BT-Drucksache 17/7687

Umfang der zum Zwecke der Prävention geführten polizeilichen Dateien (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/7307)

Vom 9. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7687
17. Wahlperiode 09. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Andrej Hunko, Jens Petermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Umfang der zum Zwecke der Prävention geführten polizeilichen Dateien
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 17/7307)

Das Bundeskriminalamt (BKA) führt Spezialdateien, in denen politisch links-
stehende Personen gespeichert sind. Dazu gehören etwa die Datei „Gewalttäter
links“ und die im Jahr 2008 erstellte Datei „PMK-links Z (Politisch motivierte
Kriminalität-links – Zentralstelle)“, in die auch Daten der mittlerweile aufge-
lösten Datei „International agierende gewaltbereite Störer“ eingeflossen sind.

In diesen Daten sind, wie die Bundesregierung mehrfach bestätigt hat, keines-
wegs nur tatsächliche Gewalt- oder sonstige Straftäter gespeichert, sondern
auch Personen, die nach polizeilicher Auffassung „potentiell“ Straftaten be-
gehen könnten. Bei dieser Prognose hat die Polizei weitgehend freie Hand.

Die Fragesteller sehen in diesen Dateien eine Gefährdung von Persönlichkeits-
rechten, da Einträge schwerwiegende Folgen für die Bewegungs- und Berufsfrei-
heit haben können. Da zumindest Einträge in Verbunddateien (etwa „Gewalttäter
links“) von jeder Polizeidienststelle abgerufen werden können, ist mit verschärf-
ten Maßnahmen gegen „Eingetragene“ zu rechnen. Journalisten müssen unter
Umständen in Kauf nehmen, dass ihnen die Akkreditierung für sensible Bereiche
verweigert wird – selbst dann, wenn gegen sie niemals Anklage wegen einer
Straftat erhoben worden ist.

Dabei ist aus Sicht der Fragesteller vor allem der Umstand zu monieren, dass
Einträge in die Datei vorgenommen werden, ohne dass die Betroffenen davon
informiert werden müssen und so die Chance erhalten, die Berichtigung oder
Löschung der Daten verlangen und durchsetzen zu können.

Die Fragesteller erklären sich damit einverstanden, dass die Bundesregierung
im Falle notwendig werdender umfangreicher Recherchen oder manueller Aus-
wertungen die Antwortfrist angemessen verlängert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele der 2 285 in der Datei „Gewalttäter links“ gespeicherten Personen

sind

a) Beschuldigte,

b) (sonstige) Verdächtige,

c) rechtskräftig Verurteilte,

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d) Personen, die Waffen oder andere gefährliche Gegenstände mitgeführt
haben und nach Auffassung der Polizei die Absicht hatten, damit anlass-
bezogene Straftaten zu begehen,

e) sonstige Personen, von denen angenommen wird, sie könnten zukünftig
Straftaten begehen,

f) sonstige Personen (bitte hier Grund der Speicherung angeben),

g) aufgrund von Hinweisen (welcher?) ausländischer Sicherheitsbehörden
eingetragen worden,

h) Minderjährige, und wie viele davon Kinder?

i) Sind Personen mehrfach gespeichert, etwa wenn sie mehrere der vorge-
nannten Kriterien erfüllen (bitte in diesem Fall jeweils die Gesamtzahl
pro Rubrik angeben)?

2. Welche automatisiert auswertbaren Datenfelder enthält die Datei „Gewalt-
täter links“ (bitte vollständig mit Titel angeben)?

