Vom 25. Oktober 2011
Deutscher Bundestag Drucksache 17/7400
17. Wahlperiode 25. 10. 2011
Beschlussempfehlung und Bericht
des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss
gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes
Beschlussempfehlung
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bericht des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Absatz 2 des
Grundgesetzes wird zur Kenntnis genommen.
Berlin, den 20. Oktober 2011
Der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss
gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes
Dr. h. c. Susanne Kastner
Vorsitzende
Michael Brand
Berichterstatter
Henning Otte
Berichterstatter
Rainer Arnold
Berichterstatter
Joachim Spatz
Berichterstatter
Inge Höger
Berichterstatterin
Omid Nouripour
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – III – Drucksache 17/7400
I n h a l t s ü b e r s i c h t
Erster Teil: Einsetzung des Untersuchungsausschusses und Verlauf des
Untersuchungsverfahrens .............................................................................................................. 1
A. Einsetzung, Auftrag und Konstituierung des Untersuchungsausschusses ........................... 1
B. Gang der Untersuchung ..........................................................................................................11
Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt ............................................................................33
A. Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der
INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE ...................................................33
B. Der Luftschlag am 4. September 2009....................................................................................39
C. Erste Entwicklungen und Reaktionen bis zur Regierungsbildung am
27. Oktober 2009 ......................................................................................................................88
D. „Militärisch angemessen“ ......................................................................................................138
E. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts“ und Neubewertung des
Luftangriffs .............................................................................................................................154
F. Weitergabe von Erkenntnissen an weitere Stellen (auch unter
Berücksichtigung von Punkt 4 des Untersuchungsauftrages) ............................................167
Dritter Teil: Bewertungen des Untersuchungsausschusses ......................................................169
A. Verfahren ................................................................................................................................169
B. Bewertungen der Untersuchungsergebnisse ........................................................................174
Vierter Teil Sondervoten .............................................................................................................213
A. Sondervotum der Fraktion der SPD .....................................................................................213
B. Sondervotum der Fraktion DIE LINKE. .............................................................................303
C. Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..................................................364
Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs .............................415
A. Stellungnahmen der betroffenen Personen ..........................................................................415
B. Gegenäußerungen der Fraktionen ........................................................................................421
C. Anmerkungen der Koalition zu Gegenäußerungen der Opposition in Sachen
Gewährung rechtlichen Gehörs ............................................................................................426
D. Erwiderung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den
Anmerkungen der Ausschussmehrheit unter Punkt C .......................................................427
Sechster Teil: „Lessons Learned“ ..............................................................................................429
A. Lessons Learned der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP im
Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a
Abs. 2 GG ................................................................................................................................429
B. Gemeinsames Positionspapier „lessons learned“ der SPD-
Bundestagsfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23.
September 2011. .....................................................................................................................432
C. „Lessons Learned“ der Fraktion DIE LINKE. ...................................................................435
D. Protokoll über die 57. Sitzung des Untersuchungsausschusses ..........................................436
Anhang: Übersichten und Verzeichnisse ...................................................................................443
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – V – Drucksache 17/7400
I n h a l t s v e r z e i c h n i s
Erster Teil: Einsetzung des Untersuchungsausschusses und Verlauf des
Untersuchungsverfahrens .............................................................................................................. 1
A. Einsetzung, Auftrag und Konstituierung des Untersuchungsausschusses ........................... 1
I. Konstituierung des Untersuchungsausschusses und
Untersuchungsauftrag ................................................................................................... 3
1. Untersuchungsauftrag................................................................................................. 3
2. Mitglieder des Untersuchungsausschusses ................................................................. 4
3. Vorsitz, stellvertretender Vorsitz sowie Sprecher, Berichterstatter und
Vertreter im Interfraktionellen Gremium ................................................................... 5
4. Benannte und ermächtigte Mitarbeiter der Fraktionen ............................................... 6
5. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages ..................................................... 6
6. Beauftragte der Bundesregierung ............................................................................... 6
7. Sekretariat des Untersuchungsausschusses ................................................................ 7
II. Verfahren und Untersuchungen mit sachlichem Bezug zum
Untersuchungsauftrag ................................................................................................... 8
1. Strafrechtliche Ermittlungen ...................................................................................... 8
2. Disziplinarrechtliche Ermittlungen ............................................................................ 9
3. Untersuchung der Dokumentenflüsse im Bundesministerium der
Verteidigung zum Close Air Support am 4. September 2009 bei Kunduz
durch Staatssekretär Rüdiger Wolf............................................................................10
4. Zivilrechtliches Entschädigungsverfahren ................................................................10
B. Gang der Untersuchung ..........................................................................................................11
I. Rechtsgrundlagen für die Arbeit des Untersuchungsausschusses ............................11
II. Beschlüsse und Absprachen zum Verfahren ..............................................................11
1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen ............................11
2. Einsetzung eines interfraktionellen Gremiums .........................................................11
3. Protokollierung der Ausschusssitzungen ...................................................................11
4. Behandlung der Ausschussprotokolle .......................................................................12
a) Änderung des Beschlusses 4 zum Verfahren vor dem Hintergrund
einer möglichen öffentlichen Zeugenvereinnahmung..........................................12
b) Einstufung der Sitzungsprotokolle und Beweisbeschlüsse als
„Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) ..............................12
c) Aufhebung der Einstufung „VS-NfD“ bei Protokollen von
öffentlichen Sitzungen .........................................................................................12
5. Verteilung von Beratungsunterlagen, Beweisbeschlüssen und
Ausschussmaterialien ................................................................................................13
6. Verteilung von Verschlusssachen .............................................................................13
7. Behandlung von Beweisanträgen ..............................................................................13
8. Nichtöffentlichkeit der Sitzungen .............................................................................14
a) Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen
Bundestages zur Frage der „Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss
als Untersuchungsausschuss“ ..............................................................................14
b) Änderung des Beschlusses 8 zum Verfahren .......................................................14
9. Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken ...............................................................15
10. Verpflichtung zur Geheimhaltung .............................................................................15
11. Fragerecht bei der Beweiserhebung ..........................................................................15
12. Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen ...............................................................16
III. Vorbereitung der Beweiserhebung ..............................................................................16
Drucksache 17/7400 – VI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
1. Beratungen des interfraktionellen Gremiums ............................................................16
2. Obleutebesprechungen ..............................................................................................16
3. Strukturierung der Untersuchung ..............................................................................16
4. Terminierung .............................................................................................................17
IV. Beweiserhebung durch Beiziehung von Akten, Berichten, Protokollen
und sonstiger Unterlagen .............................................................................................17
1. Art, Herkunft und Umfang des Beweismaterials.......................................................17
2. Anforderung von Beweismaterialien über die Bundesregierung bei
internationalen Dienststellen .....................................................................................17
3. Bitten um Aktenvorlage und Vollständigkeitserklärung gemäß § 18
Abs. 2 PUAG ............................................................................................................18
4. Vorlage von Originalmaterialien ...............................................................................18
5. Verwendung von Unterlagen ohne formelle Beiziehung ..........................................18
6. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Verletzung des
Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht ...........................18
V. Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen .....................................................18
1. Behandlung von Beweisanträgen ..............................................................................18
a) Entscheidung über die Beweisanträge .................................................................18
b) Reihenfolge der Vernehmungen ..........................................................................18
2. Durchführung der Zeugenvernehmungen ..................................................................19
a) Anzahl der Zeugenvernehmungen .......................................................................19
b) Ort der Zeugenvernehmungen .............................................................................19
3. Einstufung der Vernehmungen in öffentliche und nichtöffentliche
Sitzungen ...................................................................................................................19
a) Vernehmungen in öffentlicher Sitzung ................................................................20
b) Ablehnung weiterer Vernehmungen in öffentlicher Sitzung ...............................20
c) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sitzungen .................................................20
4. Gegenüberstellung von Zeugen .................................................................................20
a) Antrag der Oppositionsfraktionen auf Durchführung einer
Vernehmungsgegenüberstellung der Zeugen General a. D.
Schneiderhan, Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und Bundesminister
der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg.............................................................20
b) Entscheidung des Bundesgerichtshofes ...............................................................21
5. Aussagegenehmigungen ............................................................................................22
6. Rechtsbeistand von Zeugen .......................................................................................22
7. Vernehmung von ausländischen Zeugen ...................................................................22
8. Beschlossene, aber nicht terminierte Zeugen ............................................................23
9. Formeller Abschluss der Vernehmungen ..................................................................23
VI. Abschlussbericht ...........................................................................................................25
1. Erstellung des Abschlussberichts ..............................................................................25
a) Zeitplan ................................................................................................................25
b) Abfassung von Berichtsteilen und Aufhebung von Einstufungen .......................26
c) Gewährung rechtlichen Gehörs zum Abschlussbericht .......................................26
2. Feststellung des Abschlussberichtes .........................................................................29
a) Gang des Verfahrens und ermittelte Tatsachen ...................................................29
b) Ergebnis der Untersuchung .................................................................................29
c) Sondervoten .........................................................................................................29
d) Geheimnisse im Abschlussbericht .......................................................................30
e) Feststellung der Teile des Berichts und Vorlage an den Bundestag ....................30
VII. „Lessons Learned“ ........................................................................................................30
VIII. Umgang mit Akten nach Abschluss der Untersuchung .............................................31
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – VII – Drucksache 17/7400
Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt ............................................................................33
A. Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der
INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE ...................................................33
I. OPERATION ENDURING FREEDOM in Abgrenzung zur
INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE ........................................33
II. INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE ........................................33
1. Das Afghanistanmandat der Vereinten Nationen ......................................................33
a) Petersberger Konferenz .......................................................................................33
b) Rechtsgrundlage: Kapitel VII der UN-Charta .....................................................34
c) Zielsetzung ..........................................................................................................34
d) Zeitliche Begrenzung ...........................................................................................34
2. Beschluss des Deutschen Bundestages zu ISAF .......................................................34
III. Verlängerung und Ausweitung von ISAF ...................................................................35
1. UN-Mandatsverlängerungen .....................................................................................35
2. Ausdehnung des Bundeswehreinsatzes über Kabul hinaus .......................................35
3. Ausbau der Provincial Reconstruction Teams...........................................................36
4. Abschluss des „Bonner-Prozesses“ ...........................................................................36
5. Übernahme der Verantwortung für die gesamte Nordregion ....................................36
6. NATO-Gipfel in Bukarest und Pariser Afghanistan-Konferenz ...............................37
IV. Befugnis zur Anwendung militärischer Gewalt im Rahmen des ISAF-
Mandats (Rules of Engagement, Standard Operating Procedures,
Tactical Directives) .......................................................................................................37
B. Der Luftschlag am 4. September 2009....................................................................................39
I. Lageentwicklung im Raum Kunduz bis zum 4. September 2009 .............................39
1. Militärische Lage zum Zeitpunkt der Übernahme des Kommandos über
das Provincial Reconstruction Team Kunduz durch Oberst Georg Klein .................39
2. Änderung der militärischen Vorgehensweise der regierungsfeindlichen
Kräfte ........................................................................................................................40
3. Änderung der taktischen Richtlinien durch den Kommandeur der ISAF ..................41
4. Änderung der ISAF-Taschenkarte .............................................................................41
5. Die Lage zwischen den Wahlen am 20. August 2009 und dem
4. September 2009 .....................................................................................................42
6. Konkrete Anschlagswarnungen für den Bereich des PRT Kunduz ...........................42
7. Schwere Gefechte am Vorabend des Luftangriffs .....................................................43
II. Entführung zweier Tanklastwagen am 3. September 2009 .......................................43
1. Überfall auf die Lastwagenfahrer ..............................................................................43
2. Das Geschehen auf der Sandbank .............................................................................44
3. Personen auf der Sandbank nach Aussage des Zeugen A. M. ...................................44
III. Vorbereitung und Durchführung militärischer Maßnahmen als Reaktion
auf die Entführung der Tanklastwagen ......................................................................45
1. Kenntniserlangung von der Entführung ....................................................................45
a) Hinweise durch einen Informanten der Task Force 47 ........................................45
b) Unterrichtung des Kommandeurs des PRT Kunduz, Oberst Klein......................45
c) Unterrichtung durch afghanische Stellen .............................................................47
2. Suche nach den Tanklastzügen..................................................................................47
a) Ursprünglicher Auftrag: Suche nach einem ausgefallenen deutschen
Fahrzeug zwecks Zerstörung ...............................................................................48
b) Änderung des Suchauftrages für den B-1B Lancer Strategic Bomber ................48
c) Hilfe bei der Suche durch Hinweise eines Informanten ......................................48
d) Die Tanklaster wurden gefunden .........................................................................49
Drucksache 17/7400 – VIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Der Informant ............................................................................................................49
a) Zuverlässigkeit des Informanten..........................................................................49
b) Frage der „Bezahlung“ des Informanten .............................................................50
c) Kommunikation mit dem Informanten über einen Sprachmittler ........................50
d) Standort der Kontaktperson .................................................................................51
e) Existenz einer möglichen weiteren, „dritten“ Quelle ..........................................52
4. Das Geschehen auf der Sandbank aus Sicht von Oberst Klein .................................52
a) Anzahl der Personen auf der Sandbank ...............................................................53
aa) Einschätzung des JTAC anhand der Video-Bilder ......................................53
bb) Einschätzung des Informanten ....................................................................54
b) Anwesenheit von Taliban-Führern ......................................................................54
c) Zur Frage der Anwesenheit von Zivilpersonen auf der Sandbank .......................54
aa) Informationsstand in der Operationszentrale der Task Force 47 .................54
bb) Anwesenheit weiterer Zivilpersonen ...........................................................55
aaa) Problem der Unterscheidbarkeit zwischen Aufständischen
und Zivilpersonen ...............................................................................55
bbb) Das Tragen von Waffen als mögliches Kriterium zur
Unterscheidung von Aufständischen und Zivilisten ...........................55
(1) Darstellung der Zahl der Bewaffneten durch die
HUMINT-Kontaktperson ..............................................................56
(2) Aufklärung von Handwaffen und Panzerabwehrwaffen
durch das B-1B Luftfahrzeug ........................................................56
ccc) Mehrfache Nachfrage beim Informanten, ob Zivilpersonen
anwesend sind .....................................................................................56
d) Lagebild des Oberst Klein über das Geschehen auf der Sandbank und
Schlussfolgerungen ..............................................................................................57
aa) Schlussfolgerung über das weitere Vorgehen der Aufständischen..............57
bb) Annahme, dass sich keine Zivilisten auf der Sandbank befanden ...............58
5. Prüfung verschiedener Handlungsoptionen seitens des PRT Kunduz .......................58
a) Durchführung des Weaponeering und Targeting durch die
Flugzeugbesatzung ..............................................................................................58
aa) Von der Besatzung des Luftfahrzeuges vom Typ B-1B
vorgeschlagenes Wirkmittel ........................................................................59
bb) Beschränkung eines etwaigen Luftangriffs auf die beiden
Tanklastwagen? ...........................................................................................59
cc) Ablehnung eines Luftangriff in dieser Phase ..............................................59
b) Einsatz von Bodentruppen ...................................................................................59
c) Einsatz von Drohnen ...........................................................................................60
6. Abdrehen des B-1B und Anforderung zweier F-15 Luftfahrzeuge ...........................60
a) Anforderung von Close Air Support ....................................................................60
b) Meldung von „Truppen mit Feindberührung“ durch das PRT Kunduz ...............60
aa) Begründung mit dem Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr ......................61
bb) Zur Frage der unmittelbaren Feindberührung .............................................61
cc) Bestätigung des TIC durch den Air Liaison Officer in Masar-i-
Scharif .........................................................................................................62
c) Erscheinen zweier F-15 Luftfahrzeuge im Luftraum ...........................................62
7. Der Luftschlag ...........................................................................................................62
a) Durchführung des Weaponeering und Targeting .................................................62
b) Entschlussfassung zur Durchführung eines Luftschlages ....................................63
aa) Lagebild zu diesem Zeitpunkt in der Operationszentrale ............................63
bb) Mehrfaches Nachfragen beim Informanten hinsichtlich der
Anwesenheit etwaiger Zivilisten auf der Sandbank ....................................64
cc) Entschlussfassung .......................................................................................64
aaa) Wahl des Wirkmittels .........................................................................64
bbb) Ziel des Luftschlages ..........................................................................64
ccc) Interne Bedenken der Luftfahrzeugbesatzungen .................................65
dd) Begründung des Entschlusses .....................................................................65
c) Ablehnung eines Überfluges im Rahmen der „show of force“ ............................66
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – IX – Drucksache 17/7400
aa) Mehrfaches Nachfragen durch die Luftfahrzeugbesatzungen .....................66
bb) Begründung der Ablehnung eines „show of force“ .....................................67
d) Der Luftschlag .....................................................................................................67
e) Durchführung einer Wirkungsanalyse .................................................................67
8. Prüfung einer Beteiligung der TF 47 .........................................................................68
a) Die Task Force 47 und ihr Verhältnis zum PRT Kunduz ....................................68
b) Operation des PRT Kunduz .................................................................................68
aa) Gründe für die Nutzung der OPZ der TF 47 ...............................................68
bb) Kein Unterstellungsverhältnis zwischen der Task Force 47 und
dem Kommandeur des PRT Kunduz ...........................................................68
cc) Abwesenheit großer Teile der Task Force 47 .............................................69
dd) Keine Kommunikation zwischen Oberst Klein und dem
Kommando FOSK in der Nacht vom 3. auf den 4. September
2009.............................................................................................................69
9. Frage der Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an der Vorbereitung
und Durchführung des Luftangriffs ...........................................................................69
a) Erkenntnisse des Ausschusses zu einer etwaigen Beteiligung des
Bundesnachrichtendienstes ..................................................................................69
b) Keine eigenen Quellen des BND? .......................................................................70
IV. Bemühungen um Aufklärung zur Erlangung von Erkenntnissen über
den Luftangriff ..............................................................................................................70
1. Untersuchungen seitens des PRT Kunduz .................................................................70
a) Battle Damage Assessment, 4. September 2009 ..................................................70
b) Untersuchung des Tactical Psycological Operations Teams PRT
Kunduz, 4. September 2009 ................................................................................72
2. Untersuchungen seitens ISAF ...................................................................................72
a) Untersuchung des Initial Action Teams, 4./5. September 2009 ...........................72
aa) Anlass und Einleitung der Untersuchung ....................................................72
bb) Eintreffen des Teams in Kunduz .................................................................73
cc) Besuch von COM ISAF McChrystal in Kunduz .........................................73
dd) Abschlussbericht des IAT ...........................................................................73
ee) „N.-Bericht“ ................................................................................................73
ff) Begleitung des IAT durch einen Journalisten der Washington
Post ..............................................................................................................73
b) Untersuchung Joint Investigation Board, 8. September bis 20. Oktober
2009 .....................................................................................................................75
c) Begleitung der ISAF-Untersuchung durch das Bundesministerium der
Verteidigung, 9. September bis 26. Oktober 2009...............................................75
3. Untersuchungsbericht zum „Close Air Support Kunduz“ des
Feldjägerführers, 4. bis 9. September 2009 ...............................................................77
4. Einleitung einer nationalen Untersuchung ................................................................78
a) Verlegung des Feldjägerführers durch den Kommandeur RC North ...................78
b) Kenntnis des INTSUM-Berichtes durch den Kommandeur RC North ................79
c) Absicht des Kommandeurs RC North, disziplinarrechtliche
Ermittlungen einzuleiten ......................................................................................79
d) Einstellung der Ermittlungen ...............................................................................79
aa) Befehl aus dem Bundesministerium der Verteidigung ................................79
bb) Dissens im Ministerium ..............................................................................80
cc) Begründung des Einstellungsbefehls seitens des
Bundesministeriums der Verteidigung ........................................................81
dd) Keine Kenntnis des Befehls seitens des Feldjägerführers ...........................81
ee) Abweichende Ansicht des Befehlshabers
Einsatzführungskommando der Bundeswehr ..............................................81
e) Unterscheidung zwischen Ermittlungen des Feldjägerführers und
nationaler Untersuchung ......................................................................................82
5. Sonstige Untersuchungen ..........................................................................................83
Drucksache 17/7400 – X – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Untersuchung der afghanischen Regierung, 4. September 2009 .........................83
b) Untersuchung der Vereinten Nationen, 10. September 2009 ...............................83
c) Untersuchung des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes ........................84
V. Unmittelbare Folgen des Luftangriffs .........................................................................84
1. Erkenntnisse des PRT Kunduz ..................................................................................84
a) Battle Damage Assessment Team .......................................................................84
b) Tactical Psychological Operations Team des PRT Kunduz ................................84
2. Erkenntnisse ISAF ....................................................................................................84
a) Initial Action Team ..............................................................................................84
b) Erkenntnisse des Joint Investigation Board .........................................................85
3. Erkenntnisse der afghanischen Untersuchungskommission ......................................85
4. Erkenntnisse der Vereinten Nationen ........................................................................85
5. Erkenntnisse der afghanischen unabhängigen Menschenrechtskommission
AIHRC ......................................................................................................................86
6. Erkenntnisse des Internationalen Roten Kreuzes ......................................................86
7. Sonstige Erkenntnisse ...............................................................................................86
a) HUMINT-Kontakt ...............................................................................................86
b) Zeugin Dr. Habibe Erfan .....................................................................................86
c) Amnesty International .........................................................................................87
d) Darstellung des Lastwagenfahrers .......................................................................87
C. Erste Entwicklungen und Reaktionen bis zur Regierungsbildung am
27. Oktober 2009 ......................................................................................................................88
I. Erste Reaktionen der internationalen Öffentlichkeit ................................................88
1. Presse und Rundfunk .................................................................................................88
2. ISAF-Hauptquartier und NATO-Generalsekretär .....................................................88
3. Äußerungen am Rande des Außenminister-Treffens ................................................88
II. Kenntniserlangung durch die Bundesregierung und interne
Berichterstattung ..........................................................................................................89
1. Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung ...................................89
a) Regionalkommando Nord in Masar-i-Scharif .....................................................89
aa) Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009 .................89
aaa) Erstmeldung über den Luftschlag gegen 3 Uhr ..................................89
bbb) Unterrichtung von Brigadegeneral Vollmer um 7.45 Uhr ..................90
ccc) Telefonat von Brigadegeneral Vollmer mit Oberst Klein ...................90
ddd) Zusammenstellung eines Ermittlungsteams ........................................90
eee) Videokonferenzen mit dem Hauptquartier ISAF ................................90
fff) Telefonate mit afghanischen Dienststellen .........................................91
ggg) Gespräch mit dem Deputy Chief of Police Kunduz ............................91
hhh) Meldung über den Verbleib der beiden
Tanklastwagenfahrer ...........................................................................91
iii) Veränderung des Daily Intelligence Summary vom
4. September 2009 ..............................................................................91
bb) Meldungen und Informationserlangung am 5. September 2009 .................92
aaa) Meldung über einen ins Krankenhaus Kunduz
eingelieferten verletzten Jungen .........................................................93
bbb) Pressekonferenz des Kommandeurs der ISAF ....................................94
cc) Fertigstellung und Übergabe des so genannten Feldjägerberichtes
am 9. September 2009 .................................................................................94
b) Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Schwielowsee bei
Potsdam ...............................................................................................................94
aa) Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009 .................94
aaa) Meldung an die Operationszentrale des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr ....................................94
bbb) Informationsweitergabe auf dem Fachstrang Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit ...........................................................................94
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XI – Drucksache 17/7400
(1) Um 6.42 Uhr eingestellte Meldung ...............................................95
(2) Erste um 8.34 Uhr vorgenommene Änderung der
Meldung ........................................................................................95
(3) Zweite um 8.39 Uhr vorgenommene Änderung der
Meldung ........................................................................................95
(4) Meldung am 6. September 2009, 15.47 Uhr .................................95
ccc) Unterrichtung des Befehlshabers des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr über den
Luftschlag ...........................................................................................95
ddd) Telefonat mit dem Leiter des Einsatzführungsstabes..........................96
eee) Morgendliche Videokonferenz mit dem Stellvertreter des
Generalinspekteurs der Bundeswehr...................................................96
fff) „Erste rechtliche Bewertung“ .............................................................96
ggg) Mögliche zivile Opfer laut einer ISAF-Presseerklärung .....................96
hhh) Unterschiedliche Einschätzung von Oberst Klein und
Brigadegeneral Vollmer bezüglich möglicher ziviler Opfer ...............97
iii) Eingang eines Protokolls einer Videokonferenz mit
weiteren Hinweisen auf mögliche zivile Opfer...................................97
jjj) Erste Stellungnahme aus Sicht des Kommandeurs des
Regionalkommandos Nord .................................................................97
bb) Meldungen und Informationserlangung bis zum 13. September
2009.............................................................................................................97
aaa) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein am 5. September
2009 ....................................................................................................97
bbb) Eintreffen des Protokolls Fact Finding Mission („N.-
Bericht“) am 6. September 2009 .........................................................98
ccc) Eintreffen des Berichts des Initial Action Teams ...............................98
ddd) Gespräch des Befehlshabers des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr mit dem
Generalinspekteur der Bundeswehr am 7. September 2009 ...............98
eee) Eintreffen von Gesprächsprotokollen aus dem PRT Kunduz
am 7. September 2009 ........................................................................98
fff) Videokonferenz am 11. September 2009 ............................................99
ggg) Eintreffen des so genannten Feldjägerberichtes am
13. September 2009 ............................................................................99
hhh) Untersuchungsbericht der afghanischen
Untersuchungskommission .................................................................99
c) Kommando Führung Operationen von Spezialkräften ........................................99
aa) Unterrichtung des Kommandeurs des Kommandos FOSK .........................99
bb) Gespräch zwischen dem Kommandeur des Kommandos FOSK
und dem Kommandeur der Task Force 47 ................................................100
d) Meldungen in das Bundesministerium der Verteidigung ..................................100
aa) Einsatzführungsstab ..................................................................................100
aaa) Meldungen und Informationserlangung am 4. September
2009 ..................................................................................................100
(1) Erstinformation über den Luftschlag ...........................................100
(2) Freigabe des Inhaltes der ersten Pressemeldung .........................100
(3) Erste Zweifel in der morgendlichen Videokonferenz .................100
(4) Änderung der Online-Meldung auf der Internetseite
www.bundeswehr.de ...................................................................101
(5) Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul mit
möglichen zivilen Opfern ............................................................101
(6) Telefonat mit General Ramms am 4. September 2009 ................101
bbb) Meldungen und Informationserlangung bis zum
30. September 2009 ..........................................................................101
(1) Eintreffen weiterer Berichte und Meldungen bis zum 30.
September 2009...........................................................................101
(2) Vorlage einer „presseverwertbaren Stellungnahme“ des
Einsatzführungsstabes am 7. September 2009 ............................101
Drucksache 17/7400 – XII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
(3) Kurzauswertung des so genannten Feldjägerberichts
durch den Einsatzführungsstab ...................................................102
bb) Planungsstab..............................................................................................102
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September
2009 ..................................................................................................102
bbb) Zweifel an der Darstellung, dass Opfer unter der
Zivilbevölkerung ausgeschlossen werden können ............................103
ccc) Vorschlag einer Untersuchung des Vorfalls durch eine
Bundeswehrkommission ...................................................................103
cc) Presse- und Informationsstab ....................................................................104
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September
2009 ..................................................................................................104
bbb) Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul mit
möglichen zivilen Opfern .................................................................104
ccc) Keine Sprachregelung durch Staatssekretär Dr. Wichert ..................104
ddd) Bundespressekonferenz am 4. September 2009 ................................105
eee) Eigene Nachforschungen des Presse- und
Informationsstabes ............................................................................105
fff) Bundespressekonferenz am 7. September 2009 ................................106
ggg) Informationsweitergabe innerhalb des BMVg ..................................106
dd) Generalinspekteur der Bundeswehr ..........................................................107
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September
2009 ..................................................................................................108
bbb) „Frühe Festlegungen“ des BMVg in der ersten
Pressekonferenz am 4. September 2009 ...........................................108
ccc) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein am 5. September
2009 ..................................................................................................108
ddd) Erste Telefonate mit dem Bundesminister der Verteidigung,
Dr. Franz Josef Jung .........................................................................108
eee) Eintreffen weiterer Berichte am 6. September 2009 .........................109
fff) Vorlage an das Bundeskanzleramt am 7. September 2009 ...............109
ggg) Einrichtung des Joint Investigation Teams durch den COM
ISAF .................................................................................................109
hhh) Kritik an der Zurückhaltung des Generalinspekteurs der
Bundeswehr mit öffentlichen Äußerungen .......................................109
iii) Afghanistan-Reise des Generalinspekteurs der Bundeswehr ............109
jjj) Bewertung und Behandlung des so genannten
Feldjägerberichtes .............................................................................110
ee) Staatsekretär Dr. Peter Wichert .................................................................111
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September
2009 ..................................................................................................111
bbb) Online-Meldung auf www.bundeswehr.de .......................................111
ccc) Unklares Lagebild bezüglich möglicher ziviler Opfer am 4.
September 2009 ................................................................................112
ddd) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein sowie weiterer
Berichte .............................................................................................112
ff) Bundesminister der Verteidigung ..............................................................112
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September
2009 ..................................................................................................112
bbb) Erste öffentliche Äußerung ...............................................................112
ccc) Interview in der Bild am Sonntag .....................................................112
ddd) Gespräch mit der Bundeskanzlerin am 5. September 2009 ..............113
eee) Telefonat mit Oberst Klein am 5. September 2009 ..........................113
fff) Presseerklärung am 6. September 2009, dass zivile Opfer
nicht mehr auszuschließen sind ........................................................114
ggg) Telefonat mit General McChrystal am 6. September 2009 ...............114
hhh) Eingang weiterer Berichte ................................................................114
iii) Rede des Bundesministers der Verteidigung im Deutschen
Bundestag am 8. September 2009 .....................................................115
2. Auswärtiges Amt .....................................................................................................115
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XIII – Drucksache 17/7400
a) Erste öffentliche Äußerungen des Bundesaußenministers .................................115
aa) Gegenüber der Presse ................................................................................115
bb) Rede vor dem Deutschen Bundestag .........................................................116
b) Informationslage des Auswärtigen Amtes in den ersten Tagen .........................116
c) Informationsgewinnung seitens des Auswärtigen Amtes ..................................117
aa) Informationserlangung durch die zivile Leitung des PRT Kunduz ...........117
aaa) Erste Hinweise auf zivile Opfer ........................................................117
bbb) Die Liste der Vereinten Nationen .....................................................118
ccc) Kritik an der Kommunikation innerhalb des PRT ............................118
bb) Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung ..............118
aaa) Informationserlangung auf Arbeitsebene ..........................................118
bbb) Abstimmung auf Ministerebene ........................................................119
3. Bundeskanzleramt sowie Bundesnachrichtendienst ................................................119
a) Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes und Bundesnachrichtendienst ................119
aa) Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes vor Ort ......................................119
bb) Zur Frage eigener Aufklärungsmaßnahmen des BND ..............................120
cc) Erkenntnisaufkommen des BND ...............................................................120
aaa) Eigene Einschätzung des BND-Präsidenten .....................................120
bbb) Meldeaufkommen des Bundesnachrichtendienstes ..........................120
dd) Informationsweg innerhalb des BND und Unterrichtung des
BND-Präsidenten Uhrlau ..........................................................................121
ee) Koordination des Aufkommens nachrichtendienstlicher
Informationen innerhalb der Bundesregierung ..........................................121
ff) Weitergabe von Informationen des BND an die Abteilung 6 im
Bundeskanzleramt .....................................................................................121
gg) Zur Frage von Einzelmeldungen an das Bundeskanzleramt .....................122
hh) Überprüfung der Rolle des BND ...............................................................122
ii) Weitere Befassung der Abteilung 6 mit dem Luftangriff ..........................123
jj) Kommunikation zwischen den Abteilungen 6 und 2 ................................123
kk) Unterrichtung des Chefs des Bundeskanzleramtes durch die
Abteilung 6 ................................................................................................123
ll) ND-Lage am 8. September 2009 ...............................................................124
b) Abteilung 2 des Bundeskanzleramtes ................................................................124
aa) Erste Kenntniserlangung der Abteilung 2 von dem Luftangriff ................125
bb) Kommunikation zwischen der Abteilung 2 im Bundeskanzleramt
und dem Bundesministerium der Verteidigung .........................................125
aaa) Weitergabe von Berichten durch das BMVg an die
Abteilung 2 .......................................................................................125
bbb) Kritik der Gruppe 22 an der Informationsweitergabe des
BMVg ...............................................................................................127
ccc) Bestreben der Abteilung 2 nach gemeinsamer
Sprachregelung mit dem BMVg .......................................................128
c) Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel .................................................................128
aa) Kenntniserlangung der Bundeskanzlerin über den Luftangriff
und erste Kommunikation mit anderen Ressorts .......................................128
bb) Erste öffentliche Äußerungen der Bundeskanzlerin zum
Luftangriff .................................................................................................129
cc) Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am 8. September 2009 ...........129
aaa) Zustandekommen und Inhalt ............................................................129
bbb) Unterrichtung der Bundeskanzlerin vor der
Regierungserklärung .........................................................................130
dd) Weiteres Vorgehen der Bundeskanzlerin ..................................................131
ee) Keine Bewertung des Luftangriffs durch das Bundeskanzleramt .............132
III. Unterrichtung des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen
Ausschusses .................................................................................................................132
1. Erstunterrichtung der Obleute am Freitag, dem 4. September 2009 .......................132
2. Obleuteunterrichtung am 5. September 2009: Untersuchungsteam der
NATO......................................................................................................................132
Drucksache 17/7400 – XIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Obleuteunterrichtung am 7. September 2009: Zivile Opfer möglich ......................133
4. Ausschussunterrichtung am Dienstag, dem 8. September 2009 ..............................133
5. Obleuteunterrichtung am Mittwoch, dem 9. September 2009: Eingang des
IAT-Berichts ...........................................................................................................134
6. Obleuteunterrichtung am Freitag, dem 11. September 2009 ...................................134
7. Obleuteunterrichtung durch Generalinspekteur nach Rückkehr aus
Kunduz ....................................................................................................................136
IV. Der Luftangriff im Bundestagswahlkampf ...............................................................136
1. Zur Frage der Einflussnahme auf die Aufklärung ...................................................136
2. Unterrichtung der Politik durch die Bundeswehr ....................................................137
D. „Militärisch angemessen“ ......................................................................................................138
I. Regierungswechsel, Amtsübernahme durch Bundesminister zu
Guttenberg...................................................................................................................138
II. Eingang und Bewertung des COM ISAF-Berichts durch Bedienstete des
Bundesministeriums der Verteidigung .....................................................................138
1. Übermittlung des Berichts von ISAF an Deutschland .............................................138
2. Eingang des COM ISAF-Berichts im Bundesministerium der
Verteidigung ............................................................................................................139
3. Öffentliche Stellungnahme von General Wolfgang Schneiderhan ..........................141
a) Der Wortlaut der Erklärung ...............................................................................141
b) Erläuterung der Stellungnahme vor dem Ausschuss .........................................142
c) „Überraschung“ über die Erklärung des Generalinspekteurs auf Seiten
der NATO ..........................................................................................................142
4. Gespräch des Bundesministers mit General Schneiderhan .....................................144
5. Weitergabe des COM ISAF-Berichts ......................................................................144
a) Bundeskanzleramt .............................................................................................144
b) Obleuteunterrichtung am 29. Oktober 2009 ......................................................145
6. Auswertung des COM ISAF-Berichts durch den Einsatzführungsstab ...................145
III. Öffentliche Festlegung des Ministers am 6. November 2009 ..................................148
1. Empfehlung zur Presselinie .....................................................................................148
2. Telefonat mit Generalinspekteur Schneiderhan ......................................................148
3. Vorbereitung des Ministers .....................................................................................148
4. Öffentliche Stellungnahme des Ministers ...............................................................149
E. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts“ und Neubewertung des
Luftangriffs .............................................................................................................................154
I. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts” ..................................................................154
II. Personelle Konsequenzen ...........................................................................................154
1. Gespräch im Ministerbüro am 25. November 2009 ................................................154
a) Darstellung General a. D. Schneiderhan ............................................................155
b) Aufzeichnungen der Leiterin Ministerbüro .......................................................156
c) Darstellung Staatssekretär a. D. Dr. Wichert .....................................................157
d) Darstellung Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg ...........................158
e) Darstellung Brigadegeneral Braunstein .............................................................158
2. Berichterstattung über das Gespräch im Ministerbüro ............................................159
3. Unterrichtung des Deutschen Bundestages über Entlassung und
Ankündigung einer Neubewertung .........................................................................159
4. Rücktritt Bundesminister für Arbeit und Soziales Dr. Jung ....................................159
III. Neue Erkenntnisse aus der Dokumentenlage nach dem 25. November
2009 ..............................................................................................................................159
1. Erkenntnisse aus dem IAT-Bericht .........................................................................160
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XV – Drucksache 17/7400
2. Erkenntnisse aus dem „Feldjägerbericht“ ...............................................................160
3. Erkenntnisse seitens des Befehlshabers Einsatzführungskommando ......................161
4. Erkenntnisse aus dem Bericht von Oberst Klein .....................................................162
IV. Militärischer Ratschlag für die politische Leitung zur Vorbereitung
einer Neubewertung ....................................................................................................162
V. Untersuchung des Informationsflusses innerhalb des Ministeriums ......................163
VI. Neubewertung als „militärisch nicht angemessen“ ..................................................164
VII. Neubewertung gegenüber dem Deutschen Bundestag .............................................165
F. Weitergabe von Erkenntnissen an weitere Stellen (auch unter
Berücksichtigung von Punkt 4 des Untersuchungsauftrages) ............................................167
I. Staatsanwaltschaft Potsdam ......................................................................................167
II. Generalstaatsanwaltschaft Dresden ..........................................................................167
III. Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof .......................................................167
Dritter Teil: Bewertungen des Untersuchungsausschusses ......................................................169
A. Verfahren ................................................................................................................................169
I. Verfahrensbeschlüsse .................................................................................................169
II. Gegenüberstellung/Rechtsstreit BGH .......................................................................170
III. Die Reihenfolge von Zeugen (§ 17 PUAG i. V. m. § 28 GO-BT) Exkurs:
zur Misslichkeit des Begriffs vom so genannten „Reißverschluss“ ........................171
IV. Zum Umgang mit Zeugen und mit Vorhalten aus Akten ........................................172
B. Bewertungen der Untersuchungsergebnisse ........................................................................174
I. Allgemeine Feststellungen ..........................................................................................174
1. Zusammenfassung ...................................................................................................174
2. Verlauf der Ausschussarbeit ....................................................................................174
3. Unsichere Sicherheitslage im PRT Kunduz vor dem 4. September 2009 ...............175
4. Ablauf des Luftangriffs ...........................................................................................176
a) Entführung der Tanklastzüge .............................................................................176
b) Volle Kontrolle durch PRT Kunduz – technische Unterstützung der
Task Force 47 im gebotenen Rahmen ...............................................................177
c) Keinerlei Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes ......................................178
d) Der Luftschlag ...................................................................................................178
II. Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 1 und 2 des
Untersuchungsauftrages .............................................................................................179
1. Völlig korrektes Meldeverhalten innerhalb der Bundeswehr ..................................179
2. Unterrichtung des Bundesministeriums der Verteidigung ......................................180
a) Meldungen von außerhalb in das Bundesministerium der Verteidigung ...........180
b) Informationsfluss innerhalb des Bundesministeriums der Verteidigung ...........180
aa) Ordnungsgemäßer Informationsfluss bis zur Ebene von
Generalinspekteur und Staatsekretär Dr. Wichert .....................................180
bb) Weitergabe relevanter Informationen durch Generalinspekteur
und Staatssekretär .....................................................................................180
aaa) Keine Weitergabe von Informationen an den Presse-
/Informationsstab ..............................................................................181
bbb) Unterrichtung des Planungsstabes ....................................................181
ccc) Defizite bei der Unterrichtung des Verteidigungsministers
nach dem Luftschlag .........................................................................182
ddd) Information nach Bildung der Koalition aus CDU/CSU und
FDP ...................................................................................................183
3. Unterrichtung des Auswärtigen Amtes ...................................................................184
4. Unterrichtung durch das Bundeskanzleramt ...........................................................184
Drucksache 17/7400 – XVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Nicht belastbare, „unverbindliche Erstmeldung“ des BND ...............................185
b) Keine eigenen Erkenntnisse des Bundekanzleramtes durch den
Bundesnachrichtendienst ...................................................................................185
c) Zurückhalten von Nachrichtenübermittlung an BK, AA und BMZ
durch Staatssekretär BMVg ...............................................................................186
III. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 3 des Untersuchungsauftrages .............187
1. Einseitige Bewertung des damaligen Generals Schneiderhan .................................187
2. Bewertung durch Verteidigungsminister zu Guttenberg .........................................187
a) Erste Bewertung des Ministers vom 6. November 2009 auf Grundlage
der Beratung durch den Generalinspekteur .......................................................188
aa) Hintergrund der zusätzlichen Formulierung des Ministers, es
hätte zum Luftschlag „kommen müssen“ ..................................................188
bb) Beratung durch Generalinspekteur und Staatssekretär ..............................188
aaa) Einweisung des Ministers zum Amtsantritt am
29. Oktober 2009 ..............................................................................189
bbb) Informationsweitergabe auf dem Flug nach Nörvenich ....................189
cc) Nicht vorgelegte Berichte und Unterlagen ................................................190
b) Neubewertung am 3. Dezember 2009................................................................191
aa) Bekanntwerden des Feldjägerberichts erst durch Presse ...........................191
aaa) Minister-Gespräch zu nicht vorgelegten Dokumenten am
25. November 2009 ..........................................................................192
(1) Anzahl der anwesenden Personen am
25. November 2009 .....................................................................192
(2) Mehrfaches Nachfragen des Ministers am
25. November 2009 zur Vorlage der Berichte ............................193
bbb) Personelle Konsequenzen durch den Minister ..................................193
bb) Sichtung der vollständigen Aktenlage und Überprüfung ..........................194
aaa) Erörterung sämtlicher Fakten vor der Neubewertung .......................194
bbb) Lagebild nach erstmals vollständiger Dokumentenlage ...................194
ccc) Neubewertung nach umfassender militärfachlicher
Beratung............................................................................................195
IV. Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 4 und 5 des
Untersuchungsauftrages .............................................................................................195
1. Unterrichtung des Parlamentes ................................................................................196
a) Unterrichtung des Parlamentes vom 9. September 2009 ...................................196
b) Unterrichtung des Parlamentes vom 23. September 2009 .................................196
2. Unterrichtung der Obleute des Verteidigungsausschusses und des
Auswärtigen Ausschusses .......................................................................................196
a) Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009 ..................................................196
b) Obleuteunterrichtung vom 7. September 2009 ..................................................197
c) Falsche Angabe in der Obleuteunterrichtung vom 9. September 2009 .............197
3. Unterrichtung der Öffentlichkeit .............................................................................197
a) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das BMVg ...........................................197
b) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Bundeskanzleramt ........................200
aa) Pressestatement am 6. September 2009 ....................................................200
bb) Regierungserklärung am 8. September 2009 ............................................200
aaa) Umfassendes Lagebild der Bundeskanzlerin ....................................200
bbb) Lückenlose Aufklärung ....................................................................200
c) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Auswärtige Amt ............................201
4. Unterrichtungen nach dem Koalitionswechsel ........................................................201
a) Offene transparente Unterrichtungspraxis .........................................................201
b) Öffentliche Berichterstattung über das Gespräch am
25. November 2009 ...........................................................................................201
V. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 6 des Untersuchungsauftrages .............202
1. Keine Einflussnahme auf die Erstellung des COM ISAF-Berichtes .......................202
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XVII – Drucksache 17/7400
2. Einflussnahme auf die Untersuchung des Feldjägers durch
Generalinspekteur Schneiderhan .............................................................................202
3. Keine unzulässige Einflussnahme auf den Daily Intelligence Summary
des PRT Kunduz vom 4. September 2009 (INTSUM) ............................................204
VI. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 7 des Untersuchungsauftrages .............204
1. Verfahrensfehler durch Oberst Klein ......................................................................204
a) Erklären eines TIC (Troops in Contact) ............................................................204
b) Ablehnung von „show of force“ ........................................................................205
c) Battle Damage Assessment (BDA) ...................................................................205
2. Vermeiden ziviler Opfer ..........................................................................................205
a) Keine genaue Feststellung über die Personen vor Ort möglich .........................206
aa) Mögliche Anzahl der Personen auf der Sandbank ....................................206
bb) Mögliche Anzahl der Geschädigten ..........................................................206
b) Lagebild von Oberst Klein – ausschließlich Taliban vor Ort ............................207
c) Problem der Unterscheidbarkeit zwischen Aufständischen und
Zivilisten ............................................................................................................208
d) Bestehende Zuverlässigkeit des Informanten ....................................................208
aa) Grundsätzliche Zuverlässigkeit des Informanten ......................................208
bb) Keine Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit durch Art der
Kommunikation ........................................................................................208
cc) Zuverlässigkeit durch Standort des Informanten .......................................209
3. Aufständische als legitimes Ziel ..............................................................................209
4. Mangelnde Handlungsalternativen ..........................................................................209
a) Kein Einsatz von Bodentruppen möglich ..........................................................209
b) Kein Einsatz von Drohnen möglich ...................................................................210
c) Unterlassen als mögliche Alternative ................................................................210
5. Im Nachgang zum Luftschlag ergriffene Maßnahmen ............................................210
VII. Ergebnis der Beweisaufnahme ...................................................................................210
Vierter Teil Sondervoten .............................................................................................................213
A. Sondervotum der Fraktion der SPD .....................................................................................213
I. Der Untersuchungsausschuss war notwendig und erfolgreich ...............................214
II. Erforderlichkeit eines Sondervotums........................................................................215
III. Der Luft-Boden-Angriff von Kunduz: Was ist wirklich geschehen? .....................219
1. Kein Zweifel an zivilen Opfern des Luftangriffs ....................................................220
a) Politisch-taktisches Mäandern der Bundesregierung und der Mehrheit
im Ausschuss .....................................................................................................220
b) Unzureichendes „Battle Damage Assessment“ durch die Bundeswehr .............220
c) Erkenntnisse der verschiedenen Untersuchungskommissionen .........................221
d) Ergebnis zu den zivilen Opfern .........................................................................222
2. Die Fehler und Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Luft-Boden-
Angriff von Kunduz in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 ....................223
a) Ort des Geschehens und handelnde Personen ....................................................224
b) Sorgloser Umgang mit der Warnmeldung im Vorfeld ......................................225
c) Die problematische Agenda des Hauptmann N. – „Der Schwanz
wedelt mit dem Hund“ .......................................................................................226
d) Drängen auf schnellen Bombenabwurf durch Hauptmann N. und
Hauptfeldwebel W. ............................................................................................228
e) Keine Bestätigung durch die Aufklärungsmittel des B1-Bombers ....................229
f) Fehlerhafter Umgang mit dem afghanischen HUMINT-Kontakt ......................231
aa) Der militärische Führer verfügte nicht über sämtliche
Informationen der Quelle ..........................................................................231
Drucksache 17/7400 – XVIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aaa) Informationen zum „Ausschlachten“ und „In-Brand-
Setzen“ der Tanklaster durch die Taliban erreichten Oberst
Klein nicht ........................................................................................232
bbb) Informationen zu den zivilen Fahrern erreichten Oberst
Klein nicht ........................................................................................232
ccc) Standort der Quelle wurde gegenüber Oberst Klein
verschwiegen ....................................................................................233
ddd) Zwischenergebnis .............................................................................233
bb) Problem der mittelbaren Kommunikation („Stille-Post-Routine“) ...........233
cc) Probleme beim Inhalt der Kommunikation: Unzureichende
Gesprächsführung .....................................................................................234
dd) Probleme bei der Bewertung der Informationen .......................................235
ee) Strukturelle Probleme im Zusammenhang mit dem Militärischen
Nachrichtenwesen der Bundeswehr ..........................................................237
ff) Zusammenfassung und Schlussfolgerungen zum fehlerhaften
Umgang mit dem HUMINT-Kontakt ........................................................239
g) Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten Durchführung des
Waffeneinsatzes .................................................................................................240
aa) Vorfrage: Was war das Ziel des Waffeneinsatzes? ...................................241
bb) Regelwidriger Einsatz des B1-Bombers zur Suche nach den
Tanklastern ................................................................................................244
cc) Regelwidrige Erklärung eines „TIC“: Die F15-Bomber hätten
nicht angefordert werden dürfen ...............................................................244
dd) Unzureichende Abklärung der Anwesenheit befreundeter Kräfte.............245
ee) Unklarheiten zwischen Oberst Klein, dem JTAC und den Piloten
über die angewandte Einsatzregel („Rule of Engangement“) ...................246
ff) Vorgaben der dem Waffeneinsatz zu Grunde gelegten ROE 429
wurden sämtlich nicht erfüllt.....................................................................247
aaa) RC North hätte bei Waffenfreigabe nach ROE 429 beteiligt
werden müssen .................................................................................247
bbb) Keine Einbindung des vorhandenen Rechtsberaters in den
Prozess der Waffenfreigabe ..............................................................248
ccc) Unzureichende Durchführung der PID anhand einer
einzigen HUMINT-Information ohne sonstige Bestätigung .............248
ddd) Fehlende Anwendung der für offensiven Waffeneinsatz
zwingenden Zielzuweisungsverfahren ..............................................249
gg) Regelwidrige Untersagung der Durchführung einer „Show of
Force“ ........................................................................................................250
hh) Regelwidriger Verzicht auf die Durchführung eines
angemessenen „Battle Damage Assessment“ ............................................251
ii) Keine Warnung des vermeintlich an der Sandbank befindlichen
Informanten durch Oberst Klein ...............................................................251
jj) Zusammenfassung der Verfahrensfehler im Rahmen der
konkreten Durchführung des Waffeneinsatzes ..........................................252
IV. Zur straf- und dienstrechtlichen Verantwortlichkeit von Oberst Klein ................252
1. Kritik an der Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts ............................253
a) Kein Verstoß gegen Bestimmungen des Völkerstrafrechts ...............................253
b) Strafbarkeit nach allgemeinem deutschem Strafrecht ........................................253
aa) Zuständigkeit des GBA: Klarstellungsbedarf ............................................253
bb) Rechtfertigung auf Grundlage des UN-Mandats? .....................................254
aaa) Bedarf es einer eigenen gesetzlichen Regelung? ..............................254
bbb) Völkerrechtliche Rechtfertigung des Handelns von Oberst
Klein? ...............................................................................................255
(1) Legitimes militärisches Ziel? ......................................................255
(2) Beachtung des völkerrechtlichen „Exzessverbots“? ...................256
2. Kritik am Verzicht auf die Einleitung eines förmlichen
Disziplinarverfahrens ..............................................................................................260
a) Eklatante Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln ..................................................261
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XIX – Drucksache 17/7400
b) Verletzung nationaler Einsatzvorgaben durch gezielte Tötung
außerhalb einer Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituation .............................262
V. Zusammenfassende Gesamtbewertung zum Luft-Boden-Angriff von
Kunduz ........................................................................................................................264
VI. Fehler und Versäumnisse in der Amtszeit des Verteidigungsministers
Dr. Jung .......................................................................................................................268
1. Strukturelle Defizite im BMVg beim Umgang mit derartigen Vorfällen ................269
a) Öffentlichkeitsarbeit im Blindflug: Alleingang des Pressestabes ohne
jede Koordinierung ............................................................................................269
b) Mängel im Bereich der „Unternehmenskultur“ .................................................270
c) Strukturelle Mängel beim Umgang mit den entscheidenden
Informationen im Ministerium ..........................................................................270
2. Persönliches Fehlverhalten des damaligen Bundesministers der
Verteidigung Dr. Jung .............................................................................................270
a) Der Wahlkampf hatte Priorität...........................................................................271
b) Bedenken innerhalb des Ministeriums und von der Bundeskanzlerin
wurden ignoriert ................................................................................................271
c) Abweichende öffentliche Stellungnahme des damaligen
Bundesministers des Äußeren............................................................................272
d) Mögliche Beweggründe für die Haltung von Bundesminister Dr. Jung ............273
e) Unverantwortlicher „Tunnelblick“ des Ministers ..............................................274
f) Desinformation der Öffentlichkeit durch einen Pressestab im
Verfolgungswahn ..............................................................................................274
aa) Eigenmächtiges Abwiegeln durch den Pressestab in den ersten
Stellungnahmen ohne Beteiligung der Fachabteilungen ...........................275
bb) Falsche Darstellung der zeitlichen Abläufe („Chronologie“) ....................275
cc) Angebliche unmittelbare Bedrohung für das PRT Kunduz durch
„rollende Bomben“....................................................................................276
dd) Erfinden einer „dritten Quelle“ .................................................................277
ee) Diffamierung des IAT-Berichts ................................................................278
ff) Ergebnis zum Pressestab ...........................................................................278
g) Gesamtbewertung des Handelns von Dr. Jung ..................................................278
3. Verschleierungsaktivitäten auf allen Ebenen ..........................................................279
a) Verschleierung vor Ort im PRT Kunduz selbst .................................................279
b) Verschleierung in Masar-e Sharif und im Einsatzführungskommando
in Potsdam: Manipulation des INTSUM ...........................................................280
c) Verschleierung im Pressestab gegenüber der Öffentlichkeit .............................282
d) Sonstige Verschleierungsaktivitäten im Ministerium ........................................283
aa) Einflussnahme auf die NATO-Untersuchung ...........................................283
bb) Verschleierung der Beteiligung von Personen der „Task
Force 47“ ...................................................................................................283
cc) Verweigerung einer nationalen Untersuchung nach Eingang des
COM ISAF-Berichts .................................................................................284
e) Verschleierung gegenüber dem Parlament ........................................................284
VII. Freiherr zu Guttenberg: Illusion und Inszenierung ................................................286
1. Zur Bewertung des Luftangriffs als „zwingend“ .....................................................286
2. Die angeblich „vorenthaltenen“ wichtigen Dokumente ..........................................289
3. Die angebliche „Neubewertung“ vom 3. Dezember 2009.......................................290
VIII. Bundeskanzlerin Dr. Merkel: Fehlende politische Führung ...................................293
1. Informationsquellen des BND bleiben ungenutzt ...................................................293
2. Bundeskanzlerin lässt Verteidigungsminister „dahindilettieren“ ............................294
3. Zusage vollständiger Aufklärung bleibt Lippenbekenntnis .....................................294
4. Verständnis für jede Bewertung des Luftangriffs....................................................295
5. Mitspielerin beim „Bauernopfer“ ............................................................................295
6. Einsatz für Entschädigung: Fehlanzeige .................................................................296
Drucksache 17/7400 – XX – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
7. Koordinierungsprobleme im Bundeskanzleramt .....................................................296
8. Ergebnis ..................................................................................................................297
IX. Zum Verfahren im Untersuchungsausschuss ...........................................................297
1. Ausschluss der Öffentlichkeit durch die Mehrheit ..................................................297
2. Die Verweigerung der Durchführung einer Gegenüberstellung ..............................298
3. Zur Reihenfolge der Zeugenvernehmungen: das Reißverschlussverfahren ............299
4. „Mehrheit bleibt Mehrheit“ .....................................................................................299
X. Lehren aus den festgestellten Fehlern und Defiziten: Handlungsbedarf ...............300
1. Klare Aussagen der Bundesregierung zu den nationalen Einsatzvorgaben
des ISAF-Mandats sind zwingend erforderlich .......................................................301
2. Folgerungen aus den Defiziten auf der Ebene des PRT ..........................................301
3. Folgerungen aus den festgestellten Defiziten auf der Ebene der
Bundesregierung .....................................................................................................302
4. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf .......................................................................302
B. Sondervotum der Fraktion DIE LINKE. .............................................................................303
I. „Lückenlose Aufklärung … ein Gebot der Selbstverständlichkeit“ .......................303
1. Behinderung der Arbeit des Untersuchungsausschusses .........................................303
2. Eindimensionalität der Bewertung der Mehrheitsfraktionen ...................................304
a) Mangelndes Aufklärungsinteresse .....................................................................304
b) Umdeutung der Beweisergebnisse des Untersuchungsausschusses ...................305
c) Einseitige Schuldzuweisung für Vertuschungsbemühungen .............................306
3. Vertuschung der Folgen und näheren Umstände des Luftangriffs durch
die Bundesregierung ................................................................................................307
a) Vertuschung der Tötung einer großen Zahl von Zivilpersonen .........................307
aa) Erkenntnisse zur Zahl ziviler Opfer nach der Beweisaufnahme
im Untersuchungsausschuss ......................................................................308
bb) Der Bundesregierung im September 2009 zugängliche
Erkenntnisse und Anhaltspunkte zu zivilen Opfern des
Luftangriffs ...............................................................................................310
cc) Öffentliche Darstellungen der Bundesregierung zur Frage ziviler
Opfer .........................................................................................................312
b) Vortäuschen einer unmittelbaren Bedrohung für das PRT Kundus ...................312
aa) Hinweise auf eine Bedrohungswarnung ....................................................312
bb) Kein Vorliegen des behaupteten Warnhinweises ......................................313
cc) Keinerlei Hinweis auf eine direkte Gefährdung des PRT Kundus ............314
c) Vertuschung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board ..................314
aa) Gruppe 85 im Bundesverteidigungsministerium .......................................314
aaa) Kontakt zum ISAF-Joint Investigation Board ..................................315
bbb) Kontakt zu den Ermittlungsbehörden ...............................................316
bb) Verhinderung einer Bewertung der Erkenntnisse des ISAF-Joint
Investigation Board durch die NATO .......................................................317
cc) Umdeutung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board
gegenüber der Öffentlichkeit .....................................................................319
aaa) Bundesverteidigungsministerium .....................................................319
bbb) Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt .........................................320
dd) Verhinderung einer Herabstufung des COM ISAF-Berichts ....................321
d) Angemessenheit – Unangemessenheit des Luftangriffs ....................................322
aa) „Militärisch angemessen“ und „selbst wenn es keine
Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zum Luftschlag
kommen müssen“ ......................................................................................322
bb) „… militärisch nicht angemessen“ ............................................................323
e) Täuschung der Bevölkerung über die Art der deutschen
Kriegsbeteiligung ..............................................................................................324
aa) ISAF-Mandat der Bundeswehr..................................................................324
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXI – Drucksache 17/7400
bb) Spezifische nationale Beschränkungen des ISAF-Mandats
(national caveats) ......................................................................................325
cc) Taschenkarten ...........................................................................................327
f) Ziel der Vertuschung .........................................................................................328
aa) Bundestagswahlkampf und Kriegsbeteiligung ..........................................328
bb) Counterinsurgency – Teilnahme an offensiver Kriegsführung .................329
II. „Das … Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel
W. … ist … einzustellen.“ ..........................................................................................330
1. Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln .......................................................................331
a) Fehlende Befugnis zur Anordnung eines Luftangriffs .......................................331
b) Unterlassen einer show of force ........................................................................333
c) Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens ..............................................................334
d) Verstoß gegen geltende Rules of Engagement (ROE) .......................................334
e) Vorspiegeln einer Gefechtssituation (troops in contact, TIC) bzw.
einer akuten Bedrohungslage (imminent threat) ................................................335
f) Unzureichende Aufklärung vor dem Luftangriff als Verstoß gegen
spezifische Vorgaben des COM ISAF ...............................................................335
g) Verzicht auf Battle Damage Assessment (BDA) ...............................................335
2. Verstoß gegen grundlegende völkerrechtliche Schutzvorschriften .........................335
a) Völkerrechtliche Verpflichtung, festzustellen, ob sich am Angriffsort
Zivilpersonen aufhalten .....................................................................................336
aa) Ignorieren der Anhaltspunkte für die Anwesenheit von Zivilisten
am Angriffsort ...........................................................................................336
aaa) Nächtliche Aktivitäten während des Ramadan .................................336
bbb) Kommen und Gehen auf der Sandbank ............................................337
ccc) Vermutete Anwesenheit mehrerer Gruppen und deren
Anführer............................................................................................337
ddd) Verbleib der Fahrer ...........................................................................338
eee) Angriff allein aufgrund der Angaben eines Informanten ..................338
fff) Widersprüche der Lagebewertung durch Oberst Klein .....................338
bb) Völkerrechtlich gebotene Aktivitäten zur Aufklärung, ob sich
Zivilpersonen am Angriffsort befanden ....................................................339
aaa) Differenzierte Fragen an den Informanten ........................................339
(1) Erkennbarkeit von Zivilpersonen ................................................340
(2) Standort des Informanten ............................................................340
(3) Identität der Kontaktpersonen des Informanten ..........................340
(4) Tragen von Waffen .....................................................................340
(5) Schicksal der Fahrer ....................................................................342
(6) Anwesenheit von Kindern ...........................................................342
(7) Unzulängliche Erkundigungen beim Informanten ......................343
bbb) Nutzung weiterer erreichbarer Erkenntnismöglichkeiten .................343
(1) Weitere Informanten ...................................................................344
(2) Weitere Mittel der Luftaufklärung ..............................................344
cc) Unzulängliche Aufklärung ........................................................................346
b) Völkerrechtliche Verpflichtung zur wirksamen Warnung vor einem
geplanten Angriff ...............................................................................................346
aa) Offensive Aufstandsbekämpfung als Grund für den Verzicht auf
eine show of force .....................................................................................346
bb) Rechtspflicht zur effektiven Vorwarnung .................................................349
aaa) Unzulässiger Überraschungsangriff ..................................................349
(1) Rückfahrt nach Osten und Angriff auf das PRT Kundus ............350
(2) Weiterfahrt und Verbringung der Tanklaster nach
Westen.........................................................................................351
bbb) Völkerrechtswidrigkeit des Verzichts auf eine wirksame
Vorwarnung ......................................................................................351
c) Nachweis der Völkerrechtswidrigkeit des Vorgehens von Oberst Klein ...........352
3. Keine adäquate rechtliche Aufarbeitung des Luftangriffs durch deutsche
Behörden .................................................................................................................352
Drucksache 17/7400 – XXII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Durchreichen eines unwillkommenen Verfahrens .............................................352
aa) Befassung der Staatsanwaltschaften Potsdam und Leipzig sowie
der Generalstaatsanwaltschaft Dresden .....................................................353
bb) Grundlegende Ermittlungsdefizite ............................................................353
cc) Verteidigungsaktivitäten des Einsatzführungskommandos der
Bundeswehr ...............................................................................................354
dd) Zügige Verfahrensabwicklung durch die
Generalbundesanwaltschaft .......................................................................355
b) Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes .....................................................356
c) Materiellrechtliche Fehlbewertung als Grundlage der
Verfahrenseinstellung durch die Bundesanwaltschaft .......................................357
d) Einflussnahme der Bundesregierung .................................................................358
III. „Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode gekommene Mensch … einer
zu viel“ .........................................................................................................................358
1. Kein effektiver Schutz der Zivilbevölkerung im bewaffneten Konflikt ..................358
2. Keine Wiedergutmachung für die Opfer .................................................................359
3. Das Gesicht des Krieges ..........................................................................................360
4. lessons learned ........................................................................................................363
C. Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..................................................364
I. Einleitung ....................................................................................................................364
II. Verfahren.....................................................................................................................365
1. Die Öffentlichkeit der Sitzungen .............................................................................365
2. Die Reihenfolge der Zeugen....................................................................................366
3. Die Begrenzung der Sitzungszeiten ........................................................................366
4. Der Versuch einer vorschnellen Beendigung der Beweiserhebung.........................366
5. Die zeitlichen Rahmenbedingungen für das Verfassen des
Abschlussberichts ....................................................................................................366
6. Das Verhalten der Bundesregierung ........................................................................367
7. Das Nichterscheinen von Zeugen ............................................................................367
8. Die Geheimhaltung des COM ISAF-Berichts .........................................................367
III. Die Bewertung des Luftschlags ..................................................................................368
1. Die Entführung der Tanklaster und der Befehl zum Luftschlag am 3. / 4.
September 2009 .......................................................................................................368
2. Militärische und politische Rahmenbedingungen des Luftschlags..........................370
3. Ziele des Luftschlags ...............................................................................................371
a) Abwehr einer unmittelbaren Gefahr? ................................................................372
b) Tötung von Aufständischen ...............................................................................372
4. Verfahrensverstöße bei der Anordnung und Durchführung des
Luftschlags ..............................................................................................................374
a) Rechtliche Rahmenbedingungen für den Luftschlag .........................................374
aa) Humanitäres Völkerrecht ..........................................................................374
bb) ISAF Mandat und Einsatzregeln der ISAF ................................................375
cc) Bundeswehrmandat und Taschenkarte ......................................................375
b) Verletzung der Aufklärungspflichten zur Vermeidung ziviler Opfer ................375
aa) Unpräzise Nachforschungen zu möglichen Zivilpersonen vor Ort ...........375
bb) Ungeeignete Quellenlage ..........................................................................376
aaa) Informationen zu den Tanklastwagenfahrern ...................................377
bbb) Glaubwürdigkeit des HUMINT-Kontaktes .......................................377
ccc) Mittelbare Kommunikation mit dem HUMINT-Kontakt .................378
ddd) Luftbilder durch die B-1B bzw. F-15-E ............................................378
eee) Hintergrundwissen ............................................................................378
cc) Alternative Handlungsmöglichkeiten ........................................................379
dd) Flugzeuganforderung trotz mangelndem TIC ...........................................379
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXIII – Drucksache 17/7400
c) Militärische Eingriffsgrundlage .........................................................................380
d) Show of force ....................................................................................................381
e) Nichteinbeziehung des PRT-Personals ..............................................................381
f) Wirkungsanalyse ...............................................................................................382
g) Schlussfolgerung und Bewertung der rechtlichen Reaktion auf den
Luftschlag ..........................................................................................................382
5. Die Folgen des Luftschlags .....................................................................................383
a) Die Untersuchungsberichte ................................................................................383
b) Ergebnis .............................................................................................................384
6. Mitwirkung Dritter bei der Entscheidung für den Luftschlag .................................384
a) Die Rolle der Task Force 47 ..............................................................................384
b) Rolle des BND ...................................................................................................386
c) Beeinflussung durch afghanische Kräfte ...........................................................386
7. Zusammenfassung ...................................................................................................387
IV. Die Bewertung der militärischen Untersuchungen zum Luftschlag .......................387
1. Erkundungen des BDA-Teams, 4. September 2009 ................................................388
2. Feldjägeruntersuchung, 4. bis 9. September 2009 ...................................................389
3. Internationale Ermittlungen durch den COM ISAF ................................................390
a) IAT Bericht, 4./ 5. September 2009 ...................................................................390
b) Die Erstellung des COM ISAF-Berichts durch das Joint Investigation
Board und die Begleitung durch die „Gruppe 85“, 8. September bis
26. Oktober 2009 ...............................................................................................391
aa) Die Untersuchung des JIB .........................................................................391
bb) Begleitung durch die „Gruppe 85“ ............................................................391
4. Ablehnung einer nationalen Untersuchung durch das BMVg .................................392
5. Zusammenfassung ...................................................................................................393
V. Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion des BMVg
unter Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung und Bundesminister
der Verteidigung zu Guttenberg ................................................................................393
1. Informationsstand von Bundeswehr und BMVg vor dem
Regierungswechsel, September und Oktober 2009 .................................................394
a) Informationsstand, 4. September .......................................................................394
b) Informationsstand des BMVg im September 2009 ............................................395
2. Änderung der Meldungen zum Luftschlag der Internetseite der
Bundeswehr am 4. September .................................................................................396
3. Einseitige Presseberichterstattung durch das BMVg vor dem
Regierungswechsel ..................................................................................................396
a) Presseerklärung des BMVg am 4. September 2009 ...........................................396
b) Bundespressekonferenz, 7. September 2009 .....................................................397
c) Öffentliche Äußerungen des damaligen Bundesministers der
Verteidigung, Dr. Jung ......................................................................................397
4. Unzureichende Berichterstattung gegenüber dem Bundestag .................................397
5. Verzögerte Informationsweitergabe an das Bundeskanzleramt und das
Auswärtige Amt ......................................................................................................398
a) Bundeskanzleramt .............................................................................................398
b) Auswärtiges Amt ...............................................................................................398
6. Intransparente Informationspolitik nach dem Regierungswechsel, Oktober
bis Dezember 2009 ..................................................................................................399
a) Pressestatement des Generalinspekteurs Schneiderhan zum
COM ISAF Bericht, 29. Oktober 2009 ..............................................................399
b) Unterschiedliche Bewertung des Luftschlags durch Bundesminister zu
Guttenberg .........................................................................................................399
Drucksache 17/7400 – XXIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aa) Gegenüberstellung der Äußerungen am 6. November und am 3.
Dezember 2009 .........................................................................................400
bb) Informationsstand vor dem 6. November 2009 .........................................400
aaa) Beratung durch den Führungskreis des BMVg .................................400
bbb) Auswertungsbericht des Einsatzführungsstabs .................................401
ccc) COM ISAF Bericht und Anlagen .....................................................401
ddd) IKRK-Bericht ...................................................................................401
cc) Informationsstand nach dem 25. November 2009 .....................................402
7. Trennung von Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär
Dr. Wichert ..............................................................................................................403
8. Zusammenfassung ...................................................................................................403
VI. Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion des
Auswärtigen Amtes und des Bundesministers des Auswärtigen
Dr. Steinmeier .............................................................................................................404
1. Informationsfluss in das Auswärtige Amt ...............................................................404
a) Ziviler Strang PRT Kunduz ...............................................................................404
b) Weitere Informationsquellen .............................................................................405
2. Kenntnisstand des Auswärtigen Amtes und des Bundesministers des
Auswärtigen, Dr. Steinmeier ...................................................................................405
3. Öffentliche Stellungnahme aus dem Auswärtigem Amt und von Minister
Dr. Steinmeier .........................................................................................................406
VII. Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion von
Bundeskanzlerin Dr. Merkel......................................................................................406
1. Reaktion auf die Informationspolitik des BMVg, 4. bis 8. September 2009 ...........407
2. Öffentliche Stellungnahmen der Bundeskanzlerin, 4. bis 8. September
2009 .........................................................................................................................408
3. Reaktion auf die Ergebnisse des COM ISAF-Berichts und die
Informationspolitik des BMVg, November und Dezember 2009 ...........................408
4. Zusammenfassung ...................................................................................................409
VIII. Schlussbetrachtungen .................................................................................................409
1. Punkte 1 und 2 des Untersuchungsauftrages: Kenntnisstand und
Informationsfluss zum Luftschlag ...........................................................................409
a) Defizitäres Meldeverhalten durch Oberst Klein ................................................409
b) Informationsfluss innerhalb des BMVg .............................................................410
2. Punkte 3 bis 5 des Untersuchungsauftrages: Die Bewertung des
Luftschlag durch die Bundesregierung, sowohl intern als auch gegenüber
Öffentlichkeit und dem Bundestag ..........................................................................410
a) BMVg ................................................................................................................410
b) Bundeskanzleramt und Bundeskanzlerin Dr. Merkel ........................................411
c) Auswärtiges Amt ...............................................................................................411
d) Die Informationsweitergabe an den Bundestag .................................................412
3. Punkt 6 des Untersuchungsauftrags: Einflussnahme durch die Regierung? ............412
a) INTSUM ............................................................................................................412
b) Feldjägerbericht .................................................................................................412
c) COM ISAF-Bericht ...........................................................................................412
4. Punkt 7 des Untersuchungsauftrags: Rechtmäßigkeit des Luftschlags? ..................413
IX. Handlungsempfehlungen (lessons learned) ..............................................................413
Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs .............................415
A. Stellungnahmen der betroffenen Personen ..........................................................................415
I. Oberst Klein ................................................................................................................415
1. Zum Feststellungsteil ..............................................................................................415
2. Zu den Sondervoten ................................................................................................416
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXV – Drucksache 17/7400
II. General Vollmer ..........................................................................................................418
1. Zum Sondervotum der Fraktion der SPD ................................................................418
2. Zum Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .............................419
III. General Glatz ..............................................................................................................419
IV. Kapitän zur See Dienst ...............................................................................................420
B. Gegenäußerungen der Fraktionen ........................................................................................421
I. Fraktion der SPD ........................................................................................................421
1. Zum Verfahren der Gewährung rechtlichen Gehörs ...............................................421
2. Zu den einzelnen Stellungnahmen ..........................................................................421
II. Fraktion DIE LINKE. ................................................................................................423
III. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .....................................................................424
1. Erwiderung zur Stellungnahme des Zeugen Oberst Klein im Rahmen
seines rechtlichen Gehörs ........................................................................................424
2. Erwiderung zu den Stellungnahmen der Zeugen Generalleutnant Glatz
und Brigadegeneral Vollmer ...................................................................................425
C. Anmerkungen der Koalition zu Gegenäußerungen der Opposition in Sachen
Gewährung rechtlichen Gehörs ............................................................................................426
D. Erwiderung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den
Anmerkungen der Ausschussmehrheit unter Punkt C .......................................................427
Sechster Teil: „Lessons Learned“ ..............................................................................................429
A. Lessons Learned der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP im
Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a
Abs. 2 GG ................................................................................................................................429
I. Allgemein .....................................................................................................................429
II. Im Einsatz ....................................................................................................................429
1. Führungsmittel ........................................................................................................429
2. Aufklärungsmittel ...................................................................................................429
3. Wirkmittel ...............................................................................................................430
III. Ausbildung...................................................................................................................430
IV. Themenkomplex Informationsarbeit ........................................................................430
V. Information des Parlaments.......................................................................................430
VI. Information der Öffentlichkeit ..................................................................................431
VII. Zusammenfassung ......................................................................................................431
B. Gemeinsames Positionspapier „lessons learned“ der SPD-
Bundestagsfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23.
September 2011. .....................................................................................................................432
I. Handlungsbedarf auf der Ebene der Bundesregierung ...........................................432
1. Im Bereich der nationalen Einsatzvorgaben des ISAF-Mandats .............................432
2. Im Bereich der „Task Force 47“..............................................................................432
3. Im Bereich der technischen Ausstattung der Bundeswehr in
Auslandseinsätzen ...................................................................................................432
4. Im Bereich des Militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr ........................432
5. Im Bereich der Aus- und Fortbildung .....................................................................432
6. Im Bereich der „Inneren Führung“ ..........................................................................433
7. Im Bereich der Zusammenarbeit zwischen militärischem und zivilem Teil
der PRTs ..................................................................................................................433
8. Im Bereich der Verwaltung des Bundesministeriums der Verteidigung .................433
Drucksache 17/7400 – XXVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
9. Im Bereich des Bundesministeriums der Justiz .......................................................433
10. Im Bereich des Bundeskanzleramtes .......................................................................433
II. Handlungsbedarf auf der Ebene des Gesetzgebers ..................................................434
C. „Lessons Learned“ der Fraktion DIE LINKE. ...................................................................435
D. Protokoll über die 57. Sitzung des Untersuchungsausschusses ..........................................436
I. Bericht der Fraktionen ...............................................................................................436
II. Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr ....................................................440
Anhang: Übersichten und Verzeichnisse ...................................................................................443
I. Abkürzungsverzeichnis ..............................................................................................443
II. Personenverzeichnis....................................................................................................453
III. Dokumentenverzeichnis .............................................................................................460
IV. Verzeichnis Stenographische Protokolle ...................................................................468
V. Beratungsunterlagen ..................................................................................................469
VI. Beschlüsse zu Beweisanträgen ...................................................................................518
VII. Verzeichnis der Materialien .......................................................................................543
VIII. Verzeichnis der Sitzungen ..........................................................................................550
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1 – Drucksache 17/7400
Erster Teil:
Einsetzung des Untersuchungsausschusses und Verlauf des Untersuchungsverfahrens
A. Einsetzung, Auftrag und Konstituierung des Untersuchungsausschusses
In der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 ordnete
der militärische Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams
(PRT) in Kunduz (Afghanistan), Oberst Georg Klein,
einen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen, die zuvor von
regierungsfeindlichen Kräften in ihre Gewalt gebracht
worden waren und auf einer Sandbank im Fluss Kunduz
feststeckten, an. Dieser Luftschlag hat zu einer Vielzahl
von Getöteten und Verletzten geführt.
Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in
Schwielowsee bei Potsdam berichtete am Morgen des
4. September 2009 auf seiner Internetseite von einem
„erfolgreichen Einsatz gegen Aufständische im Raum
Kunduz“, bei dem Unbeteiligte vermutlich nicht zu Scha-
den gekommen seien. Der Gouverneur der Provinz Kun-
duz, Mohammed Omar, berichtete demgegenüber der
Presse von mindestens 72, von denen etwa 30 Personen
als Aufständische identifiziert worden seien.
1
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen schloss
die Möglichkeit ziviler Opfer nicht aus und kündigte eine
gründliche Untersuchung an.
2
Der Kommandeur der
ISAF-Schutztruppe, General Stanley McChrystal, ent-
sandte ein Untersuchungsteam für Sofortmaßnahmen
(Initial Action Team) in Begleitung des US-
amerikanischen Journalisten der Washington Post, Rajiv
Chandrasekaran, nach Kunduz.
Auf Befehl des Kommandeurs des Regionalkommandos
Nord, Brigadegeneral Jörg Vollmer, verlegte ein deutsch-
er Feldjägerstabsoffizier von Masar-i-Scharif nach Kun-
duz, um die Soldaten vor Ort bei der Untersuchung des
Vorfalls zu unterstützen.
Am Abend des 4. September 2009 verteidigte der damali-
ge Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung
in einem Interview der ARD den Luftangriff und begrün-
dete diesen damit, dass durch den Raub der Tanklastzüge
eine „sehr konkrete Gefahrenlage“ für die deutschen Sol-
daten in Kunduz vorgelegen habe.
3
Am selben Tag äußerte sich auch der damalige Bundes-
außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier gegenüber
der Ostseezeitung besorgt über den Vorgang in Afghanis-
tan. Dieser Fall zeige, wie schwierig und gefährlich die
Lage dort sei. Derzeit werde untersucht, wie viele Opfer
es gegeben habe und ob unschuldige Zivilisten darunter
gewesen seien. Dies müsse man abwarten.
1) Spiegel Online vom 5. September 2009, 15:38 Uhr, „US-
Talibanjäger rücken in Bundeswehr-Sektor ein“ (Dokument 1).
2) Bild-Zeitung vom 5. September 2009, „Bundeswehr befiehlt
Luftangriff auf Taliban – bis zu 90 Tote“ (Dokument 2).
3) Spiegel Online vom 5. September 2009, 20:14 Uhr, „Tanklastzug-
Attacke zwingt Minister Jung in die Defensive“(Dokument 3).
Am 5. September 2009 begab sich der Kommandeur der
ISAF-Schutztruppe, General Stanley McChrystal persön-
lich nach Kunduz, um sich ein Bild von der Lage vor Ort
zu machen. Gegenüber der Presse bestätigte er, dass es
auch unter Zivilisten zu Verletzten gekommen sei.
4
Am 6. September 2009 erschien in der Washington Post
der Artikel des amerikanischen Journalisten Rajiv Chand-
rasekaran, der bei der Befragung von Oberst Klein durch
das NATO-Aufklärungsteam anwesend gewesen war. In
dem Artikel wurde exklusiv über Inhalte der Befragung
berichtet, das Handeln der Deutschen kritisiert und er-
wähnt, dass die Mitglieder des Aufklärungsteams sicher
von getöteten Zivilisten ausgingen.
In einem Interview mit der Bild am Sonntag vom gleichen
Tage erklärte der damalige Bundesminister der Verteidi-
gung Dr. Franz Josef Jung, es seien,
„nach allen mir zur Zeit vorliegenden Informatio-
nen […] ausschließlich terroristische Taliban getö-
tet worden.“5
Am 7. September 2009 relativierte Bundesminister
Dr. Jung seine Aussagen zu zivilen Opfern. Laut Spiegel
äußerte er im ZDF, eindeutig erscheine ihm, „dass der
überwiegende Anteil Taliban gewesen sind“. Kritik der
Opposition an seiner Informationspolitik wies er zurück.
6
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel führte in ihrer Regie-
rungserklärung am 8. September 2009 aus, dass es wider-
sprüchliche Meldungen über zivile Opfer gebe, sie jeden
unschuldig Verletzten oder zu Tode gekommenen zutiefst
bedauere und sagte eine „lückenlose Aufklärung“ des
Vorfalls zu.
7
Inzwischen gab es weitere Kritik am Verhalten von
Oberst Klein.
8
Er habe gegenüber den Bomberpiloten
falsche Angaben gemacht und auf eine Warnung der
Menschen vor Ort verzichtet.
9
Der Untersuchungsbericht
der NATO, der Ende Oktober 2009 vorlag, belastete
Oberst Klein ebenfalls. Laut Medienberichterstattung
4) Spiegel Online vom 5. September 2009 (Fn. 3).
5) Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift, wird
bekämpft“ (Dokument 4).
6) Spiegel Online vom 7. September 2009, „Jung relativiert Aussage
zu zivilen Opfern“ (Dokument 5).
7) Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin zu den aktuel-
len Ereignissen in Afghanistan vom 8. September 2009, BT-PlPr.
16/233 (Dokument 6), S. 26297 f.
8) Financial Times Deutschland vom 18. September 2009, „Neue
Vorwürfe gegen deutschen Kommandeur“ (Dokument 7).
9) Der Spiegel vom 21. September 2009, „Schießbefehl vom Roten
Baron“ (Dokument 8).
Drucksache 17/7400 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
habe er mit dem Befehl zur Bombardierung gegen Ein-
satzregeln verstoßen.
10
Nach der Bundestagswahl am 27. September 2009 über-
nahm Dr. Franz Josef Jung das Amt des Bundesministers
für Arbeit und Soziales. Karl-Theodor Freiherr zu Gut-
tenberg wurde am 28. Oktober 2009 Bundesminister der
Verteidigung. Er sprach erstmals von „kriegsähnlichen
Zuständen“ in Afghanistan und bewertete den Luftschlag
als „militärisch angemessen“.11
In der Folge eines Berichtes der Bild-Zeitung vom 26.
November 2009, nach dem ein vertraulicher Untersu-
chungsbericht der Bundeswehr vorliege
12
, entließ Bun-
desminister der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg den
damaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, General
Wolfgang Schneiderhan, sowie den Staatssekretär im
Bundesministerium der Verteidigung, Dr. Peter Wi-
chert.
13
Beide Entlassungen stünden im Zusammenhang
mit Versäumnissen bei der Aufarbeitung der Abläufe der
Luftangriffe in Kunduz.
14
Am nächsten Tag trat Dr. Jung
von seinem Amt als Bundesminister für Arbeit und Sozia-
les zurück, um „die politische Verantwortung für die
interne Informationspolitik“ im Bundesministerium der
Verteidigung nach dem Luftangriff in Kunduz zu über-
nehmen.
15
Am 1. Dezember 2009 haben sowohl die Koalitionsfrak-
tionen als auch die Oppositionsfraktionen Anträge auf
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Verteidi-
gungsausschuss gestellt:
Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP im Verteidi-
gungsausschuss des Deutschen Bundestages haben die
Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner um Ergänzung der
Tagesordnung für die 5. Sitzung des Verteidigungsaus-
schusses am 2. Dezember 2009 ersucht und die Konsti-
tuierung des Verteidigungsausschusses als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundge-
setz mit folgendem Untersuchungsauftrag beantragt:
16
„Gegenstand der Untersuchung soll dabei sein:
1. Welche Meldungen wurden wann und an wen
im Zusammenhang mit dem Luftangriff vom 4.
September 2009 auf die beiden Tanklastzüge am
Kunduz-Fluss aus dem deutschen Verantwor-
tungsbereich RC-North abgesetzt?
2. Welche Meldungen und Berichte über den Vor-
gang lagen dem damaligen Bundesminister der
10) Süddeutsche Zeitung vom 30. Oktober 2009, „Gegen Einsatzre-
geln verstoßen“ (Dokument 9); Tagesspiegel vom 4. November
2009, „Regelverstöße bei Angriff in Kunduz“ (Dokument 10).
11) Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009, „Wir brauchen
Rechtssicherheit für unsere Soldaten“ (Dokument 11).
12) Bildzeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime Bom-
ben-Video der Bundeswehr“ und „Hat Minister Jung die Wahrheit
verschwiegen?“ (Dokument 12).
13) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/7, S. 388 (Dokument 13).
14) Tagesbefehl des Ministers zu Guttenberg vom 26. November
2009 (Dokument 14).
15) Spiegel Online vom 27. November 2009, „Opposition jubelt,
Regierung zollt Respekt“ (Dokument 15).
16) A-Drs. des Verteidigungsausschusses Nr. 17(12) 8.
Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, seinen Staats-
sekretären und dem Generalinspekteur wann vor?
3. Wie sind die befohlenen Meldewege und -ver-
fahren im Bundesministerium der Verteidigung
organisiert und wie wurde die Unterrichtung der
politischen und militärischen Entscheidungsträger
im Bundesministerium der Verteidigung sicherge-
stellt?
4. Gehört zu den befohlenen Meldewegen und -
verfahren auch die Information des Bundeskanz-
leramtes und des Auswärtigen Amtes über jedes
militärische Geschehen mit besonderer Bedeutung
im Verantwortungsbereich der Bundeswehr?
5. Welche Meldungen und Berichte lagen dem
Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-
Theodor Freiherr zu Guttenberg, seit Amtsantritt
wann vor?
6. Welche Erkenntnisse wurden aus dem Luftang-
riff gewonnen und welche Nachsteuerungen wur-
den in nationaler Verantwortung vorgenommen?“
Die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN im Verteidigungsausschuss haben
ebenfalls am 1. Dezember 2009 einen Antrag für die 5.
Sitzung des Verteidigungsausschusses auf Konstituierung
des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsaus-
schuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz mit folgen-
dem Untersuchungsauftrag vorgelegt:
17
„Der Ausschuss hat den Auftrag, den durch den
militärischen Leiter des Provinz-Wiederaufbau-
teams (PRT) in Kunduz (Afghanistan) veranlassten
Luftschlag auf zwei Tanklaster am 3./4. September
2009, Verantwortlichkeiten für diesen Einsatz und
die diesbezügliche Aufklärungs- und Informati-
onspolitik der Bundesregierung umfassend zu un-
tersuchen und dabei insbesondere zu klären:
1. Wurde der Einsatz in Übereinstimmung mit den
Befehlen und den neuen Einsatzrichtlinien des
COM ISAF und der Bundeswehr durchgeführt?
Hat die Bundesregierung diese Einsatzrichtlinien
und Einsatzbefehle umgesetzt – und wenn ja, wie?
2. Wer im Verantwortungsbereich der Bundeswehr
und der Bundesregierung hatte zu welchem Zeit-
punkt welche Erkenntnisse über die tatsächliche
und militärische Aufklärung, Motivlage, Durch-
führung und die Folgen des Luftschlages?
3. Welche dieser Informationen wurden wann und
durch wen an die militärische Leitung oder an das
Bundesministerium der Verteidigung und seine po-
litische Leitung oder an sonstige Stellen im Ver-
antwortungsbereich der Bundesregierung sowie an
inländische oder ausländische dritte Stellen wei-
tergegeben?
17) A-Drs. des Verteidigungsausschusses Nr. 17(12) 9.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7400
4. Welche Berichte, Informationen und Erkenn-
tnisse waren zu welchem Zeitpunkt Grundlage für
die tatsächliche, rechtliche und politische Bewer-
tung dieses Luftschlages durch die Mitglieder und
Mitarbeiter der damaligen sowie der heutigen
Bundesregierung und wurden diese Bewertungen
jeweils auf bestmöglicher Informationsgrundlage
sowie fachlich und sachlich objektiv zutreffend
(lege artis) vorgenommen?
5. Welche der im Bereich der Bundeswehr bzw.
der Bundesregierung hierzu vorliegenden Informa-
tionen haben Mitglieder oder Mitarbeiter der Bun-
desregierung wann an den Deutschen Bundestag
und seine Fachausschüsse, an inländische oder
ausländische dritte Stellen sowie an die Öffent-
lichkeit weitergegeben?
6. Für den Fall, dass Informationen falsch, unvoll-
ständig oder überhaupt nicht weitergegeben wor-
den sind:
Welche der beteiligten Personen hat innerhalb des
Bereiches der Bundesregierung, gegenüber dem
Deutschen Bundestag, gegenüber der Öffentlich-
keit oder gegenüber Dritten wie, warum, auf wes-
sen Veranlassung, mit wessen Hilfe und mit wes-
sen Kenntnis falsch, unvollständig oder überhaupt
nicht informiert und welche Vereinbarungen und
Motivlagen hat es hier zu gegebenenfalls gege-
ben?“
In der 5. Sitzung des Verteidigungsausschusses am 2. De-
zember 2009 ist Einvernehmen erzielt worden, den Ver-
teidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss ge-
mäß Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz einzusetzen. Von
den Oppositionsfraktionen ist dabei betont worden, dass
es ein Gebot der Transparenz sei, öffentliche Sitzungen
durchzuführen, wenn nicht militärische Details, sondern
politische Verantwortlichkeiten besprochen würden.
18
Die
CDU/CSU-Fraktion hat sich grundsätzlich für ein Beibe-
halten des Prinzips der Nichtöffentlichkeit von Aus-
schusssitzungen ausgesprochen. Im Einzelfall seien aber
öffentliche Sitzungen möglich, wenn dies aus Gründen
der Transparenz geboten sei und keine geheimhaltungs-
bedürftigen Dinge zur Sprache kämen.
19
Im Nachgang zur Sitzung kamen die Obleute überein, auf
der Grundlage der gestellten Anträge einen gemeinsamen
Untersuchungsauftrag zu fertigen.
I. Konstituierung des Untersuchungsaus-
schusses und Untersuchungsauftrag
Unter Leitung der Vorsitzenden des Verteidigungsaus-
schusses, Dr. h. c. Susanne Kastner, ist die konstituieren-
de Sitzung des Verteidigungsausschusses als 1. Untersu-
chungsausschuss am 16. Dezember 2009 mit folgenden
Tagesordnungspunkten durchgeführt worden:
18) Verteidigungsausschuss, Kurzprotokoll der 5. Sitzung, S. 11 f.
19) Verteidigungsausschuss, Kurzprotokoll der 5. Sitzung, S. 10.
1. Konstituierung des Verteidigungsausschusses
als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a
Abs. 2 Grundgesetz.
2. Beratung des Untersuchungsauftrages auf der
Grundlage der Beschlussfassung des Verteidi-
gungsausschusses in der 5. Sitzung vom 2. Dezem-
ber 2009.
In dieser konstituierenden Sitzung hat die Vorsitzende
erklärt, dass auf der Grundlage des gemeinsamen Antra-
ges der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion sowie
des gemeinsamen Antrages der Fraktionen der SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Verteidi-
gungsausschuss in seiner Sitzung am 2. Dezember 2009
einstimmig beschlossen habe, sich als 1. Untersuchungs-
ausschuss einzusetzen. Dieser Beschluss werde mit der
heutigen Zusammenkunft zur 1. Sitzung des Untersu-
chungsausschusses gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundge-
setz vollzogen. Damit habe sich der Verteidigungsaus-
schuss als 1. Untersuchungsausschuss in der 17. Wahl-
periode gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz am
16. Dezember 2009 konstituiert.
20
1. Untersuchungsauftrag
Die Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben
dem Verteidigungsausschuss am 14. Dezember 2009 als
Ergebnis eines Abstimmungsgespräches zwischen den
Obleuten einen gemeinsamen Antrag zum Untersu-
chungsauftrag auf Ausschussdrucksache Nr. 17(12)120
mit folgendem Wortlaut vorgelegt:
„Der Ausschuss hat den Auftrag, den durch den
militärischen Leiter des Provinz-Wiederaufbau-
teams (PRT) in Kunduz/Afghanistan veranlassten
Luftangriff auf zwei Tanklastwagen am 3./4. Sep-
tember 2009, die diesbezügliche Aufklärungs- und
Informationspraxis der Bundesregierung sowie die
Vereinbarkeit der gewählten Vorgehensweisen mit
nationalen und multinationalen politischen, rech-
tlichen und militärischen Vorgaben für den Einsatz
in Afghanistan umfassend zu untersuchen und da-
bei insbesondere zu klären:
1. Wer im Verantwortungsbereich der Bundeswehr
und der Bundesregierung, insbesondere im Bun-
desministerium der Verteidigung, im Auswärtigen
Amt sowie im Bundeskanzleramt, hatte zu wel-
chem Zeitpunkt von wem welche Kenntnisse über
die Aufklärung, Beweggründe und Durchführung
sowie über die Folgen des Luftangriffs?
2. Welche dieser Informationen wurden wann und
durch wen auf welchen Meldewegen und mithilfe
welcher Meldeverfahren an das Bundesministe-
rium der Verteidigung, seine militärische Führung
und seine politische Leitung oder an sonstige Stel-
len im Verantwortungsbereich der Bundesregie-
20) Kurzprotokoll der 1. Sitzung, S. 2.
Drucksache 17/7400 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
rung sowie an inländische und ausländische dritte
Stellen weitergegeben?
3. Welche Berichte, Informationen und Erkenn-
tnisse waren zu welchem Zeitpunkt Grundlage für
die tatsächliche, rechtliche und politische Bewer-
tung dieses Luftangriffs durch Mitglieder und Mi-
tarbeiter der damaligen sowie der heutigen Bun-
desregierung und wurden diese Bewertungen je-
weils auf bestmöglicher Informationsgrundlage
sowie fachlich und sachlich angemessen (lege ar-
tis) vorgenommen?
4. Welche der im Bereich der Bundeswehr bzw.
der Bundesregierung vorliegenden Informationen
zum Luftangriff haben Mitglieder oder Mitarbeiter
der Bundesregierung wann an den Deutschen
Bundestag uns seine Fachausschüsse, an inländi-
sche oder ausländische dritte Stellen sowie an die
Öffentlichkeit weitergegeben?
5. Für den Fall, dass Informationen falsch, unvoll-
ständig oder überhaupt nicht weitergegeben wor-
den sind: Welche der beteiligten Personen hat in-
nerhalb des Bereichs der Bundesregierung, gege-
nüber Dritten wie, warum, auf wessen Veranlas-
sung, mit wessen Hilfe und mit wessen Kenntnis
falsch, unvollständig oder überhaupt nicht infor-
miert und welche Vereinbarungen und Beweg-
gründe lagen dem gegebenenfalls zugrunde?
6. Gab es – und falls ja: wann, wie, durch wen, auf
wessen Veranlassung und mit wessen Kenntnis –
aus dem Bereich der Bundesregierung Bemühun-
gen, Einfluss zu nehmen auf die Erstellung von
Verlautbarungen, Berichten oder sonstigen Doku-
menten innerhalb oder außerhalb der Bundesregie-
rung, die die Ereignisse vom 3./4. September 2009
selbst oder den nachträglichen Umgang mit diesen
zum Gegenstand hatten oder hätten haben sollen?
7. Wurde der Einsatz in Übereinstimmung mit den
politischen Mandaten, der operativen Planung so-
wie den Befehlen und Einsatzrichtlinien des COM
ISAF und der Bundeswehr durchgeführt? Hat die
Bundesregierung diese Einsatzrichtlinien in Ein-
satzbefehle umgesetzt – und wenn ja: wann? Wel-
che Nachsteuerungen wurden gegebenenfalls in
nationaler Verantwortung mit Blick auf die Zu-
kunft vorgenommen oder müssen noch vorge-
nommen werden?“
Der Antrag ist in der ersten Sitzung des Verteidigungs-
ausschusses als 1. Untersuchungsausschuss am 16. De-
zember 2009 einstimmig beschlossen worden.
2. Mitglieder des Untersuchungsausschus-
ses
Die Fraktionen haben folgende Ausschussmitglieder be-
nannt:
Fraktion der CDU/CSU
Ordentliche Mitglieder
– Ernst-Reinhard Beck
– Michael Brand
– Dr. Reinhard Brandl
– Ingo Gädechens
– Markus Grübel
– Florian Hahn
– Jürgen Hardt
– Robert Hochbaum
– Dr. Karl A. Lamers
– Henning Otte
– Sybille Pfeiffer (bis 27. September 2010)
– Anita Schäfer
– Bernd Siebert (ab 27. September 2010)
– Karin Strenz
Stellvertretende Mitglieder
– Dorothee Bär (bis 26. Januar 2010)
– Veronika Bellmann
– Clemens Binninger
– Dr. Michael Fuchs (bis 12. Januar 2010)
– Dr. Wolfgang Götzer (ab 26. Januar 2010)
– Jürgen Herrmann
– Christian Hirte
– Siegfried Kauder (ab 12. Januar 2010 bis 19. Sep-
tember 2011)
– Axel Knoerig
– Dr. Rolf Koschorrek
– Michaela Noll (bis 17. Mai 2010)
– Dr. Joachim Pfeiffer
– Dr. Andreas Schockenhoff
– Detlef Seif (ab 17. Mai 2010)
– Thomas Silberhorn
– Marcus Weinberg
Fraktion der SPD
Ordentliche Mitglieder
– Rainer Arnold
– Dr. Hans-Peter Bartels
– Karin Evers-Meyer
– Michael Groschek
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7400
– Dr. h. c. Susanne Kastner
– Lars Klingbeil
– Fritz-Rudolf Körper
– Ullrich Meßmer
Stellvertretende Mitglieder
– Uwe Karl Beckmeyer
– Bernhard Brinkmann
– Dr. Peter Danckert
– Dr. h. c. Gernot Erler
– Gabriele Fograscher
– Dr. Edgar Franke
– Johannes Kahrs
– Uta Zapf
Fraktion der FDP
Ordentliche Mitglieder
– Rainer Erdel (ab 8. Juni 2010)
– Elke Hoff
– Hellmut Königshaus (bis 8. Juni 2010)
– Burkhard Müller-Sönsken
– Christoph Schnurr
– Joachim Spatz
Stellvertretende Mitglieder
– Dr. Bijan Djir-Sarai (ab 23. März 2010)
– Rainer Erdel (bis 8. Juni 2010)
– Jörg van Essen
– Dr. h. c. Jürgen Koppelin
– Holger Krestel (ab 8. Juni 2010)
– Christian Lindner (bis 23. März 2010)
– Dr. Rainer Stinner
Fraktion DIE LINKE
Ordentliche Mitglieder
– Christine Buchholz
– Inge Höger
– Harald Koch
– Paul Schäfer
Stellvertretende Mitglieder
– Jan van Aken
– Sevim Dağdelen (bis 25. Februar 2010)
– Wolfgang Nešković (ab 25. Februar 2010)
– Stefan Liebich
– Kathrin Vogler
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ordentliche Mitglieder
– Katja Keul
– Tom Koenigs
– Agnes Malczak
– Omid Nouripour
Stellvertretende Mitglieder
– Alexander Bonde
– Hans-Josef Fell
– Dr. Frithjof Schmidt
– Wolfgang Wieland
Nach der Konstituierung des Verteidigungsausschusses
als 1. Untersuchungsausschuss hat es folgende Änderun-
gen in der Zusammensetzung gegeben:
Von der Fraktion der FDP ist Abgeordneter Dr. Bijan
Djir-Sarai am 23. März 2010 für Abgeordneten Christian
Lindner als stellvertretendes Mitglied benannt worden.
Am 8. Juni 2010 hat die FDP-Fraktion Abgeordneten
Holger Krestel für den Abgeordneten Rainer Erdel als
stellvertretendes Mitglied und den Abgeordneten Rainer
Erdel für den Abgeordneten Hellmut Königshaus als
ordentliches Mitglied benannt. Begrenzt für die Sitzung
am 1. Juli 2010 hat die Fraktion DIE LINKE. den Ab-
geordneten Stefan Liebich für die Abgeordnete Christine
Buchholz als ordentliches Mitglied benannt. Abgeordneter
Jan van Aken ist von der Fraktion DIE LINKE. für die
Sitzung am 28. Oktober 2010 als ordentliches Mitglied
für den Abgeordneten Harald Koch benannt worden.
Die Fraktion der CDU/CSU hat am 12. Januar 2010 Ab-
geordneten Siegfried Kauder für Abgeordneten
Dr. Michael Fuchs als stellvertretendes Mitglied benannt.
Am 26. Januar 2010 sind der Abgeordnete Dr. Wolfgang
Götzer für die Abgeordnete Dorothee Bär als stellvertre-
tendes Mitglied sowie am 27. September 2010 Bernd
Siebert für die Abgeordnete Sybille Pfeiffer als ordentli-
ches Mitglied benannt worden.
3. Vorsitz, stellvertretender Vorsitz sowie
Sprecher, Berichterstatter und Vertreter im
Interfraktionellen Gremium
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Dr. h. c.
Susanne Kastner (SPD), hat regelmäßig den Vorsitz im
Untersuchungsausschuss wahrgenommen. Stellvertreten-
der Vorsitzender ist der Abgeordnete Dr. Karl A. Lamers
(CDU/CSU) gewesen. Dieser hat die 11. und die 58. Sit-
zung des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungs-
ausschuss geleitet und die Vorsitzende in den anderen
Sitzungen temporär vertreten.
Drucksache 17/7400 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Sprecher der Fraktionen im Verteidigungsausschuss,
die Abgeordneten Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU),
Rainer Arnold (SPD), Paul Schäfer (DIE LINKE.) und
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben
diese Funktion auch im Untersuchungsausschuss wahrge-
nommen. Für die FDP-Bundestagfraktion im Untersu-
chungsausschuss hat diese Aufgabe bis zum 22. April
2010 der Abgeordnete Hellmut Königshaus (FDP) und
danach der Abgeordnete Joachim Spatz (FDP) ausgeübt.
Als Berichterstatter im Untersuchungsausschuss wurden
für die CDU/CSU-Fraktion die Abgeordneten Michael
Brand und Hennig Otte bestimmt. Berichterstatterin der
Fraktion DIE LINKE. ist die Abgeordnete Inge Höger
gewesen. Bei den Fraktionen der SPD, der FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben die Sprecher auch
die Funktion eines Berichterstatters im Untersuchungs-
ausschuss ausgeübt.
Als Vertreter im so genannten Interfraktionellen Gremium
sind neben den Sprechern benannt worden für die
CDU/CSU-Fraktion die Abgeordneten Michael Brand
und Henning Otte, für die SPD-Fraktion die Abgeordne-
ten Dr. Hans Peter Bartels und Karin Evers-Meyer, für
die FDP bis zum 22. April 2010 der Abgeordnete Hellmut
Königshaus und anschließend der Abgeordnete Joachim
Spatz, für die Fraktion DIE LINKE. die Abgeordnete Inge
Höger und für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Abgeordnete Katja Keul.
4. Benannte und ermächtigte Mitarbeiter der
Fraktionen
Folgende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen
sind für die Teilnahme an den Sitzungen des Verteidi-
gungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss gemäß
Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz benannt worden:
Fraktion der CDU/CSU:
– Ina Bremer
– Claudia von Cossel
– Andreas Henne
– Dr. Oliver Klein
– Kathrin Lenhardt (bis 30. Juni 2011)
– Sathia Lorenz
– Martina Schreckenbach
– Bernd Weber
– Volker Zimmermann
Fraktion der SPD:
– Johannes von Ahlefeldt (ab 22. April 2010)
– Ulrike Fleischer
– Christian Heyer
– Alexandra Rodekurth (bis 31. August 2010)
– Axel Schneider
– Nathalie Seiler (ab 12. August 2010)
– Albrecht von Wangenheim
Fraktion der FDP:
– Tim Heerhorst (bis 14. Oktober 2010)
– Juliane Puls (bis 08. Juni 2010)
– Sebastian Schweiger (ab 6. April 2010)
Fraktion DIE LINKE.:
– Dr. Kirsten Jansen
– Dr. Alexander Neu
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
– Denise Bentele (8. Februar 2010 bis 31. Dezember
2010)
– Steffen Buchsteiner
– Dr. Verena Haan (ab 1. Januar 2011)
– Sascha Hach
– Andreas Körner (bis 8. Februar 2010)
– Ann-Kristin Otto
– Nicole Wermer
– Christian Wussow
5. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bun-
destages
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Rein-
hold Robbe (bis 12. Mai 2010), und ab dem 20. Mai 2010
Hellmut Königshaus, hat an einigen Sitzungen des Unter-
suchungsausschusses persönlich teilgenommen.
6. Beauftragte der Bundesregierung
Die nachfolgenden benannten Beauftragten der Bundes-
regierung sind dem Sekretariat des Untersuchungsaus-
schusses schriftlich benannt worden und sind ermächtigt
gewesen, als Vertreter ihrer Behörde an den Sitzungen
des Untersuchungsausschusses teilzunehmen:
Bundeskanzleramt:
– Regierungsdirektor Matthias Garrelfs
– Vortragender Legationsrat Bernd Heinze
– Ministerialdirigent Dr. Hans Hofmann
– Ministerialrätin Christel Jagst
– Oberstleutnant Dierk von Jagow
– Oberst i. G. Reiner Just
– Oberregierungsrat Guido Keysser
– Oberstleutnant i. G. Martin Krüger
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7400
– Oberregierungsrätin Beate Pagelsdorf
– Oberregierungsrat Georg Schäfer
– Regierungsdirektorin Dr. Susanne Schmidt-Radefeldt
– Regierungsdirektorin Christiane Tietz
– Regierungsoberinspektorin Heidje Winklmüller
Bundesministerium der Verteidigung:
– Ministerialdirigent Ulrich Birkenheier
– Regierungsdirektor Carsten Denecke
– Oberstleutnant i. G. Andreas Durst
– Oberst i. G. Andreas Helmut Hannemann
– Oberstleutnant i. G. Dietrich Klaus Jensch
– Regierungsdirektor Jens Kessemeier
– Oberst i. G. Uwe Nerger
– Joachim Peter
– Regierungsdirektor Hans-Joachim Sauerwald
– Ministerialrat Stefan Sohm
– Leitende Regierungsdirektorin Sylvia Spies
– Regierungsrat Dr. Christoph Schwegmann
– Oberregierungsrat Björn Theis
– Oberstleutnant i. G. Michael Westermann
Auswärtiges Amt:
– Legationsrätin Maria Adebahr
– Vortragende Legationsrätin Susanne Baumann
– Legationsrat Erster Klasse Ricklef Beutin (bis zum 1.
Juli 2011)
– Vortragender Legationsrat Erster Klasse Dr. Ole
Diehl
– Legationsrätin Irene Eidemüller (ab dem 4. Juli
2011)
– Carolin Homburg
– Vortragender Legationsrat Volker Pellet
– Konsulatssekretärin Elisabeth Pellkofer
– Konsulatssekretärin Isabell-Maria Turzer
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung:
– Vortragender Legationsrat Erster Klasse Stefan Herz-
berg
– Oberstleutnant Burkhard Lindhorst
Bundesministerium des Innern:
– Ministerialrat Torsten Akmann
– Regierungsamtsrätin Sonja Hornke
Bundesministerium der Justiz:
– Ministerialrat Dr. Michael Greßmann
– Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Thorsten
Jobs
– Staatsanwalt Dieter Killmer
– Ministerialrat Detlef Wasser
– Richter am Landgericht Robert Winter
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung:
– Regierungsdirektorin Petra Hippmann
– Dr. Iris-Angela Müller
– Regierungsrätin Katharina Peter
7. Sekretariat des Untersuchungsausschus-
ses
Angegliedert an das Sekretariat des Verteidigungsaus-
schusses unter Leitung von Ministerialrat Hans-Ulrich
Gerland ist ein Sekretariat des Untersuchungsausschusses
eingerichtet worden. In dessen Aufgabenbereich sind die
inhaltliche und organisatorische Vor- und Nachbereitung
der Ausschusssitzungen, die Klärung von Rechts- und
Verfahrensfragen, die Ausfertigung und Umsetzung von
Beschlüssen sowie die Erstellung eines Berichtsentwurfs
gefallen. Dem Sekretariat haben angehört:
Leitung:
– Regierungsdirektor Dr. Enrico Brissa (bis zum 14.
Februar 2011)
– Regierungsdirektor Harald Georgii (ab dem 14. Feb-
ruar 2011)
Vertretung:
– Regierungsdirektor Norman Plaster (bis zum 31.
August 2011)
Sachbearbeiterin
– Oberamtsrätin Angelika Fülbier
1. Ausschusssekretärin:
– Marianne Steinert (bis zum 31.Dezember 2010)
– Jana Schumann (ab dem 1. Januar 2011)
2. Ausschusssekretärin
– Denise Kayser
Darüber hinaus sind ab dem 13. Januar 2010 die geprüften
Rechtskandidatinnen Marie-Christin Meier und Madlen
Jahn (bis 31. Oktober 2010) sowie Johanna Hortolani (ab
3. November 2010) und Antje Schulze (ab 7. Februar
2011) im Sekretariat eingesetzt worden. Die Arbeit des
Sekretariats ist des Weiteren durch die studentischen
Hilfskräfte Hans Rosenbaum (ab 13. Januar 2010) und
Drucksache 17/7400 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Salvador E. Becker (13. Januar 2010 bis 11. März 2011)
unterstützt worden.
II. Verfahren und Untersuchungen mit sachli-
chem Bezug zum Untersuchungsauftrag
Nachfolgend aufgeführte Untersuchungen und Verfahren
haben einen sachlichen Bezug zum Untersuchungsauftrag
des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsaus-
schuss aufgewiesen:
1. Strafrechtliche Ermittlungen
Nachdem bekannt geworden war, dass bei dem am 4.
September 2009 ausgeführten Luftschlag möglicherweise
auch unbeteiligte Zivilpersonen getötet worden waren, hat
die Staatsanwaltschaft Potsdam im Rahmen ihrer Eilzu-
ständigkeit am 7. September 2009 ein Vorprüfungsverfah-
ren eingeleitet, um zu untersuchen, ob ein strafrechtlicher
Anfangsverdacht gegen Oberst i. G. Klein besteht und den
Vorgang am selben Tag an die zuständige Staatsanwalt-
schaft Leipzig abgegeben.
Mit Verfügung vom 9. September 2009 hat der General-
staatsanwalt des Freistaates Sachsen die Amtsverrichtung
der Staatsanwaltschaft in diesem Fall übernommen. Nach
Prüfung der Rechtslage ist die Generalstaatsanwaltschaft
Dresden zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich in
Afghanistan um einen „bewaffneten Konflikt“ handele, in
dessen Zusammenhang das prüfungsgegenständliche
Verhalten gestanden habe, so dass eine Strafbarkeit zu-
vörderst nach den Vorschriften des Völkerstrafgesetzbu-
ches in Betracht komme.
Da die Zuständigkeit für die Verfolgung von Straftaten
nach dem Völkerstrafgesetzbuch beim Generalbundesan-
walt beim Bundesgerichtshof liegt, hat die Generalstaats-
anwaltschaft des Freistaates Sachsen den Vorgang mit
Schreiben vom 11. September 2009 dem Generalbundes-
anwalt beim Bundesgerichtshof vorgelegt.
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat
mit Verfügung vom 12. März 2010 ein Ermittlungsverfah-
ren wegen des Verdachts einer Strafbarkeit nach dem
VStGB und anderer Delikte eingeleitet.
Die Bundesanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren
gegen Oberst i. G. Klein und Hauptfeldwebel W. wegen
des Luftangriffs vom 4. September 2009 in der Nähe von
Kunduz am 16. April 2010 gemäß § 170 Abs. 2 Strafpro-
zessordnung (StPO) eingestellt, weil im Ergebnis weder
die Vorschriften des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB)
noch die Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB)
erfüllt seien.
Dem Untersuchungsausschuss hat die vollständige als
GEHEIM eingestufte Einstellungsverfügung vorgelegen.
Unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Einhaltung
des Geheimschutzes hat die Pressestelle des Generalbun-
desanwalts beim Bundesgerichtshof am 19. April 2010
folgende Aussagen zu den Gründen der Entscheidung
bekannt gegeben:
21
„1. Bei den Auseinandersetzungen zwischen den
aufständischen Taliban und der afghanischen Re-
gierung sowie der ISAF in Afghanistan handelt es
sich um einen nichtinternationalen bewaffneten
Konflikt im Sinne des Völkerstrafrechts. Die Sol-
daten der Bundeswehr sind im Rahmen des ISAF-
Einsatzes reguläre Kombattanten, eine Strafbarkeit
scheidet daher aus, soweit völkerrechtlich zulässi-
ge Kampfhandlungen vorliegen.
2. Die Anordnung des Bombenabwurfs auf die
beiden durch Talibankämpfer geraubten Tanklast-
züge erfüllt nicht den Tatbestand des § 11 Abs. 1
Nr. 3 VStGB (Verbotene Methoden der Kriegsfüh-
rung). Dieser setzt in subjektiver Hinsicht die si-
chere Erwartung des Täters voraus, dass der Ang-
riff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen
oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem
Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu
dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittel-
baren militärischen Vorteil steht. Das hiernach für
dieses Delikt maßgebliche Vorstellungsbild der
Beschuldigten und die Grundlagen des subjektiven
Tatbestandes bilden den Kern der völkerstrafrech-
tlichen Beurteilung des Luftangriffs. Nach dem
Ergebnis der Ermittlungen sind die Beschuldigten
schon nicht davon ausgegangen, dass sich zum
Zeitpunkt des Luftangriffs Zivilisten auf der Sand-
bank des Kunduz-Flusses aufhielten. Diese Frage
war Gegenstand der Erörterungen des etwa einein-
halbstündigen Entscheidungsprozesses bis zum
Bombenabwurf. Nach Ausschöpfung der ihnen in
der konkreten militärischen Lage zur Verfügung
stehenden Erkenntnismöglichkeiten hatten die Be-
schuldigten keine Hinweise auf die Anwesenheit
von Zivilisten. Vielmehr konnten sie nach gewis-
senhafter und immer wieder aktualisierter Prüfung
aller ihnen zum Geschehensablauf bekannten Fak-
ten und Umstände annehmen, dass ausschließlich
Aufständische vor Ort waren.
3. Auch sonstige Tatbestände des VStGB (§ 8 und
§ 11 Abs. 1 Nr. 1) sind nicht erfüllt, weil keine der
von diesen Vorschriften geschützten Personen-
gruppen Ziel des Luftangriffs waren.
4. Die Normen des allgemeinen Strafrechts sind
neben denen des VStGB anwendbar. Der Gesetz-
geber hat mit der Einführung des Völkerstrafge-
setzbuches keine abschließende Regelung getrof-
fen. Nach dem Ergebnis von historischer, systema-
tischer, teleologischer und verfassungsbezogener
Auslegung der Zuständigkeitsnorm des § 120
Abs. 1 Nr. 8 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist
der Generalbundesanwalt dafür zuständig, alle in
21) Pressemitteilung 8/2010 des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof vom 19. April 2010 (Dokument 16).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/7400
diesem Zusammenhang relevanten strafrechtlichen
Tatbestände abschließend zu prüfen.
5. Der Abwurf von Bomben auf Ziele, in deren
unmittelbarer Nähe sich Menschen aufhalten, ist
auch nach den Vorschriften des deutschen Strafge-
setzbuchs bei Geltung des Konfliktvölkerrechts
immer dann gerechtfertigt und damit straflos,
wenn der militärische Angriff völkerrechtlich zu-
lässig ist. So liegt der Fall hier:
a) Soweit die getöteten Menschen zu den Aufstän-
dischen gehörten, durfte ihnen als Kämpfer der
nichtstaatlichen Konfliktpartei der Angriff gelten.
Eine Bekämpfung der vor Ort befindlichen Tali-
ban-Gruppen war am Boden ohne Risiko für die
eigenen Truppen nicht möglich. Die Inkaufnahme
einer solchen Gefährdung ist dem Befehlshaber
nach dem Konfliktvölkerrecht nicht abzuverlan-
gen.
b) Bei den anderen Getöteten und Verletzten ist
davon auszugehen, dass es sich um vom humanitä-
ren Konfliktvölkerrecht geschützte Zivilisten han-
delte, die nicht unmittelbar an Feindseligkeiten
teilnahmen. Gleichwohl war der Angriffsbefehl
völkerrechtlich zulässig. Auch bei der nach Völ-
kerrecht zu treffenden Prüfung ist die Perspektive
des Angreifenden zur Tatzeit zugrunde zu legen,
nicht ein erst nachträglich erkennbarer tatsächli-
cher Verlauf. Oberst Klein, der sich der Verpflich-
tung bewusst war, zivile Opfer soweit irgend mög-
lich zu vermeiden, hat hierbei keine ihm gebotene
und praktikable Aufklärung unterlassen. Nach
Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden
Erkenntnisquellen war in der konkreten zeitkriti-
schen militärischen Situation vielmehr eine weitere
Aufklärung nicht möglich, so dass er nach den ihm
vorliegenden Informationen nicht mit der Anwe-
senheit geschützter Zivilisten rechnen musste.
Rechtlich ist auf Folgendes hinzuweisen: Selbst
wenn man mit zivilen Opfern einer Militäraktion
rechnen muss, ist ein Bombenabwurf nur völker-
rechtlich unzulässig, wenn es sich um einen ‚un-
terschiedslosen„ Angriff handelt, bei dem der zu
erwartende zivile Schaden in keinem Verhältnis
zum erwarteten konkreten und unmittelbaren mili-
tärischen Erfolg steht. Dies war hier nicht der Fall:
Oberst Klein hat sich trotz des besonderen Drucks
der Entscheidungssituation für einen örtlich eng
begrenzten Einsatz mit der kleinsten zur Verfü-
gung stehenden Bombengröße und -anzahl ent-
schieden.
6. Der Beschuldigte Klein durfte davon ausgehen,
dass keine Zivilisten vor Ort waren. Deshalb war
er nicht verpflichtet, Warnhinweise vor dem mili-
tärischen Angriff zu geben.
7. Verstöße gegen innerdienstliche Vorgaben, in-
sbesondere gegen einzelne Einsatzregeln (Rules of
Engagement) sind nicht geeignet, völkerrechtlich
zulässige Handlungen einzuschränken, weil solche
Einsatzregeln rein intern gelten und ihnen keine
völkerrechtlich verbindliche Rechtswirkung nach
außen zukommt.
8. Zur genauen Anzahl der Opfer des Luftangriffs
– die für die hier vorzunehmende rechtliche Beur-
teilung nicht entscheidungserheblich ist – konnten
die zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglich-
keiten keine hinreichend sichere Aufklärung brin-
gen.
Als sicher anzusehen ist, dass zwei namentlich be-
kannte Talibanführer getötet wurden und dass
Aufständische wie auch Zivilisten unter den Op-
fern waren. Das einzig objektive Beweismittel sind
die vorhandenen Videoaufzeichnungen der
Kampfflugzeuge, auf denen 30 bis 50 Personen
zum Zeitpunkt des Luftangriffs auf der Sandbank
zu erkennen sind. In diese Größenordnung weist
auch ein Abgleich der Namen auf den in verschie-
denen Untersuchungsberichten enthaltenen Opfer-
listen. Etwa 50 Namen finden sich durchgängig in
jeder dieser Aufstellungen, Unsicherheiten bleiben
wegen unterschiedlicher Schreibweisen. Eine wei-
tere Aufklärung war und ist nicht möglich, insbe-
sondere weil der Einsatz moderner gerichtsmedizi-
nischer Untersuchungen einschließlich notwendi-
ger Exhumierungen und Obduktionen zur Über-
prüfung von Zeugenaussagen angesichts der ge-
sellschaftlichen und religiösen Gegebenheiten in
Afghanistan ausgeschlossen ist.“
2. Disziplinarrechtliche Ermittlungen
Nach Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfah-
rens hat der Inspekteur des Heeres als zuständige Einlei-
tungsbehörde disziplinare Vorermittlungen gegen Oberst
i. G. Klein aufgenommen. Auch wenn dessen Handeln
nach der Feststellung der Generalbundesanwaltschaft
keine strafrechtliche Relevanz besaß, ist zu prüfen gewe-
sen, ob der Offizier möglicherweise gegen seine Dienst-
pflichten verstoßen hat und sein Handeln insoweit ein
Dienstvergehen darstellte. Gegenstand der disziplinaren
Prüfung ist gewesen, ob Oberst i. G. Klein mit seinem
Handeln im Rahmen der von den Vereinten Nationen
(UN) mandatierten ISAF-Mission gegen die zum Ereig-
niszeitpunkt gültigen nationalen wie internationalen Ein-
satzregeln verstoßen hat. Am 19. August 2010 ist das
Vorermittlungsverfahren eingestellt und festgestellt wor-
den, dass Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen nicht
erkennbar seien.
22
22) Pressemitteilung des Presse- und Informationszentrums des
Heeres vom 19. August 2010 (Dokument 17).
Drucksache 17/7400 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Untersuchung der Dokumentenflüsse im
Bundesministerium der Verteidigung zum
Close Air Support am 4. September 2009
bei Kunduz durch Staatssekretär Rüdiger
Wolf
Auf Weisung des Bundesministers der Verteidigung zu
Guttenberg hat der Staatsekretär des Bundesministeriums
der Verteidigung Rüdiger Wolf am 30. November 2009
den Leiter des Organisationsstabes (OrgStab) beauftragt,
die Dokumentenflüsse im Bundesministerium der Vertei-
digung zum Luftangriff am 4. September 2009 bei Kun-
duz zu untersuchen. Die gewonnenen Erkenntnisse sind in
einem VS-VERTRAULICH eingestuften Bericht unter
dem 25. Februar 2010 zusammengefasst und dem Bun-
desminister der Verteidigung am 30. März 2010 vorgelegt
worden.
23
Der Bericht hat dem Untersuchungsausschuss
als beigezogenes Material vorgelegen.
4. Zivilrechtliches Entschädigungsverfahren
Einer der beiden Fahrer der Tanklastwagen hat vor dem
Landgericht Bonn Klage gegen die Bundesrepublik
Deutschland auf Schmerzensgeld und Ersatz sämtlicher
Schäden, die „ihm aufgrund des Bombenabwurfs am
4. September 2009 bisher entstanden sind und noch ent-
stehen werden“, erhoben. Der Schriftsatz des Prozessbe-
vollmächtigten vom 3. September 2010
24
, die Klageerwi-
derung sowie die seit dem 12. Oktober 2010 entstandenen
Unterlagen und Vermerke aus den Verfahrensakten des
Landgerichts Bonn haben dem Ausschuss als beigezoge-
nes Material vorgelegen.
25
23) Mat. 17-65, Tgb.-Nr. 12/10 – VS-VERTRAULICH.
24) Mat. 17-62.
25) Mat. 17-62a.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/7400
B. Gang der Untersuchung
I. Rechtsgrundlagen für die Arbeit des Un-
tersuchungsausschusses
Gemäß Artikel 45a Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) hat
der Verteidigungsausschuss auch die Rechte eines Unter-
suchungsausschusses. Artikel 44 Abs. 1 Grundgesetz,
nach dem nur das Plenum des Deutschen Bundestages das
Recht hat, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen,
findet nach Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz auf dem Ge-
biet der Verteidigung keine Anwendung. Rechtsgrundla-
gen für die Arbeit des Verteidigungsausschusses als Un-
tersuchungsausschuss sind weiterhin die sinngemäße
Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess, das
Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsaus-
schüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsaus-
schussgesetz – PUAG) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I
S. 1142), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 1 des
Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kosten-
rechtsmodernisierungsgesetz – KoRMoG) vom 5. Mai
2004 (BGBl. I S. 718), die Geschäftsordnung und die
Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages.
II. Beschlüsse und Absprachen zum Verfah-
ren
1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mi-
tarbeiter der Fraktionen
Der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsaus-
schuss hat in seiner 2. Sitzung am 16. Dezember 2009
beschlossen, den benannten Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern der Fraktionen gemäß § 12 Abs. 2 PUAG Zutritt
zu den nichtöffentlichen Beratungssitzungen und – soweit
die persönlichen Voraussetzungen vorliegen – auch zu
VS-eingestuften Sitzungen zu gewähren.
26
2. Einsetzung eines interfraktionellen Gre-
miums
Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen in ver-
gangenen Untersuchungsverfahren des Verteidigungsaus-
schusses ist der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-
chungsausschuss übereingekommen, zur Koordinierung
und Strukturierung der Arbeit des Untersuchungsaus-
schusses ein so genanntes interfraktionelles Gremium
einzusetzen. In seiner 2. Sitzung am 16. Dezember 2009
hat er dazu folgenden Beschluss gefasst:
„Beschluss 2 zum Verfahren
Einsetzung eines Interfraktionellen Gremiums
Der Untersuchungsausschuss setzt zur Koordinie-
rung und Strukturierung der Arbeit des Untersu-
chungsausschusses, um einen möglichst reibungs-
losen Ablauf zu gewährleisten, ein Interfraktionel-
les Gremium ein. Dieses Gremium setzt sich aus
26) Beschluss 1 zum Verfahren.
der Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsit-
zenden und Sprechern zusammen. Die Sprecher
können durch einen benannten Berichterstatter ver-
treten werden.
Abg. Dr. h. c. Susanne Kastner, Vorsitzende (SPD)
Abg. Dr. Karl A. Lamers, stellvertretender Vorsit-
zender (CDU/CSU)
Abg. Ernst-Reinhard Beck, Sprecher (CDU/CSU)
Abg. Rainer Arnold, Sprecher (SPD)
Abg. Elke Hoff, Sprecherin (FDP)
Abg. Paul Schäfer, Sprecher (DIE LINKE.)
Abg. Omid Nouripour, Sprecher (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Berichterstatter:
Abg. Michael Brand (CDU/CSU)
Abg. Henning Otte (CDU/CSU)
Abg. Dr. Hans-Peter Bartels (SPD)
Abg. Karin Evers-Meyer (SPD)
Abg. Hellmut Königshaus (FDP)
Abg. Inge Höger (DIE LINKE.)
Abg. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
An den Sitzungen dieses Interfraktionellen Gre-
miums können die für den Untersuchungsaus-
schuss von den Fraktionen benannten Mitarbeiter/-
innen teilnehmen.“
Das interfraktionelle Gremium hat in Vorbereitung der
Beschlussfassungen gegenüber dem Untersuchungsaus-
schuss Empfehlungen abgegeben. Förmliche Beschlüsse
hat es nicht fassen können. Es hat zu Beginn des Untersu-
chungsausschusses relativ regelmäßig getagt. Im Laufe
der Untersuchungen ist es aber nur noch zu einigen weni-
gen vorbereitenden Sitzungen gekommen. Insgesamt hat
das Gremium 13 mal getagt.
3. Protokollierung der Ausschusssitzungen
Nach § 11 Abs. 1 Gesetz zur Regelung des Rechts der
Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages
(PUAG) wird über die Sitzungen des Untersuchungsaus-
schusses ein Protokoll angefertigt. Gemäß Abs. 2 werden
Beweiserhebungen wörtlich protokolliert. Über die Art
der Protokollierung der Beratungen entscheidet der Unter-
suchungsausschuss.
In seiner 2. Sitzung am 16. Dezember 2009 hat der Ver-
teidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss fol-
gendes Verfahren beschlossen:
Drucksache 17/7400 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Beschluss 3 zum Verfahren
Protokollierung der Ausschusssitzungen
(§ 11 Untersuchungsausschussgesetz)
Die Protokollierung der Sitzungen des Untersu-
chungsausschusses gemäß § 11 Untersuchungsaus-
schussgesetz wird wie folgt durchgeführt:
Alle Sitzungen, die der Beweiserhebung oder sons-
tiger Informationsbeschaffung des Ausschusses
dienen, sind stenographisch aufzunehmen.
Alle Beratungen werden in einem durch das Sekre-
tariat zu fertigenden Ergebnisprotokoll (wesentli-
che Zusammenfassung) festgehalten.“
4. Behandlung der Ausschussprotokolle
Ebenfalls in der 2. Sitzung hat der Verteidigungsaus-
schuss als 1. Untersuchungsausschuss am 16. Dezember
2009 bezüglich der Vorgehensweise im Zusammenhang
mit den Ausschussprotokollen folgenden Beschluss ge-
fasst:
„Beschluss 4 zum Verfahren
Behandlung der Ausschussprotokolle
I. Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen
1. Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen erhalten
die Mitglieder des Untersuchungsausschusses und
ihre Stellvertreter, die benannten Mitarbeiter/- in-
nen der Fraktion sowie die Beauftragten der Bun-
desregierung und des Bundesrates.
2. Dritte haben grundsätzlich kein Recht auf Ein-
sichtnahme in Protokolle nichtöffentlicher Sitzun-
gen und folglich auch nicht darauf, dass ihnen Ko-
pien solcher Protokolle überlassen werden. Eine
Ausnahme besteht nur gegenüber Behörden, wenn
der Untersuchungsausschuss entschieden hat,
Amtshilfe zu leisten.
II. Protokolle VS-VERTRAULICH oder höher
eingestufter Sitzungen
Ist das Protokoll über die Aussage eines Zeugen
VS-VERTRAULICH oder höher eingestuft, so ist
dem Zeugen Gelegenheit zu geben, dies in der Ge-
heimschutzstelle des Deutschen Bundestages ein-
zusehen. Eine Kopie erhält er nicht.“
a) Änderung des Beschlusses 4 zum Verfah-
ren vor dem Hintergrund einer möglichen
öffentlichen Zeugenvereinnahmung
Vor dem Hintergrund, dass nach dem Verfahrensbe-
schluss Nr. 8 im Einzelfall auch öffentliche Zeugenver-
einnahmungen möglich geworden waren, hat der Unter-
suchungsausschuss den Beschluss 4 zum Verfahren in
seiner 3. Sitzung am 21. Januar 2010 unter Einfügung
eines Absatzes mit nachfolgender Regelung geändert:
„II. Protokolle öffentlicher Sitzungen
1. Protokolle öffentlicher Sitzungen erhalten der
unter Punkt I. 1. genannte Personenkreis darüber
hinaus auf Antrag auch Behörden, wenn der Un-
tersuchungsausschuss entschieden hat, Amtshilfe
zu leisten.
2. Einem Dritten kann Einsicht in die Protokolle
gewährt werden, wenn er ein ‚berechtigtes Interes-
se„ nachweist (Abschnitt II. der Richtlinien für die
Behandlung der Ausschussprotokolle gemäß § 73
Abs. 3 GO-BT in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I., S. 1237), zuletzt
geändert durch Beschluss des Deutschen Bundes-
tages vom 2. Juli 2009).
3. Von dieser Regel können Ausnahmen getroffen
werden entsprechend der oben genannten Richtli-
nien.
4. Im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-
Verhältnis wird im Übrigen folgendes Verfahren
angewandt:
- die Vorsitzende entscheidet über das Vorliegen
des berechtigten Interesses im Einvernehmen mit
den Sprechern.
- bejaht sie dieses Interesse, wird Einblick in das
Protokoll gewährt oder eine Abschrift erteilt, es sei
denn, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass der
Untersuchungsausschuss trotz des berechtigten
Interesses das Einsichtsrecht verneinen würde. In
diesem Fall ist eine Entscheidung des Untersu-
chungsausschusses herbeizuführen.
- für vernommene Zeugen gilt: Dem Zeugen ist
das Protokoll über seine Vernehmung zuzustel-
len.“
Aus der ursprünglichen Ziffer II. „Protokolle VS-
VERTRAULICH oder höher eingestufter Sitzungen“ des
Beschlusses 4 zum Verfahren ist Ziffer III geworden.
b) Einstufung der Sitzungsprotokolle und
Beweisbeschlüsse als „Verschlusssache –
Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD)
Zwecks Wahrung des Persönlichkeits- und Identitäts-
schutzes von Zeugen sowie sicherheitsempfindlicher
Informationen hat der Untersuchungsausschuss in seiner
4. Sitzung am 28. Januar 2010 zudem beschlossen, so-
wohl die Sitzungsprotokolle als auch die Beweisbeschlüs-
se mit der Einstufung „Verschlusssache – Nur für den
Dienstgebrauch“ (VS-NfD) zu versehen, soweit keine
höhere Einstufung erforderlich gewesen ist.
c) Aufhebung der Einstufung „VS-NfD“ bei
Protokollen von öffentlichen Sitzungen
In der 21. Sitzung am 9. Juni 2010 ist der Beschluss ge-
fasst worden, Protokolle öffentlicher Sitzungen des Ver-
teidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss ab
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/7400
diesem Zeitpunkt ohne Einstufung zu versehen und die
Einstufung „VS-NfD“ bei den bereits erstellten Protokol-
len von öffentlichen Sitzungen dieses Ausschusses aufzu-
heben.
5. Verteilung von Beratungsunterlagen, Be-
weisbeschlüssen und Ausschussmateria-
lien
Der Untersuchungsausschuss hat hinsichtlich der Vertei-
lung der Beratungsunterlagen, Beweisbeschlüsse und
Ausschussmaterialien in seiner 2. Sitzung am 16. Dezem-
ber 2009 folgenden Beschluss gefasst:
„Beschluss 5 zum Verfahren
Verteilung von Beratungsunterlagen, Beweisbe-
schlüssen und Ausschussmaterialien
I. Grundsatz der Verteilung von Beratungsunterla-
gen, Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-
schussmaterialien
Beratungsunterlagen, Beweisbeschlüsse und Aus-
schussmaterialien sind durch das Sekretariat des 1.
Untersuchungsausschusses (PA 12) – 17. Wahlpe-
riode zu verteilen an:
1. ordentliche und stellvertretende Mitglieder
2. benannte Mitarbeiter/-innen der Fraktion
3. Beauftragte der Bundesregierung und des Bun-
desrates
II. Verteilung umfangreicher Ausschussmaterialien
Ausschussmaterialien von einem Umfang von 101
bis 1 000 Seiten werden lediglich in je zwei
Exemplaren an die Fraktionen der CDU/CSU,
SPD, FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN verteilt. Bei darüber hinaus gehendem
Umfang erhalten alle Fraktionen je ein Exemplar.
Bei besonders großem Umfang wird von einer
Verteilung abgesehen und stattdessen ein Exemp-
lar im Ausschusssekretariat zur Verfügung gestellt;
in Zweifelsfällen verständigen sich die Vorsitzen-
de und die Sprecher.
Das Anschreiben der abgebenden Stelle wird in je-
dem Fall gemäß Verteiler in Ziffer I. versandt.“
6. Verteilung von Verschlusssachen
Zur Verteilung der Verschlusssachen ist in der 2. Sitzung
des Untersuchungsausschusses am 16. Dezember 2009
folgender Beschluss gefasst worden:
„Beschluss 6 zum Verfahren
Verteilung von Verschlusssachen
(zu § 16 Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz)
I. Grundsatz der Verteilung von zugeleiteten Ver-
schlusssachen
Von den für den 1. Untersuchungsausschuss (PA
12) – 17. Wahlperiode in der Geheimschutzstelle
des Deutschen Bundestages eingehenden VS-
VERTRAULICH oder GEHEIM eingestuften Be-
weismaterialien sind Ausfertigungen herzustellen
und zwar für:
1. die Fraktionen im Ausschuss je zwei,
2. das Sekretariat zugleich für die Vorsitzende
zwei.
Den Mitgliedern der Fraktionen sowie den benann-
ten Mitarbeitern der Fraktionen, die zum Umgang
mit Verschlusssachen ermächtigt und zur Geheim-
haltung förmlich verpflichtet sind, werden auf
Wunsch die jeweiligen Exemplare ausgehändigt.
Der Geheimschutzbeauftragte des Deutschen Bun-
destages wird aufgefordert, den Mitgliedern und
Mitarbeitern der Fraktionen in Räumen, die von
diesem bestimmt werden, Verwahrgelasse zur
Aufbewahrung der Ausfertigung zur Verfügung zu
stellen und unverzüglich die gegebenenfalls weite-
ren notwendigen technischen Sicherungsmaßnah-
men zu treffen.
II. Verteilung der vom Untersuchungsausschuss
eingestuften Verschlusssachen
Für die vom 1. Untersuchungsausschuss (PA 12) –
17. Wahlperiode selbst VS-VERTRAULICH,
VERTRAULICH gemäß § 2a Geheimschutzord-
nung, GEHEIM, GEHEIM gemäß § 2a Geheim-
schutzordnung oder gegebenenfalls STRENG
GEHEIM eingestuften Unterlagen und Protokolle
gilt Ziffer I. entsprechend.
III. Verteilung von ‚VS-Nur für den Dienstge-
brauch„ eingestuften Unterlagen
VS-NfD eingestufte Unterlagen werden verteilt
und behandelt gemäß Beschluss 4 zum Verfahren
in Verbindung mit der Geheimschutzordnung des
Deutschen Bundestages.“
7. Behandlung von Beweisanträgen
Um eine hinreichende fraktionsinterne Beratung der Be-
weisanträge zu ermöglichen, hat der Verteidigungsaus-
schuss als 1. Untersuchungsausschuss in seiner 2. Sitzung
am 16. Dezember 2009 folgenden Beschluss gefasst:
„Beschluss 7 zum Verfahren
Behandlung von Beweisanträgen
Zur ordnungsgemäßen Vorbereitung der Bera-
tungssitzungen werden Beweisanträge nur dann in
einer Beratungssitzung behandelt, wenn sie schrift-
lich bis zum Donnerstag der Vorwoche, 9.00 Uhr,
im Sekretariat des 1. Untersuchungsausschusses
(PA 12) – 17. Wahlperiode eingegangen sind. Von
dieser Frist kann einvernehmlich abgewichen wer-
den.“
Drucksache 17/7400 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
8. Nichtöffentlichkeit der Sitzungen
Zur Frage der Öffentlichkeit der Sitzungen hat der Vertei-
digungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss in seiner
2. Sitzung am 16. Dezember 2009 folgenden Beschluss
gefasst:
„Beschluss 8 zum Verfahren
Nichtöffentlichkeit der Sitzungen
(gemäß § 14 Abs. 4 Untersuchungsausschussge-
setz in Verbindung mit Artikel 45a Abs. 3 GG)
Die Sitzungen des Verteidigungsausschusses als 1.
Untersuchungsausschuss sind grundsätzlich nicht-
öffentlich.
Bei der Einvernahme von Zeugen kann hiervon im
Einzelfall durch Beschluss abgewichen und die
Einvernahme öffentlich durchgeführt werden,
wenn das öffentliche Interesse dies gebietet und
der Beweisgegenstand es zulässt.
Mitglieder der politischen Leitungsebene (Mitglie-
der der Bundesregierung, beamtete und parlamen-
tarische Staatssekretäre, Abteilungsleiter und Pres-
sesprecher) und militärischen Führung (Generalin-
spekteur und Stellvertreter) werden grundsätzlich
in öffentlicher Sitzung einvernommen. Die Vor-
schrift des § 14 PUAG bleibt unberührt.
Im Einzelfall können auch Personen aus dem
nachgeordneten Bereich öffentlich gehört werden.“
a) Ausarbeitung des Wissenschaftlichen
Dienstes des Deutschen Bundestages zur
Frage der „Öffentlichkeit im Verteidi-
gungsausschuss als Untersuchungsaus-
schuss“
Nachdem in der Diskussion zum Beschluss 8 zum Verfah-
ren Bedenken über die Zulässigkeit öffentlicher Sitzungen
des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungs-
ausschuss geäußert worden waren, sind die Wissenschaft-
lichen Dienste des Deutschen Bundestages um Prüfung
dieser Rechtsfrage gebeten worden. In einem gutachterli-
chen Vermerk vom 15. Januar 2010
27
sind diese zum
Ergebnis gekommen, dass der Beschluss 8 zum Verfahren
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Auch
ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Bundestages
(GO-BT), der Geheimschutzordnung des Bundestages
oder dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersu-
chungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG)
sei nicht ersichtlich.
b) Änderung des Beschlusses 8 zum Verfah-
ren
In der 23. Sitzung des Verteidigungsausschusses als 1.
Untersuchungsausschuss am 17. Juni 2010 haben die
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP beantragt, den
27) Georgii/Mäde, Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als
Untersuchungsausschuss, WD 3 – 464/09 (Dokument 18).
Beschluss 8 zum Verfahren abzuändern und den Passus,
wonach Mitglieder der politischen Leitungsebene und der
militärischen Führung grundsätzlich in öffentlicher Sit-
zung vernommen werden, ersatzlos zu streichen. Als
Begründung ist im Wesentlichen angeführt worden, dass
die Anordnung der grundsätzlichen öffentlichen Verneh-
mung rechtswidrig sei, da es an der nach § 69 Abs. 1
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT)
bei jedem Zeugen vorzunehmenden Einzelfallprüfung
fehle. Es könne – auch im Rahmen eines notwendigerwei-
se hinreichend bestimmten Untersuchungsgegenstandes –
nicht pauschal und für alle zukünftigen Verhandlungen
angenommen werden, dass die Einvernahme von Mitglie-
dern der politischen Leitungsebene und militärischen
Führung stets einen „bestimmten Verhandlungsgegens-
tand“ gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 GO-BT betreffe, der nicht
geheimhaltungsbedürftig sei. Dies müsse anhand des
jeweiligen Einvernahmegegenstandes gesondert beurteilt
werden.
28
Die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN haben die Auffassung vertreten, dass
der Beschluss 8 zum Verfahren in der gegenwärtigen
Fassung nicht gegen geltendes Recht verstoße. § 69
Abs. 1 GO-BT eröffne die Möglichkeit, die Öffentlichkeit
„für einen bestimmten Verhandlungsgegenstand oder
Teile desselben“ zuzulassen. Im Gegensatz zu anderen
Ausschüssen sei bei dem Verteidigungsausschuss als 1.
Untersuchungsausschuss mit dem festgelegten Untersu-
chungsauftrag nur ein einziger Verhandlungsgegenstand
festgelegt. Darüber hinaus werde der im Beschluss 8 zum
Verfahren zum Ausdruck kommende politische Wille des
gesamten Ausschusses noch einmal zusätzlich in ganz
konkrete, ausschließlich den jeweiligen Vernehmungstag
betreffende Einzelfallbeschlüsse des Ausschusses zur
Öffentlichkeit bestimmter Zeugenvernehmungen über-
setzt.
29
Abgeordneter Paul Schäfer (DIE LINKE.) hat angemerkt,
dass die Opposition seinerzeit auf die Einrichtung eines
Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 Grundgesetz
verzichtet habe. Im Gegenzug hätten die Koalitionsfrak-
tionen zugestimmt, dass Zeugen von öffentlichem Interes-
se in öffentlicher Sitzung vernommen werden sollten,
soweit es der Befragungsgegenstand zulasse.
30
Abgeordneter Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) hat dem
entgegengehalten, dass der Verteidigungsausschuss in
seinem Zuständigkeitsbereich in konkurrenzloser Exklu-
sivität entscheide, ob er sich als Untersuchungsausschuss
konstituieren wolle. Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz
nehme dem Plenum des Bundestages das Recht, auf dem
Gebiet der Verteidigung einen Untersuchungsausschuss
einzusetzen.
31
Der Beschluss 8 zum Verfahren ist mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP gegen die Stim-
28) Beratungsunterlage Nr. 17-218 (Dokument 175).
29) Beratungsunterlage Nr. 17-219.
30) Kurzprotokoll der 23. Sitzung (Dokument 176), S. 9.
31) Kurzprotokoll der 23. Sitzung, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/7400
men der Oppositionsfraktionen antragsgemäß geändert
worden und lautete danach wie folgt:
„Die Sitzungen des Verteidigungsausschusses als
1. Untersuchungsausschuss sind grundsätzlich
nichtöffentlich.
Bei der Einvernahme von Zeugen kann hiervon im
Einzelfall durch Beschluss abgewichen und die
Einvernahme öffentlich durchgeführt werden,
wenn das öffentliche Interesse dies gebietet und
der Beweisgegenstand es zulässt.“
In der Folge wurden durch die Minderheit im Ausschuss
für die Zeugen, die nach der ursprünglichen Vereinbarung
im Ausschuss öffentlich hätten vernommen werden sollen
(z. B. Staatssekretäre, Abteilungsleiter, Pressesprecher)
sowie darüber hinaus für weitere zivile Zeugen, wie den
Lastwagenfahrer oder ein Mitglied des Provinzrates Kun-
duz, für die keine Absprachen im Vorfeld existierten, mit
schriftlichen Begründungen die Zulassung der Öffentlich-
keit beantragt. Diese Anträge wurden von der Mehrheit
abgelehnt.
9. Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken
Auf der Grundlage von § 31 Abs. 2 PUAG hat der Unter-
suchungsausschuss in seiner 2. Sitzung am 16. Dezember
2009 folgenden Beschluss gefasst:
„Beschluss 9 zum Verfahren
Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken
(zu § 31 Untersuchungsausschussgesetz)
Gemäß § 31 Abs. 2 Untersuchungsausschussgesetz
wird auf die Verlesung von Protokollen und
Schriftstücken verzichtet, soweit diese vom Aus-
schusssekretariat allen Mitgliedern des Untersu-
chungsausschusses zugänglich gemacht worden
sind.“
10. Verpflichtung zur Geheimhaltung
Hinsichtlich der Geheimhaltung hat sich der Untersu-
chungsausschuss in seiner 2. Sitzung am 16. Dezember
2009 durch Beschluss wie folgt geeinigt:
„Beschluss 10 zum Verfahren
Verpflichtung zur Geheimhaltung
1. Die Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses
(PA 12) – 17. Wahlperiode sind aufgrund des Un-
tersuchungsausschussgesetzes, der Geheimschutz-
ordnung des Deutschen Bundestages, gegebenen-
falls ergänzt um Beschlüsse des 1. Untersuchungs-
ausschuss (PA 12) – 17. Wahlperiode in Verbin-
dung mit § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB zur Geheim-
haltung derjenigen Tatsachen und Einschätzungen
verpflichtet, die ihnen durch Übermittlung der von
amtlichen Stellen als VS-VERTRAULICH bzw.
VERTRAULICH und höher eingestuften Unterla-
gen bekannt werden.
2. Diese Geheimhaltungsverpflichtung erstreckt
sich auch auf solche Tatsachen und Einschätzun-
gen, die aufgrund von Unterlagen bekannt werden,
deren VS-Einstufung bzw. Behandlung als VS-
VERTRAULICH oder höher sowie als
VERTRAULICH oder höher durch den Untersu-
chungsausschuss selbst veranlasst oder durch den
Vorsitzenden unter Berücksichtigung der Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.
Juli 1984 (BVerfGE 67, S. 100 ff.) zur Wahrung
des Grundrechtsschutzes (Betriebs- und Ge-
schäftsgeheimnisse, Steuergeheimnisse und infor-
mationelles Selbstbestimmungsrecht) vorgenom-
men wird.
3. Die Geheimhaltungsverpflichtung entfällt, wenn
und soweit die aktenführende Stelle bzw. der Un-
tersuchungsausschuss die Einstufung als VS-
VERTRAULICH und höher bzw. die Behandlung
als VERTRAULICH und höher aufhebt.
4. Im Übrigen gilt die Geheimschutzordnung des
Deutschen Bundestages.
5. Anträge, deren Inhalt möglicherweise geheim-
haltungsbedürftig ist, sollen in der Geheimschutz-
stelle des Deutschen Bundestages hinterlegt wer-
den. Über die Hinterlegung soll der Antragsteller
das Ausschusssekretariat unterrichten.“
11. Fragerecht bei der Beweiserhebung
Das Fragerecht bei der Beweiserhebung ist durch Be-
schluss 11 zum Verfahren in der 3. Sitzung am 21. Januar
2010 festgelegt worden:
„Beschluss 11 zum Verfahren
Fragerecht bei der Beweiserhebung
Das Fragerecht bei der Vernehmung von Zeugen
und Sachverständigen nach §§ 24 Abs. 5, 28
Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz wird unter
Zugrundelegung der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages und der parlamentarischen Pra-
xis bei der Ausgestaltung von Aussprachen im
Plenum wie folgt gestaltet:
Die Vernehmung zur Sache wird in zwei Abschnit-
te aufgeteilt:
1. Im ersten Abschnitt stellt zunächst die Vorsit-
zende, nachdem dem Zeugen Gelegenheit zur Stel-
lungnahme gegeben wurde, weitere Fragen zur
Aufklärung und Vervollständigung der Aussage
sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem das
Wissen des Zeugen beruht.
2. Der zweite Abschnitt besteht aus einzelnen Be-
fragungsrunden. Bei der Reihenfolge der Fraktio-
nen innerhalb der Befragungsrunden sind dabei die
Fraktionsstärke und der Grundsatz von Rede und
Gegenrede zu berücksichtigen. Für die Bemessung
des Zeitanteils der Fraktion innerhalb der Befra-
Drucksache 17/7400 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gungsrunden wird die Verteilung der Redezeiten
dem Plenum entsprechend angewendet.
3. In jeder Befragungsrunde beginnt die Fraktion
der CDU/CSU. Daran schließt sich an die Befra-
gung durch die Fraktion der SPD, die Fraktion der
FDP, die Fraktion DIE LINKE. sowie durch die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
4. Bei Sachverständigenanhörungen und informa-
torischen Anhörungen wird entsprechend den vor-
stehenden Regelungen verfahren.“
12. Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen
Für die Art und den Umfang von Mitteilungen an die
Öffentlichkeit aus nichtöffentlichen Sitzungen entscheidet
nach § 12 Abs. 3 PUAG der Untersuchungsausschuss. In
der 2. Sitzung des Verteidigungsausschusses als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundge-
setz am 16. Dezember 2009 hat er hierzu den nachfolgen-
den Beschluss gefasst:
„Beschluss 12 zum Verfahren
Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen
(zu § 12 Abs. 3 Untersuchungsausschussgesetz)
Die Vorsitzende wird gemäß § 12 Abs. 3 PUAG
dazu ermächtigt, die Öffentlichkeit über die in
nichtöffentlicher Beratungssitzung gefassten Be-
schlüsse und Terminierungen des Ausschusses zu
informieren.
Hiervon unberührt bleibt das Recht der übrigen
Ausschussmitglieder, ihre Position hierzu öffent-
lich zu äußern.“
III. Vorbereitung der Beweiserhebung
1. Beratungen des interfraktionellen Gre-
miums
Zur Koordinierung und Strukturierung der Arbeit des
Untersuchungsausschusses ist zu Beginn der Ausschuss-
arbeit ein interfraktionelles Gremium eingesetzt worden,
um einen möglichst reibungslosen Ablauf der Sitzungen
zu gewährleisten.
Das interfraktionelle Gremium ist in der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages nicht geregelt und dient
dazu, schwierige Verfahrens- und Sachfragen in einer
kleineren informellen Runde zu diskutieren und gemein-
same Lösungsansätze zu erarbeiten.
2. Obleutebesprechungen
Anstelle der Einberufung des interfraktionellen Gremiums
hat die Vorsitzende in besonderen Einzelfällen zur Vorbe-
reitung wichtiger, den Untersuchungsausschuss betreffen-
de Entscheidungen, Obleutegespräche vor den regulären
Sitzungen des Verteidigungsausschusses genutzt. An
diesen haben neben der Vorsitzenden und dem stellvertre-
tenden Vorsitzenden und den Sprechern der Fraktionen je
ein benannter Mitarbeiter der Fraktionen sowie die Leiter
der Sekretariate des Verteidigungsausschusses und des
Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss
teilgenommen.
3. Strukturierung der Untersuchung
Die Frage einer zweckmäßigen zeitlichen und sachlichen
Strukturierung des Untersuchungsauftrages ist zu Beginn
der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses Gegenstand
einer kontroversen Diskussion gewesen. In der 3. Sitzung
am 21. Januar 2010 ist einvernehmlich beschlossen wor-
den, die Untersuchung in die nachfolgenden Themenblö-
cke zu gliedern, innerhalb derer die einzelnen Beweisbe-
schlüsse abgearbeitet werden sollten:
„Themenblock 1
Der Luftangriff vom 4. September 2009:
Vorgeschichte, Rahmenbedingungen, Bedrohungs-
lage und Durchführung
– Bedrohungslage am Tage des Luftangriffs
– Rahmenbedingungen
– Luftangriff
– unmittelbare Maßnahmen
Themenblock 2
Berichtswege und Meldeverfahren zum Luftang-
riff:
Von ISAF zum Einsatzführungskommando der
Bundeswehr.
– wie erfolgten die Meldungen an ISAF bzw.
NATO
– welche Meldungen wurden von wem veranlasst,
verfasst und an wen im Einsatzführungskomman-
do gesandt
– wie und nach welchen Kriterien erfolgte die Wei-
tergabe an das BMVg
Themenblock 3
Militärische Beurteilung und politische Bewer-
tung: Der Meinungsbildungsprozess in der militä-
rischen Führung und der politischen Leitung bis
zur Unterrichtung des Parlaments
Meinungsbildung im BMVg und in der Bundesre-
gierung
– wie und nach welchen Kriterien erfolgte die Be-
arbeitung im BMVg
– wer wurde zu welchem Zeitpunkt unterrichtet
Information des Parlaments
– wie und nach welchen Kriterien erfolgte die In-
formation des Parlaments
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/7400
Themenblock 4
Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge:
– Welche Verfahren und Strukturen müssen nach
den Erfahrungen mit dem Luftangriff von Kunduz
geändert werden
– Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Er-
fahrungen mit dem Luftangriff für die Einsatzre-
geln, Melde- und Informationsverfahren und die
Unterrichtungspraxis des Parlaments“
4. Terminierung
In seiner 3. Sitzung am 21. Januar 2010 ist auf Antrag der
CDU/CSU-Fraktion mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen
beschlossen worden, die Ausschusssitzungen in den Sit-
zungswochen jeweils donnerstags von 14 Uhr bis 20 Uhr
durchzuführen. Die hierzu erforderliche Dauergenehmi-
gung des Präsidenten des Deutschen Bundestages ist
daraufhin eingeholt worden.
In der 5. Sitzung am 10. Februar 2010 ist vereinbart wor-
den, im Falle eines Beratungsbedarfs eine halbe Stunde
vor dem Beweistermin eine Beratungssitzung durchzufüh-
ren. Die Zeit der Beratungssitzung ist nicht auf die festge-
legte Sitzungsdauer von sechs Stunden angerechnet wor-
den.
IV. Beweiserhebung durch Beiziehung von
Akten, Berichten, Protokollen und sonsti-
ger Unterlagen
1. Art, Herkunft und Umfang des Beweisma-
terials
Zum Zweck der Beweiserhebung hat der Verteidigungs-
ausschuss als 1. Untersuchungsausschuss Akten, Berichte,
Protokolle und sonstige Unterlagen beigezogen. Der Be-
stand an Beweismaterialien umfasst rund 339 Aktenord-
ner. Hierbei hat es sich um Unterlagen folgender Stellen
gehandelt:
Deutscher Bundestag:
– Verteidigungsausschuss
Bundesregierung:
– Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes
– Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Ver-
teidigung
– Auswärtiges Amt
– Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz
– Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung
Bundesländer:
– Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen
– Sächsisches Staatsministerium für Justiz und Europa
– Brandenburgisches Ministerium für Justiz
Sonstige:
– North Atlantic Treaty Organization (NATO)
– International Security Assistance Force (ISAF)
– United Nations Assistance Mission in Afghanistan
(UNAMA)
– Komitee des Internationalen Roten Kreuzes
– Afghanische Untersuchungskommission
– Medienberichterstattung
2. Anforderung von Beweismaterialien über
die Bundesregierung bei internationalen
Dienststellen
Zum Teil sind beigezogene Dokumente und Materialien
über die Bundesregierung bei internationalen Dienststel-
len angefordert worden.
So sind mit den in der 2. Sitzung am 16. Dezember 2009
gefassten Beweisbeschlüssen 17-15 und 17-16 sämtliche
Akten und Materialien aus dem Bereich des Hauptquar-
tiers des Regionalkommandos Nord (RC N) in Masar-i-
Scharif beziehungsweise des Hauptquartiers der ISAF in
Kabul beigezogen worden. Das Beweismaterial ist dem
Untersuchungsausschuss durch die Bundesregierung am
21. Mai 2010 geliefert worden.
Die mit Beweisbeschluss 17-15 aus dem Bereich des RC
N beigezogenen Materialien haben unter anderem ver-
schlüsselte ZIP-Dateien umfasst, die sich dort auf dienst-
lich genutzten Personalcomputern befunden haben. Da die
betreffenden Passwörter nicht mehr auffindbar gewesen
sind, hat die Bundesregierung die Entschlüsselung der
Dateien beim Bundesamt für Sicherheit in der Informati-
onstechnik (BSI) in Auftrag gegeben. Mit Schreiben vom
16. Januar 2011 hat der Beauftragte des Bundesministe-
riums der Verteidigung im Verteidigungsausschuss als 1.
Untersuchungsausschuss mitgeteilt, dass die Entschlüsse-
lung einer der ZIP-Dateien infolge Beschädigung nicht
möglich sei.
32
In der 19. Sitzung am 6. Mai 2010 sind mit dem Beweis-
beschluss 17-167 die beim Einsatz vom 3. auf den
4. September 2009 entstandenen cockpit tapes oder die
erstellten Transkripte der bei und vor dem Luftangriff in
Kunduz eingesetzten F-15 und des B1-Bombers beigezo-
gen worden. Die Transkripte der beiden F-15-
Luftfahrzeuge sind am 8. Oktober 2010 über die Bundes-
regierung dem Verteidigungsausschuss zur Verfügung
gestellt worden.
32) Beratungsunterlage Nr. 17-261.
Drucksache 17/7400 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Bitten um Aktenvorlage und Vollständig-
keitserklärung gemäß § 18 Abs. 2 PUAG
Die auf Aktenvorlage ersuchten Ministerien und Behör-
den sind ihrer Verpflichtung auf Vorlage der sächlichen
Beweismittel durch die Herausgabe der in den Beweisbe-
schlüssen benannten Unterlagen nachgekommen. Die
Vorlagen sind regelmäßig mit einer Vollständigkeitserklä-
rung nach § 18 Abs. 2 PUAG versehen worden.
Angesichts des großen Materialumfangs und den daraus
erforderlichen Nachforschungen, insbesondere innerhalb
des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Ver-
teidigung sind Unterlagen teilweise nachgereicht worden.
In wenigen Fällen haben das Bundeskanzleramt und das
Bundesministerium der Verteidigung unter Hinweis, dass
diese in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung
fielen, Dokumente nicht zur Verfügung gestellt.
4. Vorlage von Originalmaterialien
Bei den von der Bundesregierung auf Grundlage der Be-
weisbeschlüsse vorgelegten Unterlagen hat es sich über-
wiegend um Kopien gehandelt. Lediglich die General-
staatsanwaltschaft Dresden hat eine Ermittlungsakte im
Original übersandt.
Nachträglich vorgelegt worden ist durch das Bundesmi-
nisterium der Verteidigung eine Ablichtung der während
des Gesprächs am 25. November 2009 zwischen Bun-
desminister der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg,
dem damaligen Staatssekretär Dr. Wichert und dem da-
maligen Generalinspekteur der Bundeswehr General
Schneiderhan von der Leiterin des Ministerbüros, Frau
Bastek, gefertigten handschriftlichen Notizen. Auf Antrag
der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN hat der Untersuchungsausschuss in
seiner 24. Sitzung am 1. Juli 2010 beschlossen, die vor-
genannten handschriftlichen Notizen gemäß § 19 PUAG
im Original einzusehen
33
. Die Inaugenscheinnahme ist in
der 27. Sitzung am 8. Juli 2010 durchgeführt worden.
5. Verwendung von Unterlagen ohne formelle
Beiziehung
Nicht förmlich beigezogene Unterlagen hat der Verteidi-
gungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss – soweit
sie beweisrelevant waren- wie beigezogene Unterlagen
behandelt.
Hierunter sind sowohl vom Bundesministerium der Ver-
teidigung eigens für den Untersuchungsausschuss erstellte
Organigramme sowie Presseartikel gefallen.
33) Beweisbeschluss 17-179.
6. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren we-
gen Verdachts der Verletzung des Dienst-
geheimnisses und einer besonderen Ge-
heimhaltungspflicht
In zwei Fällen ist aufgrund von Presseveröffentlichungen
von Informationen aus VS-eingestuften Akten und Do-
kumenten Strafanzeige erstattet worden. Die Staatsan-
waltschaft Berlin hat daraufhin Ermittlungsverfahren
gegen Unbekannt wegen Verdachts der Verletzung des
Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhal-
tungspflicht (§ 353b Strafgesetzbuch) eingeleitet. Beide
Verfahren sind gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung
eingestellt worden, da weitere Ermittlungen als nicht
Erfolg versprechend gewertet worden sind.
V. Beweiserhebung durch Vernehmung von
Zeugen
1. Behandlung von Beweisanträgen
a) Entscheidung über die Beweisanträge
Über Beweisanträge hat der Untersuchungsausschuss
gemäß §§ 17 ff. Untersuchungsausschussgesetz (PUAG)
entschieden. Nach § 17 Abs. 2 PUAG sind Beweise zu
erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des
Ausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhe-
bung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach
der Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen
Zwangsmittel unerreichbar. Lehnt der Untersuchungsaus-
schuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die An-
wendung beantragter Zwangsmittel nach den §§ 21
Abs. 1, 27 Abs. 1, 28 Abs. 6 und 29 Abs. 2 Satz 1 PUAG
ab, so entscheidet nach § 17 Abs. 4 PUAG auf Antrag
eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder
die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die
Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des
Zwangsmittels.
b) Reihenfolge der Vernehmungen
§ 17 Abs. 3 PUAG bestimmt, dass die Reihenfolge der
Vernehmung von Zeugen im Untersuchungsausschuss
einvernehmlich festgelegt werden soll. Bei Widerspruch
eines Viertels der Mitglieder des Ausschusses gelten die
Vorschriften der Geschäftsordnung des Deutschen Bun-
destages zur Reihenfolge der Redner entsprechend. Be-
züglich dieser Regelung haben zwischen den Koalitions-
fraktionen und den Fraktionen der Opposition unter-
schiedliche Auffassungen geherrscht, welche konkrete
Benennungsreihenfolge sich daraus im Falle eines Dis-
sens„ ergäbe. Aus Sicht der Oppositionsfraktionen hat das
so genannte „Reißverschlussverfahren“ zur Anwendung
gelangen sollen, wonach die Oppositionsfraktionen und
die Koalitionsfraktionen abwechselnd jeweils einen Zeu-
gen benennen. Die Fraktionen der CDU/CSU und der
FDP haben die Auffassung vertreten, dass sich die Rei-
henfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverstän-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/7400
digen auch nach der Stärke der Fraktionen bestimme.
Zudem seien Zweckmäßigkeitserwägungen bezüglich der
Sachverhaltsaufklärung zu beachten.
In einem von der SPD-Fraktion erbetenen Gutachten vom
4. Februar 2010 ist der Fachbereich Parlamentsrecht der
Verwaltung des Deutschen Bundestages zu dem Ergebnis
gekommen, dass § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG einen Verweis
auf die in § 28 Abs. 1 Satz 2 GO-BT genannten Kriterien
zur Rednerreihenfolge darstelle, so dass im Ergebnis das
zu Beginn der 17. Wahlperiode zwischen den Fraktionen
vereinbarte Schema zur Rednerabfolge zur Anwendung
gelange, sofern in einem Untersuchungsausschuss keine
Einigung über die Reihenfolge der Vernehmung erzielt
werde. Hinsichtlich der Zahl der zu benennenden Zeugen
und Sachverständigen finde im Rahmen des § 17 Abs. 3
PUAG keine Quotelung oder Kontingentierung nach
Fraktionsstärke statt.
34
In der 3. Sitzung am 21. Januar 2010 hat sich der Unter-
suchungsausschuss einvernehmlich auf eine Strukturie-
rung seiner Arbeit geeinigt. Die Terminierung der Zeugen
der Themenblöcke 1 und 2 anhand dieses Strukturbe-
schlusses ist in den nachfolgenden Sitzungen einstimmig
erfolgt.
Die Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen Bundesmi-
nister der Verteidigung a. D. Dr. Jung, Bundesminister
der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg, Staatssekretär
a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan ist
umstritten gewesen.
Während die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für den 18. März 2010 den
Zeugen Bundesminister der Verteidigung Freiherr zu
Guttenberg und für den 25. März 2010 Bundesminister
der Verteidigung a. D. Dr. Jung als Zeugen laden woll-
ten
35
, haben die Koalitionsfraktionen in der 7. Sitzung am
25. Februar 2010 entsprechend ihrem Antrag
36
mit Mehr-
heit gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Nichtbeteiligung
der Fraktion DIE LINKE. beschlossen, unter Aufhebung
der Sitzungszeitbegrenzung am 18. März 2010 die Zeugen
General a. D. Schneiderhan und Staatssekretär a. D.
Dr. Wichert zu laden und in der Sitzung am 25. März
2010 die Zeugen Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg zu
vernehmen. Beide Sitzungen sollten öffentlich stattfinden.
Hinsichtlich der Vernehmungsreihenfolge haben die Op-
positionsfraktionen in der 7. Sitzung des Untersuchungs-
ausschusses gegenüber der Vorsitzenden sowie mit
Schreiben vom 2. März 2010
37
formell Widerspruch ge-
mäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG eingelegt.
Abgeordneter Rainer Arnold (SPD) hat in der 11. Sitzung
am 15. März 2010 für die Oppositionsfraktionen ange-
kündigt, dass man bezüglich des vorhandenen Dissenses
34) Borowy, Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und
Sachverständigen gemäß § 17 Abs. 3 PUAG, Vermerk PD 2 –
5023-44 vom 28. Januar 2010, Beratungsunterlage Nr. 17-137
(Dokument 18a).
35) Beratungsunterlage Nr. 17-140.
36) Beratungsunterlage Nr. 17-142.
37) Beratungsunterlage Nr. 17-143.
hinsichtlich der Zeugenreihenfolge den Rechtsweg be-
schreiten und den Bundesgerichtshof anrufen werde. Dies
ist jedoch nicht erfolgt.
In der 12. Sitzung am 15. März 2010 hat der Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion, Abgeordneter Ernst-Reinhard Beck,
für die Koalitionsfraktionen zugesagt, „dass künftig –
nach dem 22. April 2010 – bei fehlender Einigung im 1.
Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2
Grundgesetz der 17. Wahlperiode die Reihenfolge der
Zeugen so festgelegt wird, dass je ein Zeuge abwechselnd
von Mehrheit und Minderheit benannt wird.“38
2. Durchführung der Zeugenvernehmungen
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses als 1.
Untersuchungsausschuss hat von Amts wegen darauf
geachtet, dass gemäß § 9 Abs. 3 PUAG Zeugenverneh-
mungen nur bei Beschlussfähigkeit des Ausschusses
durchgeführt wurden.
a) Anzahl der Zeugenvernehmungen
In der Zeit vom 10. Februar 2010 bis zum 10. Februar
2011 hat der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-
chungsausschuss insgesamt 41 Zeugen vernommen.
b) Ort der Zeugenvernehmungen
Alle Vernehmungen und Beratungssitzungen des Unter-
suchungsausschusses sind in den Räumen des Deutschen
Bundestages durchgeführt worden. Vernehmungen in
öffentlicher Sitzung haben ausnahmslos im Saal 3.101 im
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus stattgefunden. Nichtöffent-
liche und zum Teil als GEHEIM eingestufte Sitzungen
sind sowohl im Sitzungssaal des Verteidigungsausschus-
ses im Paul-Löbe-Haus als auch in einem Sitzungssaal im
Präsidialbereich des Reichstagsgebäudes durchgeführt
worden. Letztgenannter Saal ist insbesondere bei erfor-
derlichem Identitäts- oder Persönlichkeitsschutz der Zeu-
gen gewählt worden.
3. Einstufung der Vernehmungen in öffentli-
che und nichtöffentliche Sitzungen
Gemäß dem Beschluss zum Verfahren Nr. 8 ist die Be-
weiserhebung des Untersuchungsausschusses grundsätz-
lich in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt. Teile der Sitzun-
gen sind zudem unter „GEHEIM“ durchgeführt worden.
Zu diesen Sitzungen haben neben den Zeugen und den
Ausschussmitgliedern nur die Vertreter der Bundesregie-
rung, des Bundesrates und des Ausschusssekretariates
sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen
und Abgeordneten Zutritt gehabt, sofern diese über eine
entsprechende VS-Ermächtigung verfügten und für die
Teilnahme an Sitzungen des Untersuchungsausschusses
benannt waren.
38) Kurzprotokoll der 12. Sitzung, S. 2.
Drucksache 17/7400 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Vernehmungen in öffentlicher Sitzung
Bei der Vernehmung der nachfolgenden Zeugen ist zu
Teilen der Sitzungen die Öffentlichkeit zugelassen wor-
den:
Name Vernehmung
Protokoll
Nr.
Freiherr zu Gutten-
berg, Karl Theodor
22.04.2010 18
Jung, Dr. Franz Josef 25.03.2010 16
Schneiderhan, Wolf-
gang
18.03.2010
16.09.2010
14
31
Wichert, Dr. Peter 18.03.2010
16.09.2010
14
31
Durchgehend zugelassen worden ist die Öffentlichkeit zu
Sitzungen, in denen folgende Zeugen vernommen wur-
den:
Name Vernehmung
Protokoll
Nr.
Merkel, Dr. Angela 10.02.2011 49
Steinmeier, Dr. Frank-
Walter
10.02.2011 49
b) Ablehnung weiterer Vernehmungen in öf-
fentlicher Sitzung
Anträge der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der Vernehmung der
Zeugen Staatssekretär Rüdiger Wolf,
39
Dr. Thomas Raa-
be,
40
Rajiv Chandrasekaran,
41
sowie der afghanischen
Zeugen Dr. Habibe Erfan,
42
und A. M.
43
im Rahmen einer
jeweiligen Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1 Satz
2 GO-BT die Öffentlichkeit unter strikter Berücksichti-
gung von § 14 PUAG zuzulassen, sind mit Mehrheitsent-
scheidung von den Fraktionen der CDU/CSU und der
FDP jeweils abgelehnt worden.
c) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sit-
zungen
Im Vorfeld der in öffentlicher Sitzung für den 22. April
2010 beschlossenen Vernehmung von Bundesminister der
Verteidigung Freiherr zu Guttenberg hat sich der Fern-
sehsender Phoenix unter Hinweis auf das große öffentli-
che Interesse an die Vorsitzende mit der Bitte gewandt,
eine Live-Übertragung der Vernehmung zu ermöglichen.
39) Beratungsunterlage Nr. 17-225.
40) Beratungsunterlage Nr. 17-226.
41) Beratungsunterlage Nr. 17-229.
42) Beratungsunterlage Nr. 17-230.
43) Beratungsunterlage Nr. 17-232.
Nachdem die Vorsitzende auf Wunsch des interfraktionel-
len Gremiums bei dem Zeugen Freiherr zu Guttenberg
zuvor dessen Einverständnis zu einer etwaigen Fernseh-
übertragung eingeholt hatte, stellte sie das Ersuchen des
Fernsehsenders in der 15. Sitzung am 25. März 2010 zur
Diskussion.
Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP haben sich in
der Sitzung dagegen ausgesprochen. Die Vernehmung des
Zeugen finde zwar in öffentlicher Sitzung statt, für einen
Zeugen stelle es aber einen Unterschied dar, ob lediglich
seine Aussage oder sein gesamtes Verhalten während der
Vernehmung öffentlich übertragen werde. Die Frage der
Öffentlichkeit stehe zudem nicht zur Disposition des
Zeugen.
Die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN haben sich hingegen für die Zulassung
einer Fernsehübertragung ausgesprochen. Insbesondere
habe Bundesminister Freiherr zu Guttenberg nicht nur
gegenüber dem Ausschuss, sondern bereits auch öffent-
lich gegenüber der Presse seine diesbezügliche Bereit-
schaft artikuliert. Auch sei ein qualitativer Unterschied
zwischen Presseöffentlichkeit und einer Live-Übertragung
mit Kameras nicht erkennbar.
Abgeordneter Paul Schäfer (DIE LINKE.) hat daraufhin
beantragt, die öffentliche Sitzung am 22. April 2010 im
Fernsehen übertragen zu lassen. Der Antrag ist mit Mehr-
heitsentscheidung der Fraktionen der CDU/CSU und der
FDP abgelehnt worden.
In der 42. Sitzung am 16. Dezember 2010 haben die
CDU/CSU-Fraktion und die FDP-Fraktion gegen die
Stimmen der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag der Abgeordne-
ten Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), in der
öffentlichen Sitzung am 10. Februar 2011 eine TV-
Übertragung zu gestatten, abgelehnt.
4. Gegenüberstellung von Zeugen
a) Antrag der Oppositionsfraktionen auf
Durchführung einer Vernehmungsgegenü-
berstellung der Zeugen General a. D.
Schneiderhan, Staatssekretär a. D.
Dr. Wichert und Bundesminister der Ver-
teidigung Freiherr zu Guttenberg
In der 23. Sitzung am 17. Juni 2010 haben die Fraktionen
der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Durchführung einer Vernehmungsgegenüberstellung
der Zeugen General a. D. Wolfgang Schneiderhan, Staats-
sekretär a. D. Dr. Peter Wichert und Bundesminister der
Verteidigung Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg am 8.
Juli 2010, hilfsweise am 30. September 2010 beantragt.
44
Der Antrag ist im Wesentlichen mit widersprüchlichen
Aussagen des am 22. April 2010 vernommenen Zeugen
Bundesminister Freiherr zu Guttenberg und der am 18.
44) Beratungsunterlage Nr. 17-220.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/7400
März 2010 vernommenen Zeugen Staatssekretär a. D.
Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan vor dem
Untersuchungsausschuss begründet worden, die sämtlich
den Kern des vorliegenden Untersuchungsauftrages beträ-
fen und deren Klärung eine der wesentlichen Aufgaben
dieses Ausschusses darstelle. Deshalb dränge sich die
Durchführung einer Vernehmungsgegenüberstellung zur
Erforschung der Wahrheit und damit zur effektiven Auf-
klärung des Sachverhaltes geradezu auf. Durch eine ge-
meinschaftliche Befragung der sich widersprechenden
Zeugen ließen sich diese offenkundigen Widersprüche mit
hoher Wahrscheinlichkeit aufklären. Ein gleichlautender
Antrag
45
ist zuvor in der 21. Sitzung am 9. Juni 2010
zurückgenommen worden.
Der Antrag ist mit den Stimmen von 18 Abgeordneten der
Fraktionen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
von 15 Abgeordneten der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. mit Begründung
abgelehnt worden. Die Gegenüberstellung sei im vorlie-
genden Fall nicht zulässig. Eine Vernehmungsgegenü-
berstellung, die nur ausnahmsweise in Betracht komme,
sei zur Sachaufklärung des Untersuchungsgegenstandes
nicht geboten. Bei den von den Oppositionsfraktionen
behaupteten vermeintlichen Widersprüchen handele es
sich durchweg um Unterschiede in der Wahrnehmung,
wie sie in jedem Prozess oder Untersuchungsausschuss
mit mehreren Zeugen zu Tage träten. Sie seien insbeson-
dere für den Untersuchungsgegenstand unerheblich, so
dass dadurch eine Gegenüberstellung nicht gerechtfertigt
werden könne. Der Antrag der Oppositionsfraktionen sei
zudem aus „rein politischen Motiven“ gestellt worden, um
ein „Spektakel Guttenberg“ zu inszenieren.46
b) Entscheidung des Bundesgerichtshofes
Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2010 haben die Mitglieder der
SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE. beim 3.
Strafsenat des Bundesgerichtshofes beantragt, festzustel-
len:
„1. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2
Grundgesetz der 17. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages mit seinem Beschluss vom 17. Juni
2010, den Antrag der Minderheit auf Durchfüh-
rung einer Vernehmungsgegenüberstellung (Bera-
tungsunterlage 17-220) als unzulässig abzulehnen,
gegen § 24 Abs. 2 i. V. m. § 17 Abs. 3 Satz 2 des
Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersu-
chungsausschüsse des Deutschen Bundestages
(Untersuchungsausschussgesetz – PUAG) versto-
ßen hat,
2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-
chungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2
Grundgesetz der 17. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG
verpflichtet ist, die Reihenfolge der Vernehmung
45) Beratungsunterlagen Nr. 17-209 und 17-216.
46) Beratungsunterlage Nr. 17-217.
der Zeugen so festzulegen, dass am 30. September
2010 die von der Minderheit mit Beratungsunter-
lage 17-220 begehrte Vernehmungsgegenüberstel-
lung durchgeführt wird,
hilfsweise festzustellen,
1. dass die mit Beratungsunterlage 17-220 beant-
ragte Vernehmungsgegenüberstellung zulässig ist
im Sinne von § 24 Abs. 2 PUAG und
2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-
chungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2
Grundgesetz der 17. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages verpflichtet ist, die zulässige Ver-
nehmungsgegenüberstellung in einer durch den
Ausschuss festzulegenden Sitzung zur Beweisauf-
nahme durchzuführen.“47
Als Verfahrensbevollmächtigten hat der Untersuchungs-
ausschuss Professor Dr. Christian Waldhoff benannt.
Dieser hat mit Schriftsatz vom 9. August 2010 beantragt,
„sämtliche Anträge der Antragsteller zurückzuwei-
sen.“48
Mit Beschluss vom 17. August 2010 hat der 3. Strafsenat
des Bundesgerichtshofs die Anträge der Antragsteller als
unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausge-
führt worden, dass die Vernehmungsgegenüberstellung
eines Zeugen mit anderen Zeugen die Art und Weise der
Beweisaufnahme betreffe. Über die Frage, ob sie gemäß
§ 24 Abs. 2 PUAG für den Untersuchungszweck geboten
und zur Sachverhaltsaufklärung zweckmäßig sei, ent-
scheide der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der
abgegebenen Stimmen (§ 9 Abs. 4 PUAG). Seine qualifi-
zierte Minderheit von einem Viertel der Mitglieder sei
nicht befugt, die von der Ausschussmehrheit getroffene
Entscheidung durch den Bundesgerichtshof rechtlich
überprüfen zu lassen. Eine Antragsberechtigung der Ant-
ragsteller sehe das Untersuchungsausschussgesetz nach
seinem Wortlaut insoweit nicht vor. Sie sei ihm auch im
Wege der Auslegung nicht zu entnehmen. Dies begegne
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
49
Wörtlich heißt es in dem Beschluss des Bundesgerichts-
hofs:
„Die fehlende Berechtigung der qualifizierten
Minderheit, bei der Ablehnung einer Verneh-
mungsgegenüberstellung den Bundesgerichtshof
anrufen zu können, steht vor diesem Hintergrund
im Einklang mit dem Sinn und Zweck des parla-
mentarischen Untersuchungsverfahrens. In diesem
geht es um die Aufklärung eines Sachverhalts un-
ter politischen Gesichtspunkten, die möglichst
zeitnah und zügig erfolgen sollen. Bei der Beurtei-
lung, ob wegen Widersprüchen in den Aussagen
von Zeugen eine Gegenüberstellung zulässig und
47) Antragsschrift der Mitglieder der SPD-Fraktion und der Fraktion
DIE LINKE. vom 8. Juli 2010.
48) Antragserwiderung zum Verfahren 3 ARs 23/10.
49) BGH, Beschluss vom 17. August 2010 – 3 ARs 23/10
(Dokument 19).
Drucksache 17/7400 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zweckmäßig ist, sind die politischen Bewertungen
der Zeugenaussagen von ausschlaggebender Be-
deutung. Diese ist Aufgabe der Mitglieder des Un-
tersuchungsausschusses und nicht der Gerichte, die
nur über Rechtsfragen, nicht dagegen über politi-
sche Bewertungen zu entscheiden haben.“ (Rn. 28
des Beschlusses)
5. Aussagegenehmigungen
Die meisten der vernommenen Zeugen haben für ihre
Aussage vor dem Untersuchungsausschuss eine Aussage-
genehmigung benötigt, die diese vom Bundeskanzleramt,
Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium
des Innern, Auswärtigen Amt beziehungsweise vom Bun-
desnachrichtendienst erhalten und dem Untersuchungs-
ausschuss vorgelegt haben.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, MdB, Bundesminis-
ter Freiherr zu Guttenberg, MdB, sowie Bundesminister
a. D. Dr. Frank-Walter Steinmeier, MdB, ist jeweils eine
Aussagegenehmigung gemäß § 6 Abs. 2 BMinG erteilt
worden. Zudem hat der Präsident des Deutschen Bundes-
tages nach § 44 c AbgG Aussagegenehmigungen für die
Zeugen Bundeskanzlerin Dr. Merkel, Bundesminister
a. D. Dr. Jung, Bundesminister Freiherr zu Guttenberg
sowie Bundesminister a. D. Dr. Steinmeier erteilt.
6. Rechtsbeistand von Zeugen
Bei nachfolgend aufgeführten inländischen wie ausländi-
schen Zeugen ist die Vernehmung im Beisein eines
Rechtsbeistandes erfolgt:
Zeuge Rechtsbeistand Vernehmung
B., F. Rechtsanwalt
Pieter van Malderen
25. 11. 2010
Erfan,
Dr. Habibe
Rechtsanwalt
Andreas Schüller
28. 10. 2010
F., M. Rechtsanwalt
Johannes Eisenberg
20. 1. 2011
Klein, Georg Rechtsanwalt
Professor Dr. Bernd
Müssig
10. 2. 2010
M., A. Rechtsanwalt
Andreas Schulz
25. 11. 2010
R., A. Rechtsanwalt
Dr. Stefan König
16. 12. 2010
Auf seinen Antrag hin hat der Ausschuss beschlossen,
dem Zeugen Georg Klein die Gebühren seines rechtlichen
Beistandes für die Vernehmung in der Sitzung am 10.
Februar 2010 gemäß § 35 Abs. 2 PUAG zu erstatten. Die
Höhe der Erstattung ist gemäß § 35 Abs. 3 PUAG von der
Bundestagsverwaltung festgesetzt worden.
Im Übrigen sind Anträge auf Erstattung der Gebühren
gemäß § 35 Abs. 2 PUAG nicht gestellt worden.
7. Vernehmung von ausländischen Zeugen
Im Gegensatz zu deutschen Zeugen, die nach § 20 Abs. 1
PUAG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 Grundgesetz
sowie als Ausfluss ihrer allgemeinen Bürgerpflicht ver-
pflichtet sind, einer Ladung des Untersuchungsausschus-
ses nachzukommen, gilt diese Verpflichtung nicht für
Ausländer, die sich nicht in Deutschland aufhalten. Ein
Ausländer kann sich aber freiwillig bereit erklären, vor
einem deutschen Untersuchungsausschuss auszusagen.
In Umsetzung seiner Beweisbeschlüsse hat der Untersu-
chungsausschuss im Ausland lebende ausländische Zeu-
gen gebeten, sich zu einer Aussage vor dem Untersu-
chungsausschuss bereit zu erklären. Dies hat sowohl An-
gehörige ausländischer Dienststellen als auch Privatper-
sonen betroffen.
Für Angehörige ausländischer Dienststellen ist regelmä-
ßig das jeweils zuständige Ministerium um Erteilung
einer Aussagegenehmigung für seinen aktiven oder ehe-
maligen Mitarbeiter gebeten worden. Eine solche Aussa-
gegenehmigung ist nur für den Angehörigen der belgi-
schen Streitkräfte, Stabsfeldwebel F. B. erteilt worden,
der sich bereit erklärt hat, vor dem Untersuchungsaus-
schuss auszusagen.
Hinsichtlich der Zeugen General McChrystal und Admiral
Stavridis hat das US-amerikanische Verteidigungsminis-
terium unter Hinweis darauf, dass der Befehlshaber der
ISAF, General McChrystal, seinerzeit eine Untersuchung
der Vorgänge in Kunduz angeordnet habe, mitgeteilt, dass
die beiden Zeugen über die in dem Untersuchungsbericht
enthaltenen Informationen hinaus keine Angaben machen
könnten. Mit gleicher Begründung hat das kanadische
Verteidigungsministerium erklärt, dass der Zeuge Major-
General C. S. „Duff” Sullivan vor dem Ausschuss nicht
erscheinen werde. In anderen Fällen sind die Anfragen
des Untersuchungsausschusses unbeantwortet geblieben.
Folgende ausländische Zeugen hat der Untersuchungsaus-
schuss aus unterschiedlichen Gründen nicht vernehmen
können:
Zeuge beschlossen
BB-Nr.
17-:
Besatzungsmitglieder
des B-1B „Bone 22“
6. Mai 2010 156
Chandrasekaran, Rajiv 6. Mai 2010 146
F-15 Echo-Pilot „Dude
15“
9. Juni 2010 178
F-15 Echo Pilot „Dude
16“
6. Mai 2010 143
McChrystal, Stanley
General a. D.
6. Mai 2010 145
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/7400
Stavridis, James G.,
Admiral
6. Mai 2010 144
Sullivan, C.S. „Duff“,
Major General C.S.
6. Mai 2010 157
8. Beschlossene, aber nicht terminierte Zeu-
gen
In einigen Fällen hat der Untersuchungsausschuss vor
dem Hintergrund der erfolgten Beweisaufnahme von einer
Vernehmung der folgenden Zeugen, bezüglich derer es
Beweisbeschlüsse gegeben hat, abgesehen:
Zeuge beschlossen BB-Nr.
17-:
A., J. 6. Mai 2010 158
Antoni, Hans-Erich 16. Dezember
2009
78
B., W. 6. Mai 2010 155
Bornemann, Jürgen 21. Januar 2010 98
Brandenburg, Ulrich 21. Januar 2010 102
Buck, Dr. Christian 28. Januar 2010 138
Bühler, Erhard 21. Januar 2010 101
C., A. 6. Mai 2010 150
Dienst, Christian 16. Dezember
2009
72
Dora, Johann-Georg 16. Dezember
2009
74
E., T. 28. Januar 2010 123
G., M. 28. Januar 2010 120
H., A. 28. Januar 2010 134
Hannemann, Andreas 6. Mai 2010 154
Hanning, Dr. August 6. Mai 2010 147
Hartmann, Manfred 21. Januar 2010 106
Kossendey, Thomas 16. Dezember
2009
60
Krause, Malte 28. Januar 2010 121
Lather, Karl-Heinz 21. Januar 2010 108
de Maizière,
Dr. Thomas
16. Dezember
2009
47
Moritz, Steffen 16. Dezember
2009
70
N., L. 28. Januar 2010 135
Nielson, Manfred 21. Januar 2010 100
Nikel, Rolf 28. Januar 2010 118
P., T. 6. Mai 2010 152
Pofalla, Ronald 16. Dezember
2009
46
R., H. 28. Januar 2010 125
S., A. 6. Mai 2010 151
S., Dr. J. 6. Mai 2010 153
S., E. 16. Dezember
2009
122
Schmidt, Christian 16. Dezember
2009
61
Setzer, Jürgen 28. Januar 2010 127
Silberberg, Reinhard 16. Dezember
2009
57
Stather, Erich 21. Januar 2010 107
U., K. 28. Januar 2010 110
Weingärtner,
Dr. Dieter
21. Januar 2010 99
Westerwelle, Dr. Guido 16. Dezember
2009
55
Wieker, Volker 16. Dezember
2009
79
Wilhelm, Ulrich 16. Dezember
2009
54
9. Formeller Abschluss der Vernehmungen
Am Ende jeder Vernehmung hat die Vorsitzende die
Zeugen gemäß § 26 Abs. 3 PUAG belehrt, dass der Un-
tersuchungsausschuss durch Beschluss feststellt, dass die
Vernehmung des Zeugen abgeschlossen ist. Die Entschei-
dung dürfe erst ergehen, wenn nach Zustellung des Ver-
nehmungsprotokolls zwei Wochen verstrichen sind oder
auf die Einhaltung dieser Frist verzichtet worden ist.
In seiner 50. Sitzung am 24. Februar 2011 hat der Unter-
suchungsausschuss folgenden Beschluss gefasst:
„Beschluss 13 zum Verfahren
Ende der Beweisaufnahme und Abschluss von Zeugenvernehmungen
§ 26 Untersuchungsausschussgesetz (PUAG)
1. Die Beweisaufnahme durch Anhörung von Zeugen ist beendet. Nicht ausgeführte Beweisbeschlüsse betref-
fend die Ladungen von Zeugen gelten als erledigt.
Drucksache 17/7400 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Die Vernehmungen folgender Zeugen, die das Stenografische Protokoll über ihre Vernehmung durch den
Untersuchungsausschuss erhalten und dazu Stellung genommen bzw. auf eine Stellungnahme verzichtet ha-
ben, sind abgeschlossen.
Name BB 17- beschlossen vernommen Protokoll Nr.
B., F. 173 06.05.2010 25.11.2010 39
B., G. 139 10.02.2010 04.03.2010 10
Braunstein, Peter 124 28.01.2010 09.06.2010 22
B., G. 112 28.01.2010 04.03.2010 10
D., B. 103 21.01.2010 07.10.2010 33
Erfan, Dr. Habibe 161 06.05.2010 28.10.2010 35
F., S. 133 28.01.2010 28.10.2010 35
F., M. 175 20.05.2010 20.01.2011 45
G., H. 149 06.05.2010 09.06.2010 22
G., D. 137 28.01.2010 11.11.2010 37
Glatz, Rainer 126 28.01.2010 15.03.2010 12
G., R. 182 29.09.2010 25.11.2010 39
Freiherr zu Guttenberg, Karl-
Theodor
59 16.12.2009 22.04.2010 18
Heusgen, Dr. Christoph 50 16.12.2009 20.01.2011 45
K., U. 111 28.01.2010 07.10.2010 33
N., T. 136 28.01.2010 11.11.2010 37
Jung, Dr. Franz Josef 58 16.12.2009 25.03.2010 16
Klein, Georg 109 28.01.2010 10.02.2010 6
Krause, Andreas 75 16.12.2009 09.06.2010 22
Kühn, Wolfram 174 06.05.2010 01.07.2010 25
M., A. 160 06.05.2010 25.11.2010 39
M., M.-A. 159 06.05.2010 07.10.2010 33
N., O. 131 28.01.2010 25.02.2010
11.11.2010
8
37
Raabe, Dr. Thomas 71 16.12.2009 16.09.2010 29
R., A. 175 20.05.2010 16.12.2010 43
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/7400
Name BB 17- beschlossen vernommen Protokoll Nr.
Ramms, Egon 77 16.12.2010 02.12.2010 41
Sch., Ch. 132 28.01.2010 07.10.2010 33
Schlie, Dr. Ulrich 65 16.12.2009 08.07.2010 27
Schneiderhan, Wolfgang 73 16.12.2009 18.03.2010
29.09.2010
14
31
Uhrlau, Ernst 184 11.11.2010 16.12.2010 43
Vad, Dr. Erich 119 28.01.2010 02.12.2010
20.01.2011
41
45
V., R. 130 28.01.2010 11.11.2010 37
V., B. 148 06.05.2010 09.06.2010 22
Vollmer, Jörg 128 28.01.2010 15.03.2010 12
Wichert, Dr. Peter 63 16.12.2009 18.03.2010
29.09.2010
14
31
W., M. 129 28.01.2010 25.02.2010 8
Wolf, Rüdiger 62 16.12.2009 08.07.2010 27
3. Für den Abschluss der Vernehmung derjenigen Zeugen, denen das Protokoll noch nicht zugestellt werden
konnte oder deren Frist zur Stellungnahme noch nicht abgelaufen ist, wird die Vorsitzende ermächtigt, den
entsprechenden Beschluss des Ausschusses nach Ziffer 3 im Umlaufverfahren herbeizuführen.“
Name BB 17- beschlossen vernommen Protokoll Nr.
Fritsche, Klaus-Dieter 48 16.12.2009 27.01.2011 47
Merkel, Dr. Angela 45 16.12.2010 10.02.2011 49
Steinmeier, Dr. Frank-Walter 56 16.12.2009 10.02.2010 49
Vorbeck, Hans-Josef 117 28.01.2010 27.01.2011 47
VI. Abschlussbericht
1. Erstellung des Abschlussberichts
a) Zeitplan
Der Untersuchungsausschuss hat in seiner 50. Sitzung am
24. Februar 2011 nachfolgenden Zeitplan für die Abfas-
sung der Beschlussempfehlung und des Abschlussberich-
tes beschlossen:
„Erstellung der Beschlussempfehlung und
des Berichts (Zeitplan)
1. Das Sekretariat wird beauftragt, bis zum 15.
April 2011 den Vorentwurf eines Abschluss-
berichtes (Verfahrensteil und Feststellungsteil)
zu erstellen und diesen den Berichterstattern
zuzuleiten.
2. Die Abklärung, ob eine Einigung über einen
möglichen gemeinsamen Verfahrens- und
Feststellungsteil erzielt werden kann, findet in
einem Berichterstattergespräch am 9. Mai
2011 statt. Die Entscheidung der Berichter-
Drucksache 17/7400 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
statter hierüber wird bis zum 12. Mai 2011 er-
folgen.
3. Die Zuleitung der Bewertungen der Berichter-
statter der Mehrheitsfraktionen an das Sekreta-
riat erfolgt zum 24. Mai 2011.
4. Eventuelle Sondervoten der Berichterstatter
werden dem Sekretariat bis zum 6. Juni 2011
zugeleitet.
5. Die Beratungssitzung des Verteidigungsaus-
schuss als 1. Untersuchungsausschuss zur
Verabschiedung der Beschlussempfehlung
und des Berichts einschließlich abweichender
Voten findet am 10. Juni 2011 statt.“
Der Zeitplan ist mehrfach verändert worden u. a. in der
53. Sitzung am 25. Mai 2011, um den Berichterstattern
mehr Zeit einzuräumen, um einen Feststellungsteil zu
ringen, der von allen Fraktionen getragen werden kann.
b) Abfassung von Berichtsteilen und Aufhe-
bung von Einstufungen
Für die Abfassung von Berichtsteilen und zur Aufhebung
von Einstufungen nach der Geheimschutzordnung des
Bundestages ist in der 50. Sitzung beschlossen worden:
„Beschluss 14 zum Verfahren
Abfassung von Berichtsteilen/Aufhebung
von Einstufungen
1. Für den Abschlussbericht können eingestufte
Unterlagen verwendet werden. Die eingestuf-
ten Unterlagen (Quellen) bleiben als solche
weiterhin eingestuft. Die Berichtsteile sind bis
zur Aufhebung der Einstufung und bis zum
Feststellungsbeschluss des Ausschusses über
den Abschlussbericht als VS-Zwischen-
material GEHEIM zu behandeln.
2. Der Abschlussbericht wird ohne Schwärzun-
gen erstellt. Zur Wahrung des Identitätsschut-
zes sind die Namen von zu schützenden Zeu-
gen abzukürzen. Das Sekretariat wird ermäch-
tigt, dies im Rahmen einer redaktionellen
Überarbeitung des Abschlussberichts vor
Drucklegung sicherzustellen.
Um eine Aufhebung der Einstufung verwen-
deter Aktenauszüge zu ermöglichen, sind alle
entsprechenden Berichtsstellen mit detaillier-
ten Quellenangaben zu versehen (z. B. Be-
zeichnung des Dokuments, MAT-Nummer,
Ordner-Nummer, Seitenangabe bzw. Proto-
kollnummer, Protokollteil, Seitenangabe).
3. Die Aufhebung der Einstufung der im Ab-
schlussbericht verwendeten Inhalte aus beige-
zogenen Unterlagen erfolgt durch die heraus-
gebenden Stellen. Bei der Aufhebung von In-
halten aus Vernehmungsprotokollen durch den
Ausschuss sind die aussagegenehmigenden
Stellen zu beteiligen. Enthält ein Verneh-
mungsprotokoll einen Vorhalt aus einer ein-
gestuften Unterlage, so ist bei der Aufhebung
der Einstufung auch die Stelle zu beteiligen,
die die Einstufung des verwendeten Vorhalts
vorgenommen hat. Zur Prüfung der Aufhe-
bung der Einstufung werden die entsprechen-
den Berichtsteile den herausgebenden oder zu
beteiligenden Stellen übersandt.“
c) Gewährung rechtlichen Gehörs zum Ab-
schlussbericht
Nach § 32 Abs. 1 PUAG ist Personen, die durch die Ver-
öffentlichung des Abschlussberichtes in ihren Rechten
erheblich beeinträchtigt werden können, vor Abschluss
des Untersuchungsverfahrens Gelegenheit zu geben, zu
den sie betreffenden Ausführungen im Entwurf des Ab-
schlussberichtes innerhalb von zwei Wochen Stellung zu
nehmen, soweit diese Ausführungen nicht mit ihnen in
einer Sitzung zur Beweisaufnahme erörtert worden sind.
Der wesentliche Inhalt der Stellungnahme ist in dem
Bericht wiederzugeben (§ 32 Abs. 2 PUAG).
Bereits bevor die Bewertungen des Ausschusses und
etwaige Sondervoten vorgelegt worden sind, hat der Un-
tersuchungsausschuss in seiner 54. Sitzung am 29. Juni
2011 mit dem nachfolgenden Beschluss 15 zum Verfah-
ren beschlossen, den darin genannten Personen zunächst
zu den Ausführungen im Feststellungsteil des Abschluss-
berichts Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben:
„Beschluss 15 zum Verfahren
Gewährung rechtlichen Gehörs
zum Abschlussbericht
gemäß § 32 PUAG
Der Verteidigungsausschluss als 1. Untersu-
chungsausschuss beschließt vorläufig, den folgen-
den Personen zu den ermittelten Tatsachen (Fest-
stellungsteil des Abschlussberichts) vor einer Ver-
öffentlichung des Abschlussberichts nach § 32
PUAG Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu ge-
ben:
1. Sabine Bastek, BMVg, zu
den Punkten E. II. 1. b) und c) – Aufzeichnun-
gen der Leiterin Ministerbüro und Darstellung
Staatssekretär a. D. Dr. Wichert,
2. Christian Dienst, BMVg, zu
Punkt B. III. 3. e) – Existenz einer möglichen
weiteren, „dritten“ Quelle
sowie
Punkt C. II. 1. d) cc) eee) – Eigene Nachfor-
schungen des Presse- und Informationsstabes,
3. Georg Klein, Bw, zu
Punkt B. III. 7. b) cc) ccc) – Interne Bedenken
der Flugzeugbesatzung,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/7400
Punkt B. III. 7. b) dd) – Begründung des Ent-
schlusses,
Punkt B. III. 7. c) – Ablehnung eines Überflu-
ges im Rahmen der ‚show of force„,
Punkt C. II. 1. a) aa) iii) – Veränderung des
Daily Intelligence Summary vom 4. September
2009,
4. M. W., Bw, zu
Punkt C. III. 7. b) cc) bbb) – Ziel des Luft-
schlages.
Die Gewährung weiteren rechtlichen Gehörs nach
Vorlage des Ergebnisses der Untersuchung (Be-
wertungsteil) und der Sondervoten bleibt vorbehal-
ten.“
Zu den Feststellungen Stellung genommen haben Oberst
i. G. Klein (siehe unten: S. 415) und Kapitän zur See
Dienst (siehe unten: S. 420).
Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2011 hat der Rechtsbeistand
von Oberst i. G. Georg Klein beantragt, diesem umfas-
sendes rechtliches Gehör unter Übersendung aller ihn
betreffenden Ausführungen im Entwurf des Abschlussbe-
richts zur zusammenhängenden Stellungnahme zu gewäh-
ren. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt,
dass sich das nach § 32 Abs. 1 PUAG zu gewährende
rechtliche Gehör und das Recht zur Stellungnahme nach
dem gesetzlichen Wortlaut auf „Ausführungen im Ent-
wurf des Abschlussberichtes“ beziehe, und zwar auf sämt-
liche die Person betreffenden Ausführungen. Diese ein-
deutige gesetzliche Regelung sei eine – auch von Verfas-
sungs wegen gebotene – Konsequenz dessen, dass im
PUAG formal zwischen einem „Zeugen“ und einem (ma-
teriell) „Betroffenen“ als Auskunftsperson des Ausschus-
ses nicht unterschieden werde. Damit solle dem materiell
Betroffenen jedenfalls rechtlichen Gehörs als das verfas-
sungsrechtlich gewährte Mindestmaß an verfahrensrecht-
lichem Schutz gewährt werden. Mit der Übermittlung
einzelner Passagen aus dem Abschlussbericht könne da-
her nur ein „erster Schritt“ unternommen worden sein.
Zur umfassenden Wahrnehmung seiner Rechte seien
Oberst i. G. Klein alle ihn betreffenden Äußerungen im
Entwurf des Abschlussberichtes zur Stellungnahme vor-
zulegen.
50
Eine bei den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen
Bundestages in Auftrag gegebene Ausarbeitung ist zu
dem Ergebnis gelangt, dass einem Zeugen, der vor dem
Untersuchungsausschuss gehört wurde und der in seinen
Rechten durch die Veröffentlichung des Abschlussbe-
richts des Ausschusses erheblich beeinträchtigt werden
könnte, solche Auszüge zur Gewährung rechtlichen Ge-
hörs zugesandt werden müssten, zu deren Inhalt er bisher
nicht habe Stellung nehmen können. Das betreffe sowohl
neue Tatsachenfeststellungen als auch Werturteile bezie-
hungsweise neue Vorwürfe. Dies seien insbesondere
Auszüge, die sich auf Dokumente beziehen, die nicht
50) Beratungsunterlage Nr. 17-291.
Gegenstand der Vernehmung des Zeugen gewesen seien,
etwa weil sie zum Zeitpunkt der Vernehmung dem Aus-
schuss noch nicht bekannt waren, sowie Auszüge, in
denen andere Zeugen den Aussagen des zuerst vernom-
menen Zeugen widersprechen. Nicht erforderlich sei
hingegen, dass die konkreten Ausführungen im Ab-
schlussbericht mit dem Zeugen erörtert worden sein müs-
sen.
51
Unter Berücksichtigung des vorgenannten Ergebnisses hat
der Untersuchungsausschuss in seiner 56. Sitzung am 5.
September 2011 mit den Stimmen der Abgeordneten der
Fraktionen der CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Enthaltung der Abgeordneten der Fraktio-
nen der SPD und DIE LINKE. mit nachfolgendem Be-
schluss 16 zum Verfahren beschlossen, betroffenen Per-
sonen zu den Ausführungen zum Ergebnis der Untersu-
chung (Bewertungsteil der Mehrheitsfraktionen) und zu
den Sondervoten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor einer Veröffentli-
chung des Abschlussberichts Gelegenheit zu einer Stel-
lungnahme zu geben:
„Beschluss 16 zum Verfahren
Gewährung rechtlichen Gehörs
zum Abschlussbericht
gemäß § 32 PUAG
Der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungs-
ausschuss beschließt, den folgenden Personen zu
dem Ergebnis der Untersuchung (Bewertungsteil
der Mehrheitsfraktionen) und zu den Sondervoten
der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜN-
DNIS 90/DIE GRÜNEN vor einer Veröffentli-
chung des Abschlussberichts nach § 32 PUAG Ge-
legenheit zu einer Stellungnahme zu geben:
1. Georg Klein, Bundeswehr, zu den Punkten
a) im Sondervotum der SPD-Fraktion:
Punkt III. 2. f) cc) ‚Probleme beim Inhalt
der Kommunikation: Unzureichende Ge-
sprächsführung„,
Punkt III. 2. g) aa) ‚Vorfrage: Was war das
Ziel des Waffeneinsatzes„ bis hh) ‚Regel-
widriger Verzicht auf die Durchführung ei-
nes angemessenen ‚Battle Damage Assess-
ment„,
Punkt III. 2. g) jj) ‚Zusammenfassung der
Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten
Durchführung des Waffeneinsatzes„,
Punkt IV. 1. b) bb) bbb) ‚Völkerrechtliche
Rechtfertigung des Handelns von Oberst
Klein?„ bis IV. 2. b) ‚Verletzung nationaler
Einsatzvorgaben durch gezielte Tötung au-
51) Giesecke, Umfang und Grenzen des rechtlichen Gehörs gemäß
§ 32 PUAG, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des
Deutschen Bundestages vom 31. August 2011, WD 3 – 3000 –
271/11 (Dokument 20).
Drucksache 17/7400 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ßerhalb einer Selbstverteidigungs- oder
Nothilfesituation„,
Punkt V. ‚Zusammenfassende Gesamtbe-
wertung zum Luft-Boden-Angriff von
Kunduz„,
Punkt VI. 3. a) ‚Verschleierung vor Ort im
PRT Kunduz selbst„,
b) im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.:
Punkt II. ‚Das … Ermittlungsverfahren ge-
gen Oberst Klein und Hauptfeldwebel W.
… ist … einzustellen.„ bis Punkt II. 2. c)
‚Nachweis der Völkerrechtswidrigkeit des
Vorgehens von Oberst Klein„,
Punkt III. c) ‚Materiellrechtliche Fehlbe-
wertung als Grundlage der Verfahrensein-
stellung durch die Bundesanwaltschaft„,
c) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN:
Punkt III. 3. b) ‚Tötung von Aufständi-
schen„,
Punkt III. 4. b) ‚Verletzung der Aufklä-
rungspflichten zur Vermeidung ziviler Op-
fer„,
Punkt III. 4. b) cc) ‚Alternative Hand-
lungsmöglichkeiten„ bis II. 4. g) ‚Schluss-
folgerung und Bewertung der rechtlichen
Reaktion auf den Luftschlag„,
2. HptFw W., Bundeswehr, zu den Punkten
a) im Sondervotum der SPD-Fraktion:
Punkt III. 2. d) ‚Drängen auf schnellen
Bombenabwurf durch Hauptmann N. und
Hauptfeldwebel W.„, e) ‚Keine Bestätigung
durch die Aufklärungsmittel des B1-
Bombers„,
Punkt III. 2. g) ‚Verfahrensfehler im Rah-
men der konkreten Durchführung des Waf-
feneinsatzes„,
Punkt III. 2. g) aa) ‚Vorfrage: Was war Ziel
des Waffeneinsatzes?„,
Punkt III. 2. g) bb) ‚Regelwidriger Einsatz
des B1-Bombers zur Suche nach den Tank-
lastern„,
Punkt III. 2. g) ee) ‚Unklarheiten zwischen
Oberst Klein, dem JTAC und den Piloten
über die angewandte Einsatzregel (‚Rule of
Engagement„)„,
Punkt III. 2. g) ff) ddd) ‚Fehlende Anwen-
dung der für offensiven Waffeneinsatz
zwingenden Zielzuweisungsverfahren„,
Punkt III. 2. g) jj) ‚Zusammenfassung der
Verfahrensfehler„,
Punkt V. ‚Zusammenfassende Gesamtbe-
wertung zum Luft-Boden-Angriff von
Kunduz„,
b) im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.:
Punkt II. 1. b) ‚Unterlassen einer show of
force„,
Punkt II. 1. e) ‚Vorspiegeln einer Gefechts-
situation (troops in contact, TIC) bzw. einer
akuten Bedrohungslage (imminent threat)„,
Punkt II. 2. a) bb) aaa) (4) ‚Tragen von
Waffen„,
Punkt II. 2. a) bb) bbb) (2) ‚Weitere Mittel
der Luftaufklärung„,
Punkt II. 2. b) aa) ‚Offensive Aufstandsbe-
kämpfung als Grund für den Verzicht auf
eine show of force„,
Punkt II. 3. b) ‚Verletzung des Amtsermitt-
lungsgrundsatzes„,
c) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN:
Punkt III. 3. b) ‚Tötung von Aufständi-
schen„,
Punkt III. 4. b) dd) ‚Flugzeuganforderung
trotz mangelndem TIC„,
Punkt III. 4. c) ‚Militärische Eingriffs-
grundlage„,
Punkt III. 6. a) ‚Die Rolle der Task Force
47„,
Punkt III. 7. ‚Zusammenfassung„,
3. Hptm. N., Bundeswehr, zu
im Sondervotum der SPD-Fraktion:
Punkt III. 2. c) ‚Die problematische Agenda
des Hauptmann N. – ‚Der Schwanz wedelt
mit dem Hund„„ bis f) ‚Fehlerhafter Um-
gang mit dem afghanischen HUMINT-
Kontakt„,
Punkt B. III. 2. f) dd) ‚Probleme bei der
Bewertung der Informationen„,
Punkt B. III. 2. f) ff) ‚Zusammenfassung
und Schlussfolgerungen zum fehlerhaften
Umgang mit dem HUMINT-Kontakt„,
Punkt B. V. ‚Zusammenfassende Gesamt-
bewertung zum Luft-Boden-Angriff von
Kunduz„,
4. Jörg Vollmer, Bundeswehr, zu
a) im Sondervotum der SPD-Fraktion:
Punkt B. VI. 3. b) ‚Verschleierung in Ma-
sar-e-Sharif und im Einsatzführungskom-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/7400
mando in Potsdam: Manipulation des
INTSUM„,
b) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN:
Punkt VIII. 3. a) ‚INTSUM„,
5. Rainer Glatz, Bundeswehr, zu
a) im Sondervotum der SPD-Fraktion:
Punkt B. VI. 3. b) ‚Verschleierung in Ma-
sar-e-Sharif und im Einsatzführungskom-
mando in Potsdam: Manipulation des
INTSUM„,
b) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN:
Punkt VIII. 3. a) ‚INTSUM„,
6. OTL V., Bundeswehr, zu
a) im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.:
Punkt I. 3. c) aaa) ‚Kontakt zum ISAF-Joint
Investigation Board„,
b) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN:
Punkt IV. 3. b) bb) ‚Begleitung durch die
‚Gruppe 85„,
Punkt IV. 5. ‚Zusammenfassung„.“
Die Abgeordneten der SPD hatten zuvor für eine großzü-
gigere Gewährung rechtlichen Gehörs unter Einbeziehung
der Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General
a. D. Schneiderhan plädiert
52
.
Zu den Sondervoten Stellung genommen haben General-
leutnant Rainer Glatz (siehe unten: S. 419), Oberst i. G.
Georg Klein (siehe unten: S. 416) und Brigadegeneral
Jörg Vollmer (siehe unten: S. 418). Hierzu haben die
SPD-Fraktion, die Fraktion DIE LINKE. und die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihrerseits mit Gegenäuße-
rungen reagiert (siehe unten: S. 421 ff.). Zu den Gegenäu-
ßerungen der Oppositionsfraktionen hat die Koalition
wiederum Anmerkungen verfasst (S. 426) auf die die
Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
erwidert haben (S. 427).
2. Feststellung des Abschlussberichtes
a) Gang des Verfahrens und ermittelte Tatsa-
chen
Der Untersuchungsausschuss hat in seiner 54. Sitzung am
29. Juni 2011 mit den Stimmen der Abgeordneten der
Fraktion der CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Abgeordneten der
Fraktion DIE LINKE. folgenden Beschluss gefasst:
52) Beratungsunterlage Nr. 17-307. Vgl. unten: S. 421.
„Feststellung:
Erster Teil: Einsetzung des Untersuchungsaus-
schusses und Verlauf des Untersuchungsverfah-
rens (Verfahrensteil) und Zweiter Teil: Feststel-
lungen zum Sachverhalt (Feststellungsteil) des Ab-
schlussberichts gemäß § 33 Abs. 1 PUAG
1. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2
Grundgesetz stellt den Berichtsentwurf der Be-
richterstatter Michael Brand (CDU/CSU) und
Henning Otte (CDU/CSU), Rainer Arnold
(SPD), Joachim Spatz (FDP) und Omid Nouri-
pour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vorbe-
haltlich des zu gewährenden rechtlichen Ge-
hörs gemäß § 32 PUAG als Berichtsteile zum
Gang des Verfahrens (Verfahrensteil) und den
ermittelten Tatsachen (Feststellungsteil) des
Berichts des Untersuchungsausschusses gemäß
§ 33 Abs. 1 PUAG fest.
2. Das Sekretariat wird gebeten, den Verfahrens-
und Feststellungsteil im Einvernehmen mit den
Fraktionen bis zur Vorlage des Abschlussbe-
richts für den Bundestag insbesondere im
Hinblick auf das zu gewährende rechtliche Ge-
hör, die eventuelle Herabstufung noch einges-
tufter Passagen und das weitere Verfahren nach
Abschluss der Beweisaufnahme fortlaufend zu
aktualisieren.
3. Das Sekretariat wird ermächtigt, orthografi-
sche, grammatikalische und sprachliche Un-
richtigkeiten, Zitierfehler sowie sprachliche
oder inhaltliche Brüche im Übergang zu den
jeweils nächsten Kapiteln im Einvernehmen
mit den Fraktionen zu korrigieren.“
b) Ergebnis der Untersuchung
In seiner 55. Sitzung am 6. Juli 2011 hat der Untersu-
chungsausschuss mit den Stimmen der Abgeordneten der
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP gegen die Stim-
men der Abgeordneten der übrigen Fraktionen die von
den Berichterstattern Michael Brand (CDU/CSU), Hen-
ning Otte (CDU/CSU) und Joachim Spatz (FDP) vorge-
legten Bewertungen als Ergebnis der Untersuchung im
Sinne des § 33 PUAG beschlossen (siehe: Dritter Teil,
S. 169 ff.).
c) Sondervoten
Die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN haben am 11. August 2011 jeweils ein
Sondervotum vorgelegt. Diese sind nach § 33 Abs. 2
PUAG in den Bericht aufzunehmen (siehe: Vierter Teil,
S. 213 ff.).
Drucksache 17/7400 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Geheimnisse im Abschlussbericht
Zur Wahrung der Interessen der Bundesrepublik Deutsch-
land und etwaiger Belange Dritter sind alle Berichtsteile
des Abschlussberichts einschließlich der Sondervoten
zunächst von der Vorsitzenden vorläufig als Verschluss-
sache der Stufe GEHEIM eingestuft und im Ausschuss
verteilt worden. Auf Bitten des Ausschusses hat die Bun-
desregierung dem Ausschuss diejenigen Passagen der
Berichtsteile benannt, deren Veröffentlichung die Interes-
sen der Bundesrepublik Deutschland entgegenstünde. Im
Wesentlichen hat es sich hierbei um Klarnamen von
schützenswerten Personen, militärischen und nachrich-
tendienstlichen Fähigkeiten und Geheimnisse internatio-
naler oder ausländischer Stellen gehandelt.
Der Untersuchungsausschuss ist sich einig gewesen an-
zustreben, den gesamten Bericht ohne Schwärzungen
veröffentlichen zu können. Auf Ebene der Mitarbeiter von
Regierung und Fraktionen sind über die parlamentarische
Sommerpause 2011 gemeinsam Umformulierungen bzw.
Abkürzungen gefunden worden, die eine Veröffentli-
chung aller Berichtsteile bei wenigen Streichungen er-
laubt. Entsprechend ist mit den Anlagen zu dem Bericht
verfahren worden.
e) Feststellung der Teile des Berichts und
Vorlage an den Bundestag
In seiner 58. Sitzung am 20. Oktober 2011 hat der Unter-
suchungsausschuss zur Feststellung und Veröffentlichung
seines Berichts beschlossen:
„1. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des
Grundgesetzes stellt den in seiner 54. Sitzung
am 29. Juni 2011 beschlossenen Bericht in der
Fassung der Beratungsunterlage 17-317 als Be-
richtsteile des Untersuchungsausschusses zum
Gang des Verfahrens (Erster Teil) und zu den
ermittelten Tatsachen (Zweiter Teil) gemäß
§ 33 Abs. 1 PUAG fest.
2. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des
Grundgesetzes stellt den in seiner 55. Sitzung
am 6. Juli 2011 beschlossenen Bericht in der
Fassung der Beratungsunterlage 17-317 als Be-
richtsteil des Untersuchungsausschusses Er-
gebnis der Untersuchung gemäß § 33 Abs. 1
PUAG fest (Dritter Teil).
3. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des
Grundgesetzes stellt die am 11. August 2011
vorgelegten Berichte der Fraktionen der SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN in der Fassung der Beratungsunterlage
17-317 als Sondervoten gemäß § 33 Abs. 2
PUAG fest (Vierter Teil).
4. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des
Grundgesetzes stellt die aufgrund der Gewäh-
rung rechtlichen Gehörs eingegangenen Stel-
lungnahmen von Oberst Klein, Brigadegeneral
Vollmer, Generalleutnant Glatz und Kapitän
zur See Dienst sowie die Gegenäußerungen der
Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜN-
DNIS 90/DIE GRÜNEN in der Fassung der
Beratungsunterlage 17-317 zuzüglich der An-
merkungen der Koalition auf Beratungsunter-
lage 17-322 und der Erwiderung der Fraktionen
der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Beratungsunterlage 17-325 als Fünften Teil des
Berichts fest.
5. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des
Grundgesetzes stellt die auf den Beratungsun-
terlagen 17-315 und 17-316 aufgeführten Posi-
tionspapiere sowie das Kurzprotokoll Nr. 57,
Tagesordnungspunkt 1 über die Beratungssit-
zung des Verteidigungsausschusses als Unter-
suchungsausschuss vom 28. September 2011
als Sechsten Teil des Berichts „Lessons Lear-
ned“ fest.
6. Dem Bericht werden die im Sechsten Teil der
Beratungsunterlage 17-317 aufgeführten Do-
kumente und Protokolle in der auf der Begleit-
CD zu dieser Beratungsunterlage befindlichen
Fassung, insbesondere mit den darin vorge-
nommenen Schwärzungen, sowie die Übersich-
ten und Verzeichnisse als Anhang zum Bericht
beigefügt.
7. Die festgestellten Teile des Berichts werden als
Bundestagsdrucksache veröffentlicht.
8. Die festgestellten Teile des Berichts werden
dem Deutschen Bundestag mit folgender Be-
schlussempfehlung vorgelegt:
‚Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bericht des Verteidigungsausschusses als
1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a
Abs. 2 des Grundgesetzes wird zur Kenntnis
genommen.„“
VII. „Lessons Learned“
Am 28. September 2011 hat sich der Untersuchungsaus-
schuss mit der Frage beschäftigt, welche Schlussfolge-
rungen aus der Untersuchungsarbeit zu ziehen sind und
wie das Ergebnis der Untersuchung in die weitere Arbeit
des Verteidigungsausschusses einfließen bzw. umgesetzt
werden könnte. Neben den Bewertungen der Ausschuss-
mehrheit und den Sondervoten der Oppositionsfraktionen
haben dem Ausschuss hierzu ein „Diskussionspapier“ der
Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
53
53) Siehe unten: S. 432.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/7400
als auch ein entsprechendes Papier der Koalitionsfraktio-
nen
54
vorgelegen.
Die Fraktionen haben die aus ihrer Sicht wesentlichen
Schlussfolgerungen aus dem Luftangriff vom 4. Septem-
ber 2009 vorgetragen. Der Generalinspekteur der Bun-
deswehr, General Wieker, ist eingeladen worden darzus-
tellen, welche Mängel das Bundesministerium der Vertei-
digung anlässlich des Luftangriffs von Kunduz erkannt
und gegebenenfalls bereits abgestellt hat. Der Vorsitzende
des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Abg.
Siegfried Kauder (CDU/CSU) hat dem Ausschuss einen
gesetzgeberischen Lösungsvorschlag zum Umgang mit
dem in der Regel folgenlosen Verrat von Geheimnissen
aus Untersuchungsausschüssen heraus unterbreitet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf das
Protokoll über die 57. Sitzung des Verteidigungsaus-
schusses als Untersuchungsausschuss (S. 436).
VIII. Umgang mit Akten nach Abschluss der
Untersuchung
In seiner 58. Sitzung am 10. Oktober 2011 hat der Aus-
schuss beschlossen:
„Beschluss 19 zum Verfahren
Rückgabe von Beweismaterialien und
Mehrausfertigungen von Protokollen
1. Nach Kenntnisnahme des Abschlussberichtes
durch das Plenum des Deutschen Bundestages
geben
– die Mitglieder des Verteidigungsaus-
schusses als 1. Untersuchungsausschuss,
– die benannten Mitarbeiterinnen und Mi-
tarbeiter der Fraktionen und
– die Beauftragten der Bundesregierung
gegenüber dem Sekretariat eine Erklärung ab,
dass verteilte Kopien der als VS-NUR FÜR
DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuften Be-
weismaterialien sowie die davon gezogenen
weiteren Kopien, soweit dies nicht bereits er-
folgt ist, vernichtet werden.
2. Die von der Geheimregistratur des Deutschen
Bundestages an
– die Mitglieder des Verteidigungsaus-
schusses als 1. Untersuchungsausschuss,
– die benannten Mitarbeiterinnen und Mi-
tarbeiter der Fraktionen,
– die Beauftragten der Bundesregierung,
– den Generalbundesanwalt beim Bundes-
gerichtshof sowie an
– den Leitenden Oberstaatsanwalt in Berlin
54) Siehe unten: S. 429.
verteilten
– Kopien der VS-VERTRAULICH oder
höher eingestuften Beweismaterialien,
– die Mehrausfertigungen der VS-VER-
TRAULICH oder höher eingestuften Pro-
tokolle des Verteidigungsausschusses als
1. Untersuchungsausschuss sowie
– die Mehrausfertigungen der VS-eingestuf-
ten Berichtsteile
sind nach Kenntnisnahme des Abschlussbe-
richts durch das Plenum des Deutschen Bun-
destages der Geheimregistratur zum Zwecke
der Vernichtung zuzuleiten. Den Beauftragten
der Bundesregierung wird gestattet, diese Ko-
pien und Mehrausfertigungen mit Zustimmung
des Sekretariats selbst zu vernichten.“
„Beschluss 20 zum Verfahren
Behandlung der Protokolle und Materialien nach
Kenntnisnahme des Abschlussberichtes durch den
Deutschen Bundestag
I. Protokolle
Der Untersuchungsausschuss empfiehlt gemäß
Ziffer II. Nr. 2 der Richtlinien gemäß § 73
Abs. 3 GO-BT:
1. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH
und höher eingestufte Protokolle über Bera-
tungssitzungen und Sitzungen zur Beweis-
aufnahme durch Vernehmung von Zeugen
werden nach der Geheimschutzordnung des
Bundestages behandelt.
2. Protokolle über Beratungssitzungen werden
mit dem Vermerk „VS-NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH“ versehen. Der Ver-
merk verliert am 31. Dezember 2017 seine
Gültigkeit. Danach können diese Protokolle
von jedem eingesehen werden, der ein be-
rechtigtes Interesse geltend machen kann.
Über das Vorliegen eines berechtigten
Interesses entscheidet der Präsident.
II. Beweismaterialien (MAT)
Die zu Beweiszwecken gemäß § 18 (1) PUAG
beigezogenen Materialien Dritter und die VS-
NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH und
höher eingestuften Beweismaterialien werden
nach Kenntnisnahme des Abschlussberichts
durch das Plenum des Deutschen Bundestages
an die herausgebenden Stellen zurückgegeben
oder mit Zustimmung der herausgebenden Stel-
le vernichtet. Ausgenommen hiervon sind Ko-
pien bzw. Ausfertigungen von Beweismateria-
lien, die als Dokumente dem Abschlussbericht
oder Teilen des Abschlussberichtes beigefügt
sind.
Drucksache 17/7400 – 32 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Übrigen werden Kopien ebenso wie die
vom Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gefertigten Kopien vernich-
tet, es sei denn, die herausgebenden Stellen wi-
dersprechen. Die Vernichtung ist in einem Pro-
tokoll festzuhalten.“
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/7400
Zweiter Teil:
Feststellungen zum Sachverhalt
A. Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der INTERNATIONAL SECURITY
ASSISTANCE FORCE
I. OPERATION ENDURING FREEDOM in Ab-
grenzung zur INTERNATIONAL SECURITY
ASSISTANCE FORCE
Am 11. September 2001 verübten Terroristen mit Hilfe
von vier entführten Zivilluftfahrzeugen Anschläge auf
Ziele in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).
Infolgedessen verloren tausende Menschen ihr Leben.
55
Die Attentäter vom 11. September wurden in ihren Taten
von dem Taliban-Regime in Afghanistan unterstützt. Als
Rückzugsgebiet des international operierenden Terroris-
mus rückte Afghanistan in den Fokus der Vereinigten
Staaten von Amerika und Europas.
56
Bereits am 12. September 2001 verabschiedete der Si-
cherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1368
(2001), mit der die Anschläge als eine Bedrohung des
internationalen Friedens und der Sicherheit qualifiziert
wurden. Bezugnehmend auf Artikel 51 der Charta der
Vereinten Nationen erklärte die Resolution die Notwen-
digkeit, alle erforderlichen Schritte gegen solche Bedro-
hungen zu unternehmen und verbriefte das Recht zur
individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung auch
mit militärischen Mitteln.
57
Mit der Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats vom
28. September 2001 wurden die Mitgliedstaaten der Ver-
einten Nationen zur Bekämpfung des internationalen
Terrorismus mit politischen, wirtschaftlichen, polizeili-
chen und gesetzgeberischen Maßnahmen aufgerufen.
58
Am 4. Oktober 2001 bekräftigte und präzisierte der
NATO-Rat die Beistandsverpflichtung aus Artikel 5 des
Nordatlantikvertrages und appellierte zum Agieren an die
internationale Gemeinschaft.
59
Auf Antrag der Bundesregierung vom 7. November 2001
beschloss der Deutsche Bundestag am 16. November
2001 – unter Bezugnahme auf Artikel 51 der Satzung der
Vereinten Nationen, Artikel 5 des Nordatlantikvertrages
55) Bericht der gemeinsam vom amerikanischen Kongress und vom
US-Präsidenten einberufenen National Commission on Terrorist
Attacks Upon the United States (9/11-Report).
56) Bilanzierender Gesamtbericht der Bundesregierung zum Einsatz
bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der ge-
meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA,
Unterrichtung des Bundestages vom 8. Mai 2002, BT-
Drs. 14/8990 (Dokument 21).
57) S/RES/1368 (2001),
http://www.un.org/Docs/scres/2001/sc2001.htm (Dokument 22).
58) S/RES/1373 (2001),
http://www.un.org/Docs/scres/2001/sc2001.htm (Dokument 23).
59) Presseerklärung des Generalsekretärs der NATO, Lord Robertson,
zu der Entscheidung des Nordatlantikrats über die Anwendung
des Artikel 5 des Washingtoner Vertrags nach den Anschlägen in
den USA, abgegeben am 4. Oktober 2001 in Brüssel
(Dokument 24).
und die vorgenannten Resolutionen des Sicherheitsrats
sowie auf die Regeln eines Systems kollektiver Sicherheit
im Sinne des Artikel 24 Abs. 2 Grundgesetz – die Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den
US-Amerikanern geführten Operation Enduring Freedom
(OEF) zur Bekämpfung des international operierenden
Terrorismus
60
und folgte damit der Aufforderung des
Sicherheitsrats.
Im Zuge der OEF wurden das Taliban-Regime gestürzt
und al-Qaida-Ausbildungslager zerstört. An der OEF-
Mission auf afghanischem Boden beteiligen sich deutsche
Truppen seit November 2008 nicht mehr.
61
Damit verleg-
te Deutschland den Schwerpunkt seines militärischen
Engagements von OEF hin zur International Security
Assistance Force (ISAF).
62
II. INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE
FORCE
1. Das Afghanistanmandat der Vereinten Na-
tionen
a) Petersberger Konferenz
Mit Unterstützung der Resolution 1378 (2001) des Si-
cherheitsrats vom 14. November 2001 lud der Sonder-
beauftragte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen
für Afghanistan Lakhdar Brahimi zu einer Konferenz
unterschiedlichster afghanischer Gruppen auf den Peters-
berg bei Bonn ein, um über die Zukunft Afghanistans
nach Niederschlagung des Taliban-Regimes zu beraten.
63
Die so genannte „Petersberger Konferenz“ tagte vom 27.
November bis 5. Dezember 2001. Ergebnis war ein Über-
einkommen über vorläufige Regelungen in Afghanistan
bis zur Wiederherstellung dauerhafter staatlicher Struktu-
60) BT-PlPr. 14/202 vom 16. November 2001, S. 19893
(Dokument 26); Antrag der Bundesregierung zum Einsatz be-
waffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der ge-
meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA
vom 7. November 2001, BT-Drs. 14/7296 (Dokument 25).
61) Unterrichtung durch die Bundesregierung (Fn. 56), BT-Drs.
14/8990, S. 10; Krause, Die Afghanistaneinsätze der Bundes-
wehr, S. 135;
www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a12/auslandseinsaet
ze/auslandseinsaetze/oef.html.
62) Unterrichtung durch die Bundesregierung (Fn. 56), Drs. 14/8990,
S. 5; Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes
bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der ge-
meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA
vom 29. Oktober 2008, BT-Drs. 16/10720(Dokument 27), S. 3.
63) Unterrichtung des Sicherheitsrats durch den Sonderbeauftragten
des Generalsekretärs für Afghanistan vom 13. November 2001
(Dokument 28).
Drucksache 17/7400 – 34 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ren („Bonner Vereinbarung“).64 Darin wurde eine vorläu-
fige staatliche Ordnung mit einer Interimsverwaltung
verabredet, deren Vorsitz Hamid Karzai übernehmen
sollte. In der Anlage zu diesem Übereinkommen erkann-
ten die Teilnehmer an, dass die Afghanen selbst die Ver-
antwortung für Sicherheit, Recht und Ordnung in Afgha-
nistan tragen sollten. Die internationale Gemeinschaft
wurde ersucht, die neuen afghanischen Behörden dabei zu
unterstützen, neue afghanische Sicherheits- und bewaffne-
te Streitkräfte aufzubauen und auszubilden. Der Sicher-
heitsrat der Vereinten Nationen wurde gebeten, die baldi-
ge Entsendung einer Truppe zu beschließen, die die Si-
cherheit in Kabul und den umliegenden Gebieten, gege-
benenfalls nach und nach auch in anderen Gebieten ge-
währleistet.
Die „Bonner Vereinbarung“ wurde vom Sicherheitsrat
ausdrücklich begrüßt.
65
b) Rechtsgrundlage: Kapitel VII der UN-
Charta
Mit seiner Resolution 1386 (2001) beschloss der Sicher-
heitsrat am 20. Dezember 2001 die Einrichtung einer
Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe zur Un-
terstützung der vorläufigen Staatsorgane Afghanistans bei
der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und seiner
Umgebung.
66
Der Sicherheitsrat bezog sich in dieser Re-
solution ausdrücklich auf das Kapitel VII der Charta der
Vereinten Nationen („Maßnahmen bei Bedrohung oder
Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“), das
abweichend von dem Gewaltverbot des Artikel 2 Nr. 4
der Charta die Ausübung militärischer Gewalt zulässt.
c) Zielsetzung
Mit der Sicherheitstruppe sollten internationale Anstren-
gungen unterstützt werden, dem Terrorismus die Wurzeln
zu entziehen (root out), da die Lage in Afghanistan nach
wie vor eine Bedrohung für den internationalen Frieden
und die Sicherheit darstelle. Bei Anerkennung der Souve-
ränität, der Unabhängigkeit und territorialen Integrität
Afghanistans sowie der Eigenverantwortung der Afgha-
nen für Sicherheit, Recht und Ordnung sollte die interna-
tionale Unterstützung dazu dienen, dauerhafte Regie-
rungseinrichtungen wiederherzustellen. Dafür sollte zu-
nächst der afghanischen Interimsregierung bei der Hers-
tellung der Sicherheit in Kabul und Umgebung geholfen
werden.
64) Agreement on Provisional Arrangements in Afghanistan pending
the re-establishment of Permanent Government Institutions,
S/2001/1154; deutsche Übersetzung (Dokument 29).
65) Resolution 1383 (2001) vom 6. Dezember 2001 (Dokument 30).
66) S/RES/1386 (2001) vom 20. Dezember 2001 (Dokument 31);
Frisch, Inhaltliche Schwerpunkte der Beschlüsse des Deutschen
Bundestages zu ISAF, Infobrief der Wissenschaftlichen Dienste
des Bundestages vom 23. April 2010, WD 2 – 3010 – 077/10
(Dokument 32).
d) Zeitliche Begrenzung
Die zeitliche Dauer des ISAF-Einsatzes wurde in der
Resolution 1386 (2001) auf sechs Monate begrenzt.
67
Jedoch wurde in den Monaten darauf die Notwendigkeit
internationaler Militärpräsenz immer deutlicher und es
folgten weitere Resolutionen des Sicherheitsrats zur Ver-
längerung des UN-Mandats für Afghanistan.
68
2. Beschluss des Deutschen Bundestages zu
ISAF
Die Bundesregierung beschloss am 21. Dezember 2001
die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der
vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisierten
Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe. Dies sei
„ein wesentlicher Beitrag Deutschlands zur Implementie-
rung des auf dem Petersberg in Gang gesetzten nationalen
Versöhnungsprozesses in Afghanistan, der den Weg zu
einem Neuaufbau des Landes nach mehr als 20 Jahren
Krieg und Bürgerkrieg eröffnet“.69 Um Afghanistan die
Perspektive auf eine friedliche Zukunft zu eröffnen, seien
Schritte zur Verhinderung erneuter Anarchie im öffentli-
chen Leben vordringlich. Die weitere Entwicklung des
durch die „Bonner Vereinbarung“ eingeleiteten politi-
schen Prozesses werde wesentlich von der Sicherheitslage
im Lande bestimmt sein. Wegen der unterschiedlichen
Stammesinteressen sei der innenpolitische Frieden nach
wie vor brüchig. Daher sollten Sicherheit und Ordnung
mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ge-
währleistet werden. Insbesondere in der Hauptstadt müsse
ein Umfeld geschaffen werden, das es der vorläufigen
Regierung ab dem 22. Dezember 2001 ermögliche, mit
Hilfe der internationalen Gemeinschaft die „Bonner Ver-
einbarung“ umzusetzen.70
Diesem Antrag der Bundesregierung folgte der Deutsche
Bundestag mit seiner konstitutiven Zustimmung bereits
am darauf folgenden Tage.
71
Im Mittelpunkt standen für Bundestag und Bundesregie-
rung sowohl die substanzielle Hilfe beim Wiederaufbau
des Landes als auch die Unterstützung Afghanistans beim
Beschreiten des Weges in eine politisch stabile Zukunft in
Anbetracht der in den nächsten zwei Jahren stattfindenden
Parlamentswahlen und der Schaffung staatlicher Institu-
tionen mit Hilfe der von der Staatengemeinschaft verab-
schiedeten „Bonner Vereinbarung“. Besonders hingewie-
sen wurde auf den Konsens innerhalb der Staatengemein-
67) S/RES/1386 (2001) vom 20. Dezember 2001 (Fn. 66).
68) Verlängert durch die Resolutionen 1413 (2002) vom 23. Mai
2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom
13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623
(2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September
2006, 1776 (2007) vom 19. September 2007 sowie 1833 (2008)
vom 22. September 2008; http://www.un.org/Docs/sc/.
69) Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Si-
cherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan vom 21. Dezember
2001, BT-Drs. 14/7930 (Dokument 33).
70) Antrag der Bundesregierung vom 21. Dezember 2001 (Fn. 69).
71) BT-PlPr. 14/210 vom 22. Dezember 2001 (Dokument 34),
S. 20849.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/7400
schaft, die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit
und Ordnung in den Händen der Afghanen selbst zu be-
lassen. Das Einsatzgebiet wurde auf Kabul und Umge-
bung begrenzt. Die Ermächtigung zum Einsatz wurde bis
zum 20. Juni 2002 befristet. Die ISAF-Führung werde –
begrüßt vom Sicherheitsrat mit der Resolution 1386
(2001)
72
– zunächst von britischer Seite übernommen.
Von US-amerikanischer Seite werde der ISAF umfangrei-
che Unterstützung zugesichert, welche auch strategische
Lufttransporte sowie Hilfe in Notlagen beinhalte.
73
III. Verlängerung und Ausweitung von ISAF
Seit dem 22. Dezember 2001 bekräftigte der Deutsche
Bundestag durch mehrere Beschlüsse die Notwendigkeit
der Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an ISAF.
Während nach der ursprünglichen parlamentarischen
Ermächtigung aus dem Jahre 2001 der Einsatz der Bun-
deswehr im Rahmen des UN-Mandats für Afghanistan auf
die Aufgabe begrenzt war, die Aufrechterhaltung der
Sicherheit in Kabul und Umgebung zu gewährleisten,
wurde der Aufgabenbereich der Bundeswehr in den dar-
auf folgenden Beschlüssen des Parlaments zur Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF ausge-
weitet.
1. UN-Mandatsverlängerungen
Der Sicherheitsrat verlängerte am 23. Mai 2002 das Afg-
hanistanmandat für sechs Monate.
74
Auf Antrag der Bun-
desregierung, die eine weitere Beteiligung der Bundes-
wehr als geboten ansah
75
, beschloss der Deutsche Bundes-
tag am 14. Juni 2002, den Einsatz der Bundeswehr für
weitere sechs Monate fortzusetzen.
76
Gut ein Jahr nach seiner Beschlussfassung über die Betei-
ligung deutscher Truppen an ISAF stimmte der Deutsche
Bundestag am 20. Dezember 2002 erneut der Beteiligung
bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF für weitere
zwölf Monate zu. Die Bundesrepublik Deutschland sowie
die Niederlande übernahmen zu Beginn des Jahres 2003
die ISAF-Führung.
77
72) S/RES/1386 (2001) vom 20. Dezember 2001 (Fn. 66, Doku-
ment 32).
73) BT-PlPr. 14/210 vom 22. Dezember 2001 (Fn. 71), S. 20849, BT-
Drs. 14/7930.
74) Resolution 1413 (2002) vom 23. Mai 2002 (Dokument 35).
75) Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung
bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 5. Juni 2002, BT-
Drs. 14/9246 (Dokument 36).
76) BT-PlPr. 14/243 vom 14. Juni 2002,(Dokument 37), S. 24478 f.
77) BT-PlPr. 15/17 vom 20. Dezember 2002, S. 1318; Antrag der
Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an ISAF vom 3. Dezember 2002, BT-Drs.
15/128 (Dokument 38).
2. Ausdehnung des Bundeswehreinsatzes
über Kabul hinaus
Mit der Resolution 1510 (2003) des Sicherheitsrats vom
13. Oktober 2003 wurde das ISAF-Mandat auf ganz Afg-
hanistan ausgeweitet.
78
Das von den ISAF-Truppen zu koordinierende Einsatzge-
biet richtete sich nach den Vereinbarungen, die zwischen
der NATO und der vorläufigen Regierung Afghanistans
getroffen wurden. Für die Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte bedeutete dies, dass sich ihr Ein-
satzgebiet über Kabul und Umgebung hinaus auf die
Region Kunduz (Provinzen Kunduz, Badakschan, Bagh-
lan und Takhar) ausdehnte.
79
Laut der Resolution war es weiterhin unabdingbares Ziel
der Staatengemeinschaft, die vorläufigen Staatsorgane
und ihre Nachfolgeinstitutionen bei der Aufrechterhaltung
der Sicherheit in den zuvor genannten Gebieten zu unters-
tützen, damit die afghanischen Regierungsorgane sowie
Personal der Vereinten Nationen und anderes agierendes
internationales Zivilpersonal, insbesondere solches, wel-
ches sich sowohl dem Wiederaufbau im Lande als auch
humanitären Aufgaben widmete, in einem sicheren Um-
feld arbeiten konnte.
80
Die räumliche Ausdehnung wurde für erforderlich gehal-
ten, um die in den nächsten Monaten anstehenden demo-
kratischen Wahlen, die Afghanistan den Weg in eine
stabile politische Zukunft weisen sollten, abzusichern. Die
sichere und reibungslose Durchführung dieser Wahlen
sollte durch die ISAF gewährleistet werden.
Die Bundesregierung hatte zugesagt, dass im Rahmen
ihres zivil-militärischen Ansatzes deutsche Soldaten den
Standort des US-geführten Provincial Reconstruction
Teams (PRT) in Kunduz als Teil der nunmehr beschlos-
senen erweiterten ISAF-Operation übernehmen.
81
Ein
PRT besteht aus einem zivilen (Diplomaten, Polizeiaus-
bilder und Wiederaufbauhelfer) und einem militärischen
Strang. Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Bundesmi-
nisteriums des Inneren sowie des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind
vor Ort tätig.
82
Aufgabe der militärischen Komponente
innerhalb des PRT sei die Gewährleistung einer stabilen
78) S/RES/1510 (2003) vom 13. Oktober 2003,
www.un.org/Docs/sc/unsc_resolutions03.html.
79) BT-PlPr. 15/70 vom 24. Oktober 2003, S. 6007; Antrag der
Bundesregierung auf Fortsetzung und Erweiterung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 15. Oktober
2003, BT-Drs. 15/1700 (Dokument 39); Antwort der Bundesre-
gierung bezüglich des Bundeswehreinsatzes in Kunduz und Fai-
sabad vom 12. Oktober 2004, BT-Drs. 15/3908 (Dokument 40).
80) S/RES/1510 (2003) vom 13. Oktober 2003 (Fn. 78); BT-PlPr.
15/70 vom 24. Oktober 2003, S. 6007; Beschlussempfehlung und
Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) vom 22.
Oktober 2003, BT-Drs. 15/1806 zum Antrag der Bundesregierung
auf Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an ISAF.
81) Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung und Erweiterung der
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 15.
Oktober 2003 (Fn. 79), S. 3.
82) BT-PlPr. 15/66 vom 16. Oktober 2003, S. 5647; Auftrag und
Geschichte des PRT eingehend: www.einsatz.bundeswehr.de.
Drucksache 17/7400 – 36 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Sicherheitslage, um den zivilen Wiederaufbau (Bau und
Instandhaltung öffentlicher Einrichtungen) vorantreiben
zu können.
83
„In Abwägung der sicherheitspolitischen Lage, der
Kooperationsbereitschaft lokaler Autoritäten, der
Chancen für den Wiederaufbau und der Bedeutung
der Region im afghanischen Gesamtgefüge ist
Kunduz der für ein solches Projekt am besten ge-
eignete Ort. Im Mittelpunkt steht dabei das Ziel, in
dieser Region mit zivilen Mitteln die Grundlage
für wirtschaftliche Entwicklung, für regionale Zu-
sammenarbeit und die für eine stabile Entwicklung
notwendige Ausübung staatlicher Autorität zu
stärken. In diesem Rahmen ist die Entsendung be-
waffneter Einheiten der Bundeswehr nach Kunduz
als Schutzkomponente notwendig. Die militärische
Präsenz soll darüber hinaus stabilisierend in die
Region ausstrahlen.“84
3. Ausbau der Provincial Reconstruction
Teams
Mit der Resolution 1563 (2004) vom 17. September 2004
beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die
Fortsetzung des ISAF-Mandats um weitere zwölf Monate.
Betont wurden in der Resolution die immense Bedeutung
der Ausdehnung der Herrschaft der Zentralregierung auf
alle Teile Afghanistans sowie die Durchführung freier
Wahlen.
85
In ihrem Antrag an den Bundestag auf Zu-
stimmung zur Verlängerung des Bundeswehreinsatzes
zog die Bundesregierung ein erstes positives Fazit bezüg-
lich des bisherigen Einsatzes im Rahmen der ISAF-
Mission.
„Durch das Engagement der Internationalen Ge-
meinschaft in Afghanistan ist es innerhalb von drei
Jahren gelungen, die Weichen in Richtung Stabili-
sierung und Aufbau eines neuen, demokratischen
Staatswesen zu stellen und die Voraussetzungen
dafür zu schaffen, dass das Land nicht erneut zu
einem sicheren Hafen für internationale Terroris-
ten wird.“86
4. Abschluss des „Bonner-Prozesses“
Mit den Parlamentswahlen in Afghanistan vom 18. Sep-
tember 2005 stand der im Dezember 2001 verabschiedete
so genannte „Bonner Prozess“ vor seinem Abschluss. Die
Präsenz von ISAF-Truppen wurde gleichwohl für die
weitere Entwicklung Afghanistans für notwendig erachtet.
In der Begründung des Antrags der Bundesregierung auf
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit-
83) www.einsatz.bundeswehr.de.
84) Antrag der Bundesregierung vom 15. Oktober 2003 (Fn. 81), S. 3.
85) S/RES/1563 (2004) vom 17. September 2004 (Dokument 41).
86) Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung
bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 22. September
2004, BT-Drs. 15/3710,(Dokument 42), S. 2; Zustimmung durch
den Deutschen Bundestag: BT-PlPr. 15/126 vom 23. September
2004, S. 11459, 11490.
kräfte an der ISAF-Mission vom 21. September 2005
heißt es hierzu:
„[…] Trotz der in den letzten Jahren erzielten er-
heblichen Fortschritte beim Wiederaufbau des
Landes bleibt die in Teilen Afghanistans instabile
Sicherheitslage gemeinsam mit den zu stärkenden
staatlichen Strukturen und dem wirtschaftlichen
Wiederaufbau unverändert die größte Herausforde-
rung für die afghanische Regierung und die inter-
nationale Gemeinschaft. Drogenkriminalität, Ang-
riffe und Anschläge auf Soldaten der internationa-
len Sicherheitspräsenz (ISAF, OPERATION
ENDURING FREEDOM) und der afghanischen
Sicherheitskräfte (Afghan National Army und
Afghan National Police), auf Mitarbeiter der Ver-
einten Nationen und Nichtregierungsorganisatio-
nen sowie auf die Zivilbevölkerung belegen, dass
es noch weiterer Anstrengungen bedarf, um die Si-
cherheitslage grundlegend und nachhaltig zu ver-
bessern.“87
Entsprechend dem Antrag der Bundesregierung beschloss
der Deutsche Bundestag am 28. September 2005, die
Beteiligung der Bundeswehr am ISAF-Einsatz um weitere
zwölf Monate zu verlängern.
88
Im Rahmen der in London abgehaltenen Afghanistan-
Konferenz am 31. Januar 2006 wurden von der interna-
tionalen Gemeinschaft neue Zielvorstellungen für den
Einsatz in Afghanistan beschlossen.
Der Deutsche Bundestag begrüßte die positiven Entwick-
lungen durch den ISAF-Einsatz sowie die im Januar 2006
von der Staatengemeinschaft festgelegten neuen Verein-
barungen und Perspektiven für Afghanistan. Die Risiken
und die angespannte „massiv verschlechterte“89 Sicher-
heitslage auch für deutsche Truppen wurden dennoch
eindringlich betont. So heißt es in der Plenardebatte unter
anderem „im Süden des Landes herrscht eigentlich Krieg
zwischen ISAF und militärisch organisierten Aufständi-
schen“.90
In seiner Sitzung vom 28. September 2006 beschloss der
Deutsche Bundestag den Einsatz bewaffneter deutscher
Streitkräfte an ISAF für weitere zwölf Monate.
91
5. Übernahme der Verantwortung für die ge-
samte Nordregion
Unverändertes Ziel des ISAF-Einsatzes blieb gemäß der
Resolution 1776 (2007) des Sicherheitsrats vom 19. Sep-
87) Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung
bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 21. September
2005, BT-Drs. 15/5996 (Dokument 43), S. 4 f.
88) BT-PlPr. 15/187 vom 28. September 2005, S. 17585; Völkerrech-
tliche Grundlage bilden die Resolutionen des Sicherheitsrats der
Vereinten Nationen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413
(2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002,
1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. Sep-
tember 2004 sowie 1623 (2005) vom 13. September 2005.
89) Arnold, BT-PlPr. 16/54 vom 28. September 2006, S. 5224.
90) Arnold, BT-PlPr. 16/54 vom 28. September 2006, S. 5224.
91) BT-PlPr. 16/54 vom 28. September 2006, S. 5225 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 37 – Drucksache 17/7400
tember 2007 die Unterstützung Afghanistans bei der Auf-
rechterhaltung der Sicherheit. Es wurde die Notwendig-
keit gesehen, die ISAF noch weiter zu stärken. Die ISAF
und andere Partner wurden ermutigt, ihre Anstrengungen
aufrechtzuerhalten, afghanische Sicherheitskräfte, insbe-
sondere die Polizei, auszubilden und zu trainieren.
92
Am 12. Oktober 2007 erteilte der Deutsche Bundestag
seine Zustimmung zur Fortsetzung der Beteiligung
deutscher Truppen an der ISAF-Mission.
93
6. NATO-Gipfel in Bukarest und Pariser Afg-
hanistan-Konferenz
Mit seiner Resolution 1833 (2008) verlängerte der Si-
cherheitsrat am 22. September 2008 das Mandat für den
ISAF-Einsatz über den 13. Oktober 2008 hinaus um wei-
tere zwölf Monate. In dieser Resolution wurde die starke
Besorgnis über die Sicherheitslage in Afghanistan bekun-
det, insbesondere über den Anstieg von gewalttätigen und
terroristischen Aktivitäten der Taliban, von al-Qaida und
anderen Gruppen. Eindringlich verurteilt wurden An-
schläge aller Art auf Zivilisten, afghanische und interna-
tionale Sicherheitskräfte – ausdrücklich erwähnt wurden
hierbei improvisierte Sprengvorrichtungen (IED), Selbst-
mordattentate und Entführungen. Besorgnis äußerte die
Resolution aber auch über die hohe Zahl ziviler Opfer bei
der Bekämpfung der Taliban und al-Qaida. Unter Aner-
kennung der Anstrengungen der ISAF, das Risiko ziviler
Opfer zu minimieren, wurde dazu aufgerufen, die bisheri-
gen Taktiken und Verfahren zu überprüfen und im Falle
ziviler Opfer in Zusammenarbeit mit den afghanischen
Behörden Untersuchungen durchzuführen.
94
Unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des NATO-Gipfels
in Bukarest vom 4. April 2008 und auf das Abschluss-
kommuniqué der Pariser Afghanistan-Konferenz vom 12.
Juni 2008 beantragte die Bundesregierung beim Deut-
schen Bundestag am 7. Oktober 2008 die Zustimmung zur
Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan um
weitere 14 Monate.
95
Zu den Aufgaben der Bundeswehr heißt es in dem Ant-
rag:
„Im Rahmen des ISAF-Einsatzes ergeben sich für
die Bundeswehr insbesondere folgende Aufgaben:
– Unterstützung der Regierung von Afghanistan
bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit;
– Mitwirkung an der Führung von ISAF in Afg-
hanistan, einschließlich eines Beitrages bei der
Erstellung eines Lagebildes;
– Taktischer Verwundetenlufttransport
(AIRMEDEVAC);
92) S/RES/1776 (2007) vom 19. September 2007 (Dokument 44).
93) BT-PlPr. 16/119 vom 12. Oktober 2007, S. 12371.
94) S/RES/1833 (2008) vom 22. September 2008 (Dokument 45).
95) Antrag der Bundesregierung vom 7. Oktober 2008, BT-Drs.
16/10473 (Dokument 46).
– Sicherung des Arbeitsumfeldes des Personals,
das zur Vollendung des Übergangsprozesses
und zur weiteren Unterstützung der Stabilisie-
rung und des Wiederaufbaus Afghanistans von
den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen,
den Vereinten Nationen und internationalen
Hilfsorganisationen in den hierfür bestimmten
Gebieten eingesetzt wird;
– Eigensicherung und im Bedarfsfall Evakuie-
rung;
– Unterstützung bei der Reform des Sicherheits-
sektors, insbesondere Unterstützung im Auf-
bau funktionsfähiger afghanischer Sicher-
heitskräfte (Afghan National Army – ANA,
Afghan National Police – ANP), einschließ-
lich der Entwaffnung illegaler Milizen;
– Beitrag zur zivil-militärischen Zusammenar-
beit;
– Mitwirkung bei der Absicherung von Wahlen.
Die Verantwortung für die Drogenbekämpfung
liegt bei der afghanischen Regierung.“96
Der Deutsche Bundestag stimmte am 16. Oktober 2008
dem Antrag der Bundesregierung zu und legitimierte den
Einsatz deutscher Truppen für weitere 14 Monate.
97
IV. Befugnis zur Anwendung militärischer
Gewalt im Rahmen des ISAF-Mandats (Ru-
les of Engagement, Standard Operating
Procedures, Tactical Directives)
In den Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen werden die an der ISAF teilnehmenden Mitg-
liedstaaten ermächtigt, alle zur Erfüllung des Mandats
notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (to take all neces-
sary measures
98
). Insoweit eröffnet das völkerrechtliche
Mandat für ISAF einen weiten Handlungsspielraum.
99
Zum Zwecke der geordneten Operationsführung haben
die NATO-Mitgliedstaaten ihren Handlungsspielraum
einvernehmlich in Vorgaben für die gemeinsame Operati-
onsführung umgesetzt, die dem aktuellen Operationsplan
der NATO (OPLAN) zu entnehmen sind.
100
Der OPLAN
formuliert unter anderem Befugnisse für den Einsatz
militärischer Gewalt, die in den ISAF „Rules of Engage-
ment“ (ROE) umgesetzt werden und bei Wahrnehmung
multinationaler Führungsaufgaben zu berücksichtigen
sind.
101
Die – vom NATO-Rat erlassenen und in ihrem
96) Antrag der Bundesregierung vom 7. Oktober 2008 (Fn. 95), S. 2.
97) BT-PlPr. 16/183 vom 16. Oktober 2008, S. 19514.
98) Resolution 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001 (Fn. 66, Doku-
ment 31).
99) Entwurf einer Stellungnahme des BMVg zu den Rechtlichen
Rahmenbedingungen des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr
(BMVg, Rechtliche Rahmenbedinungungen Dokument 47,
Bl. 144).
100) BMVg, Rechtliche Rahmenbedingungen (Fn. 99, Dokument 47),
Bl. 143 ff.
101) BMVg, Rechtliche Rahmenbedingungen (Fn. 99, Dokument 47),
Bl. 144; Hartmann/Schubert, „Rules of Engagement“ und die Ta-
Drucksache 17/7400 – 38 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Geltungsbereich von allen Streitkräften der beteiligten
Mitgliedstaaten zu achtenden – ROE bezeichnen im mili-
tärischen Bereich damit die Regeln, die für die Streitkräf-
te zum Einsatz von Gewalt und Zwangsmaßnahmen bei
einer Operation anzuwenden sind.
102
Der Kommandeur der ISAF kann seine Vorstellungen,
wie der Operationsplan umzusetzen ist, in einer Tactical
Directive zusammenfassen. Tactical Directives geben in
<erster Linie das Verständnis dessen wieder, was nach der
Bewertung der NATO-Mitgliedstaaten an militärischem
Handeln notwendig ist, um das UN-Mandat erfolgreich
umzusetzen.
103
Konkrete Verfahrens- und Handlungsabläufe in einzelnen
Situationen werden in Standard Operating Procedures
(SOP) definiert.
schenkarte der Bundeswehr, Wissenschaftliche Dienste Deutscher
Bundestag vom 19. November 2009, WD 2 (Dokument 48),
S. 1 f.
102) Hartmann/Schubert (Fn. 101), S. 1.
103) BMVg, Rechtliche Rahmenbedingungen (Fn. 99), Bl. 144 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39 – Drucksache 17/7400
B. Der Luftschlag am 4. September 2009
I. Lageentwicklung im Raum Kunduz bis
zum 4. September 2009
Im Rahmen des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr in Afg-
hanistan erfolgte in der Nacht vom 3. auf den 4. Septem-
ber 2009 im Raum Kunduz ein Luftangriff durch US-
amerikanische Luftfahrzeuge, welcher durch den Kom-
mandeur des Provincial Reconstruction Teams (PRT)
Kunduz angefordert worden war. Die in der Region Kun-
duz stationierten deutschen Soldaten hatten sich in den
vorangehenden Monaten erheblichen Angriffen regie-
rungsfeindlicher Kräfte ausgesetzt gesehen und hierbei
auch eigene Verluste erlitten. Die Untersuchungen des
Ausschusses haben sich auch auf die für den Untersu-
chungsgegenstand maßgeblichen Rahmenbedingungen
des ISAF-Einsatzes sowie die Entwicklung der militäri-
schen Lage im Einsatzgebiet und insbesondere im Ein-
satzraum Kunduz erstreckt.
1. Militärische Lage zum Zeitpunkt der Über-
nahme des Kommandos über das Provin-
cial Reconstruction Team Kunduz durch
Oberst Georg Klein
Am 5. April 2009 übernahm Oberst Georg Klein das
Kommando über das Provincial Reconstruction Team
(PRT) Kunduz.
Das PRT Kunduz umfasste nach Darstellung des Zeugen
Klein seinerzeit etwa 1 000 deutsche Soldaten sowie etwa
200 Soldaten anderer Nationalität,
unter anderem ein Ausbildungsteam der belgischen Ar-
mee zur Unterstützung der afghanischen Armee. Der
Auftrag des PRT Kunduz umfasste die enge Zusammen-
arbeit mit den afghanischen Sicherheitskräften und den
Schutz der Bevölkerung der beiden Provinzen Kunduz
und Takhar mit insgesamt zwei Millionen Einwohnern.
104
In seiner multinationalen Funktion als militärischer Leiter
des PRT Kunduz unterstand Oberst Klein dem Komman-
deur des ISAF-Regionalkommandos Nord (RC N), Briga-
degeneral Jörg Vollmer, in Masar-i-Scharif, der gleichzei-
tig in nationaler Funktion als Kommandeur Deutsches
Einsatzkontingent ISAF fungierte.
Das Regionalkommando Nord untersteht als multinatio-
nale Dienststelle operativ dem seinerzeit vom ISAF-
Kommandeur General Stanley McChrystal geführten
ISAF-Truppen in Afghanistan. Das Deutsche Einsatzkon-
tingent ISAF ist als nationales Element truppendienstlich
dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr (Ein-
sFüKdoBw) in Schwielowsee bei Potsdam unterstellt.
104) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 1.
Drucksache 17/7400 – 40 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zur Lage in Kunduz zum Zeitpunkt seiner Kommando-
übernahme hat der Zeuge Klein in seiner Vernehmung
durch den Untersuchungsausschuss ausgesagt:
„Ich bin vor meinem Einsatz in Afghanistan aus-
führlich vorbereitet worden und eingewiesen wor-
den. Ich habe im Januar einen Besuch in Afghanis-
tan gemacht, um mit meinem Vorgänger zu spre-
chen. Alle diese Gesprächspartner haben mir ge-
sagt: Der Sommer 2009 wird hart. Wir gingen da-
von aus, dass die Sicherheitslage in der Provinz
Kunduz, die schon 2007/2008 schwierig war, sich
weiter verschärfen würde. Alle Fachleute gingen
davon aus, dass die so genannte Frühjahrsoffensive
der Aufständischen – die NATO spricht immer
von Insurgents, INS – sicher kommen würde und
dass das Niveau der sicherheitsrelevanten Vorfälle
erneut deutlich über dem des Vorjahres liegen
würde. Unklar waren für uns natürlich der genaue
Zeitpunkt, wann die Offensive beginnen würde,
und die erwarteten Schwerpunkte […]. Ich hätte
gerne auch, wie viele meiner Vorgänger, Brunnen
gebohrt und Schulen eingeweiht. Die Lage ließ
dies nicht zu. Ich hätte auch gerne mehr mit den
GOs und NGOs in Kunduz zusammengearbeitet,
wenn diese stärker vor Ort gewesen wären. Ich
hätte auch den Polizeiaufbau gerne noch weiter un-
terstützt. Aber die Lage ließ dies nicht zu […].
Ich habe das PRT am 5. April übernommen. We-
nige Stunden danach hatte ich den ersten Feuer-
kampf in meiner Verantwortung. Die deutschen
Kräfte, die bei einer Grundsteinlegung für die so
genannte Mischa-Meier-Brücke […] eingesetzt
waren, wurden mit Panzerfäusten beschossen. Der
Feuerkampf hat bis in die Nacht hinein gedauert.
Wenige Stunden danach waren wir zum ersten Mal
in meiner Verantwortung gefordert, Luftwaffenun-
terstützung, so genannten Close Air Support, anzu-
fordern. Dies wurde auch eingesetzt in Form von
tiefem Überflug, ‚show of force„, und auch
Täuschkörpern, so genannten Flares. Scharfer
Waffeneinsatz wurde nicht freigegeben, da die
Feindkräfte nicht eindeutig identifiziert waren und
außerdem Gefahr bestand, unbeteiligte Zivilisten
und Gehöfte, so genannte Compounds […] zu tref-
fen. Ich erwähne dies hier ausdrücklich, um deut-
lich zu machen, dass den Stab und mich persönlich
der Einsatz militärischer Gewalt vom allerersten
Tag an intensiv beschäftigt hat.“105
Bereits im Mai 2009 war überdies die Quick Reaction
Force (QRF) der ISAF, welche zu dieser Zeit durch die
Bundeswehr gestellt wurde, durch Brigadegeneral Jörg
Vollmer von Masar-i-Scharif nach Kunduz verlegt wor-
den.
105) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 2 f.
2. Änderung der militärischen Vorgehens-
weise der regierungsfeindlichen Kräfte
Ab Ende April 2009 verschärfte sich die Sicherheitslage
für die in der Region Kunduz eingesetzten ISAF-
Soldaten. Am 29. April 2009 fiel der Hauptgefreite Sergej
M. in einem von regierungsfeindlichen Kräften nordwest-
lich von Kunduz gelegten Hinterhalt. Hierzu hat der Zeu-
ge Klein ausgesagt:
„Für uns im PRT jedoch war eine […] Erkenntnis
vorrangig: Mit Sergej M. ist der erste deutsche
Soldat seit dem Zweiten Weltkrieg mit der Waffe
in der Hand im Gefecht gefallen. Das war etwas,
was die Situation gekennzeichnet hat, was uns ge-
prägt hat dort vor Ort.“106
Der Zeuge General a. D. Schneiderhan hat in seiner Aus-
sage vor dem Untersuchungsausschuss hervorgehoben,
dass der 29. April 2009 nicht nur wegen des Todes von
Sergej M., sondern auch aufgrund einer Änderung der
Strategie der regierungsfeindlichen Kräfte als ein ein-
schneidendes Datum zu bewerten sei:
„Mit Blick auf die Zeit der Führung unter Oberst
Klein war sicherlich der 29. April ein einschnei-
dendes Datum, weil die ‚opposing militant forces„
erstmals Elemente herkömmlicher Kampfformen
eingeführt haben, wie zum Beispiel das Verfahren
Auflaufenlassen auf ein Hindernis, auf einen Hin-
terhalt, und dann Angriff aus der Seite – wir Sol-
daten nennen das Flanke –, auch wenn es nur auf
der Gruppen- oder Zugebene stattgefunden hat.“107
In den folgenden Monaten wurden in der Region Kunduz
vermehrt Anschläge und Angriffe auf ISAF-Soldaten
durchgeführt, die auf Seiten der ISAF-Truppen Gefallene
und Verwundete zur Folge hatten. Dazu hat der Zeuge
Oberst i. G. Klein in seiner Zeugenaussage vor dem Un-
tersuchungsausschuss angegeben, dass seine Soldaten ab
Mai fast täglich im Feuerkampf standen. Am 4. Juli seien
vier Amerikaner durch einen Anschlag mit Sprengsatz
gestorben. Weiter gab er an, am 10. August und am 5.
September hätten sich erneut Selbstmordattentäter neben
Patrouillen des PRT in die Luft gesprengt. Er gab an, zu
bedenken, was es für ihn und die Soldaten bedeutet hat,
unter dieser hohen Bedrohungslage jeden Tag rauszufah-
ren und Operationen durchzuführen. Er führte weiter aus,
dass die Verschlechterung der Sicherheitslage im Sommer
2009 dazu führte, dass sie mit jedem Verlassen des Lagers
mit feindlichen Angriffen zu rechnen gehabt hätten.
108
Der Zeuge Bundesminister der Verteidigung a. D.
Dr. Jung hat in seiner Vernehmung durch den Untersu-
chungsausschuss eine Zuspitzung der militärischen Lage
im Einsatzraum Kunduz bestätigt:
„Es war dann auch leider so, dass in dieser Zeit
vier deutsche Soldaten durch Anschläge gefallen
sind, dass 20, wenn ich mich recht erinnere, ver-
106) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 3 f.
107) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 6.
108) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41 – Drucksache 17/7400
wundet worden sind und dass wir, wenn Sie so
wollen, in der Perspektive täglich fast Gefechtssi-
tuationen hatten, IED-Anschläge, Angriffe mit
Panzerfäusten. Die Lage spitzte sich für unsere
Soldaten dramatisch zu.“109
Zur Vorgehensweise der regierungsfeindlichen Kräfte hat
der Zeuge Oberst i. G. Klein ausgeführt:
„Afghanistan ist ein asymmetrischer Krieg. Der
Gegner ist brutal und rücksichtslos, vor allem auch
gegenüber der eigenen Bevölkerung. Er ist nicht
uniformiert, er trägt die Waffen regelmäßig nicht
offen und nutzt die Bevölkerung zum Schutz im
Gefecht. Er respektiert in keiner Weise die Regeln
des humanitären Kriegsvölkerrechtes. Wir waren
sogar ab Ende Juni gezwungen, die roten Kreuze
an unseren Sanitätsfahrzeugen abzutarnen, weil
wir die Sorge hatten und auch entsprechende Hin-
weise, dass gezielt auf Sanitätsfahrzeuge und unse-
re Ärzte geschossen wurde.“110
3. Änderung der taktischen Richtlinien durch
den Kommandeur der ISAF
Der vormalige US-amerikanische ISAF-Kommandeur,
General Stanley McChrystal, erließ am 6. Juli 2009 eine
Änderung der „ISAF Tactical Directive“, welche einen
besonderen Schwerpunkt bei der Rücksichtnahme auf die
Zivilbevölkerung setzte.
Darin heißt es unter anderem sinngemäß, dass der Konf-
likt nicht auf Basis der Anzahl getöteter Taliban gewon-
nen werde, sondern aus der eigenen Fähigkeit heraus, die
Aufständischen vom Schwerpunkt des Einsatzes, den
Menschen, zu trennen. Das bedeute, dass ISAF die Be-
völkerung respektieren und vor Nötigung und Gewalt
schützen – und in einer Weise operieren müsse, durch die
deren Unterstützung gewonnen werde.
Von militärischen Führern auf allen Ebenen sei zu erwar-
ten, dass diese den Einsatz militärischer Gewalt, wie
beispielsweise in Form von Luftnahunterstützung (Close
Air Support) in bewohnten Gebieten und anderen Orten,
wo es möglicherweise zu zivilen Opfer kommen kann,
genau prüfen und auf das Nötigste beschränken. Kom-
mandeure müssten den Nutzen einer Luftnahunterstüt-
zung gegen die möglichen Opfer unter der Zivilbevölke-
rung, die langfristig den Erfolg der Mission erschweren
und die afghanische Bevölkerung gegen ISAF aufbringen,
abwägen.
111
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu ausgesagt:
„Man hatte den Eindruck, dass man versucht, vie-
les von dem, was wir im Norden machen, nämlich
Rücksichtnahme auf die Bevölkerung zum Bei-
spiel beim Fahrstil, Rücksichtnahme auf kulturelle
109) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 2.
110) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 3.
111) www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf
(Dokument 49).
Besonderheiten in Afghanistan, was wir alles seit
vielen Jahren schon machen, auf ganz Afghanistan
zu übertragen. […] Nach meinem Kenntnisstand
sind die SOPs und die RoEs durch General
McChrystal nicht geändert worden, sondern er hat
nur seine generelle Absicht in der Tactic[al] Direc-
tive klargemacht. Ich kann nur unterstreichen: Die
Verschärfung, die wir herausgelesen haben – das
war gemeinsam sowohl Masar-i-Scharif wie wir,
[…] war, dass man maximale Rücksicht auf die
Zivilbevölkerung nimmt, nicht nur beim Gefecht,
sondern insgesamt, und dass er gefordert hat, gera-
de aus der Erfahrung der Amerikaner im Süden,
nach einem Waffeneinsatz, wenn man glaubt, dass
es zivile Opfer gegeben hat, die Nachbereitung
schnell zu machen. Hintergrund war vielleicht un-
ter anderem ein schwerer Zwischenfall, den es
nach meiner Erinnerung im Mai im Süden von
Afghanistan gegeben hatte, wo eine sehr große
Anzahl von Zivilisten ums Leben gekommen ist
und wohl auch die Taliban zivile Opfer bewusst
herbeigeführt haben.“112
Der Zeuge Brigadegeneral Vollmer hat dies in seiner
Vernehmung bestätigt und angegeben, mit der Amtsüber-
nahme durch General McChrystal habe es einen Paradig-
menwechsel gegeben, in der Hinsicht, dass noch deutli-
cher als zuvor der Schutz der Bevölkerung im Fokus
gestanden habe.
113
4. Änderung der ISAF-Taschenkarte
Am 24. Juli 2009 wurde die Taschenkarte für die Regeln
der Anwendung militärischer Gewalt durch die Soldatin-
nen und Soldaten des deutschen Kontingents der ISAF
geändert.
114
Vor ihrer Überarbeitung war mehrfach Kritik an der Ta-
schenkarte geäußert worden, insbesondere eine zu starken
Detailliertheit, die die Soldaten verunsichern würde.
115
Die Taschenkarte, die dem Ausschuss vorgelegen hat,
formuliert, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bun-
deswehr Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der Si-
cherheit unterstützen sollen, um den afghanischen Staat-
sorganen, dem Personal der Vereinten Nationen sowie
anderem Zivilpersonal ein Arbeiten in sicherem Umfeld
zu ermöglichen.
Die Taschenkarte verlangt mit klaren Worten, dass militä-
rische Gewalt immer „verhältnismäßig“ sein muss, also
nur angewendet werden darf, wenn sie „geeignet und
erforderlich“ ist, so dass immer dann, wenn man sich
nicht einer „erheblichen Gefahr für Leib und Leben“
ausgesetzt sieht, das „denkbar mildeste Mittel“ anzuwen-
den ist.
112) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 35 f.
113) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 17.
114) Taschenkarte vom 24. Juli 2009, Mat. 17-49a, Bl. 8 – 11 (VS-
NfD).
115) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 22. Juni 2008, „Erst
lesen, dann warnen, dann schießen“ (Dokument 50).
Drucksache 17/7400 – 42 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Darüber hinaus wird ausdrücklich verlangt, dass der Ein-
satz der Schusswaffe oder anderer Mittel, die eine Le-
bensgefährdung oder schwere körperliche Beeinträchti-
gung nach sich ziehen können, nur dann erlaubt ist,
„wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben auf
andere Weise nicht abgewendet werden kann.“ – Militäri-
sche Gewalt ist – sofern es die Lage zulässt, immer vor
ihrem Einsatz „anzudrohen“.
Weiter verweist die Taschenkarte ausdrücklich auf den
engeren Maßstab des Grundgesetzes, wonach der Waf-
feneinsatz geeignet und erforderlich sein muss und die
Folgen „nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg
stehen dürfen.“
Um ihren Auftrag zu erfüllen, dürfen die Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr der Taschenkarte zufolge u. a.
Angriffe abwehren oder verhindern, die sich gegen militä-
rische und zivile Angehörige von ISAF und NATO, deren
Einrichtung und Material oder gegen Personen, die einen
besonderen Schutz von ISAF genießen, richten.
Schließlich unterstreicht die Taschenkarte, dass Angriffe
auch dadurch verhindert werden können, indem gegen
Personen vorgegangen wird, die feindseliges Verhalten
zeigen. Zudem bestehe ein solches feindseliges Verhalten
auch dann weiter fort, wenn nicht ausgeschlossen werden
kann, dass die Personen, die dieses Verhalten zeigen, ihre
Angriffe gegen ISAF später fortsetzen bzw. wieder auf-
nehmen.
5. Die Lage zwischen den Wahlen am
20. August 2009 und dem 4. September
2009
Die Sicherheitslage in der Region Kunduz verschlechterte
sich zwischen den Präsidentschaftswahlen am 20. August
2009 und dem 4. September 2009 nach Auskunft des
Zeugen Klein dramatisch.
Er gab an, nach der Wahl hätten die Aufständischen ver-
sucht, zeitweilig die Kontrolle über die Hauptverbin-
dungsstraßen im Kunduz zu übernehmen. So hätten sich
Ende August Zwischenfälle gehäuft, bei denen die Auf-
ständischen illegale Kontrollpunkte eingerichtet hätten.
Durch das Hauptquartier ISAF und des Regionalkom-
mando Nord sei ihm ausdrücklich befohlen worden, un-
verzüglich Maßnahmen zur Sicherung der Verbindungs-
straßen und zur Bekämpfung der Aufständischen zu er-
greifen.
116
6. Konkrete Anschlagswarnungen für den
Bereich des PRT Kunduz
Im Vorfeld des Luftangriffs hatte es Warnungen gegeben
bezüglich eines bis zum Termin der afghanischen Präsi-
dentschaftswahl am 20. August 2009 geplanten Angriffs
auf das PRT Kunduz durch regierungsfeindliche Kräfte.
116) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5.
Der Zeuge Dr. Jung hat dazu weiter vor dem Untersu-
chungsausschuss ausgeführt:
„Am 3. September, also einen Tag vor diesem
Luftschlag, waren wieder drei deutsche Soldaten
verwundet worden. Wir hatten in dem Zusammen-
hang auch Hinweise, dass die Taliban einen größe-
ren Anschlag gegen uns planen. Deshalb war ich in
permanenter Sorge, dass es den Taliban gelingt,
auch und gerade in der Perspektive vor der Bun-
destagswahl, einen derartigen Schlag gegen unsere
Soldaten durchzuführen. […] Ich weiß, wie auch
die NATO diesbezüglich sorgenvoll die Entwick-
lung in Kunduz gesehen hat, zumal rund eine Wo-
che vorher, am 25. August, ein Tanklastwagen von
den Taliban in Kabul in die Luft gesprengt worden
ist, wo 40 Personen getötet und 60 verletzt wur-
den.“117
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat sich vor dem Untersu-
chungsausschuss zu Warnungen bezüglich konkreter
Angriffsplanungen auf das PRT Kunduz geäußert:
„Wachsende Sorge machte uns aber auch die Zu-
nahme von Entführungen von Fahrzeugen durch
die Aufständischen. Vorrangiges Ziel waren Poli-
zei- und Militärfahrzeuge, aber auch Tanklastfahr-
zeuge […]. Für uns bestand die sehr konkrete Ge-
fahr, dass mit diesen erbeuteten Polizeifahrzeugen
unter Nutzung gestohlener Uniformen Angriffe auf
Personal und Einrichtungen der afghanischen Si-
cherheitskräfte und ISAF durchgeführt werden.
Wir hatten detaillierte Erkenntnisse […], dass eine
größere Anzahl dieser Fahrzeuge in den Raum
nordwestlich von Kunduz – wir nennen das das
Zweistromland; das ist zwischen dem Kunduz-
Fluss und dem Khanabad-Fluss, sehr schwer zu-
gänglich – verbracht worden waren und Spreng-
stoffanschläge vorbereitet wurden. Ein solcher
Angriff fand am 25. August, also knapp eine Wo-
che vor dem 4. September, unter Nutzung eines
Tankfahrzeuges in Kandahar statt. Bei diesem
Angriff starben 39 Menschen, 64 wurden verletzt,
15 Gebäude völlig zerstört […]. Zudem hatten wir
seit Frühjahr 2009 Hinweise auf gezielte und mög-
lichst spektakuläre Angriffe auf deutsche Kräfte
und Einrichtungen. Warnungen zu Angriffstermi-
nen umfassten den gesamten August, insbesondere
den Wahltag in Afghanistan, den 20. August, den
geplanten Tag der afghanischen Präsidentschafts-
wahlen, aber auch den deutschen Wahltermin am
27. September und auch den 3. Oktober. Die War-
nungen wurden nicht nur im PRT sehr ernst ge-
nommen.“118
Zu der Verwendung von Tanklastern als Anschlagsmittel
führte der damalige Generalinspekteur General Wolfgang
Schneiderhan in seiner Presseerklärung vom 29. Oktober
2009 aus:
117) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.
118) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 43 – Drucksache 17/7400
„Dieses Jahr wurden bis Ende August in Afghanis-
tan bereits in sechs Fällen LKW oder Tanklastwa-
gen für Attentate eingesetzt. Zwei weitere LKW
wurden vorher gefunden. Bei diesen Anschlägen,
die sich gegen ISAF, aber auch gegen die afghani-
sche Bevölkerung gerichtet haben, kam es durch
die große Menge an genutztem Sprengstoff zu ho-
hen Verlusten, auch bei der Zivilbevölkerung.
Seit Mitte Juli gab es ernstzunehmende Hinweise
darauf, dass ähnliche Anschläge gegen das PRT
Kunduz geplant waren. Vermutete Absicht der
feindlichen Kräfte würde es nach unseren Informa-
tionen sein, einen größeren medienwirksamen An-
schlag zu verüben, um die staatlichen afghanischen
Organe und ISAF zu diskreditieren und die lokale
Bevölkerung von einer Zusammenarbeit mit uns
abzuhalten.
Es handelte sich um eine Kombination aus übli-
cher Vorgehensweise der feindlichen Kräfte, den
vorhandenen Warnhinweisen über einen größeren
geplanten Anschlag und den Versuch der feindli-
chen Kräfte, sich die Mittel für einen solchen An-
schlag zu beschaffen.“119
7. Schwere Gefechte am Vorabend des Luft-
angriffs
Am 3. September 2009 kam es zu schweren Gefechten
zwischen deutschen ISAF-Kräften und den regierungs-
feindlichen Kräften nördlich von Kunduz. Hierbei wurden
im Rahmen einer Operation eine mit Schützenpanzern
Marder ausgestattete Kompanie des PRT Kunduz zu-
sammen mit einer Kompanie aus Faizabad in den Distrikt
Archi verlegt. Zum Schutz des Anmarsches wurden die
Kräfte von einer weiteren Kompanie aus dem PRT Kun-
duz begleitet. Der Zeuge Oberst i. G. Georg Klein hat
hierzu vor dem Untersuchungsausschuss ausgeführt:
„Die Kräfte, die tatsächlich am 3. September in
den Norden hochmarschierten, gerieten gegen
11 Uhr in einen sehr komplexen Hinterhalt. Dabei
sind drei deutsche Soldaten verwundet worden.
Ein LKW-Zweitonner wurde durch eine Panzer-
faust völlig zerstört und er musste zurückgelassen
werden. Vier weitere Fahrzeuge konnten nur mit
geringer Geschwindigkeit weiterbewegt werden,
so dass die Kompanie erst nachmittags, 15.35 Uhr,
in Nawabad eintraf. Zudem musste eine größere
Marschunterbrechung eingelegt werden, weil einer
der drei verwundeten Soldaten lebensbedrohlich
verwundet war, dass wir ihn mit Hubschraubern
ausfliegen mussten.“120
Zusammenfassend hat der Zeuge Klein festgestellt, dass
für die Soldaten in Kunduz der 3. September 2009 einer
der schwersten Gefechtstage gewesen sei. Alle Kräfte des
119) Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-
Untersuchungsbericht am 29. Oktober 2009 (Dokument 51).
120) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 7 f.
PRT, einschließlich des Gefechtsstandes und des Ret-
tungszentrums, seien durch die Kämpfe, die Organisation
der Verwundetenbergung und die Planung für die Folge-
tage stark gefordert gewesen. Für den 4. September 2009
habe Oberst Klein mit einer Fortsetzung der Gefechte in
Archi gerechnet. Im Norden seien zwei Kompanien, eine
in Nawabad und eine in Emam Saheb, jeweils mehrere
Stunden vom Feldlager Kunduz entfernt, gebunden gewe-
sen. Diese Kräfte hätten „dringend eine Ruhepause und
Auffrischung“ benötigt; eine weitere Kompanie sei im
Feldlager Kunduz durch Routineaufgaben gebunden ge-
wesen.
Man sei sich dahingehend einig gewesen, dass es „mit
weniger Können der Truppe und mit Pech“ an diesem Tag
zu schweren Verlusten hätte kommen können, dass jedoch
für die Folgetage auf jeden Fall mit weiteren schweren
Kämpfen zu rechnen sei.
121
II. Entführung zweier Tanklastwagen am
3. September 2009
1. Überfall auf die Lastwagenfahrer
Am 3. September 2009 um 11 Uhr vormittags afghani-
scher Zeit fuhren zwei Tanklaster der Firma Mir Bacha
Kot von Shir Khan Hafen an der afghanisch-
tadschikischen Grenze los in Richtung Süden. Die Fahrt
sollte über Kunduz nach Kabul gehen.
122
Die Ladung der beiden Tanklaster war für einen Logistik-
partner der ISAF-Truppen bestimmt.
123
Die Lastwagen
wurden von zwei Lastwagenfahrern mit jeweils einem
Beifahrer gefahren.
124
Zusammen hatten die beiden Last-
wagen 58 000 Liter
125
, bzw. 45,5 Tonnen
126
, Treibstoff
geladen.
Nicht geklärt ist, welche Art von Treibstoff die beiden
Tanklaster genau geladen hatten. Der Generalbundesan-
walt geht in seinem Einstellungsvermerk davon aus, dass
einer der Tanklaster Benzin, der andere Diesel geladen
hatte.
127
Einer der Lastwagenfahrer, der Zeuge A. M., hat
vor dem Ausschuss berichtet, beide Lastwagen seien mit
Benzin beladen gewesen.
128
Gegen 15.30 Uhr wurde der Konvoi von einer bewaffne-
ten Gruppe Taliban auf der Straße von Kunduz nach
Baghlan nahe Angur Bagh (ca. 12 bis 15 km südlich von
121) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 7 f.
122) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3, 20; Einstellungsvermerk des
Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (offene Version)
vom 16. April 2010 (Dokument 52), S. 16; Untersuchungsbericht
der Afghanischen Regierung im Fall der Bombardierung der
Tanklastzüge der Transportfirma Mirbacha Kot im Distrikt Char
Darah der Provinz Kunduz („Karzai-Bericht“, Dokument 53).
123) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122), S. 16.
124) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 4, 13.
125) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 4, 17.
126) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122), Bl. 3.
127) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122), S. 16; A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3.
128) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 12.
Drucksache 17/7400 – 44 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Kunduz) umzingelt und anschließend in eine Kaserne
verbracht.
129
Gemäß der Aussage des Zeugen A. M. wollten die Tali-
ban die beiden LKW in ein Versteck nach Chahar Darreh
auf der anderen Seite des Kunduz-Flusses verbringen.
130
Nach den Feststellungen des Generalbundesanwalts soll-
ten die Fahrzeuge nach Gor Tepa, das ca. 25 km Luftlinie
nordwestlich vom Feldlager des PRT Kunduz entfernt
liegt, verbracht werden.
131
A. M. sei gezwungen worden,
mit den LKW durch den Fluss zu fahren. Die eigentliche
Straße, die Landstraße habe man nicht benutzen können,
da sie im Bau gewesen sei.
„Außerdem wollten die Taliban, dass man eben
diese Straße, die offizielle Straße, öffentliche Stra-
ße nicht benutzen darf, weil vielleicht mit den Re-
gierungstruppen rechnen könnten. Aus diesem
Grunde wollten wir eben durch einen Umweg zu
ihren Chahar-Darreh-Verstecken uns führen, und
deswegen haben wir diesen Weg genommen.“132
Gegen 18.15 Uhr blieben die Tanklaster bei dem Versuch
der Taliban, sie auf die Westseite des Flusses Kunduz zu
verbringen, auf einer Sandbank in der Mitte des Flusses
im Schlamm stecken.
133
Gemäß der Aussage des Zeugen
Klein sei diese Sandbank eine bekannte Übergangsstelle
für Aufständische, die sich vom Distrikt Chahar Darreh
westlich zu der Hauptverbindungsstraße zwischen Kun-
duz und Kabul bewegen.
134
2. Das Geschehen auf der Sandbank
Der Zeuge A. M., der überlebende Fahrer eines der beiden
Tanklastwagen, hat dem Untersuchungsausschuss das
Geschehen auf der Sandbank beschrieben. Nach seiner
Aussage befanden sich gegen 21 Uhr bis zu 200 Personen
auf der Sandbank. Anwesende Taliban hätten sich rings
um die Tanklastwagen postiert; dann habe die von den
Taliban herbeigerufene Zivilbevölkerung begonnen, aus
den Tanklastwagen den Treibstoff abzuzapfen.
Wörtlich hat der Zeuge ausgesagt:
„Es war 9 Uhr, also 21 Uhr, in der Nacht, als die
Taliban dann eben kamen. 200 Menschen waren
dort. Es waren viele, viele Taliban da. […] Ich
kann nur sagen, dass vielleicht 100 Menschen dort
sich versammelt hatten. Wie weit man entfernt war
und welcher Teil weiter in der Nähe war, kann ich
Ihnen nicht sagen. […] Ich würde sagen, mehr als
10 Personen waren Taliban. Das heißt, aus dieser
129) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3; „Karzai-Bericht“ (Fn. 122),
Bl. 3; Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122), S. 17.
130) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 9; so auch „Karzai-Bericht“
(Fn. 122), Bl. 3.
131) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122), S. 16.
132) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 9.
133) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122), S. 17.
134) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
Zahl bestanden die Taliban. Der Rest war dann die
Zivilbevölkerung.[…]
Ganz am Anfang, als man das Benzin abzapfte,
waren mehr als 200 Leute. Als Benzin dann ausge-
schöpft war und die Zeit kam, sich näherte zu den
Luftanschlägen, da, in diesem Moment, war die
Bevölkerung wenig, und es gab auch wenig Ben-
zin dann dort. […]
Als die Taliban uns von der Straße entführten und
mitnahmen, waren 40, und als dann die Verteilung
von Benzin begann, dann kann ich sagen, mehr als
12 bis 15 Personen konnten die Taliban nicht sein.
Das heißt, die Taliban waren vielleicht überall da.
[…] Ich war kein Augenzeuge, was die Zahlen an-
geht. Es könnten 40 sein, es könnten 50 sein. Aber
ich spreche von dem Zeitpunkt, in dem der Luft-
angriff stattfand. Das, was ich ja gesehen habe,
war eben diese geringe Zahl. Ich habe früher auch
diese Zahlen genannt. Aber ich kann dann letz-
tendlich nicht sagen, wie viele Taliban insgesamt
dann dort an der Stelle anwesend waren.“135
3. Personen auf der Sandbank nach Aussage
des Zeugen A. M.
Der Untersuchungsausschuss hat den Zeugen A. M. be-
fragt, ob er während des Geschehens Zivilisten unter den
Personen auf der Sandbank habe ausmachen können. Der
Zeuge hat aber auf Nachfrage eingeräumt, nicht aus-
schließen zu können, dass es sich auch bei einem Teil der
Menschen auf der Sandbank ohne Waffen um Aufständi-
sche gehandelt haben könnte.
136
Wörtlich hat er ausgesagt:
„Die Taliban haben die Bevölkerung aufgefordert,
zu kommen und Benzin mitzunehmen, weil die
Taliban die Lastwagen nicht weiter mitschleppen
konnten. Deswegen hat man gedacht: Die Bevöl-
kerung kann ja Benzin abzapfen. Man hat die Be-
völkerung gerufen, sie soll kommen und Benzin
mitnehmen. […] Alle Menschen, die dort kamen,
um Benzin abzuzapfen, waren natürlich nicht Tali-
ban, sondern […] die Bewohner der umliegenden
Dörfer, die arm waren und durch Zurufe der Tali-
ban […] kamen, um doch für sich was zu holen.“
Es hätten sich nach seiner Wahrnehmung Zivilisten auf
der Sandbank befunden, Frauen habe er dort aber nicht
gesehen.
137
Zur altersmäßigen Zusammensetzung hat er
ausgeführt:
„Ab 14 nach oben waren Kinder dabei, waren älte-
re Leute da und auch Menschen, die man als er-
wachsene Personen betrachten kann. Auch sehr äl-
tere, greise Menschen waren dabei.“138
135) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 5 ff.
136) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 11.
137) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 19.
138) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 10.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45 – Drucksache 17/7400
III. Vorbereitung und Durchführung militäri-
scher Maßnahmen als Reaktion auf die
Entführung der Tanklastwagen
1. Kenntniserlangung von der Entführung
a) Hinweise durch einen Informanten der
Task Force 47
Am Morgen des 3. September 2009 erhielt der für Feind-
beobachtung zuständige Offizier der Task Force 47,
Hauptmann N. (J2X), den Hinweis, dass im Bereich Kun-
duz in der Nähe des Feldlagers in der Nacht eine Straßen-
sperre mit einem Hinterhalt errichtet werde und anschlie-
ßend auf bestimmte Ziele ausgelöst werden sollte.
Bei der Task Force 47 handelt es sich um eine deutsche
Spezialkräfteeinheit, die unter deutscher Führung im
Einsatzbereich des Regionalkommandos Nord operiert
und zum Teil im Feldlager Kunduz stationiert ist, wo sie
über eine eigene Taktische Operationszentrale (TOC)
verfügt.
Der Zeuge Hauptmann N. hat angegeben, er habe diese
Warnmeldung bzgl. eines möglichen Hinterhalts mit dem
Hinweis, dass es sich um einen Einzelhinweis handele
und er daher nicht bewertet werden könne, ans PRT wei-
tergegeben.
