BT-Drucksache 17/7865

GASP-Missionen zur Pirateriebekämpfung sowie der Einsatz privater Sicherheitsdienste im Golf von Aden und Somalia

Vom 22. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7865
17. Wahlperiode 22. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Annette
Groth, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat, Paul Schäfer (Köln), Kathrin
Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

GASP-Missionen zur Pirateriebekämpfung sowie der Einsatz privater
Sicherheitsdienste im Golf von Aden und Somalia

Internationale Fischfangflotten – darunter die mit erheblichen öffentlichen Mit-
teln geförderte EU-Fischerei – haben die Erträge lokaler Fischer am Horn von
Afrika, wie auch vor vielen anderen Küsten Afrikas und weltweit, erheblich
geschmälert. In Westafrika haben daraufhin viele Fischer ihre Dienste
Menschen angeboten, die ohne Visum in die Europäische Union (EU) einreisen
wollten oder unternahmen selbst den lebensgefährlichen Versuch, illegal über
die Kanarischen Inseln in die EU einzureisen. Am Horn von Afrika hingegen
suchten viele Fischer ein neues Auskommen in der Piraterie. Einige mutmaß-
liche Piraten berichteten auch davon, dass sie gezwungen wurden, sich einer
Piratengruppe anzuschließen (siehe: „Somalier wurde zum Überfall gezwungen“
in DIE WELT vom 26. September 2011). Andere betrachten sich selbst als eine
Art Küstenwache, welche die Ausbeutung der Fischbestände oder die illegale
Giftmüllverklappung vor der Küste Somalias verhindern wollen (vgl. Wie
Fischer zu Piraten wurden, www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=2684).
Die seit 2007 von der internationalen Gemeinschaft anerkannte somalische
Übergangsregierung hat gegen beide Phänomene bis heute keine effektiven
Maßnahmen ergreifen können. Stattdessen erlaubte sie u. a. der EU, sowohl in
ihren Küstengewässern, als auch an Land die Piraterie militärisch zu bekämpfen.
Der Kampf gegen die Piraterie wird (neben dem Schutz von Nahrungsmittellie-
ferungen) v. a. mit dem Schutz der Handelsschifffahrt begründet, welche die
Umwelt am Golf von Aden ebenfalls belastet, ohne jedoch der ansässigen Be-
völkerung irgendwelchen Nutzen zu bringen.

Die militärische Bekämpfung der Piraterie am Golf von Aden hat bislang keine
eindeutigen Erfolge hervorgebracht. Der „Newsletter Verteidigung“ (44/2011)
behauptet im Gegenteil: „Das sich etablierende Phänomen der Piraterie greift
wie ein Steppenfeuer um sich. Aktuell werden von allen Weltmeeren in zuneh-
mendem Maße Überfälle und Entführungen gemeldet“. Zur Folge hatte deren
militärische Bekämpfung jedoch eine weitere Ausdehnung des Aktionsradius
der Piraten sowie deren weitere Professionalisierung (etwa die Ausrüstung mit
schweren Waffen), welche Somalia weiter destabilisieren kann. Insbesondere

gegen die Hintermänner der Piraten, die u. a. in London vermutet werden, wur-
den bislang keine juristischen Maßnahmen eingeleitet. Der Piratenprozess in
Hamburg ebenso wie entsprechende Prozesse in Kenia und auf den Seychellen
sowie die Todesurteile gegen mutmaßliche Piraten im Jemen, zeigen zahlreiche
rechtsstaatliche Defizite, die mit einer Auslagerung der Justiz der am Horn von
Afrika militärisch aktiven Staaten einhergehen und die Rechtmäßigkeit der Ver-
urteilung mutmaßlicher Piraten in Frage stellen. Rechtsstaatliche Grundsätze

