BT-Drucksache 17/79

Übung eines bewaffneten Inlandseinsatzes der Bundeswehr unter Einbindung der ZMZ-Strukturen

Vom 25. November 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/79
17. Wahlperiode 25. 11. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Jens Petermann, Paul Schäfer (Köln)
und der Fraktion DIE LINKE.

Übung eines bewaffneten Inlandseinsatzes der Bundeswehr unter Einbindung der
ZMZ-Strukturen

Anfang Oktober 2009 hat die Bundeswehr in der Nähe von Schwarzenbach
(Bayern) einen bewaffneten Inlandseinsatz geübt. Dabei wurden auch die regio-
nalen bzw. örtlichen Strukturen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ)
in Anspruch genommen. Die Fragesteller sehen sich dadurch in ihrer Befürch-
tung bestätigt, dass die ZMZ auch zur Militarisierung der Innenpolitik beitragen
soll. Auf konkrete Fragen der Fraktion DIE LINKE. hatte die Bundesregierung
bisher schon eingeräumt, „im Einzelfall“ könne es auch Einsätze anlässlich von
Demonstrationen oder Streiks geben (Bundestagsdrucksache 16/13970).

Den „Kontext der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit zu einer Kriegspolitik“,
den die Bundesregierung noch vor wenigen Wochen als Unterstellung der Frak-
tion DIE LINKE. bezeichnet hat, hat diese Übung ausdrücklich hergestellt. So
wird das Übungsszenario auf der Homepage der Reservistenkameradschaft
Naila wie folgt dargestellt: „Durch die aktuellen Geschehnisse in Afghanistan
wurde eine erhöhte Gefahrenstufe für die Radarstellung auf dem Döbraberg fest-
gestellt.“

Die Übung simulierte einen terroristischen Angriff auf einen Radarturm der
Bundeswehr nahe Schwarzenbach. Reservisten ist dabei (nach Angaben des
Reservistenverbandes Jena auf dessen Homepage) die Aufgabe zuteil geworden,
„die Umgebung nach feindlichen Kräften abzusuchen, notfalls aufzuhalten und
zu bekämpfen.“ Auch die Ausschreibung (zu finden auf der Homepage des
Reservistenverbandes Kulmbach) nannte als Zweck der Übung die „Abwehr
terroristischer Anschläge“. Diese Aufgabe fällt nach bisheriger Rechtslage in
den originären Zuständigkeitsbereich der Polizei, die aber bei der Übung nicht
beteiligt worden ist. Dafür ist nebenbei die „Bewältigung“ friedlicher Demonst-
rantinnen und Demonstranten geprobt worden, die Flugblätter verteilten.

Die Einbindung der ZMZ-Strukturen in diese Übung steht deutlich im Wider-
spruch zu bisherigen Äußerungen eines rein zivilen und friedlichen Charakters
der ZMZ. Bislang hat die Bundesregierung Sinn und Zweck der ZMZ so darge-
stellt, als ginge es darum, die Fähigkeiten der Bundeswehr zur Bewältigung von
Unglücken und Naturkatastrophen optimiert zur Verfügung zu stellen und zivile

Hilfsorganisationen zu unterstützen.

Das Gegenteil ist offenbar mindestens genauso richtig: Die Freiwillige Feuer-
wehr Schwarzenbach wies darauf hin, „wie wichtig die Unterstützung durch die
zivilen Hilfsorganisationen auch für die Bundeswehr im Ernstfall ist. Sind doch
die Mittel, die der Bundeswehr für solche Situationen zur Verfügung stehen, be-
grenzt.“

Drucksache 17/79 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welches Bedrohungsszenario lag der Übung am Döbraberg bei Schwarzen-
bach/Bayern zugrunde, und was waren die hierfür angenommenen „aktuel-
len Geschehnisse in Afghanistan“?

2. Wieso hat die Bundeswehr in der Übung nicht den Einsatz der Polizei ange-
fordert, die nach Maßgabe des Grundgesetzes zuständig für die Bekämpfung
von Schwerkriminalität ist?

