BT-Drucksache 17/7913

Transport, Import und Export radioaktiver Stoffe aus und zu deutschen Atomanlagen durch deutsche Häfen

Vom 24. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7913
17. Wahlperiode 24. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter,
Ralph Lenkert, Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Transport, Import und Export radioaktiver Stoffe aus und zu deutschen
Atomanlagen durch deutsche Häfen

Durch verschiedene Anfragen (u. a. an den Hamburger Senat und den Stadtrat
Rostock) wurde bekannt, dass ein reger Güterverkehr von radioaktiven Stoffen
zwischen deutschen und ausländischen Häfen stattfindet. Unter den auslän-
dischen Häfen scheint besonders St. Petersburg eine wichtige Rolle zu spielen,
auch wenn der Export von Uranhexafluorid nach St. Petersburg 2009 offiziell
eingestellt wurde.

Nach neueren Erkenntnissen werden jährlich 100 bis 150 solcher Fässer im
russischen Angarsk undicht (Anfrage von Swetlana Slobina an den Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Jahr 2011). Uran-
hexafluorid gilt als sehr gefährlicher Stoff, da er bereits mit geringen Mengen
Wasser zu Flusssäure reagiert, welche stark ätzend ist. Nach verschiedenen
Presseberichten sind Sicherheitsbehörden oftmals nicht über den Transport von
radioaktiven Stoffen informiert. Dies betrifft sowohl Transporte radioaktiver
Stoffe auf der Schiene, Straße und im Schiffsverkehr.

Auf deutscher Seite sind die Urananreicherungsanlage Gronau und die Brenn-
elementefertigung in Lingen Absender sowie Adressat. Nach Auskunft der Be-
treiberkonzerne spielen die Urananreicherungsanlage Gronau und die Brenn-
elementefabrik Lingen für die Versorgung der deutschen Atomkraftwerke nur
eine untergeordnete Rolle. So exportiert die Urananreicherungsanlage Gronau
ca. 97 Prozent ihres angereicherten Urans ins Ausland.

Es gibt aber auch eine Reihe von Transittransporten von bzw. zu den Häfen. Be-
kannt wurden bisher u. a. Atomtransporte in die Schweiz und nach Frankreich.

Vor diesem Hintergrund bitten wir die Bundesregierung um detaillierte Aus-
kunft über Transport, Import und Export radioaktiver Stoffe und Transportbe-
hälter dieser Stoffe in und aus deutschen Atomanlagen und deutschen Häfen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche radioaktiven Stoffe und/oder radioaktiv kontaminierte Behälter
(Uranhexafluorid, Uranoxid, Brennelemente) werden aus Russland nach

Deutschland eingeführt (bitte um eine Angabe der Isotopenzusammen-
setzung, der entsprechenden Bezeichnung der Stoffe – z. B. „Feed“, „Pro-
duct“ –, dem Verwendungszweck und der jährlich umgeschlagenen Menge)?

2. Findet bei diesen Transporten ein Wechsel des Besitzers der radioaktiven
Stoffe statt?

Falls ja, zu welchem Zeitpunkt?

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3. Werden in Deutschland radioaktive Stoffe russischer Firmen in deren Auf-
trag verarbeitet?

4. Wohin und in welchem Zustand gelangen die aus Russland eingeführten
radioaktiven Stoffe nach ihrer Verarbeitung bzw. Lagerung in Deutschland
(bitte um eine Angabe der Zielorte und Adressaten mit einer Aufschlüsse-
lung nach Stoff, Verwendung und Menge – siehe auch Frage 1)?

5. Werden aus weiteren Ländern radioaktive Stoffe und/oder radioaktiv kon-
taminierte Behälter nach Deutschland eingeführt (wenn ja, bitte nach Her-
kunftsländern und den in Frage 1 genannten Kriterien und Zielorten auf-
schlüsseln)?

6. Findet auch bei den in Frage 5 aufgeführten Transporten radioaktiver
Stoffe ein Besitzerwechsel in Deutschland oder an einer anderen Stelle des
Transportwegs statt?

7. Inwieweit erfolgen die in den Fragen 1 und 5 genannten Transporte über
den See-, Land- oder Luftweg?

8. Welche deutschen Häfen werden für die Einfuhr und den Umschlag der
radioaktiven Stoffe genutzt?

9. Werden auch ausländische Häfen für die Einfuhr radioaktiver Stoffe aus
Russland genutzt?

Wenn ja, welche?

10. Welche atomaren Anlagen in Deutschland oder in anderen Ländern sind das
Endziel der in den Fragen 1 und 5 spezifizierten Transporte mit radioakti-
ven Stoffen, und zu welchem Verwendungszweck werden sie dorthin gelie-
fert (bitte nach radioaktivem Stoff aufschlüsseln – siehe Fragen 1 und 5,
Einfuhrhafen, Anlage und Verwendungszweck)?