Drucksache 17/7865 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wie die Unschuldsvermutung oder der richterliche Prüfvorbehalt gegen Inhaf-
tierung sind mit der militärischen Pirateriebekämpfung nicht zu vereinbaren.
Nicht abschätzbar hingegen sind die Folgen dieser militärischen Piraterie-
bekämpfung für die Anwohner der Region. So sind die Bedingungen für soma-
lische Fischer aufgrund des EU-Militäreinsatzes Atalanta noch schwieriger ge-
worden. Auch die Flucht aus Somalia auf die arabische Halbinsel, die in der
Vergangenheit eine der zentralen Reaktionsformen auf Dürren und Hunger-
katastrophen in Ostafrika war, wird durch den Kampf gegen die Piraterie behin-
dert und deutlich gefährlicher. Zehntausende Flüchtlinge, die jährlich den Golf
von Aden passieren, müssen nicht nur damit rechnen, von EU-Kriegsschiffen
als mutmaßliche Piraten behandelt zu werden, sondern auch, von der jemeni-
tischen Küstenwache als solche festgenommen und im schlimmsten Falle zum
Tode verurteilt zu werden. Deutschland hat den Beitrag der jemenitischen Küs-
tenwache trotz dieser Todesurteile als „Beitrag zu Frieden und Sicherheit am
Golf von Aden“ gewürdigt und sie deshalb seit 2009 mit 750 000 Euro unter-
stützt.

Amnesty International hingegen kritisierte bereits vor dem Ausbruch der aktu-
ellen Proteste aufgrund der Menschenrechtslage die internationale Unterstüt-
zung für den jemenitischen Sicherheitsapparat und äußerte die Vermutung, diese
sei vornehmlich durch die Angst vor Terroranschlägen auf der arabischen Halb-
insel und im Golf von Aden (Attentate auf Öltanker und Handelsschiffe) moti-
viert (siehe AI-Bericht „Yemen: Cracking down under pressure“ vom 25. Au-
gust 2010). Tatsächlich räumte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine
Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/7299, zu Frage 18) ein, sie sei der
Auffassung, dass die Sicherheit im Golf von Aden „von Piraterie, terroristischen
Aktivitäten, Waffen- und Drogenhandel sowie Menschenhandel gefährdet“ sei
und „die durchgängige Anwesenheit von Kriegsschiffen … dieses Seegebiet für
die Handelsschifffahrt seit Ende 2008 deutlich sicherer gemacht“ habe. Eine
deutliche Abgrenzung der Bekämpfung der genannten Bedrohungen scheint
dabei nicht immer stattzufinden. So wurden etwa die im Rahmen der Mission
Atalanta eingesetzten Seefernaufklärer PC3-Orion zugleich auch im Rahmen des
US-geführten „Krieg gegen den Terror“ eingesetzt. Seit Längerem ist nun auch
der Einsatz deutscher privater „Sicherheitsfirmen“ (www.spiegel.de/politik/
deutschland/0,1518,780816,00.html) vor den Küsten im Gespräch. Derzeit
werden solche private Sicherheitsfirmen bereits innerhalb Somalias eingesetzt
und agieren dort faktisch in einem rechtsfreien Raum. Zeugenaussagen (www.
dradio.de/dlf/sendungen/einewelt/1522694/) zufolge haben diese Firmen vor
Ort auch verbotene Waffen wie Cluster-Munition eingesetzt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die tatsächliche Beteili-
gung von Fischern aus afrikanischen Staaten (insbesondere Somalia, Jemen,
Kenia und auf der afrikanischen Westküste aus Marokko und der Westsahara)
an der Ausbeute der Küstengewässer, und in welchem Verhältnis stehen diese
zu dem Umfang des Fischfangs durch europäische und US-amerikanische
Reedereien (bitte nach den Fangquoten, der Flagge der Schiffe, dem Her-
kunftsland der Reedereien und das betreffende Fischgebiet auflisten)?

2. Wie hoch ist die prozentuale Beteiligung der deutschen Reeder bzw. Han-
delsschiffe unter deutscher Flagge an der Welthandelsflotte und an der
Nutzung des Golfes von Aden?