3. Welche Erwägungen lagen der Einrichtung der Datei PMK-links Z zu-
grunde?

a) Warum hat die Bundesregierung in ihren Antworten auf vergleichbare
Anfragen der Fraktion DIE LINKE. (insbesondere auf Bundestagsdruck-
sache 17/2803 und 16/13563) die Existenz dieser Datei nicht erwähnt,
obwohl sie unter das Frageprofil („zum Zwecke der Prävention und Ge-
fahrenabwehr“) fällt und bereits 2008 eingerichtet wurde?

b) Welche Kriterien bzw. Einstufungen werden bei dieser Datei bei der
Speicherung von Personen angewandt, und wie viele der gespeicherten
Personen sind jeweils wegen welchen Kriteriums gespeichert bzw. wie
eingestuft worden (bitte vollständig angeben)?

c) Über welchen Personenkreis werden Daten gespeichert, und welcher Art
sind die zu speichernden Daten?

d) Worin unterscheidet sich die Datei von ihrem Zweck und Inhalt her von
der früheren Datei IgaSt (International agierende gewalttätige Störer) und,
abgesehen von ihrem Charakter als Zentraldatei, von der Datei „Gewalt-
täter links“?

e) Wie viele der darin gespeicherten Personen sind zugleich in der Datei
„Gewalttäter links“ gespeichert?

f) Wie viele Personen sind aufgrund von Hinweisen (welcher?) auslän-
discher Sicherheitsbehörden eingetragen worden?

4. Welche automatisiert auswertbaren Datenfelder enthält die Datei PMK-
links Z (bitte vollständig mit Titel angeben)?

5. Welchem Zweck dient die Erfassung von Personen als „Straftäter links-
motiviert“ in den Dateien „Personenfahndung“, „Erkennungsdienst“ und
„Kriminalaktennachweis“ jeweils?

a) Beschränkt sich die Speicherung von Personen mit diesem Vermerk in
den genannten Dateien auf solche Fälle, in denen eine rechtskräftige Ver-
urteilung vorliegt, und wenn nein, welche (weiteren) Kriterien gelten
hierfür?

b) Wie verteilen sich die derzeit 7 642 mit dem Vermerk „Straftäter links“
erfassten Personen auf die genannten Dateien, und wie viele von diesen
sind zugleich in den Dateien PMK-links Z und Gewalttäter links gespei-
chert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7687

6. Welchem Zweck dient die Datei „PMK Finanz-Z (Bekämpfung der Finan-
zierung der PMK – Zentralstelle“?)

a) Warum hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine An-
frage auf Bundestagsdrucksache 17/2803 die Existenz dieser Datei nicht
erwähnt, obwohl sie bereits zum 3. September 2009 erstellt worden ist?

b) Ist der Hinweis der Bundesregierung (auf Bundestagsdrucksache 17/
7307) auf Bekämpfung der Geldwäsche so zu verstehen, dass sie solche
Geldwäsche meint, die mit politisch motivierter Kriminalität zu tun hat?

c) Welche Hinweise hat die Bundesregierung auf einen Zusammenhang von
Finanzierung politisch motivierter Kriminalität und Geldwäsche?

d) Welche Phänomenbereiche der PMK sind davon betroffen?

e) Wie teilen sich die derzeit 124 in der Datei gespeicherten Personen auf
die Phänomenbereiche der PMK auf?

f) Wie viele Organisationen (bitte nach Phänomenbereichen aufgliedern)
sind in dieser Datei gespeichert, und welche Kriterien werden für eine
Speicherung angewandt?

g) Über welchen Personen- und Organisationenkreis werden Daten gespei-
chert, und welcher Art sind die gespeicherten bzw. zusammengeführten
Daten?

h) Ist die Speicherung auf rechtskräftige Feststellungen zum kriminellen
Charakter der betroffenen Personen oder Organisationen beschränkt, und
wenn nein, welche Kriterien werden bei der Speicherung angewandt?

i) Welche Referate gibt es beim BKA zur Bekämpfung der Finanzierung
der politisch motivierten Kriminalität?

7. Welche Informationen der Datei „Gewalttäter links“ werden zugreifenden
Polizisten bzw. ihrer Dienststelle im Rahmen einer einfachen Personenüber-
prüfung mitgeteilt bzw. angezeigt, und welche Informationen können die
Landeskriminalämter bzw. Staatsschutzstellen im Rahmen von Personen-
überprüfungen in diese Datei einstellen?

8. Warum wird die Staatsschutzverbunddatei „Innere Sicherheit“ in der Ant-
wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 17/7160 nicht mehr er-
wähnt?

