BT-Drucksache 17/7728

Unterbringung von BKA-Mitarbeitern in bekanntem Neonazi-Treff

Vom 14. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7728
17. Wahlperiode 14. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Ralph Lenkert,
Petra Pau, Jens Petermann, Raju Sharma, Kersten Steinke, Frank Tempel
und der Fraktion DIE LINKE.

Unterbringung von BKA-Mitarbeitern in bekanntem Neonazi-Treff

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat während des Papst-Besuchs im September
2011 Beamte in einem deutschlandweit als Neonazi-Treff bekannten Hotel in
Thüringen untergebracht. Die Personenschützer übernachteten im Hotel
„Romantischer Fachwerkhof“ in Kirchheim (Ilmkreis), das auch dem Verfas-
sungsschutz Thüringen bekannt ist. Seit ca. 2009 finden in dem auch als
„Erlebnisscheune Kirchheim“ bekannten Anwesen regelmäßig Veranstaltungen
von Rechtsextremisten aus dem ganzen Bundesgebiet statt. Die Nationaldemo-
kratische Partei Deutschlands (NPD) führt dort seit drei Jahren ihre Thüringer
Landesparteitage sowie auch bundesweite Funktionärstreffen durch, auch die
Deutsche Volksunion (DVU) nutzte das Hotel häufiger. Zudem finden regelmä-
ßig Neonazi-Konzerte statt, zu denen Besucher aus dem ganzen Bundesgebiet
anreisen. Daneben nutzen die rechtsextrem unterwanderte „Schlesische Jugend
Thüringen“ und die revisionistische „Gesellschaft für Freie Publizistik“ die
Räumlichkeiten. Zuletzt fand am 5. November 2011 eine Veranstaltung der
NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) statt, an der unter an-
derem der sächsische NPD-Landesvorsitzende Holger Apfel, der mecklenburg-
vorpommersche Landesvorsitzende Udo Pastörs, der ehemalige Vorsitzende der
1994 verbotenen Wiking Jugend Wolfram Nahrath sowie der JN-Bundesvorsit-
zende Michael Schäfer und sein Stellvertreter Andy Knape als Redner angekün-
digt wurden. An der Versammlung nahmen nach Informationen der „Mobilen
Beratung in Thüringen – Für Demokratie – Gegen Rechtsextremismus“
(MOBIT) auch Personen aus dem Umfeld der 2009 verbotenen Heimattreuen
Deutschen Jugend (HDJ) sowie der gewalttätigen sogenannten Autonomen
Nationalisten teil.

Das BKA hat gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk bestätigt, dass „ein
Kontingent von BKA-Mitarbeitern“ im Fachwerkhof untergebracht wurde. Bei
der Wahl des Hotels hätten „reisekostenrechtliche und haushalterische
Gesichtspunkte“ eine Rolle gespielt. Weder vom Thüringer Verfassungsschutz
noch von anderen Sicherheitsbehörden hätten Informationen zu dem Hotel vor-
gelegen.
Das breite Bürgerbündnis „Kirchheim gegen Rechtsextremismus“ sieht sein
mehrjähriges Engagement gegen diesen Neonazi-Treff in dem 700-Einwohner-
Ort durch die Einmietung des BKA untergraben.

Nach Auffassung der Fragesteller misst die Bundesregierung mit zweierlei
Maß. Während zivilgesellschaftliche Träger der Bundesprogramme gegen
Extremismus mit der Demokratie-Erklärung zur Überprüfung ihrer Koopera-

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tionspartner auf Verfassungstreue verpflichtet werden, können Bundesbehörden
offenbar rechtsextreme Infrastruktur mit Steuergeldern subventionieren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Beamte des BKA waren für welchen Zeitraum im Hotel „Ro-
mantischer Fachwerkhof“ untergebracht?

2. Welche Kosten fielen durch die Hotelunterbringung an (bitte Rechnung
aufschlüsseln nach Zimmerpreisen etc)?

3. Welche „reisekostenrechtliche und haushalterischen Gesichtspunkte“ wa-
ren im Einzelnen für die Entscheidung ausschlaggebend, die Personen-
schützer des BKA im Hotel „Romantischer Fachwerkhof“ einzumieten?