3. Wie hoch ist der Anteil europäischer und ausländischer Fischfangflotten an
dem Gesamtvolumen der Fischausbeute der somalischen Gewässer seit
1991?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7865

4. Welche Hinweise hat die Bundesregierung auf das Volumen, die Art und
die Ursprungsländer von Giftmüll, welcher durch europäische und auslän-
dische Schiffe in somalische Gewässer seit 1991verklappt wurde?

5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Gesamtzahl der An-
griffe von mutmaßlichen Piraten auf ausländische Schiffe seit 1991 im Golf
von Aden (bitte nach Ort, Name der angegriffenen Schiffeinheit, Zahl der
Verletzten und Toten, der Beteiligung bzw. Unterstützung durch militärische
Streitkräfte, Zahl der in Gewahrsam Genommenen und evtl. Versenkung der
mutmaßlichen Piratenseeeinheit auflisten)?

a) Wie viele dieser Angriffe mutmaßlicher Piraten wurden unter Verwen-
dung oder der Androhung von Waffengewalt durchgeführt?

b) Welche Arten von Waffen führten die Piraten jeweils mit sich?

c) Welche Staatsangehörigkeit hatten die mutmaßlichen Piraten?

d) Wie hoch war die Zahl der Verletzten und Getöteten unter den mutmaß-
lichen Piraten und den angegriffenen Schiffsbesatzungen?

e) Gegen welche Art von Schiffen richteten sich die mutmaßlichen Piraten-
angriffe?

f) Wie viele dieser mutmaßlichen Piraten wurden vor Gericht gestellt, und
mit welchem Ausgang?

6. Kann die Bundesregierung die oben zitierte Aussage des „Newsletter Ver-
teidigung“ über einen drastischen Anstieg der Piraterie bestätigen?

7. Was ist der Bundesregierung über die Art der Bewaffnung der Piraten
bekannt, und kann sie bestätigen, dass die Piraten im Golf von Aden seit
Beginn der ATALANTA-Mission zunehmend schwerer bewaffnet sind?

8. Wie viele Angehörige welcher Streitkräfte sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung bislang zu deren Schutz auf Handelsschiffen im Golf von Aden
stationiert worden, welche Schiffe davon transportierten ausschließlich
Waren im Auftrag des Welternährungsprogramms, und befanden sich hier-
unter auch Soldaten der Bundeswehr?

9. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über den Verlauf der Straf-
verfolgung und die Haftbedingungen der von der Deutschen Marine oder
EU-Mitgliedstaaten in Gewahrsam genommenen mutmaßlichen Piraten in
Kenia, auf den Seychellen, auf Mauritius, im Jemen und anderswo, die im
Golf von Aden aufgebracht wurden?

10. Welche Vereinbarungen, Abkommen oder Formen der Zusammenarbeit
haben die EU und Deutschland bezüglich der Überstellung mutmaßlicher
Piraten, der Durchführung von Strafverfahren und der Strafverbüßung mit
welchen Ländern abgeschlossen bzw. welche werden geplant?

11. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Tatsache, dass nach Angaben der
Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage (Bundestags-
drucksache 17/7299) nur drei von insgesamt 27 durch die Deutsche Marine
in Gewahrsam genommenen und der Piraterie verdächtigen Personen, einer
ordentlichen Gerichtsbarkeit in Kenia zugeführt wurden?

a) In welcher Entfernung vom Festland wurden die 27 durch die Deutsche
Marine in Gewahrsam genommenen Personen aufgegriffen?

b) Was ist der Bundesregierung über den Verbleib der weiteren 24 durch
die Deutsche Marine in Gewahrsam genommenen Personen bekannt?

c) Warum wurde keiner der insgesamt 27 durch die Deutsche Marine in

Gewahrsam genommenen Personen einer ordentlichen Gerichtsbarkeit
in Deutschland zugeführt?

