BT-Drucksache 17/763

Bilanz der Arbeit der Sicherheitsbehörden anlässlich des NATO-Gipfels

Vom 17. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/763
17. Wahlperiode 17. 02. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Harald Koch, Petra Pau,
Jens Petermann, Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion DIE LINKE.

Bilanz der Arbeit der Sicherheitsbehörden anlässlich des NATO-Gipfels

Das Bundesministerium des Innern hat im Januar 2010 auf Anforderung der
Fraktion DIE LINKE. einen Bericht zur Arbeit der Sicherheitsbehörden anläss-
lich des NATO-Gipfels im Frühjahr 2009 vorgelegt. Aus diesem Bericht er-
geben sich weitere Fragen unter anderem zum Kreis der „Sicherheitspartner“,
die von deutschen Behörden Informationen und Lagebilder erhielten. Das Bun-
desamt für Verfassungsschutz (BfV) hat offensichtlich einen Großeinsatz absol-
viert.

Zudem sind – zumindest anhand der bislang gelieferten Informationen – einige
Angaben im Regierungsbericht äußerst fragwürdig. So wird ausgeführt, die
Grenzkontrollen durch die Bundespolizei hätten sich ausschließlich gegen „er-
kennbar gewalttätige Personen“ gerichtet, ohne dass mitgeteilt wird, woran die
vermeintliche Gewalttätigkeit dieser Personen „erkennbar“ gewesen sein solle.
Sofern ein Eintrag dieser Personen in den „Gewalttäterdateien“ des Bundes-
kriminalamts (BKA) gemeint ist, hat die Bundesregierung schon selbst einge-
räumt, dass solche Einträge nicht nur bei rechtskräftig verurteilten Straftätern,
sondern auch bei bloßen Verdachtsfällen erfolgen können. Ein Großteil der ge-
gen die Ausreiseuntersagungen geführten Verwaltungsgerichtsverfahren waren
erfolgreich.

Außerdem sind die Fragesteller verwundert darüber, dass im Regierungsbericht
erneut bestritten wird, dass das Technische Hilfswerk (THW) per Boot franzö-
sische Polizisten transportiert habe. Dies ist offenkundig eine Falschinfor-
mation, denn bereits in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 16/13708) hatte die Bundesregierung die
Zweckentfremdung des THW als Repressionsgehilfe eingeräumt und mitge-
teilt, dass acht französische Gendarmen zu ihrem Stützpunkt in der Innenstadt
Strasbourgs transportiert worden waren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Weshalb wird im Regierungsbericht die Behauptung wiederholt, das THW
habe keine französischen Polizisten mit Booten transportiert, obwohl diese

Tatsache, nachdem sie auf Bundestagsdrucksache 16/12966 abgestritten
wurde, schließlich auf Bundestagsdrucksache 16/13708 eingestanden wor-
den war?

2. Inwiefern hat das BfV in Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel Aktivitäten
antimilitaristischer Bündnisse beobachtet, und inwiefern wurden hierbei
nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt, und auf welcher Rechtsgrundlage?

Drucksache 17/763 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Welche „andere Sicherheitsbehörden“ außer dem Bundesministerium des
Inneren sind vom Bundesamt für Verfassungsschutz vor und während des
NATO-Gipfels mit Lagebildern und Gefährdungsanalysen versorgt worden
(bitte vollständig nennen)?

a) Welche Referate oder Dienststellen in diesen Sicherheitsbehörden haben
die Berichte des BfV entgegengenommen?

b) Inwiefern war das BfV in seinen Berichten auf Protestvorbereitungen
antimilitaristischer Bündnisse eingegangen?

c) Inwiefern wurden vom BfV personengebundene Informationen in die-
sen Berichten weitergegeben?

d) Auf welcher Rechtsgrundlage beruhte die diesbezügliche Tätigkeit des
BfV?

4. Welche französischen Sicherheitsbehörden waren hauptsächlich Ansprech-
partner des BfV (bitte die jeweiligen Dienststellen/Abteilungen genau be-
nennen?

5. Wie viele Personen sind vom BfV in Zusammenhang mit dem NATO-Gip-
fel sicherheitsüberprüft worden, und wie vielen von ihnen wurden wegen
Sicherheitsbedenken die Akkreditierung bzw. Beschäftigung verweigert?

6. Inwiefern war das Situation Center in Brüssel in die Vorbereitung der
Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des NATO-Gipfels eingebunden?

7. Wurden aus anderen Ländern (welchen?) Fragebogen nach Deutschland
geschickt, wie sie im Handbuch EU-SEC vorgesehen sind, und wenn ja,

a) was war Inhalt dieser Fragebögen,

b) welche Dienststellen haben die Fragen beantwortet,

c) welchen Wortlaut hatten die Antworten?

8. Hat die Bundesregierung derartige Fragebögen an andere Staaten gesandt
(wenn ja, bitte nach dem Schema in Frage 7 beantworten)?

Wie viele Personen sind vom BKA in Zusammenhang mit dem NATO-
Gipfel sicherheitsüberprüft worden, und wie vielen von ihnen wurden
wegen Sicherheitsbedenken die Akkreditierung bzw. Beschäftigung ver-
weigert?

9. An welche Behörden hat das BKA in diesem Zusammenhang im Rahmen
der Amtshilfe Informationsgesuche/-anfragen gerichtet bzw. selbst Daten
weitergegeben?