9. Falls die Datei „Innere Sicherheit“ unter diesem oder einem anderen Namen
weiter existiert oder die Daten in andere Dateien übertragen worden sind:

a) Wann erfolgte die Namensänderung bzw. der Übertrag der Daten?

b) Wie viele Datensätze sind in der jetzigen Datei gespeichert (bitte Ver-
gleichswerte für 2010 und 2009 angeben)?

c) Bei wie vielen Datensätzen handelt es sich um Einträge zu Personen, und
über wie viele Personen sind Daten vorhanden?

d) Welche Kriterien führen zur Speicherung von Personen?

e) Worin unterscheidet sich die Datei von ihrem Zweck und Inhalt her von
„Gewalttäter“-Dateien und anderen Dateien des polizeilichen Staats-
schutzes?

f) Nach welchen Kriterien entscheiden die Staatsschutzdienststellen, Daten
in diese Datei einzustellen, und in welchem Verhältnis stehen diese Kri-
terien zu jenen der Speicherung von Daten in anderen Dateien des poli-
zeilichen Staatsschutzes?

Drucksache 17/7687 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

10. Wie häufig sind Bundespolizei sowie Länderpolizeien (welchen?) im Jahr
2010 und 2011 Datensätze aus den zum Zweck der Prävention und Gefah-
renabwehr geführten Zentraldateien übermittelt worden (bitte Angaben zu
den Unterfragen für jeden Einzelfall aufgliedern)?

a) Aus welchen Dateien stammten diese Daten jeweils, und handelte es
sich um den kompletten Datensatz oder um Auszüge?

b) Handelte es sich um den kompletten Datensatz oder um Auszüge, und
wenn um Auszüge, welchen Umfang hatten diese im Verhältnis zum
kompletten Datensatz, und nach welchen Kriterien richtete sich die Aus-
wahl?

c) Welcher Anlass lag der Datenüberlassung zu Grunde, und welcher
Zweck wurde damit verfolgt?

d) Für welchen Zeitraum erfolgte die Überlassung, und wie wurde nach
dessen Ablauf mit den Daten verfahren?

11. In welchen zum Zwecke der Gefahrenabwehr oder Prävention genutzten
Dateien werden Kontakt- und Begleitpersonen erfasst?

12. Welche technischen Auswertungsfunktionen der Dateien nutzen zugrei-
fende Bundesbehörden, und inwieweit unterscheiden sich diese durch jene
der Landesbehörden?

a) Welche Such- und Sortierfunktionen stehen pro Datei und auf System-
ebene zur Verfügung?

b) In welcher Weise können Daten mehrerer Dateien übergreifend analy-
siert werden?

c) Wie wird sichergestellt, dass Daten nur für zugriffsberechtigte Personen
abrufbar sind, und wie wird dieses Verfahren regelmäßig durch wen
überprüft?

13. Welche Analysesoftware (bitte genaue Bezeichnung angeben) welcher
Hersteller kommt bei der Auswertung der Dateien zur Anwendung?

a) Was ist jeweils Zweck und Funktionalität der Software?

b) Wann wurden die Produkte beschafft bzw. kamen sie erstmals zur An-
wendung?

c) Welche Software der Firma rola Security Solutions GmbH kommt bei
Bundesbehörden, insbesondere dem BKA und dem Zollkriminalamt
(ZKA), zum Einsatz (bitte mit Produktnamen aufführen)?

d) Über welche Schnittstellen zu welchen polizeilichen Dateien verfügt die
rola-Software (bitte für jedes Produkt einzeln aufführen)?

14. Wie wird seitens des BKA geprüft, ob eine Speicherung Betroffener der
tatsächlichen Sachlage entspricht?

a) Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Speicherung von Personen als
vermeintliche Straf- oder Gewalttäter, ohne die Betroffenen hiervon zu
informieren, zu Beeinträchtigungen der Berufsausübung und Bewe-
gungsfreiheit führen kann?

b) Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund die Zweckmäßigkeit einer Be-
nachrichtigung über vorgenommene Einträge, um den Betroffenen früh-
zeitig die Möglichkeit einer Überprüfung durch Datenschutzbeauftragte
oder Gerichte zu geben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7687