11. Werden radioaktive Stoffe von deutschen Seehäfen aus nach Russland ver-
schifft?

Wenn ja, um welches Material aus welchen atomaren Anlagen handelt es
sich, und über welche deutschen Häfen erfolgt der Umschlag (bitte wie in
Frage 1 aufschlüsseln)?

12. Wer wird in Russland durch in Deutschland ansässige Firmen beliefert?

Wem gehören die transportierten radioaktiven Stoffe (bitte aufschlüsseln)?

13. In welche weiteren Länder finden Transporte radioaktiven Materials über
deutsche Häfen statt (bitte nach Stoffen, liefernden Firmen/Anlagen sowie
Empfängerländern und Empfängerfirmen aufschlüsseln)?

14. Welche Transportfirmen (Speditionen, Reedereien und ggf. Eisenbahn-
unternehmen) sind mit den Transporten radioaktiver Stoffe zwischen
Deutschland und Russland beauftragt?

15. Welche Auflagen und Vorschriften gelten für diese Transporte?

16. Welche Vorschriften werden angewandt, wenn diese zwischen Deutschland
und den Empfänger- oder Ursprungsländern abweichen?

17. Gibt es besondere Regelungen, Vorschriften, Genehmigungsvoraussetzun-
gen oder Anmeldepflichten für Transporte mit radioaktiven Stoffen durch
den Nord-Ostsee-Kanal?

Wenn ja, welche?

18. Wie viele Transporte mit radioaktiven Stoffen durch den Nord-Ostsee-
Kanal wurden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 durchgeführt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7913

19. Welche deutschen und/oder internationalen Behörden sind für die Bewer-
tung des Gefahrenpotenzials der transportierten radioaktiven Stoffe und die
jeweiligen Transportgenehmigungen zuständig, und nach welchen Krite-
rien wird das Gefährdungspotenzial bewertet?

20. Wie sehen Notfallmaßnahmen für Transporte radioaktiver Stoffe auf Hoher
See und in internationalen Gewässern oder Hafenanlagen aus?

21. Welche Notfallmaßnahmen gibt es zum Schutz der Schiffsbesatzungen,
Hafenarbeiter und der Bevölkerung?

22. Welche Schiffe stehen für etwaige Notfallmaßnahmen auf deutschem See-
gebiet bereit?

23. Wie lange dauert ggf. eine Verlegung dieser Schiffe an den Einsatzort?

24. Welche deutschen und welche ausländischen Speditionen führen die Trans-
porte einzuführender bzw. auszuführender radioaktiver Stoffe über deut-
sche Seehäfen durch?

25. Transportieren deutsche Speditionen radioaktive Materialien auch zu aus-
ländischen Seehäfen?

Wenn ja, um welche Speditionen handelt es sich, und zu welchen Häfen
transportieren sie von wo welche radioaktiven Stoffe?

26. Wie viele derartige Transporte hat es in den Jahren 2009, 2010 und 2011
gegeben (bitte aufschlüsseln)?

27. Wer ist für die Genehmigung dieser Transporte zuständig (bitte nach Art
des radioaktiven Materials aufschlüsseln)?

28. Wie sehen Notfallmaßnahmen und Vorsorge entlang der Straßentransport-
strecken (Autobahn, Bundesstraßen, Landstraßen, innerstädtischer Verkehr,
Bahnstrecken etc.) aus?

29. Welche deutschen und/oder internationalen Behörden entscheiden über
Notfallpläne für Unfälle mit radioaktiven Stoffen?

30. Auf welchen Strecken werden die in den Fragen 1, 5, 12 und 14 angespro-
chenen radioaktiven Stoffe transportiert (bitte die Routen jeweils in ihrem
Verlauf vom Absender bis zum Empfänger in Deutschland aufschlüsseln)?

31. Welche deutschen und ausländischen Behörden werden im Vorfeld über die
Transporte radioaktiver Stoffe über den Seeweg informiert, um ggf. Not-
fallmaßnahmen einleiten zu können?

32. Welche Transporte von Leerbehältern, die radioaktiv strahlen können,
finden ins oder vom Ausland aus statt?

33. Welche sicherheitsrelevanten Vorkommnisse mit Transporten mit radio-
aktiven Stoffen über deutsche Häfen sind der Bundesregierung bekannt
(auf See, im Hafen oder auf den jeweiligen Transitstrecken an Land) (bitte
ggf. nach Art und Ort des Vorkommnis, möglichen Schäden und ergriffe-
nen Maßnahmen detailliert erläutern und aufschlüsseln)?

Berlin, den 24. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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