BT-Drucksache 17/7956

Schlechte Treibhausgasbilanz von Kraftstoffen aus Teersanden bei der Umsetzung der Kraftstoffqualitätsrichtlinie berücksichtigen

Vom 30. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7956
17. Wahlperiode 30. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell,
Bärbel Höhn, Ute Koczy, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Cornelia Behm,
Harald Ebner, Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn,
Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel, Daniela Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schlechte Treibhausgasbilanz von Kraftstoffen aus Teersanden
bei der Umsetzung der Kraftstoffqualitätsrichtlinie berücksichtigen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bei der Gewinnung von Kraftstoffen aus Teersanden wird unter einem extrem
hohen Energieaufwand Bitumen („Erdpech“) aus einem Sandgemisch gewa-
schen. Dieser aufwändige Prozess führt dazu, dass die Treibhausgasbilanz von
Kraftstoffen aus Teersanden schlechter ausfällt, als bei konventionell gewonne-
nem Rohöl. Neben der schlechten Treibhausgasbilanz geht die Förderung von
Teersanden auch mit einer erheblichen Wasser-, Boden- und Luftverschmut-
zung sowie einer massiven Zerstörung von Wäldern und Mooren einher. Die
größten Weltreserven von Teersanden befinden sich in Kanada. In der Provinz
Alberta sind für die Gewinnung von Teersanden nach Angaben von Umwelt-
verbänden bereits 80 000 km2 Waldfläche vernichtet worden, was der Größe
Schottlands entspricht. Auch in anderen Regionen der Welt, zum Beispiel in
Venezuela, Madagaskar, der Republik Kongo und Russland, gibt es Teersand-
projekte bzw. Pläne, Erdöl aus Teersanden zu fördern.

Die schlechte Treibhausgasbilanz von Kraftstoffen aus Teersanden ist gegen-
wärtig auch Gegenstand der Beratungen in Brüssel zur Umsetzung von Arti-
kel 7a der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Qualität
von Kraftstoffen (2009/30/EG), die seit dem 23. April 2009 in Kraft ist. Arti-
kel 7a der sogenannten Kraftstoffqualitätsrichtlinie verpflichtet die Kraftstoff-
anbieter in der EU dazu, die Lebenszyklustreibhausgasemissionen der von
ihnen gelieferten Kraftstoffe zwischen 2010 und 2020 um 6 Prozent zu senken.
Auf diese Weise soll der Treibstoffsektor seinen Beitrag dazu leisten, das Ziel
der Europäischen Union zu erfüllen, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um
20 Prozent zu senken.
Die Europäische Kommission hat den nationalen Regierungen am 4. Oktober
2011 einen Vorschlag für die Berechnung der Lebenszyklustreibhausgas-
emissionen fossiler Treibstoffe vorgelegt. Dieser Vorschlag sieht u. a. vor, die
Berechnung der Treibhausgasemissionen von Kraftstoffen auf der Basis des
zugrundeliegenden Rohstoffs („Feedstock“) vorzunehmen. Nach dem Vor-
schlag der Kommission würde dabei Benzin aus konventionell gewonnenem
Öl mit einer Treibhausgasbilanz von 87,5 Gramm CO2eq pro Megajoule

Drucksache 17/7956 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
(gCO2eq/MJ) in die Bilanzen der Kraftstoffanbieter einfließen, während zum
Beispiel Benzin aus Ölschiefer mit einer Treibhausgasintensität von
131,3 gCO2eq/MJ bewertet würde. Benzin aus Teersanden wiese eine Treib-
hausgasbilanz von 107 gCO2eq/MJ auf. Der Vorschlag berücksichtigt alle
gängigen konventionellen und unkonventionellen Ausgangsstoffe, unabhängig
davon, ob die entsprechenden Kraftstoffe in der EU vertrieben werden. Dieser
Vorschlag der Europäischen Kommission ist jedoch umstritten und droht von
interessierter Seite blockiert zu werden.

Die Berücksichtigung des Rohstoffs („Feedstock“) ist ein logischer und not-
wendiger Schritt, um eines der wichtigsten Ziele der Kraftstoffqualitätsricht-
linie, nämlich eine faktische Reduktion der Treibhausgase, zu erreichen. Ein
allgemeiner Wert für Benzin, zum Beispiel 87,5 gCO2eq/MJ, würde nicht der
Realität entsprechen, auch wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur geringe
Mengen an Teersandprodukten nach Europa eingeführt werden. Gerade im
Falle steigender Importe von Teersandprodukten würde die Bilanz der Kraft-
stoffanbieter erheblich verzerrt werden. Deutschland sollte als selbsternannter
Vorreiter beim Klimaschutz daher für eine nach der Produktherkunft differen-
zierte Ausweisung der Lebenszyklustreibhausgasemissionen bei der Umset-
zung von Artikel 7a der Kraftstoffqualitätsrichtlinie eintreten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● den von der Europäischen Kommission vorgelegten Entwurf zur Konkreti-
sierung der Regelungen von Artikel 7a der Kraftstoffqualitätsrichtlinie zu
unterstützen, und dabei für eine differenzierte Betrachtung der Lebens-
zyklustreibhausgasemissionen von Kraftstoffen einzutreten,

● insbesondere die Unterscheidung zwischen Benzin und Diesel aus konven-
tionellen Quellen (Rohöl) und unkonventionellen Quellen (Gas, Kohle,
Teersand und Ölschiefer) zu unterstützen.

Berlin, den 29. November 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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