BT-Drucksache 17/7675

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Rüdiger Veit, Dr. Dieter Wiefelspütz, Olaf Scholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksache 17/773 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/3411 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Staatsangehörigkeitsrechts c) zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/2351 - Ausgrenzung beenden - Einbürgerungen umfassend erleichtern

Vom 9. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7675
17. Wahlperiode 09. 11. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Rüdiger Veit, Dr. Dieter Wiefelspütz,
Olaf Scholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/773 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts

b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Kai
Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/3411 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Jan Korte, Ulla Jelpke,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/2351 –

Ausgrenzung beenden – Einbürgerungen umfassend erleichtern

A. Problem

Die Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verweisen
in ihren Vorlagen zu einer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts u. a. auf inte-
grationspolitische und verwaltungspraktische Probleme des 1999 eingeführten
sog. Optionsmodells für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern
sowie auf zu hohe Hürden für die Einbürgerung und sinkende Einbürgerungs-

zahlen. Die Fraktionen fordern daher Vereinfachungen beim Erwerb der Staats-
angehörigkeit durch Geburt im Inland und bei der Einbürgerung, insbesondere
durch Wegfall des Optionsmodells, durch generelle Hinnahme doppelter oder
mehrfacher Staatsangehörigkeit und Absenkung der Voraufenthaltszeiten. Die
Fraktion der SPD schlägt in ihrem Gesetzentwurf darüber hinaus Verbesserun-
gen für Personen, die besondere Integrationsleistungen erbracht haben, für Le-
benspartner Eingebürgerter und bei der Anrechnung von Duldungszeiten vor,

Drucksache 17/7675 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ebenso wie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die dazu noch Verein-
fachungen der Einbürgerung von Minderjährigen und Älteren vorschlägt. Die
Fraktion DIE LINKE. fordert in ihrem Antrag darüber hinaus, bei der Einbürge-
rung u. a. das Einkommen außer Betracht zu lassen, keine „Gesinnungsprüfun-
gen“ vorzunehmen, die einfache mündliche Verständigung in Deutsch als Ein-
bürgerungsvoraussetzung ausreichen zu lassen und die Einbürgerungsgebühren
auf einen symbolischen Betrag zu senken.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/773 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/3411 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD.

Zu Buchstabe c

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/2351 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme der Vorlagen.

D. Kosten

Die Fraktionen verweisen auf mögliche – nicht genauer zu quantifizierende –
Kosteneinsparungen durch die Verminderung bürokratischen Aufwandes im
Staatsangehörigkeitsrecht. Einzelheiten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7675

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/773 abzulehnen,

b) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/3411 abzulehnen,

c) den Antrag auf Drucksache 17/2351 abzulehnen.

Berlin, den 9. November 2011

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Stephan Mayer (Altötting)
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Sevim Dag˘delen
Berichterstatterin

Memet Kilic
Berichterstatter

lehnen.
würden über 50 Prozent der Einbürgerungen unter Hinnah-
me der Mehrstaatigkeit erfolgen. Das Recht müsse dieser
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 47. Sitzung am 9. November 2011 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimment-

Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses folgen. Zu-
dem wolle die Fraktion der SPD Einbürgerungen insgesamt
durch zahlreiche Verbesserungen im Verfahren – u. a. durch
Verkürzung der Voraufenthaltsfristen – erleichtern. Beim
Drucksache 17/7675 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Stephan Mayer (Altötting), Rüdiger Veit, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Sevim Dag˘delen und Memet Kilic

I. Verfahren

1. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/773 wurde in der
25. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Februar
2010 an den Innenausschuss federführend sowie an den
Rechtsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/3411 wurde in der
68. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. Oktober
2010 an den Innenausschuss federführend sowie an den
Rechtsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

Der Antrag auf Drucksache 17/2351 wurde in der 55. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 8. Juli 2010 an den In-
nenausschuss federführend sowie an den Rechtsausschuss,
den Ausschuss für Arbeit und Soziales und den Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung
überwiesen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Rechtsausschuss hat in seiner 65. Sitzung am 9. No-
vember 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD
und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Gesetz-
entwurfs empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Rechtsausschuss hat in seiner 65. Sitzung am 9. No-
vember 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der SPD empfohlen, den Gesetz-
entwurf abzulehnen.

Zu Buchstabe c

Der Rechtsausschuss hat in seiner 65. Sitzung am 9. No-
vember 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 80. Sit-
zung am 9. November 2011 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag abzu-

3. Beratungen im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat die Vorlagen in seiner 57. Sitzung
am 9. November 2011 abschließend beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Druck-
sache 17/773.

Den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/3411 empfiehlt der
Innenausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der SPD abzulehnen.

Den Antrag auf Drucksache 17/2351 empfiehlt der Innen-
ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN abzulehnen.