139
Abends sei er durch sein „Team“ darüber informiert wor-
den, dass der Hinterhalt ausgelöst und zwei Tanklastzüge
entführt worden seien.
140
Um 20 Uhr unterrichtete ein
Informant den J2X der Task Force 47 telefonisch über
den Raub zweier Tanklastwagen im Raum Kunduz.
141
Die
Initiative zur Kontaktaufnahme mit den HUMINT-
Kräften ging nach Aussage des Zeugen Oberfeldwebel F.,
am 3./4. September 2009 als HUMINT-Operator der Task
Force 47 eingesetzt, vom Informanten aus.
142
b) Unterrichtung des Kommandeurs des PRT
Kunduz, Oberst Klein
„Gegen 20 Uhr“143 erfuhr Oberst Klein, damals Komman-
deur des Provincial Reconstruction Team (PRT) Kunduz,
von der Entführung der Tanklastwagen. Vor dem Unter-
suchungsausschuss hat er dazu ausgesagt:
„In diesem Zusammenhang meldete mir mein Ab-
teilungsleiter J2, Oberstleutnant K., dass im Laufe
des späten Nachmittages des 3. September durch
aufständische Gruppen aus dem Raum Aliabad, ca.
20 km südlich von Kunduz, zwei Tanklastzüge
[…] auf der Hauptverbindungsstraße südlich von
Kunduz entführt worden wären. Absicht sei es,
139) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 58.
140) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.
141) Bericht des Deputy Chief CJ2 HQ ISAF, Protokoll Fact Finding
Mission Kunduz vom 6. September 2009 („N.-Bericht“, Doku-
ment 54).
142) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 12.
143) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 38.
diese Fahrzeuge über den Kunduz-Fluss nach
Westen zu bringen und dann in den Raum Ak-
Shakh/Zweistromland […]: das ist eine Region,
die für uns sehr schwer erreichbar ist –, um sie dort
für Angriffe gegen die afghanischen Sicherheits-
kräfte und gegen ISAF zu nutzen. […] Ich nahm
diese [Meldung, Anmerkung] sehr ernst, zumal wir
erst wenige Tage zuvor, am 25. August, auch von
der Entführung eines ECOLOG-Fahrzeuges – das
ist ein Entsorgungsfahrzeug, das für uns eingesetzt
ist – im Raum ostwärts Kunduz Kenntnis erhalten
hatten. Auch hier gingen wir nach Informationen
des Bundesnachrichtendienstes davon aus, dass
dieses Fahrzeug gegen uns oder die afghanischen
Sicherheitskräfte präpariert und eingesetzt werden
sollte. Zudem – und das hat mir sehr viel Sorge
gemacht – waren auf diesem ECOLOG-Fahrzeug
deutsche Uniformen; die sollten zur Reinigung von
Taloqan nach Kunduz gebracht werden. […] Den
Fahrer dieses ECOLOG-Fahrzeuges oder beide
Fahrer hatte man bei diesem Vorfall sehr frühzeitig
von den Fahrzeugen getrennt und später wieder
freigelassen nach Vernehmung. Wir hatten im
Nachhinein versucht, den weiteren Weg dieses
Fahrzeuges auch mit luftgestützten Aufklärungs-
mitteln zu verfolgen und den Standort aufzuklären,
aber die Spur verloren. Auch von diesem Fahrzeug
wussten wir nicht, wo es war.
[…] Diese Meldung hat mich mit großer Sorge er-
füllt, weil ich zur Kenntnis nehmen musste, dass
die Aufständischen in unmittelbarer Umgebung
des PRTs – wir reden hier von wenigen Kilome-
tern – erneut tätig geworden waren und mit kurzer
Vorwarnzeit gegen uns oder gegen die afghani-
schen Sicherheitskräfte nutzbare Tankfahrzeuge
nunmehr in deren Gewalt waren.“144
Die Meldung lautete:
„HUMINT-Meldung Nr. 2 an PRT Kunduz Ver-
bindungsoffizier 2
Datum der Information: 03. Sept. 09
Datum der Meldung: 03. Sept. 09
Ort: KUNDUZ
Gegenstand: Entführung zweier
Tanklastwagen
Information:
Heute um ca. 17.00 h Ortszeit brachten INS, die in
der Nähe von ANGOR BOCH […] einen Hinter-
halt gelegt hatten, zwei Tanklastwagen in ihre
Gewalt. Die INS befinden sich derzeit in der Nähe
von ANGOR BOCH […] beiderseits des Flusses
und sind bereit, die beiden Fahrzeuge in der Nacht
über den Fluss zu bringen. Die INS beabsichtigen,
die Fahrzeuge über die Straße PLUTO nach
144) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8.
Drucksache 17/7400 – 46 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
NAWABAD […] und weiter über JUMAR
BAZAR […] nach GOR TEPA […] zu fahren.
Sollte es nicht möglich sein, die Fahrzeuge bei
ANGOR BOCH […] über den Fluss zu bringen,
sollen die Fahrzeuge vor Ort ausgeschlachtet wer-
den, um brauchbares Material für die INS zu ge-
winnen.
Herausgebende Stelle: Feldnachrichtentrupp
Verstärkungskräfte RC
North, Afghanistan“
„HUMINT-Meldung-Nr. 3 an PRT Kunduz,
Kommandeur PRT
Datum der Information: 03. Sept. 09 – 04. Sept.
09
Datum der Meldung: 04. Sept. 09
Ort: KUNDUZ
Gegenstand: Explosion zweier Tank-
lastwagen südlich von
KUNDUZ
Information:
Die genannten Zeiten sind nur ungefähre Zeiten,
da dem zum entsprechenden Zeitpunkt eingesetz-
ten Sprachmittler der Zutritt zum Bereich der OPZ
nicht gestattet war.
03. Sept. 09, 22.00 h Ortszeit, Anruf CTC (Kon-
taktperson):
Die INS unter Führung von ABDUL RAHMAN
versuchen um etwa 22.00 h Ortszeit, die beiden in
der Nähe von ANGOR BOCH […] im Distrikt
CHAHAR DARREH, Provinz KUNDUZ gestoh-
lenen Tanklastwagen (siehe HUMINT-Meldung
INFOREP 031930Lsep09.doc) über den
KUNDUZ-Fluss Richtung Osten zu bringen (wei-
tere Einzelheiten nicht bekannt).
04. Sept. 09, 23.00 h Ortszeit, Anruf CTC:
Die beiden Fahrzeuge sind etwa um 23.00 h Orts-
zeit im Fluss stecken geblieben. Sie können nicht
mehr fortbewegt werden (weitere Einzelheiten
nicht bekannt).
04. Sept. 09, 00.00 h Ortszeit, Anruf CTC:
Da die beiden Tanklastwagen sich nicht mehr be-
wegen lassen, versuchen die INS, die Kraftstoff-
tanks der Lastwagen zu leeren und den Kraftstoff
in andere Behälter umzufüllen. Während dieser
Aktion befinden sich ABDUL RAHMAN, Com-
mander SAIDI, Commander NASER und Com-
mander AMANULLAH bei den beiden Fahrzeu-
gen. Weitere, von ABDUL RAHMAN informierte
INS beteiligen sich an den Aktivitäten, um eben-
falls Kraftstoff zu stehlen. Die INS beabsichtigen,
die Fahrzeuge anschließend in Brand zu stecken
(weitere Einzelheiten sind nicht bekannt).
04. Sept. 09, 00.30 h Ortszeit, Anruf CTC:
Um 00.30 h Ortszeit befinden sich mehrere INS
bei den auf der Sandbank stecken gebliebenen
Lastwagen und entleeren sie. Zivilisten sind nicht
vor Ort. Die INS sind mit Panzerfäusten und
Handfeuerwaffen bewaffnet (weitere Einzelheiten
sind nicht bekannt).
04. Sept. 09, 01.30 h Ortszeit, Anruf CTC:
Die Aktivitäten um die Tanklastwagen dauern
immer noch an. Gegenwärtig ist eine lebhafte Be-
wegung unter den INS um die beiden Tanklastwa-
gen festzustellen. In der Nähe der Fahrzeuge be-
finden sich keine Zivilisten (weitere Einzelheiten
sind nicht bekannt).
04. Sept. 09, 02.00 h Ortszeit, Anruf CTC:
Durch die Explosion der beiden Tanklastwagen
um 01.58 h Ortszeit wurden etwa 70 Personen ge-
tötet. Unter den Toten sind auch Commander
SAIDI und Commander AMANULLAH. Es gibt
keine Opfer unter der Zivilbevölkerung. Mullah
ABDUL RAHMAN hat die Explosion überlebt
(weitere Einzelheiten nicht bekannt). Commander
NASER blieb ebenfalls unverletzt, da er zum Zeit-
punkt der Explosion auf dem Weg nach LALA
MAYDAN (Koordinate nicht bekannt) war (weite-
re Einzelheiten nicht bekannt).
04. Sept. 09, 10.40 h Ortszeit, Anruf CTC:
Bei der Explosion wurden mindestens 90 INS ge-
tötet. Diese Zahl könnte noch größer werden, da
vermutlich viele INS vom Fluss fortgespült wur-
den und einige buchstäblich verdampft sind.
Anmerkung der Operators: Während der vorste-
henden Telefongespräche zwischen FHT (Feld-
nachrichtentrupp) und CTC wurden weitere kurze
Telefonate geführt, um Einzelheiten zu erfahren.
Bei diesen Telefongesprächen bestätigte CTC wie-
derholt, dass die Personen ausschließlich INS seien
und keine Zivilpersonen vor Ort seien. ABDUL
RAHMAN ist gegenwärtig Anführer der Taliban
im Distrikt ALIABAD. Er steht in direkter Ver-
bindung zu Maulawi SHAMSUDDIN. Die ge-
nannten Zeiten sind nur ungefähre Zeiten, da dem
zum entsprechenden Zeitpunkt eingesetzten
Sprachmittler der Zugang zum OPZ-Bereich nicht
gestattet war.
Ende der Anmerkung
Herausgebende Stelle: Feldnachrichtentrupp Ver-
stärkungskräfte RC North, Afghanistan“145
Der Zeuge Brigadegeneral Vollmer hat in seiner Verneh-
mung diese Einschätzung der Lage bestätigt:
145) HUMINT-Meldungen Nr. 2 und 3 vom 3. und 4. September 2009,
Anlage 17 zu Anhang G des COM ISAF-Berichts (Dokument 55).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 47 – Drucksache 17/7400
„Wir hatten die Meldung gehabt mit konkreten
Anschlagswarnungen auf das Lager, die auch sehr
dezidiert waren: mit einem Fahrzeug durchbre-
chen, das nächste Fahrzeug fährt dann hinterher. –
Wir hatten bereits einen entführten Tanklastwa-
gen.“146
Der Zeuge Oberstleutnant K., Offizier im militärischen
Nachrichtenwesen (J2) im PRT Kunduz, hat im Hinblick
auf die Informationslage erklärt, dass diese derart „dünn“
gewesen sei, dass er daraus weder Absichten noch Hin-
weise auf zukünftiges Verhalten der Taliban habe inter-
pretieren können.
147
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat in seiner Vernehmung
weiter ausgeführt:
„Ich ging jedoch zunächst – und auch weil mir nur
die oben geschilderten Informationen vorlagen –
am 3. September von einem ähnlichen Vorgehen,
wie bei dem ECOLOG-Tanker aus. Ich habe mei-
nen J2, den Oberstleutnant K., angewiesen, den
Vorgang weiter zu beobachten, Verbindung mit
den afghanischen Sicherheitskräften zu halten und
mich über den Gefechtsstand auf dem Laufenden
zu halten. Weitere Maßnahmen habe ich nicht ge-
troffen, weil ich hierzu nach meiner Bewertung
[…] keine weiteren Kräfte hatte und deswegen
nicht weiter reaktionsfähig war.“148
c) Unterrichtung durch afghanische Stellen
Gegen 21 Uhr Ortszeit unterrichtete das gemeinsam von
NATO und afghanischen Sicherheitskräften betriebene
Koordinierungszentrum für Operationen der Provinz
Kunduz (OCC-P) das PRT Kunduz über den Raub zweier
Tanklastwagen.
149
In einer um 21.12 Uhr Ortszeit verfass-
ten Erstmeldung des PRT Kunduz hieß es:
„OCC-P meldet, dass zwei Tanklastwagen von
INS (Aufständische) erbeutet wurden. Die INS be-
absichtigten, den Fluss Kunduz an einer Furt zu
überqueren, um den Treibstoff im Distrikt Chahar
Darah zu bringen.“150
2. Suche nach den Tanklastzügen
Oberst Klein wurde nach seiner Aussage am 3. September
2009 gegen 22 Uhr in den Gefechtsstand der Task Force
47 gerufen. Zu den dort angetroffenen Personen hat der
Zeuge Klein ausgesagt:
„Beim Eintreffen im Gefechtsstand der Task Force
traf ich neben meinem JTAC, dem Oberfeldwebel
W., einen J2X – das ist jemand, der nachrichten-
dienstliche Informationen sammelt und aufbereitet
146) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 6.
147) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 63.
148) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8.
149) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52).
150) Vorfall-Sofortmeldung des PRT KDZ vom 4. September 2009,
Anlage 2a zum „Feldjägerbericht“ (Dokument 56).
– aus der Task Force an, Hauptmann N.; […] Im
Gefechtsstand waren etwa noch sechs weitere Sol-
daten und zivile Mitarbeiter, die mir allerdings
namentlich nicht bekannt waren. Ich kannte sie
vom Sehen; […].“151
Der Zeuge Hauptmann N. hat vor dem Ausschuss erklärt,
es hätten sich nach seiner Beobachtung und Erinnerung
insgesamt nur sechs Personen im Gefechtsstand aufgehal-
ten:
„Aus meiner Erinnerung heraus und so, wie ich
meine, es auch in dem Bericht ans Kommando
FOSK, den ich den nächsten Tag abgesetzt habe,
geschrieben zu haben, waren es einmal meine bei-
den Operateure, der Oberst Klein, der JTAC, mei-
ne Wenigkeit, und dann war da selbstverständlich
noch der Storyboard-Schreiber.“152
Nach Auswertung der Zeugenvernehmungen befanden
sich in der Operationszentrale der Task Force 47 zu dieser
Zeit folgende Personen:
– Hauptmann N.,153 Angehöriger der Task Force 47
und HUMINT Control Officer für das Field
HUMINT Team (FHT) der Task Force 47.
154
Die
Aufgaben des J2X hat der Zeuge Hauptfeldwebel W.
wie folgt beschrieben:
„[…] wenn ihm Informationen zugetragen werden,
wertet er diese aus, wie glaubhaft das Ganze ist
[…] und gibt diese Informationen dann mit dem
von ihm eingeschätzten Wert an die jeweilige Per-
son, die eine Operation führt […] weiter.“155
– Hauptfeldwebel V.,156 Storyboard-Schreiber,
– Oberfeldwebel F. und Hauptfeldwebel S.,157
HUMINT-Operatoren der Task Force 47; deren Auf-
gabe bestand nach Aussage des Zeugen Hauptfeld-
webel S. an dem Abend darin, Kontaktgespräche zu
führen
158
und „die Verbindung zwischen dem Kon-
takt und dem J2X aufrechtzuerhalten“159,
– M. F. und A. R., Mitarbeiter des Bundesnachrichten-
dienstes, die sich nach eigenen Angaben überwiegend
in einem abgetrennten Nebenraum befanden.
– Oberfeldwebel W.,160 Angehöriger des PRT Kun-
duz
161
, Fliegerleitoffizier (JTAC) im PRT Kunduz;
dieser war zuständig für die Kommunikation mit den
Luftfahrzeugbesatzungen. Zu seinen Verantwortlich-
keiten hat er erklärt:
151) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.
152) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 68.
153) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.
154) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 63.
155) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 7.
156) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 7.
157) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 42.
158) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 33.
159) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 1.
160) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 26.
161) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 1.
Drucksache 17/7400 – 48 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Ich habe beim Luftfahrzeug, sobald es in dem ge-
buchten Luftraum ist, für die Sicherheit der Ma-
schine […] in diesem Luftraum zu sorgen. Mein
Auftrag ist es, grundsätzlich jede Information an
den Führer vor Ort weiterzugeben. Aber ich habe
nicht die Möglichkeit, von mir aus nach meinem
Gutdünken zu sagen: ‚Ich würde jetzt hier eine
Waffe einsetzen„, sondern das dürfte ich lediglich,
wenn ich in einer Selbstverteidigungssituation
bin.“162
a) Ursprünglicher Auftrag: Suche nach einem
ausgefallenen deutschen Fahrzeug zwecks
Zerstörung
Der JTAC, Oberfeldwebel W., hatte an diesem Abend den
Auftrag, nach einem deutschen Fahrzeug, einem Zwei-
tonner, suchen zu lassen, das in einem Gefecht nördlich
von Kunduz beschädigt worden war und dort zurückge-
lassen werden musste. Für die Suche war ihm nach einer
entsprechenden Anforderung vom ISAF Flugkontrollzent-
rum (ASOC) in Kabul ein ISAF-Luftfahrzeug vom Typ
B-1B Lancer Strategic Bomber der US Air Force zugeteilt
worden.
163
Nachdem das Fahrzeug vom Luftfahrzeug B-1B gefunden
worden war, entschied Oberst Klein, vor dem Hintergrund
möglicher Kollateralschäden von einer Zerstörung abzu-
sehen.
164
b) Änderung des Suchauftrages für den B-1B
Lancer Strategic Bomber
Nachdem ein Waffeneinsatz auf den beschädigten Zwei-
tonner ausgeschlossen worden war, entschloss sich Oberst
Klein auf Vorschlag von Hauptmann N., der als Grund für
diesen Vorschlag im Ausschuss angegeben hat, anhand
dieses Falles die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit
dieses HUMINT-Kontakts überprüfen zu wollen
165
, das
Luftfahrzeug des Typs B-1B als Aufklärungsmittel für die
Suche nach den entführten Tanklastwagen zu nutzen und
erteilte dem JTAC den entsprechenden Befehl.
166
Vor
dem Untersuchungsausschuss hat er dazu ausgesagt:
„Da die B-1-Bomber zu diesem Zeitpunkt noch
über eine größere Stehzeit verfügten und derzeit
nicht für andere Operationen benötigt wurden, hat
der Hauptmann N. mir vorgeschlagen, diese zur
Suche der bei Kunduz entführten Tanklastzüge
einzusetzen. Er verfüge über einen Informanten,
also eine HUMINT-Quelle, die hierzu gegebenen-
falls weitere Informationen liefern könne. Ich habe
dem zugestimmt, habe mir noch etwa zehn Minu-
ten angeschaut, wie der Bomber abdrehte von
Archi Richtung Süden nach Kunduz, habe gese-
hen, wie er noch über dem Kunduz-Fluss kreiste,
162) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 15.
163) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 36.
164) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.
165) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 59.
166) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 3.
habe aber dann entschieden: ‚Das kann sich noch
länger hinziehen; das kann auch erfolglos bleiben„
und ich bin dann, auch weil ich damit rechnen
musste, dass die B-1-Bomber vielleicht zu einem
höher priorisierten Einsatz abgezogen werden,
wieder auf meine Unterkunft gegangen. Das war
dann gegen 23 Uhr.“167
c) Hilfe bei der Suche durch Hinweise eines
Informanten
Der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., unterrichtete
Oberst Klein, dass eine Kontaktperson des Field-
HUMINT-Teams der Task Force 47 angerufen und mitge-
teilt habe, den aktuellen Aufenthaltsort der Tanklastwa-
gen zu kennen. Er schlug vor, nach den Lastwagen zu
suchen und bot eine Hilfestellung der Task Force 47 bei
der Suche an. Vor dem Ausschuss hat der Zeuge N. die
Situation wie folgt geschildert:
„Ich hatte mitbekommen, dass Oberst Klein zu
dem Zeitpunkt aus irgendeinem Grund […] in der
OpCen saß. […] Ich bin dann zu ihm herüberge-
gangen und habe Herrn Oberst gefragt, ob er von
den beiden Tanklastern, die entführt worden sind,
gehört hätte. Ich habe ihm auch mitgeteilt, dass wir
am Morgen schon den Hinweis des PRT herunter-
gegeben hatten, dass dort möglicherweise ein Hin-
terhalt stattfindet und dass dieser jetzt eben ausge-
löst worden ist. Es war zu dem Zeitpunkt, als ich
mit dem Oberst gesprochen habe, glaube ich,
19 Uhr, 20 Uhr – in dem Bereich. […] Ich habe zu
ihm gesagt: Einer meiner Informanten hat mich ge-
rade angerufen und uns gesagt, dass das passiert
ist. Er wüsste wohl, wo diese Tanklaster sind. –
Ich habe ihm angeboten, wenn aus Sicht des PRT
Interesse besteht, diese Tanklaster zu finden, die
wohl möglicherweise auch als Gefahr im Raum
standen – zumindest hat es Oberst Klein mir gege-
nüber so gesagt –, könnten wir eventuell diese
Tanklaster für ihn finden und ihm dann sagen, wo
diese Tanklaster sich aufhalten. Oberst Klein hatte
sich aus meiner Erinnerung heraus davon auch
sehr angetan gezeigt, dass er gerne möchte, dass
wir das machen, wenn wir die Möglichkeit haben.
[…] Als Oberst Klein diesen Vorschlag aufge-
griffen hatte, dass man diese Tanklaster findet, ha-
be ich drüben bei uns in Masar-i-Scharif angeru-
fen, bei meiner vorgesetzten Dienststelle, und habe
dem dortigen J2 oder G2 – Oberstleutnant B. war
sein Name – gesagt: Wir haben eine Möglichkeit,
das Aufklärungsasset dieses B-1B-Bombers zu
nutzen, um die Informationen zu überprüfen, die
uns der Kontakt gegeben hat, und gleichzeitig im
Rahmen der Force Protection das PRT zu unters-
tützen, diese Laster zu finden.“168
167) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.
168) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 59.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49 – Drucksache 17/7400
Die Suche nach den beiden Tanklastfahrzeugen erfolgte
auf Grundlage einer telefonisch übermittelten Ortsbe-
schreibung des HUMINT-Informanten.
169
d) Die Tanklaster wurden gefunden
Gegen Mitternacht klärte das Luftfahrzeug B-1B die bei-
den Tanklastwagen mit Hilfe der von der Kontaktperson
übermittelten Informationen auf einer Sandbank auf.
Hauptmann N. veranlasste nach eigener Aussage die so-
fortige Unterrichtung von Oberst Klein, der sich daraufhin
zwischen 00.15 Uhr und 0.25 Uhr
170
in die Operations-
zentrale begab. Der Zeuge Hauptmann N. hat dazu ausge-
sagt:
„Oberst Klein war dann auf dem Weg hoch in die
Operationszentrale. Er hat sich dann kurz von mir
briefen lassen. Ich habe ihm gesagt: Wir haben mit
dem Kontakt die Tanklaster an der und der Stelle
gefunden. – Ich habe ihm auch gesagt, dass ich
keine weiteren Erkenntnisse darüber habe, außer
denen, die uns der Kontakt gegeben hat, was mo-
mentan vor Ort auf der Sandbank passiert.“171
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat die Situation wie folgt
geschildert:
„Um Mitternacht bin ich durch meinen Gefechts-
stand geweckt worden. Dort war die Information
eingegangen, man hätte die Tanklastzüge entdeckt,
man bitte mich nun zur Task Force. Nach Eintref-
fen traf ich den gleichen Personenkreis wie zuvor
an. Auf den Bildschirmen konnte ich deutlich er-
kennen zwei auf einer mir bekannten Sandbank im
Kunduz-Fluss befinden sich größere Tankfahrzeu-
ge, dabei zwei weitere kleinere Fahrzeuge, wohl
ein Traktor und ein Pick-Up, und eine Gruppe von
Personen um die Fahrzeuge. Durch den J2X wurde
ich wie folgt informiert: Durch eine durch ihn ge-
führte Quelle habe er glaubwürdige Informationen,
dass es sich bei den erkennbaren Personen um eine
größere Zahl von Aufständischen handelt. Dabei
seien vier Führer mit ihren Gruppen identifiziert
sowie ausländische Kämpfer vor Ort. Die LKW
seien derzeit auf der Sandbank festgefahren. Man
versuche, sie durch die herangeführten kleineren
Fahrzeuge – bisher erfolglos – wieder beweglich
zu machen und dann weiterzufahren.“172
3. Der Informant
Nach eigener Darstellung bezog Oberst Klein am Abend
des 3. September 2009 seine Informationen über das Ge-
schehen auf der Sandbank aus zwei Quellen: Zum einen
erhielt er Video-Bilder über den Tanklastwagen auf der
Sandbank zunächst von dem Luftfahrzeug B-1B und
169) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 59.
170) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52).
171) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 60.
172) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9 ff.
später von den beiden F-15 Luftfahrzeugen (siehe dazu
unten: B.III.4, S. 52) in die Operationszentrale übermit-
telt, zum anderen berichtete ein Informant der HUMINT
telefonisch über das Geschehen.
Da die von dem HUMINT-Kontakt am 3./4. September
2009 gelieferten Informationen eine der Grundlagen für
weitere an diesem Abend getroffene Entscheidungen
waren, ist der Untersuchungsausschuss der Frage nachge-
gangen, ob und in welchem Maße der Informant zuverläs-
sig war und von welchem Standort aus er auf welchem
Wege die Informationen an Oberst Klein übermittelte.
Zur Begrifflichkeit hat der Zeuge Hauptmann N. aufgek-
lärt, dass Informationszuträger des Field-HUMINT-
Teams der TF 47 als „Informanten“ oder „Kontakte“
bezeichnet würden, da es sich bei den HUMINT-Kräften
nicht um einen Nachrichtendienst handele.
173
a) Zuverlässigkeit des Informanten
Nach übereinstimmenden Aussagen aller vernommenen
Zeugen wurde der Informant als zuverlässig eingeschätzt.
Der Zeuge Hauptmann N. hat dazu in seiner Vernehmung
durch den Untersuchungsausschuss berichtet:
„Der Kontakt hatte im Vorfeld schon immer relativ
gute Informationen geliefert. Aus meiner Bewer-
tung, auch im Nachhinein, was er alles noch ge-
bracht hat, war es ein wirklich guter Kontakt, und
meine Leute – So, wie es mir eben berichtet wor-
den ist, wie ich es auch aus den Daten, die festge-
halten worden sind, herausnehmen konnte, war das
ein relativ zuverlässiger Kontakt, und wir konnten
danach auch noch sehr viel mit ihm arbeiten, und
er hat gute Sachen gebracht, auch, was die Force-
Protection und den Schutz unserer Leute anging,
dass er uns vor Hinterhalten gewarnt hat.“174
Hauptmann N. wies nach eigener Aussage Oberst Klein
darauf hin, dass man den Aussagen des Informanten, der
als zuverlässig bewertet wurde, „nur bis zu einem be-
stimmten Grad trauen kann und die Informationen nicht
als absolut anzunehmen sind.“175 Dabei bezog er sich auf
Informationen zur Unterscheidbarkeit von Zivilisten und
Aufständischen sowie auf den Umstand, dass es sich um
eine nicht bestätigte Einzelmeldung gehandelt habe.
176
Konkrete Zweifel an der Zuverlässigkeit der Quelle be-
standen von Seiten Hauptmann N. jedoch nicht.
177
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat diese Darstellung bestä-
tigt:
„Der Hauptmann N., mit dem ich mich auch zu ei-
ner Beratung in einen Nebenraum zurückgezogen
hatte, hat mir seine Erfahrung mit der Quelle ge-
schildert. Er hat mir auch gesagt, dass man niemals
173) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 66.
174) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 67.
175) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 68.
176) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 73.
177) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 21.
Drucksache 17/7400 – 50 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hundertprozentig sicher sein kann. Aber das ist
auch im normalen Leben so: […] Alle Rahmenbe-
dingungen sprachen dafür, dass in dieser Situation
die Quelle glaubwürdige Informationen liefert.“178
Zur Zuverlässigkeit der Kontaktperson hat der Zeuge
Klein erklärt:
„Ich hatte zwei korrelierende Quellen. Das eine
war die HUMINT-Quelle, und das andere war für
mich das Bild. Durch die Korrelation zwischen
dem Bild und der Beschreibung der Quelle kam
ich zu dem Schluss, dass es plausibel ist. Ich habe
ja dargestellt, dass diese Quelle mir durch den
J2X, der längere Zeit mit ihm zusammengearbeitet
hat, als sehr zuverlässig bewertet worden ist. Ich
konnte mich selbst davon überzeugen, dass diese
Quelle in der Vergangenheit sehr exakte Informa-
tionen geliefert hat, die auch durch andere Aufklä-
rungsträger bestätigt wurden. Das war in dieser
Nacht leider nicht möglich. Aufgrund der Be-
schreibung und meiner Einschätzung der Lage
hielt ich das alles für nachvollziehbar und glaub-
haft und auch ausreichend.
179
[…] Ich kann nur
wiederholen, dass ich selbst die Erfahrung ge-
macht habe, dass diese Quelle einige Tage zuvor
ein Treffen hoher aufständischer Führer gemeldet
hat und dies, als dann andere Aufklärungsmittel
eingesetzt wurden, auch bestätigt worden ist. Sie
war also sehr glaubhaft.“180
Hauptmann N. stand nach eigener Darstellung selbst in
keinem unmittelbaren Kontakt zum HUMINT-Infor-
manten, wohl aber die beiden HUMINT-Operatoren.
181
Der Zeuge Hauptfeldwebel S., zum Zeitpunkt des 3./4.
September 2009 eingesetzt als HUMINT-Operator, hat in
seiner Vernehmung bestätigt, dass es sich bei dem Infor-
manten um einen als zuverlässig bewerteten Kontakt ge-
handelt habe, der ihm persönlich nicht bekannt gewesen
sei.
182
b) Frage der „Bezahlung“ des Informanten
Im Rahmen der Untersuchung der näheren Hintergründe
des Luftangriffs hat sich der Untersuchungsausschuss
auch mit der Frage befasst, ob und inwieweit die Kon-
taktperson für die gelieferten Informationen entlohnt
wurde. Dazu hat der Zeuge Hauptmann N. in seiner Ver-
nehmung erklärt:
„Wir haben selbstverständlich Auslagen, die wir
den Kontakten entsprechend geben. Das hat damit
was zu tun, was sie für Aufwendungen für uns ha-
ben. Das ist ein ganz normaler Prozess. Das richtet
sich danach, woher die kommen, was die ausgege-
178) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 48.
179) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 27.
180) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 39.
181) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 70 f.
182) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 47.
ben haben. Das wird denen dann auch entspre-
chend erstattet.“
Die Höhe der Kostenerstattung habe sich an den geltend
gemachten Auslagen orientiert:
183
„Also, es sind keine Gelder in dem Sinne geflos-
sen, dass wir bezahlen für Informationen; aber
wenn die Leute mit einem Taxi zum Beispiel
kommen oder so, sind das Auslagen, die bezahlt
werden.
184
Auf die Frage, ob der HUMINT-Informant wie eine nach-
richtendienstliche Quelle geführt worden sei, hat der
Zeuge N. erklärt, dass nachrichtendienstliche Quellen
ausschließlich vom Bundesnachrichtendienst geführt wür-
den. Der Unterschied zwischen einer derartigen Quelle
und einem HUMINT-Informanten bestehe darin, dass
Letzterer Informationen auf freiwilliger Basis, ohne dafür
bezahlt zu werden, liefere.
185
Nach Aussage des Zeugen Oberfeldwebel F. seien dem
Informanten Geldbeträge in unterschiedlich hohen Sum-
men gezahlt worden.
186
Die Höhe sei von der Qualität und
der Häufigkeit von Informationen abhängig gewesen.
Dabei sei es auch um die Finanzierung von Subkontakten
gegangen.
187
c) Kommunikation mit dem Informanten über
einen Sprachmittler
Die Kommunikation der beiden HUMINT-Operatoren mit
der Kontaktperson erfolgte am Abend des 3./4. September
2009 telefonisch über einen Sprachmittler der Task Force
47. Dieser verfügte nach eigener Aussage über keine Dol-
metscherausbildung, jedoch handele es sich bei Dari und
Paschtu um seine Muttersprachen.
188
Nach Darstellung
des Zeugen Hauptfeldwebel S., seinerzeit als HUMINT-
Operator eingesetzt, habe es zu keinem Zeitpunkt Ver-
ständigungsprobleme zwischen ihm und dem Sprachmitt-
ler gegeben.
189
Nach Aussage des Zeugen Hauptmann N. besaß der
Sprachmittler nicht die erforderliche Ermächtigung zum
Umgang mit Verschlusssachen, so dass er die Operations-
zentrale der Task Force 47 nicht habe betreten dürfen. Die
HUMINT-Operatoren Hauptfeldwebel S. und Oberfeld-
webel F. mussten sich daher außerhalb des Zeltes zum
sich dort befindlichen Sprachmittler begeben, wenn sie
mit dem Informanten kommunizieren wollten.
190
Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat die Kommunikation mit
dem Informanten über den Sprachmittler beschrieben:
„Es war ein stetiger Wechsel zwischen dem Haupt-
feldwebel S. und mir. Entweder war der Haupt-
183) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 61.
184) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 67.
185) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 71.
186) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 22.
187) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 23.
188) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 10.
189) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 33.
190) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51 – Drucksache 17/7400
feldwebel S. im Gefechtsstand und hat den Kon-
takt zu Hauptmann N. gesucht bzw. gehalten und
ich war draußen bei dem Sprachmittler, neben dem
oder […] beim Handy, oder es war andersrum. Es
war ständig entweder Hauptfeldwebel S. oder ich
bei dem Sprachmittler in Verbindung zu dem Kon-
takt. Haben wir eine neue Information gehabt, ist
einer von uns in den Gefechtsstand reingegangen
und hat den Hauptmann N. gebrieft. So fand halt
dieser Wechsel die ganze Zeit statt.“191
Der Sprachmittler übersetzte die Fragen der beiden
HUMINT-Operatoren sowie die Antworten des Informan-
ten. In seiner Vernehmung hat er sich mit einem „Werk-
zeug“ verglichen, das Fragen stellen und die Antworten
an die Kameraden habe weitergeben müssen.
192
Die Informationen gaben die HUMINT-Operatoren an
ihren Vorgesetzten Hauptmann N. weiter, der daraufhin
den Kommandeur des PRT Kunduz, Oberst Klein unter-
richtete. Zum Teil fand dieser Informationsaustausch laut
der Aussage des Zeugen Klein im Nebenraum statt
193
.
Nach Darstellung des Zeugen Hauptmann N. sei Oberst
Klein über alles informiert worden, was der Informant
gesagt habe. Anschließend hätten die HUMINT-
Operatoren neue Aufträge zur Informationsbeschaffung
erhalten.
194
Der Zeuge Oberfeldwebel F. stellte nach
seiner Aussage an diesem Abend „keine eigenständigen
Fragen“.195
Oberst Klein hatte an dem Abend selbst nicht mit dem
Informanten gesprochen. In seiner Vernehmung hat er
dazu ausgesagt:
„Der J2X, Hauptmann N., hat diese Quelle über
einen Dolmetscher der Task Force geführt. Die
Gespräche hierzu wurden durch ihn stets außerhalb
des Gefechtsstandes geführt und konnten durch
mich nicht mitgehört werden. Das entspricht auch
völlig den Sicherheitsvorgaben: Kenntnis nur,
wenn nötig. Es ist völlig undenkbar, dass ein Füh-
rer unmittelbar mit der Quelle spricht. Es gibt Stu-
fen, die immer dazwischengeschaltet sind. Deswe-
gen ist mir sowohl die Identität des Dolmetschers
als auch die der Quelle nicht bekannt.“196
Der Zeuge Hauptmann N. hat erklärt, dass er an jenem
Abend seinen Untergebenen verboten habe, Informatio-
nen direkt an Oberst Klein weiterzugeben. Er habe nicht
gewollt, „dass irgendjemand den Herrn Oberst entspre-
chend beeinflusst und zu irgendetwas versucht zu drän-
gen.“197
191) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4.
192) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2.
193) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.
194) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 20.
195) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 22.
196) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.
197) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 75.
d) Standort der Kontaktperson
Für die Beurteilung, inwieweit die Kontaktperson in der
Lage war, Informationen über das tatsächliche Geschehen
auf der Sandbank wiederzugeben, war der Standort der
Quelle am Abend des 3./4. September 2009 von wesentli-
cher Bedeutung. Aufgrund der gelieferten Informationen
ging Oberst Klein davon aus, dass der Informant direkte
Sicht auf die Sandbank hatte.
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu ausgeführt:
„Ich kann […] aufgrund des Detaillierungsgrades
und der fast hundertprozentigen Übereinstimmung
zwischen dem, was die Quelle beschrieben hat,
und dem, was ich auf dem Rover-Bild selbst sehen
konnte, sagen, dass ich den festen Eindruck hatte,
dass diese Quelle direkten Blick auf die Sandbank
hatte. Sie konnte auch die festgefahrenen Fahrzeu-
ge sehen, sie konnte die zum Freimachen herange-
führten Fahrzeuge beschreiben und hat auch Be-
wegungen beschrieben.“198
Der Zeuge Hauptmann N. hat hingegen erklärt, er habe
Oberst Klein nach seiner Erinnerung über alles informiert,
was ihm vom Informanten gesagt worden sei.
199
Im Laufe der Gespräche mit dem Informanten wurde für
die HUMINT-Kollektoren
200
und Hauptmann N.
201
deut-
lich, dass sich dieser nicht unmittelbar vor Ort befand,
sondern dass er die weitergegebenen Informationen zuvor
von einer oder mehreren Personen erhalten hatte. Der
Zeuge Hauptmann N. hat diesbezüglich in seiner Ver-
nehmung erklärt, dass es eine Weile gedauert habe, bis
die Kontaktperson „damit rausgerückt hatte, dass er nicht
direkt vor Ort war, sondern dass er über andere Leute
wieder ein relativ gutes Bild davon hatte. Er war aber
wohl so dicht dran, dass er uns sehr detailliert sagen
konnte – die Sachen haben eben auch mit dem Luftbild
relativ gut korreliert –, was da vor sich geht.“202 Zudem
habe der Kontakt über „gute Insiderinformationen“ ver-
fügt.
203
Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat in seiner Vernehmung
erklärt, nicht gewusst zu haben, „wo die Quelle, der Kon-
takt, sich aufgehalten hat.“204 Er habe auch nicht explizit
danach gefragt, ob der Informant beispielsweise Sichtkon-
takt zu den Tanklastern hatte. Der Kontakt habe aber
eigene Ansprechpartner gehabt, über die er sich informiert
habe.
205
Über den Ablauf der Gespräche hat er berichtet:
„Nach meiner Erinnerung hat er [Informant, Anm.]
Kontakte gehabt, die sich dort direkt vor Ort be-
finden. Die Telefonate wurden auch immer wieder
198) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.
199) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 64.
200) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 34, 36, 37, 38, 44, 49; F., Proto-
koll-Nr. 35, Teil II, S. 2, 7, 10.
201) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.
202) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.
203) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 62.
204) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 1.
205) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 10.
Drucksache 17/7400 – 52 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
unterbrochen. Wir haben Rückfragen gestellt, an
die ich mich jetzt natürlich im Detail nicht mehr
erinnern kann. Und er hat gesagt: Moment, ich
muss das hinterfragen; ich muss das prüfen; wir te-
lefonieren später wieder.“206
Auch der Zeuge Hauptfeldwebel S. hat bestätigt, dass der
Informant nach seinen Informationen nicht unmittelbar
vor Ort war und auch keine Sicht auf die Sandbank hat-
te.
207
Der damalige Sprachmittler, der Zeuge M. M., hat hinge-
gen in seiner Vernehmung durch den Untersuchungsaus-
schuss ausgesagt, dass sich der Informant, der über „keine
weitere Quelle“208 verfügt habe, am Ort des Gesche-
hens
209
befunden und „Sichtkontakt zu den zwei Tanklas-
tern“ gehabt habe.210
Mit dieser Aussage konfrontiert, hat der Zeuge Haupt-
feldwebel S. erklärt:
„Der Dolmetscher, also der Sprachmittler, hat ge-
sagt: Die Quelle ist nicht vor Ort. Er telefoniert mit
ihm oder mit einem weiteren Informanten in der
Nähe oder auf der Sandbank.“211
Nach Darstellung des Zeugen Hauptfeldwebel S. habe der
Informant berichtet, selbst angerufen und aufgefordert
worden zu sein, sich zu den Tanklastwagen auf der Sand-
bank zu begeben und Benzin abzuzapfen.
212
Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat sich die Aussage des
Zeugen M. M. nicht erklären können.
213
e) Existenz einer möglichen weiteren, „drit-
ten“ Quelle
In einer Pressekonferenz am 7. September 2009 erwähnte
der damalige Pressesprecher des Bundesministeriums der
Verteidigung, Dr. Thomas Raabe, dass sich Oberst Klein
in seinem Entscheidungsprozess neben Video-Bildern und
afghanischen Quellen auch auf „andere Quellen, die ich
jetzt nicht dezidiert darstelle“214, gestützt habe.
Nach Darstellung in seiner Vernehmung hatte Dr. Raabe
diese Information von seinem Mitarbeiter Kapitän zur See
Dienst erhalten, der seinerseits am 7. September 2009
unmittelbar im PRT Kunduz mit dem stellvertretenden
Kommandeur des PRT Kunduz und Chef des Stabes,
Oberstleutnant G., telefoniert hatte, um an Hintergrundin-
formationen zu gelangen.
215
Dabei habe Oberstleutnant G.
mitgeteilt, dass mithilfe dieser dritten Quelle habe festge-
206) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 2.
207) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 34.
208) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 24.
209) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 6.
210) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2.
211) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 38.
212) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 43.
213) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 15.
214) Bundespressekonferenz vom 7. September 2009 (Dokument 57).
215) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 1.
stellt werden können, dass sich vier hochrangige Taliban
vor Ort befunden hätten.
216
Ausweislich eines am 8. September 2009 über das Tele-
fonat gefertigten Aktenvermerkes soll es sich bei dieser
weiteren Quelle um sog. SIGINT-Informationen des afg-
hanischen Geheimdienstes gehandelt haben.
217
Der Zeuge Oberstleutnant G. hat in seiner Vernehmung
das Telefonat bestätigt, aber bestritten, eine dritte Quelle
erwähnt zu haben. Wörtlich hat er ausgesagt:
„[…] ich kenne keine dritte Quelle. Ich habe auch
in dem Gespräch mit dem Kapitän Dienst definitiv
keine dritte Quelle genannt, die dem Oberst Klein
zur Entschlussfindung beigetragen hätte.“218
Weder der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr,
General Wolfgang Schneiderhan, noch Bedienstete des
Einsatzführungsstabes im Bundesministerium der Vertei-
digung haben die Existenz einer weiteren Quelle bestäti-
gen können. Wörtlich hat der Zeuge Dr. Raabe dazu in
seiner Vernehmung ausgeführt:
„Diese dritte Quelle habe ich […] auch aktiv an-
gesprochen. Das ist dann […] intern nochmal
besprochen worden mit dem damaligen Generalin-
spekteur Schneiderhan. Ich habe das auch noch
einmal intern besprochen, Einsatzführungsstab am
7. 9. abends, circa 19.25 Uhr. Das wurde dort aber
nicht bestätigt seitens des Einsatzführungsstabes,
auch nicht von General Schneiderhan damals bei
der Obleuteunterrichtung, die, glaube ich, am 8. 9.
morgens stattgefunden hat.“219
4. Das Geschehen auf der Sandbank aus
Sicht von Oberst Klein
Mittelpunkt des Geschehens waren in der Nacht vom 3.
auf den 4. September 2009 die Vorgänge auf der Sand-
bank. Anhand der Meldungen über das dortige Geschehen
gewann Oberst Klein sein Lagebild, das mit ausschlagge-
bend für die Entscheidung war, einen Luftschlag durchzu-
führen. Aus diesem Grund hat sich der Untersuchungs-
ausschuss mit der Frage befasst, welche Informationen
Oberst Klein in der Nacht vom 3. auf den 4. September
2009 über das Geschehen auf der Sandbank in der Opera-
tionszentrale vorlagen. Dabei ist zu berücksichtigen ge-
wesen, dass die Zeugen Hauptmann N., Oberfeldwebel F.,
Hauptfeldwebel S., Hauptfeldwebel W. sowie Oberst
Klein, die sich seinerzeit in der Operationszentrale auf-
hielten, ihre Informationen mittelbar durch die Luftfahr-
zeugbesatzungen, die Video-Bilder sowie durch einen
Informanten gewannen.
216) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 3.
217) Mat. 17-21a, Ordn. 1, Bl. 333.
218) G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 2.
219) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 1.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 53 – Drucksache 17/7400
Nachfolgendes Schema soll den anhand der Zeugenaussa-
gen nachvollzogenen Informationsfluss über das Gesche-
hen auf der Sandbank bis hin in die Operationszentrale
verdeutlichen:
Auf der Sandbank standen nach Aussage der Zeugen die
beiden Tanklastwagen sowie einige kleinere Fahrzeuge,
darunter ein Traktor und ein Pick-up. Um die Fahrzeuge
herum befand sich eine größere Anzahl Personen, von
denen zumindest einige Waffen trugen. Diese waren da-
bei, den in den Tanklastwagen befindlichen Treibstoff
abzupumpen.
Der Zeuge M. M., der Sprachmittler der TF 47, hat ge-
schildert, dass der Treibstoff aus den Tanklastwagen
abgepumpt wurde. Der Informant habe ihm mitgeteilt,
dass ein Taliban-Führer vor Ort den Taliban-Führer einer
anderen Ortschaft angerufen und gebeten habe, „eigene
Leute“ aus verschiedenen Orten zu schicken, damit diese
die Tanklaster entleeren, um so eine Weiterfahrt und eine
Überquerung des Flusses zu ermöglichen. Den Treibstoff
aus den Tanklastern hätten diese „eigenen Leute“, bei
denen es sich um bewaffnete Taliban gehandelt habe
220
,
für sich mitnehmen dürfen.
221
a) Anzahl der Personen auf der Sandbank
Nicht eindeutig zu ermitteln gewesen ist die genaue Zahl
der Personen, die sich in der Nacht vom 3. auf den 4.
September 2009 auf der Sandbank aufhielten. Diese dürf-
te sich in der untersuchungsgegenständlichen Nacht stän-
dig geändert haben.
220) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 5.
221) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 5.
aa) Einschätzung des JTAC anhand der Video-
Bilder
In der Operationszentrale bat Oberst Klein den JTAC
anhand der Video-Bilder um eine Einschätzung, wie viele
Personen sich auf der Sandbank befanden. In seiner Ver-
nehmung hat der Zeuge Oberst i. G. Klein dazu ausgesagt:
„Ich möchte nun etwas zu den Luftbildern sagen;
[…]. Für einen Laien ist die Bewertung dieser
Luftbilder sehr schwer einzuschätzen, da sich so-
wohl die Flugzeuge als auch die Personen in stän-
diger Bewegung befinden. Ich habe daher den da-
zu ausgebildeten JTAC um eine Einschätzung ge-
beten: Wie viele Personen sehen wir denn da un-
ten? Seine Aussage mir gegenüber war: etwa 70
Personen, die sich um diese Tankfahrzeuge bewe-
gen. Die Zahl war für uns bei vier identifizierten
Gruppen realistisch und auch nicht überraschend.
Aus den Gefechten der vergangenen Wochen
wussten wir, dass die Aufständischen in der Lage
waren, durch Telefonate sehr schnell Kräfte […]
zusammenzuziehen. Diese waren regelmäßig mit
Motorrädern und Pick-ups unterwegs, sehr schnell
beweglich, hoch mobil, und zudem […] passte der
Ort des Geschehens auch zu meinem in fünf inten-
siven Monaten aufgewachsenen Lagebild. Diese
Sandbank ist eine bekannte Übergangsstelle für
Aufständische, die sich vom Distrikt Char Dara
westlich zur Line of Communication […] bewe-
gen.“222
Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat diese Darstellung be-
stätigt:
„Die B-1 hat relativ gute Bilder geliefert und war
auch sehr lange – Ich schätzte die Anzahl der Per-
sonen auf ungefähr 70 ein, wobei ein genaues Zäh-
len derer vor Ort nicht möglich war, weil die Men-
schen in Bewegung waren; die Maschinen waren
in Bewegung. Das heißt, der Winkel ändert sich
auch öfter mal, wo die Maschine hinguckt. Mir
war es also jetzt nicht möglich, genau zu sagen:
‚Es waren 73, oder es waren nur 15„, wobei ich sa-
ge: Diese Masse – 15 oder 70 Personen –, das ist
schon ein Unterschied.“223
„Es war etwas, wobei ich nicht sagen kann, wel-
cher Art Fahrzeug, oder es war nur ein Karren oder
was. Das konnte ich von den Lichtverhältnissen
her nicht einschätzen. […] Es war ein reges Kom-
men und Gehen zu beobachten.“224
222) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
223) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 9.
224) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 31.
Drucksache 17/7400 – 54 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Einschätzung des Informanten
Der Informant schätzte gegenüber dem Zeugen M. M. die
Anzahl der sich auf der Sandbank befindlichen Personen
auf „mehr als 70“ ein.225
b) Anwesenheit von Taliban-Führern
Die beiden HUMINT-Operatoren, die Zeugen Oberfeld-
webel F. und Hauptfeldwebel S. haben ausgesagt, dass
sich an jenem Abend nach Auskunft des Informanten
auch mehrere Taliban-Führer im Umfeld der Tanklastwa-
gen befunden hätten.
226
Dem Zeugen Hauptfeldwebel S.
sei eine der genannten Personen „als der mutmaßliche
Führer der Taliban-Gruppierung in dem Bereich“ bekannt
gewesen.
227
Der Zeuge M. M. hat bestätigt, dass der Informant von
anwesenden Taliban-Führern gesprochen habe. Nach
Aussage des Zeugen M. F. stand einer der Namen auf der
JPEL-Liste.
228
Hierzu hat der Zeuge Hauptmann N. aus-
gesagt:
„Selbstverständlich haben die [Namen, Anm.] eine
Bedeutung für mich gehabt. Es gab viele Namen in
Kunduz, die mir ein Begriff sind und jetzt auch
noch einer sind.
229
[…] Ich habe dem Herrn Oberst
Klein gesagt, wer vor Ort ist.“230
Auf die Frage, ob er mit einem ihm vorgehaltenen Namen
etwas anfangen könne, hat der Zeuge Oberstleutnant N.,
der am besagten Abend als G 2 der Task Force 47
231
ein-
gesetzt war, ausgesagt:
„Das sind gängige Namen im Raum Kunduz, die
durchaus der Insurgents-Szene zugeordnet werden
können, aber durchaus auch ehrbare Bürger sein
könnten, je nachdem. Da muss man genau wissen,
wer dahinter steckt.“232
Weiter hat er erklärt:
„Die Leute – soweit ich das in Erinnerung habe –,
die genannt worden sind, die in Verbindung mit
den Tanklastern standen, waren zu dem Zeitpunkt,
meine ich, noch keine Grundlage irgendeiner Ope-
ration. Aber wir hatten die auf dem Schirm.“233
Nach dem Luftangriff habe die Kontaktperson berichtet,
dass sie auf der Sandbank unter den Getöteten vier Tali-
ban-Führer identifiziert habe.
234
Ausweislich einer Antwort der Bundesregierung auf eine
Frage des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels (SPD)
war zum Zeitpunkt des Luftangriffs keiner der vier in den
225) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 5, 15.
226) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 6.
227) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 48.
228) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II, S. 9.
229) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 60.
230) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 87.
231) OTL N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 1.
232) OTL N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 17.
233) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 61.
234) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 17.
Meldungen nach dem Luftangriff am 4. September 2009
genannten Führer der Aufständischen auf der ISAF Joint
Prioritized Effects List (JEPL) aufgeführt gewesen.
235
Auf dieser Liste werden Ziele, deren Verfolgung mit
militärischen und nichtmilitärischen Mitteln gebilligt ist,
aufgeführt. Geplanten militärischen Maßnahmen gegen
Einzelpersonen geht dabei eine eingehende Prüfung und
Bewertung sowie ein komplexes Abstimmungs- und Ge-
nehmigungsverfahren voraus. Zielnominierungen und Zu-
griffsoperationen, bei denen deutsche Kräfte die Verant-
wortung für die Anwendung militärischer Gewalt haben,
die Ausführung übernehmen oder sich daran beteiligen,
erfolgen nach Auskunft der Bundesregierung ausschließ-
lich mit dem Ziel, die Zielpersonen festzusetzen, keines-
falls aber, sie zu töten.
236
c) Zur Frage der Anwesenheit von Zivilper-
sonen auf der Sandbank
Eine zentrale Frage für den Untersuchungsausschuss ist
gewesen, ob sich in der Nacht vom 3. auf den 4. Septem-
ber 2009 unbeteiligte Zivilpersonen, darunter die Fahrer
der Tanklastwagen, in der Nähe der Tanklastwagen auf
der Sandbank befunden hatten. Dies war vor dem Hinter-
grund möglicher, durch den Luftangriff verursachter Op-
fer relevant. Nach Aussage des Zeugen Hauptfeldwebel
W. hätte die Anwesenheit ziviler Personen bezüglich der
Vorbereitung eines Luftschlages gegen die Tanklastwa-
gen „gegebenenfalls ein Abbruchkriterium sein kön-
nen.“237
aa) Informationsstand in der Operationszent-
rale der Task Force 47
Oberst Klein hatte nach eigener Aussage keine dezidierten
Informationen über den Verbleib der Fahrer der beiden
Tanklastwagen. Aus den Erfahrungen aus vergleichbaren
Fällen ging er davon aus, dass sich diese nicht auf der
Sandbank befanden. In seiner Vernehmung hat er dazu
ausgesagt:
„Ich wusste nichts davon. Ich ging davon aus, dass
wie bei der Entführung der Ecolog-Fahrzeuge we-
nige Tage zuvor die Fahrer sehr schnell von den
Fahrzeugen getrennt wurden. Die wurden dann
auch getrennt verhört und wurden wieder freige-
lassen. Anders war es bei Entführung von Militär-
fahrzeugen oder Polizeifahrzeugen; da mussten wir
davon ausgehen, dass die Fahrer sofort ermordet
wurden. Da gab es mehrere Vorfälle. Dadurch,
dass ich in dieser Nacht mehrfach nachgefragt ha-
be: ‚Was für Personen sind dort unten?„, und man
mir bestätigt hat: ‚Dort sind nur Aufständische,
keine Zivilisten„, war für mich klar, dass auch die
235) BT-PlPr. 17/36 (Dokument 58), S. 3463.
236) Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Abg.
Ströbele, BT-PlPr. 17/45 am 9. Juni 2010 (Dokument 59),
S. 4575 f.
237) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 48.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 55 – Drucksache 17/7400
Fahrer nach meinem Kenntnisstand nicht vor Ort
sein könnten.“238
Ausweislich der Aussage des Zeugen W. wurde Oberst
Klein an dem Abend gemeldet, es gebe keine Informatio-
nen über die Kraftfahrer:
„Es wurde gesagt: ‚Es gibt keine Information„,
wenn ich mich richtig erinnere. Es kann aber ge-
nauso gesagt worden sein: ‚Die sind nicht mehr
dabei„ – wobei auch vom Oberst her sehr lange
nachgefragt wurde, ob überhaupt allgemein unbe-
teiligte Personen vor Ort sind. Das wurde jedes
Mal verneint. Wenn es, wenn ich nach den Kraft-
fahrern frage, heißt: ‚Ich habe keine Information
darüber„, und mir jedes Mal bestätigt wird, dass
keine Unbeteiligten vor Ort sind – unter die ich na-
türlich auch die Kraftfahrer zähle –, dann muss ich
von dieser Information erst mal ausgehen.“239
Der Zeuge Hauptmann N. hat in seiner Vernehmung aus-
gesagt, dass die beiden LKW-Fahrer von dem Informan-
ten an dem Abend „als nicht mehr im Spiel“ genannt
worden seien. Das habe nach seiner Auffassung bedeutet,
dass diese wohl umgebracht worden seien.
240
Der damalige Sprachmittler, der Zeuge M. M., hat in
seiner Vernehmung hingegen angegeben, der Informant
habe ihm mitgeteilt, dass einer der beiden LKW-Fahrer
erschossen worden sei. Wörtlich hat er ausgesagt:
„Hat er [Informant, Anm.] erzählt: Die wollten die
LKW über auf die andere Seite von Fluss bringen.
Ist die im Sand stehen geblieben, weil die hatte ja
mehr Gewicht und die konnte nicht über Fluss rü-
berfahren. Die sind im Sand stehen geblieben.
Deswegen hat hier die Gegner oder Taliban oder
gegnerische Seite einen LKW-Fahrer bedroht und
gesagt: Fahr weiter! – Hat er gesagt: Es geht nicht,
ich kann nicht weiterfahren. – Da wurde dieser
LKW-Fahrer erschossen.“241
Über den zweiten LKW-Fahrer sei nicht gesprochen wor-
den.
242
In seiner Vernehmung hat der Sprachmittler je-
doch auch erklärt, damals sei thematisiert worden, dass
der erste Fahrer jetzt tot sei.
243
Nach dem Luftangriff habe ihm die Kontaktperson mitge-
teilt, dass die Leiche eines Fahrers gefunden und in das
Krankenhaus in Kunduz geliefert worden sei. Um wel-
chen Fahrer es sich gehandelt habe, habe er nicht ge-
sagt.
244
Der Zeuge Hauptfeldwebel S. hat ausgesagt, den Infor-
manten über den Sprachmittler einmal nach dem Verbleib
238) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
239) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 48.
240) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.
241) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 4.
242) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 4.
243) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 21.
244) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 17.
der LKW-Fahrer gefragt zu haben. Diesem hätten an dem
Abend aber keine Informationen darüber vorgelegen.
245
Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat erklärt, keine Informa-
tionen über die Tanklastwagenfahrer gehabt zu haben und
den Informanten nicht nach deren Verbleib gefragt zu
haben.
246
bb) Anwesenheit weiterer Zivilpersonen
Aus der Operationszentrale heraus war die Einschätzung,
ob sich Zivilpersonen auf der Sandbank befanden, nur auf
Grundlage der Videobilder des B-1B Luftfahrzeuges
sowie der von der HUMINT-Kontaktperson gelieferten
Informationen möglich.
aaa) Problem der Unterscheidbarkeit zwischen
Aufständischen und Zivilpersonen
Zu den grundsätzlichen Problemen einer Unterscheidung
zwischen unbeteiligten Zivilpersonen und Aufständischen
hat der Zeuge Hauptfeldwebel W. ausgesagt, dass es Men-
schen in Afghanistan gegeben habe, die auf ihn geschos-
sen hätten und fünf Minuten später ohne Waffe an ihm
vorbeigefahren seien. Daher sei eine Unterscheidung
zwischen Aufständischen und Zivilisten nicht möglich.
247
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat bestätigt, dass eine Dif-
ferenzierung zwischen Aufständischen und unbeteiligten
Zivilpersonen aus der Operationszentrale heraus schwie-
rig war:
„Sie können nicht zwischen Zivilisten und Taliban
unterscheiden, weil diese Leute aus unserer Erfah-
rung ja in Zivil herumlaufen. Sie tragen keine Uni-
form, sie sind nicht als Kombattanten im eigentli-
chen Sinne erkennbar, tragen Waffen oder tragen
keine Waffen. Auch in dieser Nacht haben sie die
Waffen gehabt, haben sie teilweise wieder zur Sei-
te gelegt. Ich ging davon aus, dass alle Personen,
die sich zu diesem Zeitpunkt um die Tanklastzüge
befanden, Teil der Operation der Aufständischen
waren und deswegen beteiligt waren, und alle Per-
sonen, die sich im weiteren Umfeld dort bewegt
hatten – das, was andere vielleicht als Zivilisten
bezeichnen würden –, Unbeteiligte waren.“248
bbb) Das Tragen von Waffen als mögliches Kri-
terium zur Unterscheidung von Aufständi-
schen und Zivilisten
Nach Darstellung des Zeugen M. M. habe der Informant
das Tragen von Waffen als mögliches Kriterium zur Un-
terscheidung von Zivilisten und Aufständischen benannt.
Der Zeuge M. M. hat diesbezüglich vor dem Untersu-
chungsausschuss ausgesagt:
245) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 41, 45.
246) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 5.
247) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 10.
248) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
Drucksache 17/7400 – 56 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Das hat er gesagt: Die waren alle Schuldige oder
Talibs, schuldige Menschen, dass die bewaffnet
waren
249
[…]. Mir wurde so übermittelt, dass die
alle Taliban sind, alles Schuldige sind, alle be-
waffnet sind.“250
Der Zeuge A. M. hat angegeben, dass er Zivilisten und
Aufständische daran unterscheide, ob sie Waffen tra-
gen.
251
Nach Angaben des Zeugen S. gab es keinen Austausch
zwischen ihm als HUMINT-Kollektor und dem Informan-
ten darüber, anhand welcher äußeren Anhaltspunkte zwi-
schen Aufständischen und Zivilisten zu unterscheiden
sei.
252
Der andere HUMINT-Kollektor ist dazu nicht be-
fragt worden.
(1) Darstellung der Zahl der Bewaffneten
durch die HUMINT-Kontaktperson
Der HUMINT-Informant berichtete nach der Darstellung
des Zeugen Hauptfeldwebel S. hingegen, dass „fast alle“
Personen auf der Sandbank bewaffnet gewesen seien.
253
Er habe weiterhin auf wiederholte Nachfrage angegeben,
dass sich keine Zivilisten auf der Sandbank befänden.
(2) Aufklärung von Handwaffen und Panzer-
abwehrwaffen durch das B-1B Luftfahr-
zeug
Nach Feststellungen des Generalbundesanwaltes beim
Bundesgerichtshof führte die Luftfahrzeugbesatzung des
B-1B auf Bitten des JTAC einen so genannten PID (posi-
tive Identification) nach Waffen durch. Dabei seien bei
einer Vielzahl der anwesenden Personen Handwaffen und
Panzerabwehrwaffen (RPG) aufgeklärt worden. Aller-
dings sei anhand der Videobilder nicht genau zu erkennen
gewesen, ob alle Personen auf der Sandbank Waffen
trugen.
254
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat diesbezüglich ausgesagt:
„Der JTAC hat mir gemeldet, dass die B1-
Besatzung, die wesentlich bessere Beobachtungs-
möglichkeiten haben, […] nun gemeldet hat, es
seien Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen,
also Panzerfäuste, bei den Personen, die sich da
unten befinden, erkannt worden.“255
Der Zeuge Hauptmann N. hat in seiner Vernehmung er-
klärt:
„Ich kann Ihnen jetzt allerdings nicht genau sagen,
ob mir das vom JTAC so weiter zugetragen wor-
den ist oder ob ich das über Funk mitbekommen
249) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 20.
250) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 26.
251) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 9.
252) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.
253) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.
254) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 21.
255) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
habe, dass sie es direkt gesagt haben. Es wurde uns
aber auf jeden Fall gesagt – auch dem Oberst –,
dass durch das Aufklärungsasset diese Waffen ent-
sprechend identifiziert worden sind. Und es war
die Rede von RPGs und Langwaffen, also AKs,
was in dem Bereich normalerweise üblich ist.“256
„Die B-1B-Bomber-Piloten haben die Leute ent-
sprechend als INS, als Insurgenten, klas-
sifiziert.“257
Diese Darlegung wird durch Teile der durch den Untersu-
chungsausschuss beigezogenen Akten in Frage gestellt.
258
ccc) Mehrfache Nachfrage beim Informanten,
ob Zivilpersonen anwesend sind
Der Zeuge Hauptmann N. hat in seiner Vernehmung an-
gegeben, dass Oberst Klein ihn mehrfach angewiesen
habe, über seine Kontaktperson herauszufinden, ob sich
an jenem Abend unbeteiligte Zivilisten auf der Sandbank
befanden. Der Kontakt habe regelmäßig geantwortet, dass
sich aus seiner Sicht nur „Taliban“ dort befunden hät-
ten.
259
Diese Information habe er an Oberst Klein weiter-
gegeben. Wörtlich hat er ausgesagt:
„Ich habe mehrfach über den Sprachmittler […]
bei dem Kontakt angerufen und – haben ihm im-
mer wieder gesagt: Sag uns, sind aus deiner Sicht
jetzt wirklich nur Taliban und Insurgenten vor Ort,
oder sind da auch irgendwelche anderen? – Er hat
immer wieder gesagt: Es sind nur Taliban vor Ort.
– Ich habe dem Oberst gesagt: Herr Oberst, der
Kontakt sagt, aus seiner Sicht sind nur Taliban vor
Ort; aber wir können diese Aussage nicht als abso-
lut annehmen. […] Wir haben nicht explizit nach-
gefragt: Sind auch Kinder da? Aber der Oberst
Klein hat uns immer wieder darauf gedrängt, noch
und noch mal anzurufen und zu fragen, ob Zivilis-
ten vor Ort sind.“260
Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat bestätigt, dass der In-
formant mehrfach erklärt habe, dass sich keine Zivilisten
auf der Sandbank befänden.
261
Dieser habe dabei stets den
Begriff „Zivilisten“ gebraucht.262 Allerdings sei für ihn
nicht erkennbar gewesen, anhand welcher Erkennungskri-
terien diese Einschätzung vorgenommen wurde.
263
Er
habe auch nicht nachgefragt, woran der Informant oder
seine Ansprechpartner erkannt haben wollten, dass keine
Zivilisten vor Ort seien.
264
Nach Darstellung des Zeugen Hauptfeldwebel S. wurde
auch die Anwesenheit von Frauen und Kindern verneint:
256) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 64.
257) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 84.
258) Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 23, Punkt 9, 10, 18, 31, 38,
40, 45, 48, 53, Tgb.-Nr. 08/10 – GEHEIM.
259) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 60.
260) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 68.
261) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 2.
262) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 9.
263) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4.
264) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 57 – Drucksache 17/7400
„Der Kontakt wurde mehrmals gefragt, ob dort Zi-
vilisten vor Ort sind, und er hat immer wieder be-
stätigt, es sind keine Zivilisten vor Ort. Unter an-
derem haben wir auch direkt nachgefragt, ob dort
Frauen und Kinder vor Ort sind. Dies wurde auch
durch den Kontakt verneint.“265
Der Zeuge M. M. hat bestätigt, dass die HUMINT-
Kontaktperson in den Gesprächen stets die Anwesenheit
von Zivilpersonen ausschloss:
„Von Anfang bis zum letzten Gespräch, das ich
mit ihm durchgeführt habe, hat er gesagt: Es sind
definitiv keine Zivilpersonen, die – oder Kinder,
unschuldige Menschen – sind. Bis Ende hat er
mitgeteilt, hat er gesagt: Das sind alles schuldige
Menschen; unschuldige sind keine dabei.“266
Der Zeuge Hauptmann N. hat nach eigener Aussage ge-
genüber Oberst Klein erklärt:
„Ich habe dem Oberst gesagt: Herr Oberst, der
Kontakt sagt, aus seiner Sicht sind nur Taliban vor
Ort; aber wir können diese Aussage nicht als abso-
lut annehmen.“267
d) Lagebild des Oberst Klein über das Ge-
schehen auf der Sandbank und Schluss-
folgerungen
In der Operationszentrale der Task Force 47 beobachteten
Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. das Geschehen auf
der Sandbank auf einem Monitor, auf dem die vom Luft-
fahrzeug des Typs B-1B gesendeten Video-Bilder abge-
bildet wurden. Seine Wahrnehmungen hat der Zeuge W.
folgendermaßen beschrieben:
„Von dem Bild, wie es sich darstellte, waren auf
den Uferrändern Pickups zu erkennen, also typisch
für die, die dort genutzt, gefahren werden. […] Es
war etwas, wobei ich nicht sagen kann, welcher
Art Fahrzeug, oder war es nur ein Karren oder
was. Das konnte ich von den Lichtverhältnissen
her nicht einschätzen. […] Es war ein reges Kom-
men und Gehen zu beobachten.“268
„[…] auf der einen Seite war die Möglichkeit – so
interpretiere ich das –, Sprit abzuzapfen oder zu
sagen: Man versucht, Holz, irgendwas, beizuschaf-
fen und unter die Reifen zu bringen, um die LKW
wieder gangbar zu machen. Das waren so meine
beiden Grundideen. Oder beides eventuell, damit
der Wagen etwas leichter wird vielleicht, um ihn
dann besser rauszukriegen. Das war so die Ein-
schätzung, die ich getroffen habe […].“269
265) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.
266) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2.
267) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 64.
268) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 31.
269) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 32.
Der Zeuge Hauptfeldwebel V. hat ausgesagt, er habe die
Personen nur als schwarze Punkte, die sich bewegt haben,
erkennen können.
270
aa) Schlussfolgerung über das weitere Vorge-
hen der Aufständischen
Aus den Video-Bildern und Meldungen schlussfolgerte
Oberst Klein nach eigener Aussage, dass die Tanklastzüge
nach deren Freisetzung, ohne auf nennenswerten Wider-
stand zu stoßen, als wahrscheinliche Option zu einem
Kontrollposten der afghanischen Polizei oder zum Feldla-
ger des PRT Kunduz bewegt würden:
„[…] mir wurde gemeldet, die Fahrzeuge würden
abgetankt, um sie zu erleichtern. Vor Ort seien nur
Aufständische. […] Zu diesem Zeitpunkt waren
die Tanklaster etwa 5 000 Meter Luftlinie vom
PRT entfernt. Zwischen dem PRT und dem aktuel-
len Standort befindet sich nur ein schwacher Kont-
rollposten der afghanischen Polizei, […] und die-
ser wurde in der Vergangenheit, auch an den Ta-
gen zuvor, regelmäßig angegriffen. […] Deswegen
war es eine wahrscheinliche Option, wenn diese
Tanklastzüge freikamen und sich nach Osten in
Bewegung setzen, dass diese, ohne auf großen Wi-
derstand zu stoßen oder vielleicht gar keinen Wi-
derstand anzutreffen, in wenigen Minuten an die-
sem Kontrollpunkt hätten sein können und danach
unmittelbar auch das PRT hätten erreichen kön-
nen.“271
Der Zeuge Hauptfeldwebel S. hat ausgeführt:
„Eine der ersten Aussagen war, dass diese Tank-
lastzüge in Richtung Westen gebracht werden soll-
ten, um dort weiter umgebaut zu werden. Weiter-
hin hat er aber nichts gesagt. Dann war eine Aus-
sage, dass diese Tanklastzüge umgebaut werden
sollten – oder mit IEDs versehen – und dass im
Moment jetzt der Kraftstoff abgepumpt wird. […]
Dann ging es mit Masse darum, dass die Fahrzeu-
ge sich festgefahren haben und auf der Sandbank
standen.“272
Der Zeuge M. M. hat geschildert, was der Informant über
die Pläne der Aufständischen an jenem Abend berichtet
habe:
„Das, was ich gehört habe oder durch Telefonat
von unserer Quelle mitbekommen habe, war die
Sache, dass die mit IEDs oder Sprengstoff die bei-
den Tanklaster vollmachen und einen in der Stadt
Kunduz und einen direkt vor dem PRT explodieren
lassen.“273
Der Zeuge Hauptfeldwebel S. hat ausgesagt, dass ihm
Aussagen der Kontaktperson im Hinblick auf etwaige
270) V., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 24.
271) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
272) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 40.
273) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 19.
Drucksache 17/7400 – 58 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Planungen von Anschlägen auf eine Stadt oder das Feld-
lager Kunduz an diesem Abend nicht bekannt seien.
274
bb) Annahme, dass sich keine Zivilisten auf
der Sandbank befanden
Der Umstand, dass sich das Geschehen auf der Sandbank
nachts abspielte, bestärkte Oberst Klein nach eigener
Aussage in der Annahme, dass sich am Abend des 3./4.
September 2009 keine Zivilpersonen in der Nähe der
Tanklastwagen befanden. Vor dem Untersuchungsaus-
schuss hat er dazu ausgesagt:
„Zudem war uns bekannt, dass die Aufständischen
hier aber nachts illegale Kontrollpunkte einrichte-
ten, und – das war die Erfahrung und auch das,
was ich von den afghanischen Sicherheitskräften
immer gehört habe – für jeden, der nicht mit den
Aufständischen kooperiert, ist eine Bewegung in
diesem Raum lebensgefährlich, vor allem bei
Nacht. Letztlich – das darf nicht vergessen werden
– war es Ramadan, die normalen Menschen waren
zu Hause, und die Uhrzeit, also deutlich nach Mit-
ternacht – das war dann schon halb eins –, hat die
Information der Quelle, dass es sich bei den Perso-
nen um Aufständische und deren unmittelbare Un-
terstützer handelt, keinesfalls aber um unbeteiligte
Zivilisten, eindeutig bestätigt.“275
Der Zeuge M. M. hat diese Darstellung bestätigt:
„In Afghanistan ist das so, dass nachts die Zivilbe-
völkerung überhaupt nicht auf die Straße geht, be-
sonders in Kunduz. […] Auch nicht zur Ramadan-
Zeit.“276
5. Prüfung verschiedener Handlungsoptio-
nen seitens des PRT Kunduz
Ohne dass eine Entscheidung zu einem Waffeneinsatz zu
diesem Zeitpunkt bereits gefallen war
277
, wurden im PRT
Kunduz verschiedene Handlungsoptionen geprüft. Dabei
verzichtete Oberst Klein nach eigener Aussage darauf,
weitere Angehörige seines Stabes zur Beratung hinzuzu-
ziehen. In seiner Vernehmung hat er dazu erklärt:
„Ich habe in dieser Lage, weil es inzwischen auch
deutlich nach Mitternacht war, darauf verzichtet,
weitere Angehörige meines Stabes zur Beratung
hinzuzuziehen. Warum? Ich ging davon aus, dass
diese zu meiner Entscheidungsfindung keine zu-
sätzlichen Informationen beitragen konnten; zum
anderen wollte ich dem Schlüsselpersonal nach
dem harten Gefechtstag und in Erwartung neuer
274) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 43.
275) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10 f.
276) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 13.
277) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 22.
Gefechte am Folgetag zumindest ein paar Stunden
Ruhe gönnen.“278
„Es ist im Nachgang die Frage aufgeworfen wor-
den, warum ich in dieser Nacht nicht den Rechts-
berater des PRT geweckt habe. Zunächst einmal
muss ich festhalten, dass dieser Offizier nicht der
Rechtsberater des PRT ist; der macht das in Ne-
benfunktion. Allerdings hat auch der Oberstleut-
nant G. am nächsten Tag meine Einschätzung der
Einsatzregeln bestätigt. Hätte ich ihn in der Nacht
geweckt, hätte er mir keinen anderen Rat gege-
ben.“279
Die Entscheidung von Oberst Klein, auf die Hinzuziehung
weiterer Berater zu verzichten, stieß in der nachträglichen
Bewertung durch Zeugen auf Kritik:
– Der Zeuge Schneiderhan, zum damaligen Zeitpunkt
Generalinspekteur der Bundeswehr, hat in seiner
Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss die
Entscheidung, den Rechtsberater nicht hinzuzuzie-
hen, als „unzweckmäßig“ bewertet.280
– Der Zeuge Generalleutnant Glatz hat erklärt, er hätte
neben dem Rechtsberater auch den J3 als „Fachmann
für die Anwendung von RoEs und SOPs“ hinzugezo-
gen. Dabei hat er eingeräumt, dass „das eine ganz
persönliche Entscheidung jedes militärischen Füh-
rers“ sei.281
– Der Zeuge Oberstleutnant J. G., zum Zeitpunkt des
Luftschlages Chef des Stabes des PRT Kunduz, emp-
fand es gemäß seiner Aussage als „ungewöhnlich“, in
der konkreten Entscheidungssituation nicht zu Rate
gezogen worden zu sein.
282
a) Durchführung des Weaponeering und Tar-
geting durch die Flugzeugbesatzung
Die Flugzeugbesatzung führte das übliche so genannte
Weaponeering und Targeting durch.
283
Bei diesem Ver-
fahren wird das potentielle Ziel erfasst und in Abwägung
von Wirkung und zu erwartendem Schaden ein geeignetes
Wirkmittel bestimmt. Das Verfahren beschrieb der Zeuge
Hauptfeldwebel W. wie folgt:
„Man guckt, dass man keine Kollateralschäden
macht, und bespricht den Waffeneinsatz: welche
Waffe am besten an welcher Stelle eingesetzt
wird.“284
278) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12.
279) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15.
280) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 33.
281) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 70.
282) J. G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 3.
283) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 22.
284) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 24.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59 – Drucksache 17/7400
aa) Von der Besatzung des Luftfahrzeuges
vom Typ B-1B vorgeschlagenes Wirkmittel
Es wurde zunächst von Seiten der Besatzung des B-1B
der Einsatz von 2 000-Pfund-Bomben in Erwägung gezo-
gen. Dies sei aber verworfen worden, da bereits bei einer
1 000-Pfund-Bombe „die Gefahr bestanden hätte, zivile
Compounds eventuell mit Splittern oder sonst was zu
versehen.“285
Der Fliegerleitoffizier, der Zeuge W., hat vor dem Unter-
suchungsausschuss klargestellt, dass er Oberst Klein aus-
schließlich vorgetragen habe, was von Seiten der Luft-
fahrzeugbesatzungen vorgeschlagen worden sei, und ihn
beraten, aber keinesfalls zu irgendeiner Entscheidung
gedrängt habe:
286
„Ich habe meinem Kommandeur vorgetragen. Er
hat diese Information aufgenommen, hat mir aber
zu keiner Zeit zu verstehen gegeben, dass das eine
Sache ist, die für ihn gar nicht geht, weil, das wäre
ein klarer Befehl gewesen, und somit wäre ein kla-
rer Abbruch da gewesen.“287
Er habe aber bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt gera-
ten, die Ziele mit Bomben zu bekämpfen, da der Einsatz
der Bordkanonen eine größere Gefahr dargestellt hätte.
288
Eine Beratung, welche Regel zur Anwendung militäri-
scher Gewalt (RoE) Anwendung finde, habe nicht zu
seinen Aufgaben gehört.
289
bb) Beschränkung eines etwaigen Luftangriffs
auf die beiden Tanklastwagen?
Hauptmann N. hat angegeben, Oberst Klein habe gegenü-
ber der Besatzung der B-1B klargestellt, dass sich ein
etwaiger Luftangriff gegen die beiden Tanklastwagen
richten würde:
„Ich hatte bloß mitbekommen, dass die B-1B-
Piloten wohl erst angefangen haben, eine relativ
große Waffenwahl vorzuschlagen. […] Die woll-
ten dann auch möglichst alles, was außenrum noch
war, nach ihrer Aussage mit neutralisieren. Oberst
Klein war meiner Erinnerung nach darüber auch
sehr geschockt und hatte darauf gedrängt, dass das
nicht sein Ziel ist, sondern er wollte diese Tanklas-
ter neutralisieren. Man hat dann weiter mit den
Bomberpiloten verhandelt. […] Das ging dann
immer so weiter, und Oberst Klein hat immer wie-
der darauf gedrängt, er möchte eine möglichst
kleine Waffenwahl haben, um wirklich nur gezielt
auf dieser Sandbank zu wirken und keine Außens-
tehenden – Man erkannte auf dem Bild auch, dass
wohl noch Autos außen standen. Da wollte er
wirklich nicht draufgehen.“290
285) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 45.
286) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 27.
287) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 38.
288) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 29.
289) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 30.
290) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 60.
Die Besatzung des Luftfahrzeuges B-1B schlug daraufhin
den Einsatz von sechs 500-Pfund-Bomben vor.
291
Der
Zeuge Hauptfeldwebel W. hat den diesbezüglichen Funk-
verkehr mit der Besatzung geschildert:
„Ich erhielt dann Informationen […], dass es be-
stätigt Tanklaster sind, dass es eine angemessene
Waffenanzahl wäre, wenn man das Ziel komplett
vernichten wolle, wenn man mit sechs 500-Pfund-
Bomben auf das Ziel ansetzt, dass der Einsatz von
größeren Waffen – 1 000 Pfund oder größer –
nicht möglich wäre aufgrund der Tatsache, dass
von der Splitterwirkung her Kollateralschäden ent-
stehen würden, und dass definitiv bewaffnete Teile
am Boden sind.“292
cc) Ablehnung eines Luftangriff in dieser Pha-
se
Dies lehnte Oberst Klein ab. In seiner Vernehmung hat er
dazu erklärt:
„Bereits kurz nach meinem Eintreffen im Ge-
fechtsstand der Task Force, also 0.15 Uhr etwa,
wurde ich durch die beiden Herren, JTAC und N.,
befragt, ob ich dieses Ziel durch die B-1-Bomber
bekämpfen wollte. Ich habe das eindeutig abge-
lehnt, da mein Lagebild zu diesem Zeitpunkt für
eine derart weitreichende Führungsentscheidung
bei Weitem nicht ausreichte und ich andere Mög-
lichkeiten des Handelns prüfen wollte. Zudem ha-
be ich den Vorschlag der B-1-Besatzung – den
konnten Sie jetzt teilweise auch in den Medien
nachlesen –, die Tanklastzüge mit acht […] 500-
Pfund-Bomben zu bekämpfen, als absurd, wirklich
absurd – weil dieser Einsatz völlig unverhältnis-
mäßig gewesen wäre und mit erheblichen Kollate-
ralschäden in dem weiten Umfeld der Sandbank
verbunden gewesen wäre.“293
Der Zeuge Hauptmann N. hat in seiner Vernehmung diese
Darstellung bestritten. Er habe Oberst Klein weder ge-
fragt, ob er die Tanklastwagen durch die B-1B-Bomber
bekämpfen wolle, noch habe er ihm einen solchen Vor-
schlag unterbreitet.
294
b) Einsatz von Bodentruppen
Angesichts der möglichen Kollateralschäden, die ein
Luftangriff verursachen könnte, prüfte Oberst Klein nach
eigener Aussage zunächst, ob etwaige andere Handlungs-
optionen bestünden:
„Ich habe daher für mich in Gedanken andere Op-
tionen wie den Einsatz von Bodentruppen noch
mal durchgespielt. Ich habe Ihnen allerdings vor-
neweg dargestellt, dass ich maximal eine Kompa-
291) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 46.
292) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 5.
293) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12, 50.
294) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 76.
Drucksache 17/7400 – 60 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nie zur Verfügung gehabt hätte, die auch die einzi-
ge Reserve für eine Krise im Norden gewesen wä-
re und die auf der anderen Seite für den wichtigen
Folgeauftrag – Versorgung Taloqan am 5. Sep-
tember – vorgesehen war. […] Es war […] davon
auszugehen, dass die eigenen Kräfte bei Verlassen
des Lagers aufgeklärt wurden. […] Was wir erlebt
hätten, wären Begegnungsgefechte bei Nacht ge-
wesen, militärisch gesagt: Orts- und Häuserkampf
bei Nacht mit einer erheblichen Gefährdung mei-
ner Soldaten und der Zivilbevölkerung. Ich bin si-
cher: Wenn ich das befohlen hätte, hätte es Tote
und Verwundete bei den Soldaten und auch bei der
Zivilbevölkerung gegeben. Und ich sage auch:
Wenn ich das befohlen hätte, würde ich wahr-
scheinlich auch vor diesem Ausschuss hier sit-
zen.“295
c) Einsatz von Drohnen
Der Einsatz eigener Drohnen zur weiteren Aufklärung des
Geschehens auf der Sandbank war für Oberst Klein nach
eigener Aussage keine Alternative:
„[...] die eigenen Drohnen […] [wären] nur mit ei-
nem sehr großen zeitlichen Vorlauf verfügbar ge-
wesen […] und ich [habe] deswegen auf die Flug-
zeuge zurückgegriffen […] Der zweite Grund war,
dass dieses Personal bis an die Grenzen gefordert
worden war und ich davon ausging, dass ich sie
dringend für den nächsten Tag brauche.“296
6. Abdrehen des B-1B und Anforderung
zweier F-15 Luftfahrzeuge
Gegen 0.30 Uhr meldete die Besatzung des B-1B, auf-
grund Treibstoffknappheit zum Stützpunkt zurückkehren
zu müssen.
297
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu aus-
geführt:
„Um 0.30 Uhr hat mich der JTAC informiert, dass
die B-1 zum Tanker abdrehen müssen. Kurz da-
nach erhielt ich die Meldung, dass die Luftfahr-
zeuge komplett abgezogen wurden. Ich lehnte auch
jetzt noch eindeutig eine Bekämpfung ab, da ich
mich keinesfalls unter Druck setzen lassen wollte,
und ich verwahre mich daher – und das möchte ich
hier deutlich sagen – ausdrücklich gegen die in ei-
nigen Medien erhobene Unterstellung, ich hätte tö-
ten wollen. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich
das mit den B-1-Bombern um 0.30 Uhr schon ma-
chen können, wenn ich der Empfehlung gefolgt
wäre. Nein, ich wollte das nicht; ich wollte ein La-
gebild haben.“298
Oberst Klein erteilte dem JTAC daraufhin den Auftrag,
beim ISAF-Flugkontrollzentrum (ASOC) nachzufragen,
295) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12.
296) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 67 f.
297) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13.
298) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13.
ob weitere Luftunterstützung möglich sei.
299
Gegen
0.48 Uhr kehrte der B-1B zu seinem Stützpunkt zurück.
300
a) Anforderung von Close Air Support
Der JTAC forderte für das PRT Kunduz beim ASOC in
Kabul erneut Luftnahunterstützung („close air support“)
an. Das ASOC lehnte dieses Ansinnen ab und teilte mit,
dass kurzfristige Luftnahunterstützung nur in dem Fall
gewährt werden könne, wenn aufgrund der unmittelbaren
Bedrohung („imminent threat“) erklärt werde, dass eigene
Truppen Feindberührung (troops in contact (TIC)) hätten.
Der JTAC gab diese Information an Oberst Klein wei-
ter.
301
b) Meldung von „Truppen mit Feindberüh-
rung“ durch das PRT Kunduz
Daraufhin befahl Oberst Klein dem JTAC, aufgrund einer
„unmittelbar bevorstehenden Gefahr“ („imminent threat“)
das Vorliegen einer TIC-Situation zu erklären. Der Zeuge
Hauptfeldwebel W. hat in seiner Vernehmung das Ge-
spräch geschildert:
„Irgendwann meldete der B-1B, dass er keinen
Sprit mehr hätte und auch kein Tanker in der Nähe
sei; er müsse gehen. Daraufhin erhielt ich von
Oberst Klein den Auftrag, zu prüfen, ob wir noch
weitere Luftfahrzeuge bekommen könnten. […]
Das ASOC sagte nein. Lediglich wenn eine TIC-
Situation bestünde, wäre hier eine Möglichkeit,
noch mal Luftfahrzeuge zu bekommen. Das mel-
dete ich so dem Oberst Klein weiter. Der Oberst
Klein überlegte eine Zeitlang und sagte dann ir-
gendwann, ich solle einen TIC ‚declaren„. Auf
meine Frage ‚Mit welcher Begründung?„ sagte der
Oberst Klein: Aufgrund von einer unmittelbar be-
stehenden Gefahr.“302
„Ein TIC ist ein aktueller Angriff oder ein bevors-
tehender Angriff. Ich schrieb in den JChat: Wir
haben eine unmittelbare Gefahr; und aufgrund die-
ser Tatsache ‚declare„ ich einen TIC, nach Auftra-
gerhalt von Oberst Klein.“303
Auf die Frage, ob er Oberst Klein hinsichtlich des Vorlie-
gens eines TIC beraten habe, hat der Zeuge geantwortet:
„Nein. […] Das obliegt der Einschätzung meines
Kommandeurs oder des so genannten On-scene-
Commanders.“304
299) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 5.
300) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 23.
301) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 16.
302) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 5.
303) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 10.
304) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 16.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61 – Drucksache 17/7400
aa) Begründung mit dem Vorliegen einer un-
mittelbaren Gefahr
Gegenüber dem JTAC begründete Oberst Klein an jenem
Abend, weshalb seiner Ansicht vom Vorliegen einer un-
mittelbaren Gefahr ausgegangen werden könne. Der Zeu-
ge Hauptfeldwebel W. hat dazu ausgesagt:
„Im ersten Moment sah ich keine Gefahr in der
Geschichte, weil wir das gefunden hatten. Ich
wusste aber nicht zu dem Zeitpunkt, inwiefern alle
eigenen Teile des PRT verteilt sind oder sonst was,
wie diese Situation einzuschätzen ist. Das erklärte
mir der Oberst im Laufe des Abends noch, oder
ich fragte nach, warum wir einen TIC ‚declaren„,
und er sagte: ‚Aufgrund einer unmittelbaren Ge-
fahr„, was ich dann auch verstand.
Auf meine Nachfragen hin, wieso, warum, wes-
halb er eine unmittelbare Gefahr darin sieht, klärte
er mich darüber auf, dass die meisten Teile der ei-
genen Truppen nicht da waren. Er klärte mich auch
darüber auf, dass wohl vier Wochen vorher ein
Anschlag mit zwei Tanklastzügen auf ein Lager in
Helmand stattfand und dass er deshalb jetzt diesen
TIC ‚declaren„ möchte.“305
In seiner Vernehmung hat sich der Zeuge Oberst i. G.
Klein zu seinen Beweggründen wie folgt geäußert:
„Die Begründung für ‚imminent threat„ war für
mich einleuchtend, da durch eine große Gruppe
Bewaffneter und Tankwagen nur wenige Kilome-
ter entfernt von dem Polizeikontrollposten und
dem PRT eine konkrete Bedrohungslage vorlag,
die sich bei erneuter Inmarschsetzung der Tank-
fahrzeuge oder der Aufständischen in kürzester
Zeit dramatisch verschärfen könnte.
306
[…] Dieser
Begriff ‚TIC„ ist eine Überschrift, ‚troops in con-
tact„, und für die Erklärung eines TIC gibt es mei-
nes Wissens vier verschiedene Möglichkeiten.
Zwei davon sind, entweder Truppe steht unmittel-
bar im Feuerkampf, oder es besteht eine unmittel-
bare Bedrohung. Und ich habe die unmittelbare
Bedrohung als ausreichend bewertet, um damit ei-
nen TIC zu erklären.“307
bb) Zur Frage der unmittelbaren Feindberüh-
rung
Oberst Klein war sich der Tatsache bewusst, dass sich
keine eigenen Truppen vor Ort auf der Sandbank befan-
den. Nach seiner Aussage ging er davon aus, dass sowohl
den Bediensteten beim ASOC als auch in der Folge den
Luftfahrzeugbesatzungen aufgrund der Art der Anforde-
rung klar war, dass keine unmittelbare Feindberührung im
Wortsinne vorlag, sondern eine konkrete Bedrohungslage,
305) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 19.
306) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.
307) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 25.
aufgrund derer ein TIC erklärt worden war.
308
Dazu hat er
in seiner Vernehmung geschildert:
„Ich habe den Befehl dazu gegeben. Ich habe diese
Entscheidung getroffen aufgrund meiner Erfah-
rung, die ich Ihnen geschildert habe, und nach Be-
ratung durch den JTAC. Alle Gespräche mit den
Piloten […] hat der JTAC geführt, nicht ich. Ich
habe niemals behauptet, dass eigene Truppen vor
Ort seien, geschweige denn, im Feuerkampf stün-
den. Ich habe auch nicht angewiesen, dies an die
Piloten weiterzugeben. Nach meinem Wissen ist
das auch nicht geschehen. Hätte ich die Anforde-
rung von Luftunterstützung in diesem Fall alleine
auf Feindberührung im Wortsinn beschränkt und
nicht auf die von der Regel abgedeckte Bedro-
hungslage, so hätte ich eine erhebliche Gefährdung
meiner Soldaten, der afghanischen Sicherheitskräf-
te und der Bevölkerung in Kauf genommen. Dem-
gegenüber habe ich diese Regel nach meiner Erin-
nerung mit Einverständnis mit dem ASOC und den
Piloten realistisch – andere würden vielleicht sa-
gen: weit – interpretiert, um damit schnell wieder
ein Lagebild über die Vorgänge auf der Sandbank
zu erhalten.“309
„Ich kann nur sagen, dass wir das Verfahren in
ähnlicher Form immer, wenn es zum Schutz unse-
rer Soldaten oder der afghanischen Sicherheits-
kräfte notwendig war, auch so angewendet haben,
und das ist eine Interpretationssache, inwieweit
man ‚imminent threat„ tatsächlich auslegt. […] Ich
sage, ich habe das angemessen ausgelegt.“310
Nach Einschätzung des Zeugen Hauptfeldwebel W. war
die Erklärung eines TIC aufgrund einer bestehenden un-
mittelbaren Bedrohung in jener Nacht nicht rechtswidrig:
„Zu diesem Zeitpunkt, in der Nacht vom 3. auf den
4., war das […] eine rechtmäßige Maßnahme, ei-
nen Flieger heranzuführen, weil ein TIC zu dem
damaligen Zeitpunkt nicht nur festgeschrieben
war, wenn ich mich richtig erinnere, wo es hieß, es
ist ein aktuelles Gefecht da, sondern auch eine
unmittelbare Bedrohung.“311
Um 1.04 Uhr erklärte der JTAC gegenüber dem ASOC
das Vorliegen eines TIC.
312
Der Zeuge General a. D. Ramms hat vor dem Untersu-
chungsausschuss erklärt:
„Der zweite Grund war der, dass ich dieses nicht
mehr als einen Imminent Threat gesehen habe. Das
heißt, nach meiner Auffassung war dort im Umfeld
dieser beiden Tankwagen und aufgrund der Tatsa-
che, dass die beiden Tankwagen festsaßen, über
308) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.
309) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.
310) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 26.
311) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 39.
312) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 23.
Drucksache 17/7400 – 62 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Stunden hinweg festsaßen, keine unmittelbare Be-
drohung für irgendeinen deutschen Soldaten oder
dergleichen mehr gegeben.“313
cc) Bestätigung des TIC durch den Air Liaison
Officer in Masar-i-Scharif
Nach Aussage des Zeugen Oberstleutnant G., der am 3./4.
September 2009 als Air Liaison Officer (ALO) im Regio-
nal Air Operation and Coordination Center (RAOCC) im
Regionalkommando Nord (RC North) in Masar-i-Scharif
eingesetzt war, sei er vom ASOC um Bestätigung gebeten
worden, dass im Raum Kunduz ein TIC vorlag. Wörtlich
hat er ausgesagt:
„In der entsprechenden Nacht wurde ich im Endef-
fekt von der Seite von Kabul, von den Gefechts-
ständen dort, angefragt, ob es einen entsprechen-
den TIC, also ein Gefecht mit Luftunterstützung
letztendlich, in Kunduz gab. Bis zu dem Zeitpunkt
wusste ich selber nichts davon. Ich habe dann letz-
tendlich dort erst mal angerufen, um überhaupt
rauszufinden, was denn dort läuft, weil ich selber
überhaupt keine Informationen hatte. Ich hatte das
Gleiche natürlich vorher erst mal bei dem Ge-
fechtsstand des RC North versucht, dort aber keine
Auskunft bekommen können – die wussten auch
noch nichts davon –, und habe dann eben den
Oberfeldwebel – damals – W. dran bekommen, um
dann eben von ihm bestätigt zu bekommen, dass
die entsprechende Luftunterstützung haben und
dass sie dort in entsprechenden Gefechten sind.
Das hatte ich dann weitergemeldet an das entspre-
chende Headquarter unten in Kabul.“314
„Zu dem Zeitpunkt, dem ersten, als mir der Ober-
feldwebel W. letztendlich bestätigt hat, dass sie ei-
nen TIC haben, habe ich das JOC informiert,
nachdem der Leiter RAOCC, auf den Sie sich be-
ziehen, nicht anwesend war. Ich hatte ihnen dann
eben diese Information weitergegeben an das JOC
und dann eben entsprechend runter an das Airspa-
ce-Management, nicht persönlich an den Leiter
RAOCC.“315
Weiter hat er ausgeführt:
„[D]iese Dinge [Einsatz der Luftfahrzeuge, Anm.]
sind vom Oberfeldwebel W. dann direkt mit den
entsprechenden Stellen in Kabul koordiniert wor-
den, soweit ich das gehört habe. Ich selber hatte
damit überhaupt nichts zu tun. Diese gesamte
Koordinierung des gesamten Zwischenfalls ist
vollkommen an mir vorbeigegangen. […] Das
[Bestätigung eines TIC, Anm.] war auch nur eine
Hilfeleistung für ihn. Das ist auch nicht meine ei-
gentliche Zuständigkeit. Nur, nachdem noch nie-
mand dort war im JOC, in dem Fall habe ich das
313) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 18.
314) G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 46.
315) G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 53.
für ihn übernommen, dass er da in Ruhe weiterar-
beiten kann.“316
„Das war mehr Zufall, dass ich eben noch erreich-
bar war, weil ich eben noch zu dieser späten Stun-
de zu arbeiten hatte im Gefechtsstand.“317
c) Erscheinen zweier F-15 Luftfahrzeuge im
Luftraum
Gegen 1.08 Uhr
318
erschienen zwei ISAF-Luftfahrzeuge
der US Air Force vom Typ F-15 im Luftraum über der
Sandbank und meldeten sich beim JTAC des PRT Kun-
duz an. Dieser wies die Luftfahrzeugbesatzungen in das
Geschehen ein und informierte sie darüber, dass sich auf
der Sandbank zwischen 50 und 70 Aufständische, aber
keine eigenen Truppen im Zielgebiet befänden.
319
Auf die
Frage der Besatzungen, ob die Fahrer der beiden Tanklas-
ter möglicherweise getötet worden seien, antwortete der
JTAC, dass derzeit keine Informationen über die Kraft-
fahrer vorlägen. Es lägen nachrichtendienstliche Informa-
tionen vor, dass alle Personen am Boden Aufständische
seien.
320
Ausweislich eines internen „vorläufigen Be-
richts“ der Gruppe 85 (siehe dazu unten: B.IV.2.c), S. 75)
beantragte der JTAC bei den F-15-Piloten „die aus seiner
Sicht notwendige Bewaffnung 6 X GBU 38 ‚airburst„„
und bat die Piloten, mit ihren Luftfahrzeugen „so hoch
wie möglich“ zu bleiben.321
Die Flugzeugbesatzungen haben nach Auswertung der
internen Kommunikation Bedenken gehabt, wo hier
Feindberührung sein solle, da keine befreundeten Kräfte
in der Nähe waren. Diese Bedenken wurden von Seiten
der Flugzeugbesatzung jedoch nicht weiter verfolgt,
nachdem der JTAC, Oberfeldwebel W., ihnen dargelegt
hatte, dass eine akute Bedrohungslage bestehe.
322
7. Der Luftschlag
a) Durchführung des Weaponeering und Tar-
geting
Im weiteren Gesprächsverlauf beriet der JTAC mit den
Luftfahrzeugbesatzungen im Rahmen des Weaponeering
und Targeting die Frage, welche Waffen für eine etwaige
Zielbekämpfung in Frage kämen. Nach den Feststellun-
gen des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof
schlugen die Besatzungen zunächst den Abwurf von
2 000-Pfund-Bomben vor. Dies lehnte Oberst Klein vor
dem Hintergrund zu befürchtender Kollateralschäden
ab.
323
Er stellte gegenüber dem JTAC klar, dass ein Waf-
316) G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 51.
317) G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 48.
318) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 44.
319) Redigiertes Transkript der Cockpit-Tapes der F-15E Kampfflug-
zeuge (Dokument 60).
320) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 5.
321) Vorläufiger Bericht für AG 85 (Dokument 61).
322) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319).
323) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 22.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 63 – Drucksache 17/7400
feneinsatz nur gegen die beiden Tanklastwagen in Be-
tracht käme.
324
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu vor
dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:
„Mir war jedoch auch klar, sollte ich den Waffen-
einsatz freigeben, dass die Wirkung auf den ge-
ringstmöglichen Bereich, also unmittelbar auf die
Sandbank, begrenzt werden müsste. Ich habe daher
dem JTAC den Auftrag erteilt, mit den Piloten die
Möglichkeiten eines Waffeneinsatzes zu bespre-
chen. Fachliche Details zur Funktionsweise, Wir-
kung und Zielpunkten habe ich dem JTAC über-
lassen. Als verantwortlicher Kommandeur habe
ich jedoch deutlich gemacht: Ziel des Angriffes
waren nur die Tanklastzüge und damit nur die sie
unmittelbar umgebenden Aufständischen. Der
Waffeneinsatz sollte auf die kleinstmögliche Wir-
kung begrenzt werden, […] nur auf die Sandbank,
nur auf die Tanklastzüge und nur auf die Personen,
die sich unmittelbar an den Tanklastzügen befan-
den.“325
Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat diese Aussage bestä-
tigt:
„Irgendwann im Laufe des Abends sagte der
Oberst, dass, wenn überhaupt, das Ziel nur noch
die beiden Tanklaster wären, der Waffeneinsatz so
klein als möglich zu wählen ist und auch die Pilo-
ten keine Freigabe bekämen, auf die beiden Ufer-
ränder zu wirken oder auf fliehendes Personal; da
die Piloten – da erinnere ich mich auch noch so-
weit dran – mehrfach gefragt hatten, ob sie denn
auch auf das Personal oder die Personen, die am
Boden links und rechts des Flusses waren – ob sie
dort auch angreifen dürfen.“326
„Die Piloten wollten wissen, ob wir einschätzen,
dass diese Tanker dort vor Ort eine Gefahr für uns
darstellen. Ich fragte den Oberst, ob er das so sieht.
Er sagte Ja. Also entgegnete ich den Piloten das.
Ich teilte den Piloten auch mit, dass der Komman-
deur mit vor Ort ist.“327
b) Entschlussfassung zur Durchführung ei-
nes Luftschlages
aa) Lagebild zu diesem Zeitpunkt in der Opera-
tionszentrale
Das Lagebild, das sich ihm in der Operationszentrale zum
Zeitpunkt der Entscheidung bot, hat der Zeuge Oberst
i. G. Klein in seiner Vernehmung beschrieben:
„Ich möchte Ihnen noch einmal das Lagebild dar-
stellen, welches sich bei mir zwischen dem Ein-
treffen der F-15 und der Entscheidung zum Waf-
324) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
325) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
326) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 5.
327) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 17.
feneinsatz aufbaute. Durch die Luftfahrzeuge wur-
den beiderseits des Flusses mehrere Pick-ups auf-
geklärt. Das war stimmig zum Gesamtlagebild, da
diese ebenso wie Motorräder das bevorzugte
Transportmittel der Aufständischen sind. Nach
meiner Einschätzung wurde mit diesen Fahrzeugen
ein Sicherungsring um die Sandbank gezogen, um
Angriffe oder Zugriffe der afghanischen Sicher-
heitskräfte oder ISAF abzuwehren. Die beobachte-
ten Bewegungen zwischen den Tankfahrzeugen
und den Pick-ups führten zu dem Schluss, dass ge-
zielt Treibstoff für Zwecke der Aufständischen ab-
transportiert wurde. Damit wurden jedoch ebenso
stetig auch die Tanklastzüge immer leichter, so-
dass jederzeit damit zu rechnen war, dass sie wie-
der freikamen, und die Gesamtabsicht der Beweg-
lichmachung bestand nach meiner Bewertung un-
verändert fort, da es sonst keinen Sinn gemacht
hätte, die beiden Schleppfahrzeuge vor Ort zu las-
sen. Also, sie tanken weiter ab, die Schleppfahr-
zeuge waren da, und es war jeden Moment mög-
lich – vielleicht in einer Minute, vielleicht in fünf
Minuten –, dass die Fahrzeuge wieder losrollen.
Durch den J2X wurde mir auf meine Nachfrage
und Rückversicherung über die Quelle mehrfach
versichert, dass sich nur Aufständische und keine
Zivilisten vor Ort befinden. Ich unterstreiche, dass
aufgrund der Präsenz einer starken, bewaffneten
Aufständischengruppe mit vier namentlich be-
kannten Kommandeuren als Führer vor Ort, der
Tatsache, dass es sich um zwei nachweislich durch
diese Aufständischen gestohlene Tankfahrzeuge
handelte, der wiederholten Bestätigung durch eine
zuverlässige Quelle vor Ort, aufgrund der geogra-
fischen Lage – eine Sandbank im Flussbett – au-
ßerhalb einer Ortschaft, an einem bekannten An-
näherungsweg der Aufständischen […], aufgrund
der Tatsache, dass in diesem Raum nachts regel-
mäßig nur Aufständische und deren Unterstützer
unterwegs waren, aufgrund der Uhrzeit und der
Tatsache, dass wir uns mitten im Ramadan befan-
den, wo die Menschen ihre Häuser nachts erfah-
rungsgemäß nicht verlassen, ich es in meiner in
fünf Monaten erwachsenen Gesamtbewertung der
Lage im Großraum Kunduz für ausgeschlossen
hielt, dass unbeteiligte Zivilisten vor Ort sein
könnten. […] Aufgrund der Erfahrungen der ver-
gangenen Tage, bestätigt durch die nachfolgenden
Meldungen, war davon auszugehen, dass durch
vorbereitete Hinterhalte an den Hauptstraßen und
an der einzigen Straße durch die Ortschaft Haji
Saki Dedby sowie den erkannten unmittelbaren Si-
cherungsring ein Eingreifen von ISAF verhindert
werden sollte. […] Aufgrund meiner Erfahrung
hielt ich es für ausgeschlossen, dass Frauen vor Ort
sein könnten. Dies wäre mit der afghanischen Kul-
tur, vor allem mit dem Kodex der Paschtunen, un-
vereinbar gewesen.“328
328) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15 f.
Drucksache 17/7400 – 64 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Mehrfaches Nachfragen beim Informanten
hinsichtlich der Anwesenheit etwaiger Zivi-
listen auf der Sandbank
Vor seiner Entschlussfassung ließ Oberst Klein mehrmals
über den Informanten bestätigen, dass sich keine Zivilper-
sonen auf der Sandbank befanden. Vor dem Untersu-
chungsausschuss hat er dazu ausgesagt:
„Aus der Schilderung der Quelle ging ich davon
aus, dass alle Personen, die sich dort unten befin-
den, zu den Aufständischen gehören. Ob die in
dem Moment ihre Waffe in der Hand halten oder
abgelegt haben, kann ich nicht sagen. An dieser
Darstellung hatte ich keinen Zweifel. Ich habe die-
se Darstellung auch siebenmal hinterfragt, und sie
ist mir entsprechend oft bestätigt worden.“329
Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat diese Darstellung be-
stätigt:
„Irgendwann […], bevor es zu dem Waffeneinsatz
kam, habe ich mich – das weiß ich – über den
Verbleib der Kraftfahrer, also beider, informiert.
Ich kann Ihnen aber nicht mehr sagen, zu welchem
Zeitpunkt das war. […] Es wurde gesagt: ‚Es gibt
keine Information„, wenn ich mich richtig erinne-
re. Es kann aber genauso gesagt worden sein: ‚Die
sind nicht mehr dabei„ – wobei auch vom Oberst
her sehr lange nachgefragt wurde, ob überhaupt
allgemein unbeteiligte Personen vor Ort sind. Das
wurde jedes Mal verneint. Wenn es, wenn ich nach
den Kraftfahrern frage, heißt: ‚Ich habe keine In-
formation darüber„, und mir jedes Mal bestätigt
wird, dass keine Unbeteiligten vor Ort sind – unter
die ich natürlich auch die Kraftfahrer zähle –, dann
muss ich von dieser Information erst mal ausge-
hen.“330
cc) Entschlussfassung
Nach der vorangegangenen Beratung der Möglichkeiten
eines Waffeneinsatzes zwischen dem JTAC und den Luft-
fahrzeugbesatzungen
331
sowie der Bestätigung des Infor-
manten, dass keine Zivilpersonen vor Ort waren, setzte
nach Darstellung des Zeugen Hauptfeldwebel W. bei
Oberst Klein eine längere Überlegungsphase ein:
„Herr Oberst Klein war sehr in sich gekehrt und
überlegte lange darauf herum. Er sagte auch ir-
gendwann, er braucht mehr Zeit. Ich gab das auch
so an die Maschinen weiter, wenn ich mich richtig
erinnere, dass es noch ein bisschen dauert, was die
Entscheidungsfindung angeht. Meiner Meinung
nach, ja, um Gottes willen, war er auch kein
Mensch oder ist er kein Mensch, der irgendwas
überstürzt tut oder nur aus dem Bauch raus ent-
scheidet. Ich glaube, er hat da sehr lange für sich
abgewogen und für sich wirklich einen harten
329) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56.
330) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 48.
331) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
Kampf geführt, ob er diese Entscheidung treffen
soll oder in welcher Weise er diese Entscheidung
treffen soll.“332
aaa) Wahl des Wirkmittels
Schließlich fasste Oberst Klein den Entschluss, zwei 500-
Pfund-Bomben einzusetzen. Der Zeuge Hauptfeldwebel
W. hat dazu in seiner Vernehmung erklärt:
„Das Abschließende, was die Piloten machen soll-
ten, war, zwei 500-Pfund-Bomben einzusetzen, so,
wie der Oberst es befohlen hatte, die kleinstmögli-
che Waffe, mit einer Zünderverzögerungsstellung,
dass die Waffe so wenig wie möglich Umgebungs-
schaden bringt, und dann auch tatsächlich nur auf
die Tanklaster, keine Personen, die sich irgendwie
danach davon entfernen, und auch auf keinen Fall
auf die beiden Uferränder zu wirken. Das war das
Letztendliche.“333
bbb) Ziel des Luftschlages
Den Piloten war zwischendurch unklar, was denn das
genaue Ziel sein solle. Sie wiesen den JTAC darauf hin,
dass sich weitere möglicherweise feindliche Ziele der
Sandbank näherten und andere wegliefen.
334
Ausweislich der Abschrift des Funkverkehrs zwischen
dem JTAC und den Besatzungen der beiden F-15-
Luftfahrzeuge antwortete Oberfeldwebel W. auf die aus-
drückliche Frage der F-15-Piloten, ob die Fahrzeuge oder
die Personen ausgeschaltet werden sollten:
„F15: „[…] are you trying to take out the vehicles
or are you trying to take out the pax?
JTAC: we‟re trying to take out the pax‟”335
Der JTAC stellte gegenüber den Luftfahrzeugbesatzungen
aber im weiteren Verlauf klar, dass nur die Sandbank
getroffen werden solle.
336
In seiner Vernehmung hat der Zeuge W. hingegen ausge-
führt, Ziel des Luftschlages seien die beiden Tanklastzü-
ge, nicht aber die Personen auf der Sandbank gewesen:
„Als klar wurde, worum es jetzt geht: dass er einen
Waffeneinsatz befiehlt, stand nie zur Debatte, be-
wusst Personen zu treffen, sondern ganz klar nur
die Tanklastzüge.“337
Oberst Klein hat sowohl gegenüber dem Untersuchungs-
ausschuss als auch gegenüber der Bundesanwaltschaft
klargestellt, sein Ziel sei es auch gewesen, die Aufständi-
schen zu treffen und deren Anführer zu töten, wodurch
332) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 35.
333) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 24.
334) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 6.
335) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 7.
336) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 7.
337) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 46.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65 – Drucksache 17/7400
den Aufständischen ein schwerer Schlag versetzt wür-
de.
338
ccc) Interne Bedenken der Luftfahrzeugbesat-
zungen
Ausweislich des Transkriptes über den bordinternen
Funkverkehr der beiden F-15-Luftfahrzeuge bestanden
bei den Luftfahrzeugbesatzungen Bedenken gegen einen
Luftschlag. Zum Teil wurden intern Zweifel geäußert, ob
die Regeln zur Anwendung militärischer Gewalt (ROE) in
der vorliegenden Situation eine solche Aktion gestatten
(„I don‟t know how we‟d be able to drop anything on that
as far as current ROE and stuff like that“)339 oder dass
eine unmittelbar bevorstehende Bedrohung (imminent
threat) vorliege („it‟s not an imminent threat“340). Diese
Bedenken wurden aber nicht gegenüber dem JTAC geäu-
ßert. Allerdings fragte die Besatzung mehrfach beim
Fliegerleitoffizier nach, ob es sich bei den Personen auf
der Sandbank um feindliche Kräfte handele und ob sich
eigene Kräfte in der Nähe aufhielten.
341
dd) Begründung des Entschlusses
Seinen Entschluss, einen Luftschlag gegen die beiden
Tanklaster durchzuführen, hat Oberst Klein an verschie-
denen Stellen wie folgt erläutert:
„Für mich wurde die Bedrohung durch die Tank-
laster durch die Entladung immer größer, weil sie
beweglicher wurden und die Gefahr, dass sie sich
wieder in Bewegung setzen, jede Minute größer
wurde.“342
„Hätte ich es für möglich gehalten, dass Kinder
vor Ort wären, hätte ich den Angriff nicht befoh-
len. Ich war daher der Überzeugung, dass es sich
hier um ein legitimes militärisches Ziel handelte.
Unverändert standen mir zu diesem Zeitpunkt nur
zwei Handlungsmöglichkeiten offen: entweder
Bekämpfung des Ziels und Ausschaltung des
konkreten Bedrohungspotenzials oder weitere Be-
obachtung aus der Luft und damit Hinnahme des
Risikos, dass die Luftfahrzeuge abgezogen wer-
den, ich mein Lagebild verliere und damit ein ho-
hes Risiko für meine Soldaten, die afghanischen
Sicherheitskräfte und die Bevölkerung eingehe.
Und der Schutz meiner Soldaten […] ist mir ein
besonderes Anliegen, ist aber auch Teil meiner Be-
fehlslage gewesen. […] Zudem war mir klar, dass
die gezielte Bekämpfung der Tanklastzüge an
praktisch jedem anderen Ort mit größeren Kollate-
ralschäden einhergehen musste. Hier waren sie auf
einer Sandbank mitten im Fluss, derzeit noch un-
338) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17 f: Vernehmung Klein durch
GBA, Mat. 17-66, Bl. 15 f., Tgb.-Nr. 80/10 – GEHEIM.
339) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 4.
340) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 5.
341) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 6 f.
342) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 67.
beweglich, weit weg von jeder Siedlung. Bei einer
Bewegung sowohl nach Westen als auch zurück
nach Osten wären sie in ein unübersichtliches,
dicht bebautes Gebiet gekommen, was einen Waf-
feneinsatz und damit die Ausschaltung der von den
Tanklastzügen ausgehenden Gefahr unmöglich
gemacht hätte. Ein weiteres Zuwarten war daher
für mich keine Alternative; es musste eine Ent-
scheidung fallen.“343
„[…] Mir war selbstverständlich bewusst, dass der
selbst durch mich allein freigegebene, gezielte
Waffeneinsatz gegen die Tankfahrzeuge bei den
diese unmittelbar umgebenden Aufständischen ei-
ne Anzahl von vermutlich getöteten Opfern zur
Konsequenz haben würde. Ich kann Ihnen versi-
chern, dass ich diese Entscheidung erst nach lan-
ger, fast anderthalbstündiger Prüfung getroffen ha-
be. Andere hatten einen früheren Einsatz empfoh-
len. Ich habe diesen erst freigegeben, nachdem ich
ein für mich schlüssiges Lagebild gewonnen hatte.
Als Christ und als verantwortungsbewusster Offi-
zier bin ich mir über die Tragweite meines Ent-
schlusses im Klaren gewesen. Ich habe diesen
schweren Herzens getroffen, war aber der festen
Überzeugung, damit Schaden von den mir anvert-
rauten Soldaten, den afghanischen Sicherheitskräf-
ten und der Zivilbevölkerung abzuwenden.
Durch die Zerstörung der Tanklastzüge und die
Tötung feindlicher Kämpfer, dabei vermutlich
Führer und die in der Vergangenheit als besonders
gefährlich erkannten ausländischen Kämpfer, wür-
de den Aufständischen ein schwerer Schlag ver-
setzt. Nach meiner damaligen Bewertung war der
Waffeneinsatz auftragsgemäß, rechtmäßig, erfor-
derlich und verhältnismäßig.“344
„Ich habe Ihnen dargestellt, dass eine Bekämpfung
dieser Fahrzeuge an praktisch jedem anderen Ort
ein wesentlich höheres Risiko für die Zivilbevöl-
kerung bedeutet hätte und dass ich auch davon
ausgehen musste, dass, wenn ich sie nicht bekämp-
fe, sie entweder sehr schnell gegen uns selbst ein-
gesetzt werden können – gegen das Lager, wenn
sie nach Osten fahren -oder gegen die afghani-
schen Sicherheitskräfte oder unserer Aufklärung
entzogen werden, wenn sie nämlich über den Fluss
weiter nach Westen fahren, in den Raum des
Zweistromlandes, wo wir mehrfach auch einfach
die Fühlung mit solchen Fahrzeugen verloren hat-
ten.“345
Als Oberst Klein später berichtet wurde, dass der Luft-
schlag möglicherweise auch zivile Opfer zur Folge hatte,
war dieser nach Aussage des damaligen Leiters des Tacti-
343) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16 f.
344) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 17.
345) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 25.
Drucksache 17/7400 – 66 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
cal PsyOps Teams, Stabsfeldwebel B., darüber sehr be-
stürzt.
346
Den Entschluss zum Angriff traf Oberst Klein alleine:
„Ich habe dies weder mit Brigadegeneral Vollmer,
einer weiteren Stelle in Deutschland noch mit ir-
gendeiner anderen Instanz abgestimmt oder besp-
rochen. Ich war der taktische Führer vor Ort. Nie-
mand konnte ein besseres oder vollständigeres La-
gebild als ich haben. Es war daher aus meiner
Sicht keinerlei Veranlassung, bei einer taktischen
Entscheidung in meinem alleinigen Verantwor-
tungsbereich die Zustimmung einer vorgesetzten
Dienststelle einzuholen.“347
Der Zeuge Vollmer hat in seiner Vernehmung Verständnis
für die Entscheidung geäußert, dass sich Oberst Klein
nicht zuvor mit ihm abstimmte. Gemäß seiner Aussage
hätte er aber eine Unterrichtung nach dem Luftschlag
erwartet:
„Ich […] kann […] aus mehrfachen vergleichba-
ren, wenn auch nicht in dieser Dimension, Situa-
tionen, die ich nun ja selber all die Monate erlebt
habe, gut nachvollziehen, wie ihm wirklich die
Zeit da zwischen den Fingern zerronnen ist. Ich
kann mich gut an eine eigene Nacht erinnern in
unserer eigenen JOC, […] Dann rinnt Ihnen die
Zeit weg, und Sie sind am Koordinieren, Machen,
Tun, Sie sammeln Informationen. […] Wie einem
Zeit wegfließt, diese zwei Stunden insgesamt, über
die wir da immer reden, wo der dann entsprechend
geholt wird, das kann ich alles nachvollziehen. Al-
so, bis dahin kann ich nachvollziehen, dass er […]
den Entschluss nachher fasst […]. Ich hätte erwar-
tet, dass er danach anruft.“348
Bezüglich der rechtlichen Grundlage, auf der seine Ent-
scheidung basierte, hat Oberst Klein erklärt:
„Ich hatte ja dargestellt, dass wir zunächst die
Luftfahrzeuge angefordert hatten unter den Maß-
gaben der RoE 421, ‚imminent threat„. Als sich die
Lage weiterentwickelte und wir auch das Lagege-
schehen beobachtet hatten, kamen wir zu dem
Schluss, dass 421 nicht mehr passt. […] Nach
meinem Kenntnisstand haben wir das auch so ge-
meldet, dass die Bekämpfung nach 429 durchge-
führt wurde.“349
Der Zeuge W. hat erklärt, es habe seiner Ansicht nach im
Laufe des Abends keinen Wechsel der ROE gegeben. Er
habe den Oberst auch nicht hinsichtlich der ROE bera-
ten.
350
In seiner Vernehmung hat der Zeuge Klein die Besonder-
heiten eines militärischen Entscheidungsprozesses darges-
tellt:
346) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.
347) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.
348) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 19.
349) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.
350) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 30.
„Ich möchte noch mal auf die Besonderheiten der
militärischen Führung in so einer komplexen Ein-
satzsituation eingehen. Taktische Führung ist keine
exakte Wissenschaft. Die Hoffnung auf ein komp-
lettes Lagebild in allen Facetten ist eine Illusion,
die mit der Realität leider nichts zu tun hat. Das
Lagebild im Kopf des Führers baut sich nicht nur
aufgrund von Einzelmeldungen auf, vor allem
nicht aufgrund aktueller Meldungen, sondern we-
sentlich auf der Basis seiner Erfahrungen, in mei-
nem Fall: mehrmonatige Vorbereitung in Deutsch-
land, fünfmonatige Erfahrung als Kommandeur in
Kunduz. Das ist der große Unterschied zwischen
militärischer Führung zu fast allen Berufsgruppen.
Militärische Führer müssen ins Ungewisse mit
Konsequenzen für Leben und Tod entscheiden und
gehen dabei immer das Risiko ein, dass sie Fehl-
entscheidungen treffen. Zu dieser Verantwortung
stehe ich uneingeschränkt.“351
c) Ablehnung eines Überfluges im Rahmen
der „show of force“
aa) Mehrfaches Nachfragen durch die Luft-
fahrzeugbesatzungen
Nachdem der JTAC die Luftfahrzeugbesatzungen über die
Absicht des Kommandeurs des PRT Kunduz, die beiden
Tanklastwagen zu vernichten, unterrichtete, fragten diese
mehrmals nach, ob sie zuvor einen so genannten „show of
force“ durchführen sollen, einen tiefen Überflug über die
Sandbank, mit dem Ziel, die dort befindlichen Menschen
auseinanderzutreiben.
352
Oberst Klein lehnte dies nach
Aussage des Zeugen Hauptfeldwebel W. ab:
„Wie oft die Piloten das angeboten haben, kann ich
Ihnen nicht sagen. Ich weiß, es war mehr als ein-
mal. Ich habe das auch dem Oberst Klein genauso
vorgetragen. Der Oberst dachte kurz darüber nach,
wollte wissen, welche Folgen es haben kann, wenn
ein ‚show of force„ geflogen wird. Ich erklärte
ihm, wie ich mir die Situation vorstellen konnte,
dass entweder gar nichts passiert – alle bleiben so
da stehen, wie sie stehen –, oder Teile weichen
aus, oder alle weichen aus. Das war das, was man
eigentlich mit einem ‚show of force„ erreichen
möchte. Der Oberst dachte, wie gesagt, auf dieser
Option herum und entgegnete mir irgendwann,
dass die Flieger mittlerweile schon sehr lange über
diesem Gebiet kreisen und er einen ‚show of force„
ablehne. Genau so habe ich das an die Piloten wei-
tergegeben: dass es ein Negativ ist, kein ‚show of
force„.“353
Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat betont, dass er alle
Informationen, die er von den Piloten erhielt, an Oberst
Klein weitergegeben habe. Dieser habe lediglich einmalig
351) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.
352) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 9.
353) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 67 – Drucksache 17/7400
auf die Anfrage reagiert und begründet, warum er den
„show of force“ ablehne.354
bb) Begründung der Ablehnung eines „show
of force“
Die Ablehnung eines Überfluges im Rahmen einer „show
of force“ begründete Oberst Klein damit, dass die über der
Sandbank kreisenden Flugzeuge dort deutlich hörbar
gewesen und die Aufständischen sich der Bedrohung aus
der Luft bewusst gewesen seien. Vor dem Untersu-
chungsausschuss hat Oberst Klein seine Ablehnung erläu-
tert:
„Ich möchte nun auf den Aspekt ‚show of presen-
ce„ und ‚show of force„ eingehen: In der Nacht
vom 4. September ging ich fest davon aus, dass die
Aufständischen sich der Bedrohung durch die
Luftfahrzeuge bewusst waren. Diese Flugzeuge
waren zu diesem Zeitpunkt zwei Stunden in der
Luft. Ich habe sie aus 6 Kilometer Entfernung im
PRT deutlich gehört, wie meine anderen Soldaten
auch, und auch die Bevölkerung in Kunduz hat das
gehört. Also müssen diese vor Ort am Fluss deut-
lich lauter wahrnehmbar gewesen sein, vor allem
die B-1, die sehr, sehr laut ist. Alle nachfolgenden
Zeugenaussagen haben dies bestätigt: Man wusste,
dass Flugzeuge in der Luft waren. Ich habe mit
dem JTAC einen Fall beobachtet, wie Personen
von der Sandbank weggingen, auswichen und wie-
der zurückkamen. Wir haben das gemeinsam so
gewertet, dass die Aufständischen die Flugzeuge
deutlich als Bedrohung erkannt hatten und den-
noch nicht ernst nahmen. Dies entsprach unserer
bisherigen Erfahrung. […] Die Notwendigkeit ei-
ner zusätzlichen ‚show of force„ bestand daher
nicht. […] Nach meiner Erinnerung ist die Frage
nur einmal, unmittelbar vor dem Abwurf gegen
1.40 Uhr, durch den JTAC an mich herangetragen
worden. Ich habe einen zusätzlichen tiefen Über-
flug nach zweistündigem Kreisen der Flugzeuge
über dem legitimen militärischen Ziel aufgrund der
zuvor dargestellten Überlegungen abgelehnt.“355
Der seinerzeit vor Ort anwesende Zeuge A. M. hat bestä-
tigt, dass die Luftfahrzeuge auf der Sandbank zumindest
zeitweise zu hören gewesen seien, aber er habe nicht
geahnt, dass diese Flugzeuge dann an dieser Stelle bom-
bardieren.
356
Auch der Zeuge M. M. hat ausgesagt, dass die Geräusche
der Flugzeuge sowohl im Feldlager Kunduz, als auch
nach Mitteilung der HUMINT-Kontaktperson auf der
Sandbank zu hören gewesen seien.
357
354) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 40.
355) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
356) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 7.
357) M. M, Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 23.
Der HUMINT-Informant wurde nach übereinstimmenden
Aussagen der Zeugen F. und S. nicht vor dem bevorste-
henden Bombenabwurf gewarnt.
358
d) Der Luftschlag
Um 1.49 Uhr
359
warfen die beiden F-15-Kampfflugzeuge
auf Anforderung von Oberst Klein zwei 500-Pfund-
Bomben ab, die jeweils in der Nähe der beiden Tanklast-
wagen einschlugen.
360
Die Wirkung der Bombeneinschläge hat der Zeuge A. M.
in seiner Vernehmung beschrieben:
„Zum ersten Blick habe ich einen sehr starken
Knall gehört, dann habe ich einen riesigen Feuer-
ball gesehen. Dann war die Luft voll von Rauch
und Splitterstücken von Metallen von Lastwagen,
sodass sie in der Luft schwebten, und konnten wir
nicht unterscheiden, sind sie Metallteile von Last-
wagen oder sind sie auch Gewehrsalven, die in der
Luft bzw. in der Umgebung noch schwebten. […]
Ein bis zwei Personen, Verletzte, habe ich gese-
hen. Die zwei Taliban, die uns bewachten, haben
dann diese zwei Verletzten mitgenommen. Sie
waren völlig verbrannt, sodass ich ihre Gesichter
nicht sehen konnte. Also, ich habe nur diese zwei
schwerverletzten Taliban gesehen, die mit-
geschleppt wurden. Mehr habe ich nicht ge-
sehen.“361
Nach den Erkenntnissen des Generalbundesanwaltes beim
Bundesgerichtshof wurden durch den Bombenangriff die
beiden Tanklaster und die beiden unmittelbar neben ihnen
stehenden Schleppfahrzeuge zerstört.
362
e) Durchführung einer Wirkungsanalyse
Unmittelbar nach dem Luftangriff führten der JTAC und
die Besatzungen der Luftfahrzeuge eine Wirkungsanalyse
durch. Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu ausgesagt:
„[…] Ein Einsatz von Drohnen unterlag ebenfalls
den zuvor geschilderten Einschränkungen. Sie hät-
te auch keine anderen Ergebnisse als die Wir-
kungsanalyse der Jets gebracht. Also habe ich auch
diese Möglichkeit verworfen. Aus den Erfahrun-
gen der vergangenen Monate habe ich erwartet,
dass die Aufständischen sehr schnell alle Opfer
bergen und diese gemäß ihren religiösen Vor-
schriften beisetzen würden. […] Die Aufständi-
schen ließen in keinem Fall Beweise ihrer Verluste
zurück. Warum dann jetzt? Der JTAC hat nun die
geforderte Meldung entworfen, […] nach Ab-
stimmung mit den Piloten hat er die Zahl der Opfer
mit 56 angegeben. Dies ergibt sich aus der Bewer-
358) F., Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 6.
359) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 11.
360) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 61.
361) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 14 f.
362) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 27.
Drucksache 17/7400 – 68 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tung: 70 Personen vor Ort, aus der Abschätzung
der Waffenwirkung etwa 80 Prozent Ausfälle,
deswegen 70 Personen, 56 getötet. Das ist eben ei-
ne mathematische Ausrechnung aus der Zahl der
Personen, die wir vor Ort annahmen. 14 Personen
wurden gemeldet, als vom Ort des Waffeneinsat-
zes geflohen.“363
Bezüglich der Angabe einer Anzahl von Getöteten in der
Meldung hat der Zeuge W. erklärt:
„Ich habe dem Oberst vorgetragen und den Vor-
schlag gemacht, das Ganze [Zahl der Getöteten,
Anm.] unter ‚vermutet„ – weil ja keiner vor Ort
war und nichts war – mit dieser Zahl 70 insgesamt
zu arbeiten […] Irgendwann fiel das Ding, dass es
hieß, 20 Prozent wären ungefähr ausgewichen – so
irgendwie; ich kriege es nicht mehr genau zusam-
men. Das habe ich dann in das vorgefertigte For-
mat eingefügt und an die OpZ geschickt.“364
8. Prüfung einer Beteiligung der TF 47
Da der Luftschlag aus der Operationszentrale der Task
Force 47 vorbereitet und durchgeführt wurde, hat sich der
Untersuchungsausschuss mit der Frage befasst, ob es sich
um eine Operation der Task Force 47 gehandelt habe.
a) Die Task Force 47 und ihr Verhältnis zum
PRT Kunduz
Die Task Force 47 hat den Auftrag, Informationen über
die Aktivitäten von Aufständischen zu sammeln und für
Anschläge verantwortliche Anführer zu identifizieren. Sie
gewinnt Informationen und Erkenntnisse für die eigene
Operationsführung mit Mitteln und Methoden der offenen
Nachrichtengewinnung, insbesondere auch durch ziel-
orientierte Gesprächsführung mit der afghanischen Be-
völkerung. Ihr gehören etwa 120 Bundeswehrsoldaten an.
Unterstützt wird die Task Force 47 durch Mitarbeiter des
Bundesnachrichtendienstes (BND).
365
Truppendienstlich wird die Task Force 47 vom Komman-
do Führung Operationen von Spezialkräften (FOSK) in
Schwielowsee bei Potsdam geführt. Ein Unterstellungs-
verhältnis gegenüber dem PRT Kunduz besteht nicht.
b) Operation des PRT Kunduz
Die vom Untersuchungsausschuss vernommenen Zeugen
haben übereinstimmend ausgesagt, dass es sich bei dem
Luftschlag nicht um eine Operation der Task Force 47,
sondern des PRT Kunduz gehandelt habe.
366
363) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.
364) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 43.
365) Antwort der Bundesregierung vom 8. September 2010, Drs.
17/2884, zu Frage 12 (Dokument 62).
366) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 1, Vollmer, Protokoll-
Nr. 12, Teil II, S. 20; G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 50 ff; N.,
Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 3 f.
Auch die NATO hat sich im COM ISAF-Bericht mit der
Frage beschäftigt, in welchem Grade die Mitwirkung von
Angehörigen der TF 47 die Entscheidung für den Luft-
schlag beeinflusst hat.
367
aa) Gründe für die Nutzung der OPZ der TF 47
Die Operationszentrale der Task Force 47 sei in dieser
Nacht aus technischen Gründen genutzt worden. Der
Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu ausgesagt:
„Der [JTAC, Anm.] war im Gefechtsstand der
Task Force 47, weil er dort ein wesentlich besseres
System hat, mit dem er arbeiten kann. Wer das mal
gesehen hat: Das ist ein großer Bildschirm, wo das
an die Wand projiziert wird. Das ist eine Alternati-
ve zu einem Bildschirm, der so groß ist wie diese
Kladde hier. Er kann dann auf einen Bildschirm
schauen, der etwa 1,5 mal 2 Meter groß ist. Au-
ßerdem ist das technische Gerät dort drüben we-
sentlich besser. Das ist der Grund, warum W. an
diesem Abend dort drüben war, um ein Flugzeug
im Auftrag des PRTs zu führen. Und das Rover-
System – das ist das technische System, was da-
hintersteht – war auch wesentlich besser, was dort
bei der Task Force zur Verfügung stand.“368
Hauptfeldwebel W. hat dies bestätigt.
369
Auch der Zeuge
Oberst i. G. G. B., zum untersuchungsgegenständlichen
Zeitpunkt Kommandeur des Kommandos Führung Opera-
tionen von Spezialkräften (FOSK) hat die gute Ausstat-
tung der Operationszentrale der Task Force 47 bestä-
tigt.
370
bb) Kein Unterstellungsverhältnis zwischen
der Task Force 47 und dem Kommandeur
des PRT Kunduz
Der Zeuge Klein hat betont, ihm sei die Task Force 47
nicht unterstellt gewesen, er habe den Angehörigen dieser
Einheit keine Befehle erteilen können, sondern sich von
diesen beraten und unterstützen lassen.
371
Auf die Rolle des J2X der Task Force 47, Hauptmann N.,
an jenem Abend angesprochen, hat der Zeuge Oberstleut-
nant N., am 3./4. September 2009 Offizier im militäri-
schen Nachrichtenwesen der Task Force 47, bestätigt,
dass Angehörige der Task Force 47 an jenem Abend le-
diglich Unterstützungsleistungen für das PRT Kunduz
erbracht hätten.
372
Diese Unterstützungsleistungen seien allerdings nicht mit
ihm als G 2 besprochen worden.
373
367) Beobachtungen zur Zielspezifischen Waffenauswahl,
COM ISAF-Bericht, Mat. 17-10a, Faxkennung 10:18, S. 4-6, Ziff.
5, Tgb.-Nr. 08/10 – GEHEIM.
368) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.
369) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 8.
370) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 54.
371) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 32 f.
372) OTL N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 3.
373) OTL N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69 – Drucksache 17/7400
Nach Aussage des Zeugen Brigadegeneral Vollmer sei die
Nutzung der Operationszentrale der Task Force 47 durch
das PRT eine Ausnahme gewesen. Wer dies allerdings
genehmigt habe, sei ihm nicht bekannt.
374
Der Zeuge Hauptfeldwebel V., der nach seiner Aussage
Angehöriger der Task Force 47 war, hat vor dem Unter-
suchungsausschuss erklärt, am 3./4. September 2009 den
Fliegerleitfeldwebel des PRT Kunduz unterstützt zu ha-
ben, da an diesem Abend kein anderer Storyboard-
Schreiber verfügbar gewesen sei.
375
Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hatte sich nach seiner
Aussage unter dem Funknamen „Shockwave“ ins Compu-
tersystem eingeloggt. Hierbei habe es sich um den Funk-
namen eines Dritten gehandelt. Nach Aussage des Zeugen
Oberst i. G. Klein sei dies erfolgt, da er sich ansonsten
nicht ins Computersystem der Task Force 47 hätte einlog-
gen können.
376
Zu seiner vom Untersuchungsausschuss vermuteten Zu-
gehörigkeit zur Task Force 47 hat der Zeuge Hauptfeld-
webel W. bekräftigt:
„Ich bin kein Verstärkungselement oder eine Ver-
stärkungskraft oder Angehöriger der Task Force
47.[…] Ich bin auch in allen Papieren und allen
Dokumenten des PRT grundsätzlich mit meinem
Klarnamen aufgeführt als Angehöriger der 1.
Kompanie bzw. der Stabsversorgungskompa-
nie.“377
Der Zeuge Vollmer hat diese Aussage inhaltlich bestätigt:
„[D]er jetzige Hauptfeldwebel W. ist Teil des PRT
Kunduz, gehört nicht zu den Verstärkungskräften,
ist also nicht Teil der Task Force 47. Er ist auch zu
Hause kein Angehöriger des KSK. Das Gleiche
gilt für den […] Hauptmann N.“378
In seinem Bericht vom 5. September 2009 titulierte
Oberst Klein den Fliegerleitoffizier W. als einen ihn „be-
ratenden Kameraden der Verstärkerkräfte“.379 Oberst
Klein hat auf Nachfrage erklärt, es müsse sich dabei um
ein Versehen gehandelt haben.
Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat ausgesagt, die TF 47
lediglich unterstützt zu haben:
„Reine Operationen oder Gesamtoperationen habe
ich gar keine für die TF 47 gemacht, sondern ich
habe lediglich im Rahmen ISAF dort unterstützt,
und zwar nach der Maßgabe, dass alle Angehöri-
gen – die ISAF angehören –, egal welcher Nation,
sich materiell und personell unterstützen können.
374) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 31.
375) V., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 28.
376) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 44; W., Protokoll-Nr. 8, Teil II,
S. 12.
377) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 22.
378) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 56.
379) Bericht von Oberst Klein für GI vom 5. September 2009 („Klein-
Bericht“, Dokument 63).
Aber wirklich reine Operationen für die Task For-
ce habe ich keine durchgeführt.“380
cc) Abwesenheit großer Teile der Task For-
ce 47
Der Kommandeur des Kommandos Führung Operationen
von Spezialkräften (FOSK), der Zeuge Oberst G. B., hat
erklärt, die Spezialkräfte seien damals gar nicht in Kun-
duz gewesen:
381
„Die Task Force 47 hatte am 03. und 04. einen
völlig anderen Auftrag, und sie befand sich des-
halb auch in weit überwiegender Mehrheit nicht in
Kunduz, sondern an einem anderen Standort. In
Kunduz waren nur Restteile verblieben, die im
Schwerpunkt örtlich dort arbeiten […].382
dd) Keine Kommunikation zwischen Oberst
Klein und dem Kommando FOSK in der
Nacht vom 3. auf den 4. September 2009
Der Zeuge G. B. hat weiter ausgesagt, dass es in der
Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 keine Kommu-
nikation zwischen Oberst Klein und dem die Spezialkräfte
führenden Kommando FOSK gegeben habe:
„Es gab keine Einflussnahme, und zum Zeitpunkt,
wo die Entscheidungsfindung von Oberst Klein
stattfand, gab es überhaupt keine Verbindung auch
nach Deutschland in mein Kommando.“383
9. Frage der Beteiligung des Bundesnach-
richtendienstes an der Vorbereitung und
Durchführung des Luftangriffs
a) Erkenntnisse des Ausschusses zu einer
etwaigen Beteiligung des Bundesnachrich-
tendienstes
Die Leipziger Volkszeitung behauptete am 10. Dezember
2009, ein BND-Mitarbeiter vor Ort sei an der Planung
und Entscheidung über den Luftangriff beteiligt gewe-
sen.
384
Der Bundesnachrichtendienst hat die Task Force 47 zum
untersuchungsgegenständlichen Zeitpunkt mit Informa-
tionen unterstützt; zu diesem Zweck waren Mitarbeiter
des BND in Kunduz eingesetzt. Am Abend des 3. Sep-
tember 2009 befanden sich diese Mitarbeiter zeitweise in
der Operationszentrale der Task Force 47. An jenem
Abend habe er sich bis 23 Uhr in der Operationszentrale
der Task Force 47 aufgehalten
385
und sei seiner originären
380) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 2.
381) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 50.
382) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 54.
383) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 55.
384) Leipziger Volkszeitung vom 10. Dezember 2009, „BND-Experte
und KSK-Kräfte stimmten Bombardierung bei Kunduz mit Oberst
Klein ab“ (Dokument 64).
385) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 7.
Drucksache 17/7400 – 70 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Tätigkeit nachgegangen. Mit dem Kommandeur des PRT
Kunduz, Oberst Klein, habe er aber „arbeitstechnisch gar
nichts zu tun“ gehabt.386 Seinen Arbeitsbereich hat der
Zeuge A. R. in seiner Vernehmung wie folgt beschrieben:
„Das sind zwei Zelte. Die sind da, ja, quasi in einer
Art Großraumbüro zusammengefasst, mit einem
kleinen Schlauch miteinander verbunden. Wir ha-
ben zuerst mit den technischen Hilfsmitteln, die
diese Task Force 47 bietet, da unsere Aufgaben er-
ledigt, und dann hatte ich noch so ein bisschen
Administratives zu tun. Also, ich war da im Be-
reich, aber quasi im Nebenraum, wenn man das so
beschreiben will. […] Man muss sehen: Es gibt da
eine Trennung zwischen Bundesnachrichtendienst
und Militär. Das ist ja nicht da alles miteinander
verwoben.“387
Die zur Unterstützung der Task Force 47 in Kunduz ein-
gesetzten Mitarbeiter des BND waren zum Zeitpunkt des
Luftangriffs in den frühen Morgenstunden des 4. Septem-
ber nicht mehr in der Operationszentrale der Task Force
47 anwesend. Alle vom Ausschuss vernommenen BND-
Mitarbeiter haben ausgesagt, dass sich zwei BND-
Mitarbeiter zwischen 19 und 23 Uhr zeitweise in der OPZ
der Task Force aufgehalten hätten, ab 23 Uhr jedoch zu
Bett gewesen seien und erst am Morgen des 4. September
durch einen Mitarbeiter des Field HUMINT-Teams der
Task Force von dem erfolgten Luftangriff erfahren hät-
ten.
388
Daraufhin hätten sie telefonisch Verbindung mit
ihrem Leiter vor Ort in Masar-i-Scharif aufgenommen
und diesen über den erfolgten Luftangriff informiert.
389
Alle zu diesem Komplex befragten Zeugen haben vor
dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass eine etwai-
ge Beteiligung des BND an dem Luftangriff aus ihrer
Sicht ausgeschlossen sei.
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhr-
lau hat jegliche Beteiligung des BND im Vorfeld und an
der Durchführung des Luftangriffs verneint.
„Der Bundesnachrichtendienst […] hatte im Vor-
feld keine Informationen, ist darüber hinaus an der
Einsatzplanung, an der Durchführung nicht betei-
ligt gewesen. Mir ist auch mitgeteilt worden, dass
unsere […] Vertreter, die in Kunduz waren, zu
dem Zeitpunkt nichts von den Ereignissen mitbe-
kommen haben. Dieses ist ihnen dann erst mor-
gens bekannt geworden, nachdem dieses alles ge-
laufen war. Deswegen – auch das hat für uns na-
türlich eine große Rolle in der Klärung des Sach-
verhaltes gespielt -: Haben wir irgendetwas von
dem Vorgang in der Nacht mitbekommen? Sie
werden verstehen, dass bei einem Ereignis, das zu-
nächst so unklar ist in der Vorbereitung, in der
Durchführung, sehr schnell Klarheit geschaffen
werden muss: Ist das eine Angelegenheit, wo der
386) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 21.
387) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 7.
388) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 3, 7, 68.
389) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 5.
Bundesnachrichtendienst Informationen zugelie-
fert hat oder eine sonstige Assistenz geleistet hat,
oder ist das eine militärische Operation, wo dann
noch nicht klar ist, wo die Information herkommt?
Dass innerhalb des ISAF-Bereichs Informationen
eventuell dann von anderen Partnern oder durch
eigene Aufklärung kommen können, das liegt in
der Natur der Sache.“390
b) Keine eigenen Quellen des BND?
Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,
ob es sich bei der unter B.III.3. dargestellten HUMINT-
Quelle auch um eine Kontaktperson des BND gehandelt
haben könnte. Der Zeuge Vorbeck hat ausgesagt:
„Bei der Quelle handelte es sich um eine Kontakt-
person der Bundeswehr; es lägen keine Erkenn-
tnisse vor, dass dieser in Kontakt zu Mitarbeitern
des BND stünde. Was wir damals nicht klären
konnten, war die Frage, ob in früherer Zeit mögli-
cherweise ein solcher Kontakt bestanden haben
könnte. Das war damals nicht ganz auszuschlie-
ßen. Inzwischen ist das aber mittlerweile geklärt.
