BT-Drucksache 17/7897

Sicherheit des Atomkraftwerks Grohnde

Vom 24. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7897
17. Wahlperiode 24. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert,
Sabine Stüber, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Sicherheit des Atomkraftwerks Grohnde

Während des Baus des Atomkraftwerks (AKW) Grohnde gab es Bedenken, die
die Sicherheit des Sicherheitsbehälters des Kraftwerks betreffen. So hat unter
anderem die Gruppe Ökologie (GÖK) – Institut für ökologische Forschung und
Bildung in Hannover e. V. infrage gestellt, dass der Bau des Sicherheitsbehälters
und der Rohrleitungen des primären Kühlkreislaufs nach Stand von Wissen-
schaft und Technik durchgeführt wird und bemängelte dabei u. a. die Verwen-
dung der eingesetzte Stahlsorte Wst E 51, die laut Aussage der GÖK für den Bau
von Atomkraftwerken nicht geeignet sei (vgl. Deister- und Weserzeitung vom
6. Februar 1981; Neue Presse Hannover vom 6. Februar 1981; taz vom 8. Juni
1982). Weiter äußerte sich im „DER SPIEGEL“ ein Jahrzehnt später ein Arbei-
ter, der beim Bau des AKW Grohnde mitgewirkt hat, kritisch über den Bau des
Sicherheitsbehälters des AKW Grohnde (vgl. DER SPIEGEL 7/93) und hat
starke Zweifel an der Korrektheit der Verschweißungen am Sicherheitsbehälter
aufkommen lassen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Risiken sieht die Bundesregierung durch die Verwendung von Stahl
22NiMoCr37 am Reaktordruckbehälter des AKW Grohnde, der laut eines
Vermerks des Bundesministeriums des Innern vom 16. Dezember 1975 be-
sonders zu Unterplattierungs- und Nebennahtrissen neigt und besonders gut
verarbeitet und kontrolliert werden muss?

2. Welche Stahlsorten (22NiMoCr37, 20MnMoNi55 etc.) wurden für den Bau
der Reaktordruckbehälter der anderen Atomkraftwerke in Deutschland ver-
wendet (bitte nach Möglichkeit einzeln auflisten)?

3. Welche Stahlsorten (Wst E 51, 20MnMoNi55 etc.) wurden für die Sicher-
heitsbehälter der sich noch im Betrieb befindlichen AKW in Deutschland
verwendet?

4. Sind der Bundesregierung die Aussagen eines Mitarbeiters der Firma
F. H. Gottfeld Gesellschaft für zerstörungsfreie Werkstoffprüfung mbH, der
am AKW Grohnde gearbeitet hatte, bekannt, der gegenüber dem „DER

SPIEGEL“ (DER SPIEGEL 7/93) über die Schweißarbeiten während der
Bauzeit aussagte, es sei von Kraftwerksbauern zum Teil „direkter Druck aus-
geübt worden, Ergebnisse zu fälschen“, und dass „Fotos in verschiedener
Weise verfälscht wurden“, und dass Schweißer oft „flusig gearbeitet“ und
mitunter sogar angetrunken am Gerät gestanden hätten?

Wenn ja, ist die Bundesregierung diesen Vorwürfen nachgegangen, mit wel-
chen Ergebnissen, und welche Konsequenzen wurden gezogen?

Drucksache 17/7897 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Welche Gefahren sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
vom Deckel eines Reaktordruckbehälters ausgehen, der wie im Falle des
AKW Grohnde nur halb so dick ist, wie zuvor gegenüber dem TÜV be-
hauptetet (vgl. Deister- und Weserzeitung vom 6. Februar 1982)?

6. Mit welchen Rissprüfverfahren wurden die Schweißnähte am Reaktor-
druckbehälter nach dem Herstellen der Schweißnaht geprüft, und fand eine
Mehrfachprüfung jeder Schweißnaht statt?

7. Welche Qualifikationsnachweise und Gesundheitsanforderungen waren
zum Bauzeitraum für die Schweißer und Prüfer von Schweißnähten erfor-
derlich, und liegen der Bundesregierung oder den zuständigen Behörden
die Qualifikations- und Gesundheitszeugnisse des eingesetzten Personals
vor?

8. Falls der Bundesregierung oder den zuständigen Behörden keine Qualifika-
tions- und Gesundheitszeugnisse des zum Bau eingesetzten Personals vor-
liegen, wie wurde dann eine ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten
gewährleistet, und kann noch heute davon ausgegangen werden?

9. Wie oft wird der Reaktordruckbehälter des AKW Grohnde auf Risse hin
kontrolliert, welche Prüfverfahren werden dazu angewandt, und wie würde
sich der Befund eines Risses in der Auswertung der Prüfung manifestie-
ren?

10. Welche Strahlendosis erhält ein Arbeiter bei der Überprüfung des Reaktor-
druckbehälters im AKW Grohnde durchschnittlich (Angabe bitte in Milli-
sievert – mSv – oder einer adäquaten Einheit)?

11. Wie oft werden die Komponenten des Primärkreislaufs des AKW Grohnde
auf Risse hin untersucht, welche Prüfmethoden werden angewandt und
wie würde sich der Befund eines Risses in den Auswertungen manifestie-
ren?

12. Welche Komponenten des Primärkühlkreislaufs des AKW Grohnde kön-
nen wegen Unzugänglichkeit nicht überprüft werden?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Sicherheit des Sicherheitsbehälters
des AKW Grohnde im Hinblick auf den Umstand, dass dieser aus dem Fein-
kornstahl Wst E 51 gefertigt wurde, der entgegen des Weisungsbeschlusses
Nr. 18 der TÜV-Leitstelle vom Juli 1977 mit 510 N/mm2 eine höhere Festig-
keit hat als die vom TÜV noch erlaubten 350 N/mm2 und damit zu spröde
sein sowie zu spontanen Rissen neigen könnte (vgl. die tageszeitung vom
8. Juni 1982)?

14. Ist es richtig, dass bei einem Drucktest des Sicherheitsbehälters des AKW
Grohnde im Juli 1982 der Prüfdruck über einen Zeitraum von 62 Stunden
aufgebaut wurde (vgl. Leserforum Deister- und Weserzeitung vom 15. Ok-
tober 1982), und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung die Aussage-
fähigkeit dieses Drucktests für einen Havarie- oder Unfall, bei dem sich
dieser Druck erheblich schneller aufbauen würde, und wie begründet die
Bundesregierung ihre Bewertung?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung einen Antrag der Kraftwerksbetreiberin
E.ON Kernkraft GmbH auf Genehmigung der Erhöhung der thermischen
Leistung des AKW Grohnde auf 4 000 MWth angesichts der in der Vergan-
genheit geäußerten Bedenken zur Sicherheit des Sicherheitsbehälters und
angesichts der Tatsache, dass ein entsprechender Antrag für das baugleiche
AKW Grafenrheinfeld im Jahr 2004 abgelehnt wurde und diesbezüglich ge-
forderte Sicherheitsnachweise noch immer ausstehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7897

16. Sind der Bundesregierung Einzelheiten bekannt, inwiefern die Kraftwerks-
betreiberin E.ON Kernkraft GmbH Vorbereitungen zur Erhöhung der
thermischen Leistung des AKW Grohnde getroffen hat, obwohl die Ge-
nehmigung zur Leistungserhöhung noch aussteht (vgl. die tageszeitung
vom 30. März 2011), und gab bzw. gibt es diesbezügliche Korresponden-
zen zwischen E.ON Kernkraft GmbH und der Bundesregierung, und wenn
ja, welche?

Berlin, den 24. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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