10. Welche anderen Geheimdienste haben sich an der vom 28. März bis
4. April 2009 in Strasbourg eingerichteten „International Intelligence Cell“
beteiligt?

a) Sind die vom BfV dabei federführend erstellten internationalen Lage-
bilder einem Empfängerkreis über diese in der ICC beteiligten 17 Ge-
heimdienste hinaus zugänglich gemacht worden, und wenn ja, wer
waren die Empfänger (bitte vollständig unter Angabe der jeweiligen
Referate bzw. Dienststellen nennen)?

b) Inwiefern enthielten diese Berichte personenbezogene Informationen?

c) Inwiefern enthielten diese Berichte Informationen über Aktivitäten anti-
militaristischer Bündnisse?

d) Auf welcher Rechtsgrundläge erfolgten die diesbezüglichen Aktivitäten
des BfV?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/763

11. Wie viele Beschäftigte des BfV waren im Zusammenhang mit dem NATO-
Gipfel eingesetzt?

12. Waren der Militärische Abschirmdienst und/oder der Bundesnachrichten-
dienst im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel aktiv, und wenn ja,

a) warum enthält der genannte Regierungsbericht diesbezüglich keine In-
formationen,

b) worin bestanden die Tätigkeiten des Militärischen Abschirmdienstes
(MAD) bzw. Bundesnachrichtendienstes (BND)?

c) in welchen Koordinierungs-, Planungs- und ähnlichen Gremien im Zu-
sammenhang mit dem NATO-Gipfel waren der MAD bzw. BND einge-
bunden, und mit wie vielen Beschäftigten?

13. Bezieht sich die Information, dem Bundeskriminalamt seien 424 Mobili-
sierungsveranstaltungen gegen den NATO-Gipfel bekannt geworden, auf
die Bundesrepublik Deutschland oder beinhalten sie auch Veranstaltungen
außerhalb der Bundesrepublik Deutschland (bitte ggf. die betreffenden
Länder angeben)?

a) Aus welchen nationalen und internationalen Quellen hat das BKA seine
Informationen bezogen (bitte vollständig nennen)?

b) Beschränkten sich diese Angaben auf die rein summarische Erfassung
von Mobilisierungsveranstaltungen oder enthielten sie qualifizierte In-
formationen zu den Veranstaltern, den Inhalten von Veranstaltungen
oder Aufrufen, und wenn Letzteres, in wie vielen Fällen?

c) Inwiefern wurden in diesem Zusammenhang auch nachrichtendienst-
liche Quellen genutzt?

14. Welche Tätigkeiten hat die Bundespolizeidirektion Süd im Vorfeld des
NATO-Gipfels unternommen, und welche Besprechungen haben diesbe-
züglich stattgefunden (bitte Daten und Teilnehmer der Besprechungen an-
führen)?

15. Welche Bezeichnung trugen die Datensätze, aus denen das BKA Personen-
daten aus schweizerischen, belgischen, französischen und italienischen
Sicherheitsbehörden erhalten hat (vgl. Bundestagsdrucksache 16/13708,
Antwort zu Frage 3a)?

16. Woran macht die Bundesregierung im Zusammenhang mit den 121 gegen
NATO-Gegner ausgesprochenen Ausreiseuntersagungen die „Erkennbar-
keit“ einer gewalttätigen Absicht fest (bitte Kriterien nennen)?

a) Wie beurteilt sie aus heutiger Sicht, angesichts der Tatsache, dass nach
Angaben der Rechtsanwältin Angela Furmaniak ein Großteil der ent-
sprechenden Ausreiseuntersagungen von den Verwaltungsgerichten auf-
gehoben wurde (junge Welt, 2. Februar 2010), die Zuverlässigkeit der
von der Bundespolizei angewandten Kriterien einer „erkennbar“ ge-
walttätigen Absicht?

b) Wie beurteilt sie die Verhältnismäßigkeit der ausgesprochenen Ausrei-
severfügungen angesichts der Tatsache, dass sie einen erheblichen
Grundrechtseingriff darstellen?

c) Welche Konsequenzen will sie ziehen, um in Zukunft zu verhindern,
dass solche Grundrechtseinschränkungen in solchem Umfang rechts-
widrig verhängt werden?

Drucksache 17/763 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
17. Zu wie vielen Personen, denen die Verwaltungsgerichte einstweiligen
Rechtsschutz für Beschwerden gegen Ausreiseuntersagungen gewährt
haben, wurden von Seiten der Bundespolizei Informationen an die franzö-
sische Grenzpolizei übermittelt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/13708 Ant-
wort zu Frage 1)?

Über wie viele weitere Personen wurden auf Grundlage des Artikels 27 des
Prümer Vertrages personengebundene Informationen übermittelt, und um
welchen Personenkreis handelt es sich dabei?

18. Welche Kosten sind dem Bund in Zusammenhang mit dem Gipfel insge-
samt entstanden sowie im Einzelnen im Bereich

a) der Bundeswehr,

b) der Bundespolizei,

c) des BKA,

d) der Länderpolizeien,

e) des BfV,

f) des MAD,

g) des BND,

h) des Auswärtigen Amts,

i) des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe,

j) des THW,

k) des Bundespresseamtes,

l) ggf. anderer Ämter, Ministerien oder Dienststellen (bitte jeweils geson-
dert anführen), und aus welchen Etats wurden diese Kosten bestritten?

19. Sind dem Land Baden-Württemberg die von ihm ausgehenden Amtshil-
feersuchen an Einrichtungen des Bundes in Rechnung gestellt worden, und
wenn ja, in welcher Höhe?

20. Hat das Land Baden-Württemberg Kompensationen für die Kosten erhal-
ten, die ihm in Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel entstanden sind, und
wenn ja, in welcher Höhe und für welche Zwecke?

Berlin, den 17. Februar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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