[…] Die Kontaktperson, die da immer beschrieben
wurde, war eine Kontaktperson der Bundes-
wehr.“391
Der Zeuge F. als zum relevanten Zeitpunkt in Kunduz
anwesenden BND-Mitarbeiter hat in seiner Aussage dies-
bezüglich bestätigt, dass er keinerlei Erkenntnisse zu der
Tanklasterentführung aus eigenen Quellen hatte.
392
IV. Bemühungen um Aufklärung zur Erlan-
gung von Erkenntnissen über den Luftan-
griff
Unmittelbar nach dem Luftschlag wurden vielerseits
Untersuchungen zur Aufklärung der Folgen durchgeführt.
Der Ausschuss hat untersucht wann, von welcher Seite
und in welcher Weise Untersuchungen zur Aufklärung
des Luftangriffs und seiner Folgen stattfanden.
1. Untersuchungen seitens des PRT Kunduz
a) Battle Damage Assessment, 4. September
2009
Das PRT Kunduz selbst erkundete am 4. September 2009
die Einschlagstelle, um ein eigenes Lagebild zu gewin-
nen. Auf Befehl von Brigadegeneral Vollmer wurde durch
Oberst Klein im Laufe des Vormittags des 4. September
ein Element in Kompaniestärke unter Führung des Chefs
der Schutzkompanie, Hauptmann S., zusammengestellt.
Dieses wurde verstärkt durch Feldjäger unter Führung
von Feldjägerstabsoffizier Major T., sowie Fachleuten für
390) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 13.
391) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 5.
392) F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 74.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71 – Drucksache 17/7400
zivil-militärische Zusammenarbeit und psychologische
Operationen.
393
Am Morgen war bereits ein von Brigadegeneral Vollmer
zusammengestelltes Ermittlungsteam aus Masar-i-Scharif
zur Unterstützung der Untersuchungen des PRT Kunduz
geschickt worden.
394
Das insgesamt zehnköpfige Team
wurde geleitet vom Feldjägerführer des 20. Deutschen
Einsatzkontingents, Oberstleutnant B. und bestand aus
insgesamt vier Feldjägern, zwei Soldaten eines Einsatz-
kamerateams, zwei Soldaten aus dem Bereich der takti-
schen Gesprächsaufklärung (Tactical PsyOps) sowie zwei
weiteren Bundeswehrangehörigen.
Im Rahmen seines späteren Berichts führte Major T. aus,
dass durch Hauptmann S. vor Abfahrt des BDA-Konvois
kontrolliert worden sei, dass sich keine Kräfte aus Masar-
i-Scharif im Konvoi befinden, da dies – so war seine
Wahrnehmung – gemäß Befehl des PRT Kommandeurs
nicht gewünscht sei.
395
In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss
hat der Zeuge Oberst i. G. Klein dem widersprochen:
„Die im so genannten Feldjägerbericht, den Sie al-
le kennen, erhobene Behauptung, ich hätte verbo-
ten, Kräfte aus Masar-i-Scharif mit auf die Sand-
bank zu verlegen, entbehrt jeder Grundlage. Dies
war eine Entscheidung des Kompaniechefs, der
seine Truppe aufgrund der Zweckmäßigkeit und
unter Beachtung des Schutzes der eingesetzten
Soldaten zusammengestellt hat. Ich billige aller-
dings diese Entscheidung. Um es deutlich zu sa-
gen: Das war eine Aufklärungsoperation in durch
Aufständische kontrolliertes Gebiet, keine Aus-
flugsreise. Die nachfolgenden Ereignisse haben
dem Kompaniechef recht gegeben, nämlich: Wäh-
rend der Erkundung wurden sie von der Westseite
des Kunduz- Flusses beschossen.“396
Das seitens des RC North bereitgestellte Einsatzkamera-
team wurde im Rahmen der Erkundung der Sandbank
nicht in Anspruch genommen.
397
Oberst Klein war der
Ansicht, dass das Ermittlerteam des PRT Kunduz, beste-
hend aus Feldjägern, Erhebern und Ermittlern in Anbet-
racht der Sicherheitslage ausreiche. Die Belastung wäre
nach seiner Einschätzung für die Infanteristen des Ein-
satzkamerateams zu hoch gewesen.
398
Zudem wurde eine
umfangreiche Fotodokumentation durch das Erkundungs-
team des PRT Kunduz gemacht.
393) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.
394) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 2 f.
395) Gesprächsprotokoll Feldjägerführer: Auswertegespräch Kom-
mandeur PRT Kunduz mit allen Mitgliedern BDA-Team PRT
Kunduz vom 4. September 2009 (Auswertegespräch Kdr PRT
KDZ), Anlage 16 zum „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Doku-
ment 65), B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 37.
396) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.
397) Bericht des Einsatzkamerateams vom 4. September 2009, Anla-
ge 36 zum „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 66), Bl. 83 f.;
B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 38.
398) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 68.
Zum Ergebnis der Untersuchung des BDA-Teams hat der
Zeuge Oberst Klein ausgesagt:
„Der Erkundungsbericht des Kompaniechefs –
[…] hat eigentlich das erwartete Bild bestätigt: Die
Sandbank war wie leergefegt, die Spuren der Ope-
ration waren durch die Aufständischen entfernt
worden. Wenige Gegenstände, dabei auch Waffen-
reste, waren durch die afghanischen Sicherheits-
kräfte eingesammelt worden. Bemerkenswert war
jedoch die fast enthusiastische Begrüßung meiner
Soldaten da unten durch die afghanischen Sicher-
heitskräfte und die Bevölkerung; denen hat man
Geldscheine zugeworfen, als sie da runterka-
men.“399
Der Erkundungsbericht des BDA-Teams wurde zu einer
Anlage des so genannten Feldjägerberichtes (siehe unten:
B.IV.3, S. 77).
Dort heißt es zum Ergebnis dieser Erkundung: Das Team
des PRT habe den Ort des Vorfalls gegen 12.34 Uhr er-
reicht. Es seien „nur noch verbrannte / zerstörte materielle
Überreste, einige Tierkadaver und Fahrzeugwracks zu
sehen“ gewesen. Von Kollateralschäden sei nichts wahr-
zunehmen. Der Ereignisort sei „offensichtlich deutlich
verändert“ und hinterlasse einen „stark gereinigten Ein-
druck“. Vor Ort seien weder Tote noch Verletzte gewe-
sen. Nur noch „minimalste Spuren“ von menschlichen
Überresten seien zu finden gewesen.
400
Nach dem Verlas-
sen der Sandbank sei das Team mit Mörsern beschossen
worden.
401
Nach Rückkehr des BDA-Teams in das PRT Kunduz fand
dort um 14.45 Uhr ein Auswertegespräch mit dem PRT
Kommandeur Oberst Klein statt. Hieran nahm auch der
Feldjägerführer, Oberstleutnant B., teil.
402
In dem später durch ihn erstellten Bericht kritisierte der
Feldjägerführer, dass vor und nach dem Vorfall nicht
adäquat gehandelt worden sei.
403
Nach seiner Wahrneh-
mung hätte das Battle Damage Assessment gemäß der
Tactical Directive des COM ISAF zeitnah nach dem Luft-
schlag durchgeführt werden müssen. Hierdurch solle
gemäß der Tactical Directive ausgeschlossen werden,
dass unbeteiligte Zivilisten getroffen wurden und die
Möglichkeit der Leistung von Erster Hilfe gesichert wer-
den.
404
Der Befehlshaber Einsatzführungskommando, General-
leutnant Glatz, hat dem Untersuchungsausschuss zur
Durchführung eines Battle Damage Assessment erläutert:
399) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.
400) Untersuchungsbericht zum „Close Air Support KUNDUZ“ des
Feldjägerführers i. E. vom 9. September 2009 („Feldjägerbericht“,
siehe unten: B.IV.3, S. 77, Dokument 67).
401) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 4; Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II,
S. 20, 68; Auswertegepräch Kdr PRT KDZ (Fn. 395, Doku-
ment 65), Bl. 43.
402) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35; Auswertegespräch Kdr PRT
KDZ (Fn. 395), Bl. 42.
403) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400), Bl. 8.
404) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 41.
Drucksache 17/7400 – 72 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Das Verfahren für Battle Damage Assessment
war in einer ISAF SOP festgelegt und in der Tacti-
cal Directive des COM ISAF, und das hätte erfor-
dert, auch nach einer SOP des RC North, dass […]
nach einem Luftangriff das entsprechende Gebiet
abgeriegelt wird, um – ich sage mal – das Rein-
und Rausgehen unkontrolliert aus diesem Gebiet
zu verhindern und tatsächlich, bis hin zu biometri-
schen und forensischen Methoden, ein Battle Da-
mage Assessment durchzuführen.“405
Oberst i. G. Klein hat dem Untersuchungsausschuss er-
klärt, er habe über keine Kräfte verfügt, die eine Wir-
kungsanalyse am Boden hätten durchführen können. Eine
solche habe er aber auch nicht für erforderlich gehalten,
da er aus den Erfahrungen der vergangenen Monate er-
wartet habe, dass die Aufständischen sehr schnell alle
Opfer bergen und diese gemäß ihren religiösen Vorschrif-
ten beisetzen würden. Die Aufständischen ließen in kei-
nem Fall Beweise ihrer Verluste zurück.
406
Gegen 17 Uhr begab sich das Erkundungsteam, in das
Krankenhaus Kunduz.
407
Dort befanden sich sechs ver-
letzte und zwei tote Personen, bei denen ein Zusammen-
hang zum Bombenabwurf vermutet werden konnte.
408
Im
Anschluss an den Besuch im Krankenhaus fand ein erneu-
tes Auswertegespräch im PRT Kunduz statt.
409
b) Untersuchung des Tactical Psycological
Operations Teams PRT Kunduz, 4. Sep-
tember 2009
Zur gleichen Zeit erhielt der Stabsfeldwebel B., Leiter des
Tactical Psycological Operations Team (TPT) des PRT
Kunduz, von der Leitung des PRT den Auftrag, mit den
Dorfbewohnern über den Luftangriff und mögliche Tote
zu sprechen. Ziel war es, die Einstellung der Bevölkerung
zu ISAF und den afghanischen Sicherheitskräften sowie
die Stimmung der örtlichen Bevölkerung insgesamt zu
ermitteln.
Als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss hat Stabs-
feldwebel B. ausgesagt, dass er den Auftrag für die Befra-
gung „vom Stab aus Kunduz“ erhalten habe:410
„Der genaue Name ist mir nicht bekannt. Aber es
war jemand vom operativen Kommando, von PRT,
TPT. Wir sind dann zu einem Briefing geladen
worden, und dann sind wir los geschickt worden.
[…] Ja, ich bin mit meinem Team los geschickt
worden mit dem Auftrag, uns ein Bild zu machen
von der Situation vor Ort, über die Situation in der
Nähe vom Dorf Haji Amanmulla. […] Ja, im Dorf
habe ich die Aufgabe bekommen, mit den Dorf-
405) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 90.
406) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.
407) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35.
408) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400), Bl. 6; Auswertegespräch Kdr PRT
KDZ (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43; Klein, Protokoll-Nr. 6,
Teil II, S. 21.
409) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35.
410) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 23 f.
bewohnern zu sprechen. Das habe ich auch ge-
macht. Das war der Stellvertreter des Bürgermeis-
ters. Der hat mir eine Information gegeben. Er hat
mir seinen Namen genannt. Er hat mir auch gesagt,
wie viele zivile Opfer zu betrauern waren. […]
Nach dem Einsatz sind alle Teamleiter, alle Ver-
antwortlichen zunächst einmal zusammengekom-
men. Da gab es so ein Nach-Briefing mit Oberst
Klein und den Vertretern der TPT. Da haben wir
einiges besprochen, und danach habe ich sofort
den Bericht in Angriff genommen.“411
Sein Bericht sei an das PRT Kunduz und von dort an G3
und G9 geschickt worden.
412
In dem Bericht von B. vom
4. September 2009 heißt es, aus einem Dorf seien 14
Zivilpersonen getötet und vier schwer verletzt worden.
Diese Personen seien zuvor von Aufständischen zur Ar-
beitsleistung gezwungen worden. Trotz der eigenen Ver-
luste sei insgesamt eine große Freude über den Tod von
Aufständischen gezeigt worden.
413
2. Untersuchungen seitens ISAF
Durch den Kommandeur der ISAF, General McChrystal,
wurde auf der Grundlage der ISAF-Regeln des Standard-
Einsatzverfahrens (SOP) eine zweistufige Untersuchung
angeordnet.
a) Untersuchung des Initial Action Teams,
4./5. September 2009
aa) Anlass und Einleitung der Untersuchung
Aufgrund von Medienberichten am Morgen des 4. Sep-
tember 2009 über zivile Opfer durch den Luftangriff bei
Kunduz stellte der Kommandeur der ISAF in Kabul gegen
Mittag eine vorläufige Untersuchungskommission zu-
sammen. Entsprechend den neuen Verfahrensvorschriften
der ISAF war im Falle des Verdachts von zivilen Opfern
durch den Waffeneinsatz der ISAF schnellstmöglich ein
so genanntes „Initial Action Team“ (IAT) einzusetzen.414
Zweck des IAT war es zu prüfen, ob eine formale Unter-
suchung durchgeführt werden solle.
415
Ein solches Vor-
gehen solle vor allem dem Zweck dienen, gegenüber allen
Beteiligten, insbesondere aber gegenüber der afghani-
schen Bevölkerung, deutlich zu machen, dass ISAF Vor-
fälle dieser Art sehr ernst nimmt und sich aktiv um Auf-
klärung bemüht.
416
Geführt wurde das insgesamt neunköpfige IAT von dem
britischen Air Commander und stellvertretenden Chef-
koordinator der ISAF-Luftoperationen Paddy Teakle
417
411) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24.
412) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.
413) Auswertegepräch Kdr PRT KDZ (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43.
414) Vermerk des Einsatzführungsstabes vom 18. September 2009 für
den Generalinspekteur (Dokument 68).
415) So die Sprechempfehlung für den Generalinspekteur für die
Obleuteunterrichtung am 11. September 2009 (Dokument 69).
416) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415), Bl. 49.
417) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 21, 34.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 73 – Drucksache 17/7400
und dem Konteradmiral Gregory Smith.
418
Von deutscher
Seite war Oberst i. G. N. Mitglied des IAT.
bb) Eintreffen des Teams in Kunduz
Am späten Nachmittag des 4. September 2009 traf das
IAT erstmals im Feldlager Kunduz ein. Es führte Gesprä-
che mit den Beteiligten des PRT Kunduz, insbesondere
mit Oberst Klein und dem Fliegerleitoffizier W. Das auf-
gezeichnete Filmmaterial der Übertragung aus den Cock-
pits der Flugzeuge wurden ihnen vorgeführt. Das IAT
nahm auch am zweiten Auswertegespräch des BDA mit
Oberst Klein nach dem Besuch im Krankenhaus Kunduz
teil.
419
Am nächsten Tag überflog das Team mit einem Hub-
schrauber die Sandbank.
420
Aufgrund der angespannten
Sicherheitslage hatte Oberst Klein entschieden, über die
Stelle zu fliegen, anstatt auf dem Landweg hinzufahren.
421
Im Anschluss besichtigte das Team in Begleitung von
Oberst Klein das Provinzkrankenhaus in Kunduz. Dort
wurden einige Patienten als Opfer des Luftangriffs vor-
gestellt.
422
Es fanden Gespräche mit afghanischen Offi-
ziellen, insbesondere mit den Distriktmanagern der be-
troffenen Distrikte Chahar Darreh und Aliabad sowie
Vertretern des Provinzrates statt.
423
cc) Besuch von COM ISAF McChrystal in Kun-
duz
Am Nachmittag des 5. September 2009 traf COM ISAF
General McChrystal persönlich in Kunduz ein, um sich
ein Bild der Lage vor Ort zu verschaffen. Das IAT beglei-
tete diesen Besuch. Es wurden sowohl der Ort des Luft-
angriffs als auch das Krankenhaus von Kunduz besucht.
Anders als am Vortag fuhr die Delegation auf dem Land-
weg zu der Sandbank und stieg dort aus. Nach etwas mehr
als 24 Stunden verließ das IAT Kunduz am 5. September
2009 um 18 Uhr afghanischer Ortszeit.
424
dd) Abschlussbericht des IAT
Zurück in Kabul fertigte das IAT am 6. September 2009
einen 20-seitigen Abschlussbericht für den Kommandeur
der ISAF („Smith-Bericht“).425 Aufgrund der vor Ort
gewonnenen Eindrücke empfahl das Team COM ISAF
die Einleitung einer formalen Untersuchung.
426
Der GEHEIM eingestufte Bericht ist dem Untersuchungs-
ausschuss vorgelegt worden und in die Beweisaufnahme
eingeflossen.
418) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.
419) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35.
420) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 2.
421) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 68.
422) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 69; „N.-Bericht“ (Fn. 141),
Bl. 4.
423) „N.-Bericht“ (Fn. 141), Bl. 4.
424) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415), Bl. 50.
425) Mat. 17-12/12a, Tgb.-Nr. 11/10 – GEHEIM.
426) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415), Bl. 50.
ee) „N.-Bericht“
Oberst i. G. N., Deputy Chief CJ2 im HQ ISAF, verfasste
in seiner Eigenschaft als deutsches Mitglied des Initial
Action Teams ein Protokoll über die „Fact Finding Missi-
on Kunduz 05. – 06.09.2009.“427
Der so genannte N.–Bericht wurde durch den Verfasser an
Generalmajor Antoni im HQ ISAF übermittelt.
ff) Begleitung des IAT durch einen Journalis-
ten der Washington Post
In das IAT war ein Reporter der Washington Post, Herr
Rajiv Chandrasekaran, „eingebettet“ gewesen.428 Die
Anwesenheit des Journalisten führte mindestens im
Nachhinein im PRT zu Verärgerung.
Der deutsche Verteidigungsminister Dr. Jung beschwerte
sich über die Begleitung durch den Journalisten später
gegenüber dem COM ISAF General McChrystal.
429
„Ja, ich habe mich ziemlich kritisch mit ihm unter-
halten und habe ihm auch gesagt, dass ich das für
unverantwortlich ansehe, auch im Hinblick darauf,
dass er als COM ISAF gerade gegenüber unserem
Soldaten Oberst Klein sich in einer solchen Art
und Weise äußert.“430
Seinen Pressesprecher Dr. Raabe ließ er gegenüber der
NATO „aktenkundig“ machen, dass dieser Vorgang so
nicht akzeptiert werde.
431
Als Zeuge vor dem Ausschuss
hat Dr. Raabe den Vorwurf erhoben, bei der Begleitung
durch den Reporter der Washington Post habe es sich um
den Versuch gehandelt, das Ansehen der Deutschen in
Afghanistan in Misskredit zu bringen.
„Wie Sie sehen, war es ein konkreter Auftrag, den
er dann umgesetzt hat, nämlich in der Washington
Post. Dieser Washington-Post-Artikel – sehen Sie
es mir nach – war aus meiner Sicht eine Auftrags-
arbeit, die dazu führen sollte, dass die Deutschen
hier in Misskredit gebracht werden, zu einem Zeit-
punkt, wo ich beim besten Willen nicht erkennen
konnte, dass es bereits konsolidierte Informationen
gegeben haben könnte.“432
„Wenn Sie die Arbeitsmethoden von Journalisten
in Afghanistan kennen und wie Sie Zugänge be-
kommen, dann können Sie ja sehen, dass das äu-
ßerst ungewöhnlich ist, dass der ISAF-
Kommandeur bei einem solchen Vorfall einen ein-
zigen Journalisten mitnimmt. Deshalb müssen Sie
davon ausgehen, dass dieser Journalist vorher ein
Gespräch mit McChrystal geführt hat, wo vermut-
lich sehr klargelegt worden ist, um was es geht.“433
427) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54).
428) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 79.
429) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 6.
430) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 11.
431) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 12.
432) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 25.
433) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 37.
Drucksache 17/7400 – 74 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Am 6. September 2009 veröffentlichte Rajiv Chandrase-
karan in der Washington Post folgenden Artikel:
„NATO Probing Deadly Airstrike
Anti-Taliban Operation in Afghanistan May Have
Killed Civilians And Further Complicated the
Strained U.S.-Led Security Mission
By Rajiv Chandrasekaran
Washington Post Foreign Service
Saturday, September 5, 2009
KUNDUZ, Afghanistan, Sept. 4 -- NATO
launched an investigation Friday into a predawn
airstrike in which an American fighter jet bombed
two hijacked fuel trucks in northern Afghanistan,
killing scores of people and prompting accusations
that many of the dead were civilians.
Estimates of the number of dead varied widely.
The governor of Kunduz province, where the at-
tack occurred, said 72 people were killed when the
trucks exploded in a huge fireball, while the Ger-
man military said the death toll was about 50.
German forces under NATO command have re-
sponsibility for the area and had called in the air-
strike out of concern that the Taliban intended to
use the trucks in suicide bombings, German offi-
cials said.
A senior U.S. defense official said 56 people were
counted around and on top of the vehicles in video
taken immediately before the blast. „Nobody that
was close . . . lived,“ he said. „But it's also not
clear whether the individuals who are around the
vehicles there were actually insurgents or not.
A Belgian soldier who visited the village nearest
the site of the attack, Staff Sgt. Filip Bergeman,
said residents told him that Taliban fighters forced
several villagers to help remove fuel from the
trucks after the vehicles got stuck in the Kunduz
River. Bergeman said he was told that 14 of the
villagers were killed.
The airstrike occurred a day after Defense Secre-
tary Robert M. Gates indicated that he is open to
increasing U.S. troop strength in Afghanistan de-
spite earlier concerns about an outsize American
„footprint“ in the country. Gates said his view had
been altered by an assessment submitted this week
to President Obama by Gen. Stanley A. McChrys-
tal, the top U.S. commander in Afghanistan, which
stressed the importance of troops' interactions with
civilians and efforts to reduce civilian casualties.
President Hamid Karzai also ordered an investiga-
tion into the strike, saying that „targeting civilians
is unacceptable for us.“ Civilian deaths as a result
of NATO military operations have fueled intense
anger among many Afghans, including Karzai, and
have sapped public support for the multinational
mission to combat the Islamist Taliban movement,
which has gained ground this year against a gov-
ernment widely viewed as corrupt and incompe-
tent.
In a taped message Friday night, McChrystal ap-
peared to acknowledge the likelihood of civilian
casualties in the airstrike, saying, „I take this poss-
ible loss of life or injury to innocent Afghans very
seriously.“
Translations of the message into the two main
Afghan languages, Pashto and Dari, were distri-
buted to the Afghan media. Addressing „the great
people of Afghanistan,“ McChrystal said the Inter-
national Security Assistance Force (ISAF) had
„launched an attack against what we believed to be
a Taliban target in Kunduz. As commander, noth-
ing is more important [to me] than the safety and
protection of the Afghan people.“
In an effort to reduce civilian deaths, McChrystal
recently issued rules limiting the use of airstrikes.
It was not immediately clear whether Friday's air-
strike conformed to the new rules.
The NATO command in Afghanistan pledged to
fully examine the airstrike, and McChrystal said in
his message that he had dispatched a team of se-
nior officers Friday afternoon to look into the inci-
dent. The officers allowed a Washington Post re-
porter to accompany them.
Footage from the F-15E jet that dropped the
bombs showed that many, if not most, of the
people milling around the trucks in the moments
before the airstrike were killed when the bombs
detonated and the fuel tankers exploded. The grai-
ny, black-and-white video, which was viewed by
the investigating officers at a German military base
here, showed only a handful of people running
away after the explosion.
The German officers said footage from the F-15E
and an earlier overflight of a U.S. B-1B bomber
showed some of the people at the scene carrying
weapons. The Germans also said that an intelli-
gence source told them before the strike that all of
the people around the trucks were insurgents.
„When you're sitting at a command center, it may
look like you're seeing nothing but insurgents, but
the reality can be pretty complex,“ said Rear Adm.
Gregory J. Smith, a senior member of the U.S. as-
sessment team. „We have to do everything we can
to understand the truth and get that truth told as
quickly as possible.“
Insurgent activity has increased markedly in the
Kunduz area in recent months. German forces re-
sponsible for securing the province have encoun-
tered more frequent ambushes and roadside bomb-
ings.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 75 – Drucksache 17/7400
According to the German officers, the incident be-
gan Thursday evening when insurgents hijacked
the two trucks on the main highway connecting
Kunduz to the Tajikistan border. The B-1B bomb-
er, which was flying in the area in support of a dif-
ferent mission, spotted the vehicles several hours
later after they had become bogged down while
trying to cross the river, 13 miles south of Kunduz,
the provincial capital. German commanders de-
clared the scenario an imminent threat and re-
quested air support.
Two F-15Es arrived on the scene about 2 a.m. Fri-
day. After receiving instructions from a German
targeter, one of the planes dropped two 500-pound
bombs, one on each truck, about 30 minutes later.
„While the airstrike was clearly directed at the in-
surgents, ISAF will do whatever is necessary to
help the community, including medical assistance
and evacuation as requested,“ said Canadian Brig
Gen. Eric Tremblay, an ISAF spokesman.
In Washington, U.S. military officials said two
500-pound GBU-38 bombs were dropped on the
trucks. The bombs are guided using Global Posi-
tioning System technology.
The German-led team operating in the area made
the decision to call in the airstrike, said one U.S.
official, who was briefed on the events by the
command in Afghanistan. „We are looking into
any allegations of civilian casualties,“ the official
said. „Any civilian casualties are serious.“
It was not immediately clear at what level in the
U.S. chain of command the strikes were approved
or how the military determined that there were no
civilians in the area.
Staff writers Ann Scott Tyson, William Branigin
and Karen DeYoung in Washington contributed to
this report.“434
b) Untersuchung Joint Investigation Board,
8. September bis 20. Oktober 2009
Den Empfehlungen des IAT folgend, wies der ISAF-
Kommandeur, General Stanley McChrystal, am 8. Sep-
tember 2009 den kanadischen Major General C. S. „Duff“
Sullivan, den deutschen Rechtsberater, Oberstleutnant V.,
sowie den amerikanischen Colonel Keith D. McBride des
Combined Air Operations Center in Katar an, einen ge-
meinsamen Untersuchungsausschuss zu bilden.
435
„Gemäß ISAF SOP 302 werden Sie hiermit als
Gemeinsamer Untersuchungsausschuss eingesetzt,
um eine operationelle Untersuchung der Umstände
434) Rajiv Chandrasekaran, in: Washington Post vom 5. September
2009, „NATO Probing Deathly Airstrike” (Dokument 70).
435) COM ISAF, Appointment of Joint Investigation (J.I.B.), Weisung
zur Einberufung des gemeinsamen Untersuchungsausschusses
vom 8. September 2009 (Dokument 71).
des ISAF-Luftschlages vom 4. September 2009 in
der Provinz Kunduz durchzuführen. Sie sollen alle
Fakten und Umstände im Zusammenhang mit dem
Luftschlag und etwaigen zivilen Opfern untersu-
chen und sowie alle verfügbaren einschlägigen
Beweismittel sichern.“436
Die Leitung der Untersuchung wurde Major General C. S.
„Duff“ Sullivan übertragen.437 Dem Ausschuss wurde
aufgegeben, auf Grundlage verfügbarer Fakten möglichst
viele Einzelheiten zur Ursache von Todesfällen oder zum
Status etwaiger Opfer zusammenzutragen.
438
Die Unter-
suchungsergebnisse wurden gemäß Punkt 6 des „Ap-
pointment of Joint Investigation“439 in einem Bericht
zusammengefasst und General McChrystal vorgelegt. Die
Untersuchungsergebnisse, Beobachtungen und Empfeh-
lungen des Joint Investigation Board wurden am
26. Oktober 2009 durch ihn genehmigt.
440
Das Bundesverteidigungsministerium wandte sich im
November 2009 auf Weisung von Bundesminister Frei-
herr zu Guttenberg mit der Bitte an das Headquarter
ISAF, den als „NATO-/ISAF-Confidential“ klassifizierten
Bericht des Joint Investigation Board herabzustufen bzw.
eine nicht eingestufte Version herauszugeben. Das Head-
quarters ISAF wies dieses Anliegen mit Schreiben vom 4.
November 2009 zurück.
441
Der GEHEIM eingestufte Bericht ist dem Untersuchungs-
ausschuss vorgelegt worden und in die Beweisaufnahme
eingeflossen.
c) Begleitung der ISAF-Untersuchung durch
das Bundesministerium der Verteidigung,
9. September bis 26. Oktober 2009
Am 9. September 2009 wurde durch Staatssekretär
Dr. Wichert die so genannte „Gruppe 85“ eingesetzt.
Deren Auftrag lautete, die Situation in Afghanistan zu
prüfen und dahingehend auszuwerten, dass die Leitung
des Bundesministeriums der Verteidigung auf den
NATO-Abschlussbericht reagieren kann.
442
Minister
Dr. Jung wurde hierüber unterrichtet.
443
Auf die Einrich-
tung der Gruppe wurde in der Regierungspressekonferenz
am 11. September 2009 hingewiesen. Der damalige Spre-
cher des Bundesverteidigungsministers Dr. Raabe sagte
vor der Bundespressekonferenz:
„Ich möchte Ihnen dazu mitteilen, dass wir ein ei-
genes Team aus verschiedenen Vertretern der ver-
436) Deutsche Übersetzung (BMVg) der Weisung zur Einberufung des
gemeinsamen Untersuchungsausschusses (Dokument 72).
437) Untersuchungsweisung (Fn. 436), Bl. 4, Ziff. 1.
438) Untersuchungsweisung (Fn. 436), Bl. 5, Ziff. 3, lit. d. So auch die
Aussage des Zeugen Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I,
S. 11.
439) Untersuchungsweisung (Fn. 436), Bl. 3.
440) COM ISAF-Bericht der NATO vom 28. Oktober 2009, Mat. 17-
10/10a, Tgb.-Nr. 08/10 – GEHEIM.
441) Schreiben HQ ISAF an Leiter Einsatzführungsstab BMVg vom 4.
November 2009 (Dokument 73).
442) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Mat. 17-22a, GI a. D. Schnei-
derhan, Ordn. 3, Bl. 241.
443) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 13.
Drucksache 17/7400 – 76 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schiedenen Abteilungen im Haus zusammenges-
tellt haben, das die Untersuchungen der Nato be-
gleiten wird.“
Es gehe darum, der NATO Hilfestellung bieten zu kön-
nen, indem die Faktenlage zusammengestellt werde.
444
Hierzu wurden im Einsatzland erstellte Dokumente ein-
geholt und ausgewertet.
445
Ein Mitglied der Gruppe 85, der Zeuge Konteradmiral
Krause, hat hierzu in seiner Vernehmung vor dem Unter-
suchungsausschuss ausgesagt:
„Der Einsatzführungsstab war Teil dieser ‚Gruppe
85„. […] ‚85„ war nichts anderes als der Ordner,
der festgelegt wurde. Es war also eine völlig will-
kürliche und unbedeutende Festlegung. Die Grup-
pe ist in Kraft gesetzt worden durch Herrn Staats-
sekretär Dr. Wichert mit dem Ziel, uns darauf vor-
zubereiten, dass das Ministerium, wenn der Joint-
Investigation-Board-Bericht veröffentlicht wird,
schnell reaktionsfähig ist, und letztendlich die Ar-
beit des NATO-Untersuchungsteams quasi mit zu
begleiten, unsere eigenen Positionen darauf aufzu-
bauen und eine schnelle Reaktionsfähigkeit sicher-
zustellen.“446
Hierzu wurde seitens der Gruppe regelmäßig mit dem
deutschen Mitglied des Joint Investigation Board, Oberst-
leutnant V., Verbindung gehalten.
447
Der Zeuge Oberstleutnant V. hat in seiner Vernehmung
erklärt, von einer derartigen Arbeitsgruppe habe er aus
der Presse erfahren. Den Begriff „Gruppe 85“ habe er
erstmals im Spiegel gelesen.
448
Auch könne er sich nicht
an eine Unterstützungsleistung durch die Gruppe erin-
nern. Es habe natürlich Kontakte nach Deutschland gege-
ben; er habe aber keinerlei Unterstützung für seine Arbeit
in dem Board benötigt.
449
Das Ablaufprotokoll der „Gruppe 85“450 dokumentiert ein
Gespräch des Gruppenmitglieds Regierungsdirektor S. mit
Oberstleutnant V. am 14. September 2009, bei dem V.
Informationen über die Erkenntnisse seitens des JIB nach
der Auswertung der Aufzeichnungen des B1-Bombers
sowie der F15-Flugzeuge mitteilte. Das JIB habe den
Eindruck gehabt, dass die Personen auf der Sandbank das
Ziel des Luftschlages gewesen seien, dass sich die Tank-
laster nicht in Richtung des PRT bewegt hätten, dass sich
die F15-Piloten für ein geringeres Waffenmittel eingesetzt
hätten und dass es nach der Wahrnehmung der Untersu-
chungskommission keine Anhaltspunkte für eine beson-
dere Bedrohungslage gegeben habe.
451
Gemäß dem Ab-
laufprotokoll ergingen mehrere Hinweise von S. an V.:
444) Abschrift Regierungspressekonferenz vom 11. September 2009
(Dokument 74).
445) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 244.
446) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 5.
447) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 79.
448) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 21 f.
449) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 22.
450) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 241 - 270.
451) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 246.
„Wir unterstützen mit Hinweisen auf Unklarheiten
in Vorschriften, die dann im JIB-Bericht reflektiert
werden müssen. Intensive Darstellung wichtig.
Geordnetes Verhalten auf der Sandbank gibt ggf.
Anhalte für Art der Beteiligung der CAS. Berück-
sichtigung der AFG Aussagen zur Wirkung des
Einsatzes. Schwachpunkte bei unklarer Ermitt-
lungslage müssen klar hervorgehoben werden. Er
muss immer Umsetzung jeder Vorschrift für PRT
prüfen.“452
Am 16. September 2009 berichtete Regierungsdirektor H.
der Gruppe, es gäbe eine Mitteilung von V., wonach „Pat-
tern of Life“ und LOAC (Law of Armed Conflict) disku-
tiert wurden.
„RDir H. hat OTL V. angewiesen, darauf hinzu-
wirken, dass LOAC nicht weiter betrachtet wird,
da nicht einschlägig.“453
An eine solche Weisung hat sich der Zeuge V. in seiner
Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss nicht
erinnern können.
454
Am 15. September 2009 war im Rahmen einer Dienst-
besprechung der „Feldjägerbericht“ und dessen kritische
Bewertung Thema.
455
Ausweislich des Ablaufprotokolls
wurde auch das JIB hinsichtlich seiner Konformität mit
SOP 302 und dem SACEUR-Memo hinterfragt.
456
Am 16. September wurden die strafrechtlichen Ermittlun-
gen gegen Oberst Klein thematisiert:
„Am 17.09.09 wird H. sich nach einer letzten vor-
bereitenden Besprechung mit O.i.G. S. für den Be-
such bei INES
457
in DD telephonisch melden und
mit B. abstimmen, welche Strategie verfolgt wird
und was inhaltlich ausgesagt werden soll.“458
Der Zeuge Staatssekretär a. D. Dr. Wichert hat zu der
Zusammensetzung und dem Zweck der „Gruppe 85“ vor
dem Ausschuss erklärt:
„Ich wollte sicherstellen, dass eventuelle Anfragen
aus dem NATO-Bereich zentral und fachkundig
beantwortet würden. Ich hatte deshalb juristischen
und militärischen Sachverstand in dieser Gruppe
zusammengeführt, insbesondere durch einen
Oberst der Luftwaffe, der bereits Kommandeur der
Tornado der Bundeswehr in Afghanistan gewesen
war.“
„Ziel dieser Arbeitsgruppe war aber auch, nach
Möglichkeit sicherzustellen, dass die Untersu-
chung nicht einseitig zulasten der Bundeswehr und
von Oberst Klein ausfiel. Ich hatte zu Beginn […]
ernsthaft diese Sorge. Die vorschnellen Äußerun-
gen von General McChrystal verhießen zunächst
452) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 247.
453) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 252.
454) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 31.
455) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 248.
456) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 249.
457) Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen / GStA Dresden.
458) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 250.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 77 – Drucksache 17/7400
nichts Gutes. Hierzu hatte sogar der Generalin-
spekteur nach meiner Erinnerung öffentlich Kritik
üben müssen, worauf die NATO zurückruderte.
Von General McChrystal war bekannt, dass er ei-
nen ungewöhnlich rauen Führungsstil hatte, und
ich hatte Zweifel, ob die ihm unterstellten Unter-
suchungsführer sich frei genug fühlten, um auch
Fehler aufseiten der NATO bzw. der Nationen, die
an dem Luftschlag beteiligt waren, offen und ehr-
lich darzustellen. Dass im Initial Action Team ein
Journalist der Washington Post embedded war, wie
man das nennt, der an internen Besprechungen
teilnehmen durfte, während andere Journalisten,
etwa von AP, den Saal verlassen mussten, weckte
zusätzlich mein Misstrauen. Denn dieser Journalist
hatte mit seinem Insiderwissen wenig freundliche
Artikel in den USA geschrieben, die an Vorverur-
teilungen der Soldaten der Bundeswehr grenz-
ten.“459
Staatssekretär Dr. Wichert ließ sich in unregelmäßigen
Abständen durch die Gruppe berichten, anfangs einmal
pro Woche, dann in längeren Zeiträumen. Ihm sei jedoch
nie etwas berichtet worden, was ihn zum Handeln hätte
zwingen oder veranlassen können.
460
3. Untersuchungsbericht zum „Close Air
Support Kunduz“ des Feldjägerführers, 4.
bis 9. September 2009
Am 4. und 5. September 2009 wurden durch den Führer
des deutschen ISAF-Kontingents, den Kommandeur des
Regionalkommandos Nord in Masar-i-Scharif, Brigade-
general Vollmer, Kräfte aus dem deutschen Einsatzkon-
tingent unter Leitung des Feldjägerführers des 20. Deut-
schen Einsatzkontingents, Oberstleutnant B., von Masar-i-
Scharif zum PRT Kunduz entsandt. Auftrag war es,
Oberst Klein bei der Aufklärung des Bombenabwurfs
vom 4. September 2009 mit Fachexpertise zu unterstützen
und offene Fragen vor Ort zu klären beziehungs-weise für
eine spätere Klärung zu sammeln.
461
Der Feldjägerführer des 20. Deutschen Einsatzkontin-
gents, der Zeuge Oberstleutnant B., hat in seiner Verneh-
mung vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:
„[…] General Vollmer hat sich von uns auch bera-
ten lassen. Er traf dann die Entscheidung, dass ein
insgesamt zehnköpfiges Team aus dem HQ RC
North nach Kunduz verlegt wird, unter meiner Lei-
tung […] Der Auftrag unseres Untersuchungs-
teams und Unterstützungsteams war genau zweige-
teilt. Zum einen hatte ich mit diesen insgesamt
neun weiteren, also gesamt zehn Kameraden den
Auftrag von General Vollmer erhalten, Oberst
Klein in der Nachbereitung dieses Bombenabwurfs
mit der mitgeführten Fachexpertise zu unterstüt-
zen. Alle Fähigkeiten, die wir mitgeführt haben
459) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 79.
460) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 95.
461) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 3.
waren im PRT Kunduz vorhanden. Es ging […]
General Vollmer darum, diese Expertise, die ihm
sehr wichtig erschien, dem Oberst Klein als PRT-
Kommandeur zusätzlich, also zur Verstärkung sei-
ner Kräfte, zur Verfügung zu stellen. Der zweite
Teil des Auftrages war, dass unter meiner speziel-
len Leitung und Führung alle Sachverhalte um den
Bombenabwurf, die sich vor Ort feststellen ließen
– eben genau das an Daten, an Dokumenten, an
Bild- und Videomaterial –, gesammelt, bei der spä-
teren Rückkehr nach Masar-i-Scharif dann auch
ausgewertet werden sollen, um das Lagebild von
General Vollmer vor Ort in Kunduz, im PRT Kun-
duz, auch zu verdichten. Dieser Auftrag wurde in
der Folge, als ich bereits in Kunduz war bzw. als
ich später am 6. September zurück nach Masar-i-
Scharif kam, zweimal erweitert: das erste Mal in
Kunduz im Verlaufe des Nachmittags des
4. September, als die Nachricht bekannt wurde,
dass aus dem HQ ISAF ein so genanntes Incident
Action Team, IAT, nach Kunduz verlegt wird, und
der Auftrag für mich bestand, all diese Gespräche,
die unter Führung des IAT geführt werden, wann
immer möglich, auch zu begleiten. Es war dort be-
reits die Absicht gewesen, dass auch Gespräche
stattfinden werden mit den afghanischen Offiziel-
len – District Manager, Provinzrat –, und genau
dazu, Teilnahme an diesen Gesprächen, war dieser
Auftrag von General Vollmer dann auch erweitert
worden.“462
Im Zuge seiner Untersuchung sei sein Auftrag erneut
erweitert worden:
„Die zweite Erweiterung fand dann statt am
6. September, zurück in Masar-i-Scharif, als von
General Vollmer entschieden wurde, dass alle we-
sentlichen Dokumente, die zwischen Deutschland,
dem HQ RC North in Masar-i-Scharif und dem
PRT Kunduz geflossen sind, in diesen von mir zu
erstellenden Bericht aufgenommen werden – das
sind im Wesentlichen die Anlagen, also die Anla-
gen zu meinem Bericht – und sie in die Auswer-
tung des Gesamtbildes mit einfließen zu lassen,
soweit sich daraus relevante Sachverhalte, mögli-
che unterschiedliche Bilder oder gar Widersprüche
ergeben würden.“463
Dem Feldjägerführer stellte sich sein Auftrag seitens
Brigadegeneral Vollmer zu keinem Zeitpunkt so dar, als
solle er in einer disziplinarrechtlichen Angelegenheit
ermitteln. Nach seiner Wahrnehmung gab es seitens Bri-
gadegeneral Vollmer keinen Anfangsverdacht für ein
Dienstvergehen oder eine Straftat durch Oberst Klein. Das
Thema „disziplinarrechtliche Ermittlungen“ habe zu kei-
nem Zeitpunkt eine Rolle gespielt.
464
Deshalb finde man
in seinem Bericht auch nie den Begriff eines „Ermitt-
lungsberichtes“. Dieser sei vielmehr eine Sachverhalt-
462) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 2 f.
463) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 2 f.
464) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 37.
Drucksache 17/7400 – 78 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sfeststellung gewesen zur Verdichtung des Lagebilds von
Brigadegeneral Vollmer.
465
Im Rahmen seiner Sachverhaltsfeststellungen führte der
Feldjägerführer Gespräche vor Ort. Hierzu gehörten Be-
fragungen des PRT Personals, nicht jedoch Vernehmun-
gen.
466
Ein Gesprächsversuch mit dem JTAC des PRT
Kunduz, Oberfeldwebel W., ging ins Leere. Der JTAC
fragte den Feldjägerführer, ob dieser in irgendeiner Weise
ermächtigt wäre, eine Vernehmung mit ihm durchzufüh-
ren, ob er ihm gegenüber aussagen müsse. Oberstleutnant
B. erklärte ihm, dass es sich lediglich um ein Gespräch im
Rahmen einer Sachverhaltsfeststellung handele. Ober-
feldwebel W. entschied sich daraufhin, gegenüber Oberst-
leutnant B. nichts auszusagen.
467
Wörtlich hat Hauptfeld-
webel W. erklärt:
„Am Morgen des 4. September stand in meinem
Büro plötzlich ein Feldjägerkamerad, der ver-
schiedene Dinge über Close Air Support allgemein
wissen wollte und auch zu verschiedenen Zusam-
menhängen der vorherigen Nacht. Ihm gab ich
keine Auskunft. Ihn habe ich darauf verwiesen,
dass ich erstens nicht weiß, wer er ist, was er hier
tut und dass das auch keine Sachen sind, die frei
zugänglich wären, sondern alle eingestuft. Ich ha-
be ihm deshalb keine Informationen dazu gege-
ben.“468
Die Gespräche mit anderen Angehörigen des PRT, etwa
dem Chef des Stabes PRT Kunduz, dem im PRT Kunduz
befindlichen Rechtsberater, dem Kompaniechef der Feld-
jägerkompanie und dem J3 des PRT Kunduz ergaben für
Oberstleutnant B. das Bild, dass von diesen niemand
Kenntnis darüber hatte, was in den Nachtstunden passiert
war.
469
Zu einem Gespräch mit Oberst Klein kam es trotz zweier
Versuche nicht. Aufgrund der laufenden Geschäfte und
Operationen im PRT konnte ein solches bis zum Eintref-
fen von Brigadegeneral Vollmer am Nachmittag des 5.
September 2009 im PRT nicht stattfinden.
470
Die Ergeb-
nisse der Gespräche meldete Oberstleutnant B. an Briga-
degeneral Vollmer, ebenso den Umstand, dass Oberfeld-
webel W. sich gegen eine Aussage entschieden und ein
Gespräch mit Oberst Klein nicht stattgefunden habe.
471
Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat hierzu vor dem Untersu-
chungsausschuss wie folgt Stellung bezogen:
„Oberstleutnant B., der Feldjägerstabsoffizier aus
Masar, wurde mir als Unterstützung für mich, also
ausdrücklich nicht als eigenständiger Ermittler,
angekündigt. Er hatte keinen mir bekannten ei-
genständigen Ermittlungsauftrag, konnte aber an
allen wesentlichen Besprechungen teilnehmen –
465) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 3.
466) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11.
467) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11.
468) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 24.
469) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 31.
470) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 36.
471) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 16.
Sie kennen seine Protokolle – und hätte jederzeit
ausführlich auch mit mir oder anderem Schlüssel-
personal des PRT reden können, wenn er nur dar-
um gebeten hätte.“472
Am Rande des Auswertegespräches, das am Nachmittag
des 4. September 2009 zwischen Oberst Klein und dem
zurückgekehrten PsyOps-Team stattfand, erfuhr der Feld-
jägerführer Oberstleutnant B. erstmals von möglichen
zivilen Opfern.
473
Die Ergebnisse seiner Untersuchungen hielt der Feldjä-
gerführer in einem gleichnamigen Bericht fest.
474
Am
Abend des 9. September 2009 schloss Oberstleutnant B.
den Bericht ab und übergab ihn an Brigadegeneral Voll-
mer.
475
Nach Durchsicht durch Brigadegeneral Vollmer
überführte Oberstleutnant B. am 12. September 2009 das
Dokumente selbst als VS-Kurier nach Deutschland. Am
Flughafen Köln/Bonn habe er die als VS-Material versie-
gelten Dokumente an eine Feldjägerstreife übergeben,
welche den Bericht in der Nacht zum 13. September 2009
in der Operationszentrale des Einsatzführungskommandos
abgegeben habe.
476
4. Einleitung einer nationalen Untersuchung
Der Ausschuss hat untersucht, ob im Fall des Luftschla-
ges auch auf nationaler Ebene ermittelt wurde. Er ist der
Frage nachgegangen, ob auch eine wehrdisziplinarrechtli-
che Ermittlung eines Dienstvergehens von Oberst i. G.
Klein durchgeführt wurde.
a) Verlegung des Feldjägerführers durch den
Kommandeur RC North
Zunächst schickte General Vollmer unmittelbar nach dem
Luftschlag den Feldjägerführer, Oberstleutnant B. nach
Kunduz, um dort Untersuchungen durchzuführen. Die
Entsendung des Feldjägerführers hatte nach Aussage von
Brigadegeneral Vollmer keinen disziplinarrechtlichen
Hintergrund. Hierzu hat er dem Ausschuss erklärt:
„Disziplinar ist ja eine andere Stufe als Ermittlun-
gen insgesamt, und Ermittlungen waren in jedem
Fall durchzuführen, weil zu prüfen war das Einhal-
ten der Rules of Engagement, das Einhalten der
Verfahren vorher und nachher. Also, all diese Din-
ge galt es in jedem Fall zunächst mal neutral zu
untersuchen. Abgeleitet aus dem Ergebnis wäre
dann zu prüfen gewesen, ob in anderer Form Maß-
nahmen ergriffen werden müssen.“477
Auch der Feldjägerführer selbst, bestätigte vor dem Aus-
schuss, dass es zum damaligen Zeitpunkt keinerlei An-
fangsverdacht eines Dienstvergehens gegeben habe:
472) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 21.
473) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11.
474) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67).
475) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 15.
476) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 14 f.
477) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 40.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 79 – Drucksache 17/7400
„[…] dass der Auftrag, der von General Vollmer
erteilt wurde, […] zu keinem Zeitpunkt sich für
mich das Bild darstellte, dass bei General Vollmer
– und das hätte dann auch mein weiteres Handeln
bestimmen müssen – in der Vorgehensweise ein
Anfangsverdacht für ein Dienstvergehen oder gar
einer Straftat bei Oberst Klein vorlag. […], wes-
halb Sie in diesem Bericht, der von mir gefertigt
wurde, auch nirgends den Begriff eines Ermitt-
lungsberichts finden, sondern das ist eine Sachver-
haltsfeststellung gewesen zur Verdichtung […] des
Lagebildes von General Vollmer.“478
b) Kenntnis des INTSUM-Berichtes durch den
Kommandeur RC North
Die Einleitung auch disziplinarer Ermittlungen habe Bri-
gadegeneral Vollmer erst später erwogen, in Zusammen-
hang mit dem Inhalt eines INTSUM-Berichtes, der vom
PRT Kunduz sowohl in das Regionalkommando Nord als
auch an das Einsatzführungskommando in Potsdam
übermittelt wurde,
479
und ihm ein widersprüchliches La-
gebild geliefert habe:
„Am Abend des 4. bekomme ich vorgelegt einen
so genannten INTSUM, also Intelligence Summa-
ry, der von unten nach oben aufwächst, in dem Fall
jetzt aus dem PRT Kunduz über unser Hauptquar-
tier im Regionalkommando Nord, und dann wei-
tergeleitet wird an ISAF. Was ich dort gelesen ha-
be, widersprach dem, was bis dahin auch einer
meiner beiden Leitschnüre während des Tages
war, […].“480
Daraufhin veranlasste Brigadegeneral Vollmer eine Prü-
fung des INTSUM-Berichtes durch den Stab im PRT
Kunduz:
„Ich habe gesagt: Hier habt ihr das Papier noch
mal zurück – im übertragenen Sinne. Ich will wis-
sen: Ist das das, was jetzt auch der Kommandeur
des PRT Kunduz als seinen INTSUM rausgibt mit
der Bewertung „Es hat diese Opfer gegeben“?481
c) Absicht des Kommandeurs RC North, dis-
ziplinarrechtliche Ermittlungen einzuleiten
Der Umstand der widersprüchlichen Darstellung im Ge-
gensatz zu dem, was ihm Oberst Klein gemeldet hatte
482
,
gab Brigadegeneral Vollmer Anlass, auch eine disziplina-
re Ermittlung gemäß § 32 Abs. 1 Wehrdisziplinarordnung
(WDO)
483
gegen Oberst Klein einleiten zu wollen.
Dort heißt es in Satz 1:
478) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 3, 44.
479) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
480) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
481) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 10.
482) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 65.
483) Wehrdisziplinarordnung vom 16. August 2001 (BGBl. I S. 2093),
zuletzt geändert durch Artikel 86 des Gesetzes vom 17. Dezember
2008 (BGBl. I S. 2586).
„Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht ei-
nes Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Diszip-
linarvorgesetzte den Sachverhalt durch die erfor-
derlichen Ermittlungen aufzuklären.“
Als Kontingentführer des deutschen Einsatzkontingents
ISAF war Brigadegeneral Vollmer für einfache Diszipli-
narmaßnahmen gegenüber Oberst Klein dessen nächster
Disziplinarvorgesetzter.
484
Seine Absicht teilte er dem Befehlshaber Einsatzfüh-
rungskommando, Generalleutnant Glatz telefonisch
mit:
485
„Bei General Glatz habe ich darüber auch meine
Verwunderung zum Ausdruck gebracht, meine,
dass ich gesagt habe, wir haben hier auf der einen
Seite die Meldung des PRT-Kommandeurs, der da
sagt, das war meine Beurteilung der Lage, und
deswegen konnte ich das tun, musste ich es tun,
und auf der anderen Seite haben wir jetzt etwas
ganz anderes aus seinem eigenen Stab, wo ich ihm
gesagt habe, das gebe ich ihm zurück und ich er-
wäge unter anderem jetzt, wenn ich den Verdacht
der Unwahrheit hier habe, disziplinare Ermittlun-
gen. Das war der Auslöser, und das war auch im
Kern das Gespräch mit General Glatz.“486
Die Begründung hat er vor dem Untersuchungsausschuss
vorgetragen:
„Und meine Meldung lautete jetzt als Disziplinar-
vorgesetzter: Ich muss und werde auch gegen den
Oberst Klein – auch durchaus zu seinem Schutz
später – disziplinar ermitteln: War das alles rech-
tens, was er dort gemacht hat: Verfahren, Rules of
Engagement, Verhalten danach und ähnliche Din-
ge mehr?
487
[…] Das war meine Absicht; dazu gab
es dann auch bereits einen Auftrag an den Rechts-
stabsoffizier.“488
d) Einstellung der Ermittlungen
aa) Befehl aus dem Bundesministerium der
Verteidigung
Den Befehl, keine nationale Untersuchung weiter durch-
zuführen, erteilte General Schneiderhan dem Einsatzfüh-
rungskommando. Generalleutnant Glatz habe diese dann
„runterübersetzt“ zu Brigadegeneral Vollmer.489 Die Er-
mittlungen seitens Brigadegeneral Vollmer wurden nach
dessen Darstellung am 7. September 2009 eingestellt, um
zunächst die Untersuchungen durch ISAF abzuwarten.
490
Zur Begründung führte Generalinspekteur Schneiderhan
gegenüber Generalleutnant Glatz aus, dass eine nationale
484) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 3.
485) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 44.
486) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 28.
487) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 5.
488) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 22.
489) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 30.
490) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 7 f.
Drucksache 17/7400 – 80 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Untersuchung hinter die ISAF-Untersuchungen zurück-
gestellt werden solle.
491
Vor dem Ausschuss hat General
Glatz ausgesagt:
„Das ist begründet worden mit der NATO-
Untersuchung, hinter die man das zurückstellen
solle. Ich habe eben gerade gesagt: Es gibt durch-
aus Analogien im deutschen Wehrdisziplinarrecht
im Vergleich mit Strafverfahren und anderen Ver-
fahren. Ich habe damals, nachdem diese Entschei-
dung gefallen war, das mit meinen Rechtsberatern
– das könnten Sie zur Not auch durch eine Ver-
nehmung klären – besprochen und habe gesagt:
Muss ich mich dieser Weisung eigentlich beugen?
Mir ist damals gesagt worden, aufgrund dieser
Analogien, die es gibt, dass diese Entscheidung
des Staatssekretärs rechtens sei, weil der Staatssek-
retär in Einsatzfragen und nach dem Berliner Er-
lass in Vertretung des Ministers auch in truppen-
dienstlichen Angelegenheiten Festlegungen treffen
kann. Diesem Ratschlag bin ich dann gefolgt.“492
Den Inhalt des Gesprächs mit Generalinspekteur Schnei-
derhan hielt Generalleutnant Glatz in einem Brief an
diesen fest. Darin heißt es:
„Nach meiner Erinnerung haben Sie [General
Schneiderhan, Anm.] mich am 7. 9. am späten
Nachmittag oder am 8. 9. vormittags angerufen
und mir mitgeteilt, dass eine nationale Untersu-
chung nicht durchzuführen sei und Oberst Klein
auch national nicht zu vernehmen sei. Dies habe
ich unverzüglich Herrn BG Vollmer umgesetzt, der
dann sofort die Untersuchung durch den Feldjäger-
führer i. E. eingestellt hat.“493
bb) Dissens im Ministerium
Auch seitens des Planungsstabes wurde Minister Dr. Jung
die Einleitung einer nationalen Untersuchung empfohlen.
Dies lehnte Minister Dr. Jung auf Vorschlag des General-
inspekteurs ab.
494
Von den bereits laufenden Ermittlungen des Feldjägerfüh-
rers habe Minister Dr. Jung nach Angaben General
Schneiderhans erst erfahren,
„als der Feldjägerbericht sozusagen körperlich
aufgeschlagen ist.“495
Dies hat der Zeuge Dr. Jung bestätigt:
„Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, dass mich am
5. Oktober der Generalinspekteur informiert hat
über den Bericht, auch gesagt hat, dass er – ich sa-
ge es jetzt mal allgemein – nicht vorteilhaft für un-
sere Soldaten war, und dass ich mich auch noch
491) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67.
492) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 78.
493) Schreiben Befehlshaber Einsatzführungskomando an Generalin-
spekteur vom 25. November 2009 (Dokument 75).
494) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21; Jung, Protokoll-Nr. 16,
Teil I, S. 6.
495) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 14.
darüber geärgert habe, dass es ihn überhaupt gibt,
[…].“496
Er habe erst später erfahren, dass der Feldjägerbericht
dem Generalinspekteur bereits seit dem 14. September
2009 vorlag.
497
Der Zeuge Schneiderhan hat hierzu erklärt:
„Das war eine abstrakte Verfahrensentscheidung
dass wir nicht national untersuchen. Das war ohne
Anlass. Das war eine Entscheidung. Die hat Wi-
chert mit mir zusammen dem Minister so vorge-
schlagen, und der hat es gebilligt. Dann erst kamen
ja die ganzen Meldungen und Berichte und Unter-
suchungen. Da wurde auch entschieden, dass der
Klein jetzt nicht verhört werden kann.“498
Der Zeuge Dr. Wichert hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss bestätigt,
„dass es im Ministerium eine Diskussion gab: Ma-
chen wir eine eigene Untersuchung oder nicht?
Das habe ich gesagt. Mein Votum, mein Votum
war: Das machen wir nicht. – […] Ich kann mich
nicht entsinnen, […], dass bei meinem Votum,
keine eigene Untersuchung zu ma-
chen, ein laufender Feldjäger -
Untersuchungsbericht bereits zur Sprache kam.
Daran kann ich mich nicht entsinnen. Aber ich
stand und stehe auch heute dazu, dass ein eigener
Untersuchungsbericht parallel zu den Untersu-
chungen der NATO keinen Sinn gemacht hätte.
Das war mein Votum. Dem ist dann ja auch Minis-
ter Jung gefolgt.“
Auf die Frage, wer die nationale Untersuchung unterbun-
den hat, gab der Zeuge Schneiderhan an, es sei eine ge-
meinsame Entscheidung von ihm und Staatssekretär
Dr. Wichert gewesen, die vom Minister gebilligt wur-
de.
499
Dem hat Staatssekretär Dr. Wichert widersprochen.
Dass er eine laufende Untersuchung der Feldjäger ge-
stoppt habe, sei nach der Wahrnehmung Dr. Wicherts
nicht richtig.
500
Der Zeuge Dr. Jung hat hierzu erklärt:
„Ich habe keine Untersuchung gestoppt. Ich sage
Ihnen, dass wir von Anfang an darüber gesprochen
haben, dass wir keine eigene Untersuchung ma-
chen, und wenn ich sage ‚wir„, waren das sowohl
der Staatssekretär als auch der Generalinspekteur.
Dann habe ich nachher erfahren, hat mir der Gene-
ralinspekteur gesagt, dass es dann offensichtlich
doch dort eine Untersuchung ja gegeben hat, die er
aber auch dann unterbunden hatte, weil wir besp-
rochen haben: Es gibt keine eigene Untersuchung.
– Deshalb habe ich mich ja auch so geärgert, dass
496) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 22.
497) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 27.
498) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 10.
499) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 30.
500) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 100.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 81 – Drucksache 17/7400
es die trotzdem gab. Deshalb haben wir dann ja
auch gesagt, weil diese Untersuchung eben nicht
unbedingt vorteilhaft war, da wir alles auf die
NATO konzentriert haben, dass wir diesen Bericht
auch der NATO zugänglich machen und den nicht
sozusagen unter den Tisch fallen lassen.“501
Auf die Frage, ob es richtig sei, dass er sich für den ab-
strakten Vorgang „Nationale Untersuchung“ das Plazet
vom Minister habe geben lassen und – nach Kenntniser-
langung vom begonnenen Bericht – diesen gestoppt habe,
ohne von diesem Vorgang dann unmittelbar dem Minister
zu berichten, der Minister gewissermaßen nicht nur einen
abstrakten Vorgang, sondern unwissend eine schon lau-
fende Untersuchung abgebrochen habe, hat der Zeuge
Schneiderhan geantwortet:
„Wenn Sie das so sagen, muss ich mir den Vor-
wurf wohl gefallen lassen.“502
cc) Begründung des Einstellungsbefehls sei-
tens des Bundesministeriums der Vertei-
digung
Generalinspekteur Schneiderhan sei seinerzeit der Auf-
fassung gewesen, Brigadegeneral Vollmer habe den Feld-
jägerführer zur Unterstützung nach Kunduz geschickt,
nicht zur Untersuchung gegen Oberst Klein. Oberstleut-
nant B. habe seinen Auftrag fehlinterpretiert, indem er
unangemessene Anklagepunkte im Feldjägerbericht fest-
gehalten habe.
503
Wörtlich hat der Zeuge Schneiderhan
dem Ausschuss erklärt:
„Ich will es noch mal klarstellen: In unserer Ent-
scheidung ‚keine nationale Untersuchung„ stand
obendran nicht der Feldjägerbericht, sondern die
Entscheidung: keine nationale Untersuchung.
Wenn man die getroffen hat, ist es konsequent und
logisch, den Feldjäger einzustellen, genauso wie
man dann sagt: Es wird nicht disziplinar ermittelt.
– Wir haben uns nicht über die Formen, nicht über
die Menschen und nicht über die Berichte unter-
halten, sondern über die Tatsache, dass es keine
nationalen Paralleluntersuchungen zu ISAF gibt.
Und eine solche wäre der Feldjäger gewesen, und
deshalb wurde er in diesem Verständnis unterbun-
den. So ist der Arbeitsablauf gewesen. Und über
das erste Grundsätzliche gab es Einverständnis,
Wichert und ich. Ich glaube auch, dass der Minis-
ter Jung darüber informiert wurde. Das, meine ich,
hätte Wichert gemacht; das weiß ich jetzt aber
auch nicht mehr. Und ich habe dann mit Glatz über
dieses Thema gesprochen, […].“504
501) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 19.
502) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 18.
503) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 3 f.
504) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 5.
dd) Keine Kenntnis des Befehls seitens des
Feldjägerführers
Oberstleutnant B. erhielt nach eigenen Angaben nie einen
solchen Auftrag seitens Brigadegeneral Vollmer. Ihm sei
nicht zur Kenntnis gelangt, dass er die Ermittlungen ein-
stellen solle, dass nunmehr die NATO untersuche und es
keine nationale Untersuchung gebe.
505
Vor dem Untersu-
chungsausschuss hat der Zeuge Oberstleutnant B. erklärt:
„Ich stimme nicht zu, das es einen derartigen Auf-
trag oder klaren Befehl oder – ich überlege jetzt
gerade – selbst zwischen den Zeilen Gesprochenes
des General Vollmer an mich gegeben hat.“506
Brigadegeneral Vollmer hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss dargestellt, es habe seinerseits einen Auftrag an
Oberstleutnant B. gegeben:
„Aus meiner Erinnerung: Ja. Ich meine, mich dar-
an erinnern zu können, kann Ihnen aber nicht das
Datum dazu sagen; denn nur aufgrund dessen ha-
ben wir ihn ja auch zurückgeholt aus Kunduz. An-
sonsten hätte er ja da selbstständig seinen Auftrag
abgebrochen. Das tut er nicht. Also muss ich ihm
zu gegebener Zeit das umgesetzt haben, befohlen
haben: Einstellen, zurückkehren, und damit ist das
ausgesetzt. – Also, das ist eindeutig. Das ist von
mir an Oberstleutnant B. auch so weitergegeben
worden.“507
ee) Abweichende Ansicht des Befehlshabers
Einsatzführungskommando der Bundes-
wehr
Generalleutnant Glatz hingegen habe großes Interesse an
der Einleitung einer nationalen Untersuchung gehabt und
bedauere, dass eine solche bis zum Zeitpunkt seiner Ver-
nehmung durch den Untersuchungsausschuss nicht erfolgt
sei.
508
Vor dem Untersuchungsausschuss hat er erklärt:
„Wenn es eine nationale Untersuchung gegeben
hätte und wenn diese nationale Untersuchung ge-
führt worden wäre, dann wäre ich als truppen-
dienstlich verantwortlicher Vorgesetzter dafür ver-
antwortlich gewesen, diese Untersuchung zu füh-
ren. Sie ist aber bis heute nicht geführt worden. Ich
habe nicht das Privileg gehabt, zum Beispiel, wie
Sie, den Oberst Klein zu vernehmen. Ich habe
nicht das Privileg gehabt, wie Sie, den Oberfeld-
webel W. zu vernehmen. Das heißt, mir fehlen eine
ganze Reihe von Kenntnissen und Einschätzungen,
um zu einem Urteil zu kommen.“509
Am 5. Oktober 2009 gab der Befehlshaber Einsatzfüh-
rungskommando Generalleutnant Glatz eine rechtliche
Bewertung des Feldjägereinsatzes durch das Regional-
kommando Nord in Auftrag. Darin heißt es:
505) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 19.
506) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 18.
507) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 8.
508) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 85.
509) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 74.
Drucksache 17/7400 – 82 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„3. Die Weisungsgrundlage für die Funktion und
die Tätigkeit der Military Police im Bereich
des RC N ergibt sich aus den HQ ISAF SOP
360 und RC N SOP 363. Hierbei wird festge-
legt, dass die MP neben der direkten Unters-
tützung der Auftragserfüllung im Rahmen der
Operationsführung, auch Untersuchungs- und
Ermittlungsfähigkeiten bereitzuhalten hat.
[…].
5. Im Rahmen der Unterstützung des Stabs RC
N und unter Abstützung auf die spezifischen
Fähigkeiten müssen die vorhandenen MP-
Kräfte zur Untersuchung eines derartigen
Ereignisses herangezogen werden. Bei dem
Bombenabwurf handelt es sich, wie auch in
der RC N SOP 363 aufgeführt, um ein in der
Öffentlichkeit und aufgrund der eingetretenen
Folgen, schwerwiegenden Sonderfall. Ein
solcher Sonderfall führt im Normalfall zur
Erstellung eines Military Police Incident Re-
port. Dieser soll so schnell als möglich erstellt
werden. Daran anschließen kann sich MP-
Report, mit den gewonnenen und abgeschlos-
senen Untersuchungsergebnissen. […].
7. Im vorliegenden Fall ist allerdings nach Ein-
treffen des IAT von den o. a. Möglichkeiten
kein Gebrauch gemacht worden. Insbesondere
wurden auch keine Ermittlungen nach natio-
nalen Vorschriften, z. B. disziplinare Ermitt-
lungen mit Unterstützung der MP vorgenom-
men, welche laut o. a. SOP in Verantwortung
der TCN gelegen hätten.
8. Daher wurde der PM [Provost Marshal –
Anm.] zulässigerweise als Beauftragter und
Beobachter des COM RC N eingesetzt, wel-
cher die gewonnenen Erkenntnisse zur Infor-
mation aufbereitet hat.“510
Generalleutnant Glatz wies am gleichen Tage an, diese
Bewertung der Adjutantur des Generalinspekteurs zu-
kommen zu lassen.
511
e) Unterscheidung zwischen Ermittlungen
des Feldjägerführers und nationaler Unter-
suchung
Um den Unterschied zwischen den Ermittlungen des
Feldjägerführers, aus denen der „Feldjägerbericht“ resul-
tierte und parallelen nationalen Untersuchungen – etwa
disziplinarrechtlichen – zu verdeutlichen, hat General
Schneiderhan vor dem Ausschuss ausgeführt:
„Wir müssen den Feldjägerbericht von anderen
Untersuchungen, die wir nicht gemacht haben,
jetzt trennen. Der Staatssekretär Wichert kannte
den Feldjägerbericht nicht. Auch das war meine
510) Einsatzführungskommando, Rechtliche Bewertung des Feldjäger-
einsatzes, Vermerk vom 5. Oktober 2009 (Dokument 76).
511) Rechtliche Bewertung (Fn. 510), Bl. 26 f.
Entscheidung; das ist mein Ding. […] Das andere
waren die Untersuchungen, die ich vorher andeute-
te – […] –, die in den disziplinaren Bereich hi-
neingegangen wären. Wir müssen sorgfältig tren-
nen. Den Feldjägerbericht habe ich aus dem Ver-
kehr gezogen und dahin geschickt, wo er ausge-
wertet gehört Und der hat ja dann auch gemeldet –
[…] –, dass der Bericht eingegangen ist und ein-
gestampft werden konnte. Damit war das für mich
auch erledigt mit dem Feldjägerbericht. Das andere
waren parallele nationale Untersuchungen, unter
Umständen sogar – […] – disziplinarrechtliche
Untersuchungen. Und das – das bleibt meine
Überzeugung – konnte zu diesem Zeitpunkt nicht
sein.“512
Zur Verdeutlichung des Unterschiedes zwischen einer
nationalen und einer NATO-Untersuchung hat General
a. D. Schneiderhan dem Untersuchungsausschuss erklärt:
„Nationale Untersuchungen folgen den internatio-
nalen Untersuchungen. Deshalb musste auch der
Feldjägerbericht […] dorthin gegeben werden, wo
die Verantwortung für die Untersuchung in der
Phase 1 lag, nämlich bei der NATO; dies tat er,
und dies tat er auch voll inhaltlich. Diese interna-
tionale Führungsstruktur wird erst verständlich in
ihrer Komplexität, wenn man die nationale dane-
benstellt.“513
Auf die Frage, wie es möglich sei, dass von deutscher
Seite ein Bericht, den der Provost Marshall erstellt, von
deutscher nationaler Seite gestoppt werde und nicht von-
seiten des COM ISAF, hat der Zeuge Schneiderhan er-
klärt, er habe nicht die Arbeit des Oberstleutnant B. als
Provost Marshall unterbunden, sondern den von Oberst-
leutnant B. auf deutsch abgefassten Bericht an Deutsche
gestoppt.
514
Zu seinem Umgang mit dem „Feldjägerbericht“ hat der
Zeuge Schneiderhan erklärt, dass er die Verantwortung
auf sich nehme, dass er so lange gebraucht habe, so lange
„gekäfert“ habe bis zu diesem „Feldjägerbericht“, bis er
dann den Weg gegangen sei, den er gegangen sei.
515
Staatssekretär Dr. Wichert war sich mit dem Generalin-
spekteur entgegen der militärischen Einschätzung von
Generalleutnant Glatz und Brigadegeneral Vollmer einig,
eine nationale Untersuchung ergebe keinen Sinn, nach-
dem COM ISAF angekündigt hatte, er mache einen eige-
nen Bericht auf der Basis des Berichts des Initial Action
Teams. Vielmehr habe man die ISAF-Untersuchung ab-
warten wollen. So habe er auch beim Minister votiert. Er
hat sich vor dem Ausschuss überrascht gezeigt über den
Umstand, dass auch die Untersuchungen der Feldjäger
abgebrochen worden seien. Wörtlich hat er ausgesagt:
„Dass dann umgesetzt wurde, nun sollen auch die
Feldjäger nicht weitermachen, das ist nicht zu
512) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 38 f.
513) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 4 f.
514) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 33.
515) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 45.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83 – Drucksache 17/7400
meiner Kenntnis gekommen, […]. Aber dass ein
Feldjägerbericht abgebrochen wurde oder eine
Feldjägeruntersuchung abgebrochen wurde, das
höre ich von Ihnen jetzt […] zum ersten Mal; denn
ich kann nur wiederholen, was ich vorhin sagte:
‚Wenn ich eine nationale Untersuchung für erfor-
derlich gehalten hätte, dann hätte ich dort ein ganz
anderes Team zusammengestellt, in dem vielleicht
auch Feldjäger gewesen wären, weil wir dort ge-
wisse forensische Erfahrungen inzwischen ange-
häuft haben.„ Aber eine nationale Untersuchung zu
dem Vorfall wäre natürlich nicht federführend in
die Hand der Feldjäger gelegt worden.“516
Paralleluntersuchungen durch die Bundeswehr seien ihm
nicht sinnvoll erschienen, da es niemals Zugang zu den
Quellen auf amerikanischer Seite gegeben hätte, insbe-
sondere was die Luftkriegsführung angehe oder die Vor-
gänge in den Befehlszentralen der Luftoperation.
517
Er
habe sich jedoch immer vorbehalten – sollte die NATO-
Untersuchung unvollständig, unfair, oder zulasten der
Bundeswehr sein, dann werde man eine eigene Untersu-
chung machen.
518
Zum Unterschied zwischen einer umfassenden nationalen
Untersuchung und dem Feldjägerbericht hat Dr. Wichert
erklärt:
„Die Feldjäger können doch nur einen ganz klei-
nen Teil abdecken. Ich sagte vorhin ja schon: Dass
die Feldjäger bei einem solchen Zwischenfall vor
Ort sind in angemessener Zeit, das ist Handwerk,
das ist selbstverständlich. Immer, wenn wir Zwi-
schenfälle haben, wenn auf Patrouillen geschossen
wird, wenn wir afghanische Bürger verletzen oder
gefährden, Verkehrsunfall, ist das Sache der Feld-
jäger. So ist es nur selbstverständlich, dass auch
bei diesem Vorfall die Feldjäger vor Ort waren.
Alles andere wäre also contra legem artis gewe-
sen.“519
5. Sonstige Untersuchungen
Parallel zu den Untersuchungen der ISAF führten die
afghanische Regierung, die Vereinten Nationen und das
Internationale Komitee des Roten Kreuzes eigene Unter-
suchungen vor Ort durch.
520
a) Untersuchung der afghanischen Regie-
rung, 4. September 2009
Auf Anordnung des Präsidenten der islamischen Republik
Afghanistan, Hamid Karzai, begab sich am 4. September
2009 eine nationale Untersuchungskommission in den
Distrikt Chahar Darreh der Provinz Kunduz.
516) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 29.
517) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 83.
518) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 91.
519) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 103.
520) Schneiderhan, Unterrichtung des Verteidigungsausschusses des
Bundestages am 8. September 2009, Kurzprotokoll-Nr. 16-112
(Dokument 77), S. 10.
Der durch die Untersuchungskommission vorgelegte
Bericht
521
datiert vom 10. September 2009 kam zu dem
Ergebnis, dass die Entführung der Tanklastzüge durch die
Taliban als Straßenräuberei und eine Tat gegen die Stabi-
lität, Sicherheit und Staatsgewalt in der Region gesehen
werde. Bei dem Luftangriff seien mehr als 150 Personen
getötet oder verletzt worden. Unter den Toten seien 69
Taliban gewesen, wovon 44 bewaffnet gewesen seien.
Von den zivilen Anwohnern seien 30 Personen getötet
und neun verletzt worden.
Der Angriff habe sich nicht gegen Zivilisten, sondern
gezielt gegen Taliban und deren Anhänger gerichtet. Die
Koalitionsstreitkräfte hätten eine umfassende Aufklärung
des Feindes am Ort durchgeführt und größte Anstrengun-
gen unternommen, zivile Verluste zu vermeiden. Mit dem
Luftschlag hätte der Feind wichtige Figuren seiner im
Aufbau befindlichen Strukturen verloren. Insgesamt sei
dieser Angriff ein „tödlicher und vernichtender Schlag“
gegen das sich im Aufbau befindliche Taliban-Netz ge-
wesen.
522
b) Untersuchung der Vereinten Nationen,
10. September 2009
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan
(UNAMA) sammelte Informationen über mögliche zivile
Opfer des Luftanschlags vom 4. September 2009. Über
die Art und Weise der Erhebungen ist dem Ausschuss
nichts bekannt geworden. Vorgelegt worden ist dem Aus-
schuss eine Liste vom 9. September 2009 mit den Namen,
Alter, Beruf und Anschrift von 109 Personen, die bei dem
Luftanschlag getötet, sowie von 33 Personen die verletzt
worden sein sollen.
523
Diese Liste erhielt der zivile Leiter
des PRT Kunduz, der Vortragende Legationsrat D., am
12. September 2009 von der UNAMA-Missionsleiterin
und leitete sie am selben Tag an das Auswärtige Amt
weiter.
524
In ihrem Jahresbericht 2009 über den Schutz von Zivilis-
ten im bewaffneten Konflikt spricht sie davon, dass der
Luftangriff nahe Omer Khel am 4. September 2009 das
Leben von vermutlich 74 Zivilisten gefordert habe, wo-
runter viele Kinder seien.
525
Der zivile Leiter des PRT Kunduz, der Zeuge D., teilte in
seiner E-Mail an das Länderreferat des Auswärtigen Am-
tes vom 12. September 2009 mit:
„[…] heute erhielt ich von der hiesigen UNAMA-
Leiterin eine ihr vom Manager des Distrikts Cha-
har Darreh überlassene Liste möglicher Opfer des
ISAF-Luftangriffs auf zwei geraubte Tanklastzüge
in der Nacht vom dritten auf den vierten Septem-
521) „Karzai-Bericht” (Fn. 122, Dokument 53).
522) „Karzai-Bericht” (Fn. 122, Dokument 53), Bl. 6.
523) E-Mail des zivilen Leiters PRT KDZ an AA-Referat 343 vom 12.
September 2009 mit UNAMA-Bericht über die Folgen des Ang-
riffs (Dokument 78).
524) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 11, 15.
525) UNAMA, Human Rights Kabul, Annual report on Protection of
Civilian in armed conflict, 2009 aus dem Januar 2010, S. 17 f.
(Dokument 79).
Drucksache 17/7400 – 84 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ber 2009 in Kunduz. […] Fraglich ist, wie die Lis-
te zu Stande gekommen ist (vermutlich auf der Ba-
sis von Befragungen der Bewohner in den umlie-
genden Dörfern durch Polizei und/oder Distrikt
Manager). […] Die Leiterin von UNAMA Kunduz
teilte mit, dass zu dieser Liste bereits ein Treffen
zwischen UNAMA und ISAF in Kabul stattgefun-
den hat. Eine Kommentierung seitens UNAMA zu
der Liste gebe es bislang nicht. Die Menschen-
rechtsabteilung von UNAMA arbeite aber an einer
ersten Bewertung der Liste.“526
c) Untersuchung des Internationalen Komi-
tees des Roten Kreuzes
Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK)
führte Untersuchungen durch. Das Ergebnis ist in einem
als VS-Vertraulich eingestuften Bericht niedergelegt und
dem Untersuchungsausschuss vorgelegt worden.
527
V. Unmittelbare Folgen des Luftangriffs
Die genaue Anzahl der durch den Luftangriff getöteten
und verletzten Menschen erwies sich als nicht feststellbar.
Ebenso wenig hat der Untersuchungsausschuss abschlie-
ßend feststellen können, bei wie vielen Opfern es sich um
Taliban oder um Zivilisten gehandelt hat (zur Schwierig-
keit der Unterscheidung siehe oben: III.4.c)bb)aaa), S. 55)
Die aus den verschiedenen Untersuchungen hervorgegan-
genen Berichte sowie die hierzu befragten Zeugen treffen
unterschiedliche Aussagen. Die Angaben variieren hierbei
zwischen insgesamt 14 und 142 Toten und zehn bis 33
Verletzten. Die Zahl der getöteten und verletzten Zivilis-
ten rangiert zwischen 14 bis 113 Toten und vier bis neun
Verletzten. Die Quellen, die dem Ausschuss zur Verfü-
gung gestanden haben, geben keinen zuverlässigen Auf-
schluss darüber, wie der jeweilige Status der Opfer ermit-
telt wurde.
1. Erkenntnisse des PRT Kunduz
a) Battle Damage Assessment Team
Das seitens des PRT Kunduz eingesetzte Battle Damage
Assessment Team, das am Vormittag des 4. September
den Einschlagsort untersuchte, fand dort kaum mehr Spu-
ren des Luftschlages vor.
528
Die vorgefundenen Spuren
ließen lediglich den Schluss auf 12 oder 14 getötete Per-
sonen zu.
529
526) E-Mail ziviler Leiter PRT KDZ an AA-Referat 343 (Fn. 523).
527) Mat. 17-14/14a, Tgb.-Nr. 01/10 – VS-VERTRAULICH.
528) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.
529) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 38.
b) Tactical Psychological Operations Team
des PRT Kunduz
Das Tactical Psychological Operations Team (TPT) des
PRT Kunduz ermittelte auf der Grundlage von Befragun-
gen der Bewohner des Dorfes Haji Amanmulla, eine Zahl
von 14 getöteten und vier verletzten Zivilpersonen aus
diesem Dorf.
530
Nach Informationen des Teams habe es
Kinder gegeben, die ihrem Vater aus Neugierde auf die
Sandbank gefolgt seien. Sie seien unter den Opfern des
Luftschlages.
531
Die Ergebnisse der Ermittlungen wurden
im anschließenden Auswertegespräch mit Oberst Klein im
PRT Kunduz vorgetragen.
532
Oberst Klein sei sehr be-
stürzt gewesen, als ihm von möglichen zivilen Opfern
berichtet wurde.
533
Der Leiter des TPT des PRT Kunduz, der belgische Stabs-
feldwebel B., hat hinsichtlich der Frage ziviler Opfer des
Luftangriffs in seiner Vernehmung vor dem Untersu-
chungsausschuss darauf hingewiesen, dass seine Untersu-
chung nur ein Teil der gesamten Untersuchung gewesen
sei. Es seien immer wieder andere Opferzahlen genannt
worden.
534
Es sei auch über vermutliche Opfer aus ande-
ren Dörfern gesprochen worden.
535
Der Zeuge fertigte in
seiner Eigenschaft als Leiter TPT Kunduz einen Bericht,
der auch eine Liste mit den Namen der Opfer enthält.
536
Anschließend schickte er diesen an das PRT Kunduz.
537
Der GEHEIM eingestufte Bericht ist dem Untersuchungs-
ausschuss vorgelegt worden und in die Beweisaufnahme
eingeflossen.
2. Erkenntnisse ISAF
a) Initial Action Team
Beim Eintreffen des Erkundungsteams auf der Sandbank
waren dort nur noch wenige Spuren des Luftschlages
vorhanden. Vor allem befanden sich dort zerstörtes und
ausgebranntes Material, die Tanklastzüge, ein Traktor und
Tierkadaver. Es fanden sich weder verletzte noch getötete
Personen vor Ort. Auf die Soldaten machte der Ereignis-
ort einen vielmehr „klinisch gereinigten“ Eindruck.538
Der Besuch des Initial Action Teams (IAT) im Provinz-
krankenhaus Kunduz am 5. September 2009 lieferte Er-
kenntnisse über verletzte Personen die zum Teil von de-
nen des Vortages abwichen. Gegenüber dem IAT wurde
von zwei Toten, acht von ihren Familien bzw. vom IKRK
nach Kabul verbrachten Verletzten und zwei im Hospital
530) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24; Auswertegespräch Kdr PRT
KDZ (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43.
531) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 31.
532) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35; Auswertegespräch Kdr PRT
KDZ (Fn. 395), Bl. 42.
533) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.
534) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 26.
535) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 32.
536) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24; angekündigt im Auswertege-
spräch Kdr PRT KDZ (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43.
537) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.
538) Auswertegespräch Kdr PRT KDZ (Fn. 395), Bl. 43; B., Protokoll-
Nr. 39, Teil II, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85 – Drucksache 17/7400
verbliebenen Verletzten berichtet. Diese Personen und
ihre anwesenden Verwandten gaben an, dass die nächtli-
che Information über kostenlosen Betriebsstoff sehr
schnell in den umliegenden Dörfern weitergegeben wor-
den sei und sich daher zahlreiche Zivilpersonen zum
Zeitpunkt der Bombenexplosion auf dem Weg oder um
den Ort des Vorfalls herum aufgehalten haben sollen.
539
Das deutsche Mitglied im IAT, Oberst i. G. N., präzisierte
in seinem Bericht:
„Am Vormittag des 5. September waren gegen
9 Uhr von den 12 eingelieferten Patienten vom
Vortag nur noch zwei anwesend. Nach Aussage
des Leiters des Krankenhauses starben zwei von
den Eingelieferten, vier wurden noch am 4. Sep-
tember durch ihre Angehörigen nach Kabul zur
Behandlung gebracht, vier weitere Personen wur-
den durch das IKRK nach Kabul verlegt.“540
Aus einem Gespräch mit den Distriktmanagern Chahar
Darreh und Aliabad ergab sich, dass ca. 80 Taliban getö-
tet wurden, darunter angeblich vier „foreign fighters“. 14
Bewohner der Ortschaft Quara Qheslag seien in der Nacht
von den Taliban gezwungen worden, sie bei der Bergung
der Tank-LKW bzw. der Ladung zu unterstützen, und
seien bei dem Luftschlag ums Leben gekommen.
541
Gegen 14 Uhr am 5. September 2009 sprach das IAT mit
Vertretern des Provinzrates Kunduz.
542
Hieraus ergab sich
eine Gesamtzahl von 73 Toten. Die Vertreter gingen da-
von aus, dass es sich bei den Toten ausschließlich um
Aufständische handeln müsse, da Zivilbevölkerung um
diese Uhrzeit auszuschließen sei. Auch die Kinder und
Heranwachsenden unter den Verletzten seien keine „Un-
beteiligten“ gewesen.543
Abweichend hiervon hat die Zeugin Dr. Erfan, ebenfalls
Mitglied im Provinzrat Kunduz, gegenüber dem Untersu-
chungsausschuss folgendes ausgesagt:
„Sie wissen, dass wir einen Fastenmonat Ramadan
haben. Der Monat ist natürlich heilig. Man wacht
aber auf um die Uhrzeit. Vor dem Morgengrauen
muss man natürlich noch einmal essen. Aufgrund
der Armut, nachdem man das gehört hat und es
viel Krach gegeben hat, sind die Leute halt dorthin
und am Geschehensort erschienen.
544
[…] Sie sind
wegen des Benzins dort hingegangen. Die Leute
sind sehr arm, und das war dann eine gute Gele-
genheit, etwas Benzin abzuzapfen.“545
Am Ende veranschlagte das IAT die Zahl der Getöteten
aufgrund der gewonnenen ersten Eindrücke auf 125. Be-
539) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 7.
540) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 4 f.
541) „N.-Bericht“ (Fn. 141), Bl. 5 f.
542) Gesprächsprotokoll des Feldjägerführers: Auswertegepräch IAT
mit Vertretern Provinzrat KDZ und mit Vertretern AFG Ermitt-
lungsteam aus KBL, Anlage 27 zum „Feldjägerbericht“
(Dokument 80).
543) Auswertegespräch IAT (Fn. 542), Bl. 63 f.
544) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 6.
545) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.
reits zu Beginn stellte das IAT fest, dass es absolut keinen
Zweifel daran habe, dass eine große Anzahl an Aufständi-
schen getötet und verletzt wurde. Es ging allerdings mit
„an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ davon aus,
dass auch Zivilpersonen getötet und verletzt wurden.
546
b) Erkenntnisse des Joint Investigation
Board
Dem ISAF-Untersuchungsbericht ist zu entnehmen, dass
die Quellenangaben zu unbeteiligten Opfern zwischen 17
und 142 Getöteten oder Verwundeten variieren.
547
3. Erkenntnisse der afghanischen Untersu-
chungskommission
Der Untersuchungsbericht für den Präsidenten der islami-
schen Republik Afghanistan Hamid Karzai
548
hält folgen-
den Überblick über die Personenschäden infolge der
Bombardierung fest:
– getötete Taliban: 69 Personen,
– getötete Anwohner: 30 Personen,
– verwundete Taliban: 11 Personen,
– zivile Verwundete: neun Personen,
– Gesamtzahl der getöteten und verwundeten Taliban:
80 Personen,
– Gesamtzahl der getöteten und verwundeten Anwoh-
ner: 39 Personen.
549
4. Erkenntnisse der Vereinten Nationen
Dem Ausschuss hat eine Liste für die UN-Mission
UNAMA vorgelegen, die zu 109 getöteten und 33 verletz-
ten Personen, also insgesamt 142 geschädigten Personen,
gelangt. Auch darin wird nicht zwischen Aufständischen
und Zivilisten differenziert. Diese Liste soll der UNAMA-
Leiterin in Kunduz vom Manager des Distrikts Chahar
Darreh überlassen worden sein. Erkenntnisse, wie diese
Liste zu Stande gekommen kam, liegen nicht vor. Wahr-
scheinlich dürfte sie ebenfalls auf Befragungen der Be-
wohner in den umliegenden Dörfern durch den Distrikt-
manager oder die Polizei beruhen. Eine Kommentierung
seitens der UNAMA liegt nicht vor.
550
546) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415, Doku-
ment 69), Bl. 52 f.
547) Dienst vor der Bundespressekonferenz am 30. Oktober 2009
(Dokument 81). Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.
548) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53).
549) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53), Bl. 2; Schneiderhan,
Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.
550) UNAMA-Bericht (Fn. 523, Dokument 78), Bl. 3; vgl. auch:
Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122), S. 39.
Drucksache 17/7400 – 86 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Erkenntnisse der afghanischen unabhän-
gigen Menschenrechtskommission AIHRC
Der Bericht der afghanischen unabhängigen Menschen-
rechtskommission AIHRC, an der sich auch die Bundes-
regierung im Rahmen ihrer „freiwilligen humanitären
Unterstützungsleistungen“ orientiert, listet 102 Tote als
Opfer des Luftangriffs namentlich auf.
551
6. Erkenntnisse des Internationalen Roten
Kreuzes
Die Ergebnisse der Untersuchung des Komitees des Inter-
nationalen Roten Kreuzes sind in einem VS-
VERTRAULICH eingestuften Bericht festgehalten.
7. Sonstige Erkenntnisse
a) HUMINT-Kontakt
Der HUMINT-Kontakt meldete unmittelbar nach dem
Bombenabwurf, es habe etwa 70 Tote gegeben, dabei
zwei Führer der Aufständischen, und keine zivilen Op-
fer.
552
b) Zeugin Dr. Habibe Erfan
Die Zeugin Dr. Erfan, Mitglied des Provinzrates Kunduz,
war hinsichtlich des Luftangriffs Zeugin vom Hörensa-
gen. Sie hat berichtet, dass die Bevölkerung sie aufgrund
ihrer Mitgliedschaft im Provinzrat Kunduz (Schura) gebe-
ten habe, hinsichtlich der Folgen des Luftangriffs für die
örtliche Bevölkerung tätig zu werden.
553
Im Rahmen ihrer
Nachforschungen vor Ort habe sie festgestellt, dass nur
wenige Taliban durch den Luftschlag getötet worden
seien und dass es sich bei der Mehrzahl der Opfer um
solche aus der Zivilbevölkerung handele. Genaue Anga-
ben über die Anzahl der getöteten Taliban habe sie
nicht
554
:
„Die Taliban haben ja natürlich keinerlei Ver-
bindung zu uns gehabt, sodass wir diese Zahlen
vonseiten der Taliban nicht haben.
555
[…] Wir
können doch nicht zu den Taliban gehen und In-
formationen über sie holen. Wir sind aber hinge-
gangen und haben mit den lokalen Persönlichkei-
ten gesprochen und haben gefragt, was da los war.
Und dann haben wir unseren Bericht zusammen-
gestellt. Aber wir haben uns nicht an die Taliban
gewandt, und das wollten wir auch nicht.“556
„Wir haben Dokumente über unsere Mandanten,
die nachweisen, dass diese keine Taliban sind. Zu-
sätzlich haben wir uns auch auf Zeugenaussagen
551) Liste mit Opfern des Luftschlages (Dokument 82).
552) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18; Offener Einstellungsvermerk
des Generalbundesanwalts (Fn. 122, Dokument 52), S. 37.
553) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 4.
554) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 5.
555) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 10.
556) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 12 f.
von Teilen der Bevölkerung bezogen, um eine sol-
che Statistik aufzustellen.“
Auf die Frage, ob sie bei der Bevölkerung gefragt habe,
ob die Getöteten Angehörige der Taliban gewesen seien,
hat die Zeugin geantwortet:
„Wir hatten keinen Anlass sowas zu fragen.557
Sie habe eine Statistik auf Grundlage von Aussagen der
Bevölkerung erstellt, wonach im Ergebnis 113 Tote und
sieben Verletzte zu beklagen gewesen seien. Sie denke,
25 bis 26 Schulkinder seien dabei gewesen.
558
Aufgrund
der Personalausweise sowie der Unterlagen, die in den
Schulen über diese Schüler vorhanden gewesen seien,
habe sie dies feststellen können.
559
60 bis 70 der Opfer
des Luftangriffs hätten zudem Wahlausweise gehabt.
560
Zu ihrer Vorgehensweise hat die Zeugin dem Ausschuss
erklärt:
„Anfang November 2009 sind ich und Frau Z. mit
Helfern unseres Arbeitsteams zum Geschehensort
gegangen. Wir sind von Haus zu Haus gegangen.
Es war sehr schwierig, dort die Untersuchung
durchzuführen. Damit wir nicht selber gefährdet
werden, haben wir die Hilfe der Einheimischen in
Anspruch genommen. Wir haben gesehen, dass
viele Leute dort getötet worden sind. Wir wollten
Dokumentationen hierzu herstellen. Wir hatten ja
eine Statistik, weil die Bevölkerung, die zu uns
gekommen war, gesagt hat, dass 179 Getötete dar-
unter waren. 20 Personen waren verletzt. Weitere
22 Personen wurden dann weiterhin auch behan-
delt.
Aufgrund der verschiedenen Unterlagen, die wir
zusammengestellt hatten, hatten wir dann auch
Zeugen mit Namen und Adressen gesammelt und
hatten auch die Familien der betroffenen Leute, die
getötet worden sind, gesammelt, sodass wir die
Statistik erfassten, dass 113 Menschen getötet
worden sind, und sieben Personen waren verwun-
det.“561
Mit zwei Verletzten habe sie Gespräche führen können.
562
Sie beschrieb die Verletzungen als Verbrennungen. Teil-
weise hätten die Verletzten auch kein Gefühl in den Ar-
men gehabt.
563
„Dann kam vom Gesundheitsministerium der
stellvertretende Minister Faizullah Kakar zu uns
und brachte einige Akten zu den verwundeten Per-
sonen, die zeigten, dass viele Personen verwundet
worden sind. Wir haben dann unsere Untersuchun-
gen über den Bezirksvorsteher vervollständigt, wie
viele Kinder getötet worden sind. Die getöteten
557) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 6.
558) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.
559) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.
560) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 16.
561) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 4.
562) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 8.
563) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 87 – Drucksache 17/7400
Kinder waren Schulkinder. Wir konnten durch den
Direktor und durch die Lehrer der Schulen wieder
eine Liste zusammenstellen.“564
c) Amnesty International
Vom 30. Oktober 2009 datiert eine Liste von Amnesty
International, die Name, Alter und Herkunftsort von 83
mutmaßlichen zivilen Opfern des Luftschlages nennt. Sie
wurde durch die Dorfältesten erstellt und übergeben.
565
d) Darstellung des Lastwagenfahrers
Der Zeuge A. M. hat ausgesagt, dass sich bis zum Luft-
schlag beide LKW-Fahrer auf der Sandbank befunden
hätten und am Leben gewesen seien. Die Taliban hätten
ihm gegenüber erklärt, dass es ihnen nur auf die Tank-
lastwagen ankomme und keine Notwendigkeit bestehe,
ihn und den anderen LKW-Fahrer zu töten. Er und der
zweite LKW-Fahrer hätten dann unter Bewachung der
Taliban gestanden. Als es kälter geworden sei, habe der
zweite LKW-Fahrer erklärt, dass er friere und er sich in
der Fahrerkabine seines Tanklastwagens ausruhen wolle.
Etwa zehn Minuten vor dem Luftangriff habe er sich in
die Fahrerkabine begeben. Beim Luftangriff auf die Tank-
lastwagen sei der zweite Fahrer ums Leben gekommen.
Wörtlich hat der Zeuge A. M. ausgesagt:
„Sie [Taliban, Anm.] haben uns nur gesagt, dass
wir nicht getötet werden brauchen. Also, sie hatten
nicht getötet. Sie wollen nur das Material, was in
dem Tanklaster hat, einfach dann nehmen. Das ist
alles. […] Die Taliban haben auf uns aufgepasst,
damit wir nicht fliehen. Das Wetter wurde dann
natürlich kälter. Das Wetter war kalt. Der LKW-
Fahrer sagte, dass es kalt ist. Er möchte ein bis-
schen sich ausruhen. Ich habe gesagt: Gehe ich
nicht; ich bin alleine dann hier. – Er soll dableiben.
– Er sagte: Nein. Das Wetter ist kalt. – Er möchte
sich ausruhen. – Ein paar Minuten sind vergangen,
da kamen dann die Luftschläge. Das heißt, zehn
Minuten vor dem Luftangriff war er noch am Le-
ben. Nein, auf ihn ist nicht geschossen worden.
Nur durch den Luftangriff ist er getötet worden.
[…] Wenn die Taliban ihn getötet haben, dann hät-
ten sie mich auch töten können. […] der andere
Lastwagen [Fahrer, Anm.] war in seiner Kabine
und schlief, als dann der Luftschlag kam. Er ist al-
so in seiner Kabine dann getroffen worden. Das
heißt, seinen Leichnam hat man aus der Kabine he-
rausgeholt. […] Von den Lastwagen war ich viel-
leicht 15 bis 20 Meter entfernt.“566
Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung hat der Zeuge
A. M. ausgeführt:
564) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 3.
565) Amnesty International, „Document – Afghanistan: Background to
the Kunduz airstrike of 4 september 2009” vom 30. Oktober 2009
(Dokument 83).
566) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 4 f.
„Nur, im Nachhinein natürlich kann man dann
nicht sagen, von welcher Seite er [der zweite
LKW-Fahrer, Anm.] getötet worden ist, ob er von
den Taliban, also mit Gewehren erschossen wurde
oder von dem Luftbombardement.
567
[…] Ich habe
nicht gesehen, dass irgendein Talib ihn erschossen
hätte. Wenn die Taliban ihn erschossen haben,
warum haben sie dann mich nicht getötet als Last-
wagenfahrer ebenfalls? Nein, ich kann über 90
Prozent sagen, dass dieser Lastwagenfahrer nicht
von den Taliban getötet worden ist.“568
Gemäß der Aussage des Zeugen A. M. konnten die beiden
Beifahrer fliehen und hätten den Luftangriff überlebt:
569
„Bevor der Luftangriff gestartet wurde, konnten
sie fliehen. Das heißt, sie haben den Luftangriff
überlebt. Die Taliban waren zu stark beschäftigt
mit Benzinverteilung, sodass sie die Flucht der
beiden nicht beobachten konnten.“570
Er selbst habe Verletzungen am Finger der rechten Hand
und am linken Fuß davongetragen.
571
567) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 8.
568) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 16.
569) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 8.
570) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 14.
571) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 7.
Drucksache 17/7400 – 88 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
C. Erste Entwicklungen und Reaktionen bis zur Regierungsbildung am 27. Oktober 2009
I. Erste Reaktionen der internationalen Öf-
fentlichkeit
1. Presse und Rundfunk
Bereits in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009
meldete die Nachrichtenagentur Agence France-Presse
(AFP) unter Berufung auf Offizielle und Zeugen, bei
einem NATO-Luftschlag auf von Taliban entführte Tank-
lastwagen seien Dutzende ums Leben gekommen, darun-
ter auch Zivilisten. Nach Auskunft des regionalen Polizei-
chefs Baryalai Basharyar Parwani seien mehr als 60
Personen verletzt oder verwundet worden. Ein Sprecher
der afghanischen Regierung habe von mindestens einer
getöteten Person gesprochen. Ein Sprecher der ISAF habe
gegenüber AFP bestätigt, dass es ein NATO-Luftschlag
gewesen sei. Nach Angaben eines AFP-Reporters dräng-
ten sich Verletzte mit Brandwunden im Krankenhaus in
Kunduz. Davon seien etwa acht in schrecklichem Zu-
stand. Genaue Zahlen seien nicht verfügbar.
Bezugnehmend auf diese AFP-Meldung berichtete BBC
News am frühen Morgen des 4. September 2009 um
5.41 Uhr britischer Zeit (GMT) von dem NATO-
Luftschlag. Unter der Überschrift „Scores die in Afghan
explosion“ war von 90 Getöteten die Rede. Die Zahlen
seien aber noch nicht bestätigt. Als die Taliban bombar-
diert wurden, seien Zivilisten aus der Umgebung bei ih-
nen gewesen.
572
2. ISAF-Hauptquartier und NATO-General-
sekretär
Das Hauptquartier der ISAF in Kabul kündigte in einer
Presseerklärung vom 4. September 2009 an, mit einer
gründlichen Untersuchung den Berichten über getötete
oder verletzte Zivilisten nachzugehen. Solche Berichte
würden von der ISAF sehr ernst genommen. ISAF habe
auf eine große Zahl von Aufständischen gezielt, die zwei
Tanklastzüge gestohlen hätten. Auch wenn sich der Luft-
schlag eindeutig gegen die Aufständischen gerichtet habe,
werde ISAF alles Notwendige unternehmen, um der örtli-
chen Gemeinde zu helfen, einschließlich medizinischer
Hilfe oder einer Evakuierung. ISAF bedaure jeden unnö-
tigen Verlust menschlichen Lebens und sei sehr besorgt
über das Leid, welches dieser Einsatz den afghanischen
Freunden zugefügt haben mag.
573
Gegenüber dem afghanischen Fernsehen versprach Gene-
ral McChrystal eine umfassende Untersuchung. „Als
Kommandeur der ISAF ist mir nichts wichtiger als die
Sicherheit und der Schutz des afghanischen Volkes. […]
572) Anhang einer innerhalb des Bundeskanzleramtes versandten E-
Mail vom 4. September 2009 (vgl. unten: C.II.3.a)ff), S. 121),
Dokument 84.
573) ISAF, Pressemitteilung Nr. 2009-664 (Dokument 85).
Ich nehme den möglichen Verlust von Menschenleben
oder die Verletzung unschuldiger Afghanen sehr ernst.“574
Der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen
äußerte, es sei „möglich, dass es auch zivile Opfer gab,
aber das ist noch nicht klar“. Es werde eine Untersuchung
geben.
575
In Konflikten wie diesen könnten „natürlich
Fehler passieren“. Das afghanische Volk müsse wissen,
dass der NATO alles daran liege, es zu schützen.
576
3. Äußerungen am Rande des Außenminis-
ter-Treffens
Am Rande eines informellen Treffens der Außenminister
der Mitgliedstaaten der Europäischen Union („Gymnich-
Treffen“) am 4. und 5. September 2009 in Stockholm
äußerten sich die Vertreter einiger Mitgliedstaaten zu dem
Luftanschlag. Der Außenminister der Französischen Re-
publik Bernard Kouchner sprach laut Presseberichten von
einem großen Fehler („grosse erreur“). Die Strategie der
internationalen Truppen in Afghanistan müsse sein, mit
dem afghanische Volk zusammenzuarbeiten – nicht, es zu
bombardieren („pas de le bombarder“). „Wir müssen so
etwas verhindern.“ David Miliband, damaliger Außenmi-
nister des Vereinigten Königreichs, forderte eine sofortige
Untersuchung. Die NATO-Mission bedürfe der Unterstüt-
zung durch die Afghanen. Offensichtlich würde diese
durch solche Ereignisse unterminiert.
577
Der Ministerprä-
sident des Königreichs Spanien José Luis Rodríguez Za-
patero wurde mit den Worten zitiert, der Angriff sei „be-
dauerlich“ und „nicht hinnehmbar“. Der Außenminister
des Königreichs Schweden Carl Bildt habe erklärt, das
tägliche Sterben in dem Konflikt müsse so stark wie mög-
lich verringert werden. Jeder Tote sei eine Tragödie und
durch Töten werde man diesen Krieg nicht gewinnen.
Zu den Äußerungen der Außenminister sagte der Sprecher
des Auswärtigen Amtes Jens Plötner am 7. September
2009 vor der Bundespressekonferenz:
578
„Es hat sich jetzt so verhalten, dass am Freitag
nach der Sitzung, in der ganz andere Themen Ge-
574) BBC News vom 5. September 2009, 17.01 Uhr (GMT), „US
general sees strike aftermath“ (Dokument 86); New York Times
vom 5. September 2009, „NATO Strike Magnifies Divide on
Afghan War“ (Dokument 87).
575) Der Spiegel vom 4. September 2009, 14.24 Uhr, „Uno fordert
Ermittlungen zu Luftangriff auf Tanklaster“ (Dokument 88);
Frankfurter Rundschau vom 5. September 2009, „Viele Tote, vie-
le Fragen“ (Dokument 89); Süddeutsche Zeitung vom 5. Septem-
ber 2009, „Bundeswehr befiehlt Luftangriff – viele Tote“
(Dokument 90).
576) The Guardian vom 4. September 2009, 13.47 Uhr BST, „Nato air
strike in Afghanistan kills scores“ (Dokument 91); Der Tages-
spiegel vom 5. September 2009, „Unklare Lage“ (Dokument 92).
577) BBC News vom 4. September 2009, 20 Uhr (GMT), „Nato pled-
ges Afghan strike probe“ (Dokument 93); The Independent vom
4. September 2009, „Nato airstrike kills 90 in Afghanistan“
(Dokument 94).
578) Plötner, Bundespressekonferenz vom 7. September 2009
(Dokument 57), Bl. 42 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89 – Drucksache 17/7400
genstand waren, die Außenminister, um rechtzeitig
vor Redaktionsschluss ihre Kollegen zu bedienen,
vor die Presse traten und dort mit einem Agentur-
bild konfrontiert worden sind, in dem von Opfern
die Rede war und in dem zum Teil von sehr vielen,
auch zivilen Opfern, die Rede war – all das natür-
lich weit bevor die Untersuchung, auf die hier re-
gelmäßig Bezug genommen wird, abgeschlossen
war. Vor dem Hintergrund dieser Fragen haben
sich die Außenminister so geäußert, wie sie sich
geäußert haben. […] Die Diskussion unter den
Außenministern war am Samstag dann auch schon
wesentlich sachlicher und fundierter, weil bis da-
hin die Möglichkeit bestand, sich ein differenzier-
teres Lagebild zu machen.“
Auf Weisung des Auswärtigen Amtes vom 7. September
2009 hatten die Vertretungen der Bundesrepublik
Deutschland bei der EU, in Luxemburg, Paris, Rom und
Stockholm wegen des Luftangriffs in den jeweiligen Au-
ßenministerien zu demarchieren. Bei dem Luftschlag sei
„eine bisher nicht geklärte Zahl von Aufständischen“
verstorben; offen sei, ob sich unter den Opfern auch
„Nicht-Kombattanten“ befanden. Eine Untersuchung
durch die ISAF sei abzuwarten. Für „vorschnelle Urteile“
bestehe „kein Anlass“. Die Bundesregierung habe „mit
Verwunderung Äußerungen am Rande des Gymnich-
Treffens der AM in Stockholm zur Kenntnis genommen,
dass die Entscheidung für den Lufteinsatz in Kunduz ein
‚schwerer Fehler„ gewesen sei bzw. gegen ISAF-
Einsatzregeln verstoßen habe. […] Solche Äußerungen
schaden nicht nur dem ISAF-Gesamteinsatz, sie stellen
auch eine erhebliche Belastung für den weiteren DEU
Einsatz und dessen innenpolitischen Rückhalt [dar].“ Es
werde gebeten, entsprechende öffentliche Kommentare
vor Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zu unter-
lassen.
579
II. Kenntniserlangung durch die Bundesre-
gierung und interne Berichterstattung
1. Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung
Der Untersuchungsausschuss hat sich mit der Frage be-
fasst, welche Informationen, beginnend vom PRT Kunduz
innerhalb des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums
der Verteidigung (BMVg) wann an welche Stelle bis hin
zum Bundesminister der Verteidigung weitergeben wur-
den.
a) Regionalkommando Nord in Masar-i-
Scharif
Die fünf regionalen Wiederaufbauteams (PRT) im Norden
Afghanistans, zu denen auch das PRT Kunduz gehört,
werden vom multinationalen ISAF-Regionalkommando
579) E-Mail vom 7. September 2009 mit Weisung zur Demarche
(Dokument 95).
Nord (RC N) in Masar-i-Scharif geführt.
580
Kommandeur
des RC N war zum damaligen Zeitpunkt Brigadegeneral
Jörg Vollmer. Dieser bekleidete gleichzeitig das Amt des
Kontingentführers Deutsches Einsatzkontingent ISAF und
war in dieser nationalen Funktion der nächste Diszipli-
narvorgesetzte von Oberst Klein.
aa) Meldungen und Informationserlangung am
4. September 2009
Am 4. September 2009 war das Regionalkommando Nord
nach Darstellung des Zeugen Brigadegeneral Vollmer in
erster Linie bemüht, möglichst viele Informationen über
den Luftschlag und dessen Folgen zu sammeln, um sich
ein erstes Lagebild zu verschaffen. Der Zeuge Vollmer hat
in seiner Vernehmung betont, dass alle Informationen
unverzüglich an das Einsatzführungskommando der Bun-
deswehr in Potsdam weitergegeben worden seien.
581
Di-
rekte Kontakte ins Bundesministerium der Verteidigung
habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben.
582
aaa) Erstmeldung über den Luftschlag gegen
3 Uhr
Nach dem Luftschlag verfasste Oberst Klein am Morgen
des 4. September 2009 zusammen mit dem JTAC eine
Meldung über den erfolgten Luftangriff nebst den vermu-
teten Folgen. Ausgehend von 70 anwesenden Personen
auf der Sandbank und einer angenommenen Trefferquote
von 80 Prozent wurde die Zahl der vermutlich Getöteten
mit 56 angegeben. Diese Meldung wurde vom Gefechts-
stand des PRT Kunduz um 3.13 Uhr afghanischer Ortszeit
an den Gefechtsstand des Regionalkommandos Nord in
Masar-i-Scharif übermittelt. Wörtlich hat der Zeuge
Oberst i. G. Klein ausgesagt:
„Ich hatte Ihnen gesagt, wir gingen von 70 Perso-
nen da aus, davon 80 Prozent getroffen; deswegen
die 56. […] Diese Meldung ist dann an meinen
Gefechtsstand gegangen und ist gegen 3 Uhr nach
meiner Erinnerung Richtung Masar gegangen.“583
Eine persönliche Unterrichtung des Kommandeurs Re-
gionalkommando Nord durch ihn erfolgte nach Darstel-
lung des Zeugen Oberst i. G. Klein zu diesem Zeitpunkt
nicht:
„Die offiziell geforderte Meldung ist pünktlich auf
dem vorgesehenen Weg nach Masar-i-Scharif
übermittelt worden, allerdings nicht an General
Vollmer persönlich, sondern von meinem Ge-
fechtsstand an seinen Gefechtsstand in Masar-i-
Scharif.“584
580) Internetauftritt des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
(www.einsatz.bundeswehr.de).
581) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
582) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 12.
583) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 54.
584) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 26.
Drucksache 17/7400 – 90 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bbb) Unterrichtung von Brigadegeneral Vollmer
um 7.45 Uhr
Die Information, dass am Morgen des 4. September 2009
im Raum Kunduz auf Veranlassung des Oberst Klein ein
Luftangriff durchgeführt worden war, erhielt Brigadege-
neral Vollmer nach seiner Aussage um 7.45 Uhr desselben
Tages:
„An dem 4. September […] um 7.45 Uhr erhalte
ich die Information, dass in der Nacht um circa
1.50 Uhr im PRT Kunduz auf Befehl und Ent-
scheidung des PRT-Kommandeurs zwei Bomben
abgeworfen worden sind in der Flussschleife des
Kunduz River und dabei – so lautet die Meldung,
und so ist sie ja auch schriftlich hier eingestellt
worden […] 56 getötete Insurgents, Aufständische,
und 14 davon geflüchtet oder plus 14 geflüch-
tet.“585
Brigadegeneral Vollmer zeigte sich verärgert, erst zu
diesem Zeitpunkt unterrichtet worden zu sein und leitete
Maßnahmen zur Sachverhaltsfeststellung ein:
„Die Reaktion war die, zunächst einmal Sach-
standsfeststellung zu machen, und das auf der
Grundlage – das gebe ich hiermit auch zu Proto-
koll –, mit der Verärgerung, erst um diese Uhrzeit
davon zu erfahren. Das sind Verfahrensfehler ge-
wesen, auch bei uns in der so genannten JOC, also
Joint Operation Center, wo diese Meldung ange-
kommen ist in der Nacht und dann eben entspre-
chend nicht Reaktionen zeitgemäß ergriffen wur-
den; die Verärgerung deshalb, um auch das deut-
lich zu machen, weil uns das viel Zeit gekostet hat,
wie wir auch entsprechend darauf reagieren.“586
Zum Verfahren, wie innerhalb des Gefechtsstandes (JOC)
Meldungen zu bearbeiten sind, hat der Zeuge Brigadege-
neral Vollmer erklärt:
„Die Verfahren sahen es vor, dass bei solchen
Ereignissen zunächst mal der JOC Director ent-
scheidet, wenn er diesen INTSUM hat oder diesen
Bericht hat von 3.13 Uhr, der dort eingegangen ist,
wo er entscheiden muss dann entsprechend: Den
Kommandeur informieren oder nicht? – Es ist aber
nicht eindeutig und sauber, klar geregelt gewesen
zu dem Zeitpunkt, weil Sie nicht sagen können: Ab
einer Zahl x wecken Sie mich und ab einer Zahl
minus x eben entsprechend nicht. Insofern sind da
viele Dinge nicht sauber und rund gelaufen.“587
Gemäß seiner Einlassung vor dem Untersuchungsaus-
schuss schloss der Kommandeur RC N bereits zu diesem
Zeitpunkt für sich nicht aus, dass unter den Getöteten
auch zivile Opfer gewesen sein könnten:
„Zu dieser dezidierten Meldung, die da lautete: ‚56
plus 14„, habe ich gesagt: Das ist etwas, was wir
585) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 1.
586) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 1.
587) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 4.
überprüfen müssen, was wir sehr sorgfältig prüfen
müssen und was dann auch aus meiner Einschät-
zung von Beginn an zu meiner persönlichen Ein-
schätzung geführt hat, dass ich sage: Wir werden
immer damit rechnen müssen, dass wir gegebenen-
falls auch zivile Opfer haben in dieser Gemengela-
ge, die Sie dort vor Ort haben und wie ich sie sel-
ber über Monate erlebt habe. Aber das ist meine
persönliche Einschätzung gewesen, die zu gewich-
ten ist zu dem, was den Oberst Klein dort in der
Nacht zu diesem Entschluss geführt hat.“588
ccc) Telefonat von Brigadegeneral Vollmer mit
Oberst Klein
Etwa um 8 Uhr ließ sich Brigadegeneral Vollmer die
Ereignisse der vergangen Nacht telefonisch von Oberst
Klein schildern.
589
ddd) Zusammenstellung eines Ermittlungs-
teams
Brigadegeneral Vollmer informierte in der Folge seinen
Stab und ließ unter Leitung des Feldjägerführers im Ein-
satz ein eigenes Ermittlungsteam, das nach Kunduz verle-
gen sollte, zusammenstellen (s.o. B IV. 4.). Diese Situati-
on hat der Zeuge Brigadegeneral Vollmer wie folgt dar-
gestellt:
„Ich habe dann sofort, nachdem ich das hatte, mei-
nen engeren Stab zusammengeholt, habe sie darü-
ber informiert, was passiert ist, habe mich mit ih-
nen beratschlagt, und die Entscheidungen waren
eigentlich klar: Das, was dann sofort passiert und
was Sie tun müssen, ist, dass Sie entsprechend ein
eigenes Ermittlungsteam nach Kunduz schicken.
Das haben wir dann zusammengestellt unter Füh-
rung des Feldjägerführers,[…], also erst mal ein
eigenes Ermittlungsteam, weil ich wissen wollte:
‚Was passiert da?„ […] Dann liefen parallel Tele-
fonate, Informationen nach Deutschland, zum Ein-
satzführungskommando über das, was mein Sach-
stand war.“590
eee) Videokonferenzen mit dem Hauptquartier
ISAF
Im Laufe des 4. September 2009 fanden zum Zwecke der
Beratung und des Informationsaustausches insgesamt drei
Videokonferenzen zwischen dem Regionalkommando
Nord und dem Hauptquartier (HQ) ISAF in Kabul statt.
Teilnehmer aus Deutschland waren zu diesen Konferen-
zen nicht zugeschaltet. An einer gegen 17 Uhr
591
durchge-
führten Videokonferenz nahm neben dem Kommandeur
588) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
589) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 6.
590) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
591) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 24.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91 – Drucksache 17/7400
der ISAF auch der Kommandeur des Allied Joint Force
Command in Brunssum, General Ramms, teil.
592
In diesen Besprechungen betonte Brigadegeneral Vollmer
regelmäßig, dass zivile Opfer nicht auszuschließen seien.
Die Protokolle dieser Sitzungen seien unverzüglich dem
Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam
vorgelegt worden.
Der Zeuge hat des Weiteren ausgeführt, dass General
McChrystal über die Informationsweitergabe innerhalb
des Hauptquartiers (HQ) ISAF sowie im Bereich des
Regionalkommandos Nord (RC N) verärgert gewesen sei.
Insbesondere habe er das, so Vollmer wörtlich, „Sehr-
spät-am-nächsten-Morgen-informiert-Werden“ sowohl im
RC N in Masar-i-Scharif als auch im HQ ISAF in Kabul
moniert, weil es Reaktionszeit gekostet habe. Des Weite-
ren habe er alle Teilnehmer vor Spekulationen gewarnt
und „sorgfältige Ermittlungen“ gefordert.593
fff) Telefonate mit afghanischen Dienststellen
Zwecks Informationsbeschaffung und -austausches führte
der Kommandeur Regionalkommando Nord nach seiner
Aussage am 4. September 2009 Telefonate mit dem
Kommandeur des 209. Korps der Afghan National Army
(ANA) sowie seinen Gesprächspartnern bei der Polizei
und dem National Directorate of Security (NDS).
594
ggg) Gespräch mit dem Deputy Chief of Police
Kunduz
Um 14.30 Uhr Ortszeit fand in Kunduz ein Gespräch
zwischen dem Kommandeur des PRT Kunduz und dem
Deputy Chief of Police Kunduz, Colonel Aqtash Rahman,
statt. Colonel Rahman berichtete über die Ergebnisse
einer zusammen mit einer Delegation des Innenministe-
riums vor Ort durchgeführten Untersuchung der Afghan
National Police (ANP). Demnach seien nach Zeugenaus-
sagen ca. 50 bis 60 bewaffnete Personen getötet worden.
Frauen und Kinder hätten sich nicht darunter befunden.
Unter den Verletzten habe sich auch ein Kommandeur der
Taliban befunden. Alle getöteten Personen seien Helfer
der Taliban gewesen, um die Fahrzeuge beweglich zu
machen.
595
hhh) Meldung über den Verbleib der beiden
Tanklastwagenfahrer
Am 4. September 2009 meldete der Offizier im militäri-
schen Nachrichtenwesen des Regionalkommandos Nord
auf Grundlage einer Meldung des PRT Kunduz dem
Kommandeur RC N, dass einer der beiden Tanklastwa-
genfahrer in der Nacht von den Taliban getötet worden
sei, als sich dieser geweigert habe, eine Flussfurt zu über-
queren. Der andere LKW-Fahrer sei geflüchtet und habe
592) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 15.
593) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 15, 53.
594) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
595) Gesprächsprotokoll COM PRT KDZ/Dep Chief Police KDZ
(Dokument 96).
sich mit der afghanischen Polizei in Verbindung ge-
setzt.
596
iii) Veränderung des Daily Intelligence Sum-
mary vom 4. September 2009
Am Abend des 4. September 2009 ging im Regional-
kommando Nord ein so genannter Daily Intelligence
Summary (INTSUM), also ein Tagesbericht des PRT
Kunduz, ein. Nach Darstellung des Zeugen Schneiderhan
wurden derartige Meldungen täglich verfasst und dem
Einsatzführungskommando der Bundeswehr zur Auswer-
tung übersandt.
597
Das INTSUM war von der Abteilung J2 des PRT Kunduz
erstellt und von deren Leiter, Oberstleutnant K., geneh-
migt worden.
598
Dieser hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss erklärt, dass Grundlage des Berichts die Debrie-
fings der Schutzkompanie, Informationen der ANP
599
sowie die Informationen aus einem Gespräch mit Oberst
Klein gewesen seien.
600
Dem Kommandeur des Regionalkommandos Nord wurde
dieser Bericht am Nachmittag des 4. September 2009
vorgelegt.
601
Dieser Bericht enthielt eine Passage, die sich
mit möglichen zivilen Opfern beschäftigte.
602
Um 17.25 Uhr wurde Generalleutnant Glatz das INTSUM
des PRT Kunduz vom Regionalkommando Nord vorge-
legt. Das Deckblatt des INTSUM versah Generalleutnant
Glatz mit folgender handschriftlichen Notiz:
„04/09/09, BG Vollmer, 1815h, J2 PRT KDZ ein-
gestellt ohne(!) Genehmigung, C/S und/oder COM
PRT KDZ
– Wenn das so stimmt u. durch COMPRT bestä-
tigt werden sollte, ist das ein Verstoß gegen
die Tactical Directive des COM ISAF. Denn
dann hätte man schlimmsten Falls CIVCAS in
Kauf genommen […]
– BG V. wird disziplinar ermitteln. Anzeige an
COM ISAF
– BG V. hat gegen 20.00 (OZeit) veranlasst,
dass dies aus dem Netz genommen wird.“603
Gemäß seiner Aussage habe Brigadegeneral Vollmer ihn
telefonisch darüber unterrichtet, dass das INTSUM weder
mit Genehmigung des Kommandeurs noch des Chefs des
Stabes des PRT Kunduz in das Netz eingestellt worden
sei.
604
596) Schreiben CJ2 MeS an Kdr RC North vom 4. September 2009
(Dokument 97).
597) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 28.
598) K., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 21.
599) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 60.
600) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 20.
601) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2 f.
602) Deckblatt des INTSUM (Dokument 98).
603) Deckblatt des INTSUM (Fn. 602).
604) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 48.
Drucksache 17/7400 – 92 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Seine Bewertung des INTSUM hat Generalleutnant Glatz
in seiner Vernehmung als Zeuge dargelegt:
„Für mich war diese darin enthaltene Begründung
weder nachvollziehbar noch akzeptabel – ja, sie
hat mich entsetzt. […] [Meine, Anm.] Bewertung,
dass, wenn das so stimme und durch COMPRT
[Oberst i. G. Klein, Anm.] bestätigt werden sollte,
man gegen die Tactical Directive des COM ISAF
verstoßen haben könnte und damit schlimmsten-
falls zivile Opfer in Kauf genommen haben könn-
te, bildete aus meiner und Brigadegeneral Vollmers
Sicht nach meiner Erinnerung den Grund für die
Absicht einer Überführung der reinen Sachstand-
sermittlungen, die er mit der Entsendung seines
Teams unter Leitung des Feldjägerführers Oberst-
leutnant B. begonnen hatte, in disziplinare Ermitt-
lungen.“
„Dieser INTSUM war jedoch zu dem damaligen
Zeitpunkt die einzige schriftliche Meldung des
PRT Kunduz zu möglichen zivilen Opfern. Er ba-
sierte auf einem HUMINT Report, der mir zu die-
sem Zeitpunkt noch nicht bekannt war und der [...]
nicht valide war. Er bedurfte somit daher einer
weiteren Überprüfung und Bestätigung. Außerdem
standen die Aussagen des INTSUM inhaltlich im
Widerspruch zu den bis dahin vorliegenden Mel-
dungen des PRT Kunduz gegenüber Brigadegene-
ral Vollmer und mir. Die Überprüfung und Korrek-
tur dieses INTSUM war nach meiner Bewertung
und vor dem Hintergrund der erwähnten Weisung
des COM ISAF, General McChrystal […] folge-
richtig und sowohl fachlich als auch sachlich be-
gründet.“605
Brigadegeneral Vollmer habe sich verärgert gezeigt, da
die Meldung dem ihm bis zu diesem Zeitpunkt vorliegen-
den Meldebild widersprochen habe.
Brigadegeneral Vollmer hat seine diesbezüglichen Aktivi-
täten gegenüber dem Untersuchungsausschuss damit
gerechtfertigt, er habe den INTSUM nur deshalb aus dem
Netz nehmen lassen, weil er nicht von Oberst Klein gebil-
ligt gewesen sei und Oberst Klein ihm gegenüber den
gesamten Tag lang geäußert habe, es habe keine zivilen
Opfer gegeben.
606
Dies habe der Zeuge Vollmer persön-
lich auch so gegenüber Oberst Klein kommuniziert.
607
Er
selbst habe aber keinen Einfluss auf konkrete Änderungen
des INTSUM genommen, dies habe er vielmehr der Füh-
rung des PRT Kunduz überlassen.
608
„Ich habe den Telefonhörer in die Hand genom-
men, habe mit Kunduz telefoniert und habe gesagt:
Ist das das, was jetzt der Sachstand ist, und ist das
auch das, was der PRT-Kommandeur gebilligt hat?
Dabei hat sich rausgestellt: Er hatte diesen
INTSUM überhaupt nicht gesehen. Das heißt, der
605) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 65.
606) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 3.
607) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 12.
608) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 49.
PRT-Kommandeur, der verantwortlich ist für diese
Meldung und der ja auch eine ganz andere bisher
abgibt, hat das nicht gesehen. Daraufhin habe ich
mich entschlossen – ich habe einen Befehl erteilt –
und habe gesagt: Diesen INTSUM habt ihr wieder
zurück. Ich möchte ihn vorgelegt haben, gebilligt
durch den PRT-Kommandeur, weil ich in meiner
Funktion, auch als der Vorgesetzte von Oberst
Klein, zu bewerten habe, was er getan hat, und da-
für will ich einen klaren Sachstand haben: Was
stimmt jetzt: das oder das, was jetzt hier schriftlich
gemeldet worden ist? Deswegen habe ich das wie-
der zurückgegeben. Dann, einige Stunden später,
habe ich das bekommen. Dort ist es dann heraus-
genommen worden, aber damit auch vom PRT-
Kommandeur gebilligt.“609
Hierzu erklärte der Zeuge Oberstleutnant K., der den
INTSUM ursprünglich erstellt und nachträglich auch
verändert habe, keineswegs von der Führung des PRT zu
der Veränderung des INTSUM angehalten worden zu
sein. Er habe diese Veränderung vielmehr allein nach
Einflussnahme telefonischer Art durch RC North vor-
nehmen müssen.
610
Er sei dabei von seinem Vorgesetzten
nicht aufgefordert worden, einen bestimmten Satz aus
dem INTSUM zu streichen, sondern die Frage der Zivil-
personen noch mal zu prüfen.
611
Am Abend des 4. September 2009 ging im Einsatzfüh-
rungskommando der Bundeswehr der von Oberst Klein
autorisierte INTSUM ein. Generalleutnant Glatz vermerk-
te auf dem Deckblatt:
„Dies ist das gem. Weisung COM RC (N) korri-
gierte INTSUM des PRT KDZ (!), das gestern
wieder aus dem ISAF-Netz herausgenommen wor-
den war, da Details noch nicht valide nachgeprüft
waren.“612
bb) Meldungen und Informationserlangung am
5. September 2009
Am 5. September 2009 begab sich Brigadegeneral Voll-
mer persönlich nach Kunduz.
613
Nach seiner Ankunft um
12.30 Uhr informierte ihn der Feldjägerführer im Einsatz,
Oberstleutnant B., über die bis dahin gewonnenen Er-
kenntnisse.
614
Über die Art der gelieferten Informationen,
die zum Teil auch telefonisch übermittelt wurden, hat der
Zeuge Brigadegeneral Vollmer ausgesagt:
„Er hat das weitergegeben, was entsprechend aus
den Gesprächen, in denen er mit dabei war, nach-
dem dann die Kommission aus Kabul da gewesen
ist – Das war die Berichterstattung des Kompanie-
chefs der Schutzkompanie, der mit seiner Kompa-
609) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 3.
610) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 60 f. und 68.
611) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 63.
612) Deckblatt für INTSUM Nr. 19, Mat. 17-26, Ordn. 1, Teil 2,
Bl. 100, Tgb.-Nr.26/10 – GEHEIM.
613) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 25.
614) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93 – Drucksache 17/7400
nie dann um 12.30 Uhr round about unten gewesen
ist, die von einer insgesamt sehr freundlich ge-
stimmten Bevölkerung aufgenommen worden sind,
die vor Ort an dem Platz, wo die beiden Tanklast-
wagen vernichtet worden sind, Tierkadaver noch
gefunden haben und einen insgesamt sehr aufge-
räumten Ort vorgefunden haben. Das sind die Din-
ge, die er mir gemeldet hat.“615
Brigadegeneral Vollmer besichtigte in Kunduz zusammen
mit General McChrystal die Bombenabwurfstelle und
besuchte später ein Krankenhaus in Kunduz.
616
Der Zeuge
Vollmer hat erklärt, es sei ihm im Krankenhaus unmög-
lich gewesen, zwischen Taliban und Zivilisten zu unter-
scheiden.
617
Gemäß seiner Aussage erlangte Brigadegeneral Vollmer
im Laufe des 5. September 2009 Informationen darüber,
dass durch den Luftschlag auch zivile Personen getötet
worden waren:
„[…] an dem 5. September, als wir die Gespräche
geführt haben, […] mit den Distriktmanagern, und
ab Mittag war ich dann in Kunduz mit vor Ort. Ich
bin dann bei diesen Gesprächen dabei gewesen,
und bei diesen Gesprächen, in denen alle […] Dist-
riktmanager, immer wieder betont haben, wie
dankbar sie sind – ich muss leider das Wort benut-
zen; das ist ihres über diesen Luftschlag –, dass es
längst überfällig gewesen sei – jetzt im Konjunktiv
– und man eben dabei auch nicht ausschließen
kann, dass gegebenenfalls der eine oder andere aus
dem Dorf dort mit zu Tode gekommen ist – Und
einer der Indikatoren dafür – meine persönliche
Bewertung – ist gewesen: Wenn […] gemeldet
wird, dass 14 Männer aus einer Moschee gezwun-
gen werden, zu der Stelle am Fluss zu gehen und
dort Arbeitsdienste zu leisten, dann ist das nicht
zwangsläufig einer, den ich jetzt als Aufständi-
schen einschätze, sondern wo ich davon ausgehen
muss: Der ist nicht freiwillig da unten an dieser
Stelle.“618
Diese Einschätzung resultierte aus einer persönlichen
Bewertung der vorliegenden Informationen. In seiner
Vernehmung hat der Zeuge Vollmer klargestellt, dass es
sich hierbei um keine gesicherten Erkenntnisse gehandelt
habe:
„Ich kann nur noch mal zum Ausdruck bringen,
dass aus meiner Bewertung vor Ort ich nicht aus-
schließen konnte, dass es eben auch zu zivilen Op-
fern gekommen sein kann. […] Ich kann nur war-
nend den Finger heben und sagen: Achtung, meine
persönliche Bewertung; viele Gespräche geführt;
aber es ist weder verifiziert; es ist nicht bestätigt.
Und ich kann Ihnen auch nicht sagen, wann es
denn eigentlich wirklich konkret am Ende bestätigt
615) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 13.
616) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 34.
617) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 38.
618) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 6.
ist; denn nach meinem Kenntnisstand – jetzt auch
lange weg – und nach all dem, was ich ja auch nur
noch durch Hörensagen erfahre – ich kenne die
Berichte ja nicht –, weiß ich nicht, was jetzt ab-
schließend eigentlich der Stand ist beim Umfang
der Zahlen, sondern hier ist immer wieder: war-
nend nur den Finger gehoben.“619
aaa) Meldung über einen ins Krankenhaus
Kunduz eingelieferten verletzten Jungen
Am Mittag des 5. September 2009 gingen im PRT Kun-
duz und im Regionalkommando Nord Informationen ein,
wonach im Krankenhaus in Kunduz mehrere Verletzte
mit Brand- und zum Teil auch mit Schrapnellwunden
aufgenommen worden seien. Unter den Patienten habe
sich ein vermutlich 14-jähriger Junge befunden. Zur In-
formationsübermittlung hat der Zeuge Brigadegeneral
Vollmer ausgesagt:
„Das lief zweigestalt. Das eine lief über den ver-
antwortlichen Leitenden Sanitätsoffizier im Re-
gionalkommando Nord, der seine Telefonate ge-
führt hat mit dem Einsatzlazarett in Kunduz, und
zum anderen über den Oberstleutnant B. selber, die
am späten Nachmittag – ich meine, um 17 Uhr
dann – im Krankenhaus gewesen sind und dort
dann sich mit dem Arzt auch vor Ort unterhalten
haben. Dem vorausgegangen waren am Mittag be-
reits Telefonate mit dem – ich nenne ihn jetzt so –
Klinikdirektor, dem afghanischen, von dem wir
dann erfahren haben, dass es mehrere verwundete
einmal dort Aufgenommene gibt, verletzte Patien-
ten mit Brandwunden, einige auch mit Schrapnell-
wunden, darunter auch vermutlich ein vom Alter
her schwer Einzuschätzender, aber vermutlich 14-
Jähriger. So ist es gemeldet worden, und das Gan-
ze am Abend noch mal.“620
Nach Darstellung des Zeugen Oberst i. G. Klein waren die
eintreffenden Meldungen teilweise widersprüchlich:
„Nach den Meldungen meines beratenden Sani-
tätsoffiziers, Oberstarzt Dr. B., waren die Informa-
tionen zu Zahlen und Alter der Verletzten und der
Verletzungsmuster widersprüchlich. Es wurden
beispielsweise am 5. September zwei minderjähri-
ge Patienten, circa 11 und 13 Jahre, gemeldet. Der
eine hatte Metallsplitter im Oberschenkel, der an-
dere hatte eine offene Unterschenkelfraktur. Beide
hatten keine Verbrennungen. Von diesen beiden
Kindern war am nächsten Tag nur noch eins vor
Ort. Ich will also sagen: Wir hatten widersprüchli-
che Meldungen in der gesamten Zeit von unter-
schiedlichen afghanischen Quellen.“621
619) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 9 f.
620) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 13.
621) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 21.
Drucksache 17/7400 – 94 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bbb) Pressekonferenz des Kommandeurs der
ISAF
Nach Angaben des Zeugen Vollmer erklärte der Kom-
mandeur der ISAF, General McChrystal, in einer Presse-
konferenz am 5. September 2009, dass nicht auszuschlie-
ßen sei, dass der Luftschlag auch zivile Oper gefordert
habe.“622
Über die Pressekonferenz und über die mit General
McChrystal geführten Gespräche wurde nach Aussage des
Zeugen Brigadegeneral Vollmer das Einsatzführungs-
kommando der Bundeswehr in Potsdam unterrichtet.
623
cc) Fertigstellung und Übergabe des so ge-
nannten Feldjägerberichtes am 9. Septem-
ber 2009
Am 9. September 2009 legte der Feldjägerführer im Ein-
satz, Oberstleutnant B., seinen „Untersuchungsbericht
zum „Close Air Support KUNDUZ“ vom 4. September
2009 Brigadegeneral Vollmer vor. Nach Aussage des
Zeugen Brigadegeneral Vollmer existierten davon zwei
Exemplare, eine DVD und ein Ordner mit einer DVD, die
ihm beide von Oberstleutnant B. ausgehändigt worden
seien. Ein Exemplar sei im Einsatzland verblieben, die
zweite DVD habe Oberstleutnant B. am 12. September
2009 als Kurier nach Deutschland gebracht und am Mor-
gen des 13. September 2009 im Einsatzführungskomman-
do der Bundeswehr „in der dortigen Operationszentrale
abgegeben“.624 Wörtlich hat der Zeuge Brigadegeneral
Vollmer ausgesagt:
„Der Oberstleutnant B. hat dann, weil er dann sei-
nen Dienstposten übergeben hat, diesen gesamten
Bericht – alles das, was er bis dahin ermittelt hatte,
was er zusammengeführt hatte an Quellen, an Un-
terlagen – zusammengefasst und mir diesen Be-
richt dann vorgelegt am 9. September, quasi im
Rahmen seiner Übergabe an seinen Nachfolger. Er
hat gesagt: Ich übergebe jetzt. Jetzt schließe ich
das für mich noch ab und übergebe Ihnen diese
Unterlagen.
625
Den in Masar-i-Scharif verbliebenen Bericht habe sich
der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der
Bundeswehr, Generalleutnant Glatz, während eines späte-
ren Besuches in Afghanistan aushändigen lassen und
diesen mit nach Deutschland genommen.
626
Als Grund dafür, dass er den Bericht mit nach Deutsch-
land nahm, hat der Zeuge Glatz vor dem Untersuchungs-
ausschuss angegeben:
„Bei meiner ersten Afghanistanreise nach dem
Luftangriff, vom 15. bis 19. 9., bin ich am 17. 9. in
Kunduz […] im Zimmer des PRT-Kommandeurs
angerufen worden durch den Oberst R., dass der
622) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 37.
623) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 37.
624) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11.
625) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 8.
626) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 23.
General Schneiderhan Wert darauf lege, dass die-
ser Feldjägerbericht ganz eng – ‚close hold„ hat er
damals, glaube ich, gesagt – gehalten werde, und
dass ich gebeten wurde, das Exemplar des Feldjä-
gerberichtes, was noch bei COM RC North lag –
dort gab es nur eine Ausfertigung – mit zurückfüh-
ren sollte nach Deutschland und im Kommando
bei mir unter Verschluss nehmen sollte. Das habe
ich auch getan.“627
b) Einsatzführungskommando der Bundes-
wehr in Schwielowsee bei Potsdam
Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr (Ein-
sFüKdoBw) in Schwielowsee bei Potsdam führt als ope-
rative Führungsebene grundsätzlich alle nationalen und
multinationalen Einsätze der Bundeswehr. Die Führer der
Kontingente in den Einsatzgebieten erhalten von dort ihre
nationalen Weisungen. Die Weiterleitung von Informatio-
nen aus den Einsatzkontingenten nach Deutschland und
umgekehrt in die Einsatzkontingente erfolgt über das
Einsatzführungskommando der Bundeswehr.
Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bun-
deswehr ist seit dem 22. April 2009 Generalleutnant Rai-
ner Glatz. Gegenüber dem Generalinspekteur der Bun-
deswehr trägt dieser die Verantwortung für die Führung
der ihm unterstellten Einsatzkräfte. Truppendienstlich ist
er dem Inspekteur der Streitkräftebasis unterstellt.
628
aa) Meldungen und Informationserlangung am
4. September 2009
aaa) Meldung an die Operationszentrale des
Einsatzführungskommandos der Bundes-
wehr
Am 4. September 2009 ging in der Operationszentrale des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr um
0.45 Uhr mitteleuropäischer Zeit (MEZ) über „JOC
Watch“ die Meldung ein, wonach in Kunduz/Afghanistan
um 1.49 Uhr afghanischer Ortszeit ein Luftschlag gegen
zwei Tanklastwagen durchgeführt worden sei, bei dem
etwa 56 Aufständische getötet worden seien.
629
bbb) Informationsweitergabe auf dem Fach-
strang Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Um 5.15 Uhr MEZ informierte der Public Affairs Officer
(PAO) des PRT Kunduz den Sprecher vom Dienst im
Einsatzführungskommando der Bundeswehr über den
erfolgten Luftschlag. Dieser gab die Information an den
Sprecher vom Dienst des Presse- und Informationsstabes
627) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 72.
628) Internetauftritt des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
(www.einsatz.bundeswehr.de).
629) JOCWatch-Meldung (Dokument 99).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 95 – Drucksache 17/7400
im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) wei-
ter.
630
(1) Um 6.42 Uhr eingestellte Meldung
Um 6.30 Uhr übermittelte der Presse- und Informations-
stab im Bundesverteidigungsministerium dem Sprecher
vom Dienst im Einsatzführungskommando der Bundes-
wehr folgenden vom Leiter des Einsatzführungsstabes im
BMVg gebilligten Textbaustein zur Veröffentlichung:
„Erfolgreicher Einsatz gegen Aufständische im
Raum Kunduz
In der Nacht zum Freitag den 04.09.2009 wurden
durch Aufständische an einem vorgetäuschten
Checkpoint, ungefähr 7 km südwestlich vom Pro-
vincial Reconstruction Team (PRT) KUNDUZ,
gegen 1.50 Uhr Ortszeit zwei beladene Tanklast-
züge gekapert, um den Treibstoff für eigene Zwe-
cke in den Distrikt Chahar Darah zu verbringen.
Dabei wurden sie aufgeklärt und um 2.30 Uhr
Ortszeit erfolgreich bekämpft. 56 Aufständische
wurden getötet, Zivilpersonen kamen nicht zu
Schaden. Deutsche Kräfte verzeichneten keine
Schäden.
Ansprechpartner für die Presse: Einsatzführungs-
kommando der Bundeswehr“631
Um 6.42 Uhr wurde diese Meldung auf die Internetseite
„www.bundeswehr.de“ eingestellt.632
(2) Erste um 8.34 Uhr vorgenommene Ände-
rung der Meldung
Um 8.34 Uhr wurde die Meldung im Wesentlichen dahin-
gehend geändert, dass der Satz „Zivilpersonen kamen
nicht zu Schaden.“ gestrichen wurde.633
(3) Zweite um 8.39 Uhr vorgenommene Ände-
rung der Meldung
Die Meldung im Internet wurde um 8.39 Uhr im zweiten
Absatz erneut geändert. Sie lautete nunmehr:
„…56 Aufständische wurden getötet. Zivilisten kamen
vermutlich nicht zu Schaden. Deutsche Kräfte verzeichne-
ten keine Schäden. Der Vorfall wird derzeit unter-
sucht.“634
(4) Meldung am 6. September 2009, 15.47 Uhr
Die Meldung im Internet erfuhr in den nächsten Tagen
weitere Änderungen. Am 6. September 2009 wurde um
630) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß zum Luft-
angriff vom 4. September 2009 EinsFüKdoBw/KdoFOSK,
Mat. 17-26, Ordn. 1, Tgb.-Nr.26/10 – GEHEIM, Bl. 8.
631) Textbausteine für www.bundeswehr.de (Dokument 100).
632) Textbausteine (Fn. 631), Bl. 16.
633) Textbausteine (Fn. 631), Bl. 16.
634) Textbausteine (Fn. 631, Dokument 100), Bl. 17.
15.47 Uhr auf der Internetseite www.bundeswehr.de ein-
gestellt:
„Erfolgreicher Einsatz gegen Aufständische im
Raum Kunduz
In der Nacht zum Freitag den 04. September 2009
wurden durch Aufständische an einem vorge-
täuschten Checkpoint, ungefähr 7 km südwestlich
vom Provincial Reconstruction Team (PRT)
KUNDUZ, vor Mitternacht zwei beladene Tank-
lastzüge gekapert, um den Treibstoff für eigene
Zwecke in den Distrikt Chahar Darah zu verbrin-
gen.
Sie wurden aufgeklärt und um 1.49 Uhr Ortszeit
erfolgreich bekämpft. Nach derzeitigen Erkenn-
tnissen wurden über 50 Aufständische getötet, Un-
beteiligte kamen vermutlich nicht zu Schaden.
Deutsche Kräfte verzeichneten keine Schäden. Das
Headquarter ISAF hat die Ermittlungen zum Vor-
fall aufgenommen.
Zur detaillierten Untersuchung der Ereignisse in
der vergangenen Nacht hat der Kommandeur des
PRT Kunduz eigene Kräfte angesetzt. Die deut-
schen Kräfte erreichten gegen 12.30 Uhr afghani-
scher Ortszeit den Ort de Ereignisse und haben mit
der Untersuchung begonnen.
Gegen 13.09 Uhr afghanischer Ortszeit wurden
diese Kräfte von Aufständischen mit Handfeuer-
waffen beschossen, erwiderten das Feuer und setz-
ten ihren Auftrag fort.