15. Wie viele Ersuchen von Bürgerinnen und Bürgern auf Auskunft aus den
Akten hat das BKA im Jahr 2010 und im ersten Halbjahr 2011 beschieden
(bitte nach Monaten aufgeschlüsselt ausführen)?

a) Wie oft und aus welchen Gründen wurde eine Auskunft ganz verweigert
(bitte nach Monaten aufschlüsseln)?

b) Wie oft und aus welchen Gründen wurde nur eine Teilauskunft gewährt
(bitte nach Monaten aufschlüsseln)?

c) In wie vielen Fällen wurde im Rahmen von Widerspruchsverfahren den
Widersprüchen der Antragsteller stattgegeben, in wie vielen Fällen abge-
holfen, und in wie vielen Fällen wurde die ursprüngliche Entscheidung
bestätigt?

d) Wie oft wurden im genannten Zeitraum Betroffene ohne vorangegan-
genes, eigenes Auskunftsersuchen vom BKA von einer Speicherung
unterrichtet (bitte nach Monaten aufschlüsseln)?

e) Wie oft wurden im genannten Zeitraum Betroffene ohne vorangegan-
genes, eigenes Auskunftsersuchen vom BKA von einer Löschung unter-
richtet (bitte nach Monaten aufschlüsseln)?

16. Seit wann verlangt das BKA für Auskunftsersuchen eine beglaubigte bzw.
eine polizeilich bestätigte Kopie des Personalausweises?

a) Wer hat dies konkret angeordnet?

b) Von welcher Rechtsgrundlage ist diese Praxis gedeckt?

c) Welche Erfahrungen oder Überlegungen lagen der Entscheidung zu-
grunde?

d) Wie kam das BKA zur in entsprechenden, den Fragestellern vorliegen-
den Schreiben mitgeteilten Behauptung, die kostenlose Ausstellung
einer polizeilich bestätigten Kopie könne durch jede Polizeidienststelle
erledigt werden?

e) Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Polizeidienststellen dies nicht
als ihre Aufgabe ansehen und entsprechende Ersuchen in der Vergan-
genheit abgelehnt haben?

f) Wie steht das BKA zur Übernahme der Mehrkosten, die den um Aus-
kunft Ersuchenden durch die Beibringung einer beglaubigten Ausweis-
kopie entstehen?

g) Teilt das BKA die Ansicht der Fragesteller, dass sich die Forderung nach
einer beglaubigten Ausweiskopie mit den damit verbundenen Kosten
negativ auf die Initiative Betroffener zu Auskunftsersuchen über die
eigenen bei Polizeien abgelegten Daten auswirkt, und wenn nein, warum
nicht?

17. Welche Rolle spielt die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS)
hinsichtlich der Datensammlung „Gewalttäter Sport“, und welche Rolle
spielt die ZIS bezüglich Auskunftsersuchen zu dieser Datensammlung?

18. Welche Zentraldateien stehen auf Grundlage des § 10 Absatz 7 des Bundes-
kriminalamtgesetzes für einen automatischen Abruf durch andere Behörden
(welche?) bereit?

19. Wie lauten die Errichtungsanordnungen sämtlicher zum Zwecke der Prä-
vention und Gefahrenabwehr beim Bundeskriminalamt, der Bundespolizei
sowie beim Zollkriminalamt genutzten Dateien in vollem Wortlaut (die
Fragesteller weisen darauf hin, dass es ihnen nicht nur um den Titel der Er-

richtungsanordnung geht, sondern um den vollständigen Wortlaut der An-
ordnungen)?

Drucksache 17/7687 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

20. Falls die Bundesregierung nicht bereit ist, dem Deutschen Bundestag den
Inhalt dieser Errichtungsanordnungen vollumfänglich zur Kenntnis zu
bringen: Warum nicht, und welche Angaben kann sie machen hinsichtlich

a) der Kriterien, die zur Eintragung von Personen sowie Organisationen
führen,

b) den vorhandenen Datenfeldern zur automatisierten Auswertung (bitte
jeweils für jede Datei einzeln angeben)?

Berlin, den 9. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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