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d) Wie viele der durch die Deutsche Marine in Gewahrsam genommenen
Personen waren Frauen, und welches Alter hatten diese Personen?

e) Wie hoch waren die Haftstrafen der bislang durch die Deutsche Marine
in Gewahrsam genommenen Personen, die der Piraterie verdächtigt wer-
den?

f) Wie sind die Haftbedingungen der mutmaßlichen Piraten in Kenia und
anderen Orten über die sich die Bundesregierung laut eigener Angaben
in der Antwort auf die Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/7299)
über die Botschaft in Nairobi regelmäßig informiert (bitte nach Zugang
zum rechtlichen Gehör, Dauer des Verfahrens, Zugang zum rechtlichen
Beistand auflisten)?

g) Hat die Bundesregierung Hinweise, die auf eine Misshandlung der mut-
maßlichen Piraten während ihrer Gefangenschaft hindeuten?

h) Welche Auswirkungen haben bzw. hatten die aufwändigen Verfahren
gegen Piraterieverdächtige nach Einschätzung der Bundesregierung auf
die kenianische Strafjustiz, die in der Vergangenheit häufig auch Perso-
nen, die schwerer Straftaten verdächtigt wurden, freilassen musste, da
sie diesen nicht rechtzeitig den Prozess machen konnten?

12. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Tatsache, dass von den bis zum
Frühjahr 2011 festgenommenen 100 mutmaßlichen Piraten im Golf von
Aden rund 90 nach Angaben des Deutschen Maritimen Institutes e. V.
(DMI) „mangels Kapazität zur Strafverfolgung wieder auf freien Fuß ge-
setzt“ wurden (siehe: Marine Forum, 9/2011, S. 22)?

13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den weiteren Verbleib
der Besatzung der am 4. November 2011 von der Fregatte Köln aufge-
brachten Whalers und einem Skiff rund 110 Kilometer vor der Küste Tan-
sanias, welche durch die Deutsche Marine anschließend versenkt wurden,
und über die tatsächliche Todesursache der dort aufgefundenen Toten?

a) Zu welchem Zweck befanden sich der Whaler und das Skiff auf See,
und aus welchem Ursprungshafen sind die Boote gestartet?

b) Aus welchem Land stammt die Besatzung der beiden Boote?

c) Auf welcher rechtlichen Grundlage wurden die beiden Boote von der
Deutschen Marine versenkt?

d) Auf welcher rechtlichen Grundlage wurden die Besatzungsmitglieder
festgenommen, und auf welcher rechtlichen Grundlage wo und an
welche Behörden übergeben?

14. Welche Maßnahmen unternimmt oder plant die Bundesregierung zur Wie-
dereingliederung mutmaßlicher Piraten in die Zivilgesellschaft?

15. Welche Hinweise hat die Bundesregierung bezüglich der sog. Veteran-
Cross-Over Initiativen zum Einsatz u. a. ehemaliger deutscher Polizisten
sowie Soldaten mit Kampferfahrungen aus dem Irak- und Afghanistankrieg
und der Balkan-Region mit dem Ziel ihrer Eingliederung in private Sicher-
heitsfirmen (Private Maritime Security Company – PMSC)?

16. Welche Hinweise hat die Bundesregierung darauf, dass die in Somalia und
im Golf von Aden eingesetzte Satellitenüberwachung und Aufklärung
durch Drohnen und Seefernaufklärer bzw. Maßnahmen der sog. Terroris-
musabwehr mit der Beteiligung deutscher Streitkräfte stattfinden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7865

17. Was ist der Bundesregierung bekannt über die „ständigen bilateralen
Gespräche“ zwischen Angehörigen der ATALANTA-Mission und der
OpInfo-Gruppe der International Security Network GmbH, bei denen laut
deren Direktor für Maritime Sicherheit, Andreas Engelbracht („ehemaliger
Kommandant eines Marine-Kampfschiffes“) „Beurteilungen … ausge-
tauscht und dann gegebenenfalls ergänzt“ werden (Newsletter Verteidigung
44/2011)?

18. Welche privaten Sicherheitsunternehmen sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung in Somalia und dem Golf von Aden aktiv, und in wessen Auftrag
handeln diese?

19. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Tätigkeiten der in
Baden-Baden ansässigen International Security Network GmbH im Golf
von Aden und Somalia, und wie bewertet sie diese?