Ansprechpartner für die Presse: Einsatzführungs-
kommando der Bundeswehr.“635
ccc) Unterrichtung des Befehlshabers des Ein-
satzführungskommandos der Bundeswehr
über den Luftschlag
Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der
Bundeswehr wurde am 4. September 2009 um 6.15 Uhr
MEZ über den Luftschlag unterrichtet. Der Zeuge Glatz
hat dazu in seiner Vernehmung ausgesagt:
„Ich bin am 4. 9. um 6.15 Uhr mitteleuropäischer
Zeit durch meine Operationszentrale unterrichtet
worden, dass es einen Luftangriff in Kunduz gege-
ben habe, dass vermutlich 56 Insurgents getötet
worden seien bei diesem Luftangriff und 14 geflo-
hen seien. Ich habe dann die Rückfrage gestellt, ob
die Meldung an das BMVg bereits erfolgt sei; mir
wurde versichert, dass es gleich anschließend ge-
macht wurde.“636
Angesprochen auf den Umstand, dass die Meldung bereits
um 0.45 Uhr eingegangen war, hat der Zeuge Glatz er-
klärt, für die späte Unterrichtung keine befriedigende
Antwort erhalten zu haben:
635) Textbaustein (Dokument 101).
636) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62.
Drucksache 17/7400 – 96 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Warum das in der Nacht nicht aufgefallen ist,
kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich kann Ihnen
auch nicht sagen, warum das im Ministerium nicht
aufgefallen ist, im Führungszentrum der Bundes-
wehr, wo man JOC Watch auch lesen kann.“
Er habe daher als Sofortmaßnahme angewiesen, dass
„diese JOC Watch kontinuierlich gelesen wird, auch des
Nachts.“637
Hinsichtlich des Luftschlages hat der Zeuge Glatz weiter
ausgeführt, die Brisanz des Vorganges sofort erkannt zu
haben:
„Ich habe die Bedeutung und die Brisanz dieses
Vorganges von Anfang an erkannt und habe diesen
Vorgang mit entsprechend hoher Priorität behan-
delt. Ich habe ihn auch persönlich begleitet, was
Sie, wenn Sie in die Akten des Einsatzführungs-
kommandos hineinschauen, aufgrund meiner Viel-
zahl von Verfügungen auch nachvollziehen kön-
nen, und ich habe dem BMVg unverzüglich alle
Informationen, die ich hatte, zur Verfügung ge-
stellt.“638
Gegen 7.25 Uhr habe er mit Brigadegeneral Vollmer tele-
foniert. Der Zeuge Generalleutnant Glatz hat dazu ausge-
führt:
„Er wies mich in diesem Telefongespräch explizit
darauf hin, dass er nach seiner persönlichen Ein-
schätzung, obwohl er zu diesem Zeitpunkt über
keine eigenen Erkenntnisse verfüge, zivile Opfer
nicht ausschließen könne.“639
ddd) Telefonat mit dem Leiter des Einsatzfüh-
rungsstabes
Am Morgen des 4. September 2009 erfuhr Generalleut-
nant Glatz gemäß seiner Einlassung in einem Telefonat
mit dem Leiter des Einsatzführungsstabes im BMVg,
Konteradmiral Krause, von der Pressemeldung aus
www.bundeswehr.de. Der Zeuge Glatz hat diesbezüglich
ausgesagt:
„Ich habe nach Rücksprache mit dem Konteradmi-
ral Krause – das muss noch vor dieser VTC um
8 Uhr gewesen sein – von ihm erfahren – ich kann-
te die Pressemeldung und das Statement zu diesem
Zeitpunkt noch nicht –, dass es eine Abstimmung
zwischen dem Einsatzführungsstab und dem IP-
Stab gegeben hat, in dem das Pressestatement ab-
gesegnet worden ist, was um 6.30 Uhr – das habe
ich dann erst im Laufe des Vormittags erfahren,
und dann habe ich es auch gesehen – in das Netz
eingestellt worden ist über die entsprechenden
Server beim Streitkräfteamt.“640
637) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 81.
638) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62.
639) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62.
640) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 84.
eee) Morgendliche Videokonferenz mit dem
Stellvertreter des Generalinspekteurs der
Bundeswehr
Im Rahmen einer um 8 Uhr MEZ
641
durchgeführten Vi-
deokonferenz mit dem Stellvertretenden Generalinspek-
teur der Bundeswehr, Generalleutnant Dora, dem stell-
vertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr und
Inspekteur der Streitkräftebasis, Vizeadmiral Kühn, dem
Leiter Einsatzführungsstab im BMVg, Konteradmiral
Andreas Krause sowie dem stellvertretenden Chef des
Stabes des Führungsstabes der Streitkräfte (Fü S), Briga-
degeneral Steiner, informierte Generalleutnant Glatz
gemäß seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss
über den Luftschlag und berichtete von dem Inhalt des
Telefonats mit Brigadegeneral Vollmer. Demnach seien
nach ersten Informationen 56 Aufständische getötet wor-
den, 14 Aufständische seien geflohen. Generalleutnant
Glatz habe in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit
ziviler Oper hingewiesen.
642
Wörtlich hat er als Zeuge
dazu erklärt:
„Ich habe ihm die Informationen aus dem Telefon-
gespräch mit General Vollmer vorgetragen und ha-
be zur Frage nach zivilen Opfern darauf hingewie-
sen, bestärkt durch die Ausführungen von General
Vollmer, auch auf meine Zweifel an der Darstel-
lung des Kontingentes, dass ausschließlich Insur-
gents getötet worden seien, und mahnte zur Vor-
sicht an, da ich diese Darstellung aufgrund meiner
militärischen Erfahrung – ich glaube, ich habe
dann später in einem Aktenvermerk, der auch in
den Akten ist, ‚Bauchgefühl„ geschrieben – für
unwahrscheinlich hielt.“643
fff) „Erste rechtliche Bewertung“
Um 9.56 Uhr erreichte das Einsatzführungskommando
der Bundeswehr eine „erste rechtliche Bewertung des
Vorfalls“ durch den Rechtsberaterstabsoffizier
20. Deutsches Einsatzkontingent ISAF in Masar-i-Scharif.
Darin wird festgestellt, dass der Kommandeur des PRT
Kunduz grundsätzlich befugt gewesen sei, einen Waffen-
einsatz anzuordnen. Die Frage, ob die Voraussetzungen
für den Waffeneinsatz im konkreten Fall vorlagen, wurde
nicht geprüft.
644
ggg) Mögliche zivile Opfer laut einer ISAF-
Presseerklärung
Gegen 10 Uhr erhielt Generalleutnant Glatz nach seiner
Aussage die Information, dass es laut einer Presseerklä-
rung von ISAF auch Opfer unter Zivilisten gegeben habe.
Wörtlich hat der Zeuge Glatz ausgeführt:
641) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630,
Dokument 99), Bl. 10.
642) Vermerk Glatz vom 4. September 2009 (Dokument 102).
643) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62 f.
644) DEU EinsKtgt ISAF, Erste rechtliche Bewertung Vorfall KDZ
(Dokument 103).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97 – Drucksache 17/7400
„Am 4. 9. erhielt ich dann kurz vor 10 Uhr einen
Telefonanruf vom Adjutanten des Generalinspek-
teurs, dem Oberst im Generalstab R., der mich dar-
auf hinwies, nach dem man Informationen erhalten
habe, dass auch Zivilisten betroffen seien. Kurz
vor 10 Uhr sandte er mir eine E-Mail […] mit ei-
nem Pressestatement aus dem Hauptquartier ISAF
in Kabul, die überschrieben war mit dem Titel –
ich übersetze jetzt – ‚Einziges Statement zu Kun-
duz„. In diesem Statement hieß es:
‚ISAF hat Informationen erhalten, nach denen
während dieses Angriffs Zivilisten getötet und
verwundet wurden, und ISAF-Kräfte führen mit
afghanischen Offiziellen eine Untersuchung
durch.“645
hhh) Unterschiedliche Einschätzung von Oberst
Klein und Brigadegeneral Vollmer bezüg-
lich möglicher ziviler Opfer
Oberst Klein teilte dem Befehlshaber des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr in einem ersten Tele-
fonat mit, dass ihm keine Hinweise auf zivile Opfer vor-
lägen. Den Verlauf des Telefongesprächs hat der Zeuge
Generalleutnant Glatz in seiner Vernehmung dargestellt:
„Am 4. 9. führte ich dann ein erstes Telefonge-
spräch gegen 10 Uhr mit dem Oberst Klein, in dem
er mir bestätigte, dass er persönlich und eigenstän-
dig den Luftangriff ausgelöst habe. Er betonte,
dass für ihn die Entscheidungsgrundlage das für
ihn vorhandene Lagebild, konkretes, aktuelles La-
gebild, sowie der Zusammenhang zur Gesamtent-
wicklung der Bedrohungslage gewesen sei und er
den Einsatz erst freigegeben habe, nachdem er auf
mehrfache Nachfrage sicher gewesen sei, dass es
sich ausschließlich um Insurgents handle. Außer-
dem berichtete er über ausschließlich positive
Reaktionen aus dem Kreis der offiziellen Vertreter
der Afghanen in der Provinz und in Kunduz-Stadt.
In diesem Zusammenhang meldete er mir nach
meiner Erinnerung, dass er keine Hinweise auf zi-
vile Opfer habe.“646
Gegen Mittag erlangte Generalleutnant Glatz Kenntnis
von Protokollen aus Videokonferenzen, aus denen her-
vorging, dass der Kommandeur Regionalkommando
Nord, Brigadegeneral Vollmer, bereits um 10.30 MEZ
gegenüber seinen „Vorgesetzten in der NATO-
Befehlskette“ geäußert habe, er könne zivile Opfer nicht
ausschließen. Diese Protokolle seien an den Einsatzfüh-
rungsstab im Bundesministerium der Verteidigung wei-
tergeleitet worden.
647
645) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 63.
646) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 63.
647) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 63.
iii) Eingang eines Protokolls einer Videokon-
ferenz mit weiteren Hinweisen auf mögli-
che zivile Opfer
Im Laufe des 4. September 2009 erreichte das Einsatzfüh-
rungskommando der Bundeswehr das Protokoll einer
Videokonferenz, an der unter anderem der Kommandeur
des Regionalkommandos Nord, der Kommandeur der
ISAF, General McChrystal, sowie der Kommandeur des
Allied Joint Force Command in Brunssum, General
Ramms, teilgenommen hatten. Darin informierte Brigade-
general Vollmer, dass es laut Aussage des Polizeichefs der
Provinz Kunduz möglicherweise auch zivile Opfer gege-
ben habe. Des Weiteren befinde sich im Krankenhaus in
Kunduz unter den Verletzten auch ein zehnjähriger Junge.
Der Zeuge Glatz hat dazu ausgesagt, er habe die entspre-
chenden Unterlagen umgehend dem Leiter Einsatzfüh-
rungsstab vorgelegt.
648
jjj) Erste Stellungnahme aus Sicht des Kom-
mandeurs des Regionalkommandos Nord
Um 18.16 Uhr erhielt das Einsatzführungskommando der
Bundeswehr die „erste Stellungnahme aus Sicht COM RC
N“. Brigadegeneral Vollmer stellte darin unter anderem
fest, dass die Reaktion in Bezug auf den Luftschlag auf
afghanischer Seite von Beginn an positiv gewesen sei.
Die Stimmung könne aber „jederzeit kippen, wenn die
Berichterstattung in den Medien die zwangsläufig einget-
retenen Verluste unter der Zivilbevölkerung weiter fort-
schreibt.“649
Der Zeuge Generalleutnant Glatz hat in seiner Verneh-
mung erklärt, dass Brigadegeneral Vollmer, ihm, „den
Verantwortlichen in der NATO und dem BMVg zu dem
Zeitpunkt der Korrektur des INTSUM eine Vielzahl von
Hinweisen vorlagen, die auf mögliche zivile Opfer hin-
deuteten“.650
Der Bericht wurde am 6. September 2009 dem Einsatz-
führungsstab im BMVg zur Kenntnis gegeben.
651
bb) Meldungen und Informationserlangung bis
zum 13. September 2009
aaa) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein
am 5. September 2009
Am Nachmittag des 5. September 2009 traf im Einsatz-
führungskommando der Bundeswehr ein von Oberst Klein
erstellter Bericht ein, in dem dieser die Gründe für seinen
Entschluss, einen Luftschlag durchzuführen, darlegte.
Demnach habe Oberst Klein im Ergebnis die Weisung
zum Einsatz der Bomben erteilt, weil:
648) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 63 f.
649) DEU EinsKtgt ISAF, Erste Stellungnahme COM RC N
(Dokument 104).
650) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 66.
651) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),
Bl. 24.
Drucksache 17/7400 – 98 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Ort und Zeitpunkt des Geschehens sowie der
Aufbau des Lagebildes nach meiner Bewertung so
eindeutig waren, dass ich nach allen mir zum Zeit-
punkt des Waffeneinsatzes zur Verfügung stehen-
den Informationen davon ausgehen konnte, durch
den Einsatz eine Gefahr für meine anvertrauten
Soldaten frühzeitig abwenden zu können und an-
dererseits mit höchster Wahrscheinlichkeit dabei
nur Feinde des Wiederaufbaus AFGHANISTANS
zu treffen.“652
Der Bericht von Oberst Klein enthielt zudem noch den
folgenden Satz:
„Am 040151Dsep09 entschloss ich mich, zwei am
Abend des 03 sep09 auf der LOC PLUTO durch
INS entführte Tanklastwagen, sowie die an den
Fahrzeugen befindlichen INS durch den Einsatz
von Luftstreitkräften zu vernichten.“653
In seiner Vernehmung hat der Zeuge Klein dazu ausge-
führt:
„Meine zusammengefasste militärische Lagebeur-
teilung habe ich in Form eines Entschlusses mit
Begründung – das ist ein militärisches Format –
am 5. September meinem höchsten militärischen
Vorgesetzten, dem Generalinspekteur General
Schneiderhan, vorgelegt. Auch dieses Dokument
liegt Ihnen vor. Auf Anweisung des Befehlshabers
Einsatzführungskommando, Generalleutnant
Glatz, wurde dieser unmittelbar nach Potsdam
übermittelt. In diesem habe ich mein Lagebild in
der Nacht in der angemessenen militärischen Dik-
tion dargestellt.“654
bbb) Eintreffen des Protokolls Fact Finding
Mission („N.-Bericht“) am 6. September
2009
Am Abend des 6. September 2009 wurde dem Einsatzfüh-
rungskommando der Bundeswehr das von Oberst i. G. N.
gefertigte „Protokoll der Fact Finding Mission Kunduz
05. – 06.09.2009“ (sog. N.-Bericht) aus dem HQ ISAF in
Kabul übersandt.
655
Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der
Bundeswehr, der diesen Bericht gemäß seiner Aussage für
besonders bedeutend hielt, veranlasste, dass dieser dem
Generalinspekteur der Bundeswehr, General Schneider-
han, zur Kenntnis gegeben wird.
656
652) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 3.
653) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2.
654) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.
655) Fax-Sendebericht, Mat. 17-26, Ordn. 3, Bl. 67, Tgb.-Nr. 26/10 –
GEHEIM. Wegen des „N.-Berichts“, siehe: (Fn. 141, Doku-
ment 54).
656) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 68 f.
ccc) Eintreffen des Berichts des Initial Action
Teams
Der VS-VERTRAULICH (Confidential) eingestufte Be-
richt des Initial Action Teams (IAT) erreichte das Einsatz-
führungskommando der Bundeswehr am 6. September
2009 um 18.32 Uhr.
657
ddd) Gespräch des Befehlshabers des Einsatz-
führungskommandos der Bundeswehr mit
dem Generalinspekteur der Bundeswehr
am 7. September 2009
Im Rahmen eines am Nachmittag des 7. September 2009
geführten Gespräches zwischen dem Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr und dem
Generalinspekteur der Bundeswehr wurde Generalleut-
nant Glatz über die Entscheidung von Staatssekretär
Dr. Wichert informiert, derzeit keine nationale Untersu-
chung durchzuführen, sondern das Ergebnis der NATO-
Untersuchung abzuwarten.
658
In diesem Gespräch gab
Generalleutnant Glatz gegenüber General Schneiderhan
eine Einschätzung des Luftangriffs ab. Der Zeuge Glatz
hat dazu vor dem Untersuchungsausschuss ausgeführt:
„Ich habe damals sinngemäß geäußert […]: Ers-
tens. Ich bin der Auffassung, dass es möglicher-
weise zu Versäumnissen und Fehlern im Füh-
rungsvorgang gekommen sei, vor der Entschei-
dung zum Luftangriff; […] in der Anwendung der
Standing Operation Procedures und der RoE, und
wenn dieses beides so wäre, es zu einer fehlerhaf-
ten Entscheidungsfindung und auch zu einer feh-
lerbehafteten Entscheidung gekommen sein könn-
te. Ich habe die Aussage dann sinngemäß damit
beendet, dass es dann möglicherweise ein Fehler –
ich glaube, ich habe sogar gesagt: Riesenfehler –
des Oberst Klein gewesen sein könnte; allerdings
unter dem Vorbehalt […], dass zu diesem Zeit-
punkt noch niemand angehört war […], ohne eine
Anhörung des Oberst Klein, ohne eine Anhörung
des anderen Personals hätte man zu einer abschlie-
ßenden Bewertung […] nicht kommen können.“659
Abschließend erteilte General Schneiderhan dem Befehl-
shaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
die Weisung, dass keinerlei Abgabe einer Bewertung vor
Abschluss der ISAF-Untersuchung zu erfolgen habe.
660
eee) Eintreffen von Gesprächsprotokollen aus
dem PRT Kunduz am 7. September 2009
Am Abend des 7. September 2009 gingen in der Operati-
onszentrale des Einsatzführungskommandos der Bundes-
wehr Gesprächsprotokolle aus dem PRT Kunduz ein. In
einem am 7. September mit Oberst Klein im Feldlager
657) Mat. 17-26, Ordn. 3, Bl. 26, Tgb.-Nr. 26/10 – GEHEIM.
658) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67.
659) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67.
660) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),
Bl. 26.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 99 – Drucksache 17/7400
Kunduz geführten Gespräch erklärte der Gouverneur der
Provinz Kunduz, Mohammad Omar, dass die Bevölke-
rung den Luftschlag gutheiße und er sich dafür bedanke.
Der Polizeichef der ANP in der Provinz Kunduz, Rasaq,
führte ergänzend aus, dass es sich bei den Personen auf
der Sandbank um Taliban und deren Unterstützer gehan-
delt habe.
661
Die Protokolle wurden am selben Tag an den
Generalinspekteur der Bundeswehr sowie an den Leiter
Einsatzführungsstab im BMVg weitergeleitet.
662
fff) Videokonferenz am 11. September 2009
In einer Videokonferenz am 11. September 2009 gegenü-
ber dem BMVg berichtete Generalleutnant Glatz gemäß
seiner Darstellung:
„Das war diese wöchentliche, 8 Uhr freitags. Da
hat der COM ISAF [...] noch mal sehr deutlich in
einem Office Call gemacht, er verstehe nicht, war-
um der Oberst Klein die Situation am Boden zu ei-
ner ‚troops in contact„-Situation erklärt habe. Er
habe nicht verstanden, warum der Oberst Klein
hinterher keine Bodentruppen geschickt hätte, dass
er das Battle Damage Assessment nicht nach sei-
nen, McChrystals, Vorstellungen vor Ort gemacht
habe, sondern das ist ja erst viel, viel später er-
folgt. Er hat die Frage gestellt, warum Oberst
Klein die Afghanen nicht zeitnah oder vorab in-
formiert hat über diesen Luftangriff, warum der
Oberst Klein das Krankenhaus nicht besucht habe.
Er persönlich glaube, der Luftangriff sei ein Fehler
gewesen; Fehler können passieren, jetzt müssten
aber alle Rahmenbedingungen aufgeklärt werden,
die zu einer möglichen Fehlentscheidung geführt
hätten, und er, McChrystal, sei sicher, dass es zivi-
le Opfer gegeben habe.“663
ggg) Eintreffen des so genannten Feldjägerbe-
richtes am 13. September 2009
Am Morgen des 13. September 2009 traf der so genannte
Feldjägerbericht im Einsatzführungskommando der Bun-
deswehr ein. Generalleutnant Glatz nahm nach seiner
Aussage den Inhalt zur Kenntnis und ließ diesen durch
seinen Leitenden Rechtsberater prüfen. Am 14. Septem-
ber 2009 wurde der Bericht dem Einsatzführungsstab im
BMVg vorgelegt.
664
hhh) Untersuchungsbericht der afghanischen
Untersuchungskommission
Am 23. September 2009 wurde der Operationszentrale
des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr der
Bericht der vom afghanischen Präsidenten Karzai einge-
661) Gesprächsprotokoll PRT KDZ (Dokument 105).
662) E-Mail vom 7. September 2009 (Dokument 106).
663) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 82.
664) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 71.
setzten afghanischen Untersuchungskommission nebst
einer „unredigierten Rohübersetzung“ übersandt.665
c) Kommando Führung Operationen von
Spezialkräften
Das Kommando Führung Operationen von Spezialkräften
(FOSK) hat seinen Sitz ebenfalls in Schwielowsee bei
Potsdam. Auf operativer Ebene plant und führt es die
Operationen von Spezialkräften.
666
Truppendienstlich
untersteht das Kommando FOSK dem Einsatzführungs-
kommando der Bundeswehr, hinsichtlich der streitkräfte-
gemeinsamen Fachaufgabe dem Bundesministerium der
Verteidigung (Einsatzführungsstab).
667
Kommandeur des Kommandos FOSK ist seit dem
1. Oktober 2008
668
Oberst i. G. G. B. Dieser führt trup-
pendienstlich die Kontingentführer der für den Einsatz
unterstellten Kräfte.
Am 4. September 2009 wurde einem Offizier der Füh-
rungsbereitschaft im Kommando FOSK um 3.40 Uhr
gemeldet, dass im Raum Kunduz ein Luftschlag durchge-
führt worden sei. Der Zeuge Oberst i. G. G. B. hat dazu in
seiner Vernehmung ausgesagt:
„Der Luftschlag wurde zunächst meinem Offizier
der Führungsbereitschaft gemeldet. […] und dieser
ist am 4. September morgens gegen 3.40 Uhr an-
gerufen worden und ihm ist mitgeteilt worden,
dass eine so genannte Sofortmeldung aus dem Ein-
satzgebiet auf dem Weg nach Deutschland ist. Er
hat sich dann den Inhalt melden lassen und fest-
gestellt, dass es eine reine Meldung ist, die von ei-
ner Operation des PRT handelt. Er hat daraufhin
entschieden, dass dieses Zeit hat, morgens bei
Dienstbeginn gesichtet zu werden.“669
aa) Unterrichtung des Kommandeurs des
Kommandos FOSK
Der Zeuge Oberst i. G. G. B. hat weiter ausgeführt, er
persönlich sei am 4. September 2009 um 6.40 Uhr über
den Luftschlag unterrichtet worden. Dabei sei ihm auch
mitgeteilt worden, dass eine diesbezügliche Sofortmel-
dung vorliege.
670
Zu den getroffenen Maßnahmen hat er
ausgesagt:
„Ich bin an diese erste Meldung – das ist aber eine
gewisse Erfahrung, dass erste Meldungen häufig
nicht exakt und richtig sind – herangegangen und
665) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),
Bl. 45. Wegen des Untersuchungsberichts vgl. Fn. 122.
666) Internetauftritt des Kommando FOSK
(www.streitkraeftebasis.de).
667) BMVg – Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr
und Inspekteur der Streitkräftebasis – Organisationsbefehl
Nr. 126/2005 (SKB) für die Aufstellung Kommando Operative
Führung von Spezialkräften (KdoFOSK) vom 3. März 2005,
Stand: 1. April 2009 mit 4. OrgÄWsg.
668) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 49.
669) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 49 f.
670) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 50.
Drucksache 17/7400 – 100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
habe Auftrag gegeben, da noch mal nachzufassen,
dranzubleiben, wie sich das Lagebild tatsächlich
entwickelt, weil erste Zahlen und erste Schilderun-
gen nach so einer Situation meistens nicht stim-
men, zumal meine Leute daran ja nicht beteiligt
waren, sondern quasi als Zaungäste andere Infor-
mationsquellen abschöpfen mussten, um dieses
Lagebild zu generieren.“671
Am Vormittag erging an die Task Force 47 (zur Rolle der
Task Force 47, siehe oben: B.III.8, S. 68) der Auftrag,
eine Meldung hinsichtlich der Beteiligung der Task Force
47 am Luftschlag vorzulegen.
672
Eine „umfangreichere Meldung der Task Force 47“673
ging im Kommando FOSK um 14.22 Uhr ein,
674
die dem
Befehlshaber EinsFüKdoBw zur Kenntnis gegeben wur-
de. Gemäß der Einlassung des Zeugen G. B. sei am 4.
September 2009 die Möglichkeit ziviler Opfer in keiner
Meldung erwähnt worden.
675
bb) Gespräch zwischen dem Kommandeur des
Kommandos FOSK und dem Kommandeur
der Task Force 47
Der Zeuge Oberst i. G. G. B. hat vor dem Untersuchungs-
ausschuss erklärt, er habe mit dem Kommandeur der Task
Force 47 über den Luftschlag gesprochen und betont, dass
es sich um eine Operation des PRT Kunduz und nicht der
Task Force 47 gehandelt habe.
676
d) Meldungen in das Bundesministerium der
Verteidigung
aa) Einsatzführungsstab
Der Einsatzführungsstab im Bundesministerium der Ver-
teidigung wurde am 1. Juni 2008 als Arbeitsstab des Ge-
neralinspekteurs der Bundeswehr zur Wahrnehmung
seiner Verantwortung für die Einsätze der Bundeswehr
aufgestellt. Für die jeweiligen Einsätze sind aktuell fünf
Einsatzteams (Afghanistan, Balkan, Maritime Operatio-
nen, UN/EU-Missionen, Nationale Krisenvorsorge) zu-
ständig. Geführt wird der Einsatzführungsstab vom Leiter
Einsatzführungsstab, Konteradmiral Andreas Krause.
677
671) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 56.
672) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),
Bl. 10.
673) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 53.
674) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),
Bl. 15.
675) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 75.
676) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 78.
677) www.bmvg.de (Ministerium/Aufbau und Funktion/Die militäri-
schen Führungsstäbe/Einsatzführungsstab).
aaa) Meldungen und Informationserlangung am
4. September 2009
(1) Erstinformation über den Luftschlag
Am Morgen des 4. September 2009 wurde der Leiter des
Einsatzführungsstabes im Bundesministerium der Vertei-
digung (BMVg) nach seiner Darstellung vom Bereit-
schaftszentrum Bundeswehr darüber unterrichtet, dass „in
der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 dieser Bom-
benangriff stattgefunden hat [und] dass diese Information
bereits in den Nachrichten über den Ticker gelaufen ist.“
Er habe daraufhin angewiesen, dass eine weitere Sachauf-
klärung zu erfolgen habe und die Leitung des BMVg
durch den Bereitschaftsdienst vorab zu informieren.
678
Der Zeuge Krause hat dargelegt, dass der Einsatzfüh-
rungsstab diese erste Information nicht auf dem „operati-
ven Strang“ sondern auf dem „Pressestrang“ erhalten
habe.
„Idealtypisch wäre es, wenn wir die Informationen
zunächst auf dem operativen Strang bekämen. In
der Realität hat sich aber erwiesen, dass wir zu-
nehmend Informationen zunächst über den Presse-
strang bekommen. So war es auch in diesem Fall:
dass mir gemeldet wurde, dass halt eben diese In-
formationen aus dem Einsatzgebiet auf dem Pres-
sestrang nach Potsdam kamen, dann zum Stabsof-
fizier des Bereitschaftszentrums und dann zu mir.
Und das ist letztendlich – das kann ich aus Erfah-
rung sagen – in einem hohen Prozentsatz der Fall,
die Normalität.“679
(2) Freigabe des Inhaltes der ersten Presse-
meldung
Um 6.20 Uhr billigte der Leiter des Einsatzführungsstabes
den Entwurf einer ersten Pressemeldung des Presse- und
Informationsstabes zum Luftschlag (siehe oben:
C.II.1.b)aa)bbb)(1), S. 95). Den Ablauf hat er wie folgt
dargestellt:
„Ich habe dann circa 20 Minuten später – das muss
dann um […] 6.20 Uhr, 6.25 Uhr gewesen sein –
eine Pressemeldung des Inhalts vorgelegt bekom-
men, dass bei dem Luftanschlag in der Nacht des
4. 9. 56 Insurgents getötet worden seien und keine
Zivilisten. Diese Aussage habe ich dreimal hinter-
fragt. Man hat mir gesagt, das sei bestätigt. Dar-
aufhin habe ich diese Pressemeldung freigege-
ben.“680
(3) Erste Zweifel in der morgendlichen Video-
konferenz
In der morgendlichen Videokonferenz um 8 Uhr kamen
nach Darstellung des Zeugen Krause erste Zweifel auf, ob
678) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 2.
679) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 6 f.
680) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 2.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101 – Drucksache 17/7400
die Aussage, dass keine zivilen Opfer zu beklagen sind, in
dieser Form aufrechterhalten werden kann:
„[…] im Verlauf dieses Führungsgespräches waren
schon Zweifel da, dass angesichts der Komplexität
dieser Situation die Aussage so apodiktisch, wie
sie getroffen worden war, von Bestand bleiben
könnte.
681
[…]
Es wurde während des Gesprächs nicht über zivile
Opfer gesprochen, sondern [..] über die Komplexi-
tät der Situation […] und dass ich mich da mögli-
cherweise zu sehr festgelegt hatte mit der Aussage,
[…] dass zivile Opfer oder dass Zivilisten nicht zu
Schaden gekommen sind, sodass wir gesagt haben,
diese Aussage ist in ihrer Ausschließlichkeit so
möglicherweise nicht haltbar.“682
(4) Änderung der Online-Meldung auf der
Internetseite www.bundeswehr.de
In der Folge sei die Online-Meldung nach Darstellung des
Zeugen Konteradmiral Krause durch den Presse- und
Informationsstab im Internet dahingehend geändert wor-
den, dass „vermutlich keine Zivilisten“ getötet worden
seien. Später habe man den Begriff „Zivilisten“ durch
„Unbeteiligte“ ersetzt.683
(5) Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers
in Kabul mit möglichen zivilen Opfern
Um 9.56 Uhr erreichte den Einsatzführungsstab eine
Presseerklärung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul, wo-
nach Informationen vorlägen, dass durch den Luftschlag
auch Zivilisten getötet oder verwundet worden seien.
684
(6) Telefonat mit General Ramms am 4. Sep-
tember 2009
Am 4. September wurde Konteradmiral Krause in einem
Telefonat mit General Ramms darauf hingewiesen, dass
zivile Opfer nach seiner Auffassung wohl nicht mehr
auszuschließen seien. Der Zeuge Ramms hat dazu ausge-
sagt:
„Ich habe in einem Telefongespräch mit dem Ge-
neralleutnant Dora und in einem Telefongespräch
mit dem Admiral Krause […] darauf hingewiesen,
dass mir Meldungen vorliegen, dass, […] Patien-
ten in Kunduz im Krankenhaus liegen, die einer
Altersklasse oder Altersgruppe von 10 bis 14 Jah-
ren zuzuordnen sind. Das war auch einer der Punk-
te, der mich dazu gebracht hat […], den Rück-
schluss zu ziehen, dass wir zumindest die Beteili-
gung von Zivilisten in dieser Situation nicht mehr
ausschließen können.“685
681) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 3 f.
682) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 5.
683) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 3 f.
684) Pressestatement ISAF vom 4. September 2009 (Dokument 107).
685) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 6.
bbb) Meldungen und Informationserlangung bis
zum 30. September 2009
(1) Eintreffen weiterer Berichte und Meldun-
gen bis zum 30. September 2009
Zwischen dem 5. und dem 30. September 2009 gingen
unter anderem folgende Meldungen und Dokumente im
Einsatzführungsstab ein:
– Bericht von Oberst Klein: Der Bericht des Komman-
deurs des PRT Kunduz ging am 5. September 2009
ein.
686
– Protokoll der Fact Finding Mission („N.-Bericht“):
Am 6. September 2009 erhielt der Einsatzführungs-
stab das Protokoll der Fact Finding Mission von
Oberst i. G. N. („N.-Bericht“).687
– Bericht des Initial Action Teams (IAT): Der
GEHEIM eingestufte Bericht des Initial Action
Teams (IAT) erreichte den Einsatzführungsstab am 6.
September 2009 um 19.32 Uhr.
688
– Gesprächsprotokolle aus dem PRT Kunduz: Am 7.
September gingen die Gesprächsprotokolle aus dem
PRT Kunduz ein.
689
– UNAMA-Liste möglicher Opfer: Am 12. September
2009 übersandte das Einsatzführungskommando der
Bundeswehr an den Einsatzführungsstab eine Liste
der UNAMA mit möglichen Opfern des Luftschla-
ges.
690
– „Feldjägerbericht“: Am 14. September 2009 traf im
Einsatzführungsstab der Bericht des Feldjägerführers
vom 9. September 2009 ein.
691
– Untersuchungsbericht der afghanischen Regierung:
Am 22. September 2009 erhielt der Einsatzführungs-
stab den Bericht der vom afghanischen Präsidenten
Karzai eingesetzten afghanischen Untersuchungs-
kommission nebst einer „unredigierten Rohüberset-
zung“.692
(2) Vorlage einer „presseverwertbaren Stel-
lungnahme“ des Einsatzführungsstabes
am 7. September 2009
Am 7. September legte der Einsatzführungsstab Staats-
sekretär Dr. Wichert eine „presseverwertbare Stellung-
nahme zum Luftangriff gegen Opposing Militant Forces
686) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63).
687) Übersendungs-E-Mail, Mat. 17-30, Ordn. 2, Bl. 178, Tgb.-Nr.
30/10 – GEHEIM. Zum „N.-Bericht“ siehe Fn. 141.
688) Mat. 17-30, Ordn. 2, Bl. 184, Tgb.-Nr. 30/10 – GEHEIM.
689) Übersendungs-E-Mail, Mat. 17-30, Ordn. 3, Bl. 257, Tgb.-Nr.
30/10 – GEHEIM.
690) Übersendungs-E-Mail, Mat. 17-30, Ordn. 6, Bl. 7, Tgb.-Nr. 30/10
– GEHEIM. Zu der UNAMA-Liste (siehe Fn. 523, Doku-
ment 78).
691) Inhaltsübersicht zur Aktenvorlage an den Verteidigungsaus-
schuss, Mat. 17-30, Ordn. 6, Bl. 1, Tgb.-Nr. 30/10 – GEHEIM.
692) Übersendungs-E-Mail, Mat. 17-30, Ordn. 6, Bl. 74, 75, Tgb.-Nr.
30/10 – GEHEIM.
Drucksache 17/7400 – 102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
(OMF) am 4. September 2009“ vor. Darin heißt es unter
anderem:
„Im Laufe des 4. September 2009 wurden 12
männliche Verletzte, darunter ein zehnjähriger
Junge, in das Krankenhaus in der Stadt Kunduz
zumeist mit Brandverletzungen eingeliefert.“693
In der Stellungnahme wird weiter erwähnt, dass ein ISAF-
Team Voruntersuchungen in Kunduz durchgeführt und
einen Bericht gefertigt habe. Demnach gehe das Team
davon aus, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahr-
scheinlichkeit (‚high degree of certainty„) auch Zivilisten
getötet oder verletzt“ worden seien.694
(3) Kurzauswertung des so genannten Feldjä-
gerberichts durch den Einsatzführungs-
stab
Das Einsatzteam Afghanistan im Einsatzführungsstab
fertigte unter dem 16. September 2009 eine „Kurzauswer-
tung Untersuchungsbericht Feldjägerführer im Einsatz“
für den Leiter des Einsatzführungsstabes. Darin heiß es
unter anderem:
„[…] Der Untersuchungsbericht ist in der Diktion
häufig schärfer formuliert als der IAT-Report, ob-
wohl die Grundlage des Untersuchungsberichts
aufgrund der Kürze der Zeit nicht wesentlich grö-
ßer ist.“
Abschließend wird in der „Kurzauswertung“ angemerkt,
dass eine negative Implikation nicht auszuschließen sei,
würde der Bericht ohne begleitende fachliche Kommen-
tierung in eine Untersuchung eingebracht werden.
695
Der Zeuge Oberst i. G. G., zum damaligen Zeitpunkt
Teamleiter des Einsatzteams Afghanistan, hat zur ab-
schließenden Anmerkung im Bericht ausgesagt:
„Als ich den Feldjägerbericht erhalten habe und
mich mit meinen Mitarbeitern an die Auswertung
gemacht habe, haben wir dem Anschreiben ent-
nehmen können, dass der Oberst Klein als Kom-
mandeur PRT im Grunde genommen nicht durch
denjenigen gehört werden konnte, der diesen Un-
tersuchungsbericht erstellt hat. Aufgrund der be-
wertenden Aussagen in diesem Bericht bin ich der
Auffassung gewesen, dass eine Bewertung, die
dort durchgeführt ist, durchaus einer Kommentie-
rung bedarf. Das ist der Hintergrund gewesen.“696
Aus Sicht des Leiters des Einsatzführungsstabes erfolgten
die im „Feldjägerbericht“ vorgenommenen Bewertungen,
obwohl der Sachverhalt noch nicht hinreichend ermittelt
war. Der Zeuge Krause hat dazu ausgeführt:
693) Vorlage einer Presseverwertbaren Stellungnahme zum Luftangriff
vom Einsatzführungsstab an Sts Dr. Wichert vom 7. September
2009 (Dokument 108).
694) Presseverwertbare Stellungnahme zum Luftangriff (Fn. 693),
Bl. 26 [29].
695) EinsFüStab, Kurzauswertung Vorläufiger Feldjägerbericht für
Gespräch mit GI (Dokument 109).
696) H. G., Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 38.
„Der ganze Bericht war im Wesentlichen, sowie
ich es vorhin versuchte darzustellen, eine Sachdar-
stellung. Ungefähr ein Absatz oder anderthalb,
wenn ich das erinnere, da hat er einen bewertenden
Teil genommen. Diese Bewertung ist aus unserer
Sicht vorschnell gewesen, zu schnell gewesen, da
er letztendlich noch überhaupt gar nicht das komp-
lette Lagebild gehabt hat, noch gar nicht mit allen
Menschen gesprochen hatte. Insbesondere war,
wenn ich das recht erinnere, Oberst Klein noch gar
nicht weiter befragt worden zu diesem Zeitpunkt,
um halt eben letztendlich zu dieser Bewertung
kommen zu können.“697
bb) Planungsstab
Der Planungsstab gehört zum Leitungsbereich im Bun-
desministerium der Verteidigung (BMVg). Leiter des
Planungsstabes war im Untersuchungszeitraum und ist
aktuell Ministerialdirektor Dr. Ulrich Stefan Schlie. Die
Aufgaben des Planungsstabes hat der Zeuge Dr. Schlie in
seiner Vernehmung wie folgt beschrieben:
„Zu den Aufgaben des Planungsstabs gehören die
unmittelbare Beratung des Bundesministers in al-
len für ihn relevanten Fragen und seine Vorberei-
tung auf alle mündlichen und schriftlichen Einlas-
sungen. Der Planungsstab ist nicht in die Hierar-
chie des Hauses eingebunden und untersteht direkt
dem Minister, der ihm gegenüber allein weisungs-
befugt ist. Der Planungsstab besitzt keine formale
Weisungsbefugnis in das Ministerium, und die Ge-
schäftsordnung des Ministeriums sieht lediglich
vor, dass alle an den Minister adressierten Vorla-
gen dem Planungsstab in Nebenabdruck rechtzeitig
vorgelegt werden müssen. Das ist die wesentliche
Grundlage für die Beratung durch den Planungs-
stab. Der Planungsstab ist in keinem Bereich für
die originäre Sacharbeit zuständig, auch nicht bei
militärischen Bewertungen. Diese obliegen allein
dem Generalinspekteur der Bundeswehr.“698
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009
Gemäß seiner Darstellung vor dem Untersuchungsaus-
schuss erfuhr Dr. Schlie am Vormittag des 4. September
2009 vom Luftschlag durch eine Sofortmeldung des Ein-
satzführungsstabes im BMVg, wonach 56 Aufständische
getötet worden seien, Zivilpersonen aber keinen Schaden
genommen hätten.
699
697) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 6.
698) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.
699) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 103 – Drucksache 17/7400
bbb) Zweifel an der Darstellung, dass Opfer
unter der Zivilbevölkerung ausgeschlos-
sen werden können
An dieser Darstellung gegenüber der Öffentlichkeit, dass
Opfer unter der Zivilbevölkerung ausgeschlossen werden
könnten, hatte Dr. Schlie nach seiner Aussage von Anfang
an Zweifel.
„Ich erinnere mich daran, dass ich mit Staatssekre-
tär Wichert telefonierte und wir uns einig in der
Beurteilung waren, dass die Presseverlautbarungen
des Hauses eine Wertung vorgenommen hatten, für
die ich zu diesem Zeitpunkt die Grundlage als
nicht gegeben ansah. […] Ich hatte von Anfang an
Zweifel, dass die Behauptung, es könne ausge-
schlossen werden, dass bei dem Luftschlag auch
Zivilisten ums Leben gekommen seien, zutreffend
sei. […] Auch wenn zum damaligen Zeitpunkt ei-
ne ganze Reihe von Fragen zum Ablauf offen war,
so waren mir doch von Anfang an die Dimension
des Ereignisses und mögliche Implikationen be-
wusst.“700
Dr. Schlie verfasste daraufhin eine Sprechempfehlung für
den Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung. Wörtlich
hat der Zeuge Dr. Schlie dazu ausgeführt:
„Ich habe dann vor diesem Hintergrund gegen Mit-
tag eine Sprechempfehlung für Bundesminister
Jung […] verfasst, auf der Grundlage der bis dahin
vorliegenden Informationen, in der ich auf die
noch laufenden Untersuchungen durch ISAF ver-
wies. In der Vorlage zu dieser Sprechempfehlung
findet sich auch der entscheidende Hinweis, dass
die Sachverhaltsfeststellung noch nicht abge-
schlossen sei und Aussagen ausschließlich auf der
Linie des beigefügten ISAF-Pressestatements er-
folgen sollten. In diesen Pressestatements wurde
bereits am 4. September nicht ausgeschlossen, dass
es bei dem Luftschlag auch zu Opfern unter Unbe-
teiligten gekommen sein könnte.“
Zusätzlich habe Dr. Schlie am 4. September um 14 Uhr
Bundesminister Dr. Jung per SMS mitgeteilt, dass seiner
Auffassung nach Opfer unter der Zivilbevölkerung nicht
ausgeschlossen werden könnten.
701
ccc) Vorschlag einer Untersuchung des Vorfalls
durch eine Bundeswehrkommission
In Vorbereitung der Obleuteunterrichtung am 11. Sep-
tember 2009 fertigte der Leiter des Planungsstabes am 10.
September 2009 neben einer Sprechempfehlung auch den
Entwurf einer „Ministerweisung zu Sachstandsaufklärung
Kunduz“. Darin wird dem Minister empfohlen, den Gene-
ralinspekteur der Bundeswehr durch Staatssekretär
700) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.
701) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.
Dr. Wichert mit der Aufklärung des „Sachverhaltes Kun-
duz“ zu beauftragen.702
Der Zeuge Dr. Schlie hat dazu erläutert:
„Ich hatte das Verständnis, dass nun umgehend ei-
ne nationale Untersuchung des Kunduz-Vorfalls
zwingend erforderlich sei und täglich über Sach-
standsfortschritte mit dem Ziel maximaler Trans-
parenz im Leitungsbereich berichtet werden sollte.
[…] Mein Verständnis war, dass nur bei einer kla-
ren Auftragslage nach innen und einer offensiven
Kommunikation nach außen die bereits damals im
Raum stehenden Vorwürfe der Untätigkeit und
Führungsschwäche gegen Bundesminister Jung
hätten ausgeräumt werden können und es auch
darum gehen musste, die sicherheitspolitischen
Aspekte des Luft-Boden-Einsatzes vom
4. September anzusprechen.“703
Staatssekretär Dr. Wichert, der die Vorlage am 10. Sep-
tember 2009 erhielt, vermerkte auf der Vorlage hand-
schriftlich, dass er eine eigene Untersuchung für falsch
halte.
704
In seiner Vernehmung durch den Untersuchungs-
ausschuss hat der Zeuge Dr. Wichert dazu erklärt:
„Es ist zutreffend, dass es einen Dissens zwischen
dem Leiter Planungsstab und mir sowie General
Schneiderhan auf der anderen Seite in der Frage
gab, wie wir den Minister beraten sollen, eine ei-
gene nationale Untersuchung kurz nach dem Luft-
schlag selbst aufzusetzen. Hier war das Votum des
Planungsstabes, dies zu tun. General Schneiderhan
und ich haben den Minister gegenteilig beraten.
Die Gründe dafür waren, dass der Bericht des Ini-
tial Action Teams eine NATO-Untersuchung emp-
fohlen hatte, und zwar sehr schnell nach dem 4. 9.
Ich glaube, es war am 5. oder 6. 9., dass diese
Empfehlung des Initial Action Teams kam. Da es
sich hier um eine NATO-Operation handelte und
nicht um eine Operation der Bundeswehr, sah ich
zu diesem Zeitpunkt keine Veranlassung. Ich hatte
mir allerdings vorbehalten, eine eigene Untersu-
chung anzusetzen und dem Minister zu empfehlen,
wenn sich zeigen sollte, dass die NATO-
Untersuchung zu kurz greifen würde oder Aspekte
außer Acht lassen würde, die für die Bundeswehr
und insbesondere für Oberst Klein von Bedeutung
gewesen wären.
Der Minister hat sich diesem Votum an-
geschlossen. Es hat nach meiner Erinnerung hierzu
keine Diskussion beim Minister selbst gegeben,
wo Herr Schlie und ich bzw. General Schneider-
han unsere Argumente hätten offenlegen können.
Herr Schlie hat nach meiner Erinnerung auch nicht
Rücksprache bei mir gesucht, um das zu erörtern,
sondern er hatte einen Vermerk gemacht. Ich hatte
702) Ministerweisung zur Aufklärung des Sachverhalts
(Dokument 110).
703) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19 f.
704) Vermerk Wichert auf Ministerweisung (Dokument 111).
Drucksache 17/7400 – 104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nach meiner Erinnerung einen Vermerk gemacht,
und der Minister hatte dann entschieden. So war
der Ablauf der Dinge.“705
Der Zeuge Dr. Schlie hat ausgesagt:
„Zunächst hatte Oberst R., der Adjutant des Gene-
ralinspekteurs, signalisiert, dass die entsprechende
Vorlage des Planungsstabs durchaus der Linie des
Generalinspekteurs entspräche. Im Resultat indes
hat sich General Schneiderhan dann für eine ande-
re Beratungslinie entschieden. Die von mir damals
gesuchte persönliche Aussprache mit General
Schneiderhan kam nicht zustande. Auch mein da-
mals gemachter Vorschlag, eine hochrangige Bun-
deswehrkommission unter Leitung des stellvertre-
tenden Generalinspekteurs nach Kunduz zu ent-
senden, stieß bei General Schneiderhan auf Ableh-
nung. Auch Staatssekretär Dr. Wichert ist meinem
Vorschlag, eine nationale Untersuchung einzulei-
ten, nicht nachgekommen.“706
Daraufhin wurde die entworfene Ministerweisung nach
Darstellung des Zeugen Dr. Schlie verworfen:
„Die von mir entworfene und empfohlene Minis-
terweisung zur Sachstandsaufklärung […] wurde
infolge der abweichenden Position von Staatssek-
retär Dr. Wichert und General Schneiderhan von
Bundesminister Jung verworfen, und die für die
Obleuteunterrichtung vom 11. September ausgear-
beitete Sprechempfehlung […] wurde von ihm
nicht aufgegriffen.“707
cc) Presse- und Informationsstab
Für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist im Bundes-
ministerium der Verteidigung (BMVg) der Presse- und
Informationsstab zuständig. Ebenso wie der Planungsstab
gehört der Presse- und Informationsstab zum Leitungsbe-
reich im BMVg.
708
Leiter des Presse- und Informations-
stabes und Sprecher des Verteidigungsministeriums war
im Untersuchungszeitraum bis zum 15. November 2009
Dr. Thomas Raabe.
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009
Am Morgen des 4. September 2009 erhielt der Sprecher
vom Dienst des Presse- und Informationsstabes vom
Sprecher vom Dienst des Einsatzführungskommandos der
Bundeswehr (EinsFüKdoBw) die Information, dass am
Morgen des 4. September 2009 in Kunduz auf Weisung
eines deutschen Oberst ein Luftschlag gegen zwei Tank-
lastwagen durchgeführt worden war. Eine diesbezügliche
vom Leiter des Einsatzführungsstabes gebilligte Meldung
wurde nach Rücksprache mit dem stellvertretenden Leiter
705) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 52.
706) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21.
707) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19 f.
708) www.bmvg.de (Ministerium/Aufbau und Funktion/Der Leitungs-
bereich/Presse- und Informationsstab), Dokument 112.
des Presse- und Informationsstabes, Kapitän zur See
Dienst,
709
um 6.42 Uhr auf der Internetseite
www.bundeswehr.de eingestellt (siehe oben:
C.II.1.b)aa)bbb), S. 94). Parallel dazu erschien diese Mel-
dung auf der Internetseite des EinsFüKdoBw.
710
Der Leiter des Presse- und Informationszentrums
Dr. Raabe wurde gemäß seiner Angabe vor dem Untersu-
chungsausschuss per SMS zwischen 7 und 8 Uhr dessel-
ben Tages über den Luftschlag unterrichtet. In einem
daraufhin mit Kapitän zur See Dienst geführten Telefonat
sei Dr. Raabe über die Online-Meldung auf
www.bundeswehr.de informiert worden.
711
Der Zeuge Dr. Raabe hat weiter ausgeführt, dass er gegen
8 Uhr Bundesminister Dr. Jung über diesen Sachverhalt
unterrichtet habe.
712
Der Minister sei zudem regelmäßig
über die jeweilige Presselinie unterrichtet gewesen bezie-
hungsweise habe diese vorgegeben.
713
bbb) Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers
in Kabul mit möglichen zivilen Opfern
Am 4. September 2009 erreichte den Presse- und Infor-
mationsstab um 9.13 Uhr eine vom ISAF-Hauptquartier
in Kabul herausgegebene Pressemeldung, nach der es
durch den Luftschlag möglicherweise auch zu Verletzten
und Toten unter der Zivilbevölkerung gekommen sei.
714
ccc) Keine Sprachregelung durch Staatssekre-
tär Dr. Wichert
In Vorbereitung auf eine für 11.30 Uhr angesetzte Presse-
konferenz wurde das Büro von Staatssekretär Dr. Wichert
gebeten, eine Sprachregelung für das BMVg vorzugeben.
Der Zeuge Dr. Raabe hat die Situation wie folgt geschil-
dert:
„Es war am 4. 9. so, dass um 11.30 Uhr die erste
Pressekonferenz war, die Herr Dienst bestritten
hat. Wir haben relativ frühzeitig das Büro von
Herrn Wichert darauf hingewiesen, dass die ISAF
eine Pressemitteilung herausgeben würde, und ha-
ben dringend um eine Stellungnahme und eine
Sprachregelung gebeten, wie es so üblich ist, dass
wir immer um eine Sprachregelung gebeten haben
beim Staatssekretärbüro Wichert. Wir haben bis
11.30 Uhr keine Antwort bekommen aus dem Bü-
ro Staatssekretär Wichert. Deshalb hat es eine
Besprechung gegeben unmittelbar vor dieser Pres-
sekonferenz, an der meines Wissens auch Admiral
Krause beteiligt war, der damalige Büroleiter
Krauses und Herr Dienst. Dort wurde grob eine
Linie besprochen. Aber zu dem Zeitpunkt gab es
709) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 3.
710) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 3.
711) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 2 f.
712) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 9.
713) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 21.
714) Pressemitteilung HQ ISAF (Dokument 113).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105 – Drucksache 17/7400
keine schriftliche Unterrichtung seitens des Staats-
sekretärbüros.“715
Der Zeuge Dr. Wichert hat, auf die Unterrichtung der
Öffentlichkeit angesprochen, in seiner Vernehmung er-
klärt, dass die Pressearbeit im BMVg keinem der beiden
Staatssekretäre zugeordnet, sondern direkt beim Minister
angesiedelt gewesen sei.
716
Mit Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung wurde der
Inhalt der in der Pressekonferenz getätigten Aussagen
zuvor ebenfalls nicht abgestimmt. Dies war nach Aussage
des Zeugen Dr. Jung auch nicht erforderlich:
„[…] wenn ein Pressesprecher in der Bundespres-
sekonferenz sitzt, dann stimmt der nicht irgend-
welche Erklärungen mit dem Minister ab, sondern
dann geht er im Grundsatz von den Dingen aus,
die es zu berichten gibt.“717
ddd) Bundespressekonferenz am 4. September
2009
Am 4. September 2009 fand ab 11.30 Uhr eine Pressekon-
ferenz statt, in der Kapitän zur See Dienst über den Luft-
schlag informierte. Diesem war um 11.32 Uhr in einer
SMS vom Büroleiter des Bundesministers der Verteidi-
gung, Malte Krause, empfohlen worden, „den Umstand
des Festfahrens auf der Sandbank zunächst wegzulas-
sen.“718 Bundesminister Dr. Jung hatte von dieser Emp-
fehlung nach seiner Aussage keine Kenntnis.
719
In der Pressekonferenz erklärte Kapitän zur See Dienst,
dass „Unbeteiligte […] nach derzeitigem Kenntnisstand
nicht zu Schaden gekommen“ seien.720 Mit Blick auf
Aussagen zu zivilen Opfern in Agenturmeldungen wies er
darauf hin, dass die angegeben Zahlen „sehr stark variie-
ren, von sehr wenig bis sehr viel“. Insoweit sei man gut
beraten, in diesem Fall eine „gefestigte Erkenntnislage“
abzuwarten.
721
Zur grundsätzlichen Problematik von Äußerungen in der
Öffentlichkeit hat der Zeuge Dr. Raabe ausgeführt:
„Wenn man für ein Ministerium in einer Regie-
rung spricht, dann ist das, was geäußert wird, dort
auch rechtsverbindlich und muss deshalb auch
möglichst nach bestem Wissen und Gewissen und
auch richtig sein. Das kann ich erst, wenn ich ei-
nen Beleg habe aus dem Hause von den führenden
Stellen, dass sie tatsächlich Kenntnis darüber ha-
ben, dass es diese zivilen Opfer gab.“722
715) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7.
716) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 72.
717) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 17.
718) SMS von Krause an Dienst (Dokument 114).
719) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 29.
720) Manuskript Pressekonferenz 98/2009 vom 4. September 2009
(Dokument 115).
721) Pressekonferenz 98/2009 (Fn. 720), Bl. 31.
722) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 20.
eee) Eigene Nachforschungen des Presse- und
Informationsstabes
Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge
Dr. Raabe dargelegt, dass der Presse- und Informations-
stab mangels vorhandener weiterer Informationen über
den Luftschlag und dessen Folgen eigene Nachforschun-
gen angestellt habe.
723
So habe Kapitän zur See Dienst am Nachmittag des 4.
September 2009 direkt im PRT Kunduz angerufen, um
Informationen über etwaige zivile Opfer zu erlangen. Der
Zeuge Dr. Raabe hat dazu ausgeführt:
„[I]ch [habe] Herrn Dienst gebeten […], am 4. 9.
nachmittags Kontakt mit Herrn Klein aufzuneh-
men. Offensichtlich hatte bisher keiner versucht
gehabt, Kontakt mit Herrn Klein aufzunehmen.
Wir haben das getan. Herr Klein war nicht ans-
prechbar für Herrn Dienst, sondern wir haben mit
dem Oberstleutnant G. gesprochen, stellvertreten-
der PRT-Kommandeur. Wir haben natürlich ge-
fragt: Habt ihr Hinweise auf zivile Opfer? – Dies
ist verneint worden.“724
In diesem Gespräch am 4. September 2009 nachmittags
habe Oberstleutnant G. des Weiteren geäußert, dass es
eine weitere Informationsquelle gegeben habe. (siehe
oben: B.III.3.e), S. 52).
Der Zeuge Oberstleutnant G. hat in seiner Vernehmung
bestritten, dass er in diesem Gespräch eine dritte Quelle
erwähnt habe:
725
„Nein, ich kenne keine dritte Quelle. Ich habe auch
in dem Gespräch mit Kapitän Dienst definitiv kei-
ne dritte Quelle genannt, die dem Oberst Klein zur
Entschlussfindung beigetragen hätte.“726
Gemäß der Einlassung des Zeugen Dr. Raabe war der
Presse- und Informationsstab auch am 5. und 6. Septem-
ber 2009 bemüht, an Informationen zu gelangen. Am 6.
September 2009 telefonierte Dr. Raabe mit dem zuständi-
gen Sprecher der ISAF und bat im Hinblick auf die ISAF-
Pressemeldung um konsolidierte Informationen über
getötete Zivilisten:
„Ich habe am Sonntag mit dem zuständigen ISAF-
Sprecher telefoniert, dem kanadischen General
Tremblay, habe ihn gefragt, ob er mir konsolidierte
Informationen geben könne über getötete Zivilis-
ten. Das konnte er nicht.“727
In einem anderen Gespräch am 6. September 2009 kriti-
sierte Dr. Raabe nach seiner Aussage im Auftrag des
Verteidigungsministers Dr. Jung gegenüber dem NATO-
Sprecher die Vorgehensweise von General McChrystal,
der Oberst Klein in Kunduz im Beisein des Journalisten
Rajiv Chandrasekaran von der Washington Post zum
723) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5.
724) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 4.
725) G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 1.
726) G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 2.
727) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5.
Drucksache 17/7400 – 106 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Luftschlag befragt hatte. Am 6. September 2009 war
daraufhin ein Artikel des Journalisten in der Washington
Post über den Luftschlag vom 4. September 2009 er-
schienen.
728
Der Zeuge Dr. Raabe hat zu dem Gespräch
ausgesagt:
„Mir ging es um zwei Punkte. Der eine Punkt war,
dass ich es als ungehörig empfunden habe, dass
McChrystal einen Journalisten von der Washington
Post in einem Gespräch dabei hatte, in dem sich
Oberst Klein zum ersten Mal zum Sachverhalt ge-
äußert hat. Dies war eine sehr unübliche Regelung,
und der Minister hat mich auch darum gebeten,
dass ich das bei der NATO aktenkundig mache,
dass dieser Vorgang so nicht akzeptiert wird.
Zum Zweiten habe ich natürlich den NATO-
Sprecher gefragt: Habt ihr denn konsolidierte Be-
weise darüber, dass es zivile Opfer gab? Er hat ge-
sagt: Nein, die hat er nicht. Deshalb bin ich auf
meiner Ebene mit meinem Sprecherkollegen davon
ausgegangen, dass, wenn er mir das nicht bestätigt,
ich das auch nicht öffentlich bekanntgeben
kann.“729
Zum Hintergrund der Kritik an General McChrystal hat
der Zeuge Dr. Raabe erläutert:
„[…] aus meiner Sicht [war] die Art und Weise
sehr ungewöhnlich, wie McChrystal mit dem Jour-
nalisten von der Washington Post vorgegangen ist.
Insbesondere ist dem Oberst Klein vor Ort gesagt
worden, dass dieser Journalist nur dabeisitzen
würde, weil es um eine abstrakte Arbeit ginge und
nicht um einen konkreten Auftrag. Wie Sie sehen,
war es ein konkreter Auftrag, den er dann umge-
setzt hat, nämlich in der Washington Post.“730
fff) Bundespressekonferenz am 7. September
2009
Am 7. September 2009 äußerte sich der Sprecher des
BMVg Dr. Raabe in der Bundespressekonferenz zum
Luftschlag auf der Grundlage der ihm vorliegenden In-
formationen und einer von Staatsekretär Dr. Wichert
vorgegebenen Sprachregelung.
731
Hierbei erwähnte er
neben den Luftfahrzeugen und der HUMINT-Quelle eine
„weitere Quelle“, über die aber nicht öffentlich gespro-
chen werde
732
(siehe oben: B.III.3.e), S. 52). Zu der Mög-
lichkeit ziviler Opfern erklärte Dr. Raabe, dass „bis zum
jetzigen Zeitpunkt keine konsolidierten Erkenntnisse über
getötete zivile Personen“ vorlägen.733
Auf die Frage in seiner Vernehmung, weshalb er diese
Formulierung gebrauchte, obwohl der zu diesem Zeit-
punkt bereits vorliegende Bericht des Initial Action
728) Washington Post vom 6. September 2009 „Sole Informant Guided
Decision On Afghan Strike“ (Dokument 116).
729) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 12.
730) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 25.
731) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 17.
732) Manuskript Pressekonferenz (Fn. 214), Bl. 179.
733) Manuskript Pressekonferenz (Fn. 214), Bl. 185 f.
Teams (IAT) von einer hohen Wahrscheinlichkeit ziviler
Opfer spreche, hat der Zeuge Dr. Raabe erklärt, den IAT-
Bericht zum Zeitpunkt der Pressekonferenz nicht gekannt
zu haben:
„Ich habe den IAT-Bericht zum ersten Mal auf
dem Tisch liegen gesehen und konnte ihn durch-
blättern am 7. 9., circa 19.25 Uhr, im Beisein von
Admiral Krause, Oberst S., Herrn Schnurr und
Herrn L.. Das war mehrere Stunden nachdem ich
mich bei der Bundespressekonferenz äußern muss-
te.“734
Der Zeuge Dr. Wichert hat in seiner Vernehmung erklärt,
Dr. Raabe habe am 7. September 2009 aus dem Staats-
sekretärbüro um 10.50 Uhr
735
– zehn Minuten vor der
Pressekonferenz – eine aus zwei Seiten bestehende, von
Dr. Wichert genehmigte Stellungnahme,
736
in die auch der
wesentliche Inhalt des IAT-Berichts eingearbeitet gewe-
sen sei,
737
erhalten.
ggg) Informationsweitergabe innerhalb des
BMVg
Der Zeuge Dr. Raabe hat weiter ausgeführt, auch andere
Berichte zum Luftschlag erst später erhalten zu haben:
„Ich muss dazu eingangs ohnehin sagen, dass ich
sämtliche Berichte, also den ‚N.-Bericht„, den ‚B.-
Bericht„ [‚Feldjägerbericht„, Anm.], zum ersten
Mal gesehen habe am 26. November 2009. […]
Damals wurde ein Aktenordner per Kurier vom
Bundesverteidigungsministerium ins Arbeits- und
Sozialministerium transportiert. Ich arbeitete da-
mals im Arbeits- und Sozialministerium und habe
dort diesen dicken Aktenordner durchgeguckt und
habe dort Vermerke gefunden, die ich dort zum
ersten Mal gesehen habe, unter anderem auch mit
der handschriftlichen Bemerkung auf dem ‚N.-
Bericht„, dass dieser um 19.25 Uhr am 6. 9. an den
Generalinspekteur Schneiderhan gefaxt worden
sei. […]738
Ich darf vielleicht noch hinzufügen, dass dieser
Bericht von Oberst Klein vom 5. 9., der nach mei-
nen Recherchen dann in den Raum Siegburg, dem
Generalinspekteur gefaxt worden ist, mir auch
nicht zur Kenntnis gelangt ist.“739
Auf die Frage, wer ihm die Berichte seiner Ansicht nach
hätte zukommen lassen müssen, hat der Zeuge geantwor-
tet:
„Nach der Geschäftsordnung, glaube ich, kann
man sagen, dass alle relevanten Informationen
734) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 4.
735) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 53.
736) EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes zum Luftangriff auf
Opposing Militant Forces (OMF) am 4. September 2009
(Dokument 117).
737) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 76.
738) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 4 f.
739) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 107 – Drucksache 17/7400
auch dem Presse- und Informationsstab zur Verfü-
gung gestellt werden müssen. […] Ich bin eigent-
lich der Auffassung, dass vom Büro des General-
inspekteurs ein Hinweis hätte kommen können,
weil, glaube ich, jedem klar war, dass am 7. 9. in
der Bundespressekonferenz dieses Thema auf der
Tagesordnung stehen würde.“740
Mit dem Vorwurf konfrontiert, den Presse- und Informa-
tionsstab nicht hinreichend informiert zu haben, hat der
Zeuge Schneiderhan erklärt:
„In dieser Phase hat es keinerlei Kontaktaufnah-
meversuche von Herrn Raabe zu mir gegeben. –
Das mal als Erstes.
Ich weiß, dass Herr Raabe ins Einsatzgebiet tele-
foniert hat. Er hat mit dem ISAF-Spokesman ge-
sprochen, zweimal. […] Das weiß ich deshalb,
weil der General Antoni aus ISAF das dem Leiter
Einsatzführungsstab berichtet hat. Ich habe diesen
Bericht sehr genau im Kopf, weil ich mich
furchtbar geärgert habe, dass an uns vorbei in die-
sen Tagen im Einsatzgebiet telefoniert wurde. Der
Vertreter von Herrn Raabe hat mit dem Chef des
Stabes von Herrn Oberst Klein geredet. Das war
nun genau der Falsche, weil den der Klein ja hat
schlafen lassen, als seine Entscheidung durchge-
führt wurde. All dieses hat nicht zu einer stringen-
ten Beurteilung der Lage und Pressearbeit beitra-
gen können. Ich wusste von diesen Telefonaten an
diesem Tag nichts.
Zweitens. Herr Raabe bringt in seiner Stellung-
nahme die Kleiderordnung etwas ins Schwanken.
Er ist zwar Teil des Leitungsstabes, aber der Gene-
ralinspekteur ist keine ihm unterstellte ministeriel-
le Instanz.
Drittens. Herr Raabe wird versorgt von seinem
Chef, und das ist der Bundesminister der Verteidi-
gung. Der ist verantwortlich, dass sein Pressespre-
cher das weiß, was er im Namen des Ministers sa-
gen soll. Dafür ist nicht der Generalinspekteur in
Verantwortung zu nehmen. […] Ich will Ihnen
auch nicht verhehlen, dass mein Adjutant am Frei-
tagmorgen eingegriffen hat in das laufende Ge-
schehen im Pressestab. Am 4. 9. morgens, in der
so genannten Leitungslage, hat mein Adjutant ein-
gegriffen und auf die ‚NATO-Sprache„ verwiesen,
die man zu diesem Zeitpunkt schon kennen kann.
[…] Das hat der Herr Dienst am 4. 9. um 9.42 Uhr
zur Kenntnis genommen. […] Wichtig ist nur, dass
danach diese Erstmeldungen des Pressestabes kor-
rigiert wurden und dann dieses Wort der Unbetei-
ligten eingeführt wurde; Sie erinnern sich. Das war
die erste Intervention in meinem Auftrag, durch
meinen Adjutanten am 4. morgens in der Leitungs-
lage um 8.30 Uhr. – So viel zu meiner Kooperati-
740) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5 ff.
onsfähigkeit, was diese Dinge im Einzelnen an-
geht.
Auch vom Büro von Staatssekretär Dr. Wichert wurde der
Presse- und Informationsstab nach Darstellung des Zeu-
gen Dr. Raabe nicht mit den nötigen Informationen ver-
sorgt:
„Nach der Geschäftsordnung gibt es feste Rege-
lungen, was alles zur Information auch an den
Presse- und Informationsstab geht. Aber ich könn-
te Ihnen mehrere Beispiele nennen, wo Vermerke
nicht vom Staatssekretärsbüro an den Presse- und
Informationsstab gegangen sind. […] Es gibt
überwiegend eine Stelle, die dafür Verantwortung
trägt, dass Informationen an die Leitungsstäbe ge-
hen. Das ist das Staatssekretärsbüro Wichert gewe-
sen.“741
Zum Informationsaustausch mit dem Presse- und Infor-
mationsstab sowie dem Planungsstab hat der Zeuge
Schneiderhan ausgesagt:
„Es gab erste Meldungen schon in aller Frühe an
diesem Freitag, die beim Einsatzfüh-
rungskommando aufgelaufen sind und dort in der
Presse- und Öffentlichkeitszentrale verarbeitet
wurden, wohl auch dann an den Einsatzführungs-
stab und an den Pressestab gegangen sind. Das hat
uns, mich leider nicht eingeschlossen, obwohl der
Adjutant davon erfahren hat. Wir hatten sehr früh
eine Meldung, wie ISAF pressemäßig reagiert, und
die wurde unserem Sprecher vom Dienst, also dem
Kapitän, der da aktiv war, zugeleitet. Das war
nicht besonders, sagen wir mal, stringent organi-
siert, weil, der Presse- und Informationsstab des
Ministeriums ist ja ein Stab der Leitung; das ist
kein Stab, auf den der Generalinspekteur in irgen-
deiner Form Zugriff oder Weisungsbefugnis hat.
Der Pressestab, der Planungsstab und der Organi-
sationsstab sind Leitungsstäbe, genauso wie der
Protokollstab. Da bin ich auf Zusammenarbeit an-
gewiesen, aber alles andere – nur nicht weisungs-
befugt. Und deshalb ist es ein Kommunikations-
problem, ob man einbindet oder nicht. In militäri-
schen Fragen bietet sich es ja an, sich sachkundig
zu machen.“742
dd) Generalinspekteur der Bundeswehr
Der Generalinspekteur der Bundeswehr ist ranghöchster
Soldat der Bundeswehr und militärischer Berater der
Bundesregierung. Er ist für die Entwicklung und Realisie-
rung der Gesamtkonzeption der militärischen Verteidi-
gung verantwortlich. Für die ihm übertragene Bundes-
wehrplanung hat er Weisungsrecht gegenüber den Inspek-
teuren. Im Einsatz ist der Befehlshaber des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr dem Generalinspek-
741) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 42.
742) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 19.
Drucksache 17/7400 – 108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
teur unterstellt.
743
Im Untersuchungszeitraum bekleidete
General Wolfgang Schneiderhan das Amt des Generalin-
spekteurs der Bundeswehr.
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009
Am 4. September 2009 wurde General Schneiderhan
gemäß seiner Zeugenaussage gegen 7 Uhr über den Luft-
schlag unterrichtet. An diesem Tag und dem darauf fol-
genden Wochenende befand er sich nach eigener Aussage
nicht im Ministerium, seine Erreichbarkeit sei aber so-
wohl telefonisch als auch über seinen Adjutanten sicher-
gestellt gewesen.
744
Vor dem Untersuchungsausschuss hat
der Zeuge Schneiderhan erklärt, zunächst einen „Arbeits-
plan“ erstellt und über seinen Adjutanten den Einsatzfüh-
rungsstab sowie das Einsatzführungskommando der Bun-
deswehr angewiesen zu haben, danach zu verfahren:
„Ich habe mir sechs Punkte vorgenommen an die-
sem Morgen:
Erstens. Einordnen dieser Entscheidung von
Oberst Klein in die Gesamtlage in und um Kunduz,
und zwar über einen längeren Zeitraum.
Zweitens. Einhaltung der Zuständigkeiten zur
Vermeidung eines Aufklärungs- und Meldechaos.
Drittens. Vermeiden von zu frühen Festlegungen
und vor allem Sicherstellung der Trennung von
Tatsachen, Vermutungen und Spekulationen.
Viertens. Schutz der Verantwortlichen vor Vorve-
rurteilungen.
Fünftens. Erhaltung der Einsatzstabilität in den
Einsatzgebieten, weil dort die kriegsähnlichen Zu-
stände nicht unterbrochen wurden.
Sechstens. Kommunikation mit den lokalen Auto-
ritäten, um emotionale Eskalationen und damit zu-
sätzliche Gefährdungen für unsere Truppe zu ver-
meiden.
Diesen Arbeitsplan habe ich kommuniziert im Ge-
spräch, unter anderem mit meinem Adjutanten.
Der Einsatzführungsstab, das Einsatzführungs-
kommando, das Regionalkommando Nord sind
dann entsprechend im Rahmen dieser Grundsatz-
weisung tätig geworden.“745
In den nächsten Tagen erkannte General Schneiderhan,
dass sich diese Verfahrensweise hinsichtlich der Vermei-
dung eines „Aufklärungs- und Meldechaos‟“ nicht voll-
ständig umsetzen ließ. Der Zeuge Schneiderhan hat dazu
erklärt:
„Das ließ sich nicht ganz so, wie ich es mir ge-
dacht habe, umsetzen. Dafür gab es mehrere Grün-
743) www.bmvg.de (Ministerium/Aufbau und Funktion/Die militäri-
schen Führungsstäbe/Führungsstab der Streitkräfte).
744) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 54.
745) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 5 f.
de, von denen ich drei nennen möchte: Der erste
Grund war die frühe öffentliche und sehr harsche
Bewertung der Entscheidung des Oberst Klein
durch den COM ISAF selbst. Der zweite Grund
war die Einbettung eines US-Journalisten in das
erste Besuchsteam des COM ISAF und dessen
journalistische Tätigkeiten ab Freitagnachmittag in
der Washington Post.“746
bbb) „Frühe Festlegungen“ des BMVg in der
ersten Pressekonferenz am 4. September
2009
Als ein weiteres Problem hat der Zeuge Schneiderhan in
seiner Vernehmung die Aussagen in der ersten Pressekon-
ferenz des Bundesministeriums der Verteidigung am 4.
September 2009 identifiziert. Wörtlich hat der Zeuge
ausgeführt:
„Das Dritte war ein hausgemachtes Problem: Das
waren die Aussagen und zu frühen Festlegungen
unseres Hauses am 4. 9., in der ersten Pressekonfe-
renz. Die Aussagen, die dort getätigt wurden, sind
aufgrund eigener Ermittlungen der aussagenden
Einrichtung entstanden und nicht mit der militäri-
schen Seite des Hauses abgestimmt gewesen. Wir
haben also genau dort die Parallelermittlungen ge-
habt. Ich selber war ab Nachmittag, nach dieser
Pressekonferenz, auf der Defensivlinie gelandet,
weil ich mich nur noch wehren musste gegen
COM ISAF, Washington Post und die ersten Vor-
festlegungen – die auch Minister Jung sehr gebun-
den haben – des eigenen Hauses […].“747
ccc) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein
am 5. September 2009
Gegen Abend des 5. September 2009 wurde General
Schneiderhan der Bericht von Oberst Klein vorgelegt.
Dieser Bericht wurde nach Aussage des Zeugen Schnei-
derhan sowohl dem Bundesminister der Verteidigung,
Dr. Franz Josef Jung, als auch dem Staatssekretär
Dr. Peter Wichert zur Kenntnis gegeben.
748
Dem Planungsstab wurde der „Klein-Bericht“ nicht vor-
legt.
749
ddd) Erste Telefonate mit dem Bundesminister
der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung
Dieser „Arbeitsplan“ General Schneiderhans sowie der
Bericht von Oberst Klein waren gemäß der Einlassung des
Zeugen Schneiderhan vor dem Untersuchungsausschuss
auch Gegenstand seiner ersten Telefonate mit dem dama-
ligen Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef
Jung am Abend des 4. September 2009. General Schnei-
746) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 7.
747) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 7 f.
748) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.
749) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 28
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 109 – Drucksache 17/7400
derhan habe dem Minister geraten, bei der Angabe von
Zahlen oder Fakten Zurückhaltung zu wahren. Wörtlich
hat der Zeuge ausgesagt:
„Diese Punkte waren auch Gegenstand meiner ers-
ten Telefonate mit dem Bundesminister der Ver-
teidigung am Freitagnachmittag. Ab diesem ersten
Gespräch ging es mit Minister Jung ständig um die
Frage: Wie gehen wir mit dem Informationsgehalt,
wie wir ihn jetzt haben, um? Was ist belastbar?
Was ist Spekulation? Ab diesen ersten Telefonaten
– der Minister war im Wahlkampf gebunden – gab
es auch immer meine Bitte, meinen Hinweis, mei-
nen Rat: Vorsicht mit Zahlen und vorsichtig mit
Fakten und Vermutungen.“750
eee) Eintreffen weiterer Berichte am 6. Septem-
ber 2009
Am 6. September 2009 erhielt General Schneiderhan laut
seiner Darstellung weitere Berichte zur Kenntnis, die er
jeweils auch Staatssekretär Dr. Wichert und Verteidi-
gungsminister Dr. Jung vorlegen ließ:
751
– Bericht der Provinz Kunduz an den Präsidenten der
Islamischen Republik Afghanistan,
– Protokoll der Fact Finding Mission (so genannter
„N.-Bericht“);
Zumindest der „N.-Bericht“ wurde nicht an den Planungs-
stab weitergeleitet.
752
fff) Vorlage an das Bundeskanzleramt am
7. September 2009
Am 7. September wurde General Schneiderhan nach
seiner Aussage eine Vorlage an Staatssekretär
Dr. Wichert zur Weiterleitung an das Bundeskanzleramt
vorgelegt. Darin wurde erwähnt, dass der Luftschlag
möglicherweise auch zu zivilen Opfern geführt hat. Der
Zeuge Schneiderhan hat dazu erklärt:
„Es gab an diesem Montag früh eine Vorlage an
Staatssekretär Wichert von meinem Büro zur Billi-
gung und Weiterleitung an das Kanzleramt. Diese
Information ist wohl am Montag per E-Mail erbe-
ten worden. Auf der Seite 2 dieser Vorlage vom
7. 9. finden Sie dann Hinweise auf den Bericht des
Initial Action Teams, sodass es – Und das war die
Aussage, die sich von da an durchgezogen hat:
dass das Team davon ausgeht, dass mit an Sicher-
heit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Zivilisten
getötet oder verletzt wurden. Diesen Satz finden
Sie auch in dem Hintergrund zur Vorlage an den
Minister über Wichert zur presseverwertbaren Stel-
lungnahme.“753
750) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 6.
751) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.
752) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 27.
753) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10.
ggg) Einrichtung des Joint Investigation Teams
durch den COM ISAF
General Schneiderhan erhielt gemäß seiner Aussage vor
dem Untersuchungsausschuss am 8. September 2009 die
Information, dass der Kommandeur der ISAF (COM
ISAF), General McChrystal, zur Untersuchung des Vor-
falls ein so genanntes Joint Investigation Team eingesetzt
habe. Aus dem vom COM ISAF festgelegten Untersu-
chungsauftrag, wonach unter anderem die Anzahl von
durch den Luftschlag verursachter ziviler Opfer ermittelt
werden sollte, hat der Zeuge Schneiderhan abgeleitet,
„wie unklar die Lage auch bei ISAF an diesem Dienstag,
den 8., immer noch war.“754
hhh) Kritik an der Zurückhaltung des Generalin-
spekteurs der Bundeswehr mit öffentli-
chen Äußerungen
Der Zeuge Dr. Raabe hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss kritisiert, dass sich General Schneiderhan anfäng-
lich mit öffentlichen Äußerungen zum Luftschlag zurück-
gehalten habe:
„Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert gewe-
sen, sich relativ frühzeitig zu äußern. General
Vollmer hatte sich damals am Donnerstag, einen
Tag vorher, öffentlich geäußert. Die Gefechtslage,
wenn man so sagen darf, war ja die, dass relativ
schnell der Eindruck entstehen konnte, Oberst
Klein habe vielleicht einen Fehler gemacht. Ich
glaube, man kann mit Fug und Recht sagen, dass
das Ministerium von Anfang an versucht hat,
Oberst Klein zu schützen, auch öffentlich, durch
Äußerungen. Ich glaube, dass die Stimme des
obersten Soldaten der Bundeswehr doch beeindru-
ckend gewesen wäre in diesem Sachverhalt und
dass es vielleicht zielführend gewesen wäre, wenn
er zu einem früheren Zeitpunkt sich schützend vor
Oberst Klein gestellt hätte, öffentlich.“755
Der Zeuge Schneiderhan hat dazu erklärt:
„Manche haben mir vorgeworfen, ich hätte mich
zu spät öffentlich geäußert. Ich habe das alles sehr
bewusst so gemacht, weil ich nicht zu denen gehö-
ren wollte, die vielleicht zu früh zu allem etwas
gesagt haben.“756
iii) Afghanistan-Reise des Generalinspekteurs
der Bundeswehr
Vom 14. September 2009 bis zum 15. September 2009
hielt sich General Schneiderhan im Einsatzland Afghanis-
tan auf. Dort sprach er nach eigenem Bekunden mit Bri-
gadegeneral Vollmer, Oberst Klein sowie mit dem Kom-
mandeur der ISAF, General McChrystal. Begleitet wurde
754) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 11.
755) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7.
756) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 12 f.
Drucksache 17/7400 – 110 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Generalinspekteur der Bundeswehr von drei Journalis-
ten.
757
jjj) Bewertung und Behandlung des so ge-
nannten Feldjägerberichtes
Nach seiner Rückkehr aus Afghanistan wurde General
Schneiderhan gemäß seiner Aussage von dem Untersu-
chungsausschuss der so genannte Feldjägerbericht mit
einer vom Einsatzführungsstab im BMVg vorgenomme-
nen Bewertung vorgelegt. Dass ein diesbezüglicher Be-
richt in Arbeit war, wusste General Schneiderhan laut
seiner Aussage „um den 7. 9. herum.“758
Inhaltlich schätzte General Schneiderhan den Bericht für
die weitere Sachaufklärung als untauglich ein. Zudem
befürchtete er nach seiner Aussage, dass der Bericht im
Falle eines Bekanntwerdens in der Öffentlichkeit zu Fehl-
interpretationen führen könnte.
759
Zu seiner persönlichen
Bewertung des Berichts hat der Zeuge Schneiderhan vor
dem Untersuchungsausschuss ausgesagt :
„Ich selbst habe mich mit diesem ‚Feld-
jägerbericht„ sehr intensiv beschäftigt, muss jetzt
leider öffentlich sagen, dass ich mit der Qualität
dieses ‚Feldjägerberichts„ zutiefst unzufrieden war,
weil er mehr Vermutungen und mehr Spekulatio-
nen und mehr Fragen als Fakten und Tatsachen ge-
liefert hat und zum Zeitpunkt des Aufschlags eher
geeignet war, Vorverdächtigungen und Vorvermu-
tungen auszulösen, als selbige zu verhindern oder
gar auszuräumen.
760
[…]
Der ‚Feldjägerbericht„ war nicht der Einstieg in ei-
ne – nach ‚Ansprechen, Beurteilen, Folgern„ – so-
lide, Fakten von Vermutungen trennende Arbeits-
weise. Das war er nicht; das konnte er zu diesem
Zeitpunkt ja gar nicht sein. Als er den geschrieben
hat, hat er doch auch nur die Fragen gehabt, die
wir alle miteinander haben, und die musste man
mir nicht mehr berichten.“761
Der Zeuge Schneiderhan hat weiter ausgeführt, dass er
sich über die Frage, was nun mit dem Bericht geschehen
solle, mit Generalleutnant Glatz beraten habe. General-
leutnant Glatz habe ihm dabei mitgeteilt, dass der Vorsit-
zende der ISAF-Untersuchungskommission, Major Gene-
ral Sullivan, von dem Bericht gehört und darum gebeten
habe, ihn im Rahmen der Untersuchung zur Verfügung
gestellt zu bekommen. Generalleutnant Glatz hat angege-
ben, dass er um den 17. 9. von General Schneiderhan
angewiesen wurde, das zweite Exemplar des Feldjägerbe-
richtes, welches sich noch im RC North befand, an sich zu
nehmen und unter Verschluss zu halten.
762
Der Zeuge
757) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 12 f.
758) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 37.
759) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 37.
760) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 11.
761) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 37.
762) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 72.
Dr. Jung hat bestätigt, von der Existenz dieses Berichtes
erst am 5. Oktober 2009 erfahren zu haben.
763
Auch hat er angegeben, dass ihm dieser Bericht nie vorge-
legt wurde, sondern General Schneiderhan daraus nur
vorgetragen habe.
764
Der Zeuge Glatz gab an, am 30. 9. Schneiderhan darauf
angesprochen zu haben, dass der Bericht des JIB am
29. 9. angefordert wurde.
Der Zeuge Glatz hat dazu ausgesagt:
„Ich weiß […], dass ich mit dem Generalinspek-
teur persönlich über den ‚Feldjägerbericht„ gespro-
chen habe, mindestens am 30. 9. Das weiß ich so-
gar relativ genau, weil am 29. 9. das so genannte
Joint Investigation Board des COM ISAF den
‚Feldjägerbericht„, weil man Kenntnis davon er-
halten hatte, angefordert hatte. Ich habe […] den
Generalinspekteur darauf angesprochen, dass das
Joint Investigation Board den ‚Feldjägerbericht„
vorgelegt bekommen möchte. Er hat mir dann
gleich geantwortet: ‚Dem können wir uns wohl
nicht entziehen„, und hat den im Prinzip freigege-
ben.
Dann haben wir im Einsatzführungskommando ein
Anschreiben entworfen an den Major General Sul-
livan, an den Leiter des Joint Investigation Boards,
und haben dieses Anschreiben weisungsgemäß
zum Einsatzführungsstab und damit auch für die
Rechtsabteilung zur Abstimmung in das Ministe-
rium gegeben. Unser Vorschlag ist fast zu 100
Prozent verworfen worden. […] Ich hatte den Ein-
druck bei diesem Gespräch, dass der Generalin-
spekteur sehr wohl wusste, dass es diesen ‚Feldjä-
gerbericht„ gibt, aufgrund der Art und Weise, wie
er reagiert hat.“765
Generalleutnant Glatz nahm gemäß seiner Schilderung
den Bericht mit Anschreiben nach Afghanistan:
„Ich war dann wieder auf dem Weg nach Afgha-
nistan, weil der Kommandowechsel vollzogen
werden sollte zwischen General Vollmer und Ge-
neral Setzer. Ich habe ihn dann General Setzer
übergeben, weil er nach Kabul gebracht werden
sollte mit einem Kurier. Dann bin ich am 4. 9.
noch mal angerufen worden von Oberst R., dass
die Freigabe dieses ‚Feldjägerberichtes„ wieder
angehalten sei; warum, erschließt sich mir nicht –
4. 10., Entschuldigung –, und bin dann am 5. 10.
abends wieder angerufen worden, der ‚Feldjäger-
bericht„ sei nun freigegeben. Daraufhin habe ich
gebeten, dass ich das auch noch schriftlich be-
komme. Das habe ich am 6. 10. bekommen. Am
7. 10. ist dann der ‚Feldjägerbericht„ in Kabul an
das Team General Sullivan übergeben worden.“766
763) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 7.
764) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 22.
765) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 71 f.
766) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 71 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111 – Drucksache 17/7400
Den Hintergrund dieser Maßnahme hat der Zeuge Schnei-
derhan in seiner Vernehmung erläutert:
„Der Herr Glatz war schneller, und ich hatte noch
nicht das Gespräch mit dem Minister zu der Ent-
scheidung, den ‚Feldjägerbericht„ in die NATO zu
geben. Mein Vorbehalt war ja: Ich will das ma-
chen; aber ich will mit dem Minister vorher darü-
ber reden. Dann wurde schon kommuniziert, dass
ich das vorhatte, und der Glatz war schneller und
hat es im Grunde sofort umgesetzt und hat meinen
Vorbehalt ‚Ich will erst mit dem Minister reden„
nicht beachtet. Das hat die Adjutantur mitgekriegt,
und da habe ich gesagt: Das geht jetzt nicht. Ich
will da den Minister eingebunden haben in diese
Entscheidung, wissend, dass das in diesem Fall
zweckmäßig ist, dass ich das nicht alleine mache,
weil das ein sehr komplexes Unternehmen war.
Deshalb haben wir das noch mal gebremst.“767
General Schneiderhan habe daraufhin am 5. 10. 2009
Bundesminister Dr. Jung zum Bericht vorgetragen und
empfohlen, den „Feldjägerbericht“ der NATO zur Verfü-
gung zu stellen, da dort die Untersuchung laufe. Nach
dem Gespräch mit dem Bundesminister der Verteidigung
sei die Freigabe des Berichts erfolgt. General Schneider-
han habe dann den „Feldjägerbericht […] aus dem Ver-
kehr gezogen“ und ihn der NATO für die vom Komman-
deur der ISAF angeordneten Untersuchungskommission
zur Verfügung stellen lassen.
768
Sowohl Dr. Jung
769
als
auch Staatssekretär Dr. Wichert hätten den Bericht nicht
vorgelegt bekommen.
770
Der Zeuge Dr. Jung hat in seiner Vernehmung bestätigt,
den Bericht nicht gelesen, wohl aber den Inhalt gekannt
zu haben.
771
Er hat weiter erklärt, in dem Gespräch mit
General Schneiderhan von diesem nicht über den Um-
stand, dass die NATO den „Feldjägerbericht“ bereits
angefordert hatte, informiert worden zu sein.
772
Wörtlich hat Dr. Jung auf diese Frage angegeben:
„Nein, denn sonst hätte ich ja nicht darüber ge-
sprochen, ob wir den jetzt weitergeben oder nicht
weitergeben. Das war ja gerade Diskussionsthe-
ma.“773
Der Zeuge Dr. Jung hat weiter angegeben, von Schnei-
derhan nicht darüber informiert worden zu sein, dass der
Bericht bereits seit dem 14. September 2009 im Ministe-
rium vorlag.
Nach Aussage des Zeugen Krause sei der Bericht erst
nach Anforderung durch das Joint Investigation Board
(JIB) zur Verfügung gestellt worden.
774
767) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 20.
768) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 38.
769) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 11.
770) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 38.
771) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 22.
772) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 27.
773) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 27.
774) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 6 f.
ee) Staatsekretär Dr. Peter Wichert
Im Bundesministerium der Verteidigung unterstützen
zwei beamtete Staatssekretäre den Minister in der fachli-
chen Leitung des Ministeriums und in der Ausübung der
Befehls- und Kommandogewalt im Frieden.
775
Beamtete
Staatssekretäre im Untersuchungszeitraum waren
Dr. Peter Wichert bis zum Ablauf des 3. Dezember 2009
sowie Rüdiger Wolf.
Seine Zuständigkeit in Bezug auf Auslandseinsätze der
Bundeswehr hat der Zeuge Dr. Wichert wie folgt be-
schrieben:
„[N]ach dem Berliner Erlass von Bundesminister
Dr. Struck […] bin ich […] für die Einsätze ver-
antwortlich, für die Einsatzführung, und der Gene-
ralinspekteur ist mir in dieser Beziehung in jeder
Beziehung unterstellt. Das heißt, der Dienstweg
läuft vom Generalinspekteur über mich zum Mi-
nister. Ich vertrete den Minister; der Generalin-
spekteur handelt im Auftrag des Ministers. Nur die
Staatssekretäre vertreten den Minister.“776
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009
Staatssekretär Dr. Wichert wurde gemäß seiner Aussage
vor dem Untersuchungsausschuss am 4. September 2009
„kurz vor 7 Uhr zu Hause angerufen und über den Luft-
angriff informiert.“ Er erteilte daraufhin den Auftrag, die
Unterrichtung der Obleute des Verteidigungs- und Aus-
wärtigen Ausschusses vorzubereiten.
777
bbb) Online-Meldung auf www.bundeswehr.de
Nachdem er im Bundesministerium der Verteidigung
eingetroffen war, erfuhr er von der Pressemeldung der
Bundeswehr auf der Internetseite. Der Zeuge Dr. Wichert
hat dazu ausgesagt:
„Als ich wie üblich kurz vor 7.30 Uhr in Bonn ins
Büro kam, erfuhr ich von Presseverlautbarungen
der Bundeswehr, deren wesentlicher Inhalt war:
56 Aufständische getötet, Zivilpersonen kamen
nicht zu Schaden, beides als feststehende Tatsa-
chen. Ich fand also die veröffentlichte Presseerklä-
rung bereits vor. Sie wurde von mir nicht gebilligt.
Wenn ich Informationen aus dem Hause bekam,
‚an den Pressestab zur Billigung„, habe ich immer
auf schriftlichen Vorlagen bestanden.“
Den Umstand, dass ihm die Pressemeldung nicht vor
Veröffentlichung vorgelegt worden war, hat der Zeuge
Dr. Wichert in seiner Vernehmung als „ungewöhnlichen
Vorgang“ bezeichnet.778
775) www.bmvg.de (Ministerium/Aufbau und Funktion/Die Staatssek-
retäre).
776) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 80.
777) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68.
778) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 80.
Drucksache 17/7400 – 112 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge hat weiter ausgeführt, dass er durch sein Büro
im Einsatzführungsstab im BMVg habe rückfragen las-
sen, welche Quellen den bisherigen Meldungen zugrunde
lagen. Dabei habe er erfahren, dass diese Meldungen auf
dem „Pressestrang“, „also nicht von der Truppe auf dem
Dienstweg und damit also nicht autorisiert von den ver-
antwortlichen militärischen Führern“, ins Ministerium
gelangt seien. Er habe daraufhin angewiesen, präzisere
Auskünfte einzuholen und ihm diese bis 12 Uhr desselben
Tages vorzulegen.
779
„Persönliche Kontakte zur Truppe in
Afghanistan“ habe Staatssekretär Dr. Wichert nach dem
3. September 2009 keine gehabt.
780
ccc) Unklares Lagebild bezüglich möglicher
ziviler Opfer am 4. September 2009
In seiner Vernehmung hat der Zeuge Dr. Wichert klarges-
tellt, dass am 4. September keine eindeutigen Informatio-
nen über mögliche durch den Luftschlag verursachte
Opfer unter der Zivilbevölkerung vorlagen:
„Definitive Kenntnis, dass es nun wirklich Zivilis-
ten getroffen hat, hatten wir ja auf der anderen Sei-
te auch nicht. Auch McChrystal hat am 4. 9. gesagt
– viele Journalisten berichteten aus dem Einsatz-
gebiet -: vermutlich auch Zivilisten. – Also, die
Gefechtslage war unklar, und deshalb habe ich auf
eine definitive Aussage in die eine oder andere
Richtung zunächst einmal verzichtet […].“781
ddd) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein
sowie weiterer Berichte
Am 6. September 2009 erhielt Staatssekretär Dr. Wichert
nach seiner Aussage den Bericht von Oberst Klein, den er
am Morgen des 7. September 2009 Bundesminister
Dr. Jung vorlegen ließ.
782
Des Weiteren seien an den
nächsten Tagen weitere Berichte in seinem Büro einget-
roffen:
– Am 7. September 2009 erhielt Staatssekretär
Dr. Wichert den Bericht der Provinz Kunduz an den
Präsidenten der Islamischen Republik Afghanistan, in
dem berichtet werde, dass „ausschließlich Aufständi-
sche ums Leben gekommen“ seien.
– Am 8. September sei dem Büro von Staatssekretär
Dr. Wichert um 10.20 Uhr der Bericht des Initial Ac-
tion Teams (IAT) zugestellt worden.
– Ebenfalls am 8. September 2009 habe der Adjutant
des Generalinspekteurs der Bundeswehr seinem Büro
das Protokoll der Fact Finding Mission (so genannter
N.-Bericht) übermittelt.
783
779) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68.
780) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 78.
781) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 81.
782) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.
783) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.
Der am 14. September 2009 im Einsatzführungsstab des
BMVg eingegangene „Feldjägerbericht“ wurde Staatssek-
retär Dr. Wichert nicht vorgelegt.
ff) Bundesminister der Verteidigung
Der Bundesminister der Verteidigung ist als Ressortchef
Mitglied der Bundesregierung. Im Frieden und im Span-
nungsfall ist er der Inhaber der Befehls- und Kommando-
gewalt (IBuK). Er ist höchster Vorgesetzter aller Solda-
tinnen und Soldaten und gleichzeitig deren oberster Dis-
ziplinarvorgesetzter. Er steht ferner an der Spitze der
Bundeswehrverwaltung und ist damit auch Vorgesetzter
aller zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bun-
deswehr und des Ministeriums.
784
Bundesminister der
Verteidigung war im Untersuchungszeitraum bis zum 27.
Oktober 2009 Dr. Franz Josef Jung.
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009
Am Morgen des 4. September 2009 wurde Bundesminis-
ter der Verteidigung Dr. Jung nach seiner Darstellung vor
dem Untersuchungsausschuss über die Durchführung des
Luftschlages in Kunduz unterrichtet. Zu seinen getroffe-
nen Maßnahmen hat er ausgesagt:
„Ich habe sowohl mit dem Generalinspekteur als
auch mit Staatssekretär Dr. Wichert telefoniert;
denn ich war unterwegs in Baden-Württemberg zu
einem mittelständischen Betrieb, der Zulieferer für
unsere wehrtechnische Industrie war. […] Wir ha-
ben dann darüber beratschlagt, wie wir am sinn-
vollsten jetzt die Obleute unterrichten; […] Wir
haben gesagt: Das ist alles noch so ungenau. Wir
nehmen keine konkrete Zahl; denn wenn wir eine
Zahl nennen und nachher sich die Opferzahl ver-
ändert, dann heißt es: falsche Information usw.
[…] Deshalb haben wir in der ersten Obleuteunter-
richtung auch nur von dem Luftangriff gegen die
OMF gesprochen.“785
bbb) Erste öffentliche Äußerung
Am Abend des 4. September 2009 verteidigte der damali-
ge Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung
in einem Interview der ARD den Luftangriff und begrün-
dete diesen damit, dass durch den Raub der Tanklastzüge
eine „sehr konkrete Gefahrenlage“ für die deutschen Sol-
daten in Kunduz vorgelegen habe.
786
ccc) Interview in der Bild am Sonntag
Am 5. September 2009 gab Bundesminister Dr. Jung der
Bild am Sonntag ein Interview, das wesentlich vom Spre-
784) www.bmvg.de (Ministerium/Der Minister).
785) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.
786) Spiegel Online vom 5. September 2009, 20.14 Uhr, „Tanklastzug-
Attacke zwingt Minister Jung in die Defensive“ (Dokument 3).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 113 – Drucksache 17/7400
cher des BMVg Dr. Raabe vorbereitet worden war
787
und
in der Ausgabe am 6. September 2009 veröffentlicht wur-
de.
788
In dem Interview erklärte er unter anderem:
„Nach allen mir zurzeit vorliegenden Informatio-
nen sind bei dem durch ein US-Flugzeug durchge-
führten Einsatz ausschließlich terroristische Tali-
ban getötet worden.“
Der Zeuge Dr. Jung hat dazu vor dem Untersuchungsaus-
schuss erklärt, dass diese Aussage seinem Kenntnisstand
am 5. September 2009 entsprochen habe, als er das Inter-
view genehmigte.
789
ddd) Gespräch mit der Bundeskanzlerin am
5. September 2009
Über das gegebene Interview informierte Bundesminister
Dr. Jung am 5. September 2009 in einem Telefonge-
spräch Bundeskanzlerin Dr. Merkel. Die Bundeskanzlerin
bat daraufhin nach eigener Aussage nochmals darum,
„alle Informationen, insbesondere auch die über den Be-
such von General McChrystal, in seinem Interview zu
berücksichtigen und sie dabei einzubeziehen.“790
Der Zeuge Dr. Jung erklärte vor dem Ausschuss, er habe
mit der Kanzlerin am 6. September anlässlich der Wahl-
kampfveranstaltung in Düsseldorf gesprochen.
791
eee) Telefonat mit Oberst Klein am 5. Septem-
ber 2009
Am 5. September 2009 ließ sich Bundesminister der Ver-
teidigung Dr. Jung gemäß seiner Darstellung fortlaufend
telefonisch durch den Generalinspekteur der Bundeswehr
über den jeweils aktuellen Informationsstand unterrichten.
Dabei erfuhr er auch von den Reaktionen einiger europä-
ischer Außenminister zum Luftschlag.
Um Informationen über den Luftangriff „aus erster Hand“
zu bekommen und um Oberst Klein nach den „negativen
Stellungnahmen […] vonseiten der europäischen Außen-
minister […] deutlich zu sagen, dass der deutsche Vertei-
digungsminister eindeutig an seiner Seite steht“792, führte
Bundesminister Dr. Jung mit Oberst Klein an diesem Tag
ein Telefonat. In seiner Vernehmung hat der Zeuge
Dr. Jung dazu erläutert:
„[I]ch [habe] gesagt: Ich will, was ich sonst in de-
rartigen Fällen nicht gemacht habe, mit Oberst
Klein telefonieren, will ihm a) meine Unterstüt-
zung zusagen und b) mich auch noch einmal über
den Sachstand aus erster Hand informieren. Ich
war an diesem Nachmittag dann nach Stadtallen-
dorf unterwegs; […] und ich habe von dort auch
dann aus der Kaserne mit Oberst Klein telefoniert.
787) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 9.
788) Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift, wird
bekämpft“ (Dokument 4).
789) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 37.
790) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 36.
791) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 32.
792) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 18.
Ich habe ihm zunächst noch einmal meine eindeu-
tige Unterstützung zugesagt; denn ich habe es als
meine Verpflichtung empfunden, dass, wenn ein
Soldat in einer solch schwierigen Situation zu
solch einer Entscheidung kommt und dann öffent-
lich in die Kritik gerät, der deutsche Verteidi-
gungsminister sich vor ihn stellt. Ich habe dann
auch von ihm noch mal erfahren, dass es seine
Überzeugung war, dass es nur Taliban waren an
diesem Ort, dass er unter dem Eindruck dieser ent-
führten Tanklastwagen stand, auch unter dem Ein-
druck des kurz vorher stattgefundenen Ereignis-
ses […] in Kabul, und dass er der Überzeugung
war, zum Schutze unserer Soldaten müsse er diese
Entscheidung treffen, zumal seine Informationen
so gewesen seien, dass es sich hierbei nur um Ta-
liban handele.
Er hat mir auch noch gesagt, es seien dann an dem
Ort verkohlte Gewehre gefunden worden, und ich
weiß noch, dass er formuliert hat, dass in den Fäl-
len, wenn es dort zivile Opfer gegeben hätte, die
Taliban bewusst diese zivilen Opfer hätten liegen
lassen, um genau das zu demonstrieren, dass aber
hier alle Leichen weggeräumt worden wären, so-
dass er auch aus dieser Tatsache geschlossen hat,
dass es sich hierbei nur um Taliban handele.“793
Der Zeuge Klein hat in seiner Vernehmung im Hinblick
auf das Telefonat ausgesagt:
„Er rief mich an, wollte zunächst einmal meine
Lageeinschätzung hören, die ich ihm in groben
Zügen skizziert habe. Ich muss sagen, ich war sehr
erfreut über die Art und Weise, wie er Verständnis
für unsere Situation da gezeigt hat und wie er sich
hinterher auch öffentlich vor die Soldaten des PRT
gestellt hat. Ich habe ihm geschildert, dass ich auf-
grund meines Lagebildes in der Nacht eine harte
militärische Entscheidung getroffen habe, weil ich
der Überzeugung war, in dieser Nacht durch die-
sen Waffeneinsatz nur Aufständische zu treffen.
Ich habe ihm auch gesagt, dass wir von allen afg-
hanischen Stellen, mit denen wir sprechen, zu die-
sem Zeitpunkt die Signale bekommen, es hat nur
Aufständische getroffen. […]
Ich habe aber auch gesagt, dass es Verletzte gibt,
auch Menschen mit Verbrennungen im Kranken-
haus gibt und dass wir derzeit versuchen, heraus-
zubekommen, ob diese eindeutig dem Luftwaffen-
einsatz zuzuordnen sind. Es gilt das, was ich allen
gesagt habe: Wir empfehlen eben nicht, zwischen
Taliban und Zivilisten zu unterscheiden, weil das
immer eine sehr schwierige Diskussion ist, son-
dern wir haben empfohlen, zwischen Unbeteiligten
und Beteiligten des Luftwaffeneinsatzes zu unter-
scheiden.“794
793) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.
794) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
Drucksache 17/7400 – 114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
fff) Presseerklärung am 6. September 2009,
dass zivile Opfer nicht mehr auszuschlie-
ßen sind
Am 6. September 2009 traf Bundesminister Dr. Jung im
Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung in Düsseldorf mit
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zusammen. Zuvor
hatte die Washington Post in einem Artikel gemeldet,
dass durch den Luftschlag 125 Personen, darunter auch
Zivilisten, getötet worden seien.
795
Mit der Bundeskanzle-
rin sei er sich einig gewesen, dass zivile Opfer nicht mehr
auszuschließen seien. Der Zeuge Dr. Jung hat diese Situa-
tion wie folgt beschrieben:
„Als ich nach Düsseldorf in die Halle kam, hatten
wir ein Vorgespräch, wie die Veranstaltung jetzt
ablaufen solle. Ich habe auch dort mit der Bundes-
kanzlerin gesprochen, die in Sorge war im Hinb-
lick auf diese Meldungen, die über die Washington
Post dort verbreitet wurden. Ich habe ihr gesagt,
was mir Oberst Klein sozusagen aus erster Hand
gesagt hat. Aber wir waren uns darüber einig, dass
wir die Frage der zivilen Opfer jetzt nicht mehr
ausschließen könnten.“
Der Zeuge Dr. Jung hat weiter ausgeführt, er sei nach
diesem Gespräch vor die Presse getreten und habe eine
Presseerklärung abgegeben. Unter anderem habe er for-
muliert, dass „wenn es dort bei diesem Luftschlag zivile
Opfer gegeben hat, dass wir das sehr bedauern und dass
auch unser Mitgefühl den Angehörigen und den Familien
gilt.“796
ggg) Telefonat mit General McChrystal am
6. September 2009
Am Rande der Wahlkampfveranstaltung telefonierte
Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung mit dem
Kommandeur der ISAF, General McChrystal. Der Zeuge
Dr. Jung hat den Verlauf des Gesprächs in seiner Ver-
nehmung geschildert:
„Er [General McChrystal, Anm.] hat mir gesagt,
dass er diese Darstellungen – 56 Tote und
14 Verletzte, und das seien Taliban und Ver-
bündete – für falsch ansehe. Er sei der Über-
zeugung, es gebe zivile Opfer, zumindest gebe es
zivile Verletzte, und er sei vor Ort gewesen und
habe dort auch im Krankenhaus die Berichte be-
kommen. Ich habe ihm entgegengehalten, was mir
Oberst Klein gesagt hat. Er hat gesagt, er hielte
dies für falsch, und wir haben uns verständigt, dass
eine Untersuchung vonseiten der NATO erfolgen
solle. Ich weiß noch, wie er immer von ‚investiga-
tion„ gesprochen hat. Das Gespräch fand in Eng-
lisch statt. Ich habe ihm unsere Unterstützung für
795) Washington Post vom 6. September 2009, „Sole Informant
Guided Decision On Afghan Strike“ (Fn. 728, Dokument 116).
796) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.
diese NATO-Untersuchung auch im Rahmen die-
ses Gesprächs zugesagt.“797
In dem Telefonat hat sich Verteidigungsminister Dr. Jung
auch kritisch zu den öffentlichen Verlautbarungen von
General McChrystal und die Tatsache, dass er bei der
dienstlichen Anhörung von Oberst i. G. Klein einen Jour-
nalisten der „Washington Post“ zugelassen hatte, geäu-
ßert:
„[I]ch habe mich ziemlich kritisch mit ihm unter-
halten und habe ihm auch gesagt, dass ich das für
unverantwortlich ansehe, auch im Hinblick darauf,
dass er als COM ISAF gerade gegenüber unserem
Soldaten Oberst Klein sich in einer solchen Art
und Weise äußert. […] Nach dem Gespräch war er
auch etwas vorsichtiger mit dem Thema Opfer, da
sprach er nur noch von Verletzten. […] Ich habe
doch ziemlich deutlich, sagen wir einmal, meine
Verärgerung diesbezüglich zum Ausdruck ge-
bracht.“798
hhh) Eingang weiterer Berichte
Am Abend berichtete Dr. Jung dem Generalinspekteur
der Bundeswehr General Schneiderhan telefonisch von
dem Gespräch und seiner Presseerklärung. General
Schneiderhan teilte ihm mit, dass weitere Berichte im
Ministerium eingegangen seien.
799
„Ich habe ihn [General Schneiderhan, Anm.] ers-
tens von den Gesprächen unterrichtet, und er hat
mir im Rahmen dieses Gespräches von einem afg-
hanischen Bericht berichtet. Das war der Bericht
des Vorsitzenden des Provinzrates, des Gouver-
neurs, des Polizeichefs, des Armeechefs und des
Geheimdienstchefs, die von 56 Toten und 12 Ver-
letzten von diesem Luftschlag gesprochen haben
und die formuliert hatten, nach Gesprächen mit
Dorfbewohnern und Augenzeugen seien es nur Ta-
liban und deren Verbündete. Er hat mir auch be-
richtet von einem Bericht von Oberst N., der die-
sem Untersuchungsteam von General McChrystal
angehört hat […].“800
Der Zeuge Dr. Jung hat des Weiteren berichtet, dass er in
diesem Gespräch auch über den vorliegenden schriftli-
chen Bericht von Oberst Klein unterrichtet worden sei.
General Schneiderhan und er hätten sich zudem darüber
verständigt, in der Frage möglicher ziviler Opfer „etwas
vorsichtiger“ dahingehend zu formulieren, dass nach
derzeit vorliegenden Erkenntnissen zivile Opfer nicht
mehr auszuschließen seien.
801
797) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.
798) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 11.
799) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.
800) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.
801) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 115 – Drucksache 17/7400
iii) Rede des Bundesministers der Verteidi-
gung im Deutschen Bundestag am 8. Sep-
tember 2009
Am 8. September 2009 hielt Bundesverteidigungsminister
Dr. Jung im Bundestag anlässlich einer Regierungserklä-
rung der Bundeskanzlerin eine Rede zu den aktuellen
Ereignissen in Afghanistan. Darin stellte er unter anderem
dar, dass es in der Frage, ob der Luftschlag Opfer unter
der Zivilbevölkerung zur Folge hatte, unterschiedliche
Informationen gäbe und dass dies weiterer Aufklärung
bedürfe:
„Weil es jetzt auch andere Informationen gibt, ist
es notwendig und richtig, dass wir alles daranset-
zen, unseren Beitrag zur sachgerechten Aufklärung
zu leisten. Ich sage noch einmal: Wenn es zivile
Opfer gegeben hat, fordert dies unsere Anteilnah-
me und unser Mitgefühl.
Wir werden uns auch darum kümmern, dass die Si-
tuation vor Ort geregelt wird. Das halte ich für ei-
nen wichtigen Punkt. Aber um Entscheidungen in
dieser Richtung treffen zu können, muss erst das
abschließende Untersuchungsergebnis vorlie-
gen.“802
2. Auswärtiges Amt
Die Federführung für Anträge der Bundesregierung, mit
denen sie den Deutschen Bundestag um Zustimmung zu
einem Streitkräfteeinsatz ersucht
803
, liegt beim Auswärti-
gen Amt. Dieses ist für die Vertretung der Bundesrepub-
lik Deutschland in den internationalen Organisationen, in
deren Rahmen Auslandseinsätze regelmäßig durchgeführt
werden, zuständig. Die operative Durchführung eines
Streitkräfteeinsatzes ist dem Bundesministerium der Ver-
teidigung und den Befehlshabern vor Ort übertragen.
804
Im Hinblick auf diese Federführung des Auswärtigen
Amtes wurde auch der damalige Bundesminister des
Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, im Ausschuss
als Zeuge vernommen.
Auf die Frage, warum er nicht bereits am 4. September
zivile Opfer eingeräumt habe, erklärte Dr. Steinmeier vor
dem Untersuchungsausschuss:
„[W]as machen Sie, wenn Sie in einer solchen Si-
tuation verantwortlich öffentlich Aussagen treffen
wollen? Dann müssen Sie die Aussage treffen, die
aufgrund einer solchen Situation einigermaßen
tragfähig ist. Und ich war nicht am Kunduz-Fluss,
habe die Ereignisse nicht selbst gesehen und kann
aus eigener Zeugenschaft deshalb auch nicht auf-
klären, ob und wie viele Opfer es an diesem Tag
bei diesem Einsatz gegeben hat. Und deshalb ist es
802) Jung, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26305.
803) Hierbei handelt es sich im Bundeskabinett um so genannte „Dop-
pelvorlagen”, die wegen der vielfältigen militärpolitischen Fragen
in erheblichen Teilen im Bundesministerium der Verteidigung
vorbereitet werden.
804) Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Artikel 87a, Rn. 154.
doch gut und richtig, wenn man dann nicht aus-
schließt, was eine spätere Aufklärung noch erge-
ben kann, aber sich auf der anderen Seite auch
nicht zu sicher ist, dass es auf keinen Fall zivile
Opfer gegeben haben kann. Das war doch in der
gegebenen Situation bei der Informationslage, die
Sie selbst eben geschildert haben, aus meiner Sicht
das einzig richtige Verhalten.“805
a) Erste öffentliche Äußerungen des Bundes-
außenministers
aa) Gegenüber der Presse
Von dem Luftschlag erfuhr der damalige Bundesaußen-
minister Dr. Frank-Walter Steinmeier nach eigenem Be-
kunden am Freitagmorgen. Es habe an diesem Morgen
eine ausführlichere Presselage gegeben, in welcher der
Vorfall bekannt gewesen sei. Hinsichtlich möglicher
ziviler Opfer habe er sich auf die Berichterstattung aus
seinem Hause gestützt, mit dem Hinweis darauf, dass es
eine vielfältige Berichterstattung aus Afghanistan und aus
anderen öffentlich zugänglichen Quellen gebe, die einen
nicht sicher sein ließen, ob zivile Opfer tatsächlich ausge-
schlossen seien.
806
Öffentlich äußerte sich Dr. Frank-Walter Steinmeier zum
Luftangriff erstmals am Nachmittag des 4. September
2009 gegenüber der Ostsee-Zeitung:
„Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Stein-
meier hat sich besorgt über den jüngsten Vorfall in
Afghanistan geäußert. […]
Dieser Fall zeige, wie schwierig und gefährlich die
Lage dort ist. Die Taliban schrecken offensichtlich
vor nichts zurück, um die Sicherheit zu destabili-
sieren und Wiederaufbau unmöglich zu machen.
Derzeit wird untersucht, wie viele Opfer es gege-
ben hat und ob unschuldige Zivilisten darunter
waren. Das müssen wir abwarten. Gerade Deutsch-
land hat innerhalb der internationalen Truppen
immer wieder gedrängt, alles zu tun, um zivile Op-
fer zu vermeiden. Das werden wir auch in Zukunft
tun.“807
Ähnlich äußerte er sich gegenüber der Bild am Sonntag
am 6. September 2009:
„Das ist ein sehr schwerwiegender und gravieren-
der Vorfall. Deshalb müssen wir gemeinsam mit
unseren Verbündeten dafür sorgen, dass die Vor-
gänge von Donnerstagnacht schnellstmöglich und
genauestens aufgeklärt werden. Ich rate davon ab,
voreilige Schlüsse zu ziehen. Gegen verbrecheri-
sche Terroristen muss entschieden vorgegangen
805) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 16 f.
806) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 6.
807) dpa-Tickermeldung vom 4. September 2009, 16.51 Uhr.
Drucksache 17/7400 – 116 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
werden. Gleichzeitig müssen wir aber alles tun, um
unschuldige zivile Opfer zu vermeiden.“808
bb) Rede vor dem Deutschen Bundestag
In der Aussprache zu der Regierungserklärung der Bun-
deskanzlerin am 8. September 2009 vor dem Deutschen
Bundestag erklärte Dr. Steinmeier u. a:
„Noch wissen wir nicht genau, wie viele Men-
schen bei dem Luftangriff am vergangenen Freitag
in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Noch
wissen wir nicht, wie viele Zivilisten unter den
Opfern waren. Aber eines wissen wir: Dieser Luft-
angriff war nicht irgendein bedauerlicher Zwi-
schenfall, und wir können nach diesem Ereignis
natürlich nicht ohne weiteres zur Tagesordnung
übergehen. Dieser Freitagmorgen hat – ob wir das
wollen oder nicht – ein Schlaglicht auf unseren
Afghanistan-Einsatz geworfen und ihn neu ins
Rampenlicht gerückt. Natürlich gibt es – das ver-
stehe ich – darüber eine öffentliche Diskussion.
Ich verstehe auch, dass Diskussionen nicht nur bei
uns, sondern auch im europäischen und außereuro-
päischen Ausland geführt werden. Eines allerdings
verstehe ich nicht – das können wir auch nicht so
lassen –, nämlich dass, bevor die Untersuchungen
abgeschlossen sind, Vorverurteilungen, auch im
Ausland, stattfinden.“809
In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss
am 10. Februar 2011 hat der Zeuge Dr. Steinmeier seinen
damaligen Redebeitrag erläutert:
„Ich habe das nicht so formuliert, weil ich oder wir
über eigene und besondere Erkenntnisse verfügt
haben, sondern, wenn Sie so wollen, weil man
nach ein paar Jahren Erfahrung in diesem Amt
oder in unterschiedlichen Ämtern weiß, dass sich
die ersten Nachrichten nach einem solchen Ereig-
nis auch noch ändern können und dass man vor-
sichtig ist mit Festlegungen gegenüber der Öffent-
lichkeit, bevor Aufklärungsbemühungen überhaupt
begonnen haben und bevor erste Ergebnisse dieser
Aufklärungsbemühungen auch nur bei einem der
Ressorts in der Bundesregierung angekommen
waren. Das ist der Hintergrund, weshalb ich in der
Öffentlichkeit relativ zurückhaltend war. Und ich
glaube, dass das nach meiner Beurteilung in der
damaligen Situation auch die verantwortliche Hal-
tung war, zurückhaltend zu sein, was die Möglich-
keit ziviler Opfer angeht, zurückhaltend zu sein,
die Gefahr völlig auszuschließen, und gleichzeitig
schnellstmöglich Untersuchungen und Aufklärun-
gen auf den Weg zu bringen.“810
808) Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift wird
bekämpft“ (Fn. 5, Dokument 4).
809) Steinmeier, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26302.
810) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 5.
b) Informationslage des Auswärtigen Amtes
in den ersten Tagen
Der Zeuge Dr. Steinmeier hat vor dem Ausschuss erklärt,
die Informationslage sei in den ersten Tagen nach dem 4.
September unklar, diffus und teilweise widersprüchlich
gewesen.
811
Wörtlich hat er gesagt:
„Und natürlich haben sich auch die Mitarbeiter im
Auswärtigen Amt bemüht, sich möglichst frühzei-
tig ein Bild von der Lage zu verschaffen, wo natür-
lich – das verstehen Sie – den Mitarbeitern des
Auswärtigen Amtes auch Grenzen gesetzt sind.
Bei der Vorbereitung des militärischen Einsatzes
war das Auswärtige Amt natürlich nicht einbezo-
gen, was Sie auch daran sehen können, dass der
zivile Leiter des PRT in Kunduz, Herr D., den Sie
hier hatten, über eine Nachrichtenseite aus dem
Internet von dem Vorfall selbst erfahren hat. Ich
sage das deshalb, weil, wenn das Auswärtige Amt
nicht in die militärische Planung einbezogen war,
natürlich auch von denselben Menschen der Unter-
suchung dieses Vorfalls, über den wir zu reden ha-
ben, dieser Untersuchung durch das Auswärtige
Amt selbst Grenzen gesetzt waren: kaum eigene
Möglichkeiten, vor Ort eigene Recherchen anzus-
tellen. Aber soweit ich das jetzt aus den paar Ak-
tenstücken gesehen habe, die ich mir noch mal
durchgesehen habe, gab es da keine Sonderinfor-
mationen im Auswärtigen Amt, die nicht anderen
auch zugänglich gewesen wären. Ich habe jeden-
falls mir berichten lassen von der Nachrichtenlage,
von der Informationslage, die es am 4., 5., rund um
diesen Zeitpunkt, gegeben hat. Ich habe aufgrund
dieser Lage davon abgesehen, öffentlich zu sagen,
dass es keine zivilen Opfer gegeben hat.“812
Die Informationslage im Auswärtigen Amt nach dem
Luftangriff, insbesondere im Hinblick auf zivile Opfer,
wird auch durch E-Mail-Verkehr zwischen Mitarbeitern
des Auswärtigen Amtes dokumentiert:
„NATO könne insbesondere nicht bestätigen, dass
hier in erster Linie Aufständische getötet wurden,
sondern sieht Mehrzahl der Getöteten wohl als Zi-
vilisten an.“813
„NATO-Sprecher warnte mich, so zu tun als seien
wahrscheinlich keine Zivilen getötet worden. So
stünde es auf BW webpage. Das würde ihn in Wi-
derspruch zwingen. Wir sollten dies ISAF/NATO
machen lassen.“814
Auf die Frage, welche Informationen ihn als Minister
direkt erreicht hätten, hat Minister a. D. Dr. Steinmeier
erklärt:
„Mich hat erreicht, dass es Informationen aus Afg-
hanistan und auch aus dem NATO-Bereich gege-
811) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 4 f.
812) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 5.
813) E-Mail 1 (Dokument 118).
814) E-Mail 2 (Dokument 119).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 117 – Drucksache 17/7400
ben hat, wonach dort behauptet wird, zivile Opfer
seien vorgekommen, […].“815
Zu den Zielen des Luftangriffs wurde in einer internen E-
Mail vom 4. September 2009 durch einen Mitarbeiter des
Länderreferates Afghanistan im Auswärtigen Amt fol-
gende Einschätzung formuliert:
„Absicht war wohl eher, die Tankwagen zunächst
zu sichern und für Anschläge umzubauen, was al-
lerdings kaum verborgen geblieben wäre, da
Tankwagen nicht einfach über mehrere Tag ver-
schwinden und dann wieder auftauchen, vor PRTs
oder ähnlichem, kurz gesagt: Eindruck aus dem
PRT, das war keine ‚Notwehr„, sondern ein extrem
gutes ‚high value target„, allerdings auf der Grund-
lage der vorhandenen Aufklärung.“816
c) Informationsgewinnung seitens des Aus-
wärtigen Amtes
Das Auswärtige Amt hatte abgesehen von der öffentli-
chen Berichterstattung im wesentlichen zwei Informati-
onsquellen. Zum einen wurde es aus dem Bundesministe-
rium der Verteidigung über das Geschehen unterrichtet.
Andererseits hatte es über die Botschaft in Kabul und den
zivilen Leiter des PRT Kunduz, den damaligen Vortra-
genden Legationsrat D., einen unmittelbaren Zugang zu
dem Geschehen vor Ort.
aa) Informationserlangung durch die zivile
Leitung des PRT Kunduz
Zum Zeitpunkt des Luftangriffs war im PRT Kunduz der
Zeuge D. im Auftrag des Auswärtigen Amtes in der Funk-
tion des zivilen Leiters eingesetzt. Dort trug er nach eige-
ner Darstellung für den Kontakt mit all denjenigen, die
am Wiederaufbau im zivilen Bereich in der Provinz Kun-
duz beteiligt waren Sorge und stellte gleichzeitig die
Verbindung zum militärischen Teil des PRT her. Das
Auswärtige Amt war zum Zeitpunkt des Luftschlages mit
insgesamt drei Personen vertreten, der zivile Leiter D.
sowie zwei weitere Mitarbeiter.
817
Seinen Kontakt mit
dem militärischen Leiter des PRT Kunduz – zum untersu-
chungsgegenständlichen Zeitpunkt der Oberst Klein –, hat
er in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-
schuss als regelmäßig beschrieben. Er habe an den Lage-
besprechungen teilgenommen, die im PRT stattfanden,
und habe auch darüber hinaus die Gelegenheit gehabt,
jederzeit mit dem Oberst Dinge zu besprechen, die von
gemeinsamem Interesse waren. Beide hätten ein sehr
offenes, ein sehr direktes Arbeitsverhältnis gehabt.
818
Zur
Verdeutlichung beschrieb der Zeuge D. dem Ausschuss
seine Position innerhalb des PRT Kunduz:
„Ich bin dort als ziviler Leiter des PRTs eingesetzt
und hatte die Position neben dem militärischen
815) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 20.
816) E-Mail 3 (Dokument 120).
817) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 8.
818) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 4.
Leiter des PRTs. Wir hatten eine Aufgabenteilung
zwischen uns beiden, wonach ich mich um zivile
Aufgaben gekümmert habe: Wiederaufbau, Kon-
takt mit der Wiederaufbaugemeinde Deutschlands
und internationalen Aufbauhelfern. Der militäri-
sche Leiter des PRTs hat sich um die militärischen
Dinge gekümmert, die mit dem militärischen Auf-
trag zusammenhingen. Wir hatten dort keine ge-
meinsame Aufgabenstellung.“819
Kenntnis erlangte D. von dem Luftangriff nach eigener
Aussage zunächst aus der Presse. Daraufhin habe er sich
sofort zu Oberst Klein begeben. Dieser habe den Luft-
schlag bestätigt:
„Ich bin am Freitagmorgen wie üblich morgens in
mein Büro gegangen, […], habe dort meinen PC
hochgefahren, bin dann in die Schlagzeilen Ti-
ckermeldung gegangen und habe dort das erste
Mal über den Luftschlag Kenntnis erhalten, habe
dann auf einer Webseite eines ganz allgemein be-
kannten Magazins in Deutschland weitere Infor-
mationen über diesen Luftschlag gelesen, und das
war meine erste Quelle, wie ich über diesen Luft-
schlag Kenntnis erlangt habe. […] Nachdem ich
das gelesen habe, habe ich das Büro verlassen, bin
rübergegangen in das Stabsatrium 1 und habe dort
nach dem Kommandeur gesucht, um ihn danach zu
fragen, inwieweit diese Meldung der Tatsache ent-
spricht. […] Ich habe ihn in seinem Büro angetrof-
fen, und er hat mir bestätigt, dass es diesen Nacht-
einsatz gegeben hat, und im Prinzip auch die Er-
gebnisse, dass zwei entführte Tanklastwagen das
Angriffsziel dieser Operation gewesen sind. In al-
ler Kürze hat er mir das bestätigt, und dann lief
den Tag über weitere Aktivität, Erkundung und
Ähnliches, ab.“820
aaa) Erste Hinweise auf zivile Opfer
Während Oberst Klein nur davon gesprochen habe, es
seien Aufständische bzw. Taliban getroffen worden, habe
er anschließend im Internet Hinweise auf zivile Opfer
gefunden, jedoch ohne Beweise oder Hinweise, die dies
zu dem Zeitpunkt in irgendeiner Form bekräftigt hätten.
821
Seine Erkenntnisse leitete D. an seine Ansprechpartner im
Auswärtigen Amt weiter:
„Ich habe dem Länderreferat eine Kopie der Pres-
seinformation, die ich gefunden habe, übersandt
und dann in kurzen Zeilen bestätigt, was mir
Oberst Klein zu dieser Pressemitteilung gesagt hat,
und habe dann auch einen Satz mit aufgenommen,
dass es Verlautbarungen von den Insurgenten über
mögliche zivile Opfer gegeben hat, aber alles unter
dem Vorbehalt, dass ich dazu keine eigenen Er-
kenntnisse hatte.
822
[…] Ich habe zwischendurch je
819) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 14.
820) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 4 f.
821) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 5.
822) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 5.
Drucksache 17/7400 – 118 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nach Ereignissen weiter berichtet über die Dinge,
die dann eingetreten sind.
823
[…] Für mich war
ausschließlich Kontaktstelle das Referat 343, das
Länderreferat. Diesem Referat habe ich die Aus-
künfte übermittelt, und das war für mich die
Hauptkontaktstelle. Weitere Stellen im Auswärti-
gen Amt habe ich nicht direkt kontaktiert.“824
„Das erste Mal, dass ich in einer etwas klareren
Form Kenntnis erhalten habe, dass es zivile Opfer
gegeben haben könnte, ist durch den Bericht eines
belgischen Aufklärers erfolgt, der davon sprach,
dass es bis zu 14 zivile Opfer gegeben haben könn-
te. Ich habe das dann selbstverständlich sofort
auch dem Auswärtigen Amt, dem Länderreferat,
mit einer Mail berichtet.“825
Der Zeuge hat angegeben, auf diese Meldungen keine
Rückmeldung erhalten zu haben.
826
bbb) Die Liste der Vereinten Nationen
Am 12. September 2009 erhielt D. von einer Vertreterin
der Vereinten Nationen eine Liste mit Namen von insge-
samt 109 Personen getöteten und 33 verletzten Personen,
darunter unter anderem Achtjährige
827
(vgl. B.IV.5.b))
und B.V.4, S. 85).
Diese Liste wurde durch den Zeugen am gleichen Tag als
Anhang einer erläuternden E-Mail an den zuständigen
Leiter des Länderreferats im Auswärtigen Amt übersen-
det.
828
ccc) Kritik an der Kommunikation innerhalb des
PRT
Der Zeuge Dr. Steinmeier hat in seiner Vernehmung die
Informationspolitik innerhalb des PRT Kunduz zwischen
militärischem und zivilem Strang moniert:
„Aber, ich glaube, auch in Kunduz war man sich
bewusst, dass das ein gravierender Vorfall war. In-
sofern hätte ich mir in der Tat gewünscht, dass
schnell und umfassend auch die zivile Seite des
PRT unterrichtet worden wäre. Das ist offensich-
tlich nicht der Fall gewesen, aus welchen Gründen
auch immer – möglicherweise deshalb, weil die
militärische Führung zunächst mal die Priorität
darin gesehen hat, das eigene Verteidigungsminis-
terium zu unterrichten, und deshalb die Unterrich-
tung der zivilen Seite unterblieben ist.“829
„[…] Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass in
der betroffenen Nacht des 4. September die Nach-
richt an den Leiter des zivilen PRT schneller ge-
823) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 6.
824) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 10.
825) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 6; E-Mail vom 4. September 2009,
15.52 Uhr (Dokument 121).
826) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 6.
827) UNAMA-Bericht (Fn. 523, Dokument 78), Bl. 3.
828) E-Mail vom 12. September 2009 (Fn. 526).
829) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 7.
gangen wäre. – Aber in Antwort auf Ihre Frage
muss auch Klarheit bestehen, dass der Leiter des
zivilen PRT nicht einbezogen ist in die militäri-
schen Planungen. Seine Aufgabe als ziviler Leiter
des PRT ist etwas anderes, nämlich Kontakt zu den
zivilen Aufbauhelfern zu halten, helfend mit sei-
nen Möglichkeiten dazu beizutragen, zivilen Wie-
deraufbau in Afghanistan voranzubringen, Kontakt
zur Zivilgesellschaft zu halten. Deshalb sage ich –
so wünschenswert es ist, dass in diesem Fall die
Information schneller und besser geflossen wäre -:
Ich würde und habe in meiner Zuständigkeit als
Außenminister nicht verlangt, dass der Leiter des
zivilen PRT in militärische Planungen einbezogen
wird.“830
Zur Verbesserung der Kommunikation zwischen den
beiden Leitungsebenen innerhalb des PRT Kunduz hat der
Zeuge Dr. Steinmeier dem Ausschuss vorgeschlagen:
„Also, eine Sache haben wir besprochen, das ist
die dichtere Kommunikation zwischen dem militä-
rischen und zivilen Teil des PRT, weil von der
Spitze des PRTs die jeweilig zuständigen Ministe-
rien informiert werden.“831
Zur Zusammenarbeit mit dem militärischen Strang im
PRT Kunduz hat der seinerzeitige zivile Leiter D. vor
dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:
„Wir hatten regelmäßige Gespräche. Ich habe teil-
genommen an den Lagebesprechungen, die im
PRT stattfanden, und ich hatte auch darüber hinaus
die Gelegenheit, jederzeit mit dem Oberst Dinge
zu besprechen, die von gemeinsamem Interesse
waren. Wir hatten ein sehr offenes, ein sehr direk-
tes Arbeitsverhältnis.”832
bb) Zusammenarbeit mit dem Bundesministe-
rium der Verteidigung
aaa) Informationserlangung auf Arbeitsebene
Wie der Informationsaustausch zwischen dem Bundesmi-
nisterium der Verteidigung und dem Auswärtigen Amt
verlief, hat der Ausschuss nicht im Einzelnen untersucht.
Der Zeuge Dr. Steinmeier hat diesbezüglich angegeben:
„Es gab Ärger darüber in unserem Hause, dass ein
offensichtlich im Verteidigungsministerium vor-
handener Bericht des IAT dem Außenministerium
nicht zugegangen ist. Deshalb haben wir uns noch
mal bemüht, ihn zu bekommen, und hatten ihn am
Ende dieser Woche, am 11.“833
830) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 15.
831) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 21.
832) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 4.
833) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 27.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 119 – Drucksache 17/7400
bbb) Abstimmung auf Ministerebene
Unzufriedenheit herrschte im Auswärtigen Amt über die
Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverteidigungsministe-
riums. Bereits am 4. September 2009 wurde dessen
Kommunikation unter Mitarbeitern des Auswärtigen
Amtes kritisiert. In einer hausinternen E-Mail heißt es:
„Die Argumentationslinie des BMVg wird immer
verworrener, vor allem steigt die Verärgerung über
die unterbliebene Unterrichtung der Obleute und
das Stillschweigen von BM Jung. Die Inkaufnah-
me ziviler Opfer nun durch eine vermeintliche An-
schlagsplanung erklären zu wollen, für die es bis-
lang in der Kommunikation keine Hinweise gab,
wird dem BMVg auf die Füße fallen!“834
Mit dem damaligen Bundesminister der Verteidigung,
Dr. Jung, traf sich der Zeuge Dr. Steinmeier nach eige-
nem Bekunden am Montag, dem 7. September 2009, bei
einem Festakt in Bonn sowie am Dienstag am Rande der
Plenardebatte, am Mittwoch im Rahmen der Kabinettssit-
zung und auch in den folgenden Tagen.
835
Im Verlauf des Gesprächs bei dem Festakt am Montag in
Bonn habe Dr. Jung mit ihm über ein Schreiben gespro-
chen, von dem er bis dahin nichts gewusst habe. In die-
sem Schreiben, von zehn afghanische Offiziellen aus
Kunduz oder der Region Kunduz sei dargestellt worden,
dass es keine zivilen Opfer bei diesem Einsatz gegeben
habe. Dies habe er zur Kenntnis genommen.
836
An einen Austausch über die öffentliche Darstellung mit
dem Auswärtigen Amt hat sich auch der damalige Bun-
desverteidigungsminister als Zeuge nicht erinnern kön-
nen.
837
Nach seiner Wahrnehmung habe die Parlaments-
debatte am 8. September 2009 eine relative Vereinheitli-
chung in der öffentlichen Sprache gebracht.
838
3. Bundeskanzleramt sowie Bundesnachrich-
tendienst
Im Bundeskanzleramt waren mit dem Luftangriff vom 4.
September 2009 zwei Abteilungen befasst. Federführend
war die Abteilung 2 „Außen-, Sicherheits- und Entwick-
lungspolitik“839 und innerhalb dieser Abteilung die Grup-
pe 22 „Bundesministerium der Verteidigung, Bundessi-
cherheitsrat“. Daneben war die für die Dienst- und Fach-
aufsicht über den Bundesnachrichtendienst zuständige
Abteilung 6 „Bundesnachrichtendienst, Koordinierung
der Nachrichtendienste des Bundes“ des Bundeskanzler-
amtes, insbesondere deren Gruppe 62 „Lageinformation
und Auftragssteuerung, Controlling, Auslandsbeziehun-
gen“ involviert.840 Während die Abteilung 2 auf „fremde“
834) E-Mail Referatsleiter 011 (Dokument 122).
835) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 10.
836) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 12.
837) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 46.
838) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 15.
839) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.
840) Siehe hier zur Erläuterung der Struktur des Bundeskanzleramtes
dessen Organisationsplan (Dokument 123); Vorbeck, Protokoll-
Nr. 47, Teil I, S. 2; Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 26.
Informationen aus den Geschäftsbereichen Auswärtiges
Amt und Bundesministerium der Verteidigung angewie-
sen ist, verfügt die Abteilung 6 über „eigene Informatio-
nen“ aus dem ihr ressortmäßig zugeordneten Bundesnach-
richtendienst.
a) Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes und
Bundesnachrichtendienst
Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,
ob sich das Bundeskanzleramt bei der Einschätzung des
Luftschlags bei Kunduz auf „eigene“ Erkenntnisse des
ihm nachgeordneten Bundesnachrichtendienstes stützen
konnte.
Dazu hat der Ausschuss als Zeugen aus dem Bundeskanz-
leramt den damaligen Leiter der Abteilung 6, Klaus-
Dieter Fritsche, jetzt Staatssekretär im Bundesministe-
rium des Inneren, und den zuständigen Gruppenleiter,
Ministerialdirigent Hans-Josef Vorbeck, gehört. Aus dem
Bereich des Bundesnachrichtendienstes hat der Ausschuss
dessen Präsidenten Ernst Uhrlau sowie die zwei zur Zeit
des Luftangriffs in Kunduz eingesetzten BND-
Bediensteten M. F. und A. R. vernommen.
aa) Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes
vor Ort
Nach seinem gesetzlichen Auftrag sammelt der BND zur
Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von
außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bun-
desrepublik sind, erforderliche Informationen und wertet
sie aus (§ 1 Abs. 2 BNDG
841
).
842
Er sollte die Bundeswehr
vor Anschlägen warnen und erfolgte Anschläge analysie-
ren.
843
841) Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz –
BNDG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), zuletzt
geändert durch Artikel 1b des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl.
I S. 2499).
842) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 2.
843) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 10.
Drucksache 17/7400 – 120 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Zur Frage eigener Aufklärungsmaßnahmen
des BND
Der Bundesnachrichtendienst beteiligte sich vor Ort nicht
an der Untersuchung des Luftangriffs. Er war vor Ort im
PRT Kunduz mit Mitarbeitern vertreten; unter ihnen be-
fanden sich die vom Ausschuss als Zeugen vernommenen
M. F. und A. R. In die Vorbereitung und Durchführung
des Luftangriffs waren sie nach ihren Angaben nicht
involviert (siehe oben: B.III.9, S. 69). Von dem Luftan-
schlag selbst hatten die beiden nichts mitbekommen. Sie
waren zu der Zeit nicht im Dienst und erfuhren davon erst
am folgenden Morgen
844
– nach Aussage des Zeugen
A. R. zwischen 8 und 9 Uhr,
845
nach Aussage des Zeugen
M. F. nach dem Frühstück.
846
Sowohl eine Beteiligung an der militärischen Auswertung
als auch an der Sachverhaltsaufklärung im Nachhinein hat
der Zeuge Uhrlau in seiner Aussage ausgeschlossen:
„Der Bundesnachrichtendienst, wie ich eingangs
sagte, hatte im Vorfeld keine Informationen, ist
darüber hinaus an der Einsatzplanung, an der
Durchführung nicht beteiligt gewesen. Mir ist auch
mitgeteilt worden, dass unsere […] Vertreter, die
in Kunduz waren, zu dem Zeitpunkt nichts von den
Ereignissen mitbekommen haben.“847
Es habe darüber hinaus auch keine gezielte Aufforderung
aus dem Kanzleramt an den Bundesnachrichtendienst
gegeben, weitere eigene Erkenntnisse zu dem Luftangriff
zu sammeln.
848
M. F., einer der BND-Mitarbeiter vor Ort, hat vor dem
Untersuchungsausschuss erklärt, dass es keinerlei Auftrag
übergeordneter Stellen an ihn und seinen Kollegen bei der
Task Force 47 gegeben habe, den Luftangriff nachrich-
tendienstlich weiter aufzuklären, insbesondere die Wir-
kungen auf das regionale Umfeld zu untersuchen.
849
Ge-
zielt hätten er und sein Kollege gar nichts in Bezug auf
den Luftangriff unternommen.
850
A. R. hat angegeben, von
seinem Leiter beziehungsweise Chef aus Deutschland die
Weisung bekommen zu haben, im Rahmen der vorhande-
nen Möglichkeiten Informationen zu sammeln.
851
cc) Erkenntnisaufkommen des BND
Die in der ersten Woche nach dem Luftangriff beim Bun-
desnachrichtendienst vorhandenen Informationen hat der
Zeuge Uhrlau als insgesamt „ungewiss“ bewertet.
844) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 13.
845) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 5.
846) F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 68.
847) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 13.
848) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 18.
849) F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 62.
850) F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 71.
851) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 23.
aaa) Eigene Einschätzung des BND-
Präsidenten
Nach eigener Darstellung war dem Präsidenten des Bun-
desnachrichtendienstes klar, dass es zivile Opfer gegeben
haben müsse:
„Das müsste der Sonntag oder Anfang der Woche
gewesen sein. Es kam ja auch eine Reihe von zu-
sätzliche Bildern.“852
Das sei die Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes
gewesen. Schon in den ersten „wenigen Tagen“ habe sich
das konkretisiert und verdichtet.
853
Die Information über zivile Opfer habe der Bundesnach-
richtendienst nicht aus eigener Inaugenscheinnahme,
sondern „aus der Fülle der Informationen.“ Nachträglich
seien Informationen aus anderen Quellen dazugekom-
men.
854
bbb) Meldeaufkommen des Bundesnachrich-
tendienstes
Der Bundesnachrichtendienst darf nach § 1 Abs. 1 Nr. 2
des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10)855 im
Rahmen seiner Aufgaben Telekommunikation überwa-
chen und aufzeichnen, um die Gefahr unter anderem der
Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit
unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland
rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu be-
gegnen, oder soweit erforderlich, um eine im Einzelfall
bestehende Gefahr für Leib oder Leben einer Person im
Ausland rechtzeitig zu erkennen oder ihr zu begegnen und
dadurch Belange der Bundesrepublik Deutschland unmit-
telbar in besonderer Weise berührt sind. Die auf diese
Weise gewonnene „Signal Intelligence” (SIGINT)856 wird
vom Bundesnachrichtendienst unter anderem für Vorgän-
ge im Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer
Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind,
verwertet und genutzt (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 BNDG).
Nach Auskunft seines Präsidenten setzte der Bundesnach-
richtdienst in Afghanistan entsprechend der gesetzlichen
Möglichkeiten auch Instrumente der Informationsbeschaf-
fung ein:
„Wir haben das Recht, das ganze Besteck nach-
richtendienstlicher Instrumente einzusetzen.“857
Die Informationen über den Luftanschlag und seine Fol-
gen standen dem BND nach Angaben der Zeugen erst
852) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 25, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.
853) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 33, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.
854) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 17, 36, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.
855) Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geän-
dert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S.
2499).
856) Bundesnachrichtendienst, Der BND heute, www.bnd.de.
857) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 121 – Drucksache 17/7400
später zur Verfügung. Daraus zu entnehmen waren Hin-
weise über Zahl und Zuordnung von Opfern des Luft-
schlags.
Die so der Bundeswehr zugeleiteten Informationen wür-
den nicht direkt von der Bundeswehr – etwa zur Weiter-
leitung nach Kunduz – genutzt, sondern zunächst über die
Zentrale des Bundesnachrichtendienstes ausgewertet.
Nach Auskunft des Zeugen Uhrlau kann, soweit geboten,
auch parallel unterrichtet werden.
858
Aus diesem „Informationswust“ aus lauter Einzelmeldun-
gen versuchen schließlich die Auswerter Informationen zu
gewinnen. Hierbei geht es insbesondere darum, Informa-
tionen zu- und ihre Relevanz einzuordnen. Nach Auskunft
des Zeugen Uhrlau stelle sich dem Auswerter auch stets
die Frage: „Was ist Information, was ist Desinformati-
on?“859
dd) Informationsweg innerhalb des BND und
Unterrichtung des BND-Präsidenten Uhr-
lau
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhr-
lau wurde über den Luftangriff am 6. September 2009
unterrichtet, da dieser sich vorher im Urlaub befand. Al-
lerdings hatte er schon vorher aus der Medienberichters-
tattung Kenntnis von den Ereignissen.
860
Die Einzelmeldungen wurden dem Präsidenten des Bun-
desnachrichtendienstes nach eigenem Bekunden nicht zur
Kenntnis gebracht.
861
ee) Koordination des Aufkommens nachrich-
tendienstlicher Informationen innerhalb
der Bundesregierung
Für das Aufkommen von SIGINT gibt es innerhalb der
Bundesregierung eine vereinbarte Koordination und Ab-
stimmung. Eine vergleichbare Koordinierung auf Bundes-
ebene im Bereich der operativen Aufklärung mit men-
schlichen Quellen, der „Human Intelligence“ (HUMINT)
gibt es nicht.
862
Auch die Bundeswehr hält zu Personen Kontakte, um
Informationen zu erlangen. Allerdings wendet sie – im
Gegensatz zum BND – keine nachrichtendienstlichen
Mittel an. Ein Problem könnte entstehen, wenn die Bun-
deswehr von Kontaktpersonen Informationen erhält, die
vom Bundesnachrichtendienst als Quelle geführt werden.
