen 3 bzw. 4 des EQR verortet. Eine abweichende Zuordnung
im DQR könnte u. a. zu einer kritischen Hinterfragung anderer deutscher Quali-
fikationen führen. Auch wäre von deutscher Seite aus ggf. zu begründen, warum
die Hochschulreife ein Niveau höher als in den meisten EU-Mitgliedstaaten
liegt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

darauf hinzuwirken, dass die Entschlüsse zur Zuordnung der Qualifikationen
im Konsens mit allen beteiligten Akteuren getroffen werden. Dabei ist auch
und besonders die Position der am dualen Berufsbildungssystem Beteiligten
gleichberechtigt zu berücksichtigen. Die Bundesregierung hat gegenüber den
Bundesländern darauf hinzuwirken, dass die Gleichwertigkeit von Allgemeiner
Hochschulreife und mindestens dreijährigen dualen Ausbildungen durch deren
übereinstimmende Einordnung auf Niveau vier des DQR Ausdruck verliehen
wird. Sollte dies nicht umsetzbar sein, soll auf die Einordnung allgemeinbilden-
der Schulabschlüsse in den DQR grundsätzlich verzichtet werden.

III. Der Deutsche Bundestag appelliert an die Ministerpräsidentenkonferenz,

zum erfolgreichen Abschluss der Erarbeitung des DQR einer übereinstimmen-
den Einordnung der Allgemeinen Hochschulreife und einer mindestens dreijäh-
rigen Berufsbildung auf dem Niveau vier zuzustimmen. Sollte dies nicht um-
setzbar sein, soll auf die Einordnung allgemeinbildender Schulabschlüsse in den
DQR grundsätzlich verzichtet werden.

Berlin, den 29. November 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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