BT-Drucksache 17/7629

Zur Zukunft der Jungen- und Männerpolitik

Vom 8. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7629
17. Wahlperiode 08. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Diana Golze, Steffen Bockhahn,
Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Zur Zukunft der Jungen- und Männerpolitik

Jungen und Männer sind mit vielen Anforderungen konfrontiert. Früher als
selbstverständlich empfundene Rollenbilder sind erodiert. Die Rolle des hetero-
sexuellen Alleinernährers steht im Angesicht einer strukturellen Massenarbeits-
losigkeit und geringen Reallöhnen – nicht nur bei geringerer beruflicher Quali-
fizierung – nicht mehr allen Männern als Option zur Verfügung und sie ist auch
von vielen Männern nicht gewünscht. Partnerschaften zwischen Frauen und
Männern haben sich gewandelt und sie sind in zunehmendem Maße egalitärer
geworden. Frauen fordern von Männern Gleichberechtigung ein und in zuneh-
mendem Maße sind die Gleichheitsansprüche (die auch viele Männer für sich
angenommen haben) in neuen Beziehungsformen zwischen Männern und
Frauen gemündet, in der Arbeit, Familie, Haushalt, Kinder und Freizeit weni-
ger nach einem traditionellen Rollenverständnis aufgeteilt werden. Wenngleich
auch das traditionelle Bild und die Strukturen, die die traditionellen Vorstellun-
gen befördern, nicht verschwunden sind, wie z. B. das Ehegattensplitting.

Jungen haben im Vergleich zu Mädchen niedrigere Bildungsabschlüsse und vor
allem eine Leseschwäche, (www.oecd-ilibrary.org/docserver/download/fulltext/
9810075e.pdf?expires=1319100378&id=id&accname=ocid177634&checksum
=6593477DB769BFFF2002639CE0479B3A, S. 65) so die gängige Wahrneh-
mung. Solch eine eingeschränkte Perspektive könnte auch die Einstellung be-
fördern, dass die Förderung von Jungen- und Männerpolitik an die Stelle oder
auf Kosten der bisherigen Gleichstellungspolitik treten müsste.

Zudem müsste man sich genau ansehen, welche Jungen aus welchen Gründen
schlechter als „die“ Mädchen in Vergleichstests abschneiden (vgl. Thomas Viola
Rieske. Bildung von Geschlecht, FfM 2011, S.73). Die Kategorie Mann ist auf
den zweiten Blick weit vielfältiger, zumal mehrere Formen von Männlichkeit
„die“ Männer konstituieren (vgl. Robert Connell: Der gemachte Mann. Opladen
2000). Zur Vielfalt von Männlichkeit tragen auch schwule Partnerschaften,
Regenbogenfamilien sowie männliche Alleinerzieher bei, auch damit hat sich
der Blick auf „die“ Männer und „ihr“ Selbstverständnis verschoben (vgl. Peter
Döge, Alles nur Konstruktion? in R. Volz/P. Zulehner, Männer in Bewegung.

Forschungsreihe 6, BMFSFJ, Baden Baden, 2008, 325 ff.).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche inhaltlichen und konzeptionellen Ziele verfolgt die Bundesregierung
mit der Gleichstellungspolitik im Bereich der Jungen- und Männerpolitik?

Drucksache 17/7629 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „männlich“, und welche
Attribute schreibt sie dem männlichen Geschlecht zu?

3. Welche Personen sind Mitglied des Beirats „Jungenpolitik“ (unter Nen-
nung ihrer Qualifikation und ihres institutionellen oder organisatorischen
Hintergrunds)?

4. Welche programmatischen Ziele verfolgt der Beirat, welche Kosten ver-
ursacht der Beirat, und aus welchen Haushaltsbereichen werden diese finan-
ziert?

5. Inwiefern werden homosexuelle, bisexuelle und transgender Jungen und
Männer im Bereich der Jungen- und Männerpolitik unterstützt (bitte Auf-
schlüsselung der durchgeführten und geplanten Projekte und ihrer finanziel-
len Ausstattung)?

6. Inwiefern soll die viermodulare ESP (Europäischer Sozialfonds in Deutsch-
land)-Initiative „Männer in Kitas“ des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Einfluss auf die Herausbildung der
späteren geschlechtlichen und sexuellen Identität von Jungen und Männern
nehmen?

7. Inwiefern wird in der Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer der
unterschiedliche sozioökonomische Hintergrund, die unterschiedliche
sexuelle Orientierung, der Migrationshintergrund oder eine Behinderung
berücksichtigt?

8. Welche programmatischen Ziele verfolgt der „Boys Day“, und wie schlüs-
seln sich die Bundeshaushaltsmittel von 1,338 Mio. Euro im Detail auf?

9. Welche programmatischen Ziele verfolgt das Projekt „Jungen und Männer
als Täter und Opfer von Gewalt“, und wie schlüsseln sich die Bundeshaus-
haltsmittel von 1,7 Mio. Euro im Detail auf?

10. Wie heißen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (unter Nennung ihrer
Qualifikation und ihres institutionellen oder organisatorischen Hinter-
grunds), und wie lautet das Konzept und die Arbeitsplanung des Arbeits-
kreises „Geschlechtsspezifische Aspekte von Gewalt in Haushalten und
Partnerschaften – im Fokus Männer“?

11. Welches Forschungsinteresse und welche Kosten für den Bundeshaushalt
verfolgt bzw. verursacht die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. zu
„Bildungsdruck und Schulerfolg“, die vom BMFSFJ in Auftrag gegeben
wurde?

12. Welche gleichstellungspolitischen Ziele verfolgt die Maßnahme „neue Orte
für Väter und Großväter“, und wie schlüsselt sich die Maßnahme auf?

13. Inwiefern werden bei der Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer, die
die „neue Balance im Dreieck zwischen Beruf, Familie und Partnerschaft“
(s. Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Bundestagsdruck-
sache 17/5494, S. 3) stärken soll, die Partnerschaften von schwulen und
bisexuellen Männern sowie die von Regenbogenfamilien (also lesbischen
oder schwulen Gemeinschaften in denen Kinder leben) berücksichtigt?

Berlin, den 8. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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