Hierdurch könnte der falsche Eindruck entstehen, eine
nachrichtendienstliche Meldung werde durch eine Kon-
858) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 23, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.
859) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 20, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.
860) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 10.
861) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 24, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.
862) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 15, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.
taktperson der Bundeswehr bestätigt, obwohl es sich um
ein und denselben Ursprung der Meldung handelt.
863
Der Zeuge Vorbeck hat dazu vorgetragen, wenn die Bun-
deswehr solche „Informationsgeber“ habe, sei es natürlich
sinnvoll, dass der BND das wisse, damit er nicht dieselbe
Person auch als Quelle führt.
„Die Bundeswehr hat Personen, zu denen sie Kon-
takte hält und die auch Informationen geben. Aber
im Gegensatz zu dem, was die Nachrichtendienste
und hier im Beispiel der BND macht, dürfen sie
keine nachrichtendienstlichen Mittel anwenden.
Das ist, glaube ich, die grobe Unterscheidung. Wir
haben nur ein Problem dabei: Wenn die Bundes-
wehr zu solchen Informationsgebern – so will ich
sie mal nennen, nicht Quellen; es sind keine nach-
richtendienstlichen Quellen […] – Informanten
hat, dann ist es natürlich sinnvoll, dass der BND
das weiß, damit er nicht dieselbe Person auch als
Quelle führt.“864
ff) Weitergabe von Informationen des BND an
die Abteilung 6 im Bundeskanzleramt
Der Untersuchungsausschuss hat sich mit einer als „Un-
verbindliche Erstinfo des BND“ überschriebenen E-Mail
beschäftigt, welche im Bundeskanzleramt intern am frü-
hen Morgen des 4. September 2009 um 8.06 Uhr u. a. an
den Zeugen MDg Vorbeck versandt wurde.
865
Darin wur-
de mitgeteilt, die US-Seite habe einen Luftangriff durch-
geführt, weil sie offenbar einen terroristischen Anschlag
mittels gestohlener Tanklastzüge für wahrscheinlich hielt.
In der E-Mail heißt es:
„Das Verheerende daran ist, dass bei dem Luftang-
riff zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen
sind (Zahlen variieren von 50 bis 100).“
Im Anhang der E-Mail befand sich eine Meldung der
BBC vom gleichen Morgen, welche auf zivile Todesopfer
und zahlreiche Verletzte in Kunduz aufgrund des Luft-
angriffs aufmerksam machte.
866
Diese E-Mail war von einem Mitarbeiter der Gruppe 62
im Bundeskanzleramt verfasst worden und hielt den In-
halt eines Telefonats mit einem BND-Mitarbeiter fest. Sie
ging an andere Stellen im Bundeskanzleramt, die mit
Afghanistan befasst waren, insbesondere an die für militä-
rische Fragen zuständige Gruppe 22.
867
Zum Zustandekommen dieser Information und ihrer Wei-
tergabe hat sich MDg Vorbeck vor dem Untersuchungs-
ausschuss geäußert:
„Zum Zustandekommen dieser Mail nach meiner
Erinnerung […]: der Anruf des BND-Mitarbeiters
863) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 18 f.
864) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 18 f.
865) E-Mail vom 4. September 2009, Betreff: „Scores die in Afghan
explosion“ (Fn. 572, Dokument 84), Bl. 1.
866) E-Mail vom 4. September 2009 (Fn. 865), Bl. 2.
867) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 3 f.
Drucksache 17/7400 – 122 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bei meinem Mitarbeiter, der schriftlich festgehal-
ten wird. Dann hat mein Mitarbeiter gleichzeitig in
der Presse recherchiert und hat die anschließende
Mail gefunden. – Dann haben wir technisch die
Besonderheit: Wenn Sie diese Mail oder diese
Presseagentur oder diese Pressemeldung versen-
den, übernimmt die Mail, mit der Sie das versen-
den, das automatisch als Betreff. Das erklärt auch
den Betreff ‚Scores died in Afghan Explosion„.
Aber es war im Grunde genommen nur eine Er-
gänzung, eine Dienstleistung für den Empfänger:
Der BND hat uns das gesagt, BBC hat das auch
schon gemeldet. So war das nach meinem Ver-
ständnis zu verstehen.“868
Der Anruf sei durch den damaligen Leiter des für Afgha-
nistan zuständigen Referats des BND an das Bundeskanz-
leramt erfolgt.
869
Nachfragen bezüglich der Erkenntnis-
quellen des Anrufers unter den BND-Mitarbeitern in
Afghanistan selbst seien nicht gestellt worden. Dies sei
weder MDg Vorbeck noch wohl seinem Vorgesetzten
oder anderen Mitarbeitern der Abteilung 6 notwendig
erschienen.
870
MDg Vorbeck hat den vorläufigen und unsicheren Cha-
rakter dieser Meldung betont. Nicht nur sei er an diesem
Morgen noch davon ausgegangen, dass es sich bei dem
Luftangriff um eine reine US-Aktion handele, sondern
sein Augenmerk habe – entsprechend seiner Zuständigkeit
– auf der Aufgabenstellung des BND und nicht auf der
Frage ziviler Opfer gelegen.
„Ich habe diese E-Mail vielleicht ganz anders gele-
sen als viele andere Leute. In der E-Mail […] wird
doch sehr deutlich, dass auch der Anrufer davon
ausgegangen ist, dass es hier sich um eine US-
Aktion handelte – im deutschen Verantwortungs-
bereich.“871
Wann genau der Leiter der Abteilung 6 im Bundeskanz-
leramt unterrichtet wurde, hat sich nicht klären lassen.
Der Zeuge Vorbeck hat sich erinnert, seinen Vorgesetzten
am Montag, dem 7. September 2009 unterrichtet zu ha-
ben.
872
Der damalige Leiter der Abteilung 6, Fritsche, hat ausge-
sagt, er sei von Vorbeck bereits am 4. September 2009
unterrichtet worden.
873
Über die E-Mail aus seiner Abteilung zu der BBC-
Meldung wurde Fritsche nach eigenem Bekunden nicht
unterrichtet. Erst im Zusammenhang mit den Medienver-
öffentlichungen habe er erfahren, dass es die erwähnte E-
Mail gegeben habe.
874
Nach der Erinnerung des Zeugen
868) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 12.
869) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 12.
870) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 9 – GEHEIM.
871) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 10.
872) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 5.
873) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 26.
874) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 29.
Vorbeck hingegen soll auch der Abteilungsleiter Empfän-
ger dieser „Erstinfo“ gewesen sein.875
gg) Zur Frage von Einzelmeldungen an das
Bundeskanzleramt
Die Einzelmeldungen des Bundesnachrichtendienstes
über den Luftanschlag und seine Folgen wurden zur da-
maligen Zeit nicht an das Bundeskanzleramt weitergelei-
tet. Da es sich bei solchen Abschriften nicht um so ge-
nannte „Finished Intelligence“ handele, sei diese nach
Aussage des Zeugen Vorbeck auch nicht dem Bundes-
kanzleramt zugeleitet worden.
876
Der Bundesnachrichten-
dienst gebe – so der Zeuge Uhrlau – nicht alle Einzelmel-
dungen weiter, weil damit keiner etwas anfangen kön-
ne.
877
Der BND leitet nach Aussage des Zeugen Vorbeck
nur wertende Zusammenfassungen vorliegender Informa-
tionen weiter.
878
hh) Überprüfung der Rolle des BND
Das Bundeskanzleramt erkundigte sich mehrfach beim
Bundesnachrichtendienst nach dessen Rolle bei dem Luft-
schlag.
Der Zeuge Vorbeck hat vor dem Untersuchungsausschuss
ausgesagt, dass er am 4. September 2009 sogleich beim
BND habe nachfragen lassen, ob dieser an dem Luftang-
riff in irgendeiner Form beteiligt gewesen sei:
„Nach meiner Erinnerung habe ich dann mit mei-
nen Mitarbeitern noch am Freitagmorgen die Not-
wendigkeit erörtert, den BND zu fragen, ob er eine
Rolle in diesem Vorgang, bei diesem Luftangriff
gespielt hat. In der Annahme, es handle sich um
einen Angriff in Verantwortung der US-
Streitkräfte, bestand da aber zunächst Einverneh-
men, dass dies nicht erforderlich sei; die US-Seite
verfüge über so gute Aufklärungsmöglichkeiten,
dass sie nicht auf Informationen des BND ange-
wiesen sei. Das war die damalige Einschät-
zung.“879
„Erst gegen Mittag, nachdem im Medienbild nicht
näher spezifizierte nachrichtendienstliche Informa-
tionen als mögliche Auslöser für den Luftangriff
genannt wurden und sich inzwischen auch für
mich herausgestellt hatte, dass der Luftangriff auf
deutsche Anforderung erfolgt war, habe ich mei-
nen für die Lage in Afghanistan zuständigen Refe-
ratsleiter gebeten, beim BND nachzufragen, ob bei
diesen in dem Medienbild erscheinenden nachrich-
tendienstlichen Informationen eine nachrichten-
dienstliche Verbindung des BND eine Rolle ge-
875) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 16.
876) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 2, Tgb.-Nr. 94/11 –
GEHEIM.
877) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 22, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.
878) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 2, Tgb.-Nr. 94/11 –
GEHEIM.
879) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 123 – Drucksache 17/7400
spielt habe oder ob der BND entsprechende Part-
nerinformationen – auch das ist ja seine Aufgabe
in Afghanistan – an die Bundeswehr weitergeleitet
habe.“880
Aufgrund des Artikels in der Leipziger Volkszeitung,
welcher eine Beteiligung des BND am Abend des 3. Sep-
tember 2009 im Gefechtsstand der Task Force 47 behaup-
teten (siehe oben: B.III.9.a), S. 69), habe Vorbeck erneut
die Beteiligung des BND prüfen lassen. Durch den Dienst
habe er die Mitteilung erhalten, dass es sich hierbei nicht
um Mitarbeiter des BND gehandelt habe.
881
Auch Staatssekretär Fritsche hat vor dem Ausschuss die
Bedeutung dieses Verdachts für die Aufklärungsarbeit der
Abteilung 6 in Bezug auf den Luftangriff betont:
„Ich betone noch mal das, was ich in meinem Ein-
gangsstatement gesagt habe: Für die Abteilung 6
war damals natürlich auch von ungeheurer Bedeu-
tung – angesichts des in der letzten Legislaturpe-
riode stattgefundenen Untersuchungsausschusses –
, Fragen beantworten zu können, ob dieser am
Freitag, Samstag, Sonntag in den Medien mit stei-
gender Tendenz beschriebene Hinweisgeber an die
Bundeswehr, ob das nicht eine Quelle des Bundes-
nachrichtendienstes sein könnte; denn dann hätten
wir eine direkte Verbindung des Bundesnachrich-
tendienstes zu diesem Vorfall gehabt. Deswegen
haben wir am Montag – da erinnere ich mich noch
sehr gut – mindestens viermal beim Bundesnach-
richtendienst nachgefragt, bis die Information so
war, dass ich sie aus meiner Sicht zufriedenstel-
lend fand, nämlich mit dem Ergebnis: Es ist keine
Quelle des Bundesnachrichtendienstes gewe-
sen.“882
ii) Weitere Befassung der Abteilung 6 mit
dem Luftangriff
Nach Angaben des Zeugen Vorbeck war der Luftschlag
Gegenstand der von der Abteilung 6 vorbereiteten „Nach-
richtendienstliche Lage“ (ND-Lage) am 8. September
2009 und der Staatssekretärsrunde am 20. Oktober
2009.
883
Staatssekretär Fritsche hat ausgesagt, dass die
Abteilung 6 mit dem Vorgang auch im Zusammenhang
mit dem vom BND zu erstattenden Behördengutachten
für die Generalstaatsanwaltschaft Dresden befasst war.
884
Übereinstimmend haben beide aus der Abteilung 6 gela-
denen Zeugen vor dem Ausschuss die federführende Rol-
le der Abteilung 2 bei der Aufklärung des Luftangriffs
und die Nichtbeteiligung des BND betont.
880) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 4.
881) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 8 f.
882) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 30.
883) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 5.
884) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.
jj) Kommunikation zwischen den Abteilungen
6 und 2
Für die in der Abteilung 6 auflaufenden Nachrichten und
Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Be-
deutung war somit einer der wichtigsten Abnehmer die
Abteilung 2.
885
Die Abteilung 6 hatte dieser zuzuarbei-
ten.
886
Dementsprechend wurde die bereits genannte Erstmel-
dung per E-Mail vom 4. September auch an die Abtei-
lung 2 im Bundeskanzleramt weitergeleitet.
887
Nach Erin-
nerung des Zeugen Vorbeck habe die Abteilung 2 keine
Rückfragen an die Abteilung 6 zu zivilen Opfern ge-
stellt.
888
Auf Nachfrage, wie sich die Zusammenarbeit der Abtei-
lung 6 einerseits mit dem Bundesministerium der Vertei-
digung und andererseits mit der Abteilung 2 insgesamt
gestaltete bzw. ob es zu möglichen Kommunikationsprob-
lemen zwischen den einzelnen Stellen gekommen sein
könnte, hat der Zeuge Fritsche betont:
„Das ist mir in internen Gesprächen nicht zu Oh-
ren gekommen, sondern nur über die Medien. […]
Ich schätze die Abteilung 2, und die Zusammenar-
beit läuft gut.“889
kk) Unterrichtung des Chefs des Bundeskanz-
leramtes durch die Abteilung 6
Der Zeuge Staatssekretär Fritsche hat ausgesagt, dass er
den Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister
Dr. Thomas de Maizière am Nachmittag des 7. September
2009 über die Vorgänge in der Abteilung 6 im Zusam-
menhang mit dem Luftschlag unterrichtet habe.
890
Insbe-
sondere habe sich dieses Gespräch um die Frage gedreht,
ob es sich bei der Quelle, auf die sich Oberst Klein bei
seinem Angriffsbefehl stützte, um eine Quelle des BND
handeln könnte. Aber auch die Möglichkeit ziviler Opfer
sei Thema gewesen.
891
Ob dieser die Bundeskanzlerin
hierüber unterrichtete, ist nicht bekannt. Rückfragen aus
dem Büro der Bundeskanzlerin wurden an die Abteilung 6
nicht gestellt.
892
Die primäre Verantwortlichkeit bei der
Unterrichtung der Bundeskanzlerin lag jedoch nicht bei
der Abteilung 6, sondern bei der für Außen- und Sicher-
heitspolitik zuständigen Abteilung 2. So hatte bei der
Vorbereitung der Regierungserklärung der Bundeskanzle-
rin am 8. September 2009 die Abteilung 6 der Abteilung 2
zuzuarbeiten.
893
In diesem Fall beschränkte sich die Zuar-
beit darauf, die Frage zu beantworten, ob Tanklastzüge
885) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 2.
886) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.
887) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.
888) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 13.
889) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 38.
890) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 35.
891) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 37 f.
892) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 13.
893) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.
Drucksache 17/7400 – 124 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
überhaupt als Waffe eingesetzt werden können und ob die
Taliban dazu in der Lage seien.
894
ll) ND-Lage am 8. September 2009
Am 8. September 2009 fand die regelmäßige so genannte
ND-Lage statt. Daran nehmen üblicherweise teil:
„[…] die Chefs der drei Dienste, also MAD, BND
und BfV, bzw. ihre Vertreter, Staatssekretär Justiz,
Staatssekretär Auswärtiges Amt, Staatssekretär
Verteidigung und der Innenstaatssekretär und Mi-
tarbeiter aus der Abteilung 6 und in der Regel auch
aus der Abteilung 2.“895
Geleitet wurde die Lage an diesem Tag stellvertretend für
den Chef des Bundeskanzleramtes von dem damaligen
Leiter der Abteilung 6 im Bundeskanzleramt. Einer der
Beratungsgegen-stände war der Luftangriff bei Kunduz.
Dazu hat der Zeuge Fritsche ausgesagt:
„Am gleichen Tag hatte ich in Vertretung des
Chefs des Bundeskanzleramtes, der die Bundes-
kanzlerin in den Bundestag begleitete, die so ge-
nannte Nachrichtendienstliche Lage geleitet. Die
Abteilung 6 hatte dafür Sorge getragen, dass zum
Luftangriff vorgetragen wurde. Für die Aufklärung
des Luftangriffs war innerhalb der Bundesregie-
rung aufgrund des Ressortprinzips das Bundesmi-
nisterium der Verteidigung zuständig. Folgerichtig
ergriff Staatssekretär Dr. Wichert das Wort und
trug die Erkenntnisse des Bundesministeriums der
Verteidigung zu dem Luftangriff zusammenfas-
send vor. Im Anschluss äußerte sich kurz auch
Herr BND-Präsident Uhrlau.“896
Dem Vertreter der Abteilung 6 und dem BND-
Präsidenten kamen an diesem Tag die Aufgabe zu, eine
erste Einschätzung zur Auswirkung des Luftangriffs auf
die Sicherheitslage für die deutschen Soldatinnen und
Soldaten vor Ort in Afghanistan insgesamt und insbeson-
dere im Bereich des RC North abzugeben. MDg Vorbeck
hat sein Ergebnis der Nachrichtendienstlichen Lage in
seiner Vernehmung wie folgt zusammengefasst:
„Das Fazit war, dass eine umfassende Untersu-
chung des Vorgangs erforderlich sei und dass –
das war für mich jetzt wieder aus meiner Zustän-
digkeit her das Wichtige – ein Stimmungsum-
schwung in der Bevölkerung zulasten der Bun-
deswehr nicht zu erwarten war, dass dieser Vor-
gang also keine negativen Auswirkungen auf die
Sicherheitslage unserer Bundeswehrsoldaten oder
auch der anderen deutschen Helfer im Norden ha-
be. Diese Einschätzung wurde nach meiner Erinne-
rung auch von Präsident Uhrlau, dem BND-
Präsidenten, kurz vorgetragen. Eine Diskussion zu
894) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 28.
895) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 36.
896) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.
diesem Punkt hat, soweit ich mich erinnere, nicht
stattgefunden.“897
BND-Präsident Uhrlau hat diese Ausführungen vor dem
Ausschuss bestätigt:
„Ich habe am 8. die Ausführung des Staatssekre-
tärs des Verteidigungsministeriums ergänzt unter
dem Gesichtspunkt, welche Auswirkungen wir er-
kennen oder noch nicht erkennen oder wo wir an-
setzen. Denn das unmittelbare Lagebild des Ang-
riffs, der Information, der Information der Bun-
deswehr vor Ort, das ist zunächst eine Lagefest-
stellung durch die Bundeswehr. Unsere Aufgabe
ist dann, unter dem Gesichtspunkt der nachrich-
tendienstlichen Beurteilung der Auswirkung, nicht
des militärischen Schlages – sinnhaft oder nicht? –
sondern: Welche Auswirkungen hat das für die un-
terschiedlichen Seiten, und welche Auswirkungen
hat das im Zweifelsfall dann auch für die Sicher-
heit deutscher Einrichtungen im Bereich des RC
North? Oder aber lässt sich daraus eine ganz be-
sondere Gefährdungszuordnung für Deutschland
auch außerhalb des RC North ableiten?“898
b) Abteilung 2 des Bundeskanzleramtes
Die primäre Zuständigkeit für die Aufklärung der Folgen
des Luftangriffs vom 4. September 2009 lag im Bundes-
kanzleramt bei der Abteilung 2 „Außen-, Sicherheits- und
Entwicklungspolitik“ unter Leitung von Ministerialdirek-
tor Dr. Christoph Heusgen und hier im Besonderen bei
der Gruppe 22 „Bundesministerium der Verteidigung,
Bundessicherheitsrat“ unter Leitung von Oberst Dr. Erich
Vad, heute Brigadegeneral. Letzterer hat seinen Aufga-
benbereich innerhalb der Abteilung 2 in seiner Verneh-
mung durch den Untersuchungsausschuss wie folgt skiz-
ziert:
„Mein Aufgabenbereich als Gruppenleiter besteht
in der Beratung der Bundeskanzlerin, des Chefs
des Bundeskanzleramtes und des Abteilungsleiters
2, den ich in oben angegebenen Themenbereichen
auch vertrete. Um diese Beratung durchführen zu
können, bedarf es der ständigen Verbindung zur
politischen Leitung und militärischen Führung des
BMVg. Meine Ansprechpartner für Sachfragen,
die in die Zuständigkeit des BMVg fallen, sind in
der Regel die beamteten und Parlamentarischen
Staatssekretäre des BMVg und ihre Büros sowie
der Leiter Planungsstab und der Generalinspek-
teur, die – genauso wie der Bundesminister der
Verteidigung – gegenüber der Gruppe 22 nicht
weisungsbefugt sind. Disziplinar bin ich dem Bun-
desminister der Verteidigung, fachlich dem Chef
des Bundeskanzleramtes unterstellt.“899
897) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 5.
898) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 17.
899) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 8.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125 – Drucksache 17/7400
aa) Erste Kenntniserlangung der Abteilung 2
von dem Luftangriff
Die Abteilung 2 im Bundeskanzleramt war am 4. Sep-
tember 2009 um kurz nach 8 Uhr durch eine E-Mail aus
der Abteilung 6 über den Luftschlag unterrichtet (siehe
oben: C.II.3.a)ff), S. 121).
Erste Details zum Luftangriff erfuhr der zuständige Grup-
penleiter, Dr. Vad, um 10 Uhr bei einem Besuch bei dem
Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bun-
deswehr in Potsdam, Generalleutnant Glatz. Dieser habe
hier ein „erstes Bauchgefühl“ geäußert, dass bei diesem
Zwischenfall auch zivile Opfer nicht ausgeschlossen
werden könnten. Diese Äußerung ist bestätigt worden
durch den Zeugen Glatz (siehe oben: C.II.1.b)aa)eee),
S. 96). Konkrete Hinweise diesbezüglich hätten aus Sicht
von Dr. Vad am Freitagmorgen noch nicht vorgelegen.
Nach seiner Rückkehr ins Büro habe er von der E-Mail
aus der Abteilung 6 über die BBC-Meldung Kenntnis
erlangt. Für ihn habe festgestanden, dass zivile Opfer
nicht ausgeschlossen werden konnten. Darüber habe er
anschließend seinen Abteilungsleiter Dr. Heusgen unter-
richtet und alle zur Verfügung stehenden Berichte über
den Luftangriff vom Bundesministerium der Verteidigung
angefordert.
900
Gegen 13 Uhr desselben Tages erhielt er aus dem Büro
des Staatssekretärs im Verteidigungsministerium
Dr. Wichert eine Obleuteunterrichtung, die keine Aussa-
gen zu eventuellen zivilen Opfern enthielt.
901
Weitere
Unterlagen habe das Büro des Staatssekretärs an diesem
Tage nicht übersandt.
902
Am Abend habe er aus einem Telefonat mit General Glatz
erfahren, dass General McChrystal den Ort des Gesche-
hens besichtigen wolle. Auch dies sei für ihn ein Indiz
gewesen, dass Verluste unter der Zivilbevölkerung nicht
auszuschließen gewesen seien.
903
MD Dr. Heusgen hat vor dem Untersuchungsausschuss
ausgesagt, von dem Luftangriff am 4. September 2009,
ähnlich wie MDg Vorbeck und Staatssekretär Fritsche aus
der Abteilung 6, am Vormittag des 4. durch die BBC-
Meldung in der genannten E-Mail erfahren zu haben:
„Ich habe vom Kunduz-Luftangriff am Vormittag
des 4. September durch eine BBC-Meldung erfah-
ren, in der von rund 90 Toten die Rede war – eine
alarmierend hohe Zahl. Die Sorge bestand, dass es
zivile Opfer gegeben hatte. Seit diesem Vormittag
des 4. September habe ich mich, haben sich meine
Mitarbeiter, insbesondere die von General Vad ge-
leitete Gruppe 22, im Kanzleramt mit der Aufar-
beitung des Luftangriffs befasst. Die Tragweite des
Zwischenfalls war uns von Anfang an bewusst. Ich
persönlich habe eine für das auf den 4. 9. folgende
900) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 8 f.
901) Obleuteunterrichtung durch Sts Dr. Wichert vom 4. September
2009 (Dokument 124).
902) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 29.
903) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 29.
Wochenende geplante Dienstreise in den Nahen
Osten abgesagt. Herr Vad und seine Mitarbeiter
haben sich von der ersten Stunde an intensivst dar-
um bemüht, auf allen ihnen zugänglichen Wegen
Informationen über den Vorfall als solchen und
seine Hintergründe sowie die sich anschließenden
Untersuchungen und ihre Ergebnisse zu beschaf-
fen.“904
An diesem Wochenende, so MD Dr. Heusgen, habe er
praktisch nichts anderes getan, als sich um diesen Zwi-
schenfall zu kümmern.
905
Die Zeit bis zum Sonntagabend
habe er genutzt, um so viele Informationen wie nur mög-
lich einzuholen, um die Kanzlerin vorzubereiten. Er habe
daher in regem Austausch mit Dr. Vad und den Mitarbei-
tern der Gruppe 22 gestanden.
906
Auch mit der NATO in
Brüssel habe er gesprochen, um an die dort vorliegenden
Informationen zum Luftangriff zu gelangen.
907
Aus dem
Auswärtigen Amt kam am 7. September 2009 eine E-Mail
an Dr. Heusgen, in welcher die Bitte des ISAF-Sprechers
an ihn weitergeleitet wurde, dass sich die Bundesregie-
rung nicht auf eine Aussage, dass allein Aufständische
durch den Luftangriff getötet worden seinen, fixieren
möge.
908
Dr. Vad unterrichtete den Chef des Bundeskanzleramtes
per E-Mail am 7. September 2009 über mögliche straf-
rechtliche Konsequenzen für Oberst Klein:
„Im Falle Klein könnten die staatsanwaltlichen
Ermittlungen aber zu einem anderen Ergebnis
kommen. Die möglichen Folgen für zukünftiges
initiatives Handeln von Truppenführern im Einsatz
sowie in das Vertrauen in vorgesetzte Dienststellen
lägen auf der Hand.
909
Das Bundeskanzleramt hat sich in diesen ersten Tagen
nicht öffentlich zu den Geschehnissen geäußert oder eine
Bewertung abgegeben.
bb) Kommunikation zwischen der Abteilung 2
im Bundeskanzleramt und dem Bundesmi-
nisterium der Verteidigung
Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,
ob es Kommunikationsdefizite innerhalb der Bundesre-
gierung und hier speziell zwischen der Abteilung 2 im
Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium der Ver-
teidigung gegeben habe.
aaa) Weitergabe von Berichten durch das BMVg
an die Abteilung 2
Nach Auskunft des damaligen Staatssekretärs im Bundes-
verteidigungsministerium Dr. Wichert lagen dem Bun-
deskanzleramt am 7. September 2009, also am Tag vor
904) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 3.
905) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 8.
906) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 5.
907) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 5.
908) E-Mail AA an BK (Dokument 125).
909) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 32.
Drucksache 17/7400 – 126 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin im Deut-
schen Bundestag, „alle Informationen“ vor.910 Das Bun-
deskanzleramt habe am 7. September 2009 um 10.40 Uhr
einen zusammenfassenden Vermerk angefordert. Ein
solcher sei mit seiner Billigung – der Bundesminister war
außer Hause – am Nachmittag an das Kanzleramt geleitet
worden. Die Billigung durch den Minister sei um ca.
21 Uhr nachgeholt worden.
911
Aus den vorgelegten Akten ergibt sich, dass um
17.05 Uhr eine zweieinhalbseitige Stellungnahme des
Einsatzführungsstabes in der zuständigen Gruppe 22 im
Bundeskanzleramt einging, bei der es sich um eine Erwei-
terung der bereits vorliegenden Obleuteunterrichtung
handelt. Darin wird die Vorgeschichte des Luftschlags
einschließlich der Informationslage des deutschen Kom-
mandeurs dargestellt. Zu den Folgen des Luftschlags wird
das Ergebnis der Überprüfung aus der Luft, der Ortsbe-
sichtigung durch die Schutzkompanie des PRT Kunduz
sowie des Krankenhausbesuchs mitgeteilt. General
McChrystal habe sich ein Bild der Lage vor Ort verschafft
und eine formale Untersuchung angeordnet. Zu mögli-
chen Opfern heißt es:
„Im Laufe des 4. September 2009 wurden 12
männliche Verletzte, darunter ein zehnjähriger
Junge, in das Krankenhaus in der Stadt Kunduz
zumeist mit Brandverletzungen eingeliefert. […]
Das ISAF-Team […] hat mittlerweile einen Be-
richt an COM ISAF vorgelegt. In dem Bericht
wird festgestellt, dass es ‚absolut keinen Zweifel
gibt, dass eine erhebliche zahl regierungsfeindli-
cher Kräfte getötet und verletzt wurde„. Darüber
hinaus geht das Team davon aus, dass mit an Si-
cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (‚high
degree of certainty„) auch etliche Zivilisten getötet
oder verletzt wurden.“912
Die afghanische Regierung, die Vereinten Nationen und
das Rote Kreuz hätten Untersuchungen angekündigt.
Afghanische Offizielle der Provinz begrüßten die Opera-
tion als erfolgreich und würden feststellen, dass aus-
schließlich regierungsfeindliche Kräfte getötet worden
seien.
913
Um 15.43 Uhr hatte das Bundeskanzleramt per E-Mail
aus dem NATO-Hauptquartier in Brunssum den Bericht
des deutschen Mitgliedes im IAT („N.-Bericht“) erhal-
ten.
914
Vom Einsatzführungskommando Potsdam wurde
ebenfalls am Montag, dem 7. September 2009 der Bericht
afghanischer Offizieller an Präsident Karzai übermit-
telt.
915
910) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 59.
911) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 59.
912) EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes (Fn. 736, Doku-
ment 117), Bl. 49.
913) EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes (Fn. 736, Doku-
ment 117), Bl. 50.
914) E-Mail JFC Brunssum an BK, Mat. 17-29a, Ordn. 6, Bl. 51.
Wegen des Berichts siehe: Fn. 141.
915) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30. Wegen des „Karzai-
Berichts“ siehe: Fn. 122.
Der Zeuge Dr. Vad hat vor dem Ausschuss ausgesagt,
dass er in den ersten Tagen nach dem Luftangriff versucht
habe, an alle vorhandenen Berichte, welche zu den Vor-
fällen verfasst worden waren, zu kommen:
„Ich glaube, es ist aus den Ihnen vorliegenden Do-
kumenten klar ersichtlich, dass ich versucht habe,
erst mal in den Besitz aller verfügbaren Berichte
und Dokumente zu gelangen, was, wie Sie sicher-
lich auch gesehen haben, etwas schleppend, was
einige Berichte anbelangt, vonstattenging. Es war
mein Bemühen auch deshalb, um ein klares, abge-
schlossenes Gesamtlagebild zu bekommen, damit
wir fortlaufend auch den Gang der Dinge da rich-
tig bewerten konnten aus Sicht des Kanzleram-
tes.“916
Sofort im Anschluss an die ersten Turbulenzen des Wo-
chenendes habe Dr. Vad am Montag, dem 7. September
2009, mit Staatssekretär Dr. Wichert im BMVg persön-
lich telefoniert, um sich nach der Übersendung der dort
vorhandenen Berichte durch das BMVg an das Bundes-
kanzleramt zu erkundigen. Staatssekretär Dr. Wichert
habe ihm mitgeteilt, dass diese erst nach politischer Billi-
gung des Hauses an das Bundeskanzleramt übermittelt
werden könnten.
917
Den Grund dafür hat Dr. Vad sich laut
eigener Aussage so erklärt, dass der Staatssekretär die
Informationskanäle auf sich zulaufen lassen wollte, um
diese besser steuern zu können.
918
Die „lückenhafte Informationspolitik“ des BMVg habe
durch „informelle Quellen“ ausgeglichen werden müssen,
um der Leitung des Hauses vor der Erklärung der Bun-
deskanzlerin die damals vorliegenden Informationen
zugänglich zu machen.
919
So lag Dr. Vad der Bericht des Initial Action Teams erst
am 10. September 2009 vor.
920
Auch den Kurzbericht von
Oberst Klein vom 5. September 2009 hatte er zu der Zeit
noch nicht.
921
Seiner eigenen Einschätzung zufolge, hät-
ten Dr. Vad diese Berichte für seine Bewertung gefehlt:
922
„Mir fehlten diese beiden Berichte, die ich auch
angemahnt habe am Montag, für mich persönlich;
die fehlten mir.“923
Den Bericht der afghanischen Untersuchungskommission
habe er hingegen am Abend des 7. Septembers 2009, also
noch vor der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin,
vorliegen gehabt.
924
916) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 44.
917) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 9; Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30,
34.
918) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 9.
919) Vermerk für AL 2, BK, vom 29. November 2009
(Dokument 126).
920) Vermerk für Bundeskanzerin vom 10. September 2009
(Dokument 127).
921) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 13, 19; Protokoll-Nr. 41, Teil II,
S. 29 f.
922) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 22.
923) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 21.
924) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 13.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 127 – Drucksache 17/7400
Andererseits hat er ausgesagt, dass er nach der Regie-
rungserklärung keinen Zweifel daran hatte, wie der Luft-
schlag zu dem damaligen Zeitpunkt zu bewerten war:
„Aber ich denke – das hat die Regierungserklärung
auch gezeigt –, dass wir mit den uns zur Verfü-
gung stehenden Informationen, die vielleicht auch
über das hinausgehen, was ich hatte, die Bundes-
kanzlerin hinreichend informiert und aufgestellt
hatten für die Regierungserklärung.“925
Auch MD Dr. Heusgen hat sich zur Informationsweiter-
gabe durch das BMVg an das Kanzleramt gegenüber dem
Untersuchungsausschuss kritisch geäußert:
„Es hat während des Zwischenfalls, der Aufberei-
tung, Aufarbeitung des Zwischenfalls immer wie-
der Situationen gegeben, wo Informationen, die
wir gern hätten, nicht in dem Tempo ans Kanzler-
amt gekommen sind, wie wir es gern gehabt hät-
ten.“926
Dr. Heusgen hat weiterhin betont, dass es „sicherlich sehr
gut gewesen“ wäre, wenn der IAT-Bericht dem Kanzler-
amt „angesichts der Dimension dieses Zwischenfalls“ und
zugunsten einer „möglichst breiten Informationsbasis“,
auch im Hinblick auf die zu erstellende Regierungserklä-
rung, schon früher vorgelegen hätte.
927
Dr. Wichert hat vor dem Ausschuss bestritten, dem Bun-
deskanzleramt irgendwelche Informationen vorenthalten
zu haben. Das Bundeskanzleramt habe nicht nur die Ob-
leuteunterrichtung erhalten, sondern auch einen eigens für
das Kanzleramt erstellten Bericht. In diesem sei der Inhalt
des – am 6. September 2009 im Verteidigungsministe-
rium eingegangenen – IAT-Berichts genauestens verar-
beitet gewesen. Sowohl auf den zwölfjährigen Jungen, der
verletzt im Krankenhaus in Kunduz gelegen habe, als
auch auf die Haltung von McChrystal, dass mit an Sicher-
heit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Zivilisten zu
Schaden gekommen seien, sei hingewiesen worden. Den
IAT-Bericht habe er – Dr. Wichert – zu diesem Zeitpunkt
selbst noch nicht gehabt:
„[E]s gab einen eigenen Bericht an das Kanzleramt
zur Vorbereitung der Regierungserklärung. […]
dass wir dem Kanzleramt nicht Dokumente vor die
Tür kippen, ist doch selbstverständlich. Er hatte
einen Bericht gefordert, und den hat er gekriegt.
Aber da heften wir doch nicht den Bericht von
Meyer, Müller und Schulze für die Bundeskanzle-
rin hintendran.“928
Hierbei handelt es sich um die in den Akten befindliche
zweieinhalbseitige Stellungnahme des Einsatzführungs-
stabes.
Im Laufe der ersten Woche telefonierte neben Dr. Vad
auch Abteilungsleiter Dr. Heusgen mit dem Verteidi-
gungsministerium, um an so viele Informationen wie
925) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 21.
926) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 4.
927) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 15.
928) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 59.
möglich zu gelangen. Nach der Aussage von Dr. Heusgen
habe Staatssekretär Dr. Wichert insbesondere auf Vorlage
des Berichts des Initial Action Teams an die Abteilung 2
gedrängt werden müssen.
929
Schließlich wurde im Dezember 2009 im Bundeskanzler-
amt festgestellt, dass die UNAMA-Liste vom 12. Sep-
tember 2009, der Bericht des Internationalen Roten Kreu-
zes vom 6. November 2009 und bestimmte Anlagen zum
COM ISAF-Bericht nach wie vor nicht vorlagen.
930
bbb) Kritik der Gruppe 22 an der Informations-
weitergabe des BMVg
Das Informationsmanagement des Bundesverteidigungs-
ministeriums in der ersten Phase nach dem Luftangriff am
4. September 2009 wurde durch Bedienstete der Abtei-
lung 2 des Bundeskanzleramts offen kritisiert. So hat
Dr. Vad in seiner Aussage betont:
„Und ich habe die Kommunikationsstrategie des
BMVg intern wie auch extern gegenüber dem Par-
lament auch an einigen Stellen – wenn ich mich
nicht irre, auch in einigen internen E-Mails – sehr
kritisch gesehen in dieser Zeit.“931
Diese Kritik an der Art und Weise der Informationswei-
tergabe durch das BMVg habe er an MD Dr. Heusgen
und den Chef des Bundeskanzleramtes Dr. de Maizière
weitergegeben.
932
So beschwerte sich Dr. Vad bereits am
8. September 2009 in einer E-Mail an den Büroleiter des
Kanzleramtschefs, Herrn Beemelmans:
„Im VgA wurden […] wichtige Punkte angespro-
chen, die uns vorher durch BMVg nicht zugäng-
lich gemacht wurden, aber […] wichtig für die
Vorbereitung der Bundeskanzlerin gewesen wären
[…]
Bis heute wird mir – trotz mehrfachen Bemühens –
der Zwischenbericht der NATO zum Vorfall, der
GenInsp seit Sonntagabend vorliegt, nicht zugäng-
lich gemacht. Hier sperrt sich offenbar Sts W.
Fazit: Nicht nur die Informationspolitik des BMVg
nach Außen ist verbesserungsfähig, sondern auch
zu uns.“933
In einer anderen E-Mail heißt es:
„Erst nach persönlicher und nachdrücklicher Inter-
vention bei Staatssekretär Wichert seien in dieser
Phase Unterlagen an das Kanzleramt übermittelt
worden; das BMVg habe sich zunehmend vor der
Übersendung geziert.“934
929) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, S. 6.
930) E-Mail Referat 222, BK an BMVg vom 9. Dezember 2009
(Dokument 128).
931) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 50.
932) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 12.
933) E-Mail Vad an Bemelmanns vom 8. September 2009
(Dokument 129).
934) E-Mail Vad an Baumann und Beemelmans vom 21. September
2009 (Dokument 130).
Drucksache 17/7400 – 128 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Vor dem Untersuchungsausschuss hat Dr. Vad diesen
Ablauf bestätigt.
935
Auch der Abteilungsleiter Dr. Heusgen stellte den verzö-
gerten Informationsfluss aus dem BMVg in das Kanzler-
amt fest. Am 7. September 2009 schrieb er in einer E-
Mail:
„Gegenwärtig hat Gruppe 22 den Auftrag, den ge-
nauen Ablauf des Kunduz-Vorfalls aufzuschrei-
ben. Allerdings kommen sie – aufgrund Wichert-
Weisung – an bestimmte Infos nicht ran.“936
Das hat er als Zeuge vor dem Ausschuss bestätigt:
„Also, ich kann mich in der Tat daran erinnern,
dass sich Herr Vad im Laufe auch der […] ersten
Woche nach dem Zwischenfall darüber beschwert
hat, dass die Informationen nicht so schnell kom-
men, so umfassend kommen, wie er sich das vor-
stellt, um seine Arbeit zu tun.“937
ccc) Bestreben der Abteilung 2 nach gemein-
samer Sprachregelung mit dem BMVg
Von Beginn an gab es Bestrebungen von Seiten der Ab-
teilung 2, eine gemeinsame Sprachregelung mit dem
Verteidigungsministerium, insbesondere in Bezug auf die
Frage ziviler Opfer, zu finden. Bereits am 6. September
2009 wies BG Dr. Vad nach eigener Darstellung in einem
Telefonat mit dem Sprecher des Verteidigungsministe-
riums Dr. Raabe auf eine unterschiedliche Sichtweise der
Ressorts hin:
„Aber ich hatte Ihnen ja geschildert, dass ich am
Sonntag auch ein Telefonat mit dem damaligen
Pressesprecher, Dr. Raabe eben, hatte. Der hat mir
schon eine, was den Bereich Ziviltote anbelangt,
unterschiedliche Einschätzung vermittelt. Soweit
ich mich erinnere, hatte mir Herr Raabe eben – Ich
hatte ihm schon gesagt, dass da Informationen vor-
liegen, die darauf hinweisen, dass Ziviltote nicht
ausgeschlossen werden. Soweit ich mich erinnere,
hat er eben gesagt: Das mag sein; aber es sind eben
keine Beweise. – Das war, denke ich, auch die Li-
nie des BMVg in den Tagen danach.“938
Dr. Vad leitete seine Einschätzung, dass zivile Opfer nicht
kategorisch ausgeschlossen werden könnten, auch an den
Regierungssprecher Wilhelm weiter. Auf Nachfrage hat
Dr. Vad ausgesagt:
„Ich wollte ihn halt informieren, dass entgegen –
so wie meine Ausführungen auch waren – der
Presselinie des BMVg aus meiner Sicht Ziviltote
nicht ausschließbar seien, weil das natürlich für
seine Beurteilung auch wichtig war. Soweit ich
mich erinnere, hat er mir dann auch das bestätigt,
935) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30 f.
936) E-Mail von Heusgen vom 7. September 2009 (Dokument 131).
937) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 6.
938) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 15.
indem er auf diesen Washington Post-Artikel vom
Wochenende verwies.“939
Der Zeuge Dr. Heusgen hat bestätigt, dass das Bundes-
kanzleramt das BMVg in Bezug auf Äußerungen zu zivi-
len Opfern drängen musste:
„Wir hatten von Anfang an auch bemerkt, dass im
Verteidigungsministerium zu Beginn gesagt wor-
den ist: Wir schließen zivile Opfer aus. Wir haben
dann dem Verteidigungsministerium auch bedeu-
tet, dass wir in unseren Äußerungen da vorsichti-
ger sind, weil wir es eben nicht ausschließen kön-
nen, zumal – Wie gesagt, die erste Meldung kam
von BBC, wo von zivilen Opfern die Rede war.
Und dann zu sagen: ‚Das stimmt nicht„, […] das
wollten wir nicht tun.“940
Auf die Nachfrage hin, ob von Seiten des Bundeskanzler-
amtes demnach bewusst versucht worden sei, eine ge-
meinsame Sprachregelung mit dem BMVg in diesen ers-
ten Tagen herzustellen, hat der Zeuge Dr. Heusgen ausge-
führt:
„Also, wir haben aus dem Bundeskanzleramt den
Regierungssprecher mit der Sprache versorgt, mit
dem Entwurf für seine Äußerung auf der Bundes-
pressekonferenz und gegenüber Journalisten usw.,
und wir haben darüber hinaus den BMVg auch
nicht im Unklaren gelassen darüber, dass unsere
Einschätzung eben sehr viel vorsichtiger war als
seine, ja.“941
c) Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
aa) Kenntniserlangung der Bundeskanzlerin
über den Luftangriff und erste Kommuni-
kation mit anderen Ressorts
Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel erfuhr am Mor-
gen des 4. Septembers 2009 über Presseberichte und Mel-
dungen von Nachrichtenagenturen von dem bei Kunduz
in der Nacht erfolgten Luftangriff. Bei der von ihr geleite-
ten Morgenlage desselben Tages mit ihren engsten Mitar-
beitern habe sie die Geschehnisse des Vortages in Afgha-
nistan aufgrund der Meldungen, dass es zu zahlreichen
Todesopfern gekommen sei, sogleich zum Thema ge-
macht. Sie habe in diesem Rahmen um nähere und fort-
laufende Informationen durch die Mitarbeiter der Abtei-
lung 2 für Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik
des Bundeskanzleramtes gebeten.
942
Am Morgen des 4. September habe sie außerdem umge-
hend telefonisch Kontakt mit Regierungssprecher Staats-
sekretär Ulrich Wilhelm aufgenommen, da für den glei-
chen Tag eine Regierungspressekonferenz anberaumt war.
In diesem Telefonat habe sie darum gebeten, dass der
939) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 17.
940) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 6.
941) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 8 f.
942) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 34.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129 – Drucksache 17/7400
stellvertretende Regierungssprecher, welcher an diesem
Tag in der Regierungspressekonferenz sprechen sollte,
„sich zu allen unklaren Fragen dieses Vorfalls mit großer
Zurückhaltung äußern und schnelle Klärung in Aussicht
stellen möge, da ausweislich der Nachrichtenlage zu der
Zeit nicht klar war, ob und gegebenenfalls wie viele zivile
Opfer, Tote wie Verletzte, zu beklagen waren, und schon
am Vormittag des 4. September absehbar war, dass genau
diese Frage den Tag über im Vordergrund stehen wür-
de.“943 Die damalige Nachrichtenlage führte die Bundes-
kanzlerin schon zu diesem frühen Zeitpunkt zu der Ein-
schätzung, dass es sich hier „um eine der schwersten,
wenn nicht die schwerste militärische Auseinanderset-
zung der Bundeswehr mit den Taliban im Rahmen des
ISAF-Einsatzes in Afghanistan und damit um einen der
schwerwiegendsten Vorfälle seit Bestehen der Bundes-
wehr“944 handele.
Die Bundeskanzlerin führte nach ihren Angaben in diesen
ersten Tagen nach dem Luftangriff mehrfach Gespräche
mit Verteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung, um eine
zurückhaltende Formulierung in Bezug auf die Möglich-
keit ziviler Opfer in offiziellen Äußerungen auch des
BMVg zu erzielen.
945
Zu einem Telefonat zwischen der Bundeskanzlerin und
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen kam es
an diesem Wochenende. Hierzu hat die Zeugin
Dr. Merkel vor dem Untersuchungsausschuss ausgeführt:
„In diesem Telefonat erläuterte ich ihm darüber
hinaus mein Befremden über die zahlreichen öf-
fentlichen Kommentierungen des NATO-
Luftangriffs in Kunduz, die Vorverurteilungen
gleichkämen, obwohl anschließende Untersu-
chungsergebnisse noch nicht vorlägen. Ich sicherte
ihm zu, dass Deutschland alles tun werde, um den
Luftangriff und seine Folgen gemeinsam mit der
ISAF-Führung schnell aufzuklären.“946
bb) Erste öffentliche Äußerungen der Bundes-
kanzlerin zum Luftangriff
Am Sonntag, dem 6. September 2009, äußerte sich die
Kanzlerin erstmals öffentlich zu dem von Oberst Klein
veranlassten Luftangriff. In einer Pressekonferenz im
Anschluss an einen Empfang des britischen Premierminis-
ters Gordon Brown im Bundeskanzleramt erklärte sie:
„Ich möchte zuerst zu dem Vorfall in Kunduz
deutlich machen, dass es der Bundesregierung und
mir persönlich darum geht, dass jetzt schnell ein
Nato-Untersuchungsteam bereitgestellt wird, das
umfassend und zügig aufklärt, wie die Zusammen-
hänge dort sind, und auch aufklärt, ob es zivile Op-
fer gegeben hat. Wenn es zivile Opfer gegeben hat,
dann werde ich das natürlich zutiefst bedauern. Sie
wissen, dass unsere gesamte Strategie darauf aus-
943) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.
944) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.
945) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35 f.
946) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.
gerichtet ist, Vertrauen bei der Bevölkerung zu er-
reichen und zu erarbeiten, und dass deshalb unser
Ansatz der vernetzten Sicherheit die Basis unseres
Afghanistan-Einsatzes ist.“947
cc) Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
am 8. September 2009
aaa) Zustandekommen und Inhalt
Am 6. September entschied sich die Bundeskanzlerin, am
folgenden Dienstag, dem 8. September 2009, eine Regie-
rungserklärung im Deutschen Bundestag abzugeben.
948
Zur Vorbereitung der Regierungserklärung bat sie daher
die Abteilung 2 des Bundeskanzleramtes darum, einen
ersten Entwurf zu erarbeiten und ihr diesen bis zum spä-
ten Nachmittag bzw. frühen Abend des 7. Septembers
vorzulegen, zusammen mit einer detaillierten Zusammen-
stellung aller bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Fak-
ten.
949
Wie gewünscht habe sie daraufhin einen Entwurf
sowie eine Vorlage zum Sachstand durch die Abteilung 2
erhalten. Dem Entwurf hätten zwei Anlagen beigelegen:
eine Schilderung des Bundesverteidigungsministeriums
zum Luftangriff bei Kunduz und eine Kopie der Obleu-
teunterrichtung des Verteidigungsausschusses durch das
BMVg vom 7. September 2009. Weitere schriftliche Un-
terlagen, etwa auch der Zwischenbericht des Initial Action
Teams vom 6. September 2009, hätten ihr bis zum Zeit-
punkt der Regierungserklärung nicht vorgelegen.
950
Vor
dem Ausschuss hat die Zeugin Dr. Merkel ihren Kenn-
tnisstand zum Zeitpunkt ihrer Regierungserklärung wie
folgt bewertet:
„Die mir bis dahin vorliegenden schriftlichen Un-
terlagen, also die Vorlage des Bundeskanzleramtes
mit den genannten zwei Anlagen sowie die aus den
zahlreichen Telefonaten und persönlichen Begeg-
nungen des Wochenendes mit dem Verteidi-
gungsminister, mit Dr. Heusgen, zahlreiche Tele-
fonate, SMS, persönliche Begegnungen bei Gor-
don Brown sowie am Montag im Laufe des Tages
– All diese Erkenntnisse, all das formte sich zu ei-
nem aussagekräftigen Bild und diente mir als aus-
reichende Informationsgrundlage für meine Regie-
rungserklärung.“951
Die Bundeskanzlerin sprach in ihrer Regierungserklärung
von widersprüchlichen Angaben zu den Opfern des Luft-
angriffs und Trauer über den Verlust von Menschenleben:
„Zahlreiche Menschen haben ihr Leben verloren.
Über die Folgen, insbesondere über zivile Opfer,
gibt es widersprüchliche Meldungen. Das genau zu
klären, wird uns heute Morgen nicht möglich sein.
947) Mitschrift Pressekonferenz (Dokument 132); Merkel, Protokoll-
Nr. 49, Teil I, S. 36.
948) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 34.
949) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.
950) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.
951) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.
Drucksache 17/7400 – 130 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
[…] Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode ge-
kommene Mensch ist einer zu viel. Wir trauern um
jeden Einzelnen. Jeder unschuldig Verletzte ist ei-
ner zu viel. Wir fühlen mit ihnen und ihren Ange-
hörigen. Unschuldig verletzte und zu Tode ge-
kommene Menschen, auch und gerade infolge
deutschen Handelns, bedauere ich zutiefst. Es ist
mir wichtig, dies heute als deutsche Bundeskanzle-
rin vor diesem Hohen Haus und genauso dem afg-
hanischen Volk gegenüber zum Ausdruck zu brin-
gen.“952
Sie versprach „lückenlose Aufklärung“ durch die Bundes-
regierung mit Unterstützung aller zur Verfügung stehen-
den Kräfte der Bundeswehr. Dies sei für sie und die ganze
Bundesregierung ein „Gebot der Selbstverständlichkeit;“
deren Ergebnis könne und wolle sie jedoch nicht vorgrei-
fen. Sie stünde dafür ein, dass nichts beschönigt werde:
„Eine schonungslose und rückhaltlose Aufarbei-
tung von Versäumnissen und möglichen Fehlern,
auch schweren Fehlern, bleibt davon völlig unbe-
nommen. Ebenso bleiben öffentliche Bewertungen
davon völlig unbenommen, wenn alle Untersu-
chungsergebnisse vorliegen. Beides bleibt unver-
zichtbar, beides muss erfolgen im Interesse aller
Betroffenen, um auch für die Zukunft ähnliche
Zwischenfälle nach bestem Wissen und Gewissen
vermeiden zu können.“953
Jedoch verwahrte sie sich gegenüber Vorverurteilungen:
„Ich verbitte mir das, und zwar von wem auch
immer, im Inland genauso wie im Ausland.“954
Aus Sicht der Kanzlerin selbst, so hat sie es in ihrer Ver-
nehmung erläutert, sei eine grundlegende Erwägung ihrer
Regierungserklärung gewesen, dass eine abschließende
Schilderung und Wertung aller Umstände und Abläufe
des Luftangriffs zum Zeitpunkt ihrer Rede noch nicht
möglich gewesen sei. Schon in diesem Moment sei jedoch
bereits hinreichend klar gewesen, dass es zivile Opfer mit
hoher Wahrscheinlichkeit zu beklagen galt – sowohl Ver-
letzte wie auch Tote. Eine umfassende Untersuchung habe
ihrer Meinung nach insbesondere durch ISAF stattfinden
müssen, wobei Deutschland nach besten Kräften Unters-
tützung leisten wolle.
955
Die Kernaussagen der Regierungserklärung aus ihrer
Sicht hat die Zeugin Dr. Merkel vor dem Untersuchungs-
ausschuss folgendermaßen zusammengefasst:
„Zum einen war es mir wichtig, deutlich zu ma-
chen, dass ich Vorverurteilungen nicht akzeptierte
und sie mir verbitte, von wem auch immer, im In-
land wie im Ausland. […] Das führt mich zu dem
zweiten Punkt, der mich mit Blick auf den Gegens-
tand dieses Untersuchungsausschusses bei der
Erarbeitung meiner Regierungserklärung intensiv
952) Merkel, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26298.
953) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 38.
954) Merkel, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26298.
955) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.
beschäftigt hat. Er berührt konkret die Frage einer
deutschen Verantwortung für den Luftangriff am
4. September. Nach dem mir vorliegenden Sach-
stand, wie ich ihn vorher geschildert habe, war mir
klar, dass ich in der Regierungserklärung zivile
Opfer nicht nur nicht ausschließen konnte; das hat-
ten sowohl die Regierungssprecher in den vergan-
genen Tagen als auch ich zu keinem Zeitpunkt ge-
tan. Mir war vielmehr zudem klar, dass ich es auch
nicht mehr bei der konditionierten ‚Wenn-dann„-
Formulierung belassen konnte, die ich am Sonn-
tagabend noch in meiner ersten öffentlichen Äuße-
rung zum Vorfall in Kunduz im Rahmen der Pres-
sekonferenz mit Gordon Brown gewählt hatte.
Gleichzeitig hatte ich, wie bei allen Äußerungen,
die ich in meinem Amt als Bundeskanzlerin der
Bundesrepublik Deutschland vornehme, in einer
Regierungserklärung zumal, auch hier zu berück-
sichtigen, dass jedes meiner Worte sowohl von po-
litischem wie von rechtlichem Gewicht war und
ich zu beachten hatte, dass ich zivile Opfer nun
auch nicht ausdrücklich bestätigen konnte, da dies
die Faktenlage nicht ermöglichte, und deshalb
sorgsam abzuwägen war. In diesem Spannungsfeld
entschied ich mich für die Worte ‚auch und gerade
infolge deutschen Handelns„ […].“956
bbb) Unterrichtung der Bundeskanzlerin vor der
Regierungserklärung
Der Ausschuss hat aufgrund kritischer Nachfragen unter-
sucht, ob die Bundeskanzlerin in dieser ersten Phase der
Aufklärung des Luftangriffs und im Besonderen mit Blick
auf ihre Regierungserklärung ausreichend durch die Be-
diensteten des Bundeskanzleramtes unterrichtet wurde.
An der Vorbereitung der Regierungserklärung der Bun-
deskanzlerin am 8. September 2009 war die Abteilung 2
des Bundeskanzleramtes maßgeblich beteiligt. Dr. Vad
hat vor dem Ausschuss geschildert, dass er im Vorfeld der
Regierungserklärung „mit mehrfachen Vorlagen und
Vermerken die Bundeskanzlerin informiert und ihr die
Entwicklung und den Sachstand, das Lagebild, das sich zu
dem jeweiligen Zeitpunkt ergab,“ mitgeteilt habe.957 Zum
Zustandekommen der Regierungserklärung insgesamt hat
Dr. Vad erklärt, dass dies „immer das Ergebnis der Zuar-
beit vieler im Hause“ sei, wobei die Abteilung 2 im Falle
des Luftangriffs bei Kunduz „sicherlich maßgeblichen
Anteil daran“ hatte, auch was die „Einschätzung über den
Hergang und hinsichtlich der Ziviltoten“ anging.958 Im
Zeitraum um die Regierungserklärung der Kanzlerin habe
die Gruppe 22 jedoch zum Beispiel mit dem Auswärtigen
Amt nicht in Kontakt gestanden und sei durch dieses auch
nicht gesondert über die aktuellen Vorgänge informiert
worden.
959
956) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37 f.
957) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 9.
958) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 21.
959) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 18.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131 – Drucksache 17/7400
Angesprochen auf etwaige Kommunikationsschwierigkei-
ten zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Bundes-
verteidigungsministerium hielt er die Bundeskanzlerin
trotz der verzögerten Lieferung von verschiedenen Be-
richten, welche konkrete Hinweise auf zivile Opfer
enthielten, für ausreichend unterrichtet. Auf Nachfrage,
ob Dr. Vad es für vorstellbar halte, dass die Bundeskanz-
lerin vor dem Deutschen Bundestag zu einem solchen
Vorgang uninformiert eine Regierungserklärung abgege-
ben habe, hat dieser ausgesagt:
„Die Bundeskanzlerin hatte ja in ihrer Regierungs-
erklärung, soweit ich mich erinnere, doch am An-
fang sehr prominent diese Verantwortung Deutsch-
lands vor möglichen zivilen Opfern angesprochen,
und zwar sehr prominent. Ich gehe davon aus, dass
ihr auch klar war zu dem Zeitpunkt, dass die Indi-
katoren, die wir ja auch erarbeitet haben, die wir
ihr auch aufgezeigt haben, so stark waren, dass sie
davon überzeugt war, dass das eben auch der Fall
war. Sie hat ja auch darauf hingewiesen in ihrer
Rede, dass Deutschland die Verantwortung auch
dafür übernimmt. Sie hat aber dann auch gesagt,
dass sie sich jede Vorverurteilung verbittet, weil
die ja auch international geäußert wurde an dem
Wochenende aus mehreren Hauptstädten, soweit
ich mich erinnere. Da hat sie eben auch gesagt,
dass sie das von sich weist. Aber sie hat deutlich
gemacht, dass, wenn es so genannte Kollateral-
schäden gab, wenn es Ziviltote gegeben habe,
Deutschland dafür auch die Verantwortung über-
nimmt. Ich denke mal, daraus können Sie ableiten,
dass sie zu dem Zeitpunkt ein umfassendes Lage-
bild auch hatte, trotz der fehlenden Dokumente.“960
Auf die Frage, ob Dr. Vad davon ausgehe, dass die Bun-
deskanzlerin gewusst habe, dass zum Zeitpunkt der Ab-
gabe der Regierungserklärung eine defizitäre Informati-
onslage in der Gruppe 22 bestand, hat dieser bemerkt,
dass der Inhalt der genannten E-Mails an das Büro des
Chefs des Bundeskanzleramts und auch an die Büroleite-
rin der Bundeskanzlerin, „ihr natürlich mit Sicherheit
bekannt“ gewesen seien.961
Dr. Vad kam vor dem Ausschuss zu dem Fazit, dass sei-
ner Ansicht nach die Bundeskanzlerin zum Zeitpunkt
ihrer Regierungserklärung „hinreichend informiert und
aufgestellt“962 war.
Auch die Kanzlerin selbst fühlte sich laut eigener Aussage
vor dem Untersuchungsausschuss mit den nötigen Infor-
mationen für ihre Regierungserklärung versorgt – trotz
der verspäteten Lieferung insbesondere des IAT-Berichts:
„Aber der Bericht des Verteidigungsministeriums
über die Abläufe enthielt die Formulierung, ‚high
degree of certainty„ für zivile Opfer, und damit
war der Kernsatz dessen, was für die Regierungs-
960) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 10.
961) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 12.
962) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 21.
erklärung notwendig war, mir bereits am Abend
des 7. 9. bekannt.“963
dd) Weiteres Vorgehen der Bundeskanzlerin
Die Bundeskanzlerin ließ sich nach Abgabe ihrer Regie-
rungserklärung über die weiteren Erkenntnisse zu dem
Luftschlag unterrichten. Am Donnerstag, dem 10. Sep-
tember 2009 verlangte sie die sofortige Vorlage des IAT-
Berichts.
964
Am Freitag, dem 11. September 2009 ließ sie
sich über die Befehlskette oberhalb von Oberst Klein und
über die einzelnen Regeln, nach denen eine Luftnahun-
terstützung angefordert werden kann, unterrichten.
965
Drei Tage nach ihrer Regierungserklärung, ebenfalls am
Freitag den 11. September 2009, habe die Bundeskanzle-
rin schließlich eine Vorlage der Abteilung 2 zum Zwi-
schenbericht des Initial Action Teams vom 6. September
erhalten, welche durch die Abteilung am Vortag erstellt
worden war. Die Kanzlerin hat dazu vor dem Ausschuss
ausgesagt, dass sie von den Mitarbeitern der Abteilung 2
wusste, dass sie sich in den Tagen zuvor intensiv und wie
gesehen zunächst auch vergeblich bemüht hatten, den
IAT-Bericht vom Bundesverteidigungsministerium über-
mittelt zu bekommen.
966
Sie hat weiter angegeben, dass, als gesagt worden sei, die
Kanzlerin wünsche es, die Unterlagen herausgegeben
wurden.
967
Zusammenfassend hat die Zeugin Dr. Merkel in ihrer
Vernehmung alle Vorwürfe, die Bundesregierung habe
nicht auf die umfassende Aufklärung des Luftangriffs
hingewirkt, von sich gewiesen:
„Diese Chronologie der Ereignisse, wie ich sie
wahrgenommen und erlebt habe, seit ich am Mor-
gen des 4. September 2009 von einem NATO-
Luftangriff auf entführte Tanklastwagen im Raum
Kunduz über Agenturmeldungen erfahren habe,
macht deutlich, dass alle Unterstellungen, die
Bundesregierung sei nicht an einer umfassenden
Aufklärung des Vorfalls interessiert gewesen, sie
habe diese Aufklärung gar verhindert, Umstände
des Luftangriffs möglicherweise im Vorfeld der
nahenden Bundestagswahl vertuschen wollen oder
sogar das Mandat des Deutschen Bundestages für
den Einsatz verletzt, jeder Grundlage entbehren.
Das Gegenteil war der Fall, und zwar von Beginn
an.“968
963) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 86.
964) E-Mail BK an Büro Sts Dr. Wichert vom 10. September 2009,
10.58 Uhr (Dokument 133).
965) E-Mail Heusgen an Baumann (Dokument 134).
966) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 38.
967) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 46 f.
968) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.
Drucksache 17/7400 – 132 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ee) Keine Bewertung des Luftangriffs durch
das Bundeskanzleramt
Eine abschließende Bewertung des Luftangriffs, so
Dr. Vad in seiner Vernehmung durch den Untersuchungs-
ausschuss, sei der Abteilung 2 nicht möglich gewesen:
„Wir haben niemals, zu keinem Zeitpunkt, eine ab-
schließende Bewertung abgegeben und abgeben
können, und über die Angemessenheit und Nicht-
angemessenheit haben wir uns auch eines ab-
schließenden Urteils enthalten.“969
Die weitestreichende Bewertung des Luftangriffs durch
das Bundeskanzleramt hat Dr. Vad wie folgt formuliert:
„Wir haben in der fortlaufenden Bewertung des
Vorfalls und der eingehenden Erkenntnisse schon
die kritischen Punkte in der Bewertung des Ge-
samtvorfalls erkannt und auch dargelegt und auch
die Leitung des Kanzleramtes darüber informiert.
Wir haben aber nach Vorlage des abschließenden
Berichtes in einer Stellungnahme gesagt, dass man
abhängig von der Perspektive einer kriegsähnli-
chen Situation sicherlich bei der Bewertung des
Vorfalls zu anderen Ergebnissen kommen kann,
als wenn man die ganze Sache unter der Perspekti-
ve dieser möglichen Regelverstöße sieht. Das war
aber das am weitesten gehende wertende Ur-
teil.“970
III. Unterrichtung des Verteidigungsaus-
schusses und des Auswärtigen Aus-
schusses
1. Erstunterrichtung der Obleute am Freitag,
dem 4. September 2009
Die erste Unterrichtung der Obleute des Verteidigungs-
ausschusses und des Auswärtigen Ausschusses des Deut-
schen Bundestages erfolgte schriftlich am 4. September
2009 um 12.17 Uhr durch Staatssekretär Dr. Wichert.
971
Mitgeteilt wurde, dass es im deutschen „Verantwortungs-
bereich […] zu einem Luftangriff gegen eine Gruppe von
Opposing Militant Forces“ gekommen sei und der Vorfall
zuständigkeitshalber durch ISAF untersucht werde.
972
In
gleicher Weise wurden nachrichtlich das Bundeskanzler-
amt und das Auswärtige Amt unterrichtet.
973
Angaben über die Zahl der Opfer enthielt das Fax nicht.
Es wurde auch nicht auf die bereits seit 6.42 Uhr im
Internet eingestellte Pressemitteilung des Bundesverteidi-
gungsministeriums (siehe oben: C.II.1.b)aa)bbb)(1),
S. 95) und auf die verfügbare Pressemitteilung des
969) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 42.
970) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 43.
971) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68.
972) Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009 (Fn. 901, Doku-
ment 124), Bl. 8 ff.
973) Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009 (Fn. 901, Doku-
ment 124), Bl. 10.
NATO-Hauptquartiers der ISAF (siehe oben: C.I.2, S. 88)
hingewiesen.
Der Inhalt der Unterrichtung beruhte nach Angaben des
Zeugen Dr. Wichert nicht auf Angaben der verantwortli-
chen militärischen Führer, sondern kam „auf der Presse-
schiene“ in die Leitung. Präzisere Auskünfte seien trotz
wiederholter Rückfragen seines Büros nicht zu erlangen
gewesen. Angesichts des nicht gesicherten Meldeauf-
kommens sei auf die Angabe einer Zahl der getöteten
Personen und vor allem auch auf die Aussage, es seien
keine Zivilpersonen oder Unbeteiligte zu Schaden gekom-
men, verzichtet worden. Man habe auf jeden Fall eine
Falschinformation des Parlaments verhindern wollen.
974
Der Zeuge hat darauf hingewiesen, dass schon im einlei-
tenden Satz der Obleuteunterrichtung von einem Luftang-
riff gegen eine Gruppe von „opposing militant forces“ die
Rede sei. Damit sei von Anfang an klar gewesen, „dass
der Angriff auch Menschen galt und eben nicht nur ste-
cken gebliebenen Lastwagen.“975
Die Unterrichtung der Obleute war vorher von Bundes-
minister Dr. Jung inhaltlich gebilligt worden.
976
Auch
dieser legte nach eigenen Angaben angesichts divergie-
render Meldungen Wert darauf, keine konkreten Zahlen
über Opfer zu nennen, die später vielleicht hätten korri-
giert werden müssen.
977
Dass parallel auf der Internetseite
des Ministeriums von 56 Toten die Rede war, hat er wie
folgt erklärt:
„[D]ie Obleute wussten ja von mir, dass oft
manchmal in der Öffentlichkeit Dinge berichtet
werden, die sich nachher auch anders dargestellt
haben, und dass wir die Obleuteunterrichtung so
gemacht haben, dass möglichst die Fakten auch
stimmen, nicht nachher noch mal korrigiert werden
müssen.“978
Dass zu diesem Zeitpunkt kein klares Lagebild verfügbar
war, hat auch der Zeuge Dr. Ulrich Schlie bestätigt. Aus
Sicht des damaligen Leiters des Planungsstabes des Bun-
desministeriums der Verteidigung war „eine zuverlässige
Bewertung der Umstände des Luftangriffs und insbeson-
dere eine Einschätzung der Opfer zum damaligen Zeit-
punkt nicht möglich.“979
2. Obleuteunterrichtung am 5. September
2009: Untersuchungsteam der NATO
Am Samstag, dem 5. September 2009 unterrichtete
Dr. Wichert die Obleute des Verteidigungs- und des
Auswärtigen Ausschusses erneut. Um 16.03 Uhr teilte er
ihnen schriftlich mit, dass die NATO ein eigenes Unter-
suchungsteam nach Kunduz gesandt habe und der Kom-
974) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 109; Jung, Protokoll-Nr. 16,
Teil I, S. 3, 9.
975) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68. So auch: Schneiderhan,
Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.
976) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68.
977) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3, 9.
978) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 50.
979) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 133 – Drucksache 17/7400
mandeur der ISAF, General McChrystal, in Kunduz ein-
getroffen sei. Auch hätte die United Nations Assistance
Mission in Afghanistan (UNAMA) eine Untersuchung
vor Ort angekündigt.
980
Hierbei erfolgten keinerlei Hinweise auf den Bericht des
PsyOps-Teams vom Nachmittag des 4. September 2009
oder auf die Hinweise auf die Verletzten im Krankenhaus
von Kunduz. Auch fehlten jegliche Hinweise auf mögli-
che Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem Luft-
angriff.
3. Obleuteunterrichtung am 7. September
2009: Zivile Opfer möglich
Anschließend wurden die Obleute von Staatssekretär
Dr. Wichert am Montag, dem 7. September 2009 um
11 Uhr informiert. Den Obleuten wurde vorab eine „Pres-
severwertbare Stellungnahme“ zugänglich gemacht, die
später in der Bundespressekonferenz Verwendung fand.
981
Darin hieß es, nach dem Luftschlag habe eine Überprü-
fung aus der Luft stattgefunden, wonach 56 Personen
getötet worden und 14 Personen geflohen seien. Am
nächsten Morgen habe die Anzahl der Getöteten nicht
mehr verifiziert werden können, da die Leichen bereits
geborgen gewesen seien. Im Krankenhaus in Kunduz
seien zwölf männliche Verletzte mit Brandwunden einge-
liefert worden, darunter ein zehnjähriges Kind. Ein ISAF-
Team habe mit Voruntersuchungen begonnen.
982
Dass die
Voruntersuchungen bereits beendet waren und der IAT-
Bericht dem Ministerium vorlag, und insbesondere die
Äußerungen General McChrystals, wonach mit an Si-
cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit („high degree of
certainty“) auch Zivilisten getötet oder verletzt worden
seien, wurde nicht erwähnt. Auch die weiteren Inhalte des
Berichts wurden in der Unterrichtung nicht ausdrücklich
eingearbeitet.
983
Während sich in einem Entwurf der Un-
terrichtung noch der Hinweis fand, dass festgestellt wur-
de, dass neben einer erheblichen Anzahl regierungsfeind-
licher Kräfte auch Zivilisten getötet oder verletzt wurden,
waren diese Passagen in der finalen Fassung der Unter-
richtung nicht mehr zu finden.
In einem Schreiben afghanischer Offizieller an Staatsprä-
sident Karzai hingegen heiße es, es seien „ausschließlich
regierungsfeindliche Kräfte getroffen worden.“984
In der Unterrichtung wurde mitgeteilt, dass nach Angaben
afghanischer Sicherheitskräfte einer der beiden Fahrer der
Tanklastwagen bei der Entführung an Ort und Stelle er-
mordet worden sei und dass ein US-Flugzeug nach Über-
fliegen der Sandbank gemeldet habe, „dass von etlichen
980) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.
981) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.
982) Presseverwertbare Stellungnahme (Fn. 693, Dokument 108),
Bl. 26 [28].
983) Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 7. September 2009
(Dokument 135).
984) Presseverwertbare Stellungnahme (Fn. 693, Dokument 108);
Bl. 26 [28].; Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10; Wi-
chert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.
(‚several„) Personen Waffen getragen werden (Handwaf-
fen AK-47 und Panzerfaust RPG).“985
4. Ausschussunterrichtung am Dienstag,
dem 8. September 2009
In ihrer Ausgabe vom 8. September 2009 berichtete die
Frankfurter Allgemeine, seit Sonntagabend liege „ein
vorläufiger Bericht des ISAF-Hauptquartiers (‚Initial
Action Team Report„)“ vor, der zu dem Ergebnis komme,
dass bei dem Luftschlag „die Einsatzregeln verletzt wor-
den sein könnten.“986
Bereits um 7.30 Uhr unterrichtete Generalinspekteur
Schneiderhan in Anwesenheit des Bundesministers der
Verteidigung zunächst die Obleute des Verteidigungsaus-
schusses und des Auswärtigen Ausschusses über den
neuesten Stand zu dem Luftangriff. Dabei soll Schneider-
han nach Angaben des Zeugen Dr. Schlie angeboten ha-
ben, den IAT-Bericht zu übergeben.
„Bundesminister Jung hat meiner Einschätzung
nach erst bei dieser Gelegenheit von der Existenz
der Beauftragung des Vorblatts dieses Dokuments
Kenntnis genommen und wurde dadurch vom Ge-
neralinspekteur folglich während der Sitzung des
Ausschusses mit einem Dokument konfrontiert,
das er bis dahin nicht gekannt hatte.“987
Dies bestätigt auch ein in den Akten enthaltener hand-
schriftlicher Vermerk des Bundesministers der Verteidi-
gung Dr. Jung an Staatssekretär Dr. Wichert, in dem der
in Bezug auf den IAT-Bericht schreibt:
„Ich halte es für ein Unding, wenn der […] Bericht
am 6. September eingeht und ich bis zum 8. Sep-
tember – Obleuteunterrichtung – keine Kenntnis
davon erhalte.“988
Anschließend erstatteten Schneiderhan und Dr. Jung
unmittelbar vor der Regierungserklärung der Bundeskanz-
lerin dem Verteidigungsausschuss Bericht.
989
Laut Protokoll der 112. Sitzung des Verteidigungsaus-
schusses berichtete Schneiderhan zunächst darüber, wie
das deutsche Feldlager Kunduz von der Entführung der
Tanklaster erfuhr, was die Besatzung des Luftfahrzeugs
B-1B, das später abdrehen musste, meldete und dass die
später angeforderten F-15E Jagdbomber Live-Videos an
das Feldlager übermittelte. Über die afghanische Quelle
berichtete er, dass diese vor Ort als sehr zuverlässig ein-
gestuft worden sei und diese mehrfach ausdrücklich be-
stätigt habe, bei den Personen in der Nähe der Treibstoff-
LKWs habe es sich ausschließlich um OMF-Kräfte, dar-
985) Presseverwertbare Stellungnahme (Fn. 693, Dokument 108),
Bl. 26 [27].
986) Frankfurter Allgemeine vom 8. September 2009, „Isaf-
Einsatzregeln offenbar nicht eingehalten“ (Dokument 136).
987) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19.
988) Vermerk auf Volage einer Presseverwertbaren Stellungnahme
(Dokument 137).
989) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 5; Schneiderhan, Protokoll-
Nr. 14, Teil I, S. 8, 10.
Drucksache 17/7400 – 134 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
unter vier namentlich bekannte Taliban-Führer, gehan-
delt. Beim Befehl des Luftangriffs sei der Kommandeur
ausdrücklich davon ausgegangen, dass eine Gefährdung
von unbeteiligten Zivilisten ausgeschlossen sei. Es habe
Warnhinweise gegeben, dass Anschläge mit LKW gegen
das Lager Kunduz geplant seien. Der Empfehlung der
Flugzeugbesatzung, eine 907 kg-Bombe zu werfen, sei
der Kommandeur nicht gefolgt, sondern habe sich für
zwei 227 kg-Bomben entschieden. Zu den späteren Er-
kenntnissen über Verletzte und Getötete sowie über den
Besuch des ISAF-Teams und des ISAF-Kommandeurs
wiederholte er die Angaben aus der bereits schriftlich
übermittelten Unterrichtung. Aus dem Bericht an den
ISAF-Kommandeur zitierte Schneiderhan, dass es „abso-
lut keinen Zweifel gibt, dass eine erhebliche Zahl regie-
rungsfeindlicher Kräfte getötet und verletzt wurde“ und
dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit –
„high degree of certainty“ – auch Zivilisten getötet oder
verletzt worden seien.
990
Übergeben wurde dieser Bericht
nicht.
991
Bundesminister Dr. Jung ergänzte, Oberst Klein sei ein
besonnener Mann und habe sich wegen der konkreten
Hinweise auf bevorstehende Anschläge in einer besonde-
ren Lage befunden. Die Videoaufnahmen hätten bewaff-
nete Personen gezeigt. Er zitierte aus dem Schreiben afg-
hanischer Autoritäten: „Nach Gesprächen mit Dorfbe-
wohnern und Augenzeugen wurde bewiesen, dass alle
Getöteten zu den Taliban und ihren Verbündeten gehö-
ren.“992 Wenn es denn zivile Opfer gegeben haben sollte,
sei dies zu bedauern. Der Luftangriff habe keinen Bezug
zum Bundesministerium der Verteidigung oder zum Ein-
satzführungskommando, da er von der ISAF durchgeführt
worden sei.
993
Auf im Verteidigungsausschuss geäußerte Kritik trug der
Generalinspekteur vor, Oberst Klein habe bei seiner Ab-
wägung in Betracht ziehen müssen, dass er einerseits die
Möglichkeit gehabt habe, gegen einen eindeutig erkann-
ten Feind in einer beachtlichen Größenordnung vorzuge-
hen und andererseits die Chance gehabt habe, eine die
eigenen Kräfte schonende Vorgehensweise zu wählen.
Wegen einer anderen laufenden Operation habe Klein
schlichtweg nicht die Kräfte für andere Optionen zur
Sicherheit seiner eigenen Leute gehabt. Klein habe sich
für seine Entscheidung über zwei Stunden Zeit genom-
men. Er habe ausdrücklich verboten, auf Fliehende zu
schießen.
994
Den Bericht des Oberst i. G. N. vom 6. September 2009,
in dem darauf hingewiesen wurde, dass sich Dorfbewoh-
ner zu den Tanklastwagen wegen der Aussicht auf kosten-
loses Benzin aufgemacht haben sollen,
995
erwähnten –
990) Kurzprotokoll der 112. Sitzung des Verteidigungsausschusses der
16. Wahlperiode (Fn. 520, Dokument 77), Bl. 8 ff. Vgl. auch die
Zeugenaussage: Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10 f.
991) Der Tagesspiegel vom 9. September 2009, „Es gab zivile Opfer“
(Dokument 138).
992) Kurzprotokoll 16/112 (Fn. 990), Bl. 10 f., 21.
993) Kurzprotokoll 16/112 (Fn. 990), Bl. 10 f., 21.
994) Kurzprotokoll 16/112 (Fn. 990), Bl. 21 f.
995) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 3.
anders als zuvor gegenüber den Obleuten – weder der
Minister noch der Generalinspekteur.
5. Obleuteunterrichtung am Mittwoch, dem
9. September 2009: Eingang des IAT-
Berichts
Über den Eingang des Berichts des Initial-Action-Teams
wurden die Obleute am Mittwoch, dem 9. September
2009 schriftlich unterrichtet. Der Bericht sei GEHEIM
eingestuft und am 8. September im BMVg eingegangen.
Tatsächlich lag der Bericht bereits seit dem 6. September
dem Ministerium vor. Auftrag des IAT sei es gewesen,
eine erste Chronologie der Ereignisse zu erstellen und ein
Votum abzugeben, ob eine förmliche Untersuchung des
Vorfalls veranlasst werden solle. Der Bericht des Teams
stelle „erste vorläufige Erkenntnisse zum Geschehensab-
lauf“ auf der Grundlage von Befragungen beteiligter
Dienststellen dar. Im Ergebnis werde eine förmliche Un-
tersuchung empfohlen.
In der Unterrichtung wurde weiter mitgeteilt, der Kom-
mandeur der ISAF habe aufgrund des Berichts eine Un-
tersuchungskommission zusammengestellt, die unter
anderem die Anwendung der Einsatzregeln (ROE), die
Informationsqualität, Zahl und Status der bei dem Angriff
getöteten oder verletzten Personen untersuchen sowie
Empfehlungen für eine Ergänzung der Einsatzregeln und -
verfahren geben solle.
996
6. Obleuteunterrichtung am Freitag, dem
11. September 2009
Aus dem Verteidigungsausschuss des Bundestages kam
die Bitte, den IAT-Bericht einsehen zu können. Entspre-
chend dem Votum von Staatssekretär Dr. Wichert gab
Bundesminister Dr. Jung den Bericht nicht zur Einsicht
frei, da es sich um einen NATO-Geheimbericht handelte.
Jedoch veranlasste der Minister eine Obleuteunterrichtung
für den 11. September 2009 durch ihn persönlich.
997
Das
hat der Zeuge Dr. Wichert vor dem Untersuchungsaus-
schuss begründet:
„Ich habe in einem Vermerk an den Minister vo-
tiert, ihn nicht an die Parlamentarier zu übersen-
den; denn ich meine, wir händigen nicht Akten ans
Parlament aus. Wir berichten dem Parlament. Es
war NATO-Geheim. Diesem Votum ist der Minis-
ter gefolgt. Aber er hat entschieden […], dass ans-
telle dessen eine mündliche Unterrichtung am
11. 9. stattfindet, und die hat stattgefunden.“998
„Ich habe immer die Auffassung vertreten […],
dass dieses ständige Übersenden von Akten ans
Parlament nicht die richtige Aufgabenteilung ist.
Akten legt man im Untersuchungsausschuss vor.
996) Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 9. September 2009
(Dokument 139); Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 71; Jung,
Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 6.
997) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 71.
998) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 110.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 135 – Drucksache 17/7400
Im Übrigen berichtet man dem Parlament. Aber in
der Staatspraxis hat sich, weil die Minister da zu-
nehmend nachgegeben haben – Wenn einer einen
Vorgang haben wollte, haben wir die Akten über-
sandt. Ich habe immer versucht, da ein bisschen
gegenzuhalten, und so ist auch mein Vermerk zu
verstehen. NATO-eingestuft, und dann geben wir
das dem Parlament. Wir berichten dem Parlament,
was in den Berichten steht, in den Dokumenten. So
hat ja auch Minister Dr. Jung entschieden: Wir
übersenden nicht, aber wir bieten eine Information
an über diesen Bericht; die hat dann am 11. 9.
stattgefunden [...].“999
Am 10. September 2009 berichtete die Süddeutsche Zei-
tung unter Berufung auf hochrangige NATO-Kreise, nach
dem IAT-Bericht sei der Befehl zur Bombardierung eine
Fehlentscheidung gewesen. Oberst Klein habe seine
Kompetenz überschritten und die Lage falsch einge-
schätzt.
1000
Einen Tag später berichtete die Frankfurter
Rundschau, in dem Bericht heiße es, Klein hätte das
Bombardement nicht anordnen dürfen, da keine unmittel-
bare Gefahr für ISAF-Soldaten bestanden habe und die
Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt worden
sei.
1001
Für die Obleuteunterrichtung am 11. September 2009 lag
dem Minister eine Sprechempfehlung des Generalinspek-
teurs vor. Staatssekretär Dr. Wichert war von Bonn aus
per Video zugeschaltet. Die Unterrichtung dauerte ca.
eineinhalb Stunden.
In dem von dem Einsatzführungsstab erstellten Sprechzet-
tel heißt es zu den „gewonnenen Eindrücken“ des IAT:
„Vermutete Diskrepanzen im Verständnis der an-
zuwendenden Einsatzregeln zwischen dem PRT
Kunduz und der Luftfahrzeugbesatzung […].
Unstimmigkeiten hinsichtlich der visuellen Auf-
klärung der Zahl der vor Ort befindlichen Personen
[…].
Am Ende dieses Abschnitts veranschlagt (‚estima-
ted„) das Team die Zahl der Getöteten aufgrund
der gewonnenen ersten Eindrücke auf 125.
Bereits zu Beginn hat das Team festgestellt, dass
es absolut keinen Zweifel daran hat, dass eine gro-
ße Zahl an Militanten getötet und verletzt wurde.
Es geht allerdings mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit davon aus, dass auch Zivilper-
sonen getötet und verletzt wurden.“1002
Der Bundeminister der Verteidigung erhielt für die Ob-
leuteunterrichtung auch Zuarbeit aus seinem Leitungsstab.
999) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 40.
1000) Süddeutsche Zeitung vom 10. September 2009, „Deutscher Oberst
durfte Angriff nicht befehlen“ (Dokument 140).
1001) Frankfurter Rundschau vom 11. September 2009, „Gegen alle
Regeln“ (Dokument 141).
1002) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415, Doku-
ment 69), Bl. 52 f.
Dazu hat der Leiter des Planungsstabes, der Zeuge
Dr. Schlie, bekundet:
„Am 11. September, in der Vorbereitung der Ob-
leuteunterrichtung. – Ich hatte das Verständnis,
dass nun umgehend eine nationale Untersuchung
des Kunduz-Vorfalls zwingend erforderlich sei
und täglich über Sachstandsfortschritte mit dem
Ziel maximaler Transparenz im Leitungsbereich
berichtet werden sollte. Ich zitiere aus meiner ent-
sprechenden Vorlage an Bundesminister Dr. Jung:
In der öffentlichen Begleitung der gegen Oberst
Klein erhobenen Vorwürfe und der damit verbun-
denen Afghanistandebatte muss es darum gehen:
1. die Debatte einzuhegen und auf ihre Kernge-
genstände – den Kampf gegen die Taliban und
die von den Taliban ausgehende Bedrohung
gegen unsere Sicherheit – zurückzuführen,
2. die gegen Sie als Bundesminister erhobenen
Vorwürfe zu widerlegen, indem Sie sichtbar
das Heft des Handelns ergreifen. Dies erfordert
eine klare Auftragslage nach innen und eine of-
fensive Kommunikation nach außen.
Es wird bei der Kommunikationslinie nach außen
darauf ankommen, deutlich zu machen, dass auch
der Nachweis eines möglicherweise begangenen
Regelverstoßes nicht zwingend zu einer anderen
Entscheidung hätte führen müssen. Die weitere
Argumentation wird auch davon abhängen, ob die
im Zwischenbericht enthaltenen gravierenden
Vorwürfe bestätigt werden. Und es wird, je nach
Ergebnis, darauf ankommen, auf geeignete Weise
die Führungs- und Kommunikationsfehler von
COM ISAF zu thematisieren, ohne die Wirksam-
keit und das Binnenklima der ISAF-Mission zu
beeinträchtigen.“1003
Zum Inhalt der Unterrichtung der Obleute hat der Zeuge
Dr. Wichert bekundet:
„Es wurde dort zu den Ergebnissen des Berichts
Initial Action Team […] ausgiebig vorgetragen,
vor allem zu den Einsatzregeln. Nach meiner Erin-
nerung wurden die Problematik der Einsatzregeln,
ihre Anwendung im konkreten Fall, mögliche Un-
genauigkeiten recht intensiv diskutiert, wobei ja zu
diesem Zeitpunkt auch bereits eine öffentliche De-
batte stattfand und Zeitungen unter Berufung auf
NATO-Kreise berichteten, Oberst Klein habe ge-
gen das Regelwerk der NATO bei seiner Anforde-
rung des Luftangriffs verstoßen.“1004
Der Zeuge Schneiderhan hat dies bestätigt und ergänzt:
„Am 11. September, von 11 bis 12 Uhr, war wie-
der eine Unterrichtung der Obleute beider Aus-
schüsse. Da habe ich über die Einsetzung des Initi-
al Action Teams informiert. Ich muss da jetzt nicht
1003) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19 f.
1004) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 71.
Drucksache 17/7400 – 136 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
in die Details gehen, weil Sie das aus den anderen
Berichten alles kennen. Ich habe sehr ausführlich
vorgetragen, was das Initial Team für einen Auf-
trag hatte. Ich habe in diesem Zusammenhang
auch vorgetragen, welche Problempunkte in die-
sem Report aufgeworfen wurden. Das waren
‚troops in contact„ und die Anwendung der Rules
of Engagement. All dies ist in diesem Bericht auf-
geworfen worden als Problemstellung. Darüber
habe ich am 11., morgens, unterrichtet. Am Ende
dieses Berichtes war wieder eine andere Zahl von
Toten zu finden. Das war jetzt die fünfte Variante,
die ich gerade aufgezählt habe. Interessant in die-
sem Bericht ist natürlich, wie die örtliche Reaktion
war auf diesen Luftschlag, die uns sicherlich am
Ende in ihrer sehr befürwortenden und unterstüt-
zenden Art eher auch noch zu Schwierigkeiten hät-
te führen können. – Das war der Bericht.“1005
7. Obleuteunterrichtung durch Generalin-
spekteur nach Rückkehr aus Kunduz
Nach seiner Rückkehr aus Kunduz am 15. September
2009 unterrichtete der Generalinspekteur auf Weisung des
Ministers telefonisch in einer Konferenzschaltung die
Obleute.
1006
Dazu hat der Zeuge Dr. Wichert bekundet:
„Zum Inhalt kann ich nichts sagen. Ich meine aber
zu wissen, dass der Generalinspekteur bei seiner
Reise auch mit Oberst Klein gesprochen hatte und
darüber auch den Obleuten berichtete.“1007
IV. Der Luftangriff im Bundestagswahlkampf
Der Luftschlag in Kunduz fand 19 Tage vor der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag statt. Der Bundeswehrein-
satz in Afghanistan war in der Öffentlichkeit umstritten.
Nach einer Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag der
ARD waren Anfang September 2009 mehr als die Hälfte
der Deutschen (57 Prozent) dafür, dass sich die Bundes-
wehr möglichst schnell aus Afghanistan zurückzieht.
1008
Der Luftangriff in Kunduz brachte den Einsatz wieder
verstärkt ins öffentliche Bewusstsein.
Es ist die Frage gestellt worden, ob der Bundestagswahl-
kampf die Aufklärungsbemühungen der Bundesregierung
beeinflusste bzw. der Wahlkampf die zwischen NATO
und Bundesregierung unterschiedliche öffentliche Bewer-
tung des Luftangriffs erklärt.
1009
1005) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 12.
1006) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 13.
1007) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 72.
1008) Frankfurter Rundschau vom 11. September 2009, „Gegen alle
Regeln“ (Dokument 141).
1009) Vgl. Der Tagesspiegel vom 7. September 2009, „Afghanistan
wird zum Wahlkampfthema“ (Dokument 142).
1. Zur Frage der Einflussnahme auf die Auf-
klärung
Aus den Akten hat sich ergeben, dass auch die Ministeri-
alebene die Brisanz des Luftschlages für den Bundes-
tagswahlkampf erkannte: So heißt es in einer E-Mail aus
Faizabad an das Auswärtige Amt vom 4. September 2009,
„dass diese Welle in deutscher Öffentlichkeit‚ „Tsunami-
Qualität„ im Wahlkampf erreichen könnte.“1010 In einer
anderen E-Mail wird auf den Hinweis, die NATO sehe die
Mehrzahl der Getöteten wohl als Zivilisten an, bereits am
4. September 2009 geantwortet, das Bundesverteidi-
gungsministerium werde gerade in der Bundespressekon-
ferenz intensiv dazu befragt. „Auch Überschwappen auf
allgemeine ‚Krieg oder nicht„ Diskussion.“1011
Der Zeuge B. V., der Mitglied der NATO-
Untersuchungskommission war, hat bekundet, es sei nicht
versucht worden, ihn zu beeinflussen. Ob es Versuche
gegeben habe, die Untersuchung bis nach der Bundes-
tagswahl hinauszuzögern, wisse er nicht. Jedenfalls habe
das Joint Investigation Board „seine Arbeit so durchge-
führt, wie der Präsident des Board, der kanadische Gene-
ral Sullivan, es wollte.“1012
Dem Zeugen Dr. Wichert war nicht erinnerlich, nach dem
4. September 2009 mit irgendjemandem darüber gespro-
chen zu haben, wie sich die Ereignisse in Kunduz auf die
Bundestagswahl auswirken könnten. Solche Gespräche
lägen ihm auch nicht:
„Ich habe mein Handwerk als Staatssekretär bei
Minister Stoltenberg und Minister Rühe gelernt.
Da wurde nicht politisiert.
1013
Von Beamten jeden-
falls nicht. […]
[W]ir haben unsere Tagesarbeit gemacht. Also, ich
habe mir um den Ausgang der Bundestagswahl
keine großen Sorgen gemacht in Bezug auf Kun-
duz […].
Ich war mir natürlich im Klaren, dass dieser in der
Geschichte der Bundeswehr einzigartige Vorfall
von hoher politischer Bedeutung ist. Nur, die De-
battenlage politisch war ja nach dem 4. 9. eine
ganz andere, nicht? Es überboten sich ja zum Teil
manche Leute in den Aussagen zugunsten von
Oberst Klein. Auf der anderen Seite machte der
Spiegel eine große Geschichte: ‚Ein deutsches
Verbrechen„, und zwar ohne Fragezeichen. Das
heißt, dass das politisch enorm bedeutsam ist, das
war mir als Staatsbürger schon klar. Aber dass ich
nun gesagt habe: ‚Jetzt machen wir dies und jenes,
weil sonst die Bundestagswahl verloren geht„,
nein, wirklich nicht.“1014
Dem damaligen Pressesprecher des Bundesverteidi-
gungsministerium Dr. Raabe wie auch seinen Mitarbei-
1010) E-Mails (Dokument 143), B. 9.
1011) E-Mails (Dokument 143), Bl. 13.
1012) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 26.
1013) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 78.
1014) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 79.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137 – Drucksache 17/7400
tern war die Relevanz des Luftanschlags für die Bundes-
tagswahl durchaus bewusst:
„[D]en Mitarbeitern des Presse- und Informations-
stabes war klar, dass drei Wochen später Bundes-
tagswahl war, und deshalb brauchte ich keinen
Hinweis zu geben.“
Er sei aber Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums
und mache keinen Wahlkampf.
„Das darf ich ja gar nicht.“1015
Gleiches hat die Vernehmung des Zeugen Dr. Vad erge-
ben.
1016
Der Zeuge Dr. Jung hat hierzu erklärt, er habe sich Sor-
gen gemacht, ob wegen der Bundestagswahl für die An-
gehörigen der Bundeswehr in Afghanistan eine zusätzli-
che Bedrohung ausginge:
„Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass wir im Hinb-
lick auf die Gesamtlage permanent herausgefordert
waren – mit ‚wir„ meine ich die deutschen Solda-
ten – in Gefechtssituationen, dass wir auch eine
Warnung hatten, dass hier ein größerer Anschlag
gegen uns geplant ist, und dass wir von daher in
einem angespannten Verhältnis waren. Ich habe
nicht jetzt in irgendeiner Art und Weise, sozusagen
im Hinblick Luftschlag, Bundestagswahl – Mein
Punkt war, dass es den Taliban gelingt, noch einen
Schlag gegen die deutschen Soldaten vor der Bun-
destagswahl gegen uns entsprechend durchzufüh-
ren. Das war meine große Sorge.“1017
Auch die Zeugin Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat eine
Beeinflussung der Aufklärung aufgrund des Bundestags-
wahlkampfes ausgeschlossen.
1018
Die Frage, ob der Luftschlag in Kunduz für sie als Partei-
vorsitzende in Lagen oder taktische Besprechungen über
den Wahlkampf eine Rolle gespielt habe, hat die Zeugin
Dr. Merkel verneint.
1019
2. Unterrichtung der Politik durch die Bun-
deswehr
In Bezug auf Bundesverteidigungsminister Dr. Jung hat
der Zeuge Schneiderhan erklärt, der Minister sei stets
zeitnah unterrichtet worden. Es sei seine große Sorge
gewesen, den Minister stets zu informieren.
„Deshalb habe ich am 4., am 5., am 6. und am 7.
mit ihm auch ständig gesprochen und telefoniert
und alles, was ich bekommen habe, ihm zugeleitet.
Genau diesen Minister habe ich nach besten Kräf-
ten mit dem versorgt, was ich zur Verfügung hatte
und was belastbar war.“1020
1015) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 30.
1016) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 49.
1017) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 45.
1018) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.
1019) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 85.
1020) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 17.
Das hat der Zeuge Dr. Wichert bestätigt. Der Minister sei
immer erreichbar gewesen.
1021
Der Zeuge Dr. Steinmeier hat bekundet:
„Ich habe verschiedentlich in der Presse gelesen,
dass auch hier im Ausschuss oder mindestens au-
ßerhalb des Ausschusses gelegentlich die Frage
erörtert worden ist, ob das nicht eine Zeit gewesen
sei, in der die Republik oder die Spitze der Repub-
lik sich überwiegend schon im Wahlkampf befun-
den hätte. Ich glaube, damit unterschätzt man die
Bedeutung, die das Ereignis für die beteiligten Mi-
nisterien und auch für mich persönlich gehabt hat.
[…]“1022
Aber auch in diesen Zeiten und obwohl Wahl-
kampf war, standen meine Mitarbeiter natürlich
auch in Kontakt mit dem Verteidi-
gungsministerium. Das Verteidigungsministerium
wusste über meine Mitarbeiter auch, dass wir an
einer schnellen und umfassenden Aufklärung
interessiert waren.“1023
Auch der wahlkampfbedingte Wettbewerb zwischen den
Regierungsmitgliedern habe nach Aussage der Zeugin
Dr. Merkel die Aufklärung nicht behindert. Mit dem da-
maligen Bundesaußenminister sei in der Frage Kunduz
kollegial und vertrauensvoll zusammengearbeitet worden.
„Aber in diesen Fragen […] gab es eine gute Zu-
sammenarbeit. Wir haben einen Wahlkampf ge-
schafft, in dem wir alle relevanten Aufgaben, die
eine Regierung zu erledigen hatte, kollegial mitei-
nander besprochen haben, obwohl wir dann an den
Abenden unsere eigenständigen politischen Prog-
ramme vorgetragen haben. […]1024
[I]ch habe keine Veranlassung gesehen, in irgen-
deiner Weise Kritik am Bundesaußenminister in
diesen Tagen zu üben, sondern hatte mit mir und
auch den Beschäftigungen des Vorgangs zu tun.
Ich hatte auch den Eindruck, dass der Außenminis-
ter die Tragweite des Vorgangs in vollem Maße er-
fasst hat, und ich hatte weiterhin den Eindruck,
dass er es nicht benutzt hat, um gegen CDU-Teile,
sage ich jetzt mal, der Regierung das polemisch
auszunutzen, und das ist innerhalb eines Wahl-
kampfes schon eine vernünftige Grundlage.“1025
1021) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 83.
1022) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 2 f.
1023) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 8.
1024) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 43.
1025) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 45.
Drucksache 17/7400 – 138 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
D. „Militärisch angemessen“
I. Regierungswechsel, Amtsübernahme
durch Bundesminister zu Guttenberg
Infolge des Ergebnisses der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag am 27. September 2009 bildeten die Bundes-
parteien CDU, CSU und FDP eine neue Koalition.
1026
Nach der Wiederwahl von Dr. Angela Merkel zur Bun-
deskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland wurde am
28. Oktober 2009 Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
vom Bundespräsidenten zum Bundesminister der Vertei-
digung ernannt und vereidigt.
1027
Zwischen dem neuen Bundesverteidigungsminister und
seinem Amtsvorgänger Dr. Franz Josef Jung fand am 26.
Oktober 2009 im Verteidigungsministerium ein Überga-
begespräch unter vier Augen statt, in dem verschiedene
Themenstellungen im Ministerium und die Lage in Afg-
hanistan erörtert wurden.
1028
Im Gespräch wies Dr. Jung
seinen Amtsnachfolger auch auf den alsbald zu erwarten-
den NATO-Bericht über den Luftschlag bei Kunduz
hin
1029
sowie auf die Tatsache, dass im Anschluss nach
Eingang des Berichts, der Planungsstab eine entsprechen-
de Stellungnahme für den Minister und den Generalin-
spekteur ausarbeiten werde.
1030
Über den „Feldjägerbe-
richt“ wurde nicht gesprochen.1031 Eine weitere Kommu-
nikation dieser Art zwischen den Ministern fand im Fol-
genden nicht statt.
1032
Die eigentliche Einweisung würde
im Ministerium durch den Generalinspekteur erfolgen.
1033
II. Eingang und Bewertung des COM ISAF-
Berichts durch Bedienstete des Bundes-
ministeriums der Verteidigung
Am Tag der Bildung der neuen Bundesregierung ging
abends im Bundesministerium der Verteidigung der von
der Untersuchungskommission Joint Investigation Board
(JIB) unter der Leitung von Major General Sullivan für
den COM ISAF, General McChrystal, am 26. Oktober
2009 fertiggestellte NATO-Bericht (COM ISAF-Bericht)
ein.
1034
1. Übermittlung des Berichts von ISAF an
Deutschland
Auf welchem Weg dieser Bericht nach Deutschland ge-
langte, ist im Detail nicht festgestellt worden. Bundesmi-
nister Dr. Jung hatte nach eigenem Bekunden den dama-
1026) Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Okto-
ber 2009; http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-
cducsu-fdp.pdf.
1027) BT-PlPr. 17/2, S. 21 f.
1028) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 8 ff.; zu Guttenberg, Protokoll-
Nr. 18, Teil I, S. 4 f., 17.
1029) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 17.
1030) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 8.
1031) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 15.
1032) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 15.
1033) Jung, Protokoll Nr.-16, Teil I, S. 19
1034) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.
ligen Chef des Stabes des ISAF Headquarters in Kabul,
Generalleutnant Wieker, gebeten, ihm den Bericht sofort
zu beschaffen, sobald er fertig sein würde.
1035
Der ehemalige Kommandeur des Allied Joint Force
Command (JFC) in Brunssum, General a. D. Egon
Ramms, hat ausgesagt, der Bericht sei per Kurier von
Kabul nach Deutschland gebracht worden.
1036
Er habe
von einem Telefongespräch zwischen Generalleutnant
Wieker und „irgendjemandem anderen auf der anderen
Seite“ Kenntnis erlangt. Infolge dieses Telefonats habe
Generalleutnant Wieker „einen seiner Feldwebeldienst-
grade am 28. morgens in Marsch gesetzt“.1037
Aus Sicht des damaligen Befehlshabers des für den ISAF-
Einsatz zuständigen NATO-Kommandos JFC Brunssum,
des Zeugen Ramms, hätte der Bericht auf dem Dienstweg
über das Allied Joint Force Command nach Deutschland
übermittelt werden müssen.
1038
Das Allied Joint Force
Command in Brunssum ist eines der drei operativen
Hauptkommandos der NATO. Es untersteht dem Kom-
mando des Supreme Allied Commander Europe
(SACEUR), dem Oberkommandierenden des Obersten
Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte in Europa
(SHAPE). Dem Kommando in Brunssum, dem JFC, ist
der Kommandeur der ISAF (COM ISAF) unmittelbar
unterstellt (siehe oben: Graphik in B.I.1, S. 39).
1039
General Ramms erhielt den COM ISAF-Bericht nach
seiner Aussage ebenfalls am 28. Oktober 2009 während
seines Aufenthalts in Kabul.
1040
Noch am selben Abend
habe er sich damit zweieinhalb bis drei Stunden beschäf-
tigt. Zu dieser Zeit sei der Bericht schon per Kurier nach
Deutschland unterwegs gewesen.
1041
Abgesprochen gewesen sei, den Bericht auf dem Dienst-
weg über das Allied Joint Force Command nach Deutsch-
land zu übermitteln.
1042
Das Joint Investigation Team
habe lediglich den Auftrag gehabt, Sachverhalte festzus-
tellen, nicht aber die Einhaltung nationaler Bestimmungen
zu überprüfen oder den Vorfall dienstrechtlich zu bewer-
ten. Daher habe er mit General McChrystal abgesprochen,
für den Fall, dass eine solche Bewertung erforderlich
werden würde, solle diese durch sein – Ramms„ – Perso-
nal in Brunssum gefertigt werden.
1043
Ursprünglich habe
er vorgehabt, zu dem NATO-Bericht eine Bewertung zu
schreiben.
1044
Da der Bericht nicht über ihn, d. h. auf dem
1035) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil II, S. 8.
1036) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3.
1037) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 7.
1038) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
1039) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 2;
www.jfcbs.nato.int/jfcbrunssum.aspx.
1040) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5.
1041) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3.
1042) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 4.
1043) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
1044) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 139 – Drucksache 17/7400
Dienstweg über Brunssum nach Berlin gegangen sei, habe
sich diese Bewertung erübrigt.
1045
„Wir haben den Bericht des COM ISAF, den ich
mitgebracht habe aus Afghanistan, selber bei uns
im Hause noch mal bewertet und ausgewertet, ha-
ben uns dort auch noch mal in einem größeren
Kreis darüber unterhalten und haben auch die Fra-
ge, ob ich noch eine Bewertung schicken soll nach
Deutschland unter deutschen Regeln, dann bei mir
im Headquarter ausdiskutiert und sind zu dem Er-
gebnis gekommen: Der Bericht ist in Deutschland.
Warum wollen Sie jetzt noch eine Bewertung hin-
terherschicken?“1046
Wenn der Bericht über ihn nach Deutschland gegangen
wäre, hätte er nach eigener Darstellung auf der Basis des
COM ISAF-Berichts empfohlen, „eine gerichtliche und
disziplinare Untersuchung dieses Vorfalls“ durchzufüh-
ren.
1047
Am 2. Dezember 2009 soll sich General Ramms gegenü-
ber dem Einsatzführungskommando darüber beschwert
haben, dass bei der Übermittlung des COM ISAF-
Berichts nach Berlin der Dienstweg über das JFC Bruns-
sum „unterlaufen“ worden sei. Laut eines Telefonver-
merks von Generalleutnant Glatz insistierte General
Ramms darauf, dass der Bericht nicht von der NATO,
sondern von ISAF übergeben worden sei. Ursprünglich –
so General Ramms am Telefon zu Glatz – sei vorgesehen
gewesen, dass der JIB-Report mit einer NATO-
Bewertung an Deutschland weitergegeben werde. Die
Bewertung habe im JFC Brunssum erstellt werden sollen.
In diesem Telefonat habe Ramms deutlich gemacht, dass
er persönlich den COM ISAF-Bericht wesentlich kriti-
scher bewerte, als dies anscheinend in Deutschland der
Fall sei.
1048
2. Eingang des COM ISAF-Berichts im Bun-
desministerium der Verteidigung
Noch am Abend des Eingangs des COM ISAF-Berichts
im Bundesverteidigungsministerium
1049
wurde dieser auf
Anweisung des Staatssekretärs Dr. Peter Wichert an den
Einsatzführungsstab und die Rechtsabteilung des Bun-
desministeriums der Verteidigung zur Auswertung wei-
tergeleitet. Zeitgleich wurden durch den Leiter des Pla-
nungsstabes des Ministeriums Dr. Ulrich Schlie zwei
seiner Mitarbeiter mit einer Erstbewertung des Berichts
befasst. Die am Abend von Staatssekretär Dr. Wichert in
Auftrag gegebene Erstbewertung lag am nächsten Morgen
vor.
1050
Über diese erste Bewertung des COM ISAF-
Berichts und einer erforderlichen ersten öffentlichen Stel-
1045) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2, 15.
1046) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 22.
1047) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 15.
1048) Vermerk Glatz vom 2. Dezember 2009 (Dokument 144).
1049) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.
1050) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20.
lungnahme fand am Vormittag des 29. Oktober 2009 eine
Unterredung statt.
1051
Zum Verfahren nach Eingang des Berichts im Bundesver-
teidigungsministerium hat Ministerialdirektor Dr. Ulrich
Schlie in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-
schuss als Zeuge ausgesagt:
„Staatssekretär Dr. Wichert hatte über Nacht eine
Auswertung des Berichtes durch den Einsatzfüh-
rungsstab und die Rechtsabteilung beauftragt. Ich
hatte parallel dazu zwei Mitglieder des Planungs-
stabs beauftragt, über Nacht den Bericht durchzu-
arbeiten. Beide berichteten mir am darauf folgen-
den Morgen grosso modo ihre erste Einschätzung,
wonach Verfahrensfehler bestätigt wurden, das
Vorgehen von Oberst Klein sich als durchaus mili-
tärisch nachvollziehbar und völkerrechtskonform
bewerten lasse. Die von Staatssekretär Dr. Wichert
angewiesene erste Bewertung war am Morgen des
29. Oktober abgeschlossen.
Es bestand zwischen Staatssekretär Wichert, Gene-
ral Schneiderhan und mir Einvernehmen, dass es
angesichts des militärfachlichen Schwerpunktes
des COM ISAF-Berichtes angebracht sei, dass sich
zunächst der Generalinspekteur der Bundeswehr
vor der Presse äußern sollte.
Bei meiner Empfehlung zur ersten Bewertung des
COM ISAF-Berichtes am Morgen des 29. Oktober
stützte ich mich in erster Linie auf die in der Nacht
durchgeführte Bewertung der Fachabteilungen und
meiner beiden Mitarbeiter sowie auf eine kursori-
sche eigene Lektüre des Berichtes, den ich aus-
führlich erst am Nachmittag studieren konnte.
Gegen 8.30 Uhr kam ich mit Staatssekretär Wi-
chert zur Besprechung des weiteren Vorgehens zu-
sammen. Ich erinnere mich, dass dann weitere
Mitglieder des Hauses zu der Besprechung hinzut-
raten. Der Generalinspekteur der Bundeswehr ließ
sich durch seinen Adjutanten, Oberst R., vertreten.
Ich plädierte dafür, als Sprachregelung für die
Presse anstelle von ‚militärisch angemessen„ von
‚militärisch vertretbar„ zu sprechen. Dieser Vor-
schlag wurde jedoch von Staatssekretär Wichert
mit dem Argument verworfen, dass die Linie ‚mi-
litärisch angemessen„ so mit General Schneiderhan
abgestimmt gewesen sei. Da es sich bei dem Be-
richt um einen militärisch-operativen NATO-
Untersuchungsbericht handelte, war es nur natür-
lich, dass das Urteil des Generalinspekteurs bei der
Beratung des Ministers im Vordergrund stehen
müsste, und jeder, der zu diesem Zeitpunkt zu ei-
ner anderen Einschätzung des Berichts gelangt wä-
re, hätte seine Abweichung vom Urteil des ersten
militärischen Beraters nicht nur dem Bundesminis-
ter, sondern der ganzen Bundesregierung plausibel
mit guten Argumenten begründen müssen. Ein
1051) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20.
Drucksache 17/7400 – 140 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dissens mit dem obersten militärischen Berater in
einer so gravierenden, auch außen- und sicher-
heitspolitisch bedeutenden Angelegenheit wie der
Beurteilung des COM ISAF-Berichtes wäre in der
Öffentlichkeit ohne Zweifel als Geringschätzung
der militärischen Expertise durch den gerade ins
Amt gekommenen neuen Minister begriffen wor-
den.“1052
Im weiteren Verlauf des Vormittags des 29. Oktober 2009
fand unter Vorsitz von General Schneiderhan die allge-
meine Einweisung des Ministers bezüglich der laufenden
Einsätze der Bundeswehr im Ministerium statt. Es handel-
te sich um den ersten Arbeitstag des Ministers. Während-
dessen wurde der Vorfall vom 4. September 2009 nicht
erwähnt.
1053
Im Anschluss an die Einweisung wurde über
den COM ISAF-Bericht im kleinen Kreis gesprochen.
1054
Bei dieser Unterredung mit dem Minister waren laut des
Zeugen Dr. Schlie General Schneiderhan und Staatssekre-
tär Dr. Wichert ebenfalls zugegen.
1055
Der damalige Bundesminister der Verteidigung zu Gut-
tenberg hat dazu ausgesagt:
„Im Anschluss fand jedoch ein Gespräch im klei-
neren Kreis mit General Schneiderhan und Staats-
sekretär Dr. Wichert über den eingegangenen
COM ISAF-Bericht in meinem Dienstzimmer
statt. Staatssekretär Dr. Wichert hatte die englische
Originalversion dabei und trug äußerst knapp, cir-
ca fünf Minuten lang, die Ergebnisse der nächtli-
chen Auswertung vor.
In diesem Zusammenhang stellte er fest, der Be-
richt falle für die Bundeswehr sehr positiv aus. Er
wies darauf hin, es gebe lediglich einige kritische
Punkte, und fügte deutlich hinzu, wir müssten uns
diesbezüglich nun wirklich keine Sorgen machen.
Staatssekretär Wichert und General Schneiderhan
erklärten einvernehmlich, dass sie den Luftschlag
auch im Lichte des NATO-Untersuchungsberichts
als militärisch angemessen bewerten. Danach ver-
las General Schneiderhan sein vorbereitetes Sta-
tement, mit dem er am selben Tag vor die Presse
treten wollte.
Bei mir entstand der Eindruck, dass sich die militä-
rische Führung, aber auch Staatssekretär
Dr. Wichert über die Bewertung des Luftschlages
völlig einig waren und auch den COM ISAF-
Bericht so verstanden, dass er diese Bewertung
zumindest nicht infrage stellte. Anlass für weitere
Untersuchungen bestand zu diesem Zeitpunkt so-
mit nicht. Mir gegenüber wurde aber auch in kei-
ner Weise weiterer Handlungsbedarf erwähnt. Mir
schien die Lage auch deshalb relativ klar zu sein,
da die Fachebene des Hauses schon nach nur einer
1052) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.
1053) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21; Schneiderhan, Protokoll-
Nr. 14, Teil I, S. 14, 24.
1054) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5, 48 f.
1055) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 6, 14.
Nacht zu einer so eindeutigen Bewertung gekom-
men war.
Nachdem Herr Wichert den COM ISAF-Bericht zu
meiner Überraschung wieder wegpackte, verlangte
ich, dass mir zeitnah eine schriftliche Auswertung
des Berichts und auch der Bericht selbst unverzüg-
lich vorgelegt werden. Darüber hinaus wies ich an,
den Bericht dem Deutschen Bundestag zur Verfü-
gung zu stellen und ihn auch ins Deutsche zu über-
setzen. Ich fragte noch, wie eigentlich immer in
Unterrichtungen, ob es darüber hinaus noch weite-
re relevante Informationen gebe oder etwas ande-
res, was ich wissen müsste. Das wurde ver-
neint.“1056
„[…] Die Bewertung des Einsatzführungsstabes
habe ich beauftragt, habe ich angewiesen, als ich
über den COM ISAF-Bericht dann am 28., 29. er-
fahren habe. Nach dem Gespräch mit General
Schneiderhan und Staatssekretär Wichert habe ich
gesagt: Ich will eine Bewertung haben. Diese Be-
wertung des Einsatzführungsstabes war keine Be-
wertung, die als Grundlage der Rede von General
Schneiderhan diente, sondern sollte eine Bewer-
tung für mich sein und stellte eine Auswertung des
COM ISAF-Berichts dar.“1057
Der Zeuge Dr. Schlie hat bestätigt:
„Dabei wiesen sowohl General Schneiderhan als
auch Staatssekretär Wichert auf die positive Aus-
wirkung des Berichtes für die Bundeswehr hin und
bestätigten die Einschätzung als militärisch ange-
messen.“1058
Daran, dass er gegenüber dem Minister den ISAF-Bericht
als für die Bundeswehr positiv bewertet haben soll, hat
sich Schneiderhan vor dem Ausschuss nicht erinnern
können.
1059
Der Zeuge Schneiderhan hat in seiner Vernehmung be-
kundet:
„Vor der Presseerklärung von mir wurde der Mi-
nister zu Guttenberg von 9.20 Uhr bis 11.30 Uhr in
Anwesenheit der beamteten, der Parlamentarischen
Staatssekretäre und meines Stellvertreters, Admiral
Kühn, in zwei Themenbereiche eingewiesen: ers-
tens eine militärpolitische Tour d‟Horizon und
zweitens die Lage in den Einsatzgebieten mit
Schwerpunkt Afghanistan ohne 4. September –
ohne 4. September. Nach dieser Unterrichtung, um
11.45 Uhr, bin ich mit Staatssekretär Wichert in
den Ministerraum gegangen, und der Staatssekre-
tär – die Leiterin Ministerbüro war noch anwesend
– hat den Minister in die Presseerklärung einge-
wiesen, die ich jetzt gleich abgeben werde, und hat
ihm erklärt, warum der Generalinspekteur nach
1056) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5, 28.
1057) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32 f.
1058) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20.
1059) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 31.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141 – Drucksache 17/7400
seiner und auch meiner Meinung – wobei die Ini-
tiative nicht so sehr von mir ausgegangen ist – eine
Erklärung abgeben soll: Erstens. Wir können nicht
unendlich warten mit der Auswertung des Berich-
tes – die Öffentlichkeit erwartet eine schnelle erste
Reaktion –, und die sollte nur militärisch erfolgen;
das hing auch mit dem Ministerwechsel zusam-
men.“1060
Der Zeuge Staatssekretär a. D. Dr. Wichert gab zur Unter-
richtung des Ministers an:
„Wir saßen zusammen, der Generalinspekteur, ei-
nige Mitarbeiter des Ministers wohl, und ich war
dabei. Es war ein relativ kurzes Gespräch, Herr
Abgeordneter. Ich möchte mich jetzt nicht festle-
gen, ob 10 oder 15 Minuten, aber ein sehr kurzes
Gespräch. Ergebnis dieses Gesprächs war – ich
muss mich jetzt wiederholen –, dass ich den Minis-
ter auf zwei besonders kritische Passagen hinge-
wiesen habe, dass ich ihm den Policy-Rat gegeben
habe, sich auf den militärischen Sachverstand des
Generalinspekteurs zu berufen, und dass der Mi-
nister den COM ISAF-Bericht in englischer Fas-
sung erhielt.“1061
„[…] An eine gezielte Frage des Ministers: ‚Gibt
es noch was, was ich wissen müsste?„, kann ich
mich nicht erinnern. Wenn er diese Frage gestellt
hätte, wäre ich wahrscheinlich auch nicht angesp-
rungen; denn ich meine, er hatte den COM ISAF-
Bericht; er hatte den Rot-Kreuz-Bericht. Was gibt
es noch? Klar, ich hätte mir jetzt einen Vortrag da
– Aber so gezielt an diese Frage, an dieses Allge-
meine –: ‚Was gibt es denn noch? „, kann ich mich
nicht entsinnen.“1062
General Schneiderhan hat sich zu einer etwaigen geziel-
ten Nachfrage seitens des Ministers vor dem Untersu-
chungsausschuss wie folgt geäußert:
„An die Fragestellung, so wie sie gerade eben mir
vorgehalten wurde, kann ich mich in der Form
nicht erinnern. Ich hätte die Frage, hätte ich sie so
verstanden, hätte ich sie gehört – ich kann mich
wirklich nicht daran erinnern –, auch als rhetorisch
an diesem ersten Arbeitstag aufgefasst. Natürlich
gab es einen Haufen, was der Minister zu diesem
Zeitpunkt noch nicht hat wissen können. Dazu hät-
ten wir dann fünf Stunden gebraucht, und wir hät-
ten den normalen Tag so gar nicht weitermachen
können.“1063
3. Öffentliche Stellungnahme von General
Wolfgang Schneiderhan
General Schneiderhan trat im Anschluss an die Unterrich-
tung des Minister am 29. Oktober 2009 gegen 12.15 Uhr
1060) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.
1061) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 66.
1062) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 53.
1063) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 15.
vor die Presse. Er las den vorbereiteten Text „Wort für
Wort“ ab. Fragen ließ er nicht zu.1064
a) Der Wortlaut der Erklärung
In der Stellungnahme heißt es:
„Die Untersuchung, deren Ergebnis uns jetzt vor-
liegt, wurde von COM ISAF angewiesen, um in
erster Linie zu prüfen, ob die Vorgänge, die zum
Luftangriff führten mit ISAF-internen Regelungen
übereinstimmten. […] stelle ich fest, dass im Un-
tersuchungsbericht eine ganze Reihe von Empfeh-
lungen enthalten sind, die darauf abzielen, die hier
angewandten Verfahren und Vorschriften zu ver-
bessern. Das schließt auch die Fachausbildung ein.
Dazu wird der Bericht durch uns noch gesondert
bewertet.
[…] Haben die deutschen beteiligten Soldaten auf
die Lage des 4. September in Kunduz, militärisch
angemessen reagiert und gehandelt? […] ich habe
keinen Grund daran zu zweifeln, dass deutsche
Soldaten auf der Grundlage des Mandates der Ver-
einten Nationen angesichts der schwierigen Lage
in operativer Hinsicht militärisch angemessen ge-
handelt haben.
Es handelte sich um eine Kombination aus übli-
cher Vorgehensweise feindlicher Kräfte, den vor-
handenen Warnhinweisen über einen geplanten
Anschlag und dem Versuch der feindlichen Kräfte,
sich die Mittel für einen solchen Anschlag zu be-
schaffen. Das führte nach meiner Bewertung zu
der richtigen Lagebeurteilung, dass der Luftangriff
zum damaligen Zeitpunkt militärisch angemessen
war.
Der Bericht zeigt auf, dass die Anzahl der bei dem
Luftschlag ums Leben gekommenen und verletzten
Personen nicht mehr ermittelbar ist. Der Bericht
gibt lediglich verschiedene Quellen wieder, bei
denen die Anzahl der Toten und Verwundeten
zwischen 17 und 142 variiert. Der NATO-Bericht
führt lediglich an, dass lokale Führer vor Ort von
möglicherweise 30 – 40 toten und verletzten – wie
es im Bericht heißt – ‚Civilians„ berichteten. Er
bestätigt damit nicht, dass durch den Luftschlag
unbeteiligte Personen getötet wurden. […] Ich
kann sehr gut nachvollziehen, dass es sich in der
Nacht zum 4. September für Oberst Klein so dar-
stellte, dass keine Unbeteiligten vor Ort war-
en.“1065
1064) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.
1065) Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-
Untersuchungsbericht (Fn. 119, Dokument 51), Bl. 315 ff.
Drucksache 17/7400 – 142 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Erläuterung der Stellungnahme vor dem
Ausschuss
Von den Beratern im Bundesverteidigungsministerium
wurde dem Generalinspekteur nach eigenem Bekunden
eine präzise Wortwahl nahegelegt. Mit seiner Formulie-
rung „aus operativer Sicht militärisch angemessen“ wollte
General Schneiderhan ausdrücken: „Man konnte so han-
deln.“
„Und das Haus hat mir unter juristischer Hochbe-
ratung gesagt, dass ich in diesem Fall genau sein
muss und nicht ins Schwätzen kommen darf. Und
deshalb habe ich mich an diesen Ratschlag halten
müssen, weil es ja eine hoch brisante Geschichte
war. Ich war der erste deutsche Militär, der öffent-
lich dazu was sagen musste. Ich wusste, dass das
auch ein Ritt auf der Rasierklinge ist, was ich da
mache. Und deshalb habe ich mich an die Sprache
derer gehalten, deren Fachsprache das ist.“1066
Zur der von ihm gebrauchten Formulierung hat der Zeuge
Schneiderhan ausgeführt:
„Das Operative reflektiert die Lagebeurteilung, die
ich heute schildern durfte, wie der Oberst Klein sie
gesehen habe und wie ich sie, […] auch nachvoll-
ziehen konnte. Ich habe in den Gesprächen mit
Oberst Klein verstanden, wie sein Lagebild war,
das ihn dazu geführt hat. Der 3., die Kämpfe und
die Verletzten am Tag vorher und dann da oben im
Norden, dann die Taloqan-Geschichte – all das ha-
be ich verstanden und eingeordnet. Das ist der ope-
rative Teil. Aus dieser operativen Bewertung der
Gesamtlage heraus habe ich das so gesehen. Der
andere ist der Einsatz militärischer Mittel. Insofern
sind die beiden Worte für mich eben – Das eine ist
das operative Feld, in dem er handelt, und das an-
dere waren die Mittel, die er eingesetzt hat, und die
waren militärisch. Das ist meine Erklärung für ‚aus
operativer Sicht militärisch angemessen„.“1067
c) „Überraschung“ über die Erklärung des
Generalinspekteurs auf Seiten der NATO
Über die Presseerklärung des Generalinspekteurs war der
zuständige NATO-Befehlshaber des JFC Brunssum
„überrascht“. In seinen Augen – so der Zeuge Ramms –
sei der Bericht „weitaus kritischer“ gewesen als das, was
der Generalinspekteur in seiner Erklärung öffentlich be-
kannt gegeben habe. Die Erklärung des Generalinspek-
teurs habe nach seinem „Dafürhalten – ich sage es mal
ganz vorsichtig – den Inhalt des Berichtes nicht richtig
wiedergegeben.“1068 Aus Sicht von General Ramms war
der Luftschlag bei Kunduz „nicht angemessen“.1069
Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung berichteten
NATO-Militärangehörige, der COM ISAF-Bericht sei zu
1066) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 34.
1067) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 42.
1068) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5.
1069) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
dem Ergebnis gekommen, „dass der Vorfall nicht hätte
passieren können, wenn alle Befehle und Vorschriften
eingehalten worden wären.“1070 Dieses Ergebnis hat der
Zeuge Ramms bestätigt: Das, was da passiert sei, hätte
nicht passieren dürfen. Wenn man den Bericht als Ganzes
sehe – einschließlich seiner Anlagen – erlaube das Ergeb-
nis der Untersuchung nicht, den Luftschlag als „militä-
risch angemessen“ zu werten.1071
Der Zeuge Ramms hat ausgesagt, der COM ISAF-Bericht
zu dem Luftangriff habe für ihn „eindeutig“ die Anwen-
dung von NATO-Bestimmungen beanstandet.
1072
Die in
dem Untersuchungsbericht enthaltene Feststellung, es sei
von Oberst Klein gegen gültige NATO-Bestimmungen für
den ISAF-Einsatz verstoßen worden, teilte General
Ramms nach eigener Darstellung.
1073
Der erste Grund, warum der Luftschlag als „nicht ange-
messen“ zu bezeichnen gewesen sei, sei die unübersichtli-
che Situation vor Ort gewesen:
„[M]it Blick auf die Situation, die wir dort gehabt
haben, dass, wenn ich eine solche Menge von Per-
sonal habe, ich die Existenz von Zivilisten in die-
sem Kreis nicht ausschließen kann.“1074
Es habe zur Taktik der Taliban gehört, Zivilisten in solche
Situationen hineinzutreiben, um einen Zwischenfall mit
Zivilisten herbeizuführen. Hier seien Zivilisten durch das
Angebot, sich von den Tanklastern Sprit besorgen zu
können, angelockt worden.
1075
Dass die Taliban versu-
chen, Zivilisten in Konflikte hineinzuziehen, sei eine in
Kreisen der NATO verbreitete Erkenntnis. Es habe schon
etliche solcher Fälle gegeben.
1076
Laut übereinstimmender Presseberichte schilderte General
Ramms einige Tage nach der Pressekonferenz von Gene-
ral Schneiderhan – am 6. November 2009 in Linnich –
gegenüber Journalisten den Hergang des Bombardements:
Die Piloten „fragten die Bodenleitstelle, ob sie die Tank-
lastzüge zerstören oder auf die darum versammelten Per-
sonen zielen sollten.“1077 Danach hätten sie darum gebe-
ten, „mit einer Machdemonstration die versammelten
Leute zu verscheuchen, bevor sie Bomben auf die Tank-
lastzüge abwerfen.“1078 Die Kampfpiloten hätten sogar
1070) Süddeutsche Zeitung vom 6. November 2009, „Piloten schlugen
Drohgeste vor“ (Dokument 145).
1071) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3, Tgb.-Nr. 84/10 –
GEHEIM.
1072) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5.
1073) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 1, 24, Tgb.-Nr. 84/10 –
GEHEIM.
1074) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 18.
1075) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 18.
1076) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 25.
1077) Süddeutsche Zeitung vom 6. November 2009, „Piloten schlugen
Drohgeste vor“ (Fn. 1070, Dokument 145); Neue Züricher Zei-
tung vom 6. November 2009, „Guttenberg hält Angriff in Kunduz
für angemessen“ (Dokument 146); Berliner Zeitung vom 7. No-
vember 2009, „Entlastungsschlag für Oberst Klein“
(Dokument 147); Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009,
„Luftschlag war in jedem Fall angemessen” (Dokument 148).
1078) Focus vom 6. November 2009, „US-Piloten zögerten mit Bom-
bardierung“ (Dokument 149); Süddeutsche Zeitung vom 6. No-
vember 2009, „Piloten schlugen Drohgeste vor“ (Fn. 1070); Neue
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 143 – Drucksache 17/7400
fünfmal nachgefragt, ob sie die Menschen wirklich ohne
Vorwarnung bombardieren sollten.
1079
Doch Oberst Klein
hätte abgelehnt.
1080
Seine damalige öffentliche Stellungnahme hat der Zeuge
Ramms dem Untersuchungsausschuss erläutert:
„Ich habe mich eigentlich nach meinem Wissen
nur einmal geäußert in einer einzigen Frage. Das
war, als in der deutschen Presse eine Darstellung
da war, die ein bisschen die Schuld verschob für
diese Frage – Schuld oder Nichtschuld? –, die
Verantwortung für diese Handlungsweise […] in
Richtung der amerikanischen Piloten […] die durf-
ten also nicht mehr fliegen. Ich habe damals nur
eine Äußerung gemacht und habe gesagt: Die Pilo-
ten haben nichts falsch gemacht.“1081
Inhaltlich hat der Zeuge Ramms angemerkt: Zwar sei er
nicht vor Ort gewesen; gleichwohl sei er der Auffassung,
dass auf die von den Piloten vorgeschlagene „Show of
Force“ nicht hätte verzichtet werden dürfen. Das wäre
sogar „die Ideallösung“ gewesen.1082 Die Warnung der
Personen durch eine Machtdemonstration abzulehnen, sei
unangemessen gewesen. Da eigene Truppen keiner Ge-
fährdung ausgesetzt gewesen seien, habe es keinen Grund
gegeben, vor der Bombardierung der beiden LKW auf die
von den Piloten angebotene „Show of Force“ zu verzich-
ten.
1083
Eine drohende Gefahr („imminent threat“) für das Lager
Kunduz habe aus seiner Sicht nicht bestanden. Die Tank-
lastwagen seien bereits seit vier Stunden fest gesessen, da
sei nicht zu erwarten gewesen, dass sie in der nächsten
halben Stunde von der Sandbank losgekommen wären.
1084
Im Nachgang zu der Pressekonferenz des Generalinspek-
teurs äußerte General Ramms seine davon abweichende
Auffassung gegenüber mehreren Stellen der Bundeswehr.
Vor dem Untersuchungsausschuss hat er als Zeuge ange-
geben:
„Ich habe, wenn ich das richtig erinnere, noch
einmal mit dem stellvertretenden Generalinspek-
teur, Generalleutnant Dora, über dieses Thema ge-
sprochen, ich habe mich mit dem General Glatz
über dieses Thema unterhalten, und ich habe mich
Züricher Zeitung vom 6. November 2009, „Guttenberg hält Ang-
riff in Kunduz für angemessen“ (Fn. 1077); Berliner Zeitung vom
7. November 2009, „Entlastungsschlag für Oberst Klein“
(Fn. 1077); Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009, „Luft-
schlag war in jedem Fall angemessen” (Fn. 1077); Der Tages-
spiegel vom 7. November 2009, „Eine Prüfung für alle“
(Dokument 151).
1079) Frankfurter Allgemeine vom 7. November 2009, „Guttenberg:
Luftschlag bei Kunduz war militärisch angemessen“
(Dokument 150).
1080) Der Tagesspiegel vom 7. November 2009, „Eine Prüfung für
alle“ (Fn. 1078, Dokument 151).
1081) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 20.
1082) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9 f., Tgb.-Nr. 84/10 –
GEHEIM.
1083) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 18, Tgb.-Nr. 84/10 –
GEHEIM.
1084) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9, Tgb.-Nr. 84/10 –
GEHEIM.
mit dem stellvertretenden Leiter des Einsatzfüh-
rungsstabes, dem Brigadegeneral Warnecke, über
dieses Thema unterhalten. […] In der Weise, dass
ich darauf hingewiesen habe, dass ich eine andere
Auffassung vertrete.“1085
Da der COM ISAF-Bericht sich nicht eindeutig zu der
Frage verhielt, ob und wie viele Zivilisten bei dem Luft-
angriff zu Schaden kamen, hat der Untersuchungsaus-
schuss den damals für den ISAF-Einsatz zuständigen
NATO-General nach seiner Einschätzung gefragt. Als
Zeuge hat Ramms bekundet, er sei schon vor der Lektüre
des COM ISAF-Berichts, aufgrund der Berichte über
minderjährige Opfer im Krankenhaus von Kunduz bereits
am 4. September 2009 von „zahlreichen zivilen Opfern“
ausgegangen. Vor diesem Hintergrund sei von seinem
Stab eine entsprechende „Sprachregelung“ mit den
NATO-Sprechern in Brüssel und Kabul vereinbart wor-
den, wonach mit „civilian casualties zu rechnen“ sei.1086
General Ramms hat dem Ausschuss berichtet, die Erfah-
rung zeige, dass Zwischenfälle dieser Größenordnung
während seiner Amtszeit bei der NATO immer auch zivi-
le Opfer gefordert hätten.
1087
„Dies ist mein zehnter Zwischenfall dieser Art ge-
wesen, und wir hatten einen Fall mit einer solchen
Größenordnung von Opfern – ganz allgemein ge-
sprochen, ohne zivile Opfer – vorher nie gehabt.
Das waren, wenn Sie so wollen, Erfahrungswerte,
die Sie hatten, weil Sie in Brunssum Kommandeur
sind und weil Sie mit solchen Sachen umgegangen
sind, und aus diesen Erfahrungswerten ziehen Sie
irgendwann, wenn Sie bestimmte Tatsachen wis-
sen, dann auch Schlüsse.“1088
Die von dem Generalinspekteur in seiner Stellungnahme
gebrauchte Formulierung, „Unbeteiligte“ seien nicht zu
Schaden gekommen, sei kein terminus technicus und
nirgendwo definiert.
1089
Der Begriff „Unbeteiligte“ werde
von der NATO nicht benutzt. Die NATO verwende den
Begriff „Zivilisten“; dies bezeichne die Zivilbevölkerung,
die keine Waffen in die Hand nehme und nicht gegen
ISAF-Soldaten oder afghanische Sicherheitskräfte kämp-
fe. Ein Problem sei aber, diese zu unterscheiden, da ein
Aufständischer jederzeit seine Waffe verstecken und als
Zivilist wieder auftauchen könne.
1090
Auftragsgemäß durfte der COM ISAF-Bericht nicht dazu
Stellung nehmen, ob der Luftschlag rechtmäßig war.
Nach seiner – Ramms – Auffassung sei das Kriegsvölker-
recht möglicherweise gebrochen, wenn die hier einschlä-
gigen Rules of Engagement nicht eingehalten seien.
1091
1085) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 7.
1086) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 10.
1087) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 4 und Teil II, S. 2.
1088) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
1089) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 16.
1090) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 25.
1091) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 22, 27, Tgb.-Nr. 84/10 –
GEHEIM.
Drucksache 17/7400 – 144 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Gespräch des Bundesministers mit Gene-
ral Schneiderhan
Nach der Pressekonferenz des Generalinspekteurs begeg-
neten sich General Schneiderhan und Bundesminister zu
Guttenberg auf einem gemeinsamen Flug nach Nörve-
nich. Schneiderhan sprach zu Guttenberg auf den
COM ISAF-Bericht an. Er hat angegeben, er habe ihm zur
Vorsicht und Zurückhaltung geraten.
1092
Er habe zu dem Minister gesagt – so der Zeuge Schnei-
derhan vor dem Untersuchungsausschuss:
„Es mag nicht alles so einfach sein, wie es heute
Morgen geklungen haben mag. – Der Minister hat
dann gesagt: Ja, ja; es gibt Hinweise, Pres-
seanfragen zu Zivilopfern. – Darauf bin ich des-
halb nicht weiter eingegangen, weil das ja im
Grunde ein Stück Allgemeinwissen zu diesem
Zeitpunkt war, seit dem 4. September. Aber der
Minister hat das Wort ‚zivil„, ‚zivile Opfer„ durch-
aus benutzt. Ich habe gesagt Ja, bin aber nicht ein-
gegangen darauf. Dann habe ich mich wieder hin-
gesetzt […].“1093
Nach eigener Darstellung habe Scheiderhan damit ge-
meint, man könne die Entscheidung von Oberst Klein
auch anders beurteilen, als er es am Vormittag gemacht
habe.
1094
Nach Auskunft des Zeugen zu Guttenberg maß
er, der Minister, dem Hinweis jedoch einen anderen Sinn
bei:
„Richtig ist, dass General Schneiderhan mich ans-
prach und ich ihm daraufhin mitteilte, dass es Me-
dienanfragen bezüglich des Berichts und insbeson-
dere ziviler Opfer gebe. Daraufhin sagte General
Schneiderhan nach meiner Erinnerung: Mit den
zivilen Opfern ist dies nicht so einfach, wie vor-
mittags vielleicht der Eindruck entstanden sein
könnte. […] Ich verstand General Schneiderhan
mit meinem dabeistehenden Adjutanten damals
und übrigens bis heute so, dass er mir davon abriet,
mich allzu präzise zu unbeteiligten Opfern einzu-
lassen. Wenn ich mich recht erinnere, fragte ich
ihn noch, ob er den COM ISAF-Bericht dabei ha-
be, in den ich bis dahin noch nicht hatte hinein-
schauen können, weil er mir in dem Zeitpunkt
noch nicht vorgelegen war, was General Schnei-
derhan jedoch verneinte.“1095
Weitere Hinweise oder eine Präzisierung dieses Satzes
seitens General Schneiderhan seien nicht erfolgt.
Bundesminister zu Guttenberg trat am Tag nach seiner
Unterrichtung einen dreitägigen Kurzurlaub bis zum 3.
November 2009 an. In dieser Zeit studierte er nach eige-
nen Angaben die von Dr. Wichert zusammengestellten
Unterlagen, um ein Bild über die aktuellen Themenstel-
lungen im Ministerium zu erhalten. Teil dieser Unterlagen
1092) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.
1093) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 24.
1094) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 32.
1095) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6.
sei unter anderem der COM ISAF-Bericht in englischer
Fassung ohne Anlagen gewesen.
1096
Vor dem Untersuchungsausschuss hat zu Guttenberg
bekundet:
„Den COM ISAF-Bericht habe ich, wie ich schon
dargestellt habe, in der Zeit, als ich diesen Kurzur-
laub nach dem 30. Oktober angetreten hatte – In
der Zeit 30. Oktober bis 3. November habe ich
mich sehr intensiv mit diesem Bericht befasst.
[…]“1097
„Es fanden natürlich dazwischen auch immer wie-
der Gespräche, auch Telefonate und Ähnliches,
statt, die sich natürlich auch auf den Punkt bezo-
gen hatten, wo wir Nachfragen hatten und Ähnli-
ches, weil ich mir vieles erklären lassen musste,
was auch in diesem Bericht war. […]“1098
„Die Anlagen hatte ich sozusagen in den Tagen
des Kurzurlaubs nicht dabei. Ich hatte mich aller-
dings zwischen dem 3. und 6. sehr, sehr intensiv
auch mit diesen Anlagen befasst und immer wieder
auch die Anlagen mir herbeigezogen, wobei – Sie
kennen ja die Anlagen auch – manche von denen
für einen Laien und auch für manchen Fachmann
schier unverständlich sind mit den Abkürzungen
und ähnlichen Dingen, die da laufen. Aber überall
dort, wo ich es aus dem Bericht heraus – er ist ja
auch sehr umfangreich mit seinen 70 plus Seiten –
für nötig erachtet habe, dass man da noch mal die
Anlage heranzieht, um sich die Frage zu stellen,
die Dinge auch noch mal zu vertiefen, habe ich das
in den Tagen auch gemacht.“1099
Im weiteren Verlauf der Zeugenvernehmung hat der Mi-
nister erklärt, den COM ISAF-Bericht in englischer Fas-
sung gelesen zu haben.
1100
5. Weitergabe des COM ISAF-Berichts
a) Bundeskanzleramt
Auf Anforderung wurde der COM ISAF-Bericht am 29.
Oktober 2009 gegen Mittag an das Bundeskanzleramt
weitergegeben. Hierzu hat der damalige Staatssekretär
Dr. Wichert vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:
„Wie ich bereits ausführte, ging der Bericht am
späten Abend des 28. 10. um 22.30 Uhr im BMVg
in Berlin ein. Am 29. 10. forderte der Referatslei-
ter im Kanzleramt um 8.05 Uhr den Bericht bei
meinem Büroleiter an.“1101
1096) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21; zu Guttenberg, Protokoll-
Nr. 18, Teil I, S. 6, 50.
1097) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.
1098) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 19.
1099) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.
1100) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 50.
1101) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 75, 89.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145 – Drucksache 17/7400
„[…] die Anforderung aus dem Kanzleramt, diesen
Bericht zu übersenden, was ja nicht normaler Ge-
schäftsgang ist, dass ein Bundesministerium Akten
ins Kanzleramt gibt, sondern das Kanzleramt
kriegt Berichte auf Anforderung, es kriegt Stel-
lungnahmen auf Anforderung. Aber es ist schon
etwas ungewöhnlich, Aktenvorlage durch das
Kanzleramt zu fordern. Aber das habe ich nicht
weiter zu kommentieren.“1102
„[…] Eine Kopie wurde gefertigt – es war ja ein
Geheimbericht – und um circa 12 Uhr dem Kanz-
leramt ebenso wie dem Auswärtigen Amt durch
Kurier überbracht.“1103
Nach Eingang des COM ISAF-Berichts im Bundeskanz-
leramt unterrichtete die Abteilung 2 am gleichen Tag die
Bundeskanzlerin mittels einer Vorlage.
1104
In dieser Vor-
lage werden als „Kernpunkte des Berichts“ die Erörterung
der Frage der „Angemessenheit des militärischen Vorge-
hens“ einschließlich der „wesentlichen Kritikpunkte am
Vorgehen des PRT Kdr“ sowie die Frage der „zivilen
Opfer“ dargestellt.1105 Das dreiseitige Dokument endet
mit einer Bewertung des COM ISAF-Berichts.
Unter anderem wird dargestellt, dass der Bericht die An-
forderung der Luftunterstützung, die Frage „show of
force“, die Quellenlage und die komplexe Situation am
Boden und auf der Sandbank kritisch thematisiert.
In der „Bewertung“ der Vorlage heißt es, der Bericht gehe
„umfassend, ausführlich und ausgewogen auf die Vor-
gänge um den Luftangriff ein und enthält sich auftrags-
gemäß jeder rechtlichen Bewertung“. Strafrechtliche
Folgen für den deutschen Kommandeur seien „derzeit
nicht abschätzbar“. Eine abschließende Bewertung des
Vorfalls hänge davon ab, „ob und wieweit man die Pers-
pektive des in einer kriegsähnlichen, besonderen Hand-
lungssituation stehenden Kommandeurs einnimmt oder
den Vorfall primär unter dem Blickpunkt möglicher Re-
gelverstöße sieht.“1106
Die Bundeskanzlerin hielt nach eigenem Bekunden eine
über die Ermittlungen des COM ISAF hinausgehende
Untersuchung des Luftangriffs vonseiten der Bundesre-
gierung nicht für erforderlich. Vor dem Untersuchungs-
ausschuss hat sie dazu ausgesagt:
„Ich habe es zu dem damaligen Zeitpunkt […] für
geradezu zwingend gehalten nach dem Initial-
Action-Team-Bericht, dass das durch die NATO
weitergemacht wird. […] Ich glaube nicht, dass
uns irgendeine Information – […] ich bin jetzt kei-
ne Militärexpertin; aber nach allem, was ich weiß
1102) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 61.
1103) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 75, 89; Protokoll-Nr. 31,
Teil I, S. 61.
1104) Vorlage zum Luftangriff auf Tanklastfahrzeuge in AFG am
04.09.2009 hier: Offizieller ISAF-Untersuchungsbericht
(Dokument 152); Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.
1105) Vorlage zum Luftangriff für die BK (Fn. 1104), Bl. 183.
1106) Vorlage zum Luftangriff für die BK (Fn. 1104), Bl. 184.