4. Inwieweit wurden Alternativen zur Unterbringung des BKA im Hotel
„Romantischer Fachwerkhof“ geprüft, welche Alternativen hätten sich an-
geboten, und aus welchen Gründen wurden diese ausgeschlagen?

5. Nimmt das BKA eine Überprüfung bei der Unterbringung seiner Beamten
nach verfassungsschutzrelevanten Kriterien vor, und wenn ja, inwieweit ist
dies in diesem Fall geschehen, und welche in der Vorbemerkung genannten
„anderen Sicherheitsbehörden“ wurden seitens des BKA kontaktiert?

6. Nimmt das BKA eine Überprüfung bei der Unterbringung seiner Beamten
im Hinblick auf deren Sicherheit vor, gehört dazu ggf. auch der Abgleich
mit Erkenntnissen über Treffpunkte von gewaltbereiten Szenen?

7. Welche Behörde genau war für die Organisation der Unterbringung zu-
ständig?

8. Nach welchen Kriterien erfolgt eine Unterbringung von BKA-Beamten
während eines mehrtätigen heimatfernen Einsatzes?

9. Wären nach Einschätzung der Bundesregierung die BKA-Personen-
schützer auch dann im Hotel „Romantischer Fachwerkhof“ einquartiert
worden, wenn der Behörde bekannt gewesen wäre, dass es sich um einen
bundesweit bekannten Treffpunkt von Rechtsextremisten handelt?

10. Wurden außer zum Papstbesuch bereits früher Beamte des BKA oder einer
anderen Bundesbehörde in diesem Hotel untergebracht (bitte aufschlüsseln
nach Zeitpunkt, Behörde, Zahl der Beamten, Anlass der Einmietung, Zahl
der Übernachtungen und angefallenen Kosten)?

11. Waren die Thüringer Behörden über die Unterbringung der BKA-Mitarbei-
ter im Hotel „Romantischer Fachwerkhof“ informiert?

12. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Einquartierung
des BKA im Hotel „Romantischer Fachwerkhof“ der Glaubwürdigkeit
ihres Eintretens gegen Rechtsextremismus geschadet hat?

13. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Unterbringung
der BKA-Beamten in dem als Neonazi-Treff dienenden Hotel?

14. Werden das Hotel „Romantischer Fachwerkhof“ und die „Erlebnisscheune
Kirchheim“ vom Bundesamt für Verfassungsschutz überwacht, und wenn
ja, seit wann?

15. Werden das Hotel „Romantischer Fachwerkhof“ und die „Erlebnisscheune
Kirchheim“ vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz überwacht,
und wenn ja, seit wann?

16. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der Bundesregie-
rung zum Hotel „Romantischer Fachwerkhof“ und zur „Erlebnisscheune

Kirchheim“ vor?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7728

17. Welche rechtsextremen oder rechtsextrem beeinflussten Veranstaltungen
fanden seit Eröffnung des „Romantischen Fachwerkhofs“ auf dem Gelände
statt (bitte nach Datum, veranstaltender Organisation und Teilnehmerzahl
aufgliedern)?

18. Inwieweit kam es bislang bei rechtsextremen und rechtsextrem beeinfluss-
ten Veranstaltungen auf dem Gelände des „Romantischen Fachwerkhofs“
zu einschlägigen Straftaten durch Versammlungsteilnehmer?

19. Inwieweit wurden rechtsextreme Veranstaltungen auf dem Gelände des
„Romantischen Fachwerkhofs“ von der Polizei aufgelöst (bitte Datum,
Veranstalter, Art der Veranstaltung und Grund der Auflösung angeben)?

20. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine über geschäftliche
Angelegenheiten hinausgehende Zusammenarbeit des Hotelbesitzers und
seiner Mitarbeiter mit rechtsextremistischen Gruppierungen?

21. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine rechtsextremis-
tische Betätigung des Hotelbesitzers und seiner Mitarbeiter?

Berlin, den 14. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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