II. Begründung

Die Fraktion der CDU/CSU erklärt, im Staatsangehörig-
keitsrecht sei klar erkennbar, was Koalition und Opposition
trenne. Die Union stehe dazu, dass die Doppel- oder Mehr-
staatigkeit auch weiterhin zu vermeiden sei. Diese führe in
der Praxis zu grundsätzlichen Problemen. Bereits jetzt sehe
§ 12 des Staatsangehörigkeitsgesetzes ausreichende Ausnah-
megründe vor. Für die Fraktion der CDU/CSU stehe die
Ausreichung der Staatsbürgerschaft am Ende eines erfolgrei-
chen Integrationsprozesses. Staatsbürgerschaft gehe auch
mit einer besonderen Hin- und Zuwendung zu dem betref-
fenden Staat und mit Loyalitätspflichten einher. Man könne
nicht „Diener zweier Herren“ sein. Es gebe also gute Gründe
dafür, dass jeder Mensch nur eine Staatsangehörigkeit haben
sollte. Zudem kämen die Vorlagen zur Unzeit, da das Op-
tionsmodell erst jetzt beginne, praktisch zu werden: 2008
seien die ersten betroffenen Jugendlichen 18 Jahre alt gewor-
den, die nun fünf Jahre Zeit hätten, sich zu entscheiden.
Sinnvoller sei es, zunächst die Ergebnisse abzuwarten, zu-
mal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zwei
Evaluationsverfahren liefen.

Die Fraktion der SPD betont, das Optionsmodell sei abzu-
schaffen, da es zu kaum überwindbaren Problemen führe:
Bei unbekannt verzogenen Optionspflichtigen müsste es in
letzter Konsequenz eine – verfassungsrechtlich nicht halt-
bare – Ausbürgerung qua öffentlichen Aushanges geben.
Der Gesetzentwurf regele auch die Abkehr vom überholten
Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit: Inzwischen
haltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ab-
lehnung des Antrags empfohlen.

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
werde man sich der Stimme enthalten; dem Antrag der Frak-

Berlin, den 9. November 2011

Stephan Mayer (Altötting)
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Sevim Dag˘delen
Berichterstatterin

Memet Kilic
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7675

tion DIE LINKE. stimme man nicht zu, da damit die Voraus-
setzungen für eine Einbürgerung unter denen für die Ertei-
lung einer Niederlassungserlaubnis lägen.

Die Fraktion der FDP erläutert, dass man innerhalb der
Koalition vereinbart habe, sich um das Thema der options-
pflichtigen Jugendlichen zu kümmern. Es sei aber sachfrem-
den Erwägungen geschuldet, wenn die Oppositionsfraktio-
nen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
das Thema nun aufsetzten. Die Optionspflicht werde erst
jetzt virulent. Bislang gebe es keine Erfahrungen, wie sie
überhaupt wirke. An der Reform von 1999 sei positiv zu
würdigen, dass damals der Einstieg in das ius soli gelungen
sei. Zudem müsse die Optionspflicht korrekt eingeordnet
werden: Sie stelle doch ein „Mehr“ dar, eine zusätzliche
Wahl, die andere in Deutschland geborene Menschen nicht
besäßen. Am Duktus der Oppositionsvorlagen sei zu kritisie-
ren, dass hier eine Überbetonung der Herkunft bzw. Her-
kunftsnationalität erfolge. Integration könne so nicht funkti-
onieren. Offen sei die Fraktion der FDP hingegen für
Überlegungen, besonders gute Integrationsleistungen zu be-
lohnen und damit weitere konkrete Einbürgerungsanreize zu
schaffen.

Die Fraktion DIE LINKE. verweist darauf, dass Drittstaats-
angehörige trotz einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer
von fast 20 Jahren in Deutschland weiterhin von Wahlen aus-
geschlossen seien, Schwierigkeiten bei der Berufsausübung
hätten und keinen Schutz vor Ausweisung genießen würden.
Die Gesetzentwürfe der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN seien zwar zu begrüßen, hätten aber eine Rei-
he von Mängeln. So sei nicht nachvollziehbar, warum diese
an den Spracherfordernissen festhalten und zusätzliche Aus-
nahmen nur für über 60-Jährige zulassen wollten; gleicher-
maßen willkürlich sei es, wenn die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN einen Verzicht auf Einkommensanforderun-
gen nur für unter 23-Jährige regele. Die Fraktion DIE LINKE.
fordere nichts Extremes, sondern nur eine Angleichung an die
Realität und die europäische Normalität: 12 EU-Mitglied-
staaten akzeptierten Doppelstaatigkeit, 11 bürgerten ohne
Einkommensnachweise ein, 15 verlangten nur eine Vorauf-
enthaltsdauer von 5 Jahren.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erinnert an den
50. Jahrestag des Anwerbeabkommens mit der Türkei. Es sei
aber kein Dank, gerade der ersten Generation türkischer Ein-
wanderer wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse oder
ihrer schmalen Rente die Einbürgerung zu verwehren. Hier
fordere man Verbesserungen für Ältere. Auf die Evaluation
des Optionsmodells warte man schon längere Zeit. Es sei
nicht fürsorglich, tausende von Jugendlichen überhaupt in
eine Ausbürgerungssituation zu bringen. Bei einer Hinnah-
me von Mehrstaatigkeit wären mehr Menschen bereit, Deut-
sche zu werden, die wegen zahlreicher z. B. erbrechtlicher
Schwierigkeiten in ihrem Herkunftsland, die mit dem Verlust
ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit verbunden seien,
bislang davon abgesehen hätten. Bürger aller 27 EU-Mit-
gliedstaaten hätten die Möglichkeit der Mehrstaatigkeit. Es
gehe heute nicht mehr um „Herren und Diener“. Staatsbürger
seien keine Untertanen, sondern freie Individuen.

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