–, eine relevante Information verloren gegangen ist
dadurch, dass die ISAF dieses aufgeklärt hat.“1107
Auch für eine eigene Bewertung des Luftangriffs durch
das Bundeskanzleramt sah die Bundeskanzlerin keine
Veranlassung. Hierzu hat sie erklärt:
„Eine eigenständige Bewertung der militärischen
Angemessenheit des Luftangriffs am 4. September
hat das Bundeskanzleramt nicht vorgenommen –
aus guten Gründen nicht; denn weder obliegt eine
solche Bewertung dem Bundeskanzleramt, noch
hat es dazu die nötige Expertise. Dies obliegt dem
zuständigen Fachministerium, dem Bundesvertei-
digungsministerium.“1108
Allerdings überprüfte sie, ob sie ihre ersten Äußerungen
zu dem Luftangriff aufgrund der neuen Erkenntnisse
korrigieren müsste. Dazu habe es – so die Bundeskanzle-
rin vor dem Ausschuss – keinen Anlass gegeben:
„Ich habe dann natürlich, nachdem im November
dann noch einmal die Existenz neuer Berichte, die
dem Kanzleramt ja auch nicht vorlagen, bekannt
wurde, Wert darauf gelegt, wie ich es auch dar-
stellte, dass ich noch einmal überprüfe: Kommt
durch diese neuen Berichte jetzt sozusagen in dem,
was ich gesagt habe, was ich geäußert habe, eine
neue Faktenlage hinzu? Das konnte ich aber nach
gründlicher Befassung verneinen.“1109
b) Obleuteunterrichtung am 29. Oktober 2009
Kurz nach der Weiterleitung des COM ISAF-Berichts an
das Bundeskanzleramt unterrichtete Staatssekretär
Dr. Wichert am Nachmittag des 29. Oktobers 2009 um
15.24 Uhr die Obleute des Verteidigungsausschusses
schriftlich über den Eingang des Berichts. Er kündigte
ihnen eine Übersetzung an, die zur Einsichtnahme in der
Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt
werde. Außerdem bot er ergänzende Auskünfte durch die
Leitung des Ministeriums an. Hiervon wurde kein Ge-
brauch gemacht.
1110
Zugeleitet wurde den Obleuten die
schriftliche Vorbereitung des Generalinspekteurs für sein
Pressestatement am 29. September 2009 (siehe oben:
D.II.3.a), S. 141).
Am 2. November 2009 wurde der Bericht in englischer
Fassung nebst Anlagen samt einer Übersetzung gegen
15 Uhr in der Geheimschutzstelle des Bundestages hinter-
legt.
1111
6. Auswertung des COM ISAF-Berichts durch
den Einsatzführungsstab
Am 3. November 2009 kehrte Minister zu Guttenberg
nach Berlin zurück. Zu diesem Zeitpunkt war die, am 29.
1107) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.
1108) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.
1109) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 42.
1110) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74, 89.
1111) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.
Drucksache 17/7400 – 146 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Oktober 2009 vom Minister angeforderte, eingehende
Bewertung des COM ISAF-Berichts
1112
durch den Ein-
satzführungsstab abgeschlossen.
Die angewiesene Bewertung des Einsatzführungsstabes
wurde dem Minister am 3. November vorgelegt.
1113
Dazu der Zeuge Dr. Schlie:
„Als der Minister am Dienstag, dem 3. November,
aus dem Arbeitsurlaub nach Berlin zurückkam,
hatte er nicht nur diese Papiere, sondern auch den
englischen COM ISAF-Bericht gelesen. Dann lag
auch jene Bewertung des Einsatzführungsstabes
vor, die die Grundlage für die Unterrichtung der
Vertreter der Fraktionsvorsitzenden der im Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien am Freitag,
dem 6. November, und die anschließende erste öf-
fentliche Einlassung des Ministers war.“1114
Die acht Seiten starke „Auswertung ISAF Untersu-
chungsbericht“ beginnt mit einer Zusammenfassung.1115
In dieser wird nicht die Bewertung von ISAF, sondern die
des BMVg zusammengefasst; die in dem Bericht der
ISAF-Untersuchung enthaltenen Feststellungen und
„Empfehlungen“ fehlen. In der Zusammenfassung heißt
es:
„Aufgrund der Komplexität der vorhandenen Vor-
schriften […] zu den Einsatzverfahren von Luft-
streitkräften sind die im Bericht aufgezeigten Ver-
fahrensfehler durch den COM PRT KDZ und Joint
Terminal Attack Controller (JTAC) nachvollzieh-
bar. […] Trotz einiger Verfahrensfehler ist festzu-
halten, dass der Kommandeur PRT KDZ (COM
PRT KDZ) auf der Grundlage der ihm zum dama-
ligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informa-
tionen und vor dem vorliegenden Bedrohungshin-
tergrund militärisch angemessen gehandelt
hat.“1116
Nach einer Vorbemerkung über den Untersuchungsauf-
trag und -verlauf sowie einer Kurzfassung der Ereignisse
und des allgemeinen Bedrohungshintergrundes werden
die Vorwürfe der Untersuchung im Einzelnen aufgelistet.
Jeder einzelnen „Empfehlung“ von ISAF ist eine „Bewer-
tung BMVg“ angehängt.
Weil sich die Zahl der Toten und Verwundeten nicht
mehr habe aufklären lassen, empfehle der Bericht,
„dass Bereiche, in denen ein Luftangriff stattge-
funden hat bei dem es möglicherweise zu unbetei-
ligten Opfern kam, entsprechend der Tactical Di-
rective COM ISAF unverzüglich gesichert und
überwacht werden müssen […].“1117
1112) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5.
1113) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6, 19.
1114) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21 f.
1115) EinsFüStab, Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luft-
angriff am 4. September 2009, Mat. 17-30a, Ordn. Chronologie
EinsFüStab, Teil 8, Bl. 3 ff. (VS-NfD).
1116) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 3.
1117) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 5.
Das BMVg bewertet, die Entscheidung über die Siche-
rung und Überwachung müsse wegen einer möglichen
Gefährdung der eigenen Kräfte beim taktischen Führer
vor Ort liegen.
Die ISAF-Untersuchung stelle fest, dass die „positive
Identifizierung der Taliban“ durch eine HUMINT Quelle
und die Luftaufklärung
„für ein solch komplexes Szenario […] als nicht
hinreichend beurteilt wird.“1118
Der ISAF-Bericht stelle fest,
„dass die verfügbaren Informationen vor dem
Luftangriff und die Informationen der HUMINT-
Quelle keine konkrete Bedrohung für das PRT
KDZ aufzeigten.“1119
Die im Zeitpunkt der Entscheidung verfügbaren INTEL-
Informationen seien „unzureichend für ein solch komple-
xes Szenario.“
In der Bewertung des BMVg hierzu heißt es, es stehe
gleichwohl „außer Frage, dass das Verhalten des COM
PRT KDZ auf Grundlage seines Gesamtbildes militärisch
angemessen war“.
Der Bericht stelle fest,
„dass […] keine hinreichende Klarheit darüber be-
stand, auf Grundlage welcher ROE gehandelt wur-
de. […] Sie [die Flugzeugbesatzung, Anm.] ver-
standen die ‚imminent threat„-Situation im natio-
nalen US-Sinne als ‚self-defence„ und nicht als
ISAF-ROE.“1120
Nach der Bewertung des BMVg sei „die durch COM PRT
KDZ getätigte Bestätigung des 'imminent threat' und
damit letztendlich die Entscheidung zum Waffeneinsatz
insbesondere vor dem Hintergrund der Gesamtbedro-
hungslage nachvollziehbar“ gewesen.
Es folgen Ausführungen zur fehlerhaften Anwendung von
ISAF Vorschriften und Direktiven im Bereich „dynamic
targeting procedures“. Hier waren sich ISAF und BMVg
einig, dass diese Vorschriften der Überarbeitung bedürf-
ten und die Ausbildung intensiviert werden müsse. Des-
weiteren werden Mängel in der Ausbildung thematisiert.
Der Bericht stelle weiter fest,
„dass COM PRT KDZ die F-15E […] nur deswe-
gen zugeteilt bekommen habe, weil er ‚troops in
contact„ erklärt habe, obwohl eigene Kräfte nicht
in Nähe der Sandbank waren. […] Es wird emp-
fohlen, Kommandeure stärker in die Verantwor-
tung zu nehmen, wenn TIC erklärt wird, ohne dass
die Voraussetzungen dafür vorliegen.“1121
Das BMVg weist darauf hin, die „declaration of TIC“ sei
nur für die Anforderung der Flugzeuge, nicht aber für den
1118) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 5.
1119) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 5.
1120) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 6.
1121) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 7 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147 – Drucksache 17/7400
Waffeneinsatz genutzt worden. Darüber sei sich auch die
Flugzeugbesatzung im Klaren gewesen. Die Flugzeug-
Anforderung unter Zuhilfenahme der „declaration of TIC“
sei „durchaus nachvollziehbar“.
Der Bericht sei der Ansicht,
„dass der Luftangriff auf eine so große Ansamm-
lung von Personen, ohne dass eine bevorstehende
Bedrohung (imminent threat) für eigenen Truppen
vorliegt, und bei Zugrundelegung nur einer Infor-
mationsquelle, nicht in Übereinstimmung mit
‚COM ISAF‟s intent und guidance„ ist.“1122
Das BMVg hielt dagegen, nachrichtendienstliche Erkenn-
tnisse zu geplanten Anschlägen hätten „nachvollziehbar
einen verdichteten Bedrohungshintergrund geschaffen“,
durch den der Luftschlag „militärisch angemessen“ sei.
Der Bericht stelle fest,
„Die vorschnelle Weitergabe sensitiver und ein-
gestufter Informationen an die Medien nach dem
ersten Vorwurf über Verluste von Unbeteiligten
hat in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt,
dass die Befehlskette schon vor Beginn der formel-
len Untersuchung Schlussfolgerungen gezogen hat.
EMPFEHLUNG ISAF:
Diesbezüglich wird daran erinnert, dass die Offen-
legung von eingestufter Information möglicher-
weise gesetzwidrig ist und den Untersuchungspro-
zess untergräbt.“1123
Unter der Überschrift „Show of Force (SoF)“ wird er-
wähnt, der Bericht führe aus,
„dass die F-15 Besatzung fünfmal vorgeschlagen
habe, im Tiefflug (SoF) über die Sandbank zu flie-
gen, um die Personen von den Tanklastfahrzeugen
zu vertreiben.“1124
Das BMVg bewertete, es sei Absicht des COM PRT KDZ
gewesen, „nicht nur die Tanklastzüge zu zerstören, son-
dern auch die Taliban auf der Sandbank zu bekämpfen.
Hätte er Show of Force zugelassen, wäre dieses Ziel nicht
erreicht worden.“
Abschließend rechtfertigt die Auswertung des BMVg das
gesamte Verhalten des Kommandeurs:
„Er hatte gem. der formalen Anforderungen der
ISAF Vorschriften ausreichende Informationen,
dass sich ausschließlich Taliban, insbesondere
auch führende Köpfe der Taliban, auf der Sand-
bank aufhielten. Darüber hinaus konnte COM PRT
KDZ aufgrund der Uhrzeit, der Lage der Sandbank
sowie den Tatumständen davon ausgehen, dass es
sich bei den Personen auf der Sandbank aus-
schließlich um Taliban, also um Personen, die di-
rekt an Feindseligkeiten bzw. feindseligen Hand-
1122) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 9.
1123) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 9.
1124) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 10.
lungen teilnehmen, handelte. Aus dem Gedäch-
tnisprotokoll mit COM PRT KDZ geht deutlich
hervor, dass es sein vorrangiges Ziel war, keine
unbeteiligten Personen zu schädigen. Dies war
auch der Grund dafür, dass der Entscheidungspro-
zess für den Luftangriff relativ lange dauerte und
er sich mehrfach durch die HUMINT Quelle bestä-
tigen lies, dass keine unbeteiligten Personen vor
Ort waren.“1125
Der Leiter des Einsatzführungsstabes des BMVg, der
Konteradmiral Krause, hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss die Kernaussage in der Zusammenfassung seiner
damaligen Auswertung korrigiert:
„Der ISAF-Untersuchungsbericht bestand ja aus
80 Seiten und 400 Seiten Anlagen. Letztendlich
hat er für uns, als er erschien, aufgrund der Tatsa-
che, dass wir natürlich – jetzt komme ich zurück
zur ‚Gruppe 85„ – die Arbeit des NATO-
Untersuchungsteams auch parallel mitbegleitet
hatten, keine großen Überraschungen enthalten.
Wir haben im Vorfeld aus der eigenen Analyse,
die parallel lief, schon gewusst, dass Fehler ge-
macht worden sind, dass aber auch noch eine gro-
ße Unsicherheit in vielen Bereichen der NATO-
Vorschriftengebung bestanden hat. So waren also
gerade im Bereich der Standard Operation Proce-
dures einige Dinge tatsächlich überholt und unklar
ausgedrückt. Es war klar, dass das zu einem nicht
eindeutigen Umgang mit den Rules of Engagement
geführt hatte zwischen den Soldaten der F-15 und
der B-1 und der am Boden eingesetzten Soldaten,
sodass also letztendlich dort Missverständnisse da
gewesen waren, unter welchen Rules of Engage-
ment gehandelt wurde und dass aus diesem ISAF-
Untersuchungsbericht Folgerungen zu ziehen seien
hinsichtlich der Aktualisierung von Vorschriften,
von Verfahren, aber auch mit Blick auf Ausbil-
dung. Der ISAF-Untersuchungsbericht hat aus
meiner Erinnerung auch darauf abgehoben, dass
Oberst Klein in manchen Dingen formal richtig,
aber der Komplexität der Situation nicht angemes-
sen gehandelt hat. Das heißt, er hätte also eigent-
lich anders handeln müssen; aber er hat sich an die
formalen Kriterien, die ISAF festgelegt hatte zu
dem Zeitpunkt, gehalten. Insofern war der ISAF-
Untersuchungsbericht für uns keine inhaltlich gro-
ße Überraschung.
1126
1125) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 10.
1126) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 1.
Drucksache 17/7400 – 148 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
III. Öffentliche Festlegung des Ministers am
6. November 2009
1. Empfehlung zur Presselinie
Am 2. November 2009 wurde dem Minister von Ministe-
rialdirektor Dr. Schlie eine Vorlage gereicht.
1127
Sie bein-
haltete eine Empfehlung zur weiteren Presselinie des
Ministeriums nach Abgabe der Stellungnahme von Gene-
ral Schneiderhan vom 29. Oktober. In dieser heißt es:
„[…], wobei jedes Abrücken von der bisherigen
Linie – ‚militärisch angemessen„ – erhebliche
Probleme bereiten würde.“1128
In seiner Vernehmung gab Dr. Schlie hierzu an:
„Aus meiner Erinnerung […] muss sich der Minis-
ter in einer so entscheidenden Frage auch auf den
obersten militärischen, auf seinen obersten militä-
rischen Ratgeber, der ja auch der oberste militäri-
sche Ratgeber der Bundesregierung ist, verlassen
können, und es hätte – im Gegenteil – Fragen auf-
geworfen, wenn der Minister, der sich gerade ein-
mal ein paar Tage im Amt befindet, zu einer ande-
ren Einschätzung als sein oberster militärischer
Ratgeber gelangt wäre. Das hätte vor allem dann
auch die Frage provoziert, auf wessen militärisches
Urteil er sich bei dieser Einschätzung stützt.“1129
2. Telefonat mit Generalinspekteur Schnei-
derhan
Nachdem einige Details aus dem COM ISAF-Bericht an
die Öffentlichkeit durchgesickert waren, wurde am 5.
November 2009 in einigen Zeitungen spekuliert, Bun-
desminister zu Guttenberg werde sich von der öffentli-
chen Stellungnahme des Generalinspekteurs der Bundes-
wehr distanzieren.
1130
Bundesminister zu Guttenberg rief am selben Abend den
Generalinspekteur an, der sich gerade in Bratislava auf-
hielt. Der Minister versicherte ihm, er werde ihn nicht im
Regen stehen lassen.
1131
Zu Guttenberg hat bestätigt, dass
sich die beiden in dem Telefonat über Zeitungsberichte
unterhielten. Für ihn habe aber im Vordergrund gestanden
abzustimmen, was am folgenden Tag gegenüber der Pres-
se zu sagen sei.
1132
3. Vorbereitung des Ministers
Am Morgen des 6. November 2009 fand eine Unterre-
dung zwischen Minister zu Guttenberg und Staatssekretär
Dr. Wichert statt. Im Anschluss, aber noch vor Abgabe
des Pressestatements, wurden die Bundestagsfraktionen
1127) Ministervorlage vom 2. November 2009 zu COM ISAF-Bericht
(Dokument 153).
1128) Ministervorlage vom 2. November 2009 (Fn. 1127), Bl. 83.
1129) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 30 f.
1130) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 15.
1131) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 15.
1132) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 53.
über die Erkenntnisse des ausgewerteten ISAF-Berichts
unterrichtet.
1133
Staatssekretär a. D. Dr. Wichert hat in seiner Vernehmung
vor dem Untersuchungsausschuss hierzu ausgesagt:
„Nach kurzem Vortrag durch den Leiter des Ein-
satzführungsstabes empfahl ich dem Minister, sich
auf den militärischen Sachverstand des Generalin-
spekteurs zu berufen, und ich las zwei Passagen
aus der englischen Fassung des ISAF-Berichts
vor,
1134
[…] in denen klar gesagt war – erstens –,
dass Ziel des Angriffs Menschen waren, neben den
Lastwagen, und dass die Anforderungen des Luft-
schlages nicht in Übereinstimmung mit der Inten-
tion des COM ISAF gestanden haben.“1135
„[…] Bei dieser sehr kurzen Besprechung, bei der
der Minister nach meiner Erinnerung keine Rück-
fragen stellte, ging es nach meiner Erinnerung
auch ‚nur„ um die Information der Fraktionsvorsit-
zenden. Dass der Minister selbst vor die Presse ge-
hen wollte, nachdem doch bereits der Generalin-
spekteur am 29. 10. unterrichtet hatte, war mir
nach meiner heutigen Erinnerung nicht präsent.
Ebenso wenig erinnere ich mich, einen vom Haus
vorbereiteten Text für ein Pressestatement gesehen
oder gar gebilligt zu haben. Wo dieser Text ent-
stand, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe jetzt
auch, als ich noch Akteneinsicht nehmen konnte,
da nicht gefunden, dass das über meinen Schreib-
tisch gelaufen sei. Ich hoffe, ich habe nichts über-
sehen.
1136
[…] Zur Vorbereitung des Pressetermins
muss es eine weitere Besprechung beim Minister
gegeben haben, zu der ich aber nicht hinzugezogen
wurde, wohl aber der stellvertretende Generalin-
spekteur. Hiervon habe ich erst nachträglich erfah-
ren.“1137
Hierzu hat der Zeuge Dr. Schlie bekundet:
„Die Vorbereitung der Sprechempfehlungen für
den Minister erfolgte, wie immer in solchen Fäl-
len, durch den Planungsstab. Es bestand Einver-
nehmen, dass die Unterrichtung vor allem durch
die militärische Spitze des Hauses erfolgen müsse
und dem Minister lediglich einleitend einführende
Bemerkungen oblägen.
In Vorbereitung der Unterrichtung der Vertreter
der Fraktionsvorsitzenden hatte ich mehrere Ab-
stimmungsgespräche mit General Dora und Admi-
ral Krause und erhielt die in Verantwortung des
Generalinspekteurs vom Einsatzführungsstab ers-
tellten Unterlagen.
Wiederum wurde in diesen Unterlagen klar und
unmissverständlich darauf hingewiesen, dass der
1133) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.
1134) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.
1135) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 25.
1136) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.
1137) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149 – Drucksache 17/7400
Kommandeur des PRT Kunduz auf der Grundlage
seines damaligen Lagebilds militärisch nachvoll-
ziehbar gehandelt habe und dies militärisch zum
Schutz deutscher Soldaten angemessen gewesen
sei.“1138
General Schneiderhan war aufgrund einer anderweitigen
Verpflichtung an diesem Tage nicht anwesend. Nach
eigenem Bekunden hatte er mit seinem Stellvertreter
Dora am Telefon „kein sehr eingehendes Gespräch“ über
die Inhalte dieser Erklärung geführt. Weder an dem Text
des Ministers für die Fraktionsvorsitzenden noch an der
Presseerklärung habe er mitgearbeitet.
1139
In der Sitzung zur Unterrichtung der Fraktionsvorsitzen-
den fiel nach Auskunft des Zeugen Dr. Schlie erstmals die
Äußerung des Ministers, der Angriff hätte auch bei der
Einhaltung aller Verfahrensregeln erfolgen müssen:
„Diese Formulierung, die in den von mir vorberei-
teten Unterlagen nicht vorgeschlagen war, habe ich
immer als eine rhetorische Zuspitzung verstanden,
mit der Minister zu Guttenberg zum Ausdruck
bringen wollte, dass er die Verfahrensfehler durch-
aus sehe, er sie aber nicht als ursächlich für den
Luftschlag ansehe; das heißt, dass diese auch bei
einer Gesamtbeurteilung als nicht so gravierend
ins Gewicht fielen, als dass sie im Resultat nach
seiner damaligen Einschätzung zu einem anderen
Entschluss des Kommandeurs als dem Bomben-
abwurf hätten führen müssen. In der Vorbespre-
chung entspann sich zu diesem Punkt auf Einwurf
von General Dora ein kurzer Meinungsaustausch,
ohne dass dies freilich zu einer anderen Bewertung
geführt hatte. Etwaige Alternativen für Oberst
Klein wurden von General Dora nicht er-
wähnt.“1140
4. Öffentliche Stellungnahme des Ministers
Nach Unterrichtung der Bundestagsfraktionen gab Minis-
ter zu Guttenberg eine öffentliche Stellungnahme zum
Luft-Boden-Einsatz bei Kunduz ab.
Warum er sich überhaupt und an jenem Tag äußerte, hat
er vor dem Ausschuss erläutert:
„Warum dieser Tag? Weil ich an diesem Tag den
Eindruck hatte, dass ich genug Informationen, Ein-
schätzungen und Bewertungsgrundlage meines
Hauses hatte, um mich äußern zu können und die
Bewertung und die jeweilige Fachberatung das
auch nahegelegt hatte.
Ich hatte – Weil das auch immer eine Frage ist,
warum ich mich überhaupt noch geäußert habe,
nachdem sich der Generalinspekteur geäußert hat:
De facto war es absehbar, dass, wenn der General-
inspekteur sich zu einem solchen Bericht äußert –
1138) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 22.
1139) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5.
1140) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 23.
und es waren auch entsprechend viele Anfragen
da –, sich auch die politische Führung des Hauses
noch dazu zu äußern hat. Das habe ich gemacht,
und das fiel halt auf diesen Tag.“1141
Bis zu diesem Zeitpunkt standen dem Minister als Quel-
len zum Luftschlag vom 4. September 2009 der
COM ISAF-Bericht, die Sprechempfehlung für den Gene-
ralinspekteur, die acht Seiten starke Auswertung des Ein-
satzführungsstabs vom 3. November 2009 sowie der Rot-
Kreuz-Bericht
1142
, welcher noch am selben Tage vor Ab-
gabe der Presseerklärung eintraf, zur Verfügung.
1143
Generalinspekteur Schneiderhan erklärte, dem Minister zu
Guttenberg weder den Bericht von Oberst Klein, den „N.-
Bericht“, den Bericht der afghanischen Offiziellen, den
IAT-Bericht, den Karzai-Bericht noch den „Feldjägerbe-
richt“ vorgelegt zu haben.1144
Gleichwohl hat der Zeuge Schneiderhan zum Informati-
onsstand des Ministers am Tage des Pressestatements in
seiner Vernehmung bekundet:
„Ich meine, mit dem, was dem Minister zuge-
arbeitet wurde, als der Stab wusste, dass er am
6. 11., also sehr kurz nach seiner Amtsübernahme,
zu dem Vorfall in Kunduz etwas sagen will, mit
dem war der Minister, zusammen mit dem Roten-
Kreuz-Bericht, glaube ich, urteilsfähig ausgestat-
tet. […] Der Generalinspekteur und sein Stab ha-
ben den Auftrag, den Minister urteilsfähig zu ma-
chen. Für sein Urteil selbst ist aber er verantwort-
lich. Das ist die Situation, wie ich sie beurtei-
le.“1145
In der öffentlichen Stellungnahme des Ministers vom 6.
November 2009 heißt es:
„Meine Damen und Herren […]
Ich will vorausschicken, dass ich den Generalin-
spekteur beauftragt hatte, eine Bewertung dieses
Berichts vorzunehmen. Und ich selbst komme zum
Schluss, dass ich keinen Zweifel an der Einschät-
zung des Generalinspekteurs hege, nämlich dass
die Militärschläge und die Luftschläge vor dem
Gesamtbedrohungshintergrund als militärisch an-
gemessen zu sehen sind.
Ich setzte neben diese militärische Betrachtung
und Einschätzung einen wichtigen politischen
Punkt, nämlich den, dass der Bericht zu dem
Schluss kommt, dass es Verfahrensfehler gab, dass
es in gewissen Bereichen Ausbildungsmängel gab,
dass es Fragestellungen bei der Auswertung etwa
von Rules of Engagement und anderen Dingen gab
1141) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 51 f.
1142) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8, 41; Schneiderhan,
Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 36, 41, 50; Abzeichnung von zu Gut-
tenberg am 11. November 2009 (Dokument 154), Bl. 310.
1143) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 15, 32, 36; zu Gutten-
berg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.
1144) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 26 f.
1145) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.
Drucksache 17/7400 – 150 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und dass es wichtig ist für die politische Führung,
dass man solche Verfahrensmängel nicht ver-
schweigt, dass man über sie spricht, dass man sich
auch mit dem Parlament über diese austauscht und
insbesondere, dass man daraus die entsprechenden
Konsequenzen zieht, national, aber auch interna-
tional mit Blick auf die NATO.
Ich darf allerdings auch sagen, dass ich nach mei-
ner Einschätzung zu dem Schluss komme: Selbst
wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hät-
te es zum Luftschlag kommen müssen. Das ist eine
Abwägung vieler Umstände. Das ist eine Abwä-
gung, die sich darauf begründet, dass wir jetzt die
Möglichkeit hatten, über Tage hinweg diese Be-
wertung vorzunehmen. Das ist übrigens etwas, was
sich sehr davon unterscheidet, ob jemand nur ei-
neinhalb Stunden Zeit hat, all diese Fragen und
Bewertungen vorzunehmen. Und ich selbst komme
allerdings auch dann zu diesem Schluss.
Ich will an dieser Stelle auch noch einmal sagen,
obgleich die Berichte widersprüchlich sind, was
die zivilen Opfer anbelangt – auch der Bericht, der
vom COM ISAF kommt – dass ich persönlich da-
von ausgehe, dass es zivile Opfer gab – wir haben
heute ja auch noch mal einen Bericht des Roten
Kreuzes bekommen – und dass ich jedes unbetei-
ligte Opfer, jedes zivile Opfer von Herzen und zu-
tiefst bedaure. Es ist wichtig, darauf noch einmal
hinzuweisen, auch wenn keine letzte Gewissheit
laut Berichten gegeben sein mag. Ich selbst gehe
davon aus. Und auch diesbezüglich ist es wichtig,
künftig alles zu tun, dass zivile und unbeteiligte
Opfer vermieden werden können.“1146
Der Zeuge zu Guttenberg hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss zum damaligen Geschehen vorgetragen:
1147
„Ich bin bei meiner Erstbewertung, dieser Erstbe-
wertung am 6. November, von drei entscheidenden
Punkten ausgegangen, die ich auch zu Kernaussa-
gen meiner damaligen Stellungnahme gemacht ha-
be:
Erstens. Es gab Opfer unter Unbeteiligten.
Zweitens. Bei dem Luftschlag wurden ISAF- und
NATO-interne Verfahrensbestimmungen verletzt.
Drittens. Der Luftschlag sei, auch bei Annahme
von Verfahrensverstößen und unbeteiligten Op-
fern, gleichwohl als militärisch angemessen zu be-
urteilen, und es hätte auch bei Hinwegdenken der
unbestrittenen Verfahrensfehler zu dem Luftschlag
kommen müssen.“1148
Seine Wertung, der Angriff sei „militärisch angemessen“
gewesen, habe auf der fachlichen Beratung des Verteidi-
gungsministeriums beruht. Ihm sei vermittelt worden,
1146) Pressestatement des Ministers zu Guttenberg zum COM ISAF-
Bericht vom 6. November 2009 (Dokument 155).
1147) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5 ff.
1148) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5.
sowohl die militärische Führung als auch die zivile Spitze
des Hauses seien sich völlig einig gewesen:
„Wie kam ich damals zu dieser Einschätzung als
‚angemessen„? […] Sie beruhte auf der mir gege-
nüber einvernehmlich erfolgten Beratung der da-
maligen militärischen und zivilen Spitze im Bun-
desministerium der Verteidigung. Nach einer Wo-
che im neuen Amt war ich auf das Urteil, die Bera-
tung und die fachliche Einschätzung meines Hau-
ses angewiesen, und ich sah auch keinen Anlass,
an dieser Expertise zu zweifeln. […] Staatssekretär
Wichert und General Schneiderhan erklärten ein-
vernehmlich, dass sie den Luftschlag auch im
Lichte des NATO-Untersuchungsberichts als mili-
tärisch angemessen bewerten. […] Bei mir ent-
stand der Eindruck, dass sich die militärische Füh-
rung, aber auch Staatssekretär Dr. Wichert über die
Bewertung des Luftschlages völlig einig waren
und auch den COM ISAF-Bericht so verstanden,
dass er diese Bewertung zumindest nicht infrage
stellte. Anlass für weitere Untersuchungen bestand
zu diesem Zeitpunkt somit nicht. Mir gegenüber
wurde aber auch in keiner Weise weiterer Hand-
lungsbedarf erwähnt. Mir schien die Lage auch
deshalb relativ klar zu sein, da die Fachebene des
Hauses schon nach nur einer Nacht zu einer so
eindeutigen Bewertung gekommen war […].“1149
Er habe den Eindruck gehabt, diese Einschätzung werde
auch von dem COM ISAF-Bericht gestützt. Jedenfalls
habe sich dies aus der von ihm erbetenen Auswertung
durch den Einsatzführungsstab ergeben.
1150
Ihm sei ver-
mittelt worden, die ministeriumsinterne Auswertung
pflichte dem ISAF-Bericht bei. Nur in drei Punkten habe
es Abweichungen gegeben: Die Beteiligung der Task
Force 47, ob der Informationsstand des Kommandeurs
zureichend war und ob der Luftangriff der Intention der
übergeordneten ISAF-Führung entsprach. Hierzu hätten
aber „begründete Positionen“ des eigenen Ministeriums
vorgelegen.
1151
„Angesichts der Aussagen insbesondere in der Ab-
schlussbewertung des NATO-Berichts waren für
mich allerdings die mir gegenüber bereits geäußer-
ten Einschätzungen des Generalinspekteurs und
von Herrn Wichert trotz einiger Fragezeichen nicht
völlig fernliegend, nämlich dass im Rahmen einer
militärisch-operativen Bewertung die Fachleute
meines Hauses, deren Urteil ich, wie erwähnt, bis
dahin lediglich mündlich vorgetragen bekommen
hatte, letztendlich zu dem Schluss kamen, der
Luftschlag sei insgesamt militärisch angemessen
gewesen.
Am 3. November 2009, nach meiner Rückkehr
nach Berlin, erhielt ich die geforderte schriftliche
Auswertung des ISAF-Untersuchungsberichts
1149) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5.
1150) Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luftangriff
(Fn. 1115), Bl. 3 ff.
1151) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 151 – Drucksache 17/7400
durch den Einsatzführungsstab. An deren Erarbei-
tung hatten auch andere zuständige Abteilungen
des Ministeriums mitgewirkt. Damit, meine Da-
men und Herren, lag eine einvernehmliche Bewer-
tung der militärischen und zivilen Spitze des
BMVg vor. Auf acht Seiten wurden darin die
Kernaussagen sowie die Empfehlungen des Be-
richts zusammenfassend dargestellt und jeweils
mit einer Bewertung durch das Ministerium verse-
hen.
Dieses Papier war nicht Ergebnis eigenständiger
Untersuchungen des Vorgangs. Es setzte sich aus-
schließlich mit dem NATO-Untersuchungsbericht
auseinander. Dabei floss selbstverständlich der mi-
litärische Sachverstand des BMVg in die Bewer-
tung ein. Auf andere nationale oder internationale
Dokumente außer dem NATO-
Untersuchungsbericht wurde jedoch nicht Bezug
genommen.
Diese Auswertung – ich gehe davon aus, dass sie
dem Ausschuss inzwischen vorliegt – war seiner-
zeit das erste durch mein Ministerium erstellte Do-
kument zum Luftschlag von Kunduz, das mir vor-
gelegt wurde. Kern der Bewertung war, dass – ich
zitiere –
'der Kommandeur PRT Kunduz trotz einiger Ver-
fahrensfehler auf der Grundlage der ihm zum da-
maligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden In-
formationen und vor dem vorliegenden Bedro-
hungshintergrund militärisch angemessen gehan-
delt habe.'
Damit entsprach die Vorlage genau der Auffas-
sung, die mir Staatssekretär Dr. Wichert und Gene-
ral Schneiderhan bis dahin in ihren mündlichen
Vorträgen vermittelt hatten. Entscheidend war für
mich nach der Lektüre, dass die ministeriumsinter-
ne Auswertung im Grundsatz den Bewertungen
und Empfehlungen des ISAF-Berichts beipflichte-
te – den Bewertungen und Empfehlungen. Weder
gab es Kritik am Vorgehen und an den Ergebnis-
sen der NATO-Untersuchung, noch wurde auf Wi-
dersprüche und Unschlüssigkeiten im COM ISAF-
Bericht hingewiesen. Ich hatte somit auch nicht
den Eindruck, dass weiterhin Unklarheiten bestan-
den, noch stellte sich mir demzufolge das Erfor-
dernis weiterer Untersuchungen dar.
In drei Aspekten, meine Damen und Herren, setzte
die Auswertung des Ministeriums kontrastierende
bzw. abweichende Akzente gegenüber der NATO-
Untersuchung. Ich will hierauf kurz eingehen, bitte
aber um Verständnis, dass ich die Einstufung des
COM ISAF-Berichts und auch den nach wie vor
bestehenden Charakter der Auswertung als VS-
NfD-Dokument berücksichtigen muss; daher nur
so viel, wie in öffentlicher Sitzung gesagt werden
kann.
1152
Zum Ersten. Der ISAF-Bericht erwähnt mehrere
Male die Task Force 47 und erläutert, dass es sich
dabei um Spezialkräfte handle. Nach der Auswer-
tung des Ministeriums könnte durch diese Passage
der Eindruck entstehen, dass das KSK an der Ope-
ration beteiligt war. Dies sei so jedoch nicht der
Fall gewesen. Ich erinnere mich, diesen Umstand
auch explizit nachgefragt zu haben. Die Sensibili-
tät eines KSK-Einsatzes war mir als langjährigem
Mitglied des Auswärtigen Ausschusses durchaus
bekannt. Ich erhielt von Staatssekretär Dr. Wichert
nach meiner Erinnerung die eindeutige Antwort,
dass es sich nicht um einen KSK-Einsatz gehandelt
habe.
Zum Zweiten. Die Auswertung zeigte weiterhin
auf, dass in der NATO-Untersuchung die dem
Kommandeur des PRT Kunduz zum Zeitpunkt des
Ereignisses vorliegenden Informationen – so ge-
nannte Intelligence-, Intel-Informationen – als un-
zureichend für ein solch komplexes Szenario ge-
wertet wurden. In diesem Zusammenhang wird in
der Auswertung des Ministeriums darauf hinge-
wiesen, dass die Beurteilung der Lage vor Ort al-
lein dem Kommandeur des PRT zustehe und kein
Zweifel daran bestehe, dass sein Verhalten auf
Grundlage seines Gesamtlagebildes militärisch an-
gemessen war.
Zum Dritten wird darauf hingewiesen, dass nach
dem NATO-Bericht ein Luftangriff auf eine große
Ansammlung von Menschen, ohne dass eine be-
vorstehende Bedrohung für die eigenen Truppen
vorliege, und auf der Grundlage nur einer Informa-
tionsquelle nicht in Übereinstimmung mit Intent
and Guidance, also der, wie wir im deutschen mili-
tärischen Sprachgebrauch sagen, Absicht der über-
geordneten Führung des COM ISAF stehe.
Dieser Aussage im NATO-Bericht wurde die Be-
wertung gegenübergestellt, dass der Luftangriff
zum damaligen Zeitpunkt gleichwohl militärisch
angemessen war und dem Schutz der afghanischen
Bevölkerung galt. Der Kommandeur PRT Kunduz
sei infolge der allgemeinen Gefährdungslage zu
einer richtigen Lagebeurteilung gekommen, und
bei der Abwägung zwischen dem COM ISAF In-
tent und dem aktiven und passiven Schutz
deutscher Soldaten werde von deutschen Kom-
mandeuren erwartet, dass sie die nationalen Vor-
gaben umsetzen.
Meine Damen und Herren, ich konnte nach alldem
davon ausgehen, dass die Sachverhaltsdarstellung
im NATO-Bericht, aber auch ein Großteil der dort
getroffenen Bewertungen und Empfehlungen von
den zuständigen Fachleuten meines Hauses geteilt
1152) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 7.
Drucksache 17/7400 – 152 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wurden. In den Fällen, in denen Wertungsunter-
schiede erkennbar wurden – der Frage ausreichen-
der Informationen und der so genannten über-
geordneten Absicht des COM ISAF –, lagen be-
gründete Positionen des eigenen Ministeriums vor,
wonach der Luftschlag gleichwohl militärisch an-
gemessen sei.“1153
Unmittelbar vor der Äußerung sei er schriftlich mittels
Unterlagen des Einsatzführungsstabes sowie mündlich
durch den stellvertretenden Generalinspekteur General-
leutnant Dora vorbereitet worden. Beides habe die Ein-
schätzung „militärisch angemessen“ nochmals bestätigt:
„Am 6. November fand die Unterrichtung der
Bundestagsfraktionen statt. Zur Vorbereitung er-
hielt ich die in Verantwortung des Generalinspek-
teurs vom Einsatzführungsstab erstellten Unterla-
gen. In diesen Unterlagen, also in diesen neu ers-
tellten Unterlagen, wurde wiederum klar und un-
missverständlich darauf hingewiesen, dass der
Kommandeur des PRT Kunduz auf der Grundlage
seines damaligen Lagebildes militärisch nachvoll-
ziehbar gehandelt habe und dies militärisch zum
Schutz deutscher Soldaten angemessen gewesen
sei.
Diese Darstellung, die voll auf der bisherigen Li-
nie lag, hat mir General Dora in einem Vorgesp-
räch nochmals unterbreitet. Auf dieser Grundlage
hat Generalleutnant Dora dann auch die Vertreter
der Fraktionsvorsitzenden am 6. November 2009
unterrichtet.“1154
Seine Formulierung, „der Luftschlag hätte auch bei Ein-
haltung aller Verfahrensbestimmungen erfolgen müssen“,
sei über die fachliche Beratung des Hauses hinausgegan-
gen und stamme von ihm persönlich. Weder Schneider-
han noch Dora hätten hiergegen Einwände vorgebracht.
Er habe damit Verständnis für Oberst Klein zum Aus-
druck bringen wollen.
„In diesem Zusammenhang hatte ich unter ande-
rem die später zu Recht kritisierte, weil missver-
ständliche Formulierung gewählt, der Luftschlag
hätte auch bei Einhaltung aller Verfahrensbestim-
mungen erfolgen müssen. Mit dieser Formulie-
rung, die mir nicht vorgeschlagen wurde, sondern
von mir persönlich stammt, wollte ich mein dama-
liges Verständnis der Bewertung des Verhaltens
von Oberst Klein zum Ausdruck bringen.
Ich habe die Bewertungen des Einsatz-
führungsstabes auch unter Berücksichtigung des
COM ISAF-Berichts so verstanden, dass bei der
Anordnung des Luftschlages zwar Verfahrensfeh-
ler erfolgten, diese aber für den Luftschlag nicht
zwingend ursächlich gewesen sind. Anders gesagt:
Auch wenn Oberst Klein alle Regularien beachtet
hätte, wäre er unter militärischen Gesichtspunkten
1153) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 7.
1154) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.
zur gleichen Entscheidung gekommen. Zudem
musste ich nach der Facheinschätzung meines
Hauses davon ausgehen, dass sich für Oberst Klein
keine Alternative zu dem Luftschlag stellte. Nach
meiner damaligen Einschätzung wäre es also auch
bei der Beachtung der Verfahrensvorschriften zu
dem Luftschlag gekommen.
Allein General Dora stellte ohne weitere Begrün-
dung die Frage, ob es dieser zusätzlichen – dieser
zusätzlichen – Formulierung bedürfte. Ich gab ihm
meine Begründung und fragte, ob er etwa eine an-
dere militärische Einschätzung habe als die mir
dargestellte, was er ausdrücklich verneinte. Etwai-
ge Alternativen für Oberst Klein wurden von Ge-
neral Dora nicht erwähnt, und an der militärischen
Angemessenheit des Handelns ließ auch er keinen
Zweifel.
Ich berichtete ihm noch von einem Telefonat, das
ich am Vorabend mit General Schneiderhan ge-
führt hatte, der sich zu diesem Zeitpunkt auf einer
Dienstreise in Bratislava befand. Dabei hatte ich
mich mit General Schneiderhan auf diese Linie
und den konkreten Wortlaut verständigt und ihm
auch mitgeteilt, dass ich so gegenüber der Öffent-
lichkeit zu argumentieren beabsichtige. Wohlge-
merkt: General Schneiderhan äußerte mir gegenü-
ber keinerlei Einwände, auch nicht bezüglich einer
der Formulierungen.
1155
Meine Damen und Herren, meine der Öf-
fentlichkeit vorgetragene Bewertung am
6. November beruhte auf einer eindeutigen, un-
missverständlichen Fachberatung, auf die ich in
der ersten Woche meiner Amtszeit fraglos ange-
wiesen war, die allerdings lediglich den
COM ISAF-Bericht mit seinen Anlagen zur
Grundlage hatte. Hinweise über den an diesem Tag
eingegangenen IKRK-Bericht hinaus auf andere
Berichte, auf andere Untersuchungen, auf Meldun-
gen, insbesondere auch zu nationalen Einschät-
zungen oder Berichten, gab es zu keinem Zeit-
punkt. Weder gab es durch das Ministerium Hin-
weise auf militärische Alternativen, die Oberst
Klein gehabt hätte, noch auf andere, auch abwei-
chende Einschätzungen und Beurteilungen zur
Frage der Angemessenheit.“1156
Später in der Vernehmung hat der Zeuge zu Guttenberg
bekundet, er habe den Text, den er der Presse geben woll-
te, Schneiderhan am Vorabend wörtlich vorgelesen.
„Also, auf jeden Fall erinnere ich mich, dass ich
die wesentlichen Sätze ihm wörtlich vorgelesen
habe. […] Das war ein Gespräch – ich kann mich
jetzt nicht mehr an jedes letzte Detail dieses Ge-
spräches erinnern –, wo wir über diesen morgigen
Tag gesprochen hatten, wo ich ihm insbesondere
auch noch mal gesagt habe, in welche Richtung, in
1155) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.
1156) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153 – Drucksache 17/7400
welche Stoßrichtung es gehen kann und gehen
sollte. Und dann habe ich ihm diese Sätze vorgele-
sen, und er hat diese Sätze – In keiner Form gab es
diesbezüglich eine Korrektur oder einen Hinweis
noch, dass er mit diesen Sätzen nicht leben könnte
oder dass das falsch wäre oder dass das in irgen-
deiner Form für ihn nicht vertretbar sei. […] Einen
Hinweis kann ich noch machen, […] dass dieser
Zusatz, dieser Satz einer war, den ich selbst hinzu-
gefügt habe […], der sozusagen nicht der militäri-
schen und politischen Beratung meines Hauses
entspringt. Den habe ich selbst hinzugefügt. […]
Aber diesen Satz habe ich General Schneiderhan
definitiv mit vorgelesen. In meiner Erinnerung ist
das sehr sicher.“1157
„[…] Ich habe ihm in diesem Gespräch auch den
zusätzlichen Passus ‚hätte kommen müssen„ vor-
gelesen.“1158
Dass sich der Minister am Vorabend mit ihm abgestimmt
haben soll, daran konnte sich der damalige Generalin-
spekteur nicht erinnern:
„Der Minister hat mich abends angerufen […] und
mir gesagt, dass er vor die Presse geht. […]1159 Der
Minister hat mir gesagt, dass er sich mit meiner
Linie weiterhin identifiziert, die ich da gesagt ha-
be. An weitere Abstimmungen oder Vorlesen von
etwas kann ich mich nicht erinnern. Es wurde mir
auch nicht gesagt: ‚Passen Sie auf, ich gehe da
noch ein Stück weiter. Tragen Sie das mit?„, oder
Ähnliches. Das habe ich nicht zur Kenntnis ge-
nommen. Es war ein allgemeines Gespräch am
Mobiltelefon. Ich war alleine. Ich weiß nicht, ob
beim Minister jemand mitgehört hat; das kann ich
alles nicht beantworten. Aber es war kein Ab-
stimmungsgespräch.“1160
„Wenn ich die Berichterstattung nach der Anhö-
rung des Herrn Minister richtig interpretiere, hat
der Minister ja auch immer wieder selbst gesagt –
so die öffentliche Berichterstattung –, dass der
Passus ‚hätte stattfinden müssen, auch bei Verfah-
rensfehlern„ nicht auf militärischen oder zivilen
Rat des Hauses zurückgeht; so ist zumindest die
Berichterstattung gewesen. Das würde ja nicht
stimmen, wenn er sich sozusagen im Telefonat mit
mir doch abgestimmt hätte. Das wäre ja eine Bera-
tung von mir gewesen, auch wenn es nur eine ge-
wesen wäre ohne Widerspruch.“1161
Er habe ganz genau gewusst, dass es hier auf eine präzise
Wortwahl ankomme.
1162
Es habe seinerseits keine Emp-
1157) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 69 f.
1158) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 52.
1159) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 30.
1160) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 21.
1161) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 21.
1162) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 21.
fehlungen gegeben und er habe auch keine Kenntnis sol-
cher aus dem Einsatzführungsstab.
1163
1163) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 42.
Drucksache 17/7400 – 154 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
E. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts“ und Neubewertung des Luftangriffs
I. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts”
Am 26. November 2009 behauptete die Bild-Zeitung,
einen bislang geheim gehaltenen Bericht der deutschen
Militärpolizei exklusiv vorliegen zu haben.
1164
Dieser
beweise, dass das Bundesministerium der Verteidigung
von Anfang an klare Hinweise auf zivile Opfer sowie auf
unzureichende Aufklärung vor dem Bombenabwurf ge-
habt habe.
In der gleichen Ausgabe wurde der damalige Verteidi-
gungsminister zu Guttenberg zitiert:
„Sollten mir zu Kunduz nicht alle relevanten In-
formationen aus der Legislaturperiode vorgelegt
worden sein, werde ich unverzüglich Konsequen-
zen ziehen müssen.“1165
Der Zeuge Bundesminister zu Guttenberg hat dem Unter-
suchungsausschuss dargestellt, wie er Kenntnis von der
Existenz des „Feldjägerberichts“ erlangte:
„Am Morgen des 25. November erfuhr ich durch
meinen Sprecher, Herrn Moritz, dass die Bild-
Redaktion im Besitz eines deutschen Berichtes
über den Luftschlag sei, der von den Feldjägern
stamme und mit dem Vermerk ‚Nur Deutschen zur
Kenntnis„ gekennzeichnet sei. Dieser Bericht gäbe
Anlass für eine Berichterstattung, die den Luft-
schlag in einem gänzlich neuen Licht erscheinen
lasse. Er teilte mir mit, dass er bereits am Tag zu-
vor einen ersten Hinweis erhalten habe, dass die
Bild-Zeitung auf der Grundlage neuer Informatio-
nen, bei denen es sich auch um ein brisantes
deutsches Dokument handeln solle, eine aktuelle
Berichterstattung zu dem Kunduz-Vorfall erwäge.
Laut Herrn Moritz wurde dies damals nicht näher
konkretisiert.
Ich konnte mir zunächst keinen Reim darauf ma-
chen. Bislang war ich der Auffassung gewesen,
dass ich vollumfänglich über den Luft-Boden-
Einsatz informiert worden sei und mir alle relevan-
ten Dokumente im Zusammenhang damit vorge-
legt worden wären. Erst gegen Mittag, nachdem
ich aus dem Bundestag – ich glaube, aus dem Ver-
teidigungsausschuss – zurückgekehrt war, fragte
ich beim Leiter des Planungsstabes, Herrn
Dr. Schlie, nach einem entsprechenden Dokument,
das offensichtlich der Bild-Zeitung vorlag. Doch
dieser erklärte, hiervon keine Kenntnis zu haben.
Er sei bereits gestern Abend von meiner Büroleite-
rin, Frau Bastek, darauf angesprochen worden. Im
Planungsstab läge ein solches Dokument jedoch
nicht vor.
1164) Bild-Zeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime
Bomben-Video der Bundeswehr“ (Dokument 156).
1165) Bild-Zeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime
Bomben-Video der Bundeswehr“ (Fn. 1164), „Guttenberg leitet
Untersuchung ein“ (Fn. 1171).
Zu diesem Gespräch mit Dr. Schlie stieß dann
mein Adjutant Oberst Braunstein hinzu. Er sei bei
Nachfragen darauf gestoßen, dass es sich dabei
möglicherweise um einen ‚Feldjägerbericht„ mit
Anlagen handeln könne, der aber eingestuft sei.
Dr. Schlie zeigte sich in dem Gespräch sehr ver-
wundert, dass ein solcher nationaler Bericht exis-
tiere. Er teilte mir in diesem Zusammenhang mit,
dass der Planungsstab schon kurz nach dem
4. September angeregt hatte, den gesamten Vor-
gang einer nationalen Untersuchung zuzuführen.
Dies sei von meinem Amtsvorgänger auf aus-
drückliche Empfehlung von Staatssekretär
Dr. Wichert und General Schneiderhan, die expli-
zit keine nationale Untersuchung wünschten, abge-
lehnt worden.
Die Erstellung nationaler Untersuchungsberichte
sei demzufolge ausdrücklich untersagt gewesen.
[…], das war eine Aussage, die mich, gelinde ge-
sagt, verwunderte. Vom Dissens zwischen Pla-
nungsstab auf der einen sowie Staatssekretär und
Generalinspekteur auf der anderen Seite erfuhr ich
erstmalig in diesem Zusammenhang.“1166
II. Personelle Konsequenzen
1. Gespräch im Ministerbüro am 25. Novem-
ber 2009
Am 25. November 2009 kam es daher zu einem Gespräch
zwischen Minister zu Guttenberg, Staatssekretär
Dr. Wichert und General Schneiderhan im Ministerbüro.
Dieses war im Nachhinein Gegenstand breiter Berichters-
tattung, die unterschiedliche Versionen des Gesprächsver-
laufs darstellte.
1167
Der Minister habe laut eigener Darstel-
lung mehrmals nach der Existenz weiterer Berichte, die
den Luftschlag vom 4. September betreffen, fragen müs-
1166) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 9.
1167) Statt vieler: Frankfurter Allgemeine vom 14. Dezember 2009,
„Was sagten Schneiderhan und Wichert dem Minister wirklich?“
(Dokument 157); Die Zeit vom 17. Dezember 2009, „Da sagt er
die Unwahrheit“ (Dokument 158); Spiegel vom 30. November
2009, „Die Schweigespirale“ (Dokument 160, Anm.: Im Rahmen
einer gerichtlichen Auseinandersetzung über diesen Artikel vor
dem Landgericht Köln erklärten die beklagte Spiegel-Verlag Ru-
dolf Augstein GmbH & Co. KG sowie der beklagte Georg Masco-
lo am 9. März 2011 vergleichsweise: „Nachdem nach dem Ergeb-
nis des Kundus-Untersuchungsausschusses auch für den
SPIEGEL feststeht, dass auf entsprechendes Nachfragen die Exis-
tenz weiterer Berichte nicht geleugnet, sondern solche Berichte
erwähnt wurden, Herr Dr. Wichert insofern mithin nicht gelogen
hat, erklären die Beklagten, dass sie sich verpflichten, es zu unter-
lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, ‚Guttenberg
fragt Schneiderhan und Wichert noch einmal. Als beide wieder
leugnen, entlässt er sie‟, wie im Beitrag ‚Die Schweigespirale‟
[…] des SPIEGEL geschehen.“); Spiegel vom 1. Februar 2010,
„Ein deutsches Verbrechen“ (Dokument 159).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155 – Drucksache 17/7400
sen.
1168
Er habe kurz zuvor von der Bild-Zeitung erfahren,
dass ein weiterer, ein geheim eingestufter Bericht der
deutschen Feldjäger in Kunduz, existiere. Eine andere
Version stellt dar, weder Schneiderhan noch Dr. Wichert
hätten den „Feldjägerbericht“ für erwähnenswert gehal-
ten.
1169
Auch die Anzahl der während des Gespräches
anwesenden Personen wurde unterschiedlich dargestellt.
Der Untersuchungsausschuss hat versucht, die Umstände
und den Verlauf des Gespräches vom 25. November 2009
im Ministerbüro zu ermitteln.
a) Darstellung General a. D. Schneiderhan
In seiner ersten Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-
schuss hat der ehemalige Generalinspekteur der Bundes-
wehr, General a. D. Schneiderhan, den Ablauf der Unter-
redung wie folgt dargestellt:
„Ich wurde gegen 14 Uhr aufgefordert, um
14.20 Uhr im Ministerbüro zu sein; es wurden mir
keine Gründe genannt.“1170
„Ich war um 14.19 Uhr im Vorzimmer Minister
und traf dort auf Staatssekretär Wichert, der auch
nicht wusste, warum wir zum Minister gerufen
wurden. Dieses Ministergespräch wurde eröffnet
mit Hinweisen des Bundesministers auf die große
Verantwortung, die er übernommen hat durch die
Presseerklärung zugunsten von Klein, und wie er
sich vor Klein gestellt habe. Große politische Ver-
antwortung, hat der Minister uns beiden, Wichert
und mir, noch mal erzählt.
Dann hat der Minister hingeführt zur Frage, ob es
noch andere Berichte gäbe als diesen COM ISAF-
Bericht. Es war eine nicht ganz klare Situation,
weil die Frage auch nicht ganz klar war. Und es
gab eine erste Antwort von Staatssekretär Wichert,
die hieß: Nein, wir haben keine nationalen Ermitt-
lungen geführt. – Dann hat der Minister noch ein-
mal eine Frage gestellt, und dann habe ich ge-
merkt, dass der Minister was anderes meint, näm-
lich Berichte zwischen Luftschlag und
COM ISAF-Bericht. Das war eine erste, für mich
unklare Runde, weil ich nicht präzise gefragt wur-
de, sondern selber herausfinden musste – und das
ging Wichert auch ähnlich -: Was liegt hier an? –
Das war ja aus dem blauen Himmel. Wir waren
gerade eben noch zusammen im Ausschuss, kein
Hinweis, kein gar nichts; wir haben nie mehr über
ISAF gesprochen. Und nun war die Frage.
Und dann habe ich drei Berichte genannt. Erstens
die Meldung von Klein, zweitens den ‚N.-Bericht„
und drittens den ‚Feldjägerbericht„. Und da sagte
der Minister: Ja, dann muss es wohl bei der Bild-
1168) Spiegel vom 30. November 2009, „Die Schweigespirale“ (Fn.
1168).
1169) Spiegel vom 30. November 2009, „Die Schweigespirale“ (Fn.
1168).
1170) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 16.
Zeitung um diesen Bericht gehen. – Dann war de-
finiert, um welchen Bericht es geht, an der Stelle.
Und dann hat Wichert nachgeschoben: Und den
Rot-Kreuz-Bericht. – Das erwähne ich deshalb,
weil die Unklarheit der Situation deutlich wurde;
denn jetzt hätte der Minister oder der Schneider-
han sagen müssen: Um den kann es ja nicht gehen,
den kannte der Minister ja. – Der ist aber wider-
spruchslos erwähnt worden als Bericht, den es
auch noch gibt, obwohl er schon bekannt war. Ich
will nur skizzieren, dass die Lage nicht so eindeu-
tig war.
Also, es ging um den ‚Feldjägerbericht„. Ich habe
dann erzählt, vorgetragen, dass ich dem Minister
Jung den ‚Feldjägerbericht„ vorgestellt habe und
der auf meine Empfehlung hin den ‚Feldjägerbe-
richt„ zur NATO gegeben habe. Das war es. Wir
bekamen dann den Auftrag, nun so schnell wie
möglich die in Rede stehenden Berichte – also die
drei, die ich nun schon mehrfach genannt habe –
dem Minister vorzulegen und uns für ein Gespräch
bereitzuhalten.
Ich bin zurück ins Büro. Wie das dann so ist. Die,
die das Militär kennen, wissen, wie das jetzt geht:
Alles halt. Neue Lage. Ich brauche sofort. – Dann
haben die mich gefragt: Was ist jetzt los? Dann
habe ich es erklärt, und dann haben die begonnen,
zu arbeiten. Ich bin noch mal zu Wichert, um zu
versuchen, abzustimmen, dass der jetzt nicht den-
selben Auftrag noch mal gibt und der Stab endgül-
tig ins Schleudern gerät. Kurz vor 17 Uhr hat das
Büro Wichert dem Minister gemeldet, dass wir ge-
sprächsfähig seien.
Ich wurde kurz vor 17 Uhr für 17 Uhr ins Minis-
terbüro gerufen. Mein Oberst folgte mir mit flie-
henden Rockschößen und diesem Aktenordner mit
diesen Berichten. Im Vorzimmer des Ministerbü-
ros wurde ich getrennt von Oberst und Bericht, in-
dem die Leiterin des Ministerbüros dem Oberst ge-
sagt hat: Legen Sie den Bericht da hin. – Und ich
wurde ins Ministerbüro geschoben, und die Türe
ging zu.
Und da habe ich erfahren, dass wir ein gestörtes
Vertrauensverhältnis haben, was dem Minister
sehr weh tut und leid tut. – Ich habe dann gesagt:
Dann müssen wir jetzt eine Lösung finden. – Und
die Lösung kennen Sie.“1171
Sein Entlassungsgesuch habe er dann selbstständig ver-
fasst:
„Herr Minister, Sie haben Ihre Erklärung vom
6.11.09 zum Luft-Boden-Einsatz in Kunduz [am
4.9.] auf der Grundlage des Abschlussberichts
COM ISAF abgegeben. Andere Zwischenberichte,
Berichte und Meldungen wurden Ihnen nicht vor-
gelegt. Dafür übernehme ich die Verantwortung.
1171) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 16.
Drucksache 17/7400 – 156 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Deshalb bitte ich Sie, mich von meinen Dienst-
pflichten zu entbinden und in den Ruhestand zu
versetzen.
Mit respektvollen Grüßen
Wolfgang Schneiderhan“
Er habe diesen Bericht bewusst im Passiv geschrieben,
weil er ja nicht agiert habe in dieser Woche, sondern sein
Stab in seiner Abwesenheit.
„Also nicht ich habe nicht vorgelegt, sondern: Es
wurden.“1172
Anwesend bei dem Gespräch waren nach seiner Wahr-
nehmung der Minister, die Leiterin Ministerbüro, Staats-
sekretär Dr. Wichert und er selbst. Die Leiterin Minister-
büro habe sich Notizen gemacht.
Ihm sei auch die neue Sitzordnung aufgefallen. Dort, wo
sonst der Minister gesessen habe, habe die Leiterin Minis-
terbüro gesessen, während der Minister mit dem Rücken
zur Wand gesessen habe.
1173
Erst vier Monate später habe er aus der Bild-Zeitung er-
fahren, dass der Adjutant des Ministers, Oberst Braun-
stein bei dem Gespräch dabei gewesen sei.
1174
„Ich habe den Oberst Braunstein nicht registriert,
und ich habe ihn bis heute nicht auf meinem Bild-
schirm. Ich kann mich martern in der Vorbereitung
auf diese Sitzung, solange ich will: Er taucht für
mich nicht in meiner Erinnerung auf. Das ist der
Sachverhalt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Wenn der Herr Braunstein sagt, dass er da war,
dann habe ich da eben nicht aufgepasst und habe
ihn nicht gesehen, und ich habe eine schlechte
Erinnerung oder wie Sie das interpretieren. Wie es
interpretiert wird, habe ich ja schon gelesen in der
Bild-Zeitung; das ist damit auch klar. Dass es auch
benutzt wird, Schwächen meiner Erinnerung zu
dokumentieren, das habe ich alles verstanden.
Darüber muss man mit mir nicht streiten; das ist
so. Ich habe den Oberst an diesem Nachmittag
nicht registriert; so ist das. Mehr kann ich dazu
nicht sagen.“1175
b) Aufzeichnungen der Leiterin Ministerbüro
Im Rahmen seiner Beweisaufnahme hat der Ausschuss
die handschriftlichen Notizen, die die Leiterin Minister-
büro während des Gespräches anfertigte, beigezogen
1176
und in die Beweisaufnahme mit einfließen lassen. Oberst
Braunstein wurde dort als einer der Anwesenden aufge-
führt.
1172) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 17.
1173) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 25.
1174) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 19.
1175) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 20.
1176) Beweisbeschluss 17-179; Schreiben BMVg vom 9. Juni 2010
(Dokument 161).
Den Gesprächsverlauf hielt die Büroleiterin wie folgt
fest:
1177
„25. 11.
BM, St W, GI
O Braunstein
BM
Grundl. seiner Einlassungen war COM ISAF-
Bericht.
Gibt es weitere Berichte?
Pause
St W
Außerdem noch Bericht d. Intern. Roten Kreuzes.
Kenne keinen weiteren Bericht.
GI
Weist auf die 1. Meldung von Oberst Klein hin.
BM
Gibt es einen nationalen U-Bericht?
St W
BM J. hat ang. keinen eigenen Bericht.
Es gibt keine eigenen Quellen.
BM
COM ISAF-Bericht hat mehrere Quellen.
Was haben wir dazu beigetragen.
St W
Es gab Zuarbeit von deutschen Soldaten.
Rechtsberater in Uniform –
Regularien der NATO …
BM
Gab es keine mündl. od. schriftl. Berichte?
GI
Meinen Sie den N[…]-Bericht oder Untersu-
chungsteam von Gen Maj. Sullivan
BM
Hat es von unserer Seite vor Ort eine Untersu-
chung gegeben?
GI
Es gab einen „ungefragten Bericht“ von Feldjä-
gern. Bericht -> sehr ungünstig für O. Klein.
BM
Wer hat Kenntnis vom Feldjägerbericht?
GI
1177) Bastek, handschriftliche Notizen (Fn. 1176, Dokument 161).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 157 – Drucksache 17/7400
Muss ich überprüfen, ob Bericht weitergeleitet
wurde.
BM
Der FeldJgBericht soll Medium vorliegen.
Ist von großer Relevanz für meine Bewertung.
GI
Bericht sei nicht über das hinaus gegangen, was im
ISAF-Bericht stand.
GI
Gespräch im Kunduz mit Sullivan.
Treffen mit Klein im Maritim Bonn
BM
Bitte Vorlage gesamtes Material, insb. Feldjäger-
bericht
Darstellung Abläufe d. Berichte.
Muss alle Inform. haben.“
Die Aufzeichnungen der Leiterin Ministerbüro hat der
Zeuge Schneiderhan als „korrekt“ bezeichnet.1178 Insbe-
sondere träfen sie Aussagen darüber, dass er nichts ge-
leugnet habe.
1179
„Was für einen Sinn hätte es denn gehabt, die
Existenz eines solchen Berichtes zu leugnen? Es
hätte den Minister mit seinem Planungsstab keine
fünf Minuten gekostet, dann wäre die Nummer ge-
platzt, weil sie diese Berichte teilweise alle in Ko-
pie in ihren Akten hatten.“1180
c) Darstellung Staatssekretär a. D.
Dr. Wichert
Der Zeuge Staatssekretär a. D. Dr. Wichert hat in seiner
Vernehmung den Verlauf des Gesprächs aus seiner Sicht
geschildert:
„Um circa 14.20 Uhr wurden der Gene-
ralinspekteur und ich zum Minister gebeten. An-
wesend war nach meiner Erinnerung auch die Lei-
terin des Ministerbüros; wir saßen so um den Tisch
herum. Der Minister berichtete, dass morgen die
Bild-Zeitung einen großen Artikel mit Angaben
zum Luftangriff vom 4. 9. bringen werde. Der Ar-
tikel stütze sich auf einen bisher ihm nicht bekann-
ten Untersuchungsbericht. Er fragte, ob es einen
solchen Bericht gebe. Ich verstand seine Frage so,
dass ein neuer eigener oder NATO-Un-
tersuchungsbericht von der Bild-Zeitung präsen-
tiert würde, und wies darauf hin, dass wir keine ei-
gene Untersuchung beauftragt hätten und mir eine
neue Untersuchung nicht bekannt wäre.
1178) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 35.
1179) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 36, 41.
1180) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 18.
Dann wurde aber sehr schnell klar, dass der Minis-
ter nicht nach neuen Untersuchungen, sondern
nach Berichten und Meldungen zeitnah nach dem
Luftangriff fragte. Der Generalinspekteur nannte
sofort und ohne erneute Nachfrage die ‚N.„-
Meldung, den Bericht durch Oberst Klein und den
‚Feldjägerbericht„, und ich meine, mich zu erin-
nern, dass der Minister bei der Erwähnung des
Wortes ‚Feldjägerbericht„ bestätigte, es handele
sich wohl um einen Bericht der Feldjäger. Er
wusste also nach meiner Erinnerung, dass es einen
solchen Bericht gab. Wie er die Information über
die bevorstehende Veröffentlichung erhielt, wer-
den Sie ihn ja sicher fragen. Ich ergänzte noch um
den Rot-Kreuz-Bericht und erklärte, dass ich den
‚Feldjägerbericht„ nicht kenne. Ich könne mir aber
gut vorstellen, dass es nach dem Vorfall eine Fülle
von Einzelmeldungen und Berichten gegeben ha-
ben könne, zum Beispiel in den so genannten Ein-
satztagebüchern.
Der Generalinspekteur berichtete dem Minister,
dass er den ‚Feldjägerbericht„ direkt und persön-
lich Minister Dr. Jung vorgelegt habe. Man sei ei-
nig gewesen, ihn der NATO für die damals laufen-
de Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Dies
sei auch geschehen.
Das Gespräch dauerte nur circa 10 bis 15 Minuten.
Es endete mit dem Auftrag des Ministers, sehr
kurzfristig alle Meldungen und Berichte zusam-
menzustellen und uns für ein weiteres Gespräch
mit ihm im Laufe des Nachmittags bereitzuhalten.
Diesen Auftrag nahm der Generalinspekteur mit.
Im Laufe des Nachmittags meldeten wir dem Mi-
nisterbüro, dass wir ab 17 Uhr mit den Unterlagen
zur Verfügung stünden. Über mein Büro erhielt ich
die Mitteilung, um 17.35 Uhr zum Minister zu
kommen. Der Minister führte mit mir ein Vierau-
gengespräch. Die von mir mitgeführten Unterlagen
interessierten ihn nicht. Er eröffnete das Gespräch,
indem er mir mitteilte, er habe kein Vertrauen in
meine Amtsführung und werde mich in den Ruhes-
tand versetzen. Er bedaure dies angesichts meiner
Verdienste in der Vergangenheit und werde künf-
tig meinen Rat suchen.“1181
Zur Frage der anwesenden Personen hat sich der Zeuge
Dr. Wichert erinnert, es hätten vier Personen um den
Tisch gesessen. Links neben ihm habe General Schnei-
derhan gesessen, rechts von ihm Frau Bastek. Rechts von
ihr habe der Minister gesessen. Nach seiner Erinnerung
habe an dem Tisch keine fünfte Person gesessen.
1182
Er
wisse nicht, wo Herr Braunstein behaupte, gesessen zu
haben. Er habe ihn nicht in Erinnerung.
1183
1181) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 75 f.
1182) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 99.
1183) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 54.
Drucksache 17/7400 – 158 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Entgegen den Notizen von Frau Bastek sei seine Erinne-
rung, dass der Minister nach „Untersuchungen“ gefragt
habe, nicht nach „Berichten“.1184
d) Darstellung Bundesminister der Verteidi-
gung zu Guttenberg
Das Gespräch in seinem Amtszimmer hat der Zeuge
zu Guttenberg ebenfalls aus seiner Sicht geschildert:
„Ich bat daher umgehend – es muss am frühen
Nachmittag des 25. November kurz nach 14 Uhr
gewesen sein – Staatssekretär Dr. Wichert und
General Schneiderhan zu mir, um sie zu befragen.
An der Besprechung nahmen außerdem meine Bü-
roleiterin, Frau Bastek, sowie mein damaliger Ad-
jutant, Oberst Braunstein, teil. Es waren also in-
sgesamt fünf Personen bei dem Gespräch anwe-
send.
Da ich noch immer nicht wusste, um welche Do-
kumente es sich handelte, erkundigte ich mich bei
beiden, also bei General Schneiderhan und Staats-
sekretär Dr. Wichert, ob es zum Kunduz-Vorfall
noch weitere, vor allem deutsche Berichte gebe.
Dies wurde verneint. Auf eine zweite Nachfrage
verwies Staatssekretär Dr. Wichert auf den IKRK-
Bericht. Dieser war mir bekanntlich längst be-
kannt. Ich fragte daher erneut, ob es einen nationa-
len Untersuchungsbericht zu Kunduz gäbe. Dies
wurde nach meiner Erinnerung von Staatssekretär
Dr. Wichert verneint mit dem Hinweis, dass auf
die Durchführung einer nationalen Untersuchung
verzichtet worden sei, um die Arbeit der NATO-
Untersuchungskommission in jeder Hinsicht un-
beeinflusst zu gewährleisten.
Ich insistierte, dass es zumindest einen nationalen
Bericht geben müsste. Ich wies auf die Recherche
der Bild-Zeitung hin. Erst daraufhin erwähnte Ge-
neral Schneiderhan von sich aus die Meldung von
Oberst Klein und den Bericht von Oberst N. und
einen so genannten Bericht des Feldjägerführers.
Von sich aus fügte General Schneiderhan ebenfalls
hinzu, dass dieser für Oberst Klein möglicherweise
nachteilig sei.“1185
Minister zu Guttenberg hat weiter geschildert:
„Insbesondere auch diese Einschätzung, meine
Damen und Herren, war nicht dazu angetan, meine
zwischenzeitlich eingetretene Irritation und Verun-
sicherung zu zerstreuen.
Herr Wichert erklärte, dass er einen Bericht des
Feldjägerführers nicht kenne. In Gedanken fragte
ich mich in diesem Moment schon: Der für Einsät-
ze verantwortliche Staatssekretär kennt nicht einen
‚Feldjägerbericht„, der nach Auffassung des Gene-
1184) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 54.
1185) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 9 f.
ralinspekteurs für Oberst Klein möglicherweise
nachteilig ist?
Ich wies an, mir diese Berichte unverzüglich vor-
zulegen, worauf General Schneiderhan anmerkte,
ihm sei momentan nicht bekannt, wo sich diese
Berichte befänden. Dies konnte ich nicht gelten
lassen und blieb bei meiner Forderung, die Berich-
te umgehend zu erhalten. Das Gespräch war been-
det.“1186
Zur Sitzordnung hat sich Minister zu Guttenberg erinnert,
sein Adjutant habe neben General Schneiderhan gesessen.
Er selbst habe mit Blick ins Zimmer gesessen, gegenüber
von ihm saßen Herr Schneiderhan und Staatssekretär
Dr. Wichert. Neben ihm habe Frau Bastek gesessen.
1187
e) Darstellung Brigadegeneral Braunstein
Gemäß der Zeugenaussage von Brigadegeneral Braun-
stein seien bei dem Gespräch der Minister, Staatssekretär
Dr. Wichert, der Generalinspekteur, Frau Bastek und er
anwesend gewesen.
1188
Den Verlauf des Gesprächs hat
Brigadegeneral Braunstein dem Untersuchungsausschuss
so dargestellt:
„Wir haben uns dann alle im Vorzimmer des Mi-
nisters versammelt. […] Daraufhin habe ich die
Herren hereingebeten. Frau Bastek ist mit mir zu-
sammen dann in den Raum eingetreten. Der Minis-
ter hat einen großen, ich sage mal: ovalen Bespre-
chungstisch. An dem haben wir gesessen, er an
seinem Stammplatz, wenn ich das mal so sagen
möchte, vorne, wenn man reinkommt in den
Raum, auf der linken Seite. […] Am Kopfende,
mir gegenüber, hat Frau Bastek gesessen, auf der
rechten Seite, also dem Minister sozusagen gege-
nüber, Staatssekretär Dr. Wichert. Danach kam der
Generalinspekteur, und ich habe sozusagen auf der
anderen Seite am Kopfende gesessen, in der Nähe
zur Tür, und der andere Platz neben dem Minister
ist frei geblieben. Der Minister […] hat dann die
Frage gestellt, inwiefern es noch weitere Erkenn-
tnisse, Unterlagen oder so etwas geben würde. Das
haben die beiden Herren, also Herr Dr. Wichert
und General Schneiderhan, verneint mit dem Hin-
weis darauf, dass es ja eine Entscheidung gegeben
hatte von Dr. Jung, keine nationale Untersuchung
durchzuführen, sondern ISAF zu unterstützen, und
demzufolge gebe es sonst nichts. Daraufhin hat der
Minister nachgefasst, […]. Daraufhin hat Herr
Staatssekretär Dr. Wichert dann den Bericht des
Internationalen Roten Kreuzes erwähnt. Daraufhin
hat der Minister noch mal die Frage nach weiteren
Unterlagen gestellt, woraufhin der Generalinspek-
teur den zweiseitigen Bericht von Oberst Klein er-
wähnte und, ich meine – jetzt ist mir der Name –
Ich meine, er hieß N., auf jeden Fall der Offizier,
1186) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 9 f.
1187) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 40.
1188) Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 10.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159 – Drucksache 17/7400
der in diesem Fact Finding Team gewesen ist, das
unmittelbar am Anfang in Kunduz gewesen ist. Ich
möchte vielleicht zu meiner persönlichen Befind-
lichkeit sagen, dass ich mich – ja, es geht mir jetzt
eigentlich fast immer noch so – in diesem Ge-
spräch, in Bezug auf dieses Gespräch eigentlich
sehr unwohl gefühlt habe, weil Minister zu Gut-
tenberg – zumindest war das so meine Wahrneh-
mung – immer wieder in den Zwischenfragen aus-
führte, dass es ja durchaus sein könnte, dass Unter-
lagen auch im Einsatz entstehen von Leuten, die
das gut meinen, gar nichts Böses im Schilde füh-
ren, und dass wir vielleicht diese Unterlagen, die
halt so im Einsatz produziert werden, gar nicht alle
kennen würden. Er führte dann auch noch aus,
dass es ja sein könnte, dass aufgrund der Regula-
rien, die er nicht kennen würde, nationaler, inter-
nationaler Regularien, eventuell auch Ermittlungen
begonnen würden, die quasi gar nicht von oben,
wenn ich das jetzt mal so sagen will, angeschoben
werden. Also, aus meiner Wahrnehmung – das will
ich eigentlich damit sagen – hat er da versucht,
goldene Brücken sozusagen zu bauen, und auf die-
se letzte Einlassung seinerseits, nämlich, ob nicht
vielleicht qua Amt sowieso Ermittlungen begon-
nen würden im Einsatz, hat der Generalinspekteur
dann geantwortet, es könnte sein, dass der Minister
vielleicht einen Bericht meint, der von den Feldjä-
gern geschrieben wurde. […] Ich, weil es auch zu
meinen Funktionen so ein bisschen gehört, bin
dann, nachdem der Minister das Gespräch beende-
te, zur Tür gegangen, habe dieselbige geöffnet. Die
Herren sind dann mit mir zusammen rausgegan-
gen. Ich habe dann die Tür hinter mir geschlossen,
und damit war das Gespräch beendet.“1189
Ihm sei bei dem Gespräch „unwohl“ gewesen,
„weil ich das Gefühl hatte, dass der Minister – ja,
wie soll ich das jetzt ausdrücken? – den Herren
ganz einfach die Möglichkeit gab, selber mit die-
sem Wissen sozusagen an ihn heranzutreten, und
obwohl er alle möglichen Hinweise gegeben hat,
sind die über diese Brücke, wenn ich das mal so
sagen möchte, ganz einfach nicht drüber gegan-
gen.“1190
Er habe das Gefühl gehabt, man müsse den beiden Herren
etwas „aus der Nase ziehen“.1191
General a. D. Schneiderhan hat gegenüber dem Aus-
schuss erklärt, er habe das wiederholte Nachfragen des
Ministers nicht so wahrgenommen, dass dieser ihm hier-
durch eine „goldene Brücke gebaut“ hätte:1192
1189) Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 10 f.
1190) Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 14.
1191) Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 14.
1192) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 41.
2. Berichterstattung über das Gespräch im
Ministerbüro
Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,
wie die Informationen aus dem vertraulichen Gespräch im
Ministerbüro an die Öffentlichkeit – insbesondere durch
die Berichterstattung im Magazin Spiegel – gelangt sind.
Hierzu hat der Ausschuss die Beteiligten vernommen.
Feststellungen konnte er jedoch nicht treffen.
3. Unterrichtung des Deutschen Bundesta-
ges über Entlassung und Ankündigung ei-
ner Neubewertung
Am Morgen des 26. November 2009 unterrichtete Bun-
desminister der Verteidigung zu Guttenberg den Deut-
schen Bundestag darüber, dass der Bericht, über den die
Bild-Zeitung am gleichen Tage berichte, ihm zum Zeit-
punkt seiner Erklärung zu dem Bericht des ISAF-
Kommandeurs am 6. November 2009 nicht bekannt ge-
wesen sei. Er habe ihn jetzt zum ersten mal vorgelegt
bekommen. Dieser Bericht sei – wie andere Berichte und
Meldungen aus der letzten Legislaturperiode – nicht vor-
gelegt worden. Hierfür sei an maßgeblicher Stelle Ver-
antwortung übernommen worden und es seien personelle
Konsequenzen erfolgt. Der Generalinspekteur habe ihn
gebeten, ihn von seinen Dienstpflichten zu entbinden.
Ebenso habe Staatssekretär Dr. Wichert Verantwortung
übernommen.
1193
Er erklärte weiter, er werde selbstver-
ständlich eine eigene Neubewertung der Fälle auf der
Grundlage der Berichte, die ihm in einer Gesamtschau
gegeben worden seien, vornehmen.
1194
4. Rücktritt Bundesminister für Arbeit und
Soziales Dr. Jung
Einen Tag später, am 27. November 2009, unterrichtete
der damalige Bundesminister für Arbeit und Soziales
Dr. Jung die Bundeskanzlerin, dass er sein Amt zur Ver-
fügung stelle. Er übernehme damit die politische Verant-
wortung für die interne Informationspolitik des Bundes-
verteidigungsministeriums gegenüber dem Minister be-
züglich der Ereignisse vom 4. September in Kunduz. Er
habe sowohl die Öffentlichkeit als auch das Parlament
über seinen Kenntnisstand korrekt unterrichtet.
1195
III. Neue Erkenntnisse aus der Dokumenten-
lage nach dem 25. November 2009
Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,
welche Erkenntnisse Minister zu Guttenberg zu seiner
Neubewertung des Luftschlages bei Kunduz kommen
ließen.
Der Zeuge zu Guttenberg hat dem Untersuchungsaus-
schuss erklärt:
1193) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/7 (Fn. 13, Dokument 13), S. 388.
1194) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/7 (Fn. 13, Dokument 13), S. 390.
1195) Mitschrift Pressekonferenz, Pressestatement von Bundesminister
Dr. Franz Josef Jung vom 27. November 2009 (Dokument 162).
Drucksache 17/7400 – 160 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Insgesamt ergab sich im Zuge des 25. November
ein weit kritischeres Bild der Abläufe am
4. September und ihrer Behandlung im BMVg, als
es mir bis zum 6. November gezeichnet wur-
de.“1196
Dieses Bild habe sich aus der für ihn neuen Dokumenten-
lage ergeben. Kurz nach dem Gespräch mit Generalin-
spekteur Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Wichert
habe der Adjutant des Generalinspekteurs dem Büro des
Ministers den „Feldjägerbericht“ übergeben. Dem „Feld-
jägerbericht“ sei eine Bewertungsvorlage des Einsatzfüh-
rungsstabes vom 16. September 2009 vorgeheftet gewe-
sen. Darin sei bereits von eigenständigen Bewertungen
des „Feldjägerberichts“ die Rede gewesen. Es sei darauf
hingewiesen worden, dass dem „Feldjägerbericht“ zahl-
reiche Anlagen beigefügt seien. Dazu hätten auch Videos
gehört, von deren Existenz er, Minister zu Guttenberg, bis
dahin nie gehört hätte. Der Bericht sei dieser Vorlage
zufolge als Geheim eingestuft und nur in wenigen Exemp-
laren vorhanden gewesen. Bei dieser Bewertung des
„Feldjägerberichts“ habe es sich um eine Bewertung ge-
handelt, die im BMVg, wie auch der „Feldjägerbericht“
selbst, schon länger vorgelegen habe und nicht erst jetzt
erstellt worden sei.
1197
Im weiteren Verlauf des Nachmittags sei dem Minister
ein zusätzlicher Ordner mit den während des vorangegan-
gen Gesprächs genannten Dokumenten sowie weiteren
ihm bis dahin ebenfalls nicht bekannten Unterlagen über-
geben worden.
1198
Dem Minister sei relativ schnell klar
gewesen, dass diesen Dokumenten für eine Gesamtbeur-
teilung, wie sie von einem Bundesminister der Verteidi-
gung erwartet werde, eine zentrale Bedeutung zukom-
me.
1199
Die Gründe hierfür hat er in seiner Vernehmung
dargelegt:
„Erstens. Es handelt sich zum Teil um nationale
Bewertungen deutscher Dienststellen mit Anlagen
und Videos. Diese muss ich auch bei Vorlagen
internationaler Berichte in jedem Fall kennen.
Zweitens. Alle Berichte stellen unmittelbar auf das
konkrete Geschehen ab und orientieren sich am
Sachverhalt. Meine kurzfristig selbst vorgenom-
mene Überprüfung ergab zudem, dass sie nicht in
der Anlage zum COM ISAF-Bericht aufgeführt
waren, dessen Auswertung bislang die einzige
Grundlage war, die mir vorgelegt wurde.
Drittens. Der Hinweis von General Schneiderhan,
dass der ‚Feldjägerbericht„ möglicherweise nach-
teilig für Oberst Klein sei, während der
COM ISAF-Bericht bis dahin von ihm und Staats-
sekretär Dr. Wichert als uneingeschränkt positiv
beurteilt wurde, ließ es zumindest als möglich er-
scheinen, dass dort eine andere Sichtweise des
1196) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12 f.
1197) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 10 f.
1198) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11.
1199) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11.
Vorgangs dargelegt war. Allein dies machte es
unabdingbar, diese Dokumente auszuwerten.“1200
Ein Großteil dieser Dokumente sei zwar der Untersu-
chungskommission des COM ISAF zur Verfügung ge-
stellt worden. Diese seien jedoch in dessen Abschlussbe-
richt nicht namentlich erwähnt gewesen.
Im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden neuer Do-
kumente stellte der Planungsstab dem Minister eine Liste
zusammen, in der neben den genannten auch noch weitere
Dokumente aufgeführt wurden. Diese diente auch als
Grundlage für seine Information der Öffentlichkeit und
des (Verteidigungs-, Anm.) Ausschusses.
1201
1. Erkenntnisse aus dem IAT-Bericht
Der Umfang der zivilen Opfer, auf den der Bericht des
Initial Action Teams hinweist, habe das Lagebild, das der
Minister bis zu diesem Zeitpunkt hatte, verändert. Bis
zum 6. November habe es nach seiner Darstellung seitens
des Ministeriums geheißen, man könne den COM ISAF-
Bericht auch so lesen, dass es möglicherweise gar keine
zivilen Opfer gegeben hätte, da dieser lediglich von einer
Spanne zwischen 17 und 142 Opfern ausgehe und offen
lasse, ob darunter Unbeteiligte fallen. Minister zu Gutten-
berg habe die Lage jedoch damals bereits anders einge-
schätzt und dies auch öffentlich dargestellt. Er habe auch
erst später erfahren, dass
„hier in der ursprünglichen Kommunikationsstra-
tegie direkt nach dem 4. September nicht alles –
um es gelinde zu sagen – optimal lief […].“1202
2. Erkenntnisse aus dem „Feldjägerbericht“
Bundesminister zu Guttenberg hat anhand des „Feldjäger-
berichtes“ geschlussfolgert, dass von Anfang an in größe-
rem Umfang von zivilen Opfern ausgegangen wurde. Der
Umstand, dass im Bericht zivile Opferzahlen festgelegt
wurden und von einer Notwendigkeit von Entschädi-
gungszahlungen ausgegangen wurde, habe hierfür gespro-
chen.
1203
Anlagen des „Feldjägerberichts“, wie zum Bei-
spiel Gesprächsprotokolle, hätten Hinweise auf ein mög-
licherweise beabsichtigtes „Ausschlachten“ der Tanklast-
wagen durch die Aufständischen geliefert, welches die
von ihnen ausgehende Gefährdung hätte reduzieren kön-
nen und den Luftschlag damit gegebenenfalls hätte obso-
let machen können, mit Blick auf Alternativen.
1204
Eine
Aussage des Feldjägerführers Oberstleutnant B. in dessen
Bericht habe den Minister besonders beunruhigt. Sie
lautete: ‚Die Klärung der offenen Punkte bzw. möglichen
Versäumnisse hat besondere Bedeutung, da aufgrund der
im PRT Kunduz vorhandenen Aufklärungsergebnisse
offensichtlich war, dass der Bombenabwurf zu zahlrei-
1200) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11.
1201) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11; Verteidigungsaus-
schuss vom 27. November 2009, Protokoll-Nr. 3
(Dokument 163), S. 10 f.
1202) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
1203) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
1204) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 161 – Drucksache 17/7400
chen Toten und Verletzten führen wird bzw. geführt hat,
ohne dass unmittelbar vor und nach dem Vorfall adäquat
gehandelt wurde.„1205
In die Bewertung des „Feldjägerberichts“ floss auch eine
Bewertung des Einsatzführungsstabes vom 16. September
2009
1206
ein. Sie lautet:
„Würde der Bericht ohne begleitende fachliche
Kommentierung in eine zum Beispiel juristische
Untersuchung eingebracht, ist eine negative Impli-
kation nicht auszuschließen.“1207
Für ihn sei ein „Feldjägerbericht“ ein nationaler Ansatz
und ein nationaler Untersuchungsteil. Er sehe einen gro-
ßen Unterschied zwischen einer nationalen und einer
internationalen Untersuchung.
1208
Die Zeugen Schneiderhan, Dr. Wichert, Dr. Schlie Gene-
ral Ramms, Konteradmiral Krause und OTL B. V. haben
erklärt, dass der Feldjägerbericht aus ihrer Sicht keinen
wesentlichen zusätzlichen Informationen enthielt, die
nicht im COM ISAF-Bericht enthalten waren.
1209
Der
Zeuge V. hat hierzu vor dem Untersuchungsausschuss
ausgesagt, dass er als Einziger aus dem JIB den Bericht
gelesen habe aufgrund der Kennzeichnung „nur für
Deutsche“.1210
3. Erkenntnisse seitens des Befehlshabers
Einsatzführungskommando
Der damalige Bundesminister zu Guttenberg ging nach
eigener Darstellung bis zu seiner Erklärung am 6. No-
vember 2009 und auch darüber hinaus bis zum 25. No-
vember 2009 davon aus, dass hinsichtlich der Angemes-
senheit des Luftschlages auf fachlicher Ebene Einhellig-
keit geherrscht habe.
1211
Er habe erst im Zuge des 25.
November 2009 erfahren, dass innerhalb der Generals-
ebene von Anfang an ein unterschiedliches Meinungs-
spektrum vorhanden gewesen sei. Dies habe sich nicht
zuletzt aus dem Bericht von Brigadegeneral Vollmer er-
geben.
1212
Am 30. November 2009 führte Minister zu Guttenberg
ein Gespräch mit dem Befehlshaber Einsatzführungs-
kommando der Bundeswehr Generalleutnant Glatz.
„General Glatz wies mich dabei auch auf den bis-
herigen Umgang mit dem ‚Feldjägerbericht„ hin.
Darüber hinaus war in dem Gespräch unter ande-
rem die Rede davon, dass auch ein Verzicht auf
1205) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12 f.
1206) EinsFüStab, Kurzauswertung Vorläufiger Feldjägerbericht für
Gespräch mit GI (Fn. 695, Dokument 109).
1207) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
1208) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 66.
1209) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 15, Teil I, S. 33, 39, 41; Wichert,
Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 72, 83, 96; Schlie, Protokoll-Nr. 27,
Teil I, S. 34, 35, 51, 52; Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5;
Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 4 und 5; V., Protokoll-Nr. 22,
Teil I, S. 21; Mat. 17-22a, Ordn. 4, GI, Bl. 66.
1210) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 22, 29.
1211) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
1212) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12 f., 69.
den Luftschlag vertretbar gewesen wäre. Auch
wurde – ich erinnere mich daran sehr genau – von
der Möglichkeit eines Riesenfehlers gespro-
chen.“1213
Hinsichtlich seiner Bewertung der Angemessenheit des
Luftangriffs hat Generalleutnant Glatz vor dem Untersu-
chungsausschuss ausgeführt:
„Das habe ich dann auch dem Minister zu Gutten-
berg so vorgetragen am 30. 11. Ich habe damals
sinngemäß geäußert, wenn ich mich richtig erinne-
re: Erstens. Ich bin der Auffassung, dass es mögli-
cherweise zu Versäumnissen und Fehlern im Füh-
rungsvorgang gekommen sei, vor der Entschei-
dung zum Luftangriff; dass es möglicherweise –
und das ergab sich ja schon aus dem Bericht des
Initial Action Teams, der zu diesem Zeitpunkt vor-
lag – Fehler, Versäumnisse gegeben haben könnte
– alles bewusst im Konjunktiv – in der Anwen-
dung der Standing Operation Procedures und der
RoE, und wenn dieses beides so wäre, es zu einer
fehlerhaften Entscheidungsfindung und auch zu
einer fehlerbehafteten Entscheidung gekommen
sein könnte. Ich habe die Aussage dann sinngemäß
damit beendet, dass es dann möglicherweise ein
Fehler – ich glaube, ich habe sogar gesagt: Riesen-
fehler – des Oberst Klein gewesen sein könnte; al-
lerdings unter dem Vorbehalt – das habe ich da-
mals sehr deutlich gemacht –, dass zu diesem Zeit-
punkt noch niemand angehört war und damit auch
der Rechtsgrundsatz des ‚audiatur et altera pars„
nicht gewahrt war. Das heißt, ohne eine Anhörung
des Oberst Klein, ohne eine Anhörung des anderen
Personals hätte man zu einer abschließenden Be-
wertung – und deswegen habe ich sehr wohl sehr
vorsichtig im Konjunktiv formuliert – nicht kom-
men können.“1214
Diese Einschätzung hatte Generalleutnant Glatz nach
eigener Darstellung zu einem früheren Zeitpunkt dem
Generalinspekteur schon vorgetragen.
1215
Vor dem Aus-
schuss hat General a. D. Schneiderhan die Einschätzung
von Generalleutnant Glatz wie folgt kommentiert:
„Ja, da kann ich sagen: Ja, wenn alle diese Kon-
junktive zutreffen, hast du recht. Aber er hat mir
nicht gesagt, dass die zutreffen. Insofern: To
whom it may concern. Was soll ich damit anfan-
gen? Das kann ich im Grunde auch selber sagen,
nicht: Wenn das und das so gewesen wäre, dann
wäre – Ich meine, ich erwarte vom Befehlshaber
Einsatzführungskommando hier eine klare Beurtei-
lung der Lage, dass er sagt: ‚Das war so, und folg-
lich war das ein Fehler„, und nicht, mir so ein Ding
hinzulegen mit Tausend hypothetischen Gedanken.
Darauf komme ich alleine; ich bitte um Entschul-
digung. Damit kann ich nichts anfangen, von ei-
1213) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
1214) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67.
1215) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 70; Schneiderhan, Protokoll-
Nr. 14, Teil II, S. 21.
Drucksache 17/7400 – 162 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nem Dreisternegeneral; das muss ich sehr hart sa-
gen. Das ist Absicherungsgerede: Ich habe alles
dem Generalinspekteur hingeschoben, und für den
Rest ist der zuständig.“1216
General Schneiderhan habe Generalleutnant Glatz immer
gesagt, man müsse sich in die Lage von Oberst Klein zum
Zeitpunkt seiner Entscheidung hineinversetzen, und aus
dieser Perspektive beurteilen.
„Und jetzt darf viel passieren, nur nicht eines: dass
wir öffentlich über Alternativen reden. Dann ist
der Oberst Klein kaputt, bevor es richtig losgeht an
Untersuchungen.“1217
4. Erkenntnisse aus dem Bericht von Oberst
Klein
Im Rahmen seiner Neubewertung habe den Minister die
Wortwahl von Oberst Klein in seinem Bericht stutzig
gemacht. Sie lautete:
„Am 4. September 2009 um 1.51 Uhr entschloss
ich mich, zwei am Abend des 3. September 2009
auf der LOC Pluto durch INS entführte Tanklast-
wagen, sowie die an den Fahrzeugen befindlichen
INS durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu
vernichten.“1218
Zunächst habe er geglaubt, die offenbar drastische subjek-
tive Lage – der Begriff „vernichten“ tauchte nach seiner
Wahrnehmung so zum ersten mal auf – könnte objektive
Handlungs-alternativen überlagert haben. Der Minister
wisse jedoch jetzt, dass „vernichten“ ein militärfachlicher
Begriff ist, der in den einschlägigen Dienstvorschriften
klar definiert ist.
1219
Für die Neubewertung des Ministers
am 3. Dezember 2009 habe damals jedoch gerade diese
Begrifflichkeit, das Lesen auch dieser Meldung, durchaus
eine entsprechende Wirkung gehabt.
1220
General a. D.
Schneiderhan hat die Meldung von Oberst Klein vom 5.
September 2009 als „wichtiges Dokument“ bezeichnet,
weil sie die Erstmeldung des „Verursachers“ war.1221
IV. Militärischer Ratschlag für die politische
Leitung zur Vorbereitung einer Neubewer-
tung
Nach dem Gespräch des Ministers mit Generalleutnant
Glatz am 30. November 2009 fand ein weiteres Gespräch
in größerer Runde statt.
1222
Hierzu lud der Minister neben
Generalleutnant Glatz auch den Staatssekretär im Bun-
desministerium der Verteidigung Wolf, den stellvertreten-
den Generalinspekteur und Inspekteur Streitkräftebasis,
den Leiter Einsatzführungsstab, sowie den Leiter Presse-
1216) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 21.
1217) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 41.
1218) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2.
1219) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 13.
1220) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 28.
1221) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.
1222) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 25; E-Mail Braunstein
(Dokument 164).
und Informationsstab ein. Ebenfalls teil nahmen die Leite-
rin Ministerbüro Bastek sowie der Adjutant des Ministers,
Oberst Braunstein. Ziel des Gesprächs war es, vor dem
Hintergrund der vorliegenden Unterlagen die Bewertung
des Vorfalls zu überprüfen und gegebenenfalls zu einer
Neubewertung zu kommen. Aus diesem Gespräch sollte
ein militärischer Ratschlag für die politische Leitung
formuliert und dem Minister vorgelegt werden.
1223
Der Zeuge Staatssekretär Wolf leistete gemäß seiner Aus-
sage vor dem Untersuchungsausschuss keinen Beitrag
hinsichtlich der Einschätzung der militärischen Angemes-
senheit des Luftschlages.
1224
Er habe den Eindruck ge-
habt, dass der Minister dazu geneigt habe, seine Bewer-
tung zu korrigieren, nicht aber, dass der Minister bereits
mit einem vorgefassten Entschluss in diese Besprechung
gegangen sei.
1225
Der Zeuge Vizeadmiral Kühn gab auf die Frage, ob es bei
diesem Gespräch am 30. November 2009 um eine Kor-
rektur der Bewertung ging, an:
„Nein, nach meinem Eindruck war das vollkom-
men offen […]“.1226
Der stellvertretende Generalinspekteur und Inspekteur
Streitkräftebasis, der Zeuge Vizeadmiral Kühn, wurde im
Rahmen der Gesprächsrunde um einen Vorschlag zum
weiteren Vorgehen auch und gerade vor dem Hintergrund
der umfassenden Erkenntnisse und damit verdichteten
Informationen gebeten.
1227
Er machte daraufhin deutlich,
dass die am 29. Oktober vom Generalinspekteur und
Anfang November vom Minister getroffene Bewertung
als „im Kern militärisch angemessen“ für ihn aufgrund
der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse nach-
zuvollziehen gewesen war. Er machte aber auch deutlich,
dass er vor dem Hintergrund der fast drei Monate später
vorliegenden Erkenntnisse und vor allem aus der Distanz
zum Ereignis auch eine Weiterentwicklung der Bewer-
tung für möglich halte und vor allem aus der Gesamt-
schau der heute vorliegenden Erkenntnisse es auch Alter-
nativen des Handelns gegeben hätte.
1228
Dies sei eine
Erkenntnis, die natürlich auch mit seiner Lebenserfah-
rung, auch aus seinem Erfahrungsschatz als Soldat, ver-
bunden sei.
1229
Eine darüber hinaus gehende Beratung fand mit Vizead-
miral Kühn nicht statt.
1230
Es habe seinerseits weder eine
schriftliche Bewertung gegeben, noch habe er an irgen-
deiner Vorlage mitgewirkt. Er habe sich ausschließlich in
dieser mündlichen Bewertung gegenüber dem Minister
eingelassen.
1231
Was seine eigene Bewertungsgrundlage
betraf, hat der Zeuge Vizeadmiral Kühn erklärt, er habe
erstmals am 30. November 2009 die Gelegenheit gehabt,
1223) E-Mail Braunstein (Fn. 1222, Dokument 164).
1224) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 8.
1225) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 9
1226) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 7
1227) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 2 f.
1228) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 3.
1229) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6.
1230) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 3.
1231) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 163 – Drucksache 17/7400
sich in die Unterlagen zum Luftschlag in Kunduz ein-
schließlich der VS-Unterlagen einzulesen, um sich einen
persönlichen Eindruck über die Lageentwicklung seit dem
4. September 2009 zu verschaffen.
1232
Er hat erklärt:
„Für meine Bewertung reichte dieses Scannen die-
ser Unterlagen auch vollkommen aus, um zu er-
kennen, dass sich im Nachhinein aus dem warmen
Sessel heraus – ich sage das ganz bewusst so: aus
dem warmen Sessel heraus – und aus der Gesam-
theit – das ist entscheidend –, aus der Gesamtheit
dieser Unterlagen, aus der Gesamtheit des Bildes
eben durchaus auch Alternativen des Handelns er-
geben hätten.“1233
Er habe sich „diesen ganzen Berg“ – an einem Tag, so gut
es ging, zu Gemüte geführt, sodass er sich dann auch
hinreichend ein Urteil bilden konnte. Welcher Bericht,
welches Dokument ausschlaggebend für seine Beurtei-
lung war, vermöge er nicht zu sagen.
1234
Er habe sich bei
der Durchsicht keine Notizen gemacht.
1235
Im Einzelnen
erinnere er sich daran, dass der COM ISAF-Bericht Be-
standteil dieser Unterlagen gewesen sei.
1236
Der „Feldjä-
gerbericht“ sei nach seiner Wahrnehmung einer von vie-
len gewesen und habe keinen nachhaltigen Eindruck bei
ihm hinterlassen.
1237
Zu den Alternativen, die aus seiner
Sicht möglich gewesen wären, ließ der Zeuge Vizeadmi-
ral Kühn sich gegenüber dem Untersuchungsausschuss so
ein:
„Die erste Alternative wäre, nichts zu tun, die
zweite Alternative: ‚show of force„, die dritte Al-
ternative, eine Gruppe für eine weitere Aufklä-
rungsmission hinauszubringen – um einige Mög-
lichkeiten noch einmal aufzuzählen.“1238
Über die einzelnen Alternativen, die es seiner Ansicht
nach gegeben hätte, sei in der Runde am 30. November
2009 nicht gesprochen worden.
1239
Der Leiter Einsatzführungsstab, der Zeuge Konteradmiral
Krause, hat sich erinnert, dass während des Gespräches
die Korrektur der Bewertung durch den Minister nicht
festgelegt worden sei. Man habe darüber diskutiert, wie
man die Dinge sehen könne. Der Minister habe gesagt,
dass man diese Bewertung im Nachhinein, mit dem
kompletten Lagebild, das nun da sei, unabhängig von
dem, was Oberst Klein vorher als Lagebild hatte, korrigie-
ren könne.
1240
Auch in einem kleineren Kreis im An-
schluss an die Gesprächsrunde, an der der Zeuge Krause
teilnahm, habe der Minister angedeutet, dass er nun, vor
dem Hintergrund aller vorliegenden Informationen, zu
einer neuen Bewertung kommen könnte.
1241
1232) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 2.
1233) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 5.
1234) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 7 f.
1235) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 20.
1236) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 7.
1237) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 8.
1238) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 19.
1239) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 25.
1240) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 2.
1241) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 14 f.
Der Leiter Planungsstab im Bundesministerium der Ver-
teidigung, der Zeuge Ministerialdirektor Dr. Schlie, war
bei dem Gespräch am 30. November 2009 ebenfalls an-
wesend. Den Ablauf hat er dem Untersuchungsausschuss
in seiner Vernehmung so dargestellt:
„So hat der Bundesminister am 30. November aus-
führlich mit dem Befehlshaber des Einsatzfüh-
rungskommandos und anschließend in großer
Runde, an der unter anderem der Leiter des Ein-
satzführungsstabes, der damals amtierende Gene-
ralinspekteur Admiral Kühn, Staatssekretär Wolf
und ich teilgenommen hatten, eine Bewertung des
Luftschlages von Kunduz in all seinen Aspekten
vorgenommen, ohne dass es dabei damals zu einer
eindeutigen Schlussfolgerung und Empfehlung für
den Bundesminister gekommen wäre. Bestätigt
hingegen wurde, dass die frühe Absetzung von
Bundesminister zu Guttenberg von der Aussage, es
habe keine unbeteiligten Opfer gegeben, richtig
gewesen war. Ebenso richtig war es von ihm ge-
wesen, frühzeitig auf die in der Analyse jetzt im-
mer deutlicher hervortretenden Verfahrensfehler
hingewiesen zu haben.
Es waren diese Diskussionen in ihrer Gesamtheit
und meiner Einschätzung nach nicht eine abschlie-
ßende, mit Brief und Siegel festgehaltene Stel-
lungnahme des Hauses, die den Minister dann zur
Korrektur seiner Einschätzung der Angemessen-
heit des Luft-Boden-Einsatzes vom 4. September
gebracht haben.“1242
Der Zeuge Dr. Schlie hat sich vor dem Untersuchungs-
ausschuss erinnert, dass der Redebeitrag von Vizeadmiral
Kühn am Abend des 30. November 2009 nach seiner
Wahrnehmung „eher zurückhaltend“ gewesen sei.1243
Der Zeuge Dr. Schlie hat auf Nachfrage angegeben, dass
sich alle Anwesenden geäußert hätten, dass es aber kein
abschließendes Urteil oder Bewertung gegeben habe. Es
sei eher eine freie Diskussion gewesen.
1244
V. Untersuchung des Informationsflusses
innerhalb des Ministeriums
Am 1. Dezember 2009 erklärte Minister zu Guttenberg im
Rahmen einer fraktionsoffenen Sitzung der CDU/CSU-
Bundestagsfraktion mit dem Thema „Die Situation in
Afghanistan“:
„Ich habe Staatssekretär Wolf beauftragt, eine in-
terne Kommission zu leiten, die nicht nur eine
vollständige Aufklärung des Informationsprozes-
ses zum Gegenstand hat, sondern auch Folgerun-
gen und Empfehlungen vorlegt, um künftig sicher-
zustellen, dass die politische Leitung des Hauses
immer angemessen und unverzüglich informiert
wird. Ich habe zudem den Stellvertreter des Gene-
1242) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 24 f.
1243) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 38.
1244) Schlie, Protokoll-Nr. 27. Teil I, S. 57.
Drucksache 17/7400 – 164 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ralinspekteurs, Admiral Kühn, angewiesen weitrei-
chende ergänzende Untersuchungen durchzufüh-
ren. Die Ergebnisse lasse ich gegenwärtig in einer
Gesamtschau neu bewerten. Ich behalte mir vor,
auf Grundlage des neuen militärischen Ratschlags
durch Admiral Kühn meine eigene Bewertung,
falls notwendig, zu justieren.“1245
Sein mündlicher Auftrag an Staatssekretär Wolf hierzu
stammte aus dem November 2009. In seiner Folge beauft-
ragte Staatssekretär Wolf am 30. November 2009 den
zuständigen Leiter des Organisationsstabes um Vorlage
eines dezidierten Sachstandes, insbesondere zum internen
Informationsfluss im BMVg. Diese Weisung habe er
später dahingehend ergänzt, als es um die im Zusammen-
hang mit dem Luftschlag wesentlichen elf Kerndokumen-
te ging.
1246
Gegenüber dem Minister habe er am 30. März 2010 das
Untersuchungsergebnis vom 25. Februar wie folgt bewer-
tet:
„Aus den Bearbeitungshinweisen bzw. Geschäfts-
gangverfügungen der einzelnen Dokumente erge-
ben sich keine Anhaltspunkte für eine fehlende
oder für eine lückenhafte Information des Ministe-
riums durch nachgeordnete Dienststellen.“1247
Weiter hat er auf Nachfrage im Ausschuss angegeben:
„[…] nach den objektiven Sachverhalten in den
entsprechenden Registraturen, in den Übersichten
und auf den entsprechenden Dokumenten ist klar
erkennbar, dass diese Dokumente unverzüglich die
jeweiligen Adressaten im Ministerium erreicht ha-
ben, also insbesondere in der Leitung des Vertei-
digungsministeriums unverzüglich zumindestens
dem zuständigen Staatssekretär und den zuständi-
gen Generalsinspekteur erreicht haben“.1248
Er habe aufgrund der Erkenntnisse aus dieser Untersu-
chung allerdings Herrn Minister zu Guttenberg empfoh-
len, die be-stehenden Weisungen, insbesondere zum Um-
gang mit eingestuften Dokumenten, einer Revision zu
unterziehen, mit dem Ziel, insbesondere durch geeignete
Mittel der Dienst- und Fachaufsicht die Einhaltung beste-
hender Weisungen zukünftig sicherzustellen.
1249
Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge Staats-
sekretär Wolf darauf aufmerksam gemacht, dass es sich
bei den beiden Weisungen des Ministers, die er im Rah-
men der Fraktionssitzung erwähnt habe, um zwei unter-
schiedliche Untersuchungsgegenstände handelte:
„Beide Untersuchungsgegenstände haben nichts
miteinander zu tun. Der eine Teil waren die Infor-
mationsflüsse. Ich habe Ihnen das Ergebnis dazu
genannt. Der zweite Teil – wie ist es zu der Ent-
scheidung des Ministers ‚angemessen„/‚nicht an-
1245) Redemanuskript (Dokument 165).
1246) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 3.
1247) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 3.
1248) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 5.
1249) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 3.
gemessen„ gekommen? – ist nicht Gegenstand
meiner Untersuchungen gewesen.“1250
Vizeadmiral Kühn hat vor dem Ausschuss die Vorlage des
Ministers wie folgt kommentiert:
„Wenn ich jetzt auf die Frage Bezug nehmen darf:
Ich habe dieses Original – Ich habe den Auftrag
des Ministers, der ja normalerweise schriftlich he-
rausgegeben wird, zurzeit nicht mehr vorliegen,
und ich kann mich daran auch nicht erinnern. Ich
habe auch keine weiteren Aufträge in dieser Form
gegeben, sondern in dem Absatz darüber wird
deutlich, dass der Minister einen Parallelauftrag an
den Staatssekretär Wolf erlassen hat. Ich habe kei-
nerlei Aktivitäten in diesem Sinne, wie der Minis-
ter das hier dargestellt hat, getroffen, weil das
durch den Auftrag des Staatssekretärs abgedeckt
war.“1251
Staatssekretär Wolf hat sich im Rahmen der Befragung
durch den Untersuchungsausschuss an keine gleichlau-
tende Weisung an Vizeadmiral Kühn erinnern können. Er
hat sich hierzu wie folgt eingelassen:
„Herr Abgeordneter, ich darf zunächst sagen, dass
mir dieses Papier bisher nicht bekannt war. Ich
weiß deswegen auch nicht, wie es zustande ge-
kommen ist und ob es dann in dieser Form durch
den Minister auch tatsächlich umgesetzt worden
ist.
Was ich zu dem Inhalt des Gespräches sagen kann,
auf das sich, wenn ich das recht sehe, das Papier
eigentlich nur beziehen kann – denn es gab nur ein
einziges Gespräch, an dem Admiral Kühn und ich
gemeinsam beim Minister vor dem 1. Dezember
teilgenommen haben -: Mir ist aus diesem Ge-
spräch nicht erinnerlich, dass ein Auftrag unmit-
telbar in diesem Gespräch an Admiral Kühn er-
gangen ist.“1252
Auch könne er die Darstellung des Zeugen Admiral Kühn
nicht bestätigen.
1253
VI. Neubewertung als „militärisch nicht an-
gemessen“
Nach alledem sei Minister zu Guttenberg klar geworden,
dass allein auf der Grundlage des COM ISAF-Berichts
und der ihm bis dahin zuteil gewordenen Beratung eine
abschließende und umfassende Bewertung des Vorgangs
nicht hätte vorgenommen werden können. Die Vorberei-
tung seiner öffentlichen Darstellung am 6. November
2009 durch sein Haus sei allein auf der Basis des
COM ISAF-Berichts erfolgt. Den Bericht des IKRK habe
er damals im Rahmen seiner Presseerklärung selbst ein-
gebracht. Eine abschließende Bewertung des Vorgangs, in
1250) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 5.
1251) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 9.
1252) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 7.
1253) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165 – Drucksache 17/7400
die diese, für ihn neuen Dokumente, nicht eingeflossen
seien, wäre aus seiner Sicht angreifbar gewesen. Vor dem
Untersuchungsausschuss hat er erklärt:
„Ich hatte am 6. November vergangenen Jahres
hinsichtlich unbeteiligter Opfer und Verfahrens-
fehler Aussagen getroffen, die bis heute gültig sind
und sich sogar im Nachhinein weiter bestätigt ha-
ben. Dagegen hatte ich, was die Angemessenheit
des Luft-Boden-Einsatzes betrifft, eine Fehlein-
schätzung abgegeben.“1254
Bundesminister zu Guttenberg stellte sich im Rahmen
seiner Korrektur zwei Fragen. Zum einen die nach unbe-
teiligten Opfern unter Einhaltung von Verfahrensregeln,
zum anderen die nach der Angemessenheit des Luftang-
riffs. Erstere bewegte sich nach seiner Wahrnehmung im
tatsächlichen Bereich, weil sie sich objektiv ermitteln und
beantworten ließe. Die Frage der Angemessenheit eines
Waffeneinsatzes wie desjenigen vom 4. September hinge-
gen sei für ihn eine Wertungsfrage gewesen. Überdies
setzte sich der Minister in Vorbereitung seiner Neubewer-
tung auch mit der Frage auseinander, was mit „militärisch
angemessen“ oder „unangemessen“ gemeint sei.1255 Der
nächstliegende Maßstab für ihn war der rechtliche Rah-
men, insbesondere die völkerrechtlichen Vorgaben für
militärisches Vorgehen. Für ihn verbot es sich jedoch,
hierzu aus juristischer Sicht Erklärungen abzugeben,
solange zivile Justizbehörden in dieser Angelegenheit
Untersuchungen führten.
Ihm blieben damit zwei weitere Bewertungsmaßstäbe:
Die rein militärisch-operative Bewertung aus der Sicht im
Zeitpunkt des Handelns, bei der Dinge im Vordergrund
stehen wie die konkrete Bedrohungslage der eigenen
Kräfte und die Gelegenheit, einen immer wieder auftre-
tenden Gegner nachhaltig in seiner Wirksamkeit einzu-
schränken.
Der andere Maßstab, den es für ihn zu berücksichtigen
galt, war der, der für die politische Führung von entschei-
dender Bedeutung war, wie etwa die Angemessenheit von
Handlungen im Verhältnis zur politischen Zielsetzung des
Gesamtauftrags. In seine Bewertung flossen zudem mit
ein
– die Vorgaben des Bundestages und des einschlägigen
UN-Mandats,
– die NATO-/ISAF-internen Vorgaben und Regularien
unter Einbeziehung der Absicht des COM ISAF,
– die konkreten Auswirkungen des Einsatzes, ob beab-
sichtigt oder unbeabsichtigt, für das deutsche – nicht
nur militärische – Engagement in Afghanistan,
– die allgemeinen politischen und diplomatischen Fol-
gen,
1254) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 13.
1255) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 13.
– die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, wie die
Bundeswehr bei ihren Einsätzen vorgeht.
1256
Sein Ziel sei eine „ganzheitliche Betrachtung“ im Nach-
gang zum Einsatz gewesen. Hierbei habe er erkannt, dass
seiner Beratung im Vorfeld der Erstbewertung bis zum 6.
November ausschließlich eine rein militärisch-operative
Sichtweise zugrunde gelegen hat. Nach dem 25. Novem-
ber 2009 sei ihm immer deutlicher geworden, dass allein
diese Sichtweise nicht der ausschließliche Maßstab zur
Bewertung des Ereignisses durch den Bundesminister sein
durfte. Ihm sei klar geworden, dass eine rein militärfach-
liche Bewertung durch einen militärischen Führungsstab
oder auch durch eine Untersuchungskommission zu deut-
lich anderen Positionen kommen könne als die übergrei-
fende und nachträgliche Bewertung durch den Bundesmi-
nister der Verteidigung. Nach seiner Wahrnehmung sei in
diesem Fall in erster Linie auf das zeit- und raumgebun-
dene Handeln von Soldaten und deren Wahrnehmung
abzustellen. Der Bewertung durch den Bundesminister
müsse dagegen immer der Charakter einer politischen
Gesamtbeurteilung zukommen.
1257
So habe eine differen-
ziertere Bewertung militärischen Handelns ergeben, dass
seine Einschätzung der militärischen Angemessenheit
vom 6. November 2009 so nicht aufrechterhalten werden
konnte.
Das seien die Überlegungen gewesen, die im Ergebnis
dazu geführt hätten, dass der Bundesminister seine urs-
prüngliche Bewertung korrigierte. Dabei habe für ihn
gegolten, eine sehr komplexe und auch sehr differenzierte
Fragestellungen aufzuwerfen.
1258
VII. Neubewertung gegenüber dem Deutschen
Bundestag
Am 3. Dezember trug der damalige Bundesminister der
Verteidigung zu Guttenberg dem Parlament seine Neube-
wertung des Luftschlages vom 4. September 2009 in
Kunduz vor:
„Wie viel leichter erscheint es jetzt, sich ein Urteil
über die Frage der Angemessenheit zu bilden – aus
der Distanz, mit auch für mich zahlreichen neuen
Dokumenten und mit neuen Bewertungen, die ich
am 6. November dieses Jahres noch nicht hatte.
Diese weisen im Gesamtbild gegenüber dem gera-
de benannten COM ISAF-Bericht deutlicher auf
die Erheblichkeit von Fehlern und insbesondere
von Alternativen hin. Zu dem Gesamtbild zählt
auch ein durch das Vorenthalten der Dokumente
leider mangelndes Vertrauen gegenüber damaligen
Bewertungen. Ich wiederhole: Obgleich Oberst
Klein – […] – zweifellos nach bestem Wissen und
Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten ge-
handelt hat, war es aus heutiger, objektiver Sicht,
1256) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.
1257) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.
1258) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 15.
Drucksache 17/7400 – 166 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
im Lichte aller, auch der mir damals vorenthalte-
nen Dokumente, militärisch nicht angemessen.“1259
In seiner Vernehmung hat Minister zu Guttenberg bekräf-
tigt, dass außer Frage stehe, dass der Angriff nicht hätte
erfolgen müssen und nicht hätte erfolgen dürfen, wenn
von Anfang an klar gewesen wäre, dass er mit an Sicher-
heit grenzender Wahrscheinlichkeit in einem größeren
Umfang Unbeteiligte töte oder verletze. So unmittelbar
sei die Bedrohungslage am 4. September 2009 nicht ge-
wesen, um bewusst und gezielt in einem derartigen Um-
fang Opfer unter Unbeteiligten in Kauf zu nehmen.
1260
1259) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/9 (Dokument 166), S. 682.
1260) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 167 – Drucksache 17/7400
F. Weitergabe von Erkenntnissen an weitere Stellen (auch unter Berücksichtigung von Punkt 4
des Untersuchungsauftrages)
Im Rahmen seiner Ermittlungen hat sich der Untersu-
chungsausschuss auch mit der Frage befasst, welche Er-
kenntnisse von der Bundesregierung an weitere Stellen
übermittelt wurden.
Im Wesentlichen betraf dies die Informationsweitergabe
an die jeweilige zuständige Staatsanwaltschaft, bei der
hinsichtlich des Luftschlages die Zuständigkeit für die
strafrechtlichen Ermittlungen lag.
I. Staatsanwaltschaft Potsdam
Am 7. September 2009 wurden Oberstaatsanwalt S. von
der Staatsanwaltschaft Potsdam durch den Leitenden
Rechtsberater (LRB) im Einsatzführungskommando der
Bundeswehr, Regierungsdirektor (RDir) H., die zum
Luftschlag gefertigten Meldungen des Deutschen Ein-
satzkontingents ISAF übergeben. Im Rahmen eines Ge-
spräches wurde die Staatsanwaltschaft Potsdam darüber in
Kenntnis gesetzt, dass sowohl die NATO als auch die
Vereinten Nationen Untersuchungen angekündigt hätten.
An der NATO-Untersuchung werde auch ein Deutscher
beteiligt sein.
Zu diesem Zeitpunkt wurde von der Staatsanwaltschaft
Potsdam im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Eilzu-
ständigkeit
1261
geprüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt,
der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gebie-
tet.
1262
Im Nachgang zu dem Gespräch übermittelte das Ein-
sFüKdoBw der Staatsanwaltschaft Potsdam weitere Do-
kumente zu völkerrechtlichen und nationalen Rechts-
grundlagen des ISAF-Einsatzes, unter anderem die „Ta-
schenkarte für die Soldatinnen und Soldaten deutscher
Anteile ISAF in Afghanistan – Regeln für die Anwendung
militärischer Gewalt“ vom 24. Juli 2009.1263
II. Generalstaatsanwaltschaft Dresden
Am 8. September 2009 teilte der Leitende Oberstaatsan-
walt S. von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden dem
Leitenden Rechtsberater im Einsatzführungskommando
der Bundeswehr mit, dass die Integrierte Ermittlungsein-
heit Sachsen (INES) bei der Generalstaatsanwaltschaft
Dresden mit der Bearbeitung des Vorganges beauftragt
worden sei, da die Staatsanwaltschaft Leipzig die Bear-
beitung aus Kapazitätsgründen von der Staatsanwaltschaft
Potsdam nicht übernehmen könne.
1264
Im Rahmen dieses
Gespräches wurde der Leitende Rechtsberater EinsFüK-
1261) Schreiben des GStA des Landes Brandenburg vom 2. Januar 2002
(Dokument 167, Bl. 110).
1262) Vermerk BMVg vom 7. September 2009 (Dokument 168,
Bl. 107).
1263) Einsatzführungskommando, Schreiben vom 7. September 2009
(Dokument 169, Bl. 108).
1264) Dokument 170, Bl. 27.
doBw um Übersendung von Unterlagen zum rechtlichen
Rahmen der ISAF gebeten.
1265
Am 9. September 2009 unterrichtete der leitende Rechts-
berater des EinsFüKdoBw die Generalstaatsanwaltschaft
Dresden darüber, dass die ISAF-
Untersuchungskommission unter Beteiligung von Ober-
regierungsrat V. am 12. September 2009 ihre Arbeit auf-
nehmen werde.
1266
In einer E-Mail teilte RDir H. dem
unter anderem für Strafrecht zuständigen Referat R I 5 im
Bundesministerium der Verteidigung bezüglich dieses
Gespräches mit, dass er „Überlegungen, Oberst K.[lein]
aus dem Einsatzgebiet nach DEU zur Einvernahme zu
holen, […] unter Hinweis auf die NATO-Untersuchung,
den erheblichen Aufwand sowie die politische Wirkung
zurückgewiesen [habe]. Oberst K. steht nach seinem Kon-
tingentende zur Verfügung.“1267
Im weiteren Verlauf wurden der Generalstaatsanwalt-
schaft Dresden weitere Dokumente mit Bezug zum Luft-
schlag aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung übersandt.
1268
Am 18. September 2009 fand in Dresden ein offizielles
Gespräch zwischen Vertretern der Generalstaatsanwalt-
schaft des Freistaates Sachsen und zwei Rechtsberatern
des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr statt.
Dabei wurde von Seiten der Bundeswehr unter anderem
mitgeteilt, dass mangels Annahme eines Anfangsverdach-
tes bislang noch keine disziplinaren Ermittlungen gegen
Oberst Klein eingeleitet worden seien.
1269
III. Generalbundesanwalt beim Bundesge-
richtshof
Nachdem der Generalbundesanwalt beim Bundesge-
richtshof den Vorgang übernommen hatte, übersandte das
Bundesministerium der Verteidigung weitere Dokumente.
Darunter befanden sich unter anderem der so genannte
Feldjägerbericht, der „N.-Bericht“ sowie der Bericht von
Oberst i. G. Klein.
1265) Dokument 170, Bl. 14.
1266) Dokument 171, Bl. 12.
1267) E-Mail Bw an BMVg vom 9. September 2009 über Telefonat mit
GStA Dresden (Dokument 172).
1268) EinsFüKdo Bw an GStA Dresden vom 10. September 2009
(Dokument 173).
1269) EinsFüKdo Bw, Vermerk über Gespräch mit GStA Dresden am
18. September 2009 (Dokument 174).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 169 – Drucksache 17/7400
Dritter Teil:
Bewertungen des Untersuchungsausschusses
A. Verfahren
I. Verfahrensbeschlüsse
1. Der gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz eingesetzte
Untersuchungsausschuss hat zu Beginn seiner Tätigkeit
die erforderlichen Verfahrensbeschlüsse gefasst. Diese
sind im Verfahrensteil im Einzelnen dargelegt (Erster
Teil, B.II, S. 11).
2. Bedingt durch die Vorschrift in Artikel 45a Abs. 3
Grundgesetz weichen die Verfahrensbeschlüsse von den-
jenigen zu Untersuchungsausschüssen nach Artikel 44
Grundgesetz ab, da Absatz 3 des Artikel 45a Grundgesetz
eine Beweiserhebung in öffentlicher Sitzung nach Arti-
kel 44 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz für den Verteidigungs-
ausschuss als Untersuchungsausschuss ausschließt. Hier
war zunächst zu klären, ob der Verteidigungsausschuss
als Untersuchungsausschuss im Hinblick auf die grund-
sätzliche Erforderlichkeit der Nichtöffentlichkeit dieses
Ausschusses seine Beweisaufnahme überhaupt öffentlich
durchführen darf.
Zu dieser Frage gehen die Meinungen in der Literatur
weit auseinander. So äußert Klein in Maunz/Dürig
1270
die
Auffassung, dass die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen
des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsaus-
schuss zwingend und ausnahmslos gelte. § 69 Abs. 1 GO-
BT (ausnahmsweise Öffentlichkeit von Fach-
Ausschusssitzungen) sei hier nicht anzuwenden. § 34
Abs. 4 Satz 1 PUAG bedürfe insoweit einer verfassungs-
konformen restriktiven Auslegung
1271
.
Achterberg/Schulte äußern sich in Mangoldt/Klein
1272
,
dass Beweiserhebungen in nichtöffentlicher Verhandlung
stattfinden müssten. Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz gehe
von der grundsätzlichen Nichtanwendbarkeit des Arti-
kel 44 Abs. 1 Grundgesetz aus, sehe aber seine umgekehr-
te Anwendbarkeit gerade nicht vor. Der Verteidigungs-
ausschuss könne daher auch nicht im Einzelfall eine Be-
weiserhebung öffentlich durchführen.
Berg teilt im Bonner Kommentar
1273
zutreffend die An-
sicht Kleins, dass durch den Ausschluss des Artikel 44
Abs. 1 GG, der die öffentliche Beweisaufnahme bei Un-
tersuchungsausschüssen nach dieser Vorschrift vorsieht,
nicht auf § 69 GO-BT rekurriert werden könne. Die Nor-
men von Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz als abschließen-
de Regelung einerseits und § 69 Abs. 1 GO-BT anderer-
seits seien qualitativ unterschiedlich. Aus dem Ausschluss
nach Artikel 44 Abs. 1 Grundgesetz sei allerdings ledig-
1270) Maunz/Dürig, Lfg. 55, Mai 2009, Kommentar zum Grundgesetz,
Artikel 45a, Rn. 45.
1271) Maunz/Dürig, a.a.O. (Fn. 1270), Rn. 46.
1272) Mangold/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 2005, Artikel 45a,
Rn. 39.
1273) Berg, Bonner Kommentar, Artikel 45a, Rn. 237 f.
lich zu folgern, dass der Verteidigungsausschuss nicht
gezwungen sei, die Beweiserhebung öffentlich durchzu-
führen. Er legt jedoch zutreffend dar, dass der Verteidi-
gungsausschuss das Recht hat, selbst darüber zu entschei-
den, ob er Beweise in öffentlicher oder nichtöffentlicher
Verhandlung erhebt. Diese Position bezieht sich auch auf
Hans-Joachim Berg
1274
, der eine öffentliche Beweiserhe-
bung auch zu militärischen Fragen für möglich hält, so-
weit sich diese im Rahmen der Geheimschutzordnung des
Bundestages halte. In der Monografie von Frost
1275
heißt
es ebenso, dass die Öffentlichkeit bei der Beweiserhebung
lediglich „im Regelfall“ ausgeschlossen sei.
Der Untersuchungsausschuss vertrat insgesamt die Auf-
fassung, dass er selbst darüber entscheiden könne, ob und
zu welchem Umfang Beweiserhebungen öffentlich durch-
zuführen seien. Aus dem Ausschluss des Artikel 44
Abs. 1 Grundgesetz folge kein Verbot öffentlicher Sit-
zungen.
Entsprechend wurde nach dem Grundsatz der „Transpa-
renz“ vom Untersuchungsausschuss am 16. Dezember
2009 der Verfahrensbeschluss Nr. 8 gefasst. Dessen zwei-
ter und dritter Absatz lauten:
„Mitglieder der politischen Leitungsebene (Mitg-
lieder der Bundesregierung, beamtete und Parla-
mentarische Staatssekretäre, Abteilungsleiter und
Pressesprecher) und militärischen Führung (Gene-
ralinspekteur und Stellvertreter) werden grundsätz-
lich in öffentlicher Sitzung einvernommen. Die
Vorschrift des § 14 PUAG bleibt unberührt.
Im Einzelfall können auch Personen aus dem
nachgeordneten Bereich öffentlich gehört wer-
den..“
Dieser Teil des Verfahrensbeschlusses wurde späterhin
wegen seiner relativ weiten Fassung der Herstellung von
Öffentlichkeit rechtlich überprüft. Ein von Abg. Siegfried
Kauder veranlasstes und von Prof. Dr. Korioth gefertigtes
Kurzgutachten zur Rechtmäßigkeit des Beschlusses er-
kannte hier eine Verletzung des § 69 Abs. 1 GO-BT und
wertete diesen Teil des Verfahrensbeschlusses insoweit
als rechtswidrig, sofern im Vorhinein und pauschal für
einen bestimmten Personenkreis das Verfahren der öffent-
lichen Einvernahme beschlossen worden war.
1276
Entge-
gen einer davon abweichenden Stellungnahme des Wis-
senschaftlichen Dienstes des Bundestages schloss der
1274) Der Verteidigungsausschuss, Bernhard und Graefe Verlag Mün-
chen 1982, S. 241.
1275) Parlamentsausschüsse, Rechtsgestalt und Funktion, in AöR 95
(1970), S. 38 ff., S. 72.
1276) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP im Ausschuss,
die sich in ihrer Begründung auf die Argumentation von Korioth
stützen, Beratungsunterlage 17-218 (Dokument 175).
Drucksache 17/7400 – 170 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ausschuss sich mit seiner Mehrheit den im Kurzgutachten
geäußerten Bedenken an und beschloss die Streichung der
beanstandeten Passagen
1277
. Die Frage der auch in der
Literatur streitig diskutierten
1278
Anwendbarkeit von § 69
Abs. 1 GO-BT im Rahmen der Artikel 45a Abs. 2, 44
Abs. 1 Grundgesetz wurde hier nicht weiter verfolgt. Im
Ergebnis blieb der Untersuchungsausschuss bei seiner
politischen Linie der Transparenz und beschloss, Angehö-
rige der politischen und militärischen Führung ohne Auf-
gabe seiner Rechtsposition auch weiterhin in öffentlicher
Sitzung zu befragen.
II. Gegenüberstellung/Rechtsstreit BGH
Verfahrensrechtlich hat ein streitig gestelltes Thema im
Wege einer BGH-Entscheidung eine Klärung hinsichtlich
der Voraussetzungen und der Durchsetzungsmöglichkei-
ten für eine so genannte Vernehmungsgegenüberstellung
gem. § 24 Abs. 2 PUAG erbracht.
1. Die Ausschussminderheit hatte scheinbare und tatsäch-
lich divergierende Aussagen der Zeugen Schneiderhan,
Dr. Wichert und des damaligen Bundesministers zu Gut-
tenberg zum Anlass genommen, eine möglichst spektaku-
läre Gegenüberstellung zu inszenieren (Zum Sachverhalt
vgl. insoweit oben: Erster Teil, B.V.4, S. 20).
Der Antrag auf Gegenüberstellung wurde in der Sitzung
vom 20. Mai 2010 gestellt, dann jedoch wieder zurückge-
zogen. Die Ausschussmehrheit hatte erklärt, für die rech-
tliche Bewertung des Antrages sei mehr Zeit erforderlich.
Späterhin verlangte auch die Ausschussminderheit zusätz-
liche Zeit, um die bereits am 9. Juni 2010 übergebene
elfseitige Begründung der Ausschussmehrheit einer Ab-
lehnung des Antrages (Beratungsunterlage 17-217) einge-
hend zu prüfen.
Trotz der in der Ablehnungsbegründung dargelegten,
zutreffenden Auffassung, dass es sich beim abzulehnen-
den Antrag der Minderheit
– nicht um einen Beweisantrag handelte, eine Gegenü-
berstellung nicht geboten und damit nicht zulässig sei
und
– dass zudem der Antrag auch kein Minderheitsrecht
im Sinne des § 17 PUAG darstelle und somit gem.
§ 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG durch den Ausschuss als
Ganzes mit Mehrheit zu entscheiden sei,
wurde der bereits einmal gestellte Antrag unverändert am
17. Juni 2010 eingebracht und vom Ausschuss mit Mehr-
heit zurückgewiesen.
2. Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2010 wurde durch die Aus-
schussminderheit beim Bundesgerichtshof (BGH) ein
Antrag auf Entscheid zugunsten einer Gegenüberstellung
eingereicht. Die zunächst ungewöhnlich kurz bemessene
Frist zur Erwiderung wurde vom BGH auf Antrag der
Ausschussmehrheit bis zum 14. August 2010 verlängert.
Die Erwiderung der Ausschussmehrheit wurde am 11.
1277) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Dokument 176), S. 16.
1278) Vgl. insoweit nur Klein, in: Maunz/Dürig (Fn. 1270).
August 2010 auf den Weg gebracht. Bereits am 17. Au-
gust 2010 erging der Beschluss des BGH, in dem sämtli-
che Anträge der Ausschussminderheit zurückgewiesen
wurden
1279
.
Der BGH hat in seiner Entscheidung unter anderem aus-
geführt:
„Ob eine Gegenüberstellung durchzuführen ist,
entscheidet gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG die
Ausschussmehrheit. Deren Entscheidung ist ab-
schließend. Das Untersuchungsausschussgesetz
enthält keine Bestimmung, die der qualifizierten
Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des
Ausschusses die Befugnis einräumt, gegen den
Willen der Ausschussmehrheit die Gegenüberstel-
lung durchzusetzen oder die Entscheidung der
Mehrheit gerichtlich überprüfen zu lassen.“1280
Ferner heißt es dort:
„Die eindeutige gesetzliche Regelung im Untersu-
chungsausschussgesetz, die bei den weniger wich-
tigen Verfahrensfragen die demokratische Mehr-
heitsregel vorschreibt, kann auch nicht durch die
undifferenzierte Annahme einer ‚maßgeblichen
Geltungsmacht„ der Minderheit im Untersu-
chungsausschuss unterlaufen werden [gemeint war
wohl ‚Gestaltungsmacht„, Anm.] (vgl. Brocker,
BayVBI. 2007, 173, 174). Zwar ist der Mitgestal-
tungsanspruch der qualifizierten Minderheit
grundsätzlich dem der Ausschussmehrheit vom
Gewicht her gleich zu erachten (vgl. BVerfG, Ur-
teil vom 8. April 2002 – 2 BvE 2/01, BVerfGE
105, 197, 222; Glauben/Brocker, a.a.O., § 27
Rn. 5). Jedoch ist es grundsätzlich Sache des ein-
fach-rechtlichen Gesetzgebers, wie er diesen – ver-
fassungsrechtlich in Artikel 44 Abs. 1 Satz 1
Grundgesetz verankerten – Anspruch für das Ver-
fahren vor den Untersuchungsausschüssen im Ein-
zelnen ausformt und mit dem an sich auch für die-
se Arbeit dieser Ausschüsse zu respektierenden
demokratischen Grundprinzip der Mehrheitsent-
scheidung zum Ausgleich bringt. Die hierzu erfor-
derliche Grenzziehung hat der Gesetzgeber mit
den dargestellten differenzierten Regelungen des
Untersuchungsausschussgesetzes zu den Gestal-
tungs- und Rechtschutzmöglichkeiten qualifizierter
Minderheiten im Beweiserhebungsverfahren eines
Untersuchungsausschusses vorgenommen.“1281
Die Entscheidung des BGH überrascht inhaltlich wie
bezüglich ihrer Schnelligkeit nicht. Die Ausschussmin-
derheit hat trotz der ihr schon bei erster Antragstellung im
März eröffneten, inhaltlich schwerwiegenden Ableh-
nungsgründe ihren Antrag in völlig unveränderter Form
beim BGH eingereicht. Überdies wurde mit der An-
tragsschrift sowohl eine in der Sache bedeutsame Ver-
1279) BGH, Beschluss vom 17. August 2010, Az. 3 ARs 23/10 (Fn. 49,
Dokument 19).
1280) BGH, a.a.O. (Fn. 49, Dokument 19), Rn. 23
1281) BGH, a.a.O. (Fn. 49, Dokument 19), Rn. 25.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 171 – Drucksache 17/7400
nehmung (Zeuge Braunstein) als auch ein inhaltlich we-
sentliches Beweisstück, namentlich die Gesprächsnotiz
der Büroleiterin von Minister zu Guttenberg über den
Verlauf des Gesprächs zwischen dem Minister mit Gene-
ral Schneiderhan und Dr. Wichert, in der die vom Minis-
ter im Ausschuss und öffentlich dargelegten Inhalte des
Gespräches bestätigt werden, in eklatanter Unterlassung
des Gebotes der vollständigen Unterrichtung des BGH in
einem Streitfalle nicht vorgelegt.
III. Die Reihenfolge von Zeugen (§ 17 PUAG
i. V. m. § 28 GO-BT) Exkurs: zur Misslich-
keit des Begriffs vom so genannten „Reiß-
verschluss“
1. Die Frage, wie bei Uneinigkeit des Ausschusses über
die Reihenfolge von Zeugen zu verfahren sei, stellt in
Untersuchungsausschüssen häufig einen streitigen Ge-
genstand und somit auch einen Anlass für Verfahrens-
streitigkeiten dar. Wie auch in Untersuchungsausschüssen
zuvor, gab es auch in diesem keine Neigung, diese rech-
tlich nicht letztlich geklärte Frage vor dem BGH streitig
zu stellen und zur Entscheidung vorzulegen. Hier richtete
sich die Vorgehensweise des Ausschusses nach § 17
Abs. 3 Satz 1 PUAG, wonach die Reihenfolge der Zeugen
„möglichst einvernehmlich“ festgelegt werden soll.
Dabei wurde ein modus vivendi dergestalt gefunden, dass
die Ausschussmehrheit am 18. März 2010 der Aus-
schussminderheit zugestand, Zeugen im jeweiligen Wech-
sel zwischen Mehrheit und Minderheit, also im Verfahren
1:1, zu benennen und zu vernehmen. Dies geschah in
einem spezifischen Kontext und stellte ein politisches und
verfahrenstechnisches Entgegenkommen dar, nachdem
die Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 25. Februar
2010 bei der Zeugenreihenfolge General a. D. Schneider-
han – Staatssekretär a. D. Dr. Wichert – Minister a. D.
Dr. Jung – Minister zu Guttenberg ihr Recht durchgesetzt
und die Ausschussminderheit diesem Beschluss formell
widersprochen hatte (§ 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG). Die
Erklärung der Ausschussmehrheit diente erneut einer
„möglichst einvernehmlich“ festzulegenden Reihenfolge
der Zeugen über den gesamten Verlauf der Zeugenbefra-
gungen.
2. Die Beratungen insbesondere in den Sitzungen vom 25.
Februar 2010, 4. März 2010 und 18. März 2010 belegen
einmal mehr die Notwendigkeit, den unter Bezug auf § 17
Abs. 3 PUAG und § 28 GO-BT verwendeten Begriff des
so genannten „Reißverschlussverfahrens“ zu überprüfen,
da er eine Symmetrie suggeriert, die es im Rahmen der
Kriterien des § 28 GO-BT nicht zwingend geben kann.
Die Minderheitsfraktionen führten hierzu eine Stellung-
nahme aus dem Parlamentsrechtsreferat des Deutschen
Bundestages ein (Beratungsunterlage 17-137), welche
zum nachfolgend zu widerlegenden Ergebnis gelangt,
dass der Ausschussminderheit jeweils drei und der Aus-
schussmehrheit jeweils zwei Zeugen im Wechsel zustün-
den, wenn gem. § 17 Abs. 3 PUAG i. V. m. § 28 GO-BT
verfahren werde. Dieses Ergebnis widerspricht nicht nur
prima vista der Systematik rechtlich geordneter Verfah-
ren; es weist zudem schwere formale Mängel auf.
a) Der Verfasser der Stellungnahme verkennt offenbar die
Notwenigkeit einer dem Einzelfall entsprechenden Ausle-
gung und legt irrigerweise eine unmittelbare, direkte
Anwendung des § 28 GO-BT auf die Zeugenreihenfolge
für den Fall der Nicht-Einigung zugrunde. Dieser grund-
legende Fehler bereits im Einstieg führt konsequent zu
einem fehlerhaften Ergebnis.
b) Der Verfasser der Stellungnahme verkennt völlig die
gegenüber dem Plenum deutlich andere Rechtslage in
einem Untersuchungsausschuss. Die Fraktionen können
zwar im all-gemeinen Verfahren der Untersuchung Ant-
räge stellen, über die der Untersuchungsausschuss mit
Mehrheit beschließt. In allen Fällen allerdings, in denen
es um durch das Grundgesetz verfassungsmäßig garantier-
te oder unmittelbar aus ihm abgeleitete oder durch das
PUAG statuierte Minderheitsrechte geht, sind jedoch
nicht die Fraktionen die rechtlich entscheidende Größe.
Sowohl beim Einsetzungsrecht nach Artikel 44 bzw. 45a
Abs. 2 Grundgesetz wie auch, diesem folgend, beim Be-
weisantragsrecht, ist die entscheidende Größe, also die
handelnde Einheit, ein Quorum, namentlich ein „Viertel
der Mitglieder“ des Bundestages bzw. des Untersu-
chungsausschusses (§ 17 Abs. 2 PUAG). Gleichermaßen
verhält es sich bei einem Widerspruch des relevanten
Quorums der Ausschussminderheit (des Viertels) gegen
eine von der Ausschussmehrheit festgelegte Reihenfolge
der Zeugenvernehmung (§ 17 Abs. 3 PUAG).
c) Der Verfasser der Stellungnahme verwechselt offen-
kundig selbst in den auch von ihm selbst mehrfach zitier-
ten Kommentar- und Literaturstellen, in denen auf die
notwendige Berücksichtigung der Stärke der Fraktionen
hingewiesen wird, deutlich erkennbar die Stärke der Frak-
tionen mit deren Anzahl. So zitiert er die Begründung
eines aus der 14. Wahlperiode stammenden Gesetzent-
wurfs zur Regelung des Rechts der Untersuchungsaus-
schüsse
1282
.
Er kommt durch diese Verwechslungen zu dem auch der
von ihm selbst zitierten Literatur widersprechenden Er-
gebnis, dass in unmittelbarer Anwendung des § 28 GO-
BT die Zeugenreihenfolge in einem völlig abwegigen
Verhältnis von 2:3 zugunsten der Minderheit erfolgen
müsse (S. 7 der Stellungnahme, Ziff. 4 a.).
Dies würde die rechtlich zwingend gebotene Berücksich-
tigung der Fraktionsstärke auf den Kopf stellen, indem es
zu dem verfälschenden Ergebnis führte, dass eine Min-
derheit umso mehr Zeugen benennen könnte, je zersplit-
terter sie wäre. Bei theoretisch möglichen acht Fraktionen
im Deutschen Bundestag mit einer Stärke von jeweils 5 %
könnte die Minderheit gar im Verhältnis 8:2 die Verneh-
mung von Zeugen dominieren. Dies ist ganz offenkundig
rechtlich nicht haltbar.
1282) BT-Drs. 14/2363, S. 14 – Fn. - (Stellungnahme S. 5 a.E., S. 6), -
Fn.- Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 2003,
S. 226 f.
Drucksache 17/7400 – 172 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Sowohl Teile der Literatur als auch die Verfasser der
früheren Entwürfe, die damals gemeinsam mit dem Ent-
wurf der seinerzeitigen rot-grünen Mehrheit die Grundla-
ge des jetzigen PUAG bildeten, sind offenkundig in ihren
Begrifflichkeiten dem damaligen Denken in der Kategorie
der Fraktionen verhaftet geblieben. Wie oben ausgeführt,
sind es jedoch bei der Wahrnehmung von Rechten in
Untersuchungsausschüssen die Ausschussmehrheit und
die Ausschussminderheit als jeweiliges Ganzes, die agie-
ren und teils konkurrierend ihre Rechte wahrnehmen.
Nicht ohne Grund wurde § 28 GO-BT nur für lediglich
entsprechend anzuwenden, also eben nicht unmittelbar
geltend, formuliert. Die Gewichtung der Zeugenreihen-
folge im Rahmen der Beweisaufnahme kann daher nicht
der Anzahl der Fraktionen folgen, sondern muss dem
entsprechenden Verhältnis von Mehrheit zu Minderheit
folgen. Im rechtlichen Sinne wäre es zudem geboten, dass
die jeweilige Mehrheit wie die Minderheit, sofern sie aus
mehreren Fraktionen gestellt werden, ihre jeweiligen Zeit-
Kontingente in eigener Regie unter sich aufteilen. Bei der
hier bedeutsamen Frage der Reihenfolge der Zeugen spie-
len allerdings ausschließlich Mehrheit und qualifizierte
Minderheit (das Quorum des Viertels) eine Rolle.