20. Über welche Ausrüstungsgegenstände und Waffen verfügt die International
Security Network GmbH nach Kenntnis der Bundesregierung?

21. Arbeitet das Piraterie-Präventionszentrum (PPZ) der Bundespolizei auch
mit privaten Sicherheitsfirmen zusammen oder empfiehlt es nach Kenntnis
der Bundesregierung den Reedereien eine solche Zusammenarbeit?

22. Auf welcher rechtlichen Grundlage bzw. infolge welcher politischen Ab-
sprachen, und in wessen Dienst operieren private Sicherheitsunternehmen
auf dem Staatsgebiet Somalias oder seinen Gewässern?

23. Welche Formen der Kooperation zwischen ausländischen Streitkräften,
Missionen der EU sowie der USA und der Regierung in Mogadishu mit
privaten Sicherheitsunternehmen auf dem Staatsgebiet Somalias bzw. auf
See vor der Küste Somalias sind der Bundesregierung bekannt oder werden
geplant?

24. Welche international gültigen Vorschriften bilden derzeit die Grundlage für
private Maßnahmen zum Schutz vor Piraterie auf Handelsschiffen im Golf
von Aden, und wie bewertet die Bundesregierung ihre Effektivität in der
Praxis?

25. Welche Initiativen plant die Bundesregierung, um den Einsatz privater
Sicherheitskräfte auf Handelsschiffen zu ermöglichen oder zu erleichtern?

26. Welche Hinweise hat die Bundesregierung über die Tätigkeit und das Aus-
maß von Maßnahmen des sog. bewaffneten Selbstschutzes, und wie be-
wertet sie diese Praxis im Hinblick auf einschlägige in Deutschland und
völkerrechtlich gültige Rechtsvorschriften?

27. Wie bewertet die Bundesregierung den bisherigen Einsatz privater Sicher-
heitsfirmen zum Schutz vor Piraterie oder sog. Terrorismus auf dem Staats-
gebiet Somalias und in Gewässern vor der somalischen Küste?

28. Wie bewertetet die Bundesregierung die Best Management Practices 3 der
International Maritime Organization (IMO) und die Interim Recomenda-
tions for Flag States Regarding the use of Privately contracted armed
Security Personel (IMO-MSC.1 Circ.1406) über den Einsatz bewaffneter
privater Sicherheitsunternehmen auf deutschen Schiffen im Hinblick auf
ihre Vereinbarkeit mit geltendem deutschen Recht und der UN-Seerechts-
konvention?

29. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die Verwendung verbotener
Waffen durch private Sicherheitsfirmen in Somalia?

a) Wenn ja, welche Bemühungen hat die Bundesregierung unternommen,

um diese zu verhindern?

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b) Auf welcher rechtlichen Grundlage kommen Waffen, Waffensysteme
oder sog. weniger letale Waffen durch private Sicherheitsunternehmen
zum Einsatz?

c) Erwägt die Bundesregierung die Einleitung von strafrechtlichen Verfah-
ren gegen Individuen und Sicherheitsunternehmen, die Waffen oder ver-
botene Waffen benutzten?

30. Wie viele waffenrechtliche Genehmigungsverfahren wurden seit 2008 im
Hinblick auf die Bewaffnung von zivilen Schiffen durch die Landratsämter
eingeleitet, und mit welchem Ergebnis wurden diese abgeschlossen?

31. Wie bewertet die Bundesregierung die völkerrechtswidrige und gegen das
absolute Gewaltverbot aus Artikel 2 Ziffer 4 der UN-Charta verstoßende
Offensive der kenianischen Truppen auf souveränem somalischen Staats-
gebiet?

32. Wie bewertet die Bundesregierung die Offensive der somalischen Über-
gangsregierung und der African Union Mission in Somalia (AMISOM) ge-
gen die Truppen der Al Shabab vor dem Hintergrund der aktuellen Hunger-
katastrophe und der Forderung zahlreicher Hilfsorganisationen, sich zur
Linderung der Hungerkatastrophe für einen Waffenstillstand einzusetzen,
und wie viele im Rahmen der European Training Mission (EUTM) Somalia
in Uganda ausgebildeten Soldaten kamen bei dieser Offensive zum Einsatz,
ums Leben oder wurden dabei verletzt?

