BT-Drucksache 17/7947

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in bilateralen Freihandelsabkommen

Vom 29. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7947
17. Wahlperiode 29. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Annette Groth, Andrej Hunko,
Ralph Lenkert, Niema Movassat, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in bilateralen Freihandelsabkommen

Die Europäische Kommission hat ein Reflexionspapier zu Dienstleistungen
von allgemeinem Interessen in bilateralen Freihandelsabkommen vorgelegt.
Bisher wurden die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI) unterteilt
in Dienstleistungen von wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem Interesse.
In dem Reflexionspapier wird eine neue Klassifikation der „networking
industries“ eingeführt, die künftig Liberalisierungen erleichtern soll. In die-
sem Zusammenhang werden zusätzlich zu den Bereichen Telekommunikation,
Post, Energie, Verkehr explizit auch die Wasserver- und -entsorgung sowie die
Abfallentsorgung inklusive der gesamten Umweltdienstleistungen genannt.

In den aktuellen Verhandlungen zum bilateralen Freihandelsabkommen mit
Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) sollen erst-
mals auch öffentliche Dienstleistungen in großem Umfang erfasst und der
Privatisierungsdruck erhöht werden. Anders als bisher soll eine Negativliste
von Dienstleistungen, die nicht der Liberalisierung unterworfen werden, erstellt
werden. Alle Dienstleistungen, die nicht in dieser Liste aufgeführt sind, werden
für die Liberalisierung freigegeben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung das Reflexionspapier der Europäischen Kommission
zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in bilateralen Freihandelsab-
kommen zur Kenntnis genommen, und wie hat sie sich zu diesem Reflexions-
papier bisher verhalten?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass die Europäische Kommission die
bisher fehlende Legaldefinition von „Dienstleistungen von allgemeinem In-
teresse (DAI)“ im Rahmen des vorliegenden Reflexionspapier vornehmen
möchte und damit eine breit angelegte öffentliche Auseinandersetzung in
den Mitgliedstaaten, die Einbindung von Europäischem Parlament und Rat
sowie ein gemeinschaftliches Gesetzgebungsverfahren zu dieser Frage um-
gehen will?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass die Europäische Kommission in ih-

rem Reflexionspapier ohne Konsultationsprozess die neue Kategorie der
„networking industries“ einführt?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass die Europäische Kommission bisher
die großen Netzinfrastrukturen als Bereiche von Energiewirtschaft, Tele-
kommunikation, Verkehr, Hörfunk und Fernsehen und Postdienste definiert

Drucksache 17/7947 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
hat und diese nun in dem Reflexionspapier ebenfalls ohne vorherigen Kon-
sultationsprozess einfach ausdehnt auf die Wasserver- und -entsorgung so-
wie die Abfallentsorgung inklusive der gesamten Umweltdienstleistungen?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es weiterhin Sache der Mit-
gliedstaaten sein muss, öffentliche Dienstleistungen zu definieren, und was
wird sie unternehmen, um dies gegenüber der Europäischen Kommission
durchzusetzen?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass die Europäische Kommission im
Rahmen der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit Kanada
(CETA) die bisherige Praxis der Positivliste der zu liberalisierenden Dienst-
leistungen verlässt und stattdessen nur eine Negativliste erstellen will?

7. Falls die Bundesregierung das Vorgehen der Europäischen Kommission
unterstützt, was sind aus Sicht der Bundesregierung die Vorteile einer Ne-
gativliste gegenüber dem bisherigen Verfahren einer Positivliste?

Wie will sie verhindern, dass damit Bereiche der öffentlichen Daseins-
vorsorge auch auf kommunaler Ebene zwangsweise liberalisiert und priva-
tisiert werden, die nicht einmal die Bundesregierung liberalisieren will?

8. Mit welchen Vorteilen begründet die Europäische Kommission die Verwen-
dung der Negativliste, mit welchen Vorteilen begründet das die kanadische
Seite?

9. Falls die Bundesregierung die Erstellung einer Negativliste ablehnt, mit
welchen Mitteln will sie sich dagegen wehren?

10. Welche Bereiche sollten nach Ansicht der Bundesregierung auf einer
Negativliste vermerkt werden?

11. Hat die Bundesregierung bereits einen Vorschlag für die auf der Negativ-
liste zu vermerkenden Bereiche an die Europäische Kommission geschickt,
und falls ja, wie hat die Europäische Kommission darauf reagiert?

12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass sowohl das europäische
Primärrecht als auch das Protokoll (Nr. 26) zum Vertrag von Lissabon eine
handelspolitische Kompetenz der Europäischen Kommission in Fragen von
nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aus-
schließt?

13. Wie will die Bundesregierung verhindern, dass über die CETA-Verhand-
lungen die Europäische Kommission über Dienstleistungen Liberalisie-
rungsvereinbarungen abschließt, für die sie keine Kompetenzen hat?

14. Wie ist der Zeitplan für das Freihandelsabkommen?

Bis wann muss die Bundesregierung ihre Anforderungen für die Negativ-
liste abgegeben haben, wann ist mit der Fertigstellung der Negativliste zu
rechnen, wann mit dem Abschluss des CETA-Vertrages?

15. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um den Verhand-
lungsprozess zum CETA-Vertrag transparenter werden zu lassen?

Berlin, den 29. November 2011

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