3. Welche über Artikel 87a Absatz 3 des Grundgesetzes hinausgehende (ver-
fassungs)rechtliche Grundlage wurde in der Übung zugrundegelegt, die den
Einsatz bewaffneter Soldaten und Reservisten zur „Terroristenabwehr“ so-
wie zur Suche und Bekämpfung von „feindlichen Kräften“ im Inland recht-
fertigen würde?

4. Wie wurde in der Übung der Begriff „feindliche Kräfte“ definiert?

5. Ist den eingesetzten Reservisten Bewaffnung ausgehändigt worden, und
wenn ja, welche?

6. Unter welchen Umständen ist es nach Ansicht der Bundesregierung vom Ge-
setz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung beson-
derer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streit-
kräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw) gedeckt, bei einer angenom-
menen terroristischen Bedrohung Reservisten einzuberufen und diese damit
zu beauftragen, gewaltsam gegen mutmaßliche Straftäter vorzugehen?

a) Ist es dafür erforderlich, dass den eingesetzten Reservisten militärische
Wach- und Sicherheitsaufgaben i. S. d. § 1 UZwGBw übertragen werden,
und wenn nein, warum nicht?

b) In welcher Weise erfolgt in der Regel eine solche Übertragung, und
welche Voraussetzungen müssen hierbei erfüllt sein?

c) War eine solche Übertragung Gegenstand der Übung, und wenn nein,
warum nicht?

7. War die Übung, sofern sie den bewaffneten Einsatz enthielt, strikt auf eine
militärische Liegenschaft bzw. einen militärischen Sicherheitsbereich be-
grenzt oder erstreckte sie sich darüber hinaus (wenn ja, bitte detaillierte An-
gaben über Ort und Zeitraum machen)?

8. Welche Überlegungen gibt es innerhalb der Bundesregierung, Reservisten
künftig zu bewaffneten Einsätzen im Inland einzuberufen, und welche
Szenarien werden diesen Überlegungen zugrundegelegt?

9. Worin genau liegt aus Sicht der Bundesregierung der Wert der ZMZ sowie
von Kommunalverwaltungen, Hilfs- und Rettungsorganisationen für die
Wahrnehmung militärischer Interessen im Inland?

Welche Rolle spielt hierbei die Bewältigung von Terroranschlägen, die als
Folge der Kriegspolitik im Ausland betrachtet werden, und welche Rolle
spielen innere Unruhen?

10. Warum wurden im Rahmen der Übung „flugblattverteilende Friedens-
demonstranten“ simuliert?

a) Durch wie viele Soldaten bzw. Reservisten wurden die Demonstran-
tinnen und Demonstranten simuliert?

b) Waren die zum Einsatz gekommenen Flugblätter beschriftet, und wenn
ja, mit welchem Text bzw. welchen Grafiken (bitte vollständig angeben)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/79

c) Inwiefern stellen Personen, die friedlich von ihrem Recht auf Versamm-
lungs- und Meinungsfreiheit Gebrauch machen, eine Rechtfertigung für
eine militärische Übung dar?

11. Welche Rolle spielten die einzelnen ZMZ-Strukturen in Bayern bei der Vor-
bereitung und Durchführung der Übung?

a) Inwiefern war das zuständige Landeskommando Bayern einbezogen, und
worin bestanden seine Beiträge?

b) Welche Kreis- und Bezirksverbindungskommandos waren ab welchem
Zeitpunkt und auf welche Weise einbezogen, und worin bestanden ihre
Beiträge?

c) Inwiefern wurden regionale oder kommunale Katastrophenschutzstäbe in
die Planungen einbezogen?

12. Welche weiteren Übungen hat die Bundeswehr bislang unter Einbindung der
ZMZ-Strukturen durchgeführt, und welche Übungen unter Einbindung der
ZMZ-Strukturen sind derzeit geplant, die den bewaffneten Einsatz von
Soldaten im Inland zum Gegenstand haben (bitte detailliert darstellen)?

Berlin, den 25. November 2009

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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