33. Welche Informationen hat die Bundesregierung über den gegenwärtigen
Aufenthaltsort und die Aktivitäten der nahezu 1 000 mit ihrer Hilfe in
Äthiopien ausgebildeten somalischen „Polizisten“, unter denen sich auch
Minderjährige befanden, und die sich anschließend in der Provinz Gedo
einer Äthiopien nahestehenden und mit der somalischen „Übergangsregie-
rung“ verbündeten Miliz angeschlossen hatten, und kann sie eine Betei-
ligung dieser an den Gefechten ab dem 11. September 2011 im Gebiet Eil
Waq ausschließen, vor denen nach Angaben von Integrated Regional Infor-
mation Networks (IRIN) (www.irinnews.org/report.aspx?reportID=93787)
über 34 000 Menschen geflohen sein sollen, darunter viele, die bereits zuvor
auf der Flucht vor der Hungerkatastrophe waren?

34. Warum wurde der Rückzug der Al Shabab-Milizen im August 2011 nicht
für eine Verbesserung der Versorgung der dort lebenden Bevölkerung ge-
nutzt, wie es die Organisation der Afrikanischen Union (AU) gefordert
hat?

35. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Verwendung der von
der EU und der Bundesregierung zugesagten Finanzhilfe für das Internatio-
nal Peace Support Training Center (IPSTC) in Kenia?

36. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Planungen der US-Re-
gierung, den Drohnenkrieg gegen mutmaßliche Extremisten in Afrika und
auf der arabischen Halbinsel durch Errichtung geheimer Militärstützpunkte
in Somalia, im Jemen, in der Republik Seychellen und anderen Staaten in
der Region zu verstärken, von denen nach Angaben der „Washington Post“
bereits eine in Äthiopien installiert ist (siehe: www.washingtonpost.com/
world/national-security/us-building-secret-drone-bases-in-africa-arabian-
peninsula-officials-say/2011/09/20/gIQAJ8rOjK_story.html)

a) Plant die Bundesregierung eine Zusammenarbeit bei dem Einsatz von
Drohnen durch die US-Regierung?

b) Ist die Bundesregierung in die Planungen involviert, und in welcher
Form?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7865

c) Welchen Zusammenhang gibt es bei der Errichtung der genannten Stütz-
punkte bei der Bekämpfung der Piraterie?

37. Wie beurteilt die Bundesregierung die völkerrechtliche und verfassungs-
rechtliche Grundlage für den Einsatz der mit sog. Hellfire Missiles ausge-
statteten und satellitengesteuerten MQ-9 Reaper-Drohne, welche nach den
durch die Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlichten Drahtberichten
das US-State Departement von einem Stützpunkt in der Republik Seychellen
Angriffe starten soll?

38. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtmäßigkeit und Legitimität des
Einsatzes von Drohnen durch die US-Regierung bei ihrem verdeckten sog.
Krieg gegen den Terror in Ländern wie Jemen und Somalia?

39. Welche nach Angaben des Staatssekretärs im Bundesministerium für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Hans-Jürgen Beerfeltz,
„erheblichen“ Finanzhilfen hat die Bundesregierung gegenüber Kenia für
das größte Flüchtlingscamp der Welt, Dadaab, vor der Grenze zu Somalia
zugesagt und bislang geleistet (www.tagesschau.de/ausland/merkelkenia
100.html)?

a) Welche Bundesministerien sind an der Durchführung dieser Finanzhilfe
beteiligt und in welcher Höhe?

b) An welche politischen und tatsächlichen Zusagen der kenianischen
Seite wurden diese Finanzhilfen auch angesichts der jüngsten Offensive
kenianischer Truppen auf dem souveränen Staatsgebiet Somalias ge-
knüpft?

Berlin, den 22. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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