4. Es gibt einen Präzedenzfall, der in diesem Sinne gelöst
wurde. Im so genannten BND-Untersuchungsausschuss
ergab sich mehrfach die Situation, dass mangels Einigung
das so genannte, gleichwohl rechtlich nicht gebotene
Reißverschlussprinzip in einer einvernehmlich abge-
stimmten Weise Anwendung fand. In der Beschlussemp-
fehlung des Berichts des 1. Untersuchungsausschusses
nach Artikel 44 Grundgesetz in der 16. Wahlperiode, eben
dem BND-Untersuchungsausschuss, heißt es in der Bun-
destags-Drs. 16/13400, S. 24/25 unter Gliederungsnum-
mer IV. 1.:
„Auch wenn diese Grundsätze während des Ver-
fahrens mehrfach auf ihre Belastbarkeit hin geprüft
wurden – bis zu dem Punkt, dass terminierte Zeu-
genbefragungen wegen fehlender Akten abgesetzt
wurden –, konnten die Fraktionen sich stets so ei-
nigen, dass die nach § 17 Absatz 3 Satz 2 PUAG
für den Konfliktfall vorgesehene Formulierung der
Festlegung der Zeugenreihenfolge nach den Re-
geln der Geschäftsordnung des Bundestages zur
Reihenfolge der Redner (‚Reißverschlussverfah-
ren„) nicht streitig, jedoch sinngemäß angewendet
wurde:
Eine Einigung wurde in mehreren aufgetretenen
Streitfällen dadurch erzielt, dass unter Zugrunde-
legung der Vorgaben des ‚Reißverschlussverfah-
rens„ eine gemeinsame Zeugenliste erarbeitet wur-
de, die dann einvernehmlich beschlossen werden
konnte. Dabei wurde das ‚Reißverschlussprinzip„
auf Vorschlag des Abg. Ströbele (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN) einvernehmlich so angewandt,
dass nach der Bestimmung von drei Zeugen durch
die Koalition ein Zeuge durch die Opposition be-
nannt wurde.“
Dieser Präzedenzfall belegt eindeutig, dass Einvernehmen
über das konkrete Verfahren im „Reißverschlussprinzip“
hergestellt wurde und dass es zwischen Mehrheit und
Minderheit, und eben nicht nach der Zahl der Fraktionen
angewendet wurde.
Dass bei den im Kunduz-Untersuchungsausschuss gege-
benen Mehrheitsverhältnissen das damalige Verhältnis
nicht angewendet werden könnte, ergibt sich aus den
anderen Stärkeverhältnissen im Ausschuss. Ein Verhältnis
von 2:1 zwischen Ausschussmehrheit und Ausschussmin-
derheit erscheint vertretbar. Eine noch weiter ausdifferen-
zierte Austarierung, hier etwa ein Verhältnis von 7:5,
wäre rein formal möglicherweise gerechter, stellt sich
jedoch in der konkreten Umsetzung als eher problema-
tisch dar, da sie sich für die Ausschussminderheit nachtei-
liger gestaltete, weil sie erst nach dem siebenten Zeugen
der Mehrheit zum Zuge käme. Jedenfalls zeigt sich selbst
nach der in o. g. Beratungsunterlage 17-137 zitierten
Literatur, dass im Rahmen der Abwägung das Stärkever-
hältnis von Ausschussmehrheit und Ausschussminderheit
keineswegs außer Betracht bleiben kann.
Es wäre sinnvoll und geboten, vor einer nächsten Not-
wendigkeit zur Klärung solcher Verfahren eine politische
Entscheidung durch den Deutschen Bundestag oder nöti-
genfalls formalrechtlich durch den BGH zu erwägen.
IV. Zum Umgang mit Zeugen und mit Vorhal-
ten aus Akten
In einzelnen Fällen gab der Umgang mit Zeugen im Zu-
sammenhang mit Vorhalten von Akten deutlichen Anlass
zu grundsätzlicher Kritik.
1. In einem Fall ging es um die Zitierung eines Aktenstü-
ckes, dessen Inhalt durch die politische Führung nicht
bestätigt war (sog. Rotstrich-Vermerk). Dennoch wurde
auf dieser ungesicherten Grundlage, und somit faktenwid-
rig, eine nicht gegebene frühe und vollständige Informati-
on des Bundeskanzleramtes zur Frage des Luftschlages
vom 4. September 2009 im Ausschuss suggeriert. Der
angesprochene Zeuge, der sich schlusslogisch nicht an das
Schriftstück erinnern konnte, bat den befragenden Ab-
geordneten um Vorlage der Quelle. Der Zeuge hatte zuvor
ausgesagt, dass zum fraglichen Zeitpunkt trotz Anforde-
rung zwei Berichte in der Angelegenheit nicht vorgelegen
hatten. Der befragende Abgeordnete konnte hier lediglich
auf ein Sitzungsprotokoll verweisen, in dem wiederum
nur von einem solchen Schriftstück die Rede gewesen
sein sollte. Nachdem die Vorsitzende den Fragesteller
darauf verwies, dem Zeugen das Aktenstück vorzulegen,
um das dieser nachgesucht hatte, und eben nicht ein auf
ein Schriftstück verweisendes Protokoll, konnte der fra-
gende Abgeordnete die Fundstelle nicht benennen und sah
sich gezwungen, die Frage zurückzuziehen.
Trotz Rücknahme der Frage blieb dennoch die Behaup-
tung im Raum, ein lediglich in einem Protokoll vage
erwähntes Aktenstück weise eine vollständige Informie-
rung des Bundeskanzleramtes nach. Somit wurde ohne
Beleg der Eindruck erweckt, der befragte Zeuge habe
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 173 – Drucksache 17/7400
nicht richtig ausgesagt
1283
. Als während der Befragung
desselben Zeugen Gelegenheit zur Korrektur dieser Un-
terstellung gegeben war, wurde dieses nicht präsente
Aktenstück nicht mehr erwähnt, eine Entschuldigung
blieb aus.
Es darf sich nicht als Methode verfestigen, die gegebene
Glaubwürdigkeit eines aussagebereiten Zeugen in unkor-
rekter Weise dadurch unrechtmäßig anzugreifen, dass
quasi unechte Vorhalte gemacht werden, die [selbst] auf
Nachfrage des Zeugen nicht belegt werden können. Dies
widerspricht dem guten parlamentarischen Umgang und
beschneidet die Rechte vorgeladener Zeugen in unzuläs-
siger Weise.
2. In einem anderen Fall wurde einem Zeugen vom Ab-
geordneten ein Auszug aus einem Aktenstück vorgelesen,
welches dem Zeugen bekannt und von ihm angeblich an
den früheren Minister Dr. Jung weitergeleitet sein sollte.
Das Aktenstück enthielt eine Empfehlung für eine
Sprachregelung für die Aktuelle Stunde des Bundestages
am 8. September 2009. Der Zeuge selbst sowie danach
auch weitere Ausschussmitglieder baten den Fragesteller
um die genaue Bezeichnung der Fundstelle. Der befra-
gende Abgeordnete gab zunächst an, diese nicht zur Hand
zu haben; er verzichte auf eine Antwort. Der Zeuge selbst
drängte darauf, er wolle die Frage gerne beantworten. Auf
dann erfolgtes Nachfragen der Ausschussvorsitzenden
gab der befragende Abgeordnete dann schließlich die –
nunmehr doch bei ihm vorhandene – exakte Fundstelle
an. Das Aktenstück wurde dem Zeugen vorgelegt. Es trat
durch diese Aktenvorlage an den Zeugen zutage, dass der
befragende Abgeordnete beim Verlesen des Aktenstückes
eine auffällige handschriftliche Notiz des Zeugen im
Ausschuss nicht erwähnt hatte, aus der sich eindeutig
ergab, dass diese Unterlage eben nicht an den Minister
weitergeleitet worden war. Der befragende Abgeordnete,
hiermit konfrontiert, suchte sein Vorgehen mit der nicht
haltbaren Behauptung zu rechtfertigen, er habe die hand-
schriftliche Notiz nicht lesen können.
Zum Schluss der Vernehmung dieses Zeugen wurde die-
ses skandalträchtige Vorgehen des Fragestellers von ei-
nem Abgeordneten der Ausschussmehrheit hart kritisiert
und die Methode nicht zu Unrecht mit Vernehmungsme-
thoden von „vor 1989“ – gemeint waren die Unrechtsme-
thoden und Unterstellungen der DDR-Justiz – verglichen.
Zwingend geboten wäre es hier sicherlich gewesen, dass
der befragende Abgeordnete sich bei dem Betroffenen
wie beim Ausschuss insgesamt für den letztlich erst durch
Nachbohren des Zeugen zutage getretenen, gescheiterten
Versuch entschuldigt hätte, einen Zeugen und den Aus-
schuss insgesamt kalt hinters Licht zu führen.
1284
1283) Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 16 f.
1284) Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 63 f., S. 70 (VS-NfD).
Drucksache 17/7400 – 174 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
B. Bewertungen der Untersuchungsergebnisse
I. Allgemeine Feststellungen
1. Zusammenfassung
Nach Abschluss aufwändiger und intensiver Befragungen
kann festgestellt werden, dass die Bundesregierung nach
dem Luftschlag von Kunduz am 4. September 2009 sich
unmittelbar um Aufklärung der Lage vor Ort bemüht und
sehr rasch die deutsche wie die afghanische Öffentlichkeit
nach bestem verfügbaren Wissen unterrichtet hat.
Dabei haben vor allem das Bundesministerium der Ver-
teidigung (BMVg) und das Bundeskanzleramt größtmög-
liche Transparenz hergestellt, um Parlament und Öffent-
lichkeit über diesen militärischen Vorfall voll umfassend
zu informieren und jedweden Zweifel an der Darstellung
der Lage vor Ort im Umfeld des Luftschlages auszuräu-
men. Die Bundeskanzlerin sowie der amtierende und der
erst nach dem Luftschlag durch die Bundestagswahl 2009
neu ins Amt gekommene Bundesminister der Verteidi-
gung Karl-Theodor zu Guttenberg haben gegenüber Par-
lament, Öffentlichkeit sowie gegenüber den internationa-
len Partnern Deutschlands sämtliche Fragen nach dem
Stand der jeweils ihnen vorliegenden Informationen zeit-
nah beantwortet und somit die Interessen der Bundesre-
publik Deutschland wahren können.
Gegenüber den Opfern sowie deren Angehörigen haben
die Bundeskanzlerin, der Bundesverteidigungsminister
und die Bundesregierung insgesamt von Anfang an eine
von Bedauern und Respekt gegenüber den unschuldigen
Opfern gekennzeichnete Haltung eingenommen, die in-
sbesondere von afghanischer Seite sehr beachtet und
respektiert wurde.
Die Angehörigen der Bundeswehr im Einsatz vor Ort
konnten sich zu jedem Zeitpunkt der vollen Unterstützung
der Bundesregierung und der großen Mehrheit des Deut-
schen Bundestages für ihren ebenso wertvollen wie ris-
kanten Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan
sicher sein.
Seit dem September 2009 hat sich die Lage unter anderem
durch den aktiven Beitrag der Bundeswehr und der Inter-
nationalen Schutztruppe ISAF sowie durch die nachhalti-
ge Stärkung der afghanischen militärischen und zivilen
Kräfte positiv entwickelt, so dass eine Abzugsperspektive
für die internationalen Streitkräfte erreicht werden konnte.
Trotz der Opfer des Jahres 2009 bis zum aktuellen Jahr
2011, darunter neben vielen zivilen Opfern der Taliban
auch Soldaten der Bundeswehr, ist die Strategie der ISAF
zunehmend erfolgreich, Afghanistan zur Selbstverteidi-
gung zu befähigen.
Während der Deutsche Bundestag die Umstände des Luft-
schlages vom September untersuchte, hat er das Afghanis-
tan-Mandat für die Bundeswehr im Jahr 2010 wie auch im
Jahr 2011 jeweils bekräftigt und verlängert. Auch aus der
parteiübergreifenden, großen Zustimmung des deutschen
Parlamentes für die Bundeswehr lässt sich erkennen, dass
die vorliegende Untersuchung sich auf einen Einzelfall
und dessen Umstände konzentrierte. Der Einsatz der Bun-
deswehr wurde bis auf eine kleine Minderheit im Parla-
ment nicht in Frage gestellt.
Diese breite Unterstützung des Bundeswehreinsatzes in
Afghanistan wird nicht geschwächt dadurch, dass Teile
der Opposition der Versuchung nicht widerstanden haben,
die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss durch
den Versuch zu torpedieren, dass parteitaktische Polemik
gegen den erst nach dem Luftschlag und nach der Bun-
destagswahl ins Amt berufenen Bundesverteidigungsmi-
nister wichtiger war als die Schlussfolgerungen aus dem
Luftschlag für die zukünftige Ausrichtung der Bundes-
wehr in Afghanistan.
Der Untersuchungsausschuss attestiert der Bundesregie-
rung angesichts der besonderen Schwere und der schwie-
rigen Umstände einen durchweg korrekten Umgang mit
den Folgen des Luftschlages vom 4. September 2009.
Die aus Sicht des Ausschusses gegebenen Schlussfolge-
rungen aus den Erkenntnissen zu Ablauf und Information
über den Luftschlag finden sich am Ende dieses Bewer-
tungsteils und werden den zuständigen Ministerien zur
Beachtung und Umsetzung empfohlen.
2. Verlauf der Ausschussarbeit
Der Verteidigungsausschuss hat sich am
17. Dezember 2009 auf Grundlage eines gemeinsamen
Antrags aller Fraktionen gemäß Artikel 45a Abs. 2
Grundgesetz als Untersuchungsausschuss konstituiert, um
den Luftschlag auf zwei Tanklastwagen in Afghanistan
vom 4. September 2009 sowie die darauf erfolgte Aufklä-
rungs- und Informationspraxis der Bundesregierung zu
untersuchen.
Der Generalbundesanwalt hat entsprechend der einschlä-
gigen Rechtsvorschriften bereits wenige Wochen nach
Konstituierung des Untersuchungsausschusses, nämlich
am 12. März 2010, eine eigenständige und umfangreiche
Untersuchung zur Frage eingeleitet, ob im Zusammen-
hang mit dem Luftschlag deutsches oder internationales
Recht verletzt wurde. Diese intensive und inhaltlich um-
fassende Untersuchung konnte sich auf die zahlreichen,
bereits seit September 2009 verfügbaren, Unterlagen der
deutschen und internationalen Stellen stützen.
Am 16. April 2010 gab der Generalbundesanwalt das
Ergebnis bekannt: Er stellte das Ermittlungsverfahren
gegen den seinerzeitigen Kommandeur des PRT Kunduz,
Oberst Klein, zum Luftschlag vom 4. September 2009 ein,
nachdem sich keine Anhaltspunkte für ein rechtswidriges
Verhalten ergeben hatten und somit die rechtlich korrekte
Handhabe durch Oberst Klein als erwiesen galt.
Wenige Tage nach diesem Untersuchungsergebnis erfolg-
te am 22. April 2010 die Aussage des Verteidigungsmi-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 175 – Drucksache 17/7400
nisters Karl-Theodor zu Guttenberg vor dem Ausschuss.
Dabei wurden inhaltlich sowohl die Ergebnisse der Unter-
suchung des Generalbundesanwaltes bestätigt als auch der
zweite wesentliche Teil des Auftrages, namentlich der
korrekten Information des Parlaments und der Öffentlich-
keit durch das Bundesministerium der Verteidigung,
durch die eingeleiteten Maßnahmen des Ministers zur
Herstellung größtmöglicher Transparenz bestätigt.
Durch die umfassende Unterrichtung und die gemachten
Feststellungen waren weiterführende neue Erkenntnisse
für den Untersuchungsauftrag nicht mehr zu erwarten und
wurden im Nachgang auch nicht mehr gewonnen. Folge-
richtig empfahl die Ausschussmehrheit, die Beweisauf-
nahme abzuschließen, um dadurch zeitnah nach dem
Luftschlag schon die Schlussfolgerungen ziehen zu kön-
nen.
Die Opposition nutzte hier ihr Minderheitsrecht und be-
stand darauf, trotz der bereits gewonnenen Erkenntnisse
und trotz inhaltlich voll umfänglich erfolgter Aufklärung,
eine große Zahl zusätzlicher Zeugen zu vernehmen und
zahlreiche, oftmals klassifizierte Dokumente in erhebli-
chem Umfang aufarbeiten und dem Ausschuss zuleiten zu
lassen. Kein Zeuge und kein Dokument haben dem Aus-
schuss wesentlich neue Erkenntnisse für den Untersu-
chungsauftrag erbracht. Die Fakten waren bereits ermit-
telt, der Ausschuss wurde zur Bühne parteitaktischer
Angriffe instrumentalisiert.
Es ist zu kritisieren, dass es der Ausschussminderheit hier
im Kern nicht um die Aufklärung der Umstände des Luft-
schlages ging. Stattdessen wurde im Ergebnis zum Scha-
den der parlamentarischen Arbeit sowie der Bundeswehr
und im Übrigen erfolglos für die Opposition die Strategie
verfolgt, völlig fragwürdige, an Konspiration grenzende
Theorien künstlich am Leben zu erhalten, die schon vor
Beginn der Ausschussarbeit in die Welt gesetzt worden
waren und auf die mangels Gehalt und Beweis hier nicht
eingegangen werden kann.
Zur Umsetzung dieser als destruktiv zu kritisierenden
Strategie wurden teils äußerst problematische Befra-
gungsmethoden angewandt, die erkennbar nur den Zweck
verfolgten, wahrheitsgemäß aussagende Zeugen durch
Ermüdung und Verwirrung zu Widersprüchen und fäl-
schlich belastenden Aussagen zu verleiten. Diese Metho-
de, die einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht entspricht,
scheiterte allerdings an bereits erwiesenen Sachverhalten
wie an der Geduld und der Korrektheit der einvernomme-
nen Zeugen.
Die Kampagne, politische Skandale generieren zu wollen,
hatte als zentrales Element, den erst nach der Bundes-
tagswahl ins Amt berufenen Bundesverteidigungsminister
zum Ziel der Angriffe zu machen aufgrund eines Luft-
schlages, der vor seinem Amtsantritt erfolgte und dessen
Aufarbeitung unmittelbar danach, noch vor der Bundes-
tagswahl im Kern durch nationale wie internationale Stel-
len begonnen wurde.
Der Hintergrund dieser schwerwiegendsten militärischen
Aktion der Bundeswehr und das Risiko für die Bundes-
wehr in Afghanistan wurden dabei sträflich missachtet
und gebotene fachliche Analyse entsprechend den Vorga-
ben des Deutschen Bundestages beiseite geschoben. Zum
Zweck dieser rein parteitaktisch motivierten Strategie
wurden erwiesene Fakten ausgeblendet und statt Unters-
tützung für die Bundeswehr durch rasche Aufklärung ein
politischer Generalangriff nach innen versucht.
Dass es gar zu Geheimnisverrat kam und entsprechende
Ermittlungen eingeleitet werden mussten, ist alarmieren-
der Beleg für ein Klima, in dem der politische Kampf
gegen den Minister wichtiger zu werden drohte als der
Schutz der Sicherheitsinteressen unseres Landes und der
Bundeswehr in einem hoch riskanten Einsatz.
Die Ausschussmehrheit hat durch umsichtiges Verhalten
erreichen können, dass die Versuche, den Einsatz der
Bundeswehr in Kunduz und gar den Afghanistan-Einsatz
der Bundeswehr insgesamt durch konspirative Theorien
und wilde Spekulationen zu skandalisieren und zu diskre-
ditieren, ins Leere gingen und Schaden von der Bundes-
wehr abgewendet wurde.
Nicht zuletzt durch die konsequente Orientierung an Fak-
ten wurde in schwierigem Umfeld eine breite öffentliche
Zustimmung und das klare Bekenntnis der großen Mehr-
heit des Deutschen Bundestages zum Einsatz in Afghanis-
tan gefestigt, und es gelang trotz der destruktiven Strate-
gie der Opposition, die Untersuchung zur Lage im Um-
feld des Luftschlages sowie mögliche Konsequenzen für
die Bundeswehr und für die Zusammenarbeit in NATO
und in ISAF zu einem verwertbaren Ende zu bringen.
3. Unsichere Sicherheitslage im PRT Kunduz
vor dem 4. September 2009
Die Sicherheitslage im Umfeld des Luftschlages ist für
die Beurteilung des Geschehens am 3./4. September 2009
als Grundlage der Entscheidungen vor Ort das entschei-
dende Kriterium.
Aus den Feststellungen im Teil A.I (S. 39) ergibt sich,
dass sich die Sicherheitslage in der Provinz Kunduz schon
in den Monaten vor dem Luftschlag erheblich verschlech-
tert hatte und die Risiken eines Angriffs auf das PRT
Kunduz als drastisch gestiegen gelten mussten.
Bereits Monate vor dem Luftschlag, am 29. April 2009,
war deutschen Soldaten nordwestlich von Kunduz von
den Taliban ein Hinterhalt gestellt worden, bei dem zum
ersten Male nach dem 2. Weltkrieg ein deutscher Soldat
in einem Gefecht fiel.
Am selben Tag wurden an anderer Stelle fünf weitere
deutsche Soldaten bei einem Selbstmordanschlag schwer
verletzt. Die Beweisaufnahme im Untersuchungsaus-
schuss im Jahre 2010 förderte zutage, dass die Bundes-
wehr seit Mai 2009 nahezu täglich im direkten Feuer-
kampf stand. Die Befragungen im Ausschuss ergaben
zudem, dass die Bundeswehr bereits in 2009 immer stär-
ker zum Ziel mörderischer Angriffe der Taliban gewor-
den war.
Drucksache 17/7400 – 176 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zur Gefährdungslage des Herbstes im Jahr 2009 zählt
auch die gefährliche Entwicklung, dass die gewaltbereiten
Taliban in den Monaten vor dem Luftschlag bereits mehr-
fach Kleintransporter und andere Fahrzeuge entführt
hatten, um sie danach als Autobomben mit vernichtender
Wirkung einzusetzen.
So war unter anderem wenige Tage vor dem Luftschlag
nahe Kunduz, am 25. August 2009, östlich von Kunduz
ein mit Treibstoff beladener Tanklaster von den Taliban
mit Waffengewalt entführt worden. Zur damaligen Gefah-
renanalyse gehörte auch, dass die Taliban allein bis zum
4. September 2009 fünf schwerste Anschläge mit vielen
Toten und Verwundeten sowie schweren Zerstörungen
unter Einsatz von zuvor erbeuteten Tank- oder anderer
Lastkraftwagen verübt hatten.
Darüber hinaus war es im Umfeld der nur zwei Wochen
vor dem Anschlag und unter massivem Schutz der ISAF
ermöglichten afghanischen Präsidentschaftswahlen am
20. August 2009 zu einem massiven Anstieg bei Anschlä-
gen auch in der Provinz Kunduz gekommen.
So gab es allein im Monat Juli 2009 mindestens 30 Ang-
riffe auf ISAF-Truppen und afghanische Sicherheitskräf-
te. Im dem Luftschlag vorausgegangenen Monat August
bis einschließlich nach der Präsidentschaftswahl wurden
sogar mehr als 50 Anschläge registriert.
Der Ausschuss hat zudem zweifelsfrei erwiesen, dass der
Bundeswehr ein überaus glaubwürdiger nachrichten-
dienstlicher Warnhinweis vom 15. Juli 2009 vorlag, in
dem berichtet wurde, dass die Taliban einen sehr massi-
ven Anschlag auf das PRT Kunduz planten.
Nach den gewonnenen Informationen war der schwere
Angriff so geplant, dass zunächst an der Einfahrt des PRT
Kunduz eine gewaltige Explosion unter Einsatz eines mit
Sprengstoff voll gepackten Fahrzeuges, zum Beispiel
eines entführten Tanklastzuges, mit entsprechend verhee-
render Wirkung ausgelöst werden sollte. Unmittelbar
nach diesem massiven Selbstmordanschlag sollte ein
zweites mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug durch die
von der ersten Explosion gesprengte Lücke der Sicherung
des PRT Kunduz hindurch in den Bundeswehr-Stützpunkt
eindringen und dann mitten im Stützpunkt eine zweite
schwere Explosion auslösen. Nach dieser zweiten
Schockwelle würden weitere Selbstmordattentäter zu Fuß
in das PRT Kunduz eindringen und so viele Bundeswehr-
angehörige wie möglich töten bzw. mit in den Tod reißen.
Völlig zu Recht musste diese Warnung ernst genommen
und erhöhte Alarmbereitschaft angeordnet werden, zumal
die Taliban bereits massive Anschläge solcher Art gegen
ISAF-Truppen ausgeübt hatten.
Vor diesem Hintergrund entpuppten sich die politisch
motivierten Behauptungen, es habe zum Zeitpunkt des
Luftangriffes keine besondere Gefährdungslage bestan-
den, da sich die Warnungen ausschließlich auf die Phase
vor den afghanischen Präsidentschaftswahlen am 20.
August 2009 bezogen hätten, als naiv bis bewusst irrefüh-
rend.
Diese irrige und im Ergebnis gefährliche Betrachtung
wurde schon durch die schweren Zwischenfälle vom
3. September 2009 als völlige Fehleinschätzung oder gar
bewusste politische Fehlinterpretation enttarnt.
An diesem 3. September 2009, unmittelbar vor dem späte-
ren Luftschlag, wurde eine Bundeswehrkompanie des
PRT Kunduz von den Taliban aus dem Hinterhalt derart
massiv unter Beschuss genommen, dass nur durch vor-
bildliches und tapferes Verhalten bei der Selbstverteidi-
gung der Bundeswehr weit Schlimmeres als drei verwun-
dete Soldaten und mehrere beschädigte Fahrzeuge verhin-
dert werden konnte.
In einer solchen Situation von vorgeblich nicht mehr
bestehender Gefährdungslage zu sprechen, kann nur als
völlig unverantwortlich gegenüber den dort im Kampf
stehenden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr
gewertet werden.
4. Ablauf des Luftangriffs
a) Entführung der Tanklastzüge
Am Nachmittag des 3. September 2009 hielten die beiden
voll betankten Tanklaster in der Nähe des Dorfes Haji
Sakhi Ded By, ca. 8 km vom Feldlager des PRT Kunduz
entfernt, an, um bei einem der beiden Tanklaster eine
Panne zu reparieren.
Bei diesem Stopp brachten die Taliban die Tanklastzüge
mit Waffengewalt und unter Morddrohung gegen die
Fahrer unter ihre Kontrolle. Es ist nach den Erkenntnissen
des Ausschusses davon auszugehen, dass diese Aktion
geplant war, um später mit der gewaltigen Sprengkraft
zweier voll beladener Tanklastzüge ein Anschlag der
schwersten Kategorie durchführen zu können.
Am Abend des 3. September 2009 gegen 18.15 Uhr blie-
ben die Tanklaster nach dem Befehl der Taliban, sie ge-
gen den Rat der Fahrer über den Fluss zu bringen, in der
Mitte des Flusses auf einer Sandbank stecken. Diese Stel-
le befindet sich ca. 7 km vom Feldlager Kunduz entfernt.
Es kann nach den Erkenntnissen des Ausschusses als
sicher gelten, dass die Taliban über professionelle Aus-
stattung wie Mobiltelefone und mehr verfügten und aus
der Umgebung von anderen Taliban Unterstützung zur
Befreiung der Fahrzeuge anforderten. Zudem haben die
Untersuchungen ergeben, dass die Taliban in das Dorf
Haji Sakhi Ded By gingen und dort von Dorfbewohnern
Hilfe anforderten. Ebenso ergaben die Untersuchungen,
dass die Taliban mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest
Teile der lokalen Bevölkerung mit Waffengewalt und
Morddrohungen gezwungen haben, bei der Bergung des
Tanklastzuges zu helfen. Im weiteren Verlauf begaben
sich Dorfbewohner zu Fuß und teilweise auch mit Fahr-
zeugen zur Sandbank, um Treibstoff aus den Tanklastern
abzuzapfen, damit diese an Gewicht verlieren und die
Sandbank wieder verlassen können.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 177 – Drucksache 17/7400
Nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte in diesem Zu-
sammenhang, ob das Benzin zum eigenen Verbrauch
überlassen werden sollte oder befohlen wurde, das Benzin
abzuzapfen, um es später in die Tanklaster zurück zu
füllen. Zu dieser Frage waren sowohl die Aussagen, als
auch im Ergebnis die entsprechenden Unterlagen wider-
sprüchlich
1285
.
Aufgrund der Feststellungen unter B.III.1.a) (S. 45) steht
fest, dass die Task Force 47 gegen 20 Uhr durch einen
Informanten über die Entführung der Tanklaster in Kenn-
tnis gesetzt wurde. Diese Information wurde an den
Kommandeur des PRT Kunduz, Oberst Klein, weiterge-
geben.
Oberst Klein begab sich daraufhin in die Taktische Opera-
tionszentrale (TOC) der Task Force 47, in der sich der
Fliegerleitoffizier des PRT Kunduz (JTAC) aufhielt.
Aufgrund der erhobenen Beweise, insbesondere der über-
einstimmenden Zeugenaussagen, gelangte die Aus-
schussmehrheit zu der Gewissheit, dass sich der JTAC
des PRT Kunduz eindeutig und nachvollziehbar aufgrund
der besseren technischen Ausstattung in der Taktischen
Operationszentrale (TOC) der Task Force 47 aufhielt.
Sowohl Oberst Klein als auch Hauptfeldwebel W. und
Hauptmann N. haben in Ihrer Zeugenaussage bestätigt,
dass es vor diesem Hintergrund durchaus üblich war, dass
das PRT Kunduz die technisch überlegene Taktische
Operationszentrale der Task Force 47 für ihre Zwecke
nutzte.
Es besteht aufgrund der Feststellungen unter B.III.2.a)
(S. 48) kein Zweifel daran, dass Hauptfeldwebel W. sich
am 3. September 2009 nur deshalb in der TOC der Task
Force 47 aufhielt, um Luftunterstützung zur endgültigen
Zerstörung eines anderen am selben Tages im Rahmen
des Gefechts der Bundeswehr mit den Taliban beschädig-
ten LKW-Zweitonner anzufordern, um kein sicherheitsre-
levantes Material mit entsprechendem Risiko für die
Bundeswehr in die Hände der Taliban fallen zu lassen.
Die Zeugen W. und N. bestätigten übereinstimmend, dass
Oberst Klein von der Zerstörung dieses Zweitonners Ab-
stand nahm, da aufgrund eines ca. 65 Meter vom Fahr-
zeug entfernten Gebäudes Kollateralschäden zu befürch-
ten waren, die er vermeiden wollte.
b) Volle Kontrolle durch PRT Kunduz – tech-
nische Unterstützung der Task Force 47 im
gebotenen Rahmen
Die Untersuchungen ergaben eindeutig, dass es sich we-
der um eine Operation der Task Force 47 handelte, noch
dass Oberst Klein in irgend einer Weise durch Angehörige
der Task Force 47 in seiner Entscheidungsfindung be-
drängt oder gar beeinflusst wurde.
Die Opposition versuchte seit Beginn des Untersuchungs-
ausschusses vergeblich, ihre Unterstellung zu bewahren,
1285) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 18.
dass es sich bei dem Befehl zum Luftschlag nicht etwa
um eine Aktion des Kommandeurs des PRT Kunduz,
sondern um eine eigenmächtige Handlung der Task Force
47 gehandelt habe, womit sie der Bundeswehr ein man-
dats- bzw. völkerrechtswidriges Verhalten unterstellte.
Dieser Versuch ist jedoch durch die klare Beweislage voll
umfänglich widerlegt und der Versuch der Skandalisie-
rung der Bundeswehr durch die Opposition ist auch in
dieser Frage gescheitert.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es sich eindeutig
um eine Aktion des PRT Kunduz gehandelt hat. Alle zu
diesem Thema vernommenen Zeugen haben übereins-
timmend bestätigt, dass es keine Operation der Task For-
ce 47 war. (siehe oben: B.III.8.b), S. 68). Darüber hinaus
steht auch fest, dass die Task Force 47 das PRT Kunduz,
insbesondere Oberst Klein, entsprechend der Vorschriften
mit den ihr zur Verfügung stehenden Fähigkeiten in der
gebotenen Weise unterstützt hat. Dass Oberst Klein als
Kdr des PRT Kunduz die TOC der Task Force 47 nutzte,
liegt in der deutlich besseren technischen Ausstattung des
TOC der Task Force 47 im Vergleich zum PRT Kunduz
begründet.
Das wird noch einmal besonders daran deutlich und nach-
vollziehbar, dass der für einen Luftschlag erforderliche
JTAC des PRT Kunduz sich zum Zeitpunkt der Entfüh-
rung wegen einer völlig abgekoppelten Einsatzplanung –
Zerstörung des Bundeswehrfahrzeuges, siehe oben –
bereits in der TOC der TF 47 aufhielt und dann auch von
dort aus den Einsatz des Luftschlages leitete (vgl. hierzu
unter: B.III.8, S. 68).
Darüber hinaus steht fest, dass es keinerlei Einflussnahme
von TF 47-Angehörigen, auf die Entscheidungsfindung
von Oberst Klein gab. Zum einen ist zunächst festzustel-
len, dass lediglich Hauptmann N. sowie der Storyboard-
Schreiber als Mitglieder der Task Force 47 anwesend
waren. Hauptfeldwebel W. war kein Angehöriger der
TF 47, sondern zählte zur Truppe des PRT Kunduz. Auch
dies ist durch die Aussagen sämtlicher zu dieser Frage
vernommen Zeugen eindeutig belegt (vgl. hierzu unter:
B.III.8.b)bb), S. 68). Auch diese klar zutage geförderte
Tatsache wurde von der Opposition mehrmals in Frage
gestellt.
Die Opposition missbrauchte hierzu faktenwidrig einen
später korrigierten Fehler im Bericht von Oberst Klein, in
dem Hauptfeldwebel W. als Verstärkerkraft bezeichnet
wurde
1286
, obwohl Oberst Klein in seiner Vernehmung vor
dem Ausschuss ausdrücklich und auch auf wiederholtes
Nachfragen klarstellte, dass es sich bei Hauptfeldwebel
W. keineswegs um ein Mitglied der TF 47 gehandelt und
er dies in seinem o. g. Bericht nur falsch abgefasst ha-
be.
1287
In ihrer Vernehmung haben sowohl Hauptmann N. als
auch Hauptfeldwebel W. und Oberst Klein bestätigt, dass
Oberst Klein in seiner Entscheidung entsprechend der
1286) vgl. „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63).
1287) vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 40, 41 und 43.
Drucksache 17/7400 – 178 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Vorschriften beraten wurde, es aber keinerlei Beeinflus-
sung gab. Auch dieser Vorwurf wurde somit in der Be-
weiserhebung widerlegt.
Weiterhin ergibt sich aus den Feststellungen in B.III.2.a)
(S. 48), dass die B1-Bomber für die Suche nach den am
Nachmittag entführten Tanklastern eingesetzt wurden und
Oberst Klein gegen 23 Uhr die TOC verließ, nachdem die
Tanklaster zunächst nicht gefunden werden konnten. Er
gab vor dem Hintergrund der Bedrohungs- und Gefähr-
dungslage die Anweisung, ihn sofort zu informieren, falls
die Tanklaster geortet sein sollten.
Nachdem die Tanklaster dann gegen 0.15 Uhr nur 7 km
entfernt vom PRT Kunduz geortet wurden, begab sich
Oberst Klein unmittelbar zurück in die TOC der Task
Force 47. Dort befanden sich zu diesem Zeitpunkt der
JTAC, Hauptmann N. und der Storyboard-Schreiber.
c) Keinerlei Beteiligung des Bundesnachrich-
tendienstes
Die Opposition versuchte es auch in der Frage einer even-
tuellen Beteiligung des BND mit einem untauglichen
Skandalisierungsansatz. Sie behauptete, es hätten sich zu
diesem Zeitpunkt Mitarbeiter des BND in der TOC auf-
gehalten, die zudem – so die Unterstellung – an der Vor-
bereitung oder Durchführung des Luftschlages beteiligt
gewesen seien. Dieser Ansatz wurde ebenfalls überzeu-
gend widerlegt. Aufgrund der Feststellungen in B.III.9
(S. 69) steht fest, dass sich zwar zeitweise zwei BND-
Mitarbeiter in der TOC der TF 47 aufhielten, diese aber
zum Zeitpunkt des Auffindens der Lastwagen die TOC
bereits wieder verlassen hatten und auch nicht an Planung
und Durchführung des Luftschlages beteiligt waren.
Laut Aussage der Zeugen R. und F. hielten sich die bei-
den in einem abgetrennten Teil der TOC auf, gingen ihren
eigenen Aufgaben nach, die keinen Bezug zum Luftschlag
hatte.
Der Zeuge R. hat in diesem Zusammenhang bestätigt,
dass sie mit Oberst Klein „arbeitstechnisch gar nichts zu
tun“ gehabt haben (siehe oben: B.III.9.a), S. 69).
Darüber hinaus haben die Untersuchungen ergeben, dass
die beiden BND-Mitarbeiter schon vor dem Zeitpunkt der
Entscheidungsfindung den Gefechtsstand bereits verlas-
sen hatten und sich nicht mehr im Dienst befanden. Von
dem Luftschlag haben beide nachweislich erst am näch-
sten Morgen erfahren.
Auch sämtliche hierzu befragten Zeugen, insbesondere
der damalige Leiter der Gruppe 22 im Bundeskanzleramt,
wie auch der damalige Leiter der Abteilung 6 des Bun-
deskanzleramtes sowie der Präsident des Bundesnachrich-
tendienstes haben bestätigt, dass der Bundesnachrichten-
dienst in keiner Weise an dem Vorfall beteiligt war.
Das Bundeskanzleramt hat sich nach der behaupteten
Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes mehrfach
beim BND nach dessen Rolle bei dem Luftschlag erkun-
digt. Alle diesbezügliche Nachfragen und Überprüfungen
haben eindeutig ergeben, dass es keine Beteiligung des
Bundesnachrichtendienstes gab. Alle anderslautenden
Behauptungen haben sich als gegenstandlos erwiesen und
müssen nach den gewonnenen Erkenntnissen teils als
bewusst irreführend qualifiziert werden.
Auch eine weitere Unterstellung der Opposition, es habe
sich bei dem Informanten zu den Tanklastzügen und zu
den Plänen der Taliban um eine Quelle des BND gehan-
delt, wurde durch die durchgeführte Beweisaufnahme klar
widerlegt. Mehrfache Überprüfungen des Bundeskanzler-
amtes beim BND haben zweifelsfrei ergeben, dass es sich
bei dem Informanten nicht um eine Quelle des BND,
sondern um einen Informanten der Bundeswehr handelte.
Dies hat vor dem Ausschuss auch der Zeuge Uhrlau be-
stätigt.
1288
Die Unterstellung einer sachwidrigen, gar mandats- oder
völkerrechtswidrigen Handlung oder auch nur unzulässi-
ger Einflussnahme ist damit in sich zusammengebrochen.
d) Der Luftschlag
Weiterhin ist aufgrund der Feststellungen in
B.III.4.c)bb)ccc) (S. 56) eindeutig nachvollziehbar, dass
Oberst Klein vor seiner Entscheidung mehrfach bei dem
Informanten nachfragen ließ, ob sich auf der Sandbank
Zivilpersonen bzw. Unbeteiligte befänden. Diese mehr-
fach wiederholten Anfragen wurden durch den Informan-
ten stets verneint. Der Informant gab in allen Telefonaten
an, dass sich ausschließlich Taliban auf der Sandbank
befänden und alle Personen auf der Sandbank bewaffnet
seien.
Es steht nach den Untersuchungen auch zweifelsfrei fest,
dass sich Oberst Klein bei Hauptmann N. mehrfach über
die Glaubwürdigkeit des Informanten informierte. Sowohl
gegenüber Oberst Klein als auch in seiner Aussage vor
dem Ausschuss gab Hauptmann N. an, dass man sich –
vor dem Hintergrund der Lage im Einsatzgebiet – bei
einem Informanten nie hundertprozentig sicher sein könn-
te, es aber keinerlei konkreten Zweifel an der Richtigkeit
der Angaben gab. Hauptmann N. wies zudem darauf hin,
dass sich die Angaben des Informanten bei früherem
Zusammenarbeiten als zuverlässig und richtig erwiesen
hatten.
Wie Oberst Klein in seiner Vernehmung angab, deckten
sich die Schilderungen des Informanten mit den durch die
Flugzeuge in die TOC übertragenen Videobildern. Durch
den Informanten wurden die Sandbank, die festgefahre-
nen Tanklaster, die zur Freischleppung der Tanklaster
herangeführten Fahrzeuge und die Bewegungen der Per-
sonen so beschrieben, wie es auch die übermittelten Vi-
deobilder der Luftaufklärung zeigten.
Oberst Klein gewann dadurch die Überzeugung, dass die
Angaben des Informanten den Tatsachen entsprachen.
Oberst Klein ging zum damaligen Zeitpunkt davon aus,
dass die Kontaktperson direkten Blickkontakt zum Ge-
1288) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 179 – Drucksache 17/7400
schehen hatte. Dies hat sich im Nachhinein jedoch als
nicht richtig herausgestellt. Die Untersuchungen haben
ergeben, dass der Informant zwar nicht vor Ort war, je-
doch über eine weitere Person, die sich vor Ort befand,
seine Informationen erhielt, die er weiter gab.
Zwar meinte sich der Sprachmittler in seiner Vernehmung
daran zu erinnern, der Informant habe sich direkt auf der
Sandbank befunden. Nach Überzeugung der Ausschuss-
mehrheit hat sich dies jedoch nicht bestätigt. Zum einen
gaben die beiden HUMINT-Operatoren an, dass der In-
formant ihrer Erinnerung nach weder vor Ort war noch
Blickkontakt hatte, sondern von einer weiteren Person
bzw. von mehreren weiteren Personen über das Gesche-
hen informiert wurde. Diese Angaben decken sich wiede-
rum mit der Aussage des Sprachmittlers, der angab, der
Informant hätte sich nach dem Luftschlag nochmals ge-
meldet und mitgeteilt, er müsse sich jetzt hin zur Sand-
bank begeben, damit er nicht auffalle.
Unabhängig davon, ob der Informant direkt auf der Sand-
bank war oder weiter entfernt, ergab sich für Oberst Klein
aus den übermittelten Informationen ein mit den Video-
bildern der Luftaufklärung übereinstimmendes Lagebild.
Unstreitig ist, dass der B1-Bomber gegen 0.48 Uhr den
Luftraum über der Sandbank verlassen musste, weil sich
der Treibstoff dem Ende zuneigte.
Weiterhin steht fest, dass Oberst Klein, nachdem er durch
die Erklärung einer „Troops in Contact“-Lage (vgl. hierzu
unter Punkt VI.1.a), S. 204) zwei ISAF-Kampfflugzeuge
angefordert hatte, Hauptmann N. noch ca. sieben Mal den
Befehl erteilte, den Informanten zu kontaktieren und nach
etwaigen Veränderungen der Lage zu befragen. Der In-
formant antwortete hierbei stets, dass sich ausschließlich
Aufständische auf der Sandbank aufhalten würden.
Nachdem Oberst Klein den von den Kampfflugzeugen
angebotenen „Show-of-Force“ als ungeeignet abgelehnt
hatte (vgl. hierzu unter Punkt VI.1.b), S. 205), erfolgte ein
Austausch über die Auswahl der einzusetzenden Waffen
für einen Luftschlag. Aufgrund der durchgeführten Be-
weisaufnahme ist unstreitig, dass die Besatzung der Flug-
zeuge zunächst 2 000-Pfund-Bomben vorschlug. Oberst
Klein lehnte dies ab, da er Kollateralschäden an einem
nahegelegenen Gehöft nicht ausschließen konnte. Allein
dieses Verhalten dokumentiert eindeutig, dass Oberst
Klein darauf bedacht war, dass keine Zivilisten zu Scha-
den kommen.
Vielmehr war es Ziel von Oberst Klein, einen Bomben-
einsatz nur mit minimaler Waffenwirkung, eng auf die
Tanklastwagen und die Sandbank zu begrenzen, um mög-
liche Kollateralschäden zu vermeiden. Auch dies zeigt
nach Ansicht der Ausschussmehrheit eindeutig und klar,
dass Oberst Klein alles Erforderliche unternahm, um eine
Schädigung Unbeteiligter zu vermeiden.
Dies wird nicht zuletzt dadurch untermauert, dass Oberst
Klein sich nicht nur für den Abwurf zweier 500-Pfund
Bomben mit im Verhältnis deutlich geringerer Spreng-
kraft entschied als ihm seitens der Bomberpiloten mit
einer 2 000-Pfund-Bombe empfohlen worden war. Zudem
entschied er, die Bomben mit Zündzeitverzögerung ab-
werfen zu lassen, um damit die Splitterwirkung zu redu-
zieren und somit die Gefahr der Tötung oder Verletzung
für unbeteiligte Personen, die sich nicht in unmittelbarer
Nähe der Tanklaster befanden, weitestgehend auszu-
schließen.
Die Beweisaufnahme vor dem Ausschuss hat ergeben,
dass Oberst Klein um 1.40 Uhr den Befehl zum Waffen-
einsatz gab, nachdem er aufgrund mehrfacher Prüfung
und mehrfacher Nachfragen zu dem Schluss gelangt war,
dass die nur wenige Kilometer vom PRT Kunduz entfern-
ten Tanklaster eine erhebliche Bedrohung für das PRT
darstellten und er aus seiner damaligen Perspektive keine
Handlungsalternativen zur Verfügung hatte, außer dieses
Risiko mittels eines Luftschlages auszuschalten (vgl.
hierzu weiter unter Punkt VI.4, S. 209).
Um 1.49 Uhr wurden die beiden 500-Pfund-Bomben
abgeworfen, die jeweils in der Nähe der Tanklaster ein-
schlugen.
Die Folgen des Bombenabwurfs, insbesondere die Frage,
bei wie vielen der Toten und Verletzten es sich um zivile
Opfer handelt, konnte eindeutig bis heute weder durch die
zahlreichen Untersuchungen und Berichte unmittelbar
nach dem Vorfall noch im Untersuchungsausschuss ge-
klärt werden (siehe unter Punkt VI.2.a), S. 206).
Die Ausschussmehrheit hat ebenso wie die große Mehr-
heit des Deutschen Bundestages von Anfang an den Kurs
für Entschädigung und Hilfen für die Opfer und die An-
gehörigen unterstützt und den Kurs der Bundeskanzlerin
und des Bundesverteidigungsministers gestützt, aktiv auf
die Bewohner des nahe gelegenen Dorfes und die zivilen
afghanischen Autoritäten zuzugehen. Dass die Klärung
nicht einfach herbeizuführen war, ist der Unübersichtlich-
keit der Lage vor Ort geschuldet.
II. Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 1
und 2 des Untersuchungsauftrages
Der Ausschuss hat sich auch mit der Frage beschäftigt,
welche Informationen im Zusammenhang mit dem Luft-
schlag wann innerhalb der Bundeswehr und innerhalb der
Bundesregierung kommuniziert wurden.
1. Völlig korrektes Meldeverhalten innerhalb
der Bundeswehr
Aufgrund der Feststellungen in C.II.1.a), b) und c)
(S. 89 ff.) hat sich ergeben, dass die Informationsweiter-
gabe und das Meldeverhalten innerhalb der Bundeswehr
anstandslos verlaufen sind.
Sämtliche Informationen im Zusammenhang mit dem
Vorfall in Kunduz wurden vollständig und unverzüglich
auf den vorgesehenen Meldewegen weitergeleitet.
Weder beim PRT Kunduz, noch beim Regionalkomman-
do Nord oder dem Einsatzführungskommando der Bun-
deswehr haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass
Drucksache 17/7400 – 180 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Informationen verzögert oder unvollständig weitergeleitet
wurden.
Brigadegeneral Vollmer kritisierte als Kommandeur des
RC North den Sachverhalt, dass die Information über den
Luftschlag ihn erst am Morgen des 4. September 2009 um
7.45 Uhr erreichte. Allerdings haben die Untersuchungen
hierzu ergeben, dass Oberst Klein unmittelbar nach dem
Luftschlag, um 3.13 Uhr, vom Gefechtsstand des PRT
Kunduz aus die Meldung über den Luftschlag an das RC
North übermitteln ließ (siehe oben: C.II.1.a)aa)aaa),
S. 89). Auch dieses Vorgehen ist völlig korrekt, da es sich
um den vorgesehenen Meldeweg handelt. Eine unmittel-
bare persönliche Unterrichtung in der Nacht an Brigade-
general Vollmer ist nicht vorgesehen und hatte daher auch
nicht zwingend zu erfolgen.
Dass General Vollmer von seinem Stab erst mit der um
7.45 Uhr eingegangenen Information unterrichtet wurde,
ist nicht auf fehlerhaftes Meldeverhalten zurückzuführen.
Wie der Zeuge Vollmer in seiner Vernehmung angab ist,
nicht genau geregelt, wie innerhalb des Gefechtsstandes
mit Meldungen umzugehen ist. Insbesondere gibt es keine
klaren Angaben, wann eine Meldung sofort an den Kom-
mandeur des RC North weitergeleitet werden muss und
wann bis zum Morgen gewartet werden kann (siehe oben:
C.II.1.a)aa)bbb), S. 90). Ein Fehlverhalten ist daher nicht
gegeben.
Aus Sicht der Mehrheit wäre es allerdings sinnvoll, diese
Meldewege entsprechend klarer zu formulieren und ge-
naue Richtlinien zu erstellen.
2. Unterrichtung des Bundesministeriums
der Verteidigung
a) Meldungen von außerhalb in das Bundes-
ministerium der Verteidigung
Die Untersuchungen haben nach Ansicht der Ausschuss-
mehrheit keinerlei Anlass zur Kritik bezüglich der von
außen eingehenden Informationen ergeben.
Alle Informationen aus Afghanistan bzw. aus dem Ein-
satzführungskommando und alle eingegangenen Berichte
wurden unverzüglich über die jeweiligen Meldewege an
das BMVg weitergeleitet.
Die Beweisaufnahme hat keinerlei Anhaltspunkte erge-
ben, dass Informationen nicht oder auch nur mit Verspä-
tung weitergegeben worden wären.
Die unverzügliche Weiterleitung der maßgeblichen Do-
kumente an das BMVg lässt sich anhand einiger Beispiele
sehr gut erkennen.
So wurde der „Klein-Bericht“ vom 5. September 2009
noch am selben Tag dem Ministerium zugeleitet. Auch
der „N.-Bericht“ vom 6. September 2009 ging im Bun-
desministerium der Verteidigung noch an diesem Tag ein.
Auch der IAT-Bericht wurde am 6. September 2009 er-
stellt und ging noch am Abend des 6. dem Ministerium zu
(siehe oben: C.II.1.d)aa)bbb)(1), S. 101).
Auch die vom seinerzeitigen Minister zu Guttenberg in
Auftrag gegebene Untersuchung des Informationsflusses
kommt zu dem Ergebnis, dass sich keine Anhaltspunkte
für eine fehlende oder lückenhafte Information des BMVg
durch nachgeordnete Behörden ergeben haben (siehe
oben: E.V, S. 163).
b) Informationsfluss innerhalb des Bundes-
ministeriums der Verteidigung
Neben den Meldewegen in das Bundesverteidigungsmi-
nisterium war es auch Aufgabe des Untersuchungsaus-
schusses, den Informationsfluss innerhalb des Ministe-
riums zu untersuchen.
Hier haben die Untersuchungen des Ausschusses ergeben,
dass die Informationsweitergabe im Zusammenhang mit
dem Vorfall in Kunduz bis zur Ebene des verantwortli-
chen Staatssekretärs und des Generalinspekteur beanstan-
dungsfrei erfolgte.
aa) Ordnungsgemäßer Informationsfluss bis
zur Ebene von Generalinspekteur und
Staatsekretär Dr. Wichert
Der damalige Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg
hat im November 2009 Staatssekretär Wolf damit beauft-
ragt, den Informationsprozess innerhalb des BMVg im
Zusammenhang mit dem Vorfall in Kunduz zu untersu-
chen. Insbesondere wurde der Informationsfluss der elf
Kerndokumente untersucht.
Diese Untersuchung kam zum Ergebnis, dass die entspre-
chenden Dokumente unverzüglich an die zuständigen
Adressaten im Ministerium weitergeleitet wurden und
„zumindest den zuständigen Staatssekretär und den zu-
ständigen Generalinspekteur erreicht haben“ (siehe oben:
E.V, S. 163).
Dieses Ergebnis wird auch durch die Aussage des Zeugen
Schneiderhan bestätigt, der angegeben hat, dass er den
„Klein-Bericht“ vom 5. September taggleich am
5. September 2009 erhalten hatte
1289
, und ihm auch der
„N.-Bericht“ vom 6. September 2009 noch am selben Tag
zugeleitet wurde.
Dies belegt, dass die einzelnen Referate im Bundesminis-
terium der Verteidigung die Berichte bzw. Dokumente
ordnungsgemäß weitergeleitet haben.
bb) Weitergabe relevanter Informationen durch
Generalinspekteur und Staatssekretär
Die Untersuchungen haben ergeben, dass Defizite im
Informationsfluss nicht erst nach dem Koalitionswechsel
vorgekommen sind, sondern bereits im unmittelbaren
Zeitraum nach dem Luftschlag die Weitergabe von In-
formationen durch Generalinspekteur und zuständigen
Staatsekretär nicht völlig beanstandungsfrei erfolgte.
1289) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 181 – Drucksache 17/7400
aaa) Keine Weitergabe von Informationen an
den Presse-/Informationsstab
Der damalige Leiter des Presse- und Informationsstabes
sagte vor dem Ausschuss aus, dass keiner der Berichte im
Zusammenhang mit dem Luftschlag in Kunduz vom Ge-
neralinspekteur an ihn weitergeleitet wurde, obwohl ge-
mäß der Geschäftsordnung des BMVg alle relevanten
Informationen auch dem Presse- und Informationsstab zur
Verfügung gestellt werden müssen.
1290
Auch wurde vom Büro des zuständigen Staatssekretärs
für eine Pressekonferenz am 7. September 2009 keine
Sprachregelung geliefert, obwohl dies übliche Praxis war
und obwohl der Presse- und Informationsstab ausdrück-
lich darum gebeten hatte (siehe oben: C.II.1.d)cc)ccc),
S. 104).
Die Empfehlung für eine Sprachregelung zur Pressekon-
ferenz wurde vom Büro des Staatssekretärs erst wenige
Minuten vor der Pressekonferenz an den Presse- und
Informationsstab weitergeleitet.
Zudem wurde dem Pressesprecher des BMVg auch nicht
vom Generalinspekteur der bereits seit dem
6. September 2009 vorliegende IAT-Bericht weiter gelei-
tet, so dass auf der Pressekonferenz die Ergebnisse des
Berichts, insbesondere die Hinweise auf mögliche zivile
Opfer, nicht erwähnt wurden.
Insbesondere diese fehlende Darstellung möglicher ziviler
Opfer hat in der Folgezeit erhebliche und berechtigte
Kritik innerhalb der Bundesregierung, seitens des Kanz-
leramtes und im politischen wie öffentlichen Raum insge-
samt hervorgerufen. Mit einer frühzeitigen und transpa-
renten Vorgehensweise wären dem seinerzeitigen Minis-
ter, dem Bundesministerium der Verteidigung und der
Bundeswehr große Teile der nachfolgenden Debatte ers-
part geblieben.
Dem Pressesprecher des BMVg wurde nicht nur der IAT-
Bericht nicht vorgelegt. Auch von anderen zentralen Do-
kumenten wie dem „N.-Bericht“, dem „Klein-Bericht“
und dem Feldjägerbericht erfuhr er erst Wochen später,
am 26. November 2009.
1291
Auf dem Dienstweg wurden diese Dokumente dem Pres-
se- und Informationsstab des BMVg nicht etwa nur ver-
zögert, sondern gar nicht vorgelegt.
Mit diesen offensichtlichen Defiziten in der Unterrichtung
im Ausschuss konfrontiert, reagierten sowohl der Zeuge
Dr. Wichert als auch der Zeuge Schneiderhan nach Be-
fund der Ausschussmehrheit insoweit unangemessen, als
sie die Verantwortung für ihre Handlungen und Unterlas-
sungen in diesem Zusammenhang auf den damaligen
Minister Dr. Jung abwälzten und versuchten, ihn für die
Unterrichtung des Pressesprechers verantwortlich zu
machen.
Aber selbst wenn der Minister den Pressesprecher unter-
richten würde, ist dafür erforderlich, dass zuvor der Mi-
1290) vgl. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5.
1291) vgl. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5.
nister selbst mit den relevanten Unterlagen versorgt wur-
de. Dies war vorliegend aber nicht der Fall. Auch Minis-
ter Dr. Jung war zu diesem Zeitpunkt durch Staatssekretär
Dr. Wichert und General Schneiderhan nicht umfassend
informiert worden. Daher ist der von General Schneider-
han unternommene Versuch, die Verantwortung allein auf
Minister Dr. Jung zu verschieben, hier eher unangemes-
sen.
Zum Zeitpunkt der Pressekonferenz am
7. September 2009 war nämlich selbst dem damaligen
Bundesverteidigungsminister Dr. Jung der IAT-Bericht
noch gar nicht vorgelegt worden. Minister Dr. Jung erfuhr
erst am Tag nach der Pressekonferenz, am
8. September 2009, von der Existenz dieses Berichtes.
Aufgrund der mangelnden Unterrichtung des Presse- und
Informationsstabes durch GI und Staatssekretär war der
Pressesprecher des BMVg gezwungen, eigene Nachfor-
schungen anzustellen.
Vor dem Hintergrund der mangelnden Unterrichtung und
Unterstützung wirkt die vom Zeugen Schneiderhan dies-
bezüglich geäußerte harsche Kritik (siehe oben:
C.II.1.d)cc)ggg), S. 106) umso unverständlicher. Wenn
General a. D. Schneiderhan den Pressestab entsprechend
der Geschäftsordnung ordnungsgemäß unterrichtet hätte,
wären die eigenen Nachforschungen des Presse- und
Informationsstabes nicht erforderlich geworden und nicht
erfolgt.
Durch die aufgrund der mangelnden Information durch
Generalinspekteur und Staatssekretär erforderlich gewor-
denen eigenen Nachforschungen kam es in der Pressekon-
ferenz zu der Erwähnung einer „dritten Quelle“. Diese
„dritte Quelle“ soll in einem Telefonat zwischen dem
damaligen stellvertretenden Pressesprecher des BMVg
und dem stellvertretenden Kommandeur des PRT Kunduz
Oberstleutnant G. erwähnt worden sein (siehe oben:
C.II.1.d)cc)eee), S. 105).
Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass es sich
hierbei lediglich um ein Missverständnis handeln muss.
Eine solche „dritte Quelle“ hat es ausweislich der durch-
geführten Untersuchung nicht gegeben. Auch der Zeuge
G. hat in seiner Vernehmung eindeutig angegeben, dass es
zum einen keine „dritte Quelle“ gegeben hat und dass er
eine solche in dem Telefonat auch nicht erwähnt hat (sie-
he oben: C.II.1.d)cc)eee), S. 105). Darüber hinaus haben
sämtliche zu diesem Thema vernommenen Zeugen bestä-
tigt, dass es keine „dritte Quelle“ gegeben hat.
Auch dieses Missverständnis hätte verhindert werden
können, wenn der Presse-/Informationsstab genügend
eingebunden worden wäre.
bbb) Unterrichtung des Planungsstabes
Auch die Informationsweitergabe an den Planungsstab
des BMVg durch General Schneiderhan und Staatssekre-
tär Dr. Wichert ist teilweise nicht vollständig erfolgt.
Drucksache 17/7400 – 182 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Aufgabe des Planungstabes ist es, den Bundesminister der
Verteidigung in grundlegenden sicherheitspolitischen und
militärstrategischen Fragen zu beraten und alle mündli-
chen und schriftlichen Einlassungen des Ministers vorzu-
bereiten. Der Planungsstab ist jedoch in keinem Bereich
für die originäre Sacharbeit zuständig, auch nicht bei
militärischen Bewertungen. Diese obliegt allein dem
Generalinspekteur der Bundeswehr.
Aus diesem Grund ist es zwingend, dass dem Planungs-
stab alle relevanten Dokumente vorgelegt werden, da
ansonsten eine ordnungsgemäße und verantwortliche
Beratung des Ministers durch den Planungsstab nicht
möglich ist.
Der Zeuge Schneiderhan hat in seiner Vernehmung vor
dem Ausschuss einräumen müssen, dass die Geschäfts-
ordnung des BMVg vorsieht, dass alle Vorlagen an den
Minister auch an den Planungsstab zu gehen haben.
Der Zeuge Schneiderhan hat dazu ausgesagt:
„Das Verfahren im Verteidigungsministerium ist
so, dass es keine Vorlage an den Minister gibt, die
nicht als Kopie über den Planungsstab auch zum
Minister kommt.“1292
Die Untersuchung hat jedoch ergeben, dass der Zeuge
Schneiderhan dieser Vorschrift in der Geschäftsordnung
nicht immer ordnungsgemäß nachgekommen ist.
Der Zeuge Schneiderhan hat in seiner Vernehmung hierzu
eingeräumt, dass er weder den „Klein-Bericht“ noch den
„N.-Bericht“ an den Planungsstab weitergeleitet hat.1293
Dies ist umso mehr kritikwürdig, als der Zeuge Schnei-
derhan den „Klein-Bericht“ als ein wichtiges Dokument
einschätzt.
1294
Es ist daher nicht zu rechtfertigen, dass
dieses wichtige Dokument vom GI nicht an den Pla-
nungsstab übermittelt wurde.
Hierbei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. So
wurde dem Planungsstab auch der Feldjägerbericht nicht
vorgelegt.
Zudem hat der Leiter des Planungsstabes in seiner Ver-
nehmung angegeben, dass ihm zunächst auch der IAT-
Bericht nicht vorgelegt wurde und er von diesem eher
zufällig am 8. September 2009 Kenntnis erhielt.
1295
Weiter hat der Zeuge Dr. Schlie dargelegt, dass es sich
hierbei nicht um ein grundsätzlich neues Problem gehan-
delt hat, sondern dass bereits in der Zeit 2005 bis 2009,
insbesondere bei militärisch-operativen Fragen, häufig
Vorlagen des GI an den Minister den Planungsstab nicht
erreicht haben.
1296
1292) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 32.
1293) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 32.
1294) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.
1295) vgl. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20.
1296) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 27.
ccc) Defizite bei der Unterrichtung des Vertei-
digungsministers nach dem Luftschlag
Deutlich werden die Defizite in der Unterrichtung durch
Generalinspekteur und Staatssekretär auch in der Unter-
richtung des Ministers.
Zum einen wurde dem Minister der IAT-Bericht nur ver-
zögert vorgelegt. Während ihm noch der „Klein-Bericht“
und der „N.-Bericht“ umgehend durch den GI zugeleitet
wurden, wurde der wichtige IAT-Bericht, in dem erstmals
konkret die Möglichkeit ziviler Opfer aufgezeigt wurde,
nicht mehr an den Minister übermittelt.
Vielmehr erfuhr der Minister durch die Obleuteunterrich-
tung am 8. September 2009, während der Sitzung des
Verteidigungsausschusses, von der Existenz des Berich-
tes.
Dass der deutsche Verteidigungsminister erst in der Sit-
zung des Verteidigungsausschusses von dem bis zu die-
sem Zeitpunkt wichtigsten Bericht im Zusammenhang mit
dem schwersten Luftschlag in der Geschichte der Bun-
deswehr erfährt, ist ein nicht hinnehmbares Verhalten
gegenüber dem obersten Dienstherrn und dem Inhaber der
Befehls- und Kommandogewalt. Eine selektive Unterrich-
tungspraxis des Ministers muss unterbunden werden.
Die verzögerte Vorlage des IAT-Berichtes an den Minis-
ter stellt keinen Einzelfall dar. Die Beweisaufnahme er-
gab, dass dem Minister auch der Umstand nicht mitgeteilt
wurde, dass bereits nationale Ermittlungen („Feldjägerbe-
richt“) eingeleitet wurden. Obwohl der Generalinspekteur
von der Einleitung dieser nationalen Untersuchung bereits
am 7. September 2009 erfuhr und sie unmittelbar am
selben Tag unterband, wurde der Minister über diesen
wichtigen Sachverhalt nicht informiert (nähere Ausfüh-
rungen hierzu finden sich unter Punkt V.2, S. 202).
Schwer wiegt, dass diese Unterbindung durch den Gene-
ralinspekteur selbst noch am 11. September 2009 in der
Beratung des Ministers von ihm ausgeklammert wurde,
obwohl Anlass dieser Beratung eine Vorlage des Pla-
nungsstabes an den Minister war, in der ausdrücklich die
Einleitung einer nationalen Untersuchung angeraten wur-
de.
1297
Nachdem diese nationale Untersuchung vom GI gestoppt
worden war, wurde der Minister vom Generalinspekteur
und vom zuständigen Staatssekretär dann gleichlautend
dahingehend beraten, eine solche nationale Untersuchung
nicht durchzuführen, ohne den Stopp der begonnenen
Untersuchungen zu erwähnen. Stattdessen sollten die
Ermittlungen des Joint Investigation Board abgewartet
werden.
Hier stellt der Untersuchungsausschuss fest, dass es die
Pflicht des GI gewesen wäre, dem Minister im Zusam-
menhang mit der Frage nach einer eventuell zu beauftra-
genden nationalen Untersuchung des Luftschlages zwin-
1297) Ministerweisung zur Aufklärung des Sachverhalts (Fn. 702,
Dokument 110).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183 – Drucksache 17/7400
gend über die gestoppte Feldjägeruntersuchung zu infor-
mieren, was jedoch unterblieb.
Zudem wurde der Feldjägerbericht dem Minister nicht
vorgelegt. Obwohl der Bericht bereits am
15. September 2009 beim Generalinspekteur einging,
wurde der Minister weder über Existenz noch über Inhalt
des Berichtes unterrichtet (siehe oben: C.II.1.d)dd)jjj),
S. 110).
Erst nach einer Anforderung durch internationale Partner
(hier das Joint Investigation Board) und dem daraus fol-
genden Zwang zur Thematisierung sprach der GI am
5. Oktober 2009, nahezu drei Wochen nach Eingang, den
Feldjägerbericht gegenüber dem Minister an.
Allein der Umstand, dass der Minister so spät mit dem
Feldjägerbericht befasst wurde, legt die Schlussfolgerung
nahe, dass der Minister über das Vorliegen des Feldjäger-
berichtes erst dann in Kenntnis gesetzt wurde, als die
Anforderung des Berichtes durch die NATO eine Befas-
sung unausweichlich machte.
Dem Minister wurden selbst in diesem Gespräch vom
5. Oktober 2009 nicht alle relevanten Informationen
eröffnet. So trug der Generalinspekteur zwar aus dem
Bericht vor, legte dem Minister den Bericht selbst jedoch
nicht vor. Der GI hat auch zu diesem Termin den Minister
nicht darüber informiert, dass er vom Feldjägerbericht
bereits am 7. September 2009 erfahren hatte und weitere
Ermittlungen unmittelbar unterbunden hatte. Stattdessen
hat der Generalinspekteur gegenüber dem Minister ausge-
führt, erst Mitte September 2009 während eines Afghanis-
tan-Aufenthaltes von den Untersuchungen erfahren und
diese dann dort vor Ort unterbunden zu haben. Es liegt
der Schluss nahe, dass der GI auch deshalb diese Informa-
tion vorenthielt, weil der Bericht bereits seit fast drei
Wochen vorlag. Es ist gesichert anzunehmen, dass er als
GI in große Erklärungsnot geraten wäre, warum er den
Bericht nicht bereits früher erwähnt bzw. vorgelegt hatte.
Gravierender ist der Umstand, dass dem Minister vom
Generalinspekteur auch nicht mitgeteilt wurde, dass die
NATO den Feldjägerbericht bereits angefordert hatte.
Vielmehr hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der GI
gegenüber dem Minister offenbar den Eindruck erwecken
wollte, es sei seine eigene Idee gewesen, diesen tatsäch-
lich von NATO angeforderten Bericht aus eigener Initia-
tive der NATO für ihre Untersuchungen zur Verfügung zu
stellen (siehe oben: C.II.1.d)dd)jjj), S. 110). Eine solche
Vorgehensweise ist kritikwürdig.
Die aufgezeigten Punkte belegen, wie teils eigenmächtig
und selektiv schon Minister Dr. Jung vom Generalinspek-
teur unterrichtet wurde und dass dabei der Analyse des
Generalinspekteurs zuwiderlaufende Informationen in
mehr als einem bedeutsamen Vorgang nicht wie geboten
unverzüglich, sondern teils stark verzögert oder erst dann
weitergeleitet wurden, wenn es unausweichlich wurde.
ddd) Information nach Bildung der Koalition aus
CDU/CSU und FDP
Auch der neue Bundesverteidigungsminister zu Gutten-
berg wurde durch Generalinspekteur und Staatssekretär
unzureichend informiert (siehe hierzu unten Punkt
III.2.a)bb) und cc), S. 188).
Die Art und Weise der Unterrichtung lässt den Schluss zu,
dass Generalinspekteur und Staatssekretär dem neuen
Minister so wenig wie möglich über solche Fakten zum
Luftschlag informieren wollten, die sie für ihre Position
als nicht zielführend einschätzten.
Dies ergibt sich auch daraus, dass in der eineinhalbstün-
digen Einweisung des neuen Ministers in die laufenden
Einsätze der Bundeswehr am 29. Oktober 2009 der Luft-
schlag von Kunduz mit keinem Wort erwähnt wurde.
Es muss mehr als verwundern, dass der Sachstand zur
folgenschwersten und politisch bedeutsamsten Entwick-
lung in der Geschichte der Bundeswehr weder vom Gene-
ralinspekteur noch vom Staatssekretär zum Gegenstand
bei der Einweisung des neu ins Amt berufenen Verteidi-
gungsministers gemacht wurde.
Vielmehr musste erst der Leiter des Planungsstabes dar-
auf drängen, im Anschluss an die Einweisung in kleiner
Runde mit dem Minister über den in der Nacht zuvor zum
Luftschlag eingegangenen COM ISAF-Bericht zu spre-
chen.
In dieser kleinen Runde gaben Generalinspekteur und
Staatssekretär dann eine kurze Einweisung von etwa 15
Minuten, in der nur zwei Passagen des Berichtes vorgele-
sen wurden und der Staatssekretär dabei den gerade ins
Amt gekommenen Minister darauf einzustimmen ver-
suchte, wie positiv der tatsächlich in Teilen überaus kriti-
sche Bericht für die Bundeswehr ausfalle.
An der Folge unzureichender Unterrichtungen und an der
völlig unzureichenden Art der Information für den neuen
Minister lässt sich eindeutig ablesen, dass Generalinspek-
teur und Staatssekretär offenkundig ein sehr eigenes
Interesse daran hatten, die eigene Einschätzung nicht
korrigieren zu müssen und den neuen Minister über den
Vorfall in Kunduz lediglich mit Teilen der gesamten Lage
bekannt zu machen und nicht ein umfängliches Lagebild
schildern zu wollen.
Diese Haltung wird durch das weitere Vorgehen von
Staatssekretär und Generalinspekteur in der Folgezeit
bestätigt. So wurde dem neuen Minister kein einziger
Bericht und kein Dokument im Zusammenhang mit dem
Luftschlag vorgelegt, die vor seiner Amtszeit im Ministe-
rium eingegangen waren, wodurch ihm erhebliche und
sehr relevante Informationen in einer in der deutschen wie
internationalen Öffentlichkeit und vor allem auch in der
NATO und in ISAF sehr relevanten Frage zur Einschät-
zung der Bundeswehr und der deutschen Alliierten nicht
zur Verfügung gestellt wurden. Zum anderen bleibt es
hoch erstaunlich, dass weder Staatssekretär Dr. Wichert
noch General Schneiderhan das Thema Kunduz überhaupt
Drucksache 17/7400 – 184 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
noch einmal von sich aus gegenüber dem Minister an-
gesprochen haben.
Die Beweisaufnahme legt den Schluss nahe, dass Gene-
ralinspekteur und Staatssekretär das Thema Kunduz mit
der Presserklärung des Generalinspekteurs vom
29. Oktober 2009 zum Ende bringen wollten und gemein-
sam erreichen wollten, dass sich der neue Minister aus
Nachforschungen zum Thema weitestgehend heraus hält.
Diese Annahme stärkte der Zeuge Dr. Wichert mit seiner
Aussage, in der er sich verwundert darüber zeigte, dass
Minister zu Guttenberg überhaupt eine Presserklärung
abgegeben hatte, nachdem doch bereits der Generalin-
spekteur unterrichtet hatte.
1298
Es ist eine kritikwürdige Auffassung der Informations-
pflichten, dass Staatssekretär und Generalinspekteur es
für nicht erforderlich hielten, in einer national wie inter-
national so bedeutsamen Angelegenheit die Beratung des
neuen Ministers – wie auch der Bundeskanzlerin und des
Bundesaußenministers – im politisch erforderlichen Maße
durchzuführen.
3. Unterrichtung des Auswärtigen Amtes
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass auch dem Aus-
wärtigen Amt bereits im Laufe des 4. September 2009
konkrete Hinweise auf zivile Opfer vorlagen.
Der seinerzeitige Außenminister und Vizekanzler
Dr. Steinmeier hat als Zeuge vor dem Ausschuss ausge-
sagt, dass auch ihn persönlich Informationen erreicht
haben, wonach die NATO von zivilen Opfern ausgegan-
gen sei.
Darüber hinaus hatte das Auswärtige Amt mit dem zivilen
Leiter des PRT Kunduz, D., einen unmittelbaren Kon-
taktmann vor Ort. Der zivile Leiter des PRT Kunduz hat
nach eigenen Aussagen noch am Morgen des
4. September 2009 über konkrete Hinweise auf zivile
Opfer informiert.
Fragwürdig bleibt in diesem Zusammenhang, dass von
Seiten des Auswärtigen Amtes als dem für den Einsatz in
Afghanistan federführenden Ministerium keinerlei Nach-
frage auf die Hinweise zu zivilen Opfern erfolgte, obwohl
dem Auswärtigen Amt dahingehende Informationen vor-
lagen. Der damalige Außenminister und SPD-
Kanzlerkandidat war im Ergebnis nur unzureichend um
Aufklärung des Vorfalls bemüht und hat erkennbar ver-
sucht, sich von den Ereignissen fernzuhalten, um politisch
möglichst nicht davon betroffen zu werden. Der damalige
Außenminister hat sich im Ergebnis um seine Verantwor-
tung als politisch federführender Minister gedrückt und
die Aufräumarbeiten für den Luftschlag der Bundeskanz-
lerin und dem Bundesverteidigungsminister und somit
dem Koalitionspartner politisch vor die Tür kehren wol-
len.
In diesem Kontext erscheint auch die geäußerte Kritik an
der Kommunikation zwischen dem militärischen und dem
1298) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.
zivilen Strang des PRT Kunduz als parteitaktisches Ab-
lenkungsmanöver.
Dr. Steinmeier übte indirekt Kritik, er hätte sich ge-
wünscht, dass der zivile Leiter (aus seinem Ressort)
schnell und umfassend informiert worden wäre und dass
eine dichtere Kommunikation zwischen dem (vom BMVg
gestellten) militärischen und dem (vom AA gestellten)
zivilen Teil des PRT bestanden hätte, weil von diesen die
jeweilig zuständigen Ministerien informiert würden.
1299
Diese Kritik ist umso mehr als politisches Ablenkungs-
manöver zu bewerten, weil der zivile Leiter in seiner
Aussage vor dem Ausschuss die vom Zeugen Steinmeier
behaupteten Kommunikationsmängel selbst nicht bestä-
tigte. Er gab vielmehr an, dass der Kontakt zum militäri-
schen Leiter des PRT regelmäßig war, er an den Lage-
besprechungen beteiligt und darüber hinaus jederzeit die
Gelegenheit gehabt habe, sich mit der militärischen Spitze
des PRT zu besprechen (siehe oben: C.II.2.c)aa), S. 117).
Umso kritikwürdiger wirkt, wenn der damalige Außenmi-
nister selbst in Kenntnis der Möglichkeit ziviler Opfer zu
keinem Zeitpunkt auch nur einen Versuch unternahm,
sich durch Mitarbeiter oder andere Informationskanäle
seines Hauses genauere Informationen über die Vorgänge
in Kunduz zu beschaffen. Und umso stärker wirkt der
Kontrast zum verantwortungsvollen und umsichtigen
Verhalten der Bundeskanzlerin, die sich trotz der Proble-
me bei der Informationsbeschaffung rasch um eine erste
Übersicht bemühte und dadurch bereits am
8. September 2011 eine überzeugende Regierungserklä-
rung abgeben konnte.
4. Unterrichtung durch das Bundeskanzler-
amt
Gegenüber dem Verhalten des Bundeskanzleramtes und
der Bundeskanzlerin ist im Zusammenhang mit dem Luft-
schlag in Kunduz keinerlei Kritik vorzubringen, im Ge-
genteil: das Kanzleramt hat sich vom ersten Tag an – im
Unterschied zum damals noch von der heutigen Oppositi-
onspartei SPD geführten Auswärtigen Amt – aktiv und
energisch darum bemüht, ein möglichst vollständiges und
belastbares Lagebild zu erhalten.
Die Versuche der Ausschussminderheit, dem Kanzleramt
bzw. der Bundeskanzlerin ein Fehlverhalten zu unterstel-
len, gingen konsequenter Weise ins Leere.
Die Beweisaufnahme ergab, dass das Kanzleramt nicht
über eigene, gar weitergehende Erkenntnisse verfügte.
Vor allem wurde nachgewiesen, dass in keiner Form auch
nur der Versuch einer Vertuschung oder Einflussnahme
mit Bezug auf die Untersuchungen unternommen wurde.
Im Gegenteil wurde erwiesen, dass das Kanzleramt von
Beginn an eine zügige und vollumfängliche Aufklärung
des Vorfalls anstrebte und dies, einschließlich der Bun-
deskanzlerin, persönlich, aktiv und hartnäckig betrieb.
1299) vgl. Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 7, 16 und 21.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185 – Drucksache 17/7400
Auch die Informationswege innerhalb des Kanzleramtes
funktionierten einwandfrei und geben keinerlei Anlass zur
Kritik.
a) Nicht belastbare, „unverbindliche Erstmel-
dung“ des BND
Der Untersuchungsausschuss hat auf Betreiben der Aus-
schussminderheit die „unverbindliche Erstmeldung“ des
Bundesnachrichtendienstes (BND) vom
4. September 2009 an das Kanzleramt eingehend geprüft.
Der Versuch, hier ein Fehlverhalten zu unterstellen, ist an
den ermittelten Fakten gescheitert.
Die parteitaktisch motivierte Unterstellung, das Kanzler-
amt sei frühzeitig über zivile Opfer informiert gewesen
und hätte diese Information nicht veröffentlicht, wurde
durch die Beweisaufnahme entkräftet und widerlegt. Die
Beweisaufnahme ergab, dass es sich hier um eine inhalt-
lich nicht belastbare „unverbindliche Erstinfo“ handelte,
in der zudem spekulative Elemente enthalten waren, die
zum damaligen Zeitpunkt keiner seriösen Überprüfung
unterzogen waren. Eine Weitergabe lediglich spekulativer
Meldungen durch das deutsche Bundeskanzleramt wäre
vor dem Hintergrund der Schwere des Vorgangs nicht
vertretbar gewesen.
So wurde die Nachricht nicht vom BND vor Ort in Afg-
hanistan verfasst, sondern in Berlin von einem Mitarbeiter
der Gruppe 62 im Bundeskanzleramt, der in dieser E-Mail
den Inhalt eines Telefonates mit einem BND-Mitarbeiter
festhielt (siehe oben: C.II.3.a)ff), S. 121). Zudem doku-
mentiert auch der Inhalt der E-Mail, dass es sich hierbei
nicht um validierte Informationen handelt.
Der Zeuge Vorbeck, der als Leiter der Gruppe 62 unter
anderem mit der Steuerung und Kontrolle der Informati-
onsbeschaffung durch den BND befasst ist und einer der
Adressaten dieser E-Mail war, hat in seiner Vernehmung
überzeugend dargelegt, dass er dieser E-Mail aus seiner
Erfahrung heraus keine besondere Bedeutung beigemes-
sen hat. Die Beweisaufnahme hat zudem ergeben, dass
diese Einschätzung des Zeugen Vorbeck gerechtfertigt
war.
Wie er vor dem Ausschuss ausführte, müsse man allge-
mein gegenüber nachrichtendienstlichen Erstinformatio-
nen vorsichtig reagieren. „Wer weiß, wie nachrichten-
dienstliche Informationen zustande kommen, wird das
relativ schnell verstehen“1300. Im Vorliegenden handelte
es sich aber nicht einmal um eine Erstinformation, son-
dern gar lediglich um eine „unverbindliche Erstinfo“, so
dass die Belastbarkeit der Information nochmals relati-
viert wurde. Das Wort „unverbindlich“ weist hier bewusst
darauf hin, dass die Information äußerst unsicher ist und
es sich bei den geschilderten Inhalten um Spekulationen
und noch nicht um überprüfte Fakten handelt.
Die „unverbindliche Erstinfo“ enthält nicht nur reine
Spekulationen hinsichtlich möglicher Opfer, sie enthält
1300) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 4.
auch eine Vielzahl von im Nachhinein als objektiv falsch
erwiesener Angaben. So geht die „Erstinfo“ unter ande-
rem davon aus, dass es sich bei dem Luftschlag um eine
Aktion der US-Streitkräfte gehandelt hätte. Eine Beteili-
gung deutscher Soldaten wird gar nicht erwähnt.
Es ist völlig klar, dass diese in der Erstinformation völlig
falsch dargestellte Konstellation, ein Luftschlag ohne
deutsche Beteiligung, die Brisanz für die Bundeswehr und
für Deutschland ganz weitreichend aus dem Vorgang
heraus genommen hätte. Die Fragen richten sich zu Recht
an den Partner in der ISAF, dessen Kontingent unmittel-
bar verantwortlich für die Handlungen ist, die hinterfragt
werden. Es wäre zweifelsfrei ein sehr großer internationa-
ler Vertrauensschaden entstanden, wenn das Bundeskanz-
leramt eine solch krasse Fehlinformation über eine nicht
durchgeführte Aktion von Verbündeten kommuniziert
hätte. Nochmals potenziell größer wäre der außen- und
bündnispolitische Schaden gewesen, wenn – wie es die
Fakten dann ergaben – eine solche Fehlinformation aus-
gerechnet mit Bezug auf die eigene Federführung beim
Luftschlag hätte korrigiert werden müssen.
Allein dieser Umstand reicht aus, um die Handlungsweise
des Bundeskanzleramtes als nicht nur korrekt, sondern als
politisch zwingend geboten zu bewerten. Vor dem Hin-
tergrund solcher Risiken, wie von der Minderheit ver-
sucht, dem Kanzleramt implizit die Notwendigkeit einer
Veröffentlichung dieser Falschmeldung zu diesem Fall
unterschieben zu wollen, zeugte entweder von außen- und
verteidigungspolitisch unverantwortlichem Handeln oder
belegt, wie im vorliegenden Fall, den verzweifelten Ver-
such, nach völliger Aufklärung der Sachverhalte zuguns-
ten von Bundeswehr und Bundesregierung doch noch
etwas konstruieren zu wollen. Letzteres wurde versucht
und ist allerdings durch die Beweisaufnahme zum Nach-
teil der Urheber enttarnt worden.
Im Vergleich dazu waren die dem Auswärtigen Amt und
dem damaligen Außenminister Dr. Steinmeier durch den
zivilen Leiter des PRT Kunduz zugegangenen Informa-
tionen wesentlich konkreter und belastbarer.
Dass die vom Kanzleramt gegenüber dieser „unverbindli-
chen Erstinfo“ geübte Skepsis völlig berechtigt war, hat
sich bereits in den Stunden und Tagen danach deutlich
bestätigt. Folgerichtig wurde die Unterstellung, das Kanz-
leramt habe irgendetwas vertuschen wollen, durch die
Beweiserhebung vollständig entkräftet. Im Gegenteil hat
sich herausgestellt, dass das Kanzleramt nicht nur voll
umfänglich korrekt und angemessen, sondern äußerst
professionell und umsichtig verhalten hat.
b) Keine eigenen Erkenntnisse des Bunde-
kanzleramtes durch den Bundesnachrich-
tendienst
Die Untersuchung hat in diesem Zusammenhang auch
ergeben, dass das Bundeskanzleramt auch in der Folgezeit
keine „eigenen“ Erkenntnisse vom BND zum Luftschlag
erhielt.
Drucksache 17/7400 – 186 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Es ist dagegen erwiesen, dass der BND weder in den
Vorfall selbst involviert, noch dass eine Beteiligung des
BND an Maßnahmen nach dem Luftschlag unterstellt
werden kann. Insbesondere hat der BND keinerlei eigene
Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt. Der BND-
Präsident Uhrlau hat in seiner Aussage vor dem Aus-
schuss erklärt, dass es weder vor, während noch nach dem
Luftschlag eine Beteiligung des BND gab (siehe oben:
C.II.3.a)bb), S. 120).
Zudem hat der Zeuge M. F. bestätigt, dass es keinen Auf-
trag zur Aufklärung des Luftschlages gab. Dazu steht
nicht die Aussage des Zeugen A. R. in Widerspruch, da es
sich bei dem vom Zeugen A. R. angeführten Weisung,
nach Möglichkeit Informationen im Zusammenhang mit
dem Luftschlag zu sammeln (siehe oben: C.II.3.a)bb),
S. 120), lediglich um die allgemeine Aufgabenstellung
des BND handelt, als Auslandsnachrichtendienst Erkenn-
tnisse zu sammeln und auszuwerten, die von außen- und
sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik
Deutschland sind. Wäre der BND in ausgerechnet diesem
Fall seiner zentralen Aufgabe nicht nachgekommen, hätte
gerade dieses Anlass zu Nachfragen geben müssen. Dass
der BND hier im Rahmen seiner Aufgabenstellung ermit-
telte, war geboten und entspricht korrektem Vorgehen.
Bei dieser Informationssammlung handelte es sich um das
Sammeln bereits vorliegender Informationen. Eigene
Ermittlungen von Seiten des BND wurden nicht getätigt.
Somit konnten dem Bundeskanzleramt keine „eigenen“
Erkenntnisse des BND vorliegen, die es als solche gar
nicht gab. Dem Bundeskanzleramt lagen keinerlei Infor-
mationen vor, die nicht auch dem BMVg oder dem Aus-
wärtigen Amt vorlagen; vielmehr hat das Bundeskanzler-
amt seine Informationen aus dem Bundesministerium der
Verteidigung erhalten.
c) Zurückhalten von Nachrichtenübermittlung
an BK, AA und BMZ durch Staatssekretär
BMVg
Die zögerliche Unterrichtung des Bundeskanzleramtes
durch das BMVg hat in den ersten Tagen nach dem Luft-
schlag Anlass zur Kritik gegeben.
Diese Kritik richtet sich dabei nicht an das BMVg insge-
samt, sondern auf die geübte Praxis durch den dafür zu-
ständigen Staatssekretär.
Die Beweisaufnahme im Ausschuss ergab, dass der
Staatssekretär wichtige Informationen und Berichte im
Zusammenhang mit dem Luftschlag trotz Aufforderung
zunächst nicht und dann auch erst nach mehrfacher Inter-
vention und zudem mit erheblicher Verzögerung an das
Bundeskanzleramt weitergegeben hat.
So wurde insbesondere der bereits am 6. September 2009
dem BMVg vorliegende IAT-Bericht, trotz mehrfacher
Anforderung, erst am 10. September 2009 durch den
Staatssekretär an das Kanzleramt übersandt. Davor hatte
sich das Bundeskanzleramt vergeblich um die Übermitt-
lung des Berichtes bemüht, wie sich aus der Aktenlage
des Bundeskanzleramtes ergibt. Die beigezogenen Akten
beinhalten eine E-Mail, in der ausgeführt wird, dass das
Kanzleramt „aufgrund Wichert-Weisung“ an bestimmte
Informationen nicht rankommt
1301
und an einer anderen
Stelle, dass die Anforderung des Berichtes nach „Inter-
vention Büro Staatssekretär Dr. Wichert“ nicht erfüllt
wurde
1302
. An anderer Stelle heißt es, dass erst nach per-
sönlicher und nachdrücklicher Intervention beim Staats-
sekretär die Unterlagen an das Kanzleramt übermittelt
wurden (siehe oben: C.II.3.b)bb)bbb), S. 127).
Die zögerliche Unterrichtung durch den Staatssekretär
wird auch dadurch bestätigt, dass auch andere Ressorts
die Informationspraxis des Staatssekretärs kritisierten.
So bestätigte der seinerzeitige Bundesaußenminister und
Vizekanzler Dr. Steinmeier als Zeuge vor dem Ausschuss,
dass auch dem für Auslandseinsätze federführenden Res-
sort, nämlich dem Auswärtigen Amt, der IAT-Bericht
vom BMVg erst mit erheblicher Verzögerung am
11. September 2009 übersandt wurde und dass dies im
Außenministerium entsprechende Verärgerung auslöste
(siehe oben: C.II.2.c)bb)aaa), S. 118).
Aus den Akten ergibt sich, dass auch das in Afghanistan
involvierte Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung zunächst vergeblich ver-
sucht hatte, an Informationen vom BMVg zu gelangen.
1303
Vor diesem Hintergrund wurde im Ausschuss sehr ver-
wundert zur Kenntnis genommen, dass der seinerzeitige
Staatssekretär bei der Konfrontation mit diesen Vorwür-
fen darauf bestand, dass er die Unterrichtung ordnungs-
gemäß durchgeführt habe. Dies wird durch seine Begrün-
dung für die verzögerte Unterrichtung deutlich, in der er
anführte, das Kanzleramt hätte einen Bericht gefordert
und auch bekommen, um dann hinzuzufügen: „aber da
heften wir doch nicht den Bericht von Meyer, Müller und
Schulze für die Bundeskanzlerin hintendran“1304. Dieser
sehr eigene Vortrag dokumentiert das Verständnis des
Staatssekretärs über seine Unterrichtungspflichten gege-
nüber der Bundeskanzlerin, spiegelt sein Verständnis von
Amtsführung in diesem Zusammenhang wider, das spä-
terhin auch einen wesentlichen Beitrag zur Entscheidung
des neuen Ministers zu Guttenberg leistete, sich von dem
langjährigen und verdienten Staatssekretär zu trennen.
Die Beweisaufnahme ergab, dass Bundeskanzlerin
Dr. Merkel trotz dieser verzögerten Unterrichtung in ihrer
Regierungserklärung vom 8. September 2009 umfassend
und umsichtig zum Luftschlag Stellung nahm und damit
neben der Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die von
ihr gewählten offenen Formulierungen trotz der noch
unübersichtlichen Informationslage weiteren Schaden für
die Bundeswehr und für die deutsche Position bei interna-
tionalen Partnern verhindern konnte.
1301) vgl. E-Mail von Heusgen vom 7. September 2009 (Fn. 936,
Dokument 131).
1302) vgl. Vermerk für die Bundeskanzlerin vom 10. September 2009
(Fn. 920, Dokument 127).
1303) vgl. E-Mail BMZ vom 7. September 2009 (Dokument 177).
1304) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 59.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 187 – Drucksache 17/7400
Auch wird erkennbar, wie stark sich das Kanzleramt trotz
der mangelhaften Unterrichtung mit Erfolg darum bemüht
hatte, ein möglichst klares Gesamtlagebild zu erhalten.
Die Sorgfalt und Umsicht dieser Regierungserklärung
sind angesichts der geschilderten Umstände und vor dem
Hintergrund der Schwere des Vorfalls umso höher zu
bewerten, als sie bis heute keiner sachlichen Korrektur
bedarf und zudem seinerzeit wesentliche Anstöße zur
weiteren Klärung gab.
Neben dem Bemühen des Bundeskanzleramtes, auch
außerhalb des BMVg an Informationen zu gelangen,
wurde dem Bundeskanzleramt am 7. September 2009 eine
vom Einsatzführungsstab erarbeitete Stellungnahme
übermittelt, in der die bis dahin bekannten Fakten kurz
zusammen gefasst wurden. Hintergründe oder auch ge-
naue Herkunft der Fakten werden in dieser Stellungnah-
me, etwa durch Quellenangabe, nicht weiter ausgeführt.
Wie der zuständige Ministerialdirektor Heusgen als Zeuge
vor dem Ausschuss betonte, wäre es „sicherlich sehr gut
gewesen“, wenn der für die Stellungnahme maßgebliche
IAT-Bericht dem Kanzleramt „angesichts der Dimension
des Zwischenfalls“ und zugunsten einer „möglichst brei-
ten Informationsbasis“, schon früher vorgelegt worden
wäre.
1305
Dieser Aussage ist nachdrücklich zuzustimmen. Zwar
wurden dem Kanzleramt wichtige Eckdaten übermittelt,
dennoch muss die anhaltende Weigerung, die zugrunde
liegenden Berichte dem Bundeskanzleramt zu übermit-
teln, als Fehler im Ablauf kritisiert und festgehalten wer-
den.
III. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 3
des Untersuchungsauftrages
1. Einseitige Bewertung des damaligen Ge-
nerals Schneiderhan
Der für die Erst- und Folgebewertung zentrale Bericht des
Befehlshabers der ISAF, General McChrystal, ging am
Abend des 28. Oktober 2009 im BMVg als COM ISAF-
Bericht ein.
Am Mittag des folgenden 29. Oktober 2009 gab General
Schneiderhan eine Stellungnahme zu diesem COM ISAF-
Bericht ab. In seiner Presseerklärung erläuterte der Gene-
ralinspekteur seine Einschätzung des COM ISAF-Be-
richtes und bewertete das Vorgehen von Oberst Klein
beim Luftschlag als „militärisch angemessen“. Aus der
Presseerklärung
1306
geht nicht hervor, dass in dem
COM ISAF-Bericht auch Kritikpunkte am Verhalten von
Oberst Klein aufgeführt werden. Der damalige GI hat
dennoch den COM ISAF-Bericht als positiv für die Bun-
deswehr dargestellt.
1305) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 15.
1306) vgl. Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-
Untersuchungsbericht (Fn. 119, Dokument 51), Bl. 315 ff.
Im Unterschied zu dieser Festlegung der deutschen Posi-
tion durch den GI hat der Leiter des Planungsstabes des
BMVg, wie er vor dem Ausschuss ausführte, bei der Erör-
terung der Formulierungen gegen die Sprachregelung
„militärisch angemessen“ und statt dessen für „militärisch
vertretbar“ plädiert. Dies habe der zuständige Staatssekre-
tär Dr. Wichert mit dem Hinweis verworfen, die Sprach-
regelung „militärisch angemessen“ sei so mit dem Gene-
ralinspekteur abgestimmt.
1307
Aus diesem Ablauf wird deutlich, dass die Bewertung des
Luftschlages als „militärisch angemessen“ durch Staats-
sekretär und GI bereits vorab gemeinschaftlich und ohne
Abstimmung mit anderen Beteiligten festgelegt worden
war, wodurch eine sachgerechte, differenzierte Bewertung
in der Führung des BMVg erschwert und später auch
öffentliche Konflikte ausgelöst wurden.
2. Bewertung durch Verteidigungsminister zu
Guttenberg
Die Bewertung des Vorfalls durch Minister zu Guttenberg
und dessen Korrektur seiner ersten Bewertung des Vor-
falls wurde im Ausschuss ebenfalls thematisiert. Der
dabei von der Minderheit unternommene, letztlich erfolg-
lose Versuch, den neu ins Amt gekommenen Minister
wegen dessen später offen als fehlerhaft eingestandenen,
durch unzureichende Beratung und Information verur-
sachte Fehleinschätzung und der vom Minister später
sachgemäß begründeter Neubewertung anzugreifen, be-
schäftigte Ausschuss, Parlament und Öffentlichkeit.
Die überzogene und polemische Kritik am Minister, nach
dessen Korrektur, auf Grundlage neuer Informationen
seine erste Bewertung des Luftschlages als „angemessen“
in die Beurteilung „nicht angemessen“ zu ändern, ging
völlig daneben. Im Gegensatz zur Opposition erhielt der
Minister in Parlament wie in der Bevölkerung für seine
Offenheit große Anerkennung.
Es ist im Übrigen eine fragwürdige intellektuelle Haltung,
einen Minister dafür zu kritisieren, dass er nach Vorliegen
aller, auch vorher vorenthaltener, Informationen eine erste
Einschätzung ändert und den Luftschlag als „nicht ange-
messen“ bezeichnet – so wie ihn die Kritiker des Minis-
ters, allerdings ohne ausreichende Informationen, gleich
zu Beginn kritisiert hatten.
Es war vielmehr die Pflicht und ist Zeichen der politi-
schen Souveränität des Ministers, neue Fakten zu prüfen,
aufzunehmen und die Bewertung entsprechend zu verän-
dern.
Vor dem Ausschuss konnte der Minister sowohl das Zu-
standekommen seiner ersten Bewertung als auch die
Gründe für die Neubewertung überzeugend und glaubhaft
darlegen. Auch deshalb ist der Versuch, diese sehr offene
und gut nachvollziehbare Haltung des Ministers als
Schwäche und Taktik zu diffamieren, sowohl im Aus-
schuss als auch im Bundestag wie vor allem in der Öffent-
1307) vgl. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.
Drucksache 17/7400 – 188 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lichkeit nachhaltig gescheitert und zu Lasten der partei-
taktisch und polemisch agierenden Opposition verbucht
worden.
a) Erste Bewertung des Ministers vom
6. November 2009 auf Grundlage der Bera-
tung durch den Generalinspekteur
Die erste Bewertung zum Luftschlag nahm der Minister
am 6. November 2009 vor – auf Grundlage der vorherigen
Fachberatung vor allem durch den GI, auf die jeder neu
ins Amt berufene Minister in den ersten Wochen zwang-
släufig angewiesen ist.
Diese Beratung hatte ausschließlich den COM ISAF-
Bericht zur Grundlage. Hinweise auf die weiteren Berich-
te, Untersuchungen und Meldungen waren dem Minister
nicht mitgeteilt worden, darunter auch nicht auf die be-
reits seit längerem im BMVg vorhandenen Hinweise auf
militärische Alternativen für Oberst Klein oder auf abwei-
chende Einschätzungen und Beurteilungen zur Frage der
Angemessenheit (siehe oben: D.III.4, S. 149).
In dem Zusammenhang sagte der Leiter des Planungssta-
bes im BMVg vor dem Ausschuss aus, dass sich der Mi-
nister, zumal in einem solch schwerwiegenden Fall, auf
den GI als dem obersten militärischen Ratgeber verlassen
muss (siehe oben: D.III.4, S. 149). Folglich musste die
vom Generalinspekteur vorgenommene Bewertung „an-
gemessen“ gerade für einen neu im Amt befindlichen
Minister den Ausschlag geben.
Der Zeuge Schneiderhan gab vor dem Ausschuss eben-
falls an, zu den wesentlichen Aufgaben des Generalin-
spekteurs im Bundesministerium der Verteidigung gehö-
re, dass er als GI mit seinem Stab dafür zuständig war,
den Minister urteilsfähig zu machen.
1308
Nachdem die Beratung durch den GI in der Bewertung zu
einseitig und im Vortrag der Lage vor Ort wie auch mit
Blick auf Analysen und Berichte zu lückenhaft war, sah
sich der Minister nach der ersten, auf solchermaßen unzu-
reichende Informationen gestützten, Bewertung des Vor-
gehens durch Oberst Klein als „angemessen“, und vor
allem nach intensiver Prüfung der ihm bis dahin nicht,
nun erstmals verfügbar gemachter Informationen dazu
veranlasst, am 3. Dezember 2009 seine erste Bewertung
vom 6. November 2009 in aller Öffentlichkeit vor dem
Deutschen Bundestag zu korrigieren.
aa) Hintergrund der zusätzlichen Formulierung
des Ministers, es hätte zum Luftschlag
„kommen müssen“
Der Minister hatte am 6. November 2009 erklärt, dass er
sich der Bewertung des Luftschlages durch den General-
inspekteur als „militärisch angemessen“ anschließe und
hatte, auf Grundlage ihm damals nur lückenhaft vorlie-
gender Informationen, analysiert, dass es auch ohne Ver-
1308) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.
fahrensfehler zu dem Luftschlag „hätte kommen müssen“
(siehe oben: D.III.4, S. 149).
Im Ausschuss hat der Minister ausgeführt, dass es sich bei
diesem Zusatz um seine eigene Formulierung handelte,
die er hinzugefügt hatte, um dadurch seine politische
Unterstützung für den in einer kritischen Situation um-
sichtig handelnden Oberst Klein zum Ausdruck bringen
wollte. Er habe die ihm gegebene Bewertung des Einsatz-
führungsstabes so verstanden, dass bei der Anordnung des
Luftschlages zwar Verfahrensfehler unterliefen, diese
aber nicht zwingend ursächlich gewesen wären (siehe
oben: D.III.4, S. 149).
Die Beweisaufnahme ergab zudem, dass der Minister den
GI über seine Stellungnahme einschließlich der von ihm
hinzugefügten Formulierung informiert hatte und der GI
keine Einwände erhoben hatte.
Zwar konnte sich der Zeuge Schneiderhan vor dem Aus-
schuss an diesen Sachverhalt nicht mehr erinnern (siehe
oben: D.III.4, S. 149). Vor dem Ausschuss hat jedoch der
Zeuge Braunstein die Angaben des Ministers bestätigt
und dabei ausgeführt, dass der Minister ihn am Morgen
des 6. November 2009 über das Gespräch mit dem GI
informiert hatte.
1309
Es ist somit folgerichtig, wenn der
Minister davon ausging, dass auch die zusätzliche Formu-
lierung vom GI geteilt und damit fachlich abgesichert
war.
Das Zustandekommen der Formulierung ist insgesamt
unerheblich für die erste Bewertung des Ministers, die
allein der lückenhaft erfolgten Beratung geschuldet ist.
bb) Beratung durch Generalinspekteur und
Staatssekretär
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die erste Bewer-
tung des Luftschlages des Ministers maßgeblich auf die
Beratung durch Generalinspekteur und Staatssekretär
zurückging.
Aus den Unterlagen geht hervor, dass die Beratung durch
den GI in wesentlichen Punkten lückenhaft bzw. unvoll-
ständig war. Es wurden weder problematische Elemente
und Berichte erwähnt, noch wurde dargelegt, dass die
Bewertung des Luftschlages kritischer hätte erfolgen
sollen.
Dem Minister wurde durch die allzu selektive Auswahl
der Informationen und Argumente ein Lagebild vermit-
telt, dass sich militärische Führung in Person des General-
inspekteurs und politische Spitze in Person des Ressort-
chefs völlig einig und vor allem in der Bewertung des
Vorfalls urteilssicher waren. Bei der Beratung des Minis-
ters wurden von den beiden die Kritikpunkte am Verhal-
ten von Oberst Klein aus dem COM ISAF-Bericht deut-
lich relativiert. Dies ergibt sich unter anderem deutlich
aus der achtseitigen BMVg-Auswertung, in dem die Kri-
1309) vgl. Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 31.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189 – Drucksache 17/7400
tikpunkte des COM ISAF-Berichts
1310
von den Verfassern
des BMVg-Auswertungsberichts relativiert bis beschönigt
werden.
Nach Prüfung dieser Unterlagen und nach den Zeugen-
vernehmungen ergibt sich das Bild, dass dem neuen Mi-
nister kein voll umfängliches Lagebild vermittelt wurde,
um kritische Nachfragen zur vorherigen öffentlichen
Bewertung des Luftschlages durch den Generalinspekteur
als „militärisch angemessen“ nicht in Frage stellen zu
lassen. Die Informationen waren mit Blick auf diese be-
reits vorgenommene Bewertung gefiltert und wurden dem
Minister gefiltert vorgetragen.
Wenngleich eine sorgfältige Prüfung der seinerzeit zur
Verfügung stehenden Fakten durch den Generalinspekteur
bei der Bewertung „militärisch angemessen“ nicht in
Abrede gestellt werden kann, so ist die erkennbare Ver-
kürzung der fachlichen Beratung des neuen Ministers zur
Absicherung einer vorab öffentlich vorgenommenen Fest-
legung des GI bei einem solchen Einschnitt für Auslands-
einsätze der Bundeswehr wie dem Luftschlag von Kunduz
nicht mehr vertretbar.
aaa) Einweisung des Ministers zum Amtsantritt
am 29. Oktober 2009
Wie der vormalige Generalinspekteur als Zeuge vor dem
Ausschuss selbst angab, erfolgte am Morgen des
29. Oktober 2009 eine zweistündige Ersteinweisung des
Ministers in die Gesamtlage des Ressorts, in der der
schwerwiegende Vorfall in Kunduz trotz seiner überra-
genden Bedeutung für die Bundeswehr und der interna-
tionalen Diskussion um das deutsche Verhalten mit kei-
nem Wort erwähnt wurde.
Im Anschluss an diese Ersteinweisung wurde dem Minis-
ter in einer nur wenige Minuten andauernden Bespre-
chung eine im Anschluss zur Veröffentlichung vorgese-
hene Presseerklärung des GI vorgestellt.
1311
Wie aus übereinstimmenden Aussagen des anwesenden
Leiters des Planungsstabs des BMVg und des Ministers
nachvollziehbar ist, wurde in dieser kurzen Erörterung des
COM ISAF-Berichts gegenüber dem Minister dargestellt,
wie positiv dieser Bericht für die Bundeswehr sei und
dass man sich auch im Hinblick auf mögliche Kritikpunk-
te keinerlei Sorgen zu machen brauche.
1312
Der durchaus auch sehr kritische Anmerkungen beinhal-
tende COM ISAF-Bericht wurde durchweg zu positiv
dargestellt, was sich im Ergebnis auch in der Pressemittei-
lung des Generalinspekteurs widerspiegelt, in der eben-
falls keinerlei kritische Punkte aufgeführt werden.
1313
1310) vgl. EinsFüSt, Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum
Luftangriff am 4. September 2009 (Fn. 1115), Bl. 4 ff.
1311) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.
1312) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5, 28 und Schlie,
Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 22.
1313) vgl. Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-
Untersuchungsbericht (Fn. 119, Dokument 51), Bl. 315 ff.
Durch dieses Vorgehen wurde dem neuen Minister ein
faktisch unkorrektes Bild der in Berichten bereits kriti-
scher beschriebenen Lage vermittelt.
Dass der COM ISAF-Bericht bereits damals – anders als
vom Generalinspekteur gegenüber dem Minister darges-
tellt – deutlich kritischer bewertet wurde, belegen die
Angaben des, zumal deutschen, NATO-Befehlshabers des
JFC Brunssum (siehe oben: D.II.3.c), S. 142). Dass es
Generalinspekteur und Staatssekretär unterließen, den
Minister auf die bereits vorhandene andere Bewertungen
hinzuweisen, muss als Versäumnis im Ablauf des Verfah-
rens und im Verhalten festgehalten werden.
bbb) Informationsweitergabe auf dem Flug nach
Nörvenich
Zwar führte der damalige Generalinspekteur später als
Zeuge vor dem Ausschuss aus, er habe den Minister vor
einem gemeinsamen Flug nach Nörvenich am
29. Oktober 2009 auf eine mögliche kritischere Bewer-
tung hinweisen wollen (siehe oben: D.II.4, S. 144). Diese
Erklärung konnte jedoch nicht überzeugen.
Zwar gibt es hinsichtlich dieser Ausführungen divergie-
rende Erinnerungen. Doch selbst wenn man den Ausfüh-
rungen des Zeugen Schneiderhan folgen würde, ergeben
sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es
sich bei diesem Versuch um den Hinweis auf andere Be-
wertungen des Luftschlages gehandelt habe.
Zweifelsfrei erwiesen ist, dass der Minister gegenüber
dem Generalinspekteur geäußert hatte, dass es bezüglich
des Berichts und ziviler Opfer Medienanfragen gebe, was
auch nicht bestritten wurde (siehe oben: D.II.4, S. 144).
Die Antwort des GI gegenüber dem Minister war, dass die
Frage der zivilen Opfern nicht so einfach sei, wie am
Vormittag des 29. Oktober 2009 durch die eigenen Äuße-
rungen des GI vielleicht der Eindruck entstanden sein
könnte.
Der Zeuge Schneiderhan sagte hierzu aus, er habe ledig-
lich in allgemeiner Bedeutung gesagt, dass alles nicht so
einfach sei, wie es am Vormittag geklungen habe. Dieser
Aussage kann aufgrund der Beweisaufnahme nicht ge-
folgt werden, denn diese Aussage passt nicht zur Frage
des Ministers und spezifisch zu den zivilen Opfern. Der
Zeuge Schneiderhan gab zudem auch selbst an, dass ihn
Minister zu Guttenberg auf Presseanfragen zu zivilen
Opfern angesprochen hatte.
Darüber hinaus bestätigte der Zeuge Braunstein vor dem
Ausschuss als weiterer Anwesender des Gesprächs vom
29. Oktober 2009, dass sich der Generalinspekteur konk-
ret auf zivile Opfer bezogen hatte.
1314
Diese Reaktion des
GI musste der Minister seinerzeit so verstehen, dass ihm
der GI vor dem Hintergrund seiner Kompetenz als ober-
ster militärischer Berater des Ministers von einer allzu
präzisen Äußerung zu zivilen Opfern abriet.
1314) vgl. Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 26.
Drucksache 17/7400 – 190 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Unstreitig ist, dass der Generalinspekteur diese generelle
Äußerung nicht weiter detaillierte (siehe oben: D.II.4,
S. 144). Es kann grundsätzlich dahin stehen, ob die Ant-
wort auf zivile Opfer bezogen oder allgemein gehalten
war. Nicht nachvollzogen werden kann, dass diese gene-
relle Äußerung als umfangreiche Beratung des Ministers
herhalten soll. Es hätte zwingend einer weitergehenden
Erläuterung bedurft, die weder auf dem Flug nach Nörve-
nich noch später erfolgte.
Zeuge Schneiderhan führte vor dem Ausschuss aus, seine
Bewertung des Luftschlages vom September 2009 als
„militärisch angemessen“ sei ein „Ritt auf der Rasierklin-
ge“ gewesen (siehe oben: D.II.3.b), S. 142). Diese im
Nachgang offene Einschätzung der seinerzeit als GI vor-
genommenen öffentlichen Bewertung des Luftschlages
lässt auf bereits früh vorhandene Bedenken und Kritik-
punkte schließen. Warum Generalinspekteur und zustän-
diger Staatssekretär es unterließen, solche zwingend vor-
zutragenden Punkte zu erläutern, bleibt vor dem Hinter-
grund dieser offenen eigenen und wie auch anderer Ein-
schätzungen ebenso fraglich wie problematisch. Es wäre
hier Obliegenheit des GI als oberstem militärischem Bera-
ter des Ministers gewesen, diese Lage gegenüber dem
Minister klar darzustellen.
cc) Nicht vorgelegte Berichte und Unterlagen
Zusätzlich zur nicht voll umfänglichen Unterrichtung und
Beratung des Ministers wurden wichtige Teile der vorlie-
genden Berichte und Unterlagen dem neuen Minister
nicht vorgelegt.
Der Zeuge Schneiderhan hat dazu ausgeführt, als Gene-
ralinspekteur dem Minister bis auf den COM ISAF-
Bericht und den Bericht des IKRK/ICRC keine weiteren
Berichte vorgelegt zu haben. So wurde dem Minister
weder der „Klein-Bericht“, noch der „N.-Bericht“, noch
der Brief der afghanischen Offiziellen, noch der IAT-
Bericht, noch der sog. „Karzai-Bericht“ und auch nicht
der deutsche Feldjägerbericht vorgelegt.
1315
Damit wurden dem Minister vom GI von insgesamt acht
Berichten von zentraler Bedeutung lediglich zwei vorge-
legt, und hier nur die beiden, die während seiner noch
jungen Amtszeit im BMVg eingegangen waren. Hier ist
kritisch festzuhalten, dass der Minister vom GI trotz der
politischen Brisanz dieses einzigartigen Falles nur unvoll-
ständig informiert wurde.
Die Beweisaufnahme hat dabei zweifelsfrei ergeben, dass
es sich bei diesen o. g. Berichten um Dokumente von
höchster Relevanz handelte.
So gab auch der Zeuge Schneiderhan selbst an, bei dem
Bericht von Oberst Klein handele es sich um ein wichti-
ges Dokument, da es die „Erstmeldung des sozusagen
Verursachers war“.1316
1315) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 26 f.
1316) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.
Auch bei dem Feldjägerbericht handelt es sich unbestrit-
ten um ein solch wichtiges Dokument, das dem Minister
zwingend hätte vorgelegt werden müssen. Die Brisanz
dieses einzigen eigenen nationalen Berichts über den
Luftschlag leitet sich schon aus der bereits früh, nämlich
am 16. September 2009, vorgenommenen Bewertung
durch den Einsatzführungsstab ab. In dieser Bewertung
wird u. a. ausgeführt, „ohne begleitende fachliche Kom-
mentierung in eine (z. B. juristische) Untersuchung ein-
gebracht werden“ für den Fall einer solchen juristische
Untersuchung „eine negative Implikation nicht auszu-
schließen“ sei.1317
Die spätere Darstellung, dieser und andere Berichte seien
nicht vorgelegt worden, weil sie nicht relevant gewesen
seien, kann schon daher nicht überzeugen.
Die parteitaktisch aufgeworfene Frage, ob sich aus den
vorenthaltenen Berichten, insbesondere dem Feldjägerbe-
richt, überhaupt neue Fakten ergaben, ist irreführend und
der untaugliche Versuch, die Bedeutung der Dokumente
und die Notwendigkeit für deren Vorlage an den Minister
herunterzuspielen. Politisch läuft diese durchsichtige
Parteitaktik dem Aufklärungsauftrag des Untersuchungs-
ausschusses zuwider.
Entscheidend ist hier, dass diese nicht vorgelegten Berich-
te die Vorgänge um den 4. September 2009 in deutlich
differenzierterer Form darstellen als der COM ISAF-
Bericht und diese Berichte somit für ein vollständiges
Lagebild unverzichtbar sind. Für die verantwortungsvolle
Beurteilung eines Vorfalls kommt es ganz maßgeblich auf
die differenzierte Darstellung der Faktenlage auch aus
unterschiedlichen Blickwinkeln an. Hierin unterscheiden
sich die einzelnen Berichte wesentlich, weshalb erst die
lückenlose Vorlage sämtlicher Berichte ein umfassendes
Lagebild ermöglicht hätte. Umso zwingender war die
umfassende Vorlage sämtlicher verfügbarer Informatio-
nen, zumal an einen neuen Minister, in dieser Situation
die selbstverständliche Aufgabe des GI gewesen.
Der Generalinspekteur ist nach den einschlägigen Be-
stimmungen, wie auch der Zeuge Schneiderhan selbst
ausführte, dafür verantwortlich, den Minister urteilsfähig
zu machen.
1318
Das darf jedoch, zumal bei einem solchen
Fall wie dem Luftschlag von Kunduz mit seinen enormen
Auswirkungen, nicht bedeuten, den Minister, ob allzu
stark oder gar einseitig nur mit solchen Informationen zu
versorgen, die eine vorgefasste Bewertung des GI oder
anderer Spitzen des BMVg weiterhin abstützen.
Die Urteilsfähigkeit des Ministers zu fördern, bedeutet
vielmehr, das vollständige Bild darzustellen, inklusive
solcher Teile, die der Analyse und Bewertung der militä-
rischen Führung zuwiderlaufen. Sicherlich kann und muss
daraufhin eine Beratung erfolgen – aber um einer einfa-
cheren Handhabe dieser Beratung des Ministers wesentli-
che Fakten und Dokumente nicht vorzulegen, ist ein
Missverständnis der Amtsführung des GI. Diese Schluss-
1317) vgl. EinsFüStab, Kurzauswertung Vorläufiger Feldjägerbericht
für Gespräch mit GI (Fn. 695, Dokument 109).
1318) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191 – Drucksache 17/7400
folgerung sollte für die Zukunft der Arbeit des GI gege-
nüber dem Bundesminister der Verteidigung berücksich-
tigt werden, um eine Wiederholung solcher Entwicklun-
gen wie im Fall Kunduz zu vermeiden.
Im Fall des Luftschlages von Kunduz bleibt festzustellen,
dass der Minister so beraten wurde, dass er aufgrund der
selektiven Zusammenstellung der Fakten und Dokumente
und mangels nicht zur Verfügung gestellter anderer Kenn-
tnisse zwingend der Bewertung des GI folgen musste.
b) Neubewertung am 3. Dezember 2009
Die Gründe für die Korrektur seiner Erstbewertung hat
der Minister als Zeuge vor dem Ausschuss ausführlich
dargelegt.
1319
Am 3. Dezember 2009 erklärte der Minister gegenüber
dem Parlament, dass er aufgrund des Gesamtbildes der
neuen Dokumentenlage den Luftschlag angesichts des
neuen Kenntnisstandes als „militärisch nicht angemessen“
bewerte (siehe oben: E.VII, S. 165). Dabei unverändert
hat er seine Haltung zu Oberst Klein bekräftigt und ausge-
führt, dass Oberst Klein zweifellos nach bestem Wissen
und Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten gehan-
delt habe.
Diese Neubewertung des Ministers deckte sich mit der
Bewertung der Oppositionsparteien, die in großen Teilen
von Anfang an den Luftschlag als „nicht angemessen“
beurteilt hatten. Umso unverständlicher erscheint vor
diesem Hintergrund, diese Bewertung des Ministers nun
weiterhin zu kritisieren.
Der von der Minderheit im Ausschuss erhobene Vorwurf,
der Minister habe mit der Entlassung des Generalinspek-
teurs und des verantwortlichen Staatssekretärs „Bauern-
opfer“ für die – oben in Entstehung und späterer Korrek-
tur nachgezeichnete – anfängliche Fehlbewertung ge-
sucht, entbehren nach der Beweiserhebung jeder Grund-
lage und sind vollumfänglich widerlegt.
Für die Opposition stand statt der notwendigen Aufklä-
rung der Umstände und der nachfolgenden Information
zum Luftschlag vom 4. September 2009 erkennbar der
Versuch einer politischen Beschädigung des erst nach
dem Luftschlag und nach den ersten Kommunikationsfeh-
lern ins Amt gekommenen Bundesministers der Verteidi-
gung im Vordergrund. Ein solch massiver Versuch der
Verkehrung und Verfälschung des Untersuchungsauftrags
ist in der Geschichte parlamentarischer Untersuchungs-
ausschüsse nahezu ohne Beispiel. Auf diese durchsichtige
und polemisch vorgetragene Strategie hat die Öffentlich-
keit mit zunehmender Ablehnung und entsprechend mit
steigenden Zustimmungswerten für den neuen Ministers
reagiert.
Die Oppositionsparteien haben in völliger Verdrehung des
Untersuchungsauftrags versucht, ihren Schwerpunkt auf
die für keinen der Beteiligten erfreuliche, dennoch rech-
tlich völlig einwandfreie Entlassung des Generalinspek-
1319) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 10 ff.
teurs und des zuständigen Staatssekretärs zu legen. Das
war dezidiert nicht Gegenstand des Untersuchungsaus-
schusses und trug nicht zur Aufklärung der Umstände des
Luftschlages bei. Für nahezu alle Beobachter war es er-
kennbar das Hauptziel, einen in der Bevölkerung sehr
populären Minister diskreditieren zu wollen – was im
Übrigen den exakt gegenteiligen Effekt hatte, zumal zum
Zeitpunkt des Luftschlages und während der Aufklä-
rungsarbeit von ISAF und NATO sowie anderer Beteilig-
ter der zur Zielscheibe parteitaktischer Angriffe erkorene
Minister noch gar nicht im Amt war und insofern schlicht
keine Verantwortung für das Ereignis und dessen Aufar-
beitung trug.
aa) Bekanntwerden des Feldjägerberichts erst
durch Presse
Die Beweisaufnahme ergab, dass der so genannte Feldjä-
gerbericht nicht die Ursache für die Neubewertung war,
sondern politisch der Auslöser für die Skepsis des Minis-
ters gegenüber der bisherigen Beratung und schlussend-
lich indirekt für seine Neubewertung war.
Der Minister erfuhr am 25. November 2009 von der Exis-
tenz des Feldjägerberichts, als er von seinem Pressespre-
cher erstmals darüber informiert wurde, dass der Presse
ein dem Minister nicht vorliegender Bericht vorliege, der
den Luftschlag in einem ganz neuen Licht erscheinen
lasse.
Als auf Nachfrage dann sowohl der Leiter des Planungs-
stabes als auch der Adjutant des Ministers angaben, eben-
falls erst durch die Presse von einem solchen Bericht
erfahren zu haben und ihnen der Bericht ebenfalls nicht
vorliege, reagierte der Minister nachvollziehbar irritiert
und verwundert. Immerhin musste der Minister bis zu
diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass er von den Ver-
antwortlichen vollumfänglich über den Luftschlag infor-
miert und ihm alle relevanten Informationen vorgelegt
worden seien (siehe oben: E.I, S. 154).
Die Zeugen Dr. Schlie und Brigadegeneral Braunstein
haben übereinstimmend angegeben, dass beide erst durch
den Pressesprecher am Tag vor der Nachfrage des Minis-
ters von der Existenz eines solchen Berichtes bei der
Presse erfahren hatten, jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht
wussten, worum es sich hierbei handeln könnte.
Der Zeuge Dr. Schlie hat hierzu ausgesagt
1320
:
„Ich konnte mir darauf keinen Reim machen. Nach
den ernüchternden Erfahrungen am 8. September
konnte ich allerdings nichtmehr mit Sicherheit da-
von ausgehen, dass alle relevanten Berichte auch
tatsächlich den Planungsstab erreicht hatten.“
Der inzwischen unter drei Bundesverteidigungsministern
Leiter des Planungsstabes im BMVg bezog sich mit dem
Hinweis auf den Umstand, dass ihm bereits am
8. September 2009 aufgefallen war, dass der Generalin-
1320) vgl. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 24.
Drucksache 17/7400 – 192 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
spekteur nicht alle Dokumente auch dem Planungsstab
vorgelegt hatte.
1321
Aus Sicht der Mehrheit des Ausschusses hätte der Minis-
ter nach diesen Informationen Grund gehabt, das Ver-
trauensverhältnis zum GI und zum zuständigen Staatssek-
retär in Zweifel zu ziehen. Es bleibt ein kritikwürdiger,
struktureller Fehler in der Handhabung dieses Falles, dass
ein solches Dokument eines direkt vor Ort mit einer solch
wichtigen Angelegenheit befassten Bundeswehroffiziers
in einer so hoch bedeutsamen Frage den Minister und
seinen Planungsstab nicht erreicht hat.
Dass es sich um strukturelles Fehlverhalten handelte, wird
auch daran deutlich, dass der Generalinspekteur die Exis-
tenz des Feldjägerberichtes schon dem Vorgänger, Minis-
ter Dr. Jung, zunächst nicht mitgeteilt hatte und dies
durch den Generalinspekteur erst sehr viel später unter
dem Druck der Ereignisse geschah. Darüber hinaus ist
festzuhalten, dass auch der Planungsstab über die Exis-
tenz des Feldjägerberichtes fehlerhafter Weise nicht in-
formiert wurde.
aaa) Minister-Gespräch zu nicht vorgelegten
Dokumenten am 25. November 2009
Das Gespräch vom 25. November 2009 und die darauf
folgenden personellen Konsequenzen haben grundsätzlich
keinen Bezug zum Untersuchungsgegenstand. Um einem
Missbrauch des Sachverhaltes aus parteitaktischen Grün-
den die Grundlage zu entziehen, wird der Sachstand der
Beweiserhebung hier dennoch dargestellt.
Die sehr parteitaktisch und sehr polemisch geführte Kam-
pagne, um den seinerzeitigen Minister hier in Bedrängnis
zu bringen oder gar der Unwahrheit zu bezichtigen, ist
politisch wie rechtlich gescheitert.
Die Beweiserhebung hat erbracht, dass der vom Minister
dargestellte Ablauf des Gespräches vom 25. Novem-
ber 2009 zutrifft und die selektive Wahrnehmung bzw.
Darstellung des entlassenen Generalinspekteurs und des
entlassenen Staatssekretärs einer Überprüfung nicht
standhalten.
Die unter E.II.1 (S. 154) gemachten Feststellungen bele-
gen, dass insgesamt fünf Personen an diesem Gespräch
teilnahmen und dass der Bundesverteidigungsminister bei
Generalinspekteur und Staatssekretär mehrfach nachfra-
gen musste, bevor die Existenz des Feldjägerberichtes
eingeräumt wurde.
Diese Zurückhaltung der beiden Amtsträger war kein
Einzelfall, sondern zog sich seit dem Luftschlag durch
Zurückhalten wichtiger Informationen sowohl innerhalb
des BMVg als auch gegenüber anderen Ressorts und
selbst der Bundeskanzlerin wie ein roter Faden durch. Es
ist von einem im Vergleich zu Bundeskanzlerin und Bun-
desverteidigungsminister wie Außenminister sehr ver-
schiedenes Verständnis von der Notwendigkeit zur um-
1321) vgl. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21.
fassenden Information auszugehen, das die beiden lang-
jährigen Amtsträger prägte.
(1) Anzahl der anwesenden Personen am
25. November 2009
Bei den fünf Teilnehmern des Gespräches handelte es sich
um Verteidigungsminister zu Guttenberg, Generalinspek-
teur Schneiderhan, Staatssekretär Dr. Wichert, die Leite-
rin des Ministerbüros sowie den Adjutanten des Ministers
Oberst Braunstein.
Zwar hatten die Zeugen Schneiderhan und Dr. Wichert
die Anwesenheit von Oberst Braunstein zunächst bestrit-
ten. Diese wurde jedoch durch die erhobenen Beweise
nachgewiesen. So haben sowohl der Zeuge zu Guttenberg
als auch der Zeuge Braunstein selbst angegeben, dass
dieser bei dem Gespräch mit anwesend war (vgl. oben:
E.II.1, S. 154). Darüber hinaus werden diese Angaben
auch durch die handschriftlichen Notizen der unstreitig
anwesenden Leiterin des Ministerbüros bestätigt, in denen
der Zeuge Braunstein als Teilnehmer des Gesprächs auf-
geführt wird.
Die aus parteipolitischen Motiven vorgebrachte Unterstel-
lung, es würde sich bei den handschriftlichen Notizen um
nachträglich erstellte Aufzeichnungen handeln, da nicht
genau erkennbar sei, ob es sich bei der Bezeichnung vor
dem Namen Braunstein um ein „O“ (für Oberst) oder „G“
für General handele, wurde anhand zweier Nachweisfüh-
rungen klar widerlegt und als unsauberes politisches Ma-
növer enttarnt.
Zum Zeitpunkt des Gespräches am 25. November 2009
war die Ernennung von Oberst Braunstein zum Brigade-
general bereits beschlossen, da es sich hierbei noch um
eine Entscheidung des ehemaligen Minister Dr. Jung
handelte. Oberst Braunstein hatte seine Stelle als Briga-
degeneral bereits zugewiesen bekommen und hatte diese
lediglich aufgrund des unerwarteten Ministerwechsels
noch nicht formal angetreten.
1322
Daher ist der Schreib-
fehler leicht nachvollziehbar, bei dem der damalige
(Noch-)Oberst Braunstein („O Braunstein“) aufgrund der
bereits erfolgten und lediglich noch nicht formal umge-
setzten Beförderung in der internen, handschriftlichen
Notiz als das bezeichnet wurde, was er für die Notierende
aufgrund ihres Kenntnisstandes bereits war: General
Braunstein („G Braunstein“).
Auch aus dem Umstand, dass die Opposition auf Ver-
nehmung der Leiterin des Ministerbüros als eigentlich
unabdingbarer Zeugin für den Wahrheitsgehalt ihrer Un-
terstellung verzichtete, macht mehr als deutlich, dass
dieser durchsichtige Versuch übler politischer Nachrede
nicht mehr haltbar war und aufgegeben werden musste.
Das erkennbare Motiv, mit einer Vielzahl an Unterstel-
lungen zu arbeiten, damit am Opfer etwas hängen bleiben
möge, führte nicht zum gewünschten Ergebnis, dem zu
1322) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 31.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 193 – Drucksache 17/7400
Unrecht Angegriffenen wurde die Solidarität des Aus-
schusses, des Bundestages und der Öffentlichkeit zuteil.
Einmal mehr allerdings verdeutlicht diese Vorgehenswei-
se exemplarisch, wie massiv versucht wurde, den sehr
ernsten Auftrag klar zu verletzen und politisches Spekta-
kel inszenieren zu wollen, während der Gegenstand selbst
unmittelbar mit dem Schutz und dem Auftrag der Bun-
deswehr in einem hoch riskanten Einsatz zu tun hatte.
Schlussendlich haben die Zeugen Schneiderhan und
Dr. Wichert selbst ihre inhaltlich gleichlautend gemachten
Aussagen zur Anwesenheit von Oberst Braunstein relati-
viert. Während sowohl Zeuge Schneiderhan als auch
Zeuge Dr. Wichert in ihren ersten Aussagen die Anwe-
senheit von Oberst Braunstein noch bestritten hatten
1323
,
revidierten beide in ihrer jeweiligen zweiten Vernehmung
ihre ersten Aussagen zu diesem zentralen Punkt und sag-
ten nun, wiederum inhaltlich gleichlautend, aus, sich nicht
an die Anwesenheit von Oberst Braunstein erinnern zu
können.
1324
(2) Mehrfaches Nachfragen des Ministers am
25. November 2009 zur Vorlage der Berich-
te
Zweifelsfrei wurde erwiesen, dass der Minister beim
Gespräch vom 25. November 2011 bei Generalinspekteur
und Staatssekretär mehrfach nachfragen musste, bevor die
Existenz des Feldjägerberichtes eingeräumt wurde.
Auch hier wurden die Angaben des Zeugen zu Guttenberg
bestätigt.
Die Zeugen Schneiderhan und Dr. Wichert haben inhalt-
lich gleichlautend zunächst der Darstellung widerspro-
chen und dagegen behauptet, es hätte dieses wiederholten
Nachfragens nicht bedurft, damit der GI die Existenz des
Feldjägerberichts einräumte (siehe oben: E.II.1.a) und c),
S. 155 und 157). Diese Behauptungen wurden jedoch
durch die Beweiserhebung widerlegt.
Dabei werden diese Aussagen durch die übereinstimmen-
den Angaben der Zeugen zu Guttenberg und Braunstein
widerlegt, deren Glaubhaftigkeit zudem noch durch die
schriftlichen Notizen der ebenfalls anwesenden Leiterin
des Ministerbüros bestätigt werden (siehe oben: E.II.1.b),
d) und e), S. 156 und 158).
Insbesondere aus den schriftlichen Notizen geht eindeutig
hervor, dass der Minister insgesamt fünf Mal in diesem
einen Gespräch insistieren musste, bevor dem Minister
von Generalinspekteur und Staatssekretär die Existenz des
Feldjägerberichts eingeräumt wurde.
Der Zeuge Braunstein gab an, dass der Minister versucht
habe, den beiden Herren eine „goldene Brücke“ zu bauen
und ihnen somit die Möglichkeit gab, mit ihrem Wissen
selbst an den Minister heranzutreten. Diese Brücke sind
weder Generalinspekteur noch Staatssekretär gegangen.
Nach Aussage des Zeugen Braunstein mussten ihnen die
1323) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 25.
1324) vgl. Protokoll-Nr. 31, S. 20 und 54.
notwendigen Informationen vielmehr „aus der Nase gezo-
gen“ werden (siehe oben: E.II.1.e), S. 158). Diese Ein-
schätzung des Zeugen Braunstein deckt sich ebenfalls mit
den handschriftlichen Notizen der anwesenden Leiterin
des Ministerbüros.
Zudem widersprechen sich die Aussagen der Zeugen
Schneiderhan und Dr. Wichert in wesentlichen Teilen.
Der Zeuge Schneiderhan gab an, der Minister habe in
diesem Gespräch nach weiteren Berichten gefragt. Diese
Frage sei von Dr. Wichert verneint worden. Bei der zwei-
ten Frage des Ministers habe er, Schneiderhan, sofort den
„Klein-Bericht“, den „N.-Bericht“ und den Feldjägerbe-
richt genannt.
1325
Konträr dazu sagte der Zeuge Dr. Wichert in seiner ersten
Vernehmung aus, es habe überhaupt keine Nachfrage
gegeben.
1326
Zeuge Schneiderhan führte zudem aus, es hätte überhaupt
keinen Sinn gemacht, die Existenz des Feldjägerberichtes
zu leugnen, da es „den Minister mit seinem Planungsstab
keine fünf Minuten gekostet [hätte], dann wäre die Num-
mer geplatzt, weil sie diese Berichte teilweise alle in
Kopie in ihren Akten hatten“.1327
Dieser Vortrag ist schon in sich selbst unschlüssig und
kann nicht überzeugen. Die Beweisaufnahme erbrachte,
dass der Bericht dem Planungsstab weder vorlag noch er
über dessen Existenz in Kenntnis worden war.
Zeuge Schneiderhan erklärte nach Vorlage der Notizen
der Leiterin des Ministerbüros im Ausschuss, dass die
Notizen im Wesentlichen das wiedergeben, was er im
Gespräch ausgeführt hatte.
1328
Auch durch diese offene
Anerkenntnis wird die Darstellung des Ministers zum
Verlauf des Gespräches im Ergebnis bestätigt.
Auch der Zeuge Dr. Wichert revidierte nach Vorlage der
Notizen, und zudem konfrontiert mit den Aussagen des
Zeugen Braunstein, seine Aussage und gab nun an, dass
er mit seiner ersten Aussage keinesfalls behauptet habe,
dass der Minister nur einmal gefragt habe.
1329
Nach diesem Verlauf und den Korrekturen ist als erwie-
sen anzusehen, dass sich das Gespräch im Ministerbüro
tatsächlich so abgespielt hat, wie es der Minister geschil-
dert hatte.
bbb) Personelle Konsequenzen durch den Mi-
nister
Zur Entlassung von politischen Beamten ist festzustellen,
dass personelle Konsequenzen aus eingetretenem Ver-
trauensverlust oder aus anderen Erwägungen bei der Ent-
scheidung des jeweiligen Ministers vorbehalten sind und
keinerlei Begründung bedürfen. Es ist dem seinerzeitigen
Minister zugute zu halten, dass er vor dem Ausschuss
1325) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 16.
1326) Wichert, Protokoll-Nr. 4, Teil I, S. 75.
1327) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 18.
1328) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 35 f.
1329) vgl. Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 56.
Drucksache 17/7400 – 194 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hierzu Auskunft gab, obwohl er rechtlich wie politisch
nicht dazu verpflichtet war.
Nachdem die Minderheit unter Missachtung des Untersu-
chungsauftrags einen großen Teil ihrer Mühen auf den
Versuch verwendete, muss sie sich nun dem für sie bla-
mablen Resultat stellen. Das parteitaktische Manöver, die
erst nach der Einsetzung des Ausschusses erfolgte Entlas-
sung von Generalinspekteur und Staatssekretär zur Kam-
pagne gegen den Minister zu missbrauchen, ist völlig
gescheitert. Es ist auch zu kritisieren, dass eine Aus-
schussminderheit aus einem rechtlich einwandfreien Vor-
gang einen Skandal zu konstruieren versucht und mit
einer solch ergebnislosen Kampagne den Ausschuss über
Wochen und Monate blockierte. Der als Untersuchungs-
ausschuss eingesetzte Verteidigungsausschuss verlor
wichtige Zeit über Monate hinweg und wurde durch diese
Parteitaktik blockiert, während Soldatinnen und Soldaten
im Einsatzgebiet ihr Leben riskieren.
Der Ausschuss hält fest, dass ein verdienter Generalin-
spekteur und ein verdienter Staatssekretär sowohl unmit-
telbar nach dem Luftschlag als auch nach dem Minister-
wechsel maßgeblich für Informationsdefizite im Bundes-
ministerium der Verteidigung und gegenüber anderen
Ressorts und dem Bundeskanzleramt verantwortlich
zeichnen.
So hat die vom Minister eingeleitete Untersuchung des
Informationsflusses innerhalb des BMVg ergeben, dass
innerhalb des BMVg die relevanten Dokumente unver-
züglich den dafür zuständigen Staatsekretär und den Ge-
neralinspekteur erreicht haben (siehe oben: E.V, S. 163).
bb) Sichtung der vollständigen Aktenlage und
Überprüfung
Der Minister hat in seiner Aussage verdeutlicht, dass die
Tatsache, dass ihm zentrale Dokumente im Zusammen-
hang mit dem Luftschlag nicht vorgelegt wurden, bei ihm
erhebliche Zweifel an der Belastbarkeit der ihm gegenü-
ber bis dahin gemachten Empfehlungen und Bewertungen
zum dem Luft-Boden-Einsatz hervorriefen.
Diese Zweifel wurden bestärkt, als er erst nach mehrmali-
gem Nachfragen den ihm aus der Presse bekannt gewor-
denen Feldjägerbericht vom 16. September 2009 mit der
Bewertung des Einsatzführungsstabes vorgelegt be-
kam.
1330
Insbesondere die letzte Anmerkung in der
BMVg-internen Bewertung zum Feldjägerbericht, wo-
nach ein Bekanntwerden des Berichts ohne eine weitere
Kommentierung möglicherweise negative Auswirkungen
haben könnte, ließ den Minister an der voraus gegangenen
Beratung durch GI und Staatssekretär zweifeln.
Es war daher richtig und konsequent, dass der Minister
eine ergebnisoffene Überprüfung der bisherigen Bewer-
tung veranlasste, bei der nun Grundlage auch die ihm bis
dahin nicht vorgelegten Dokumente waren.
1330) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 10.
aaa) Erörterung sämtlicher Fakten vor der Neu-
bewertung
Aus Akten und Zeugenaussagen ergibt sich, dass die
Neubewertung erst nach dem Auftauchen dieser neuen
Dokumente und damit nach den personellen Konsequen-
zen überhaupt erst thematisiert wurde.
Dies belegt unter anderem die Einladung zum Gespräch
am 30. November 2009, an Generalleutnant Glatz, Staats-
sekretär Wolf, den stellvertretenden GI und dem Leiter
des Einsatzführungsstabes sowie dem Leiter des Pla-
nungsstabes. Aus der Einladung geht eindeutig hervor,
dass Ziel des Gespräches eine Überprüfung der bisherigen
Bewertung vor dem Hintergrund der nun vollständig
vorliegenden Unterlagen war. Die Neubewertung wurde
nicht als zwingend, sondern lediglich als möglicherweise
vorzunehmen beschrieben. Aus der Erörterung sollte
lediglich ein militärischer Ratschlag für die politische
Leitung formuliert werden.
1331
Auch die Zeugenvernehmungen ergaben, dass der Minis-
ter keineswegs mit einer vorgefassten Meinung, sondern
faktenorientiert und völlig ergebnisoffen in dieses Bera-
tungsgespräch ging (siehe oben: E.IV, S. 162). Der Leiter
des Planungsstabes bestätigte vor dem Ausschuss, dass es
sich um eine freie Diskussion gehandelt habe (siehe oben:
E.IV, S. 162).
Widerlegt wurde auch die parteitaktisch motivierte Un-
terstellung, der Minister hätte zuerst seine Meinung geän-
dert und erst anschließend Generalinspekteur und Staats-
sekretär als politische Bauernopfer entlassen, schlicht und
auch für parteitaktisch argumentierende Abgeordnete
nachvollziehbar schon allein durch den zeitlichen Ablauf
der Vorgänge wie auch aus inhaltlichen Gründen.
bbb) Lagebild nach erstmals vollständiger Do-
kumentenlage
Die Neubewertung konnte sich schon deshalb erst nach
dem 25. November 2009 ergeben, weil erst danach dem
Minister die ihm durch die Presse bekannt gewordenen,
schon lange im BMVg befindlichen Informationen sowie
erstmals eine vollständige Dokumentenlage und daraus
folgernd erstmals eine umfassende militärischen Beratung
möglich wurde.
Auch dieses sorgfältige, nach der Vorgeschichte zwin-
gend erforderliche Vorgehen des Ministers hat die Aus-
schussminderheit dadurch versucht in Misskredit zu brin-
gen, dass sie entgegen eigenen Erkenntnissen unterstellte,
in den bis zum 25. November 2009 nicht vorgelegten
Akten seien keine harten Fakten zu finden, die nicht auch
im COM ISAF-Bericht beinhaltet sind. Auch dieser par-
teitaktische Versuch schlug völlig fehl.
Die Minderheit hat hier aus offenkundigen Motiven aus-
geblendet, dass es für die Neubewertung nicht nur auf das
Rohmaterial an Daten ankam, sondern die erstmals voll-
ständig vorgelegten Dokumente ein deutlich kritischeres
1331) vgl. E-Mail Braunstein (Fn. 1223, Dokument 164).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 195 – Drucksache 17/7400
Bild des Luftschlages zeichneten als der entlassene Gene-
ralinspekteur und der entlassene Staatssekretär es darges-
tellt hatten. Gegenüber dem Minister waren bis dahin
selektiv nur die positiven Beurteilungen dargestellt und
kritische Betrachtungen ausgeblendet worden.
Ziel war daher nicht, unbekannte Fakten entdecken zu
wollen, zumal die Datenlage weitgehend erkundet war.
Vielmehr erfolgte erstmals im BMVg eine differenzierte
Darstellung und Bewertung dieser Fakten und Daten
aufgrund der nun erstmals vollständig verfügbar gemach-
ten Unterlagen.
Der Minister hat dies vor dem Ausschuss in Übereins-
timmung zu anderen Zeugen überzeugend deutlich ma-
chen können (siehe oben: E.III, S. 159).
In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass eine Reihe
der Dokumente zwar dem Joint Investigation Board zur
Verfügung gestellt wurde, jedoch nicht im COM ISAF-
Bericht aufgeführt waren, darunter der Feldjägerbericht,
die Stellungnahme von Oberst Klein, der „N.-Bericht“,
der IAT-Bericht und die Liste der UNAMA über zivile
Opfer des Luftschlages.
Nach Sichtung aller vorliegenden Dokumente steht für
den Ausschuss fest, dass es nicht möglich ist, allein auf
Grundlage des COM ISAF-Berichtes eine umfassende
Bewertung des Vorfalles abzugeben.
Zur Bedeutung der weiteren Berichte hat der Minister vor
dem Ausschuss plausible Beispiele aus den ihm nicht
verfügbar gemachten Akten angeführt, die bei Neubewer-
tung von besonderer Bedeutung waren (siehe oben:
E.III.1 und 2, S. 160 f.).
Darunter fällt, dass der IAT-Bericht im Unterschied zum
COM ISAF-Bericht deutlich auf den möglichen Umfang
ziviler Opfer hinweist.
Zwar war der Minister bereits bei seiner Erstbewertung
von zivilen Opfern ausgegangen. In der Beratung war ihm
hierzu jedoch vorgetragen worden, dass der COM ISAF-
Bericht auch so gelesen werden könne, dass es überhaupt
keine zivilen Opfer gegeben habe.
Auch die in den weiteren Dokumenten enthaltenen diffe-
renzierten Erläuterungen des Vorfalles belegen, dass in
den nicht vorgelegten Berichten neue, relevante Erkenn-
tnisse enthalten waren, die im Ergebnis auch zu einer
Neubewertung in einzelnen Fragestellungen führen muss-
ten.
ccc) Neubewertung nach umfassender militär-
fachlicher Beratung
Neben der erstmalig umfassenden Dokumentenlage war
die erstmals umfassende militärfachliche Beratung aus-
schlaggebend für die Neubewertung durch den Minister.
Insbesondere in der Beratung durch Generalleutnant Glatz
trat erstmals zutage, dass es die zuvor von Generalinspek-
teur und Staatssekretär dargestellte Einhelligkeit in der
Bewertung des Vorfalles so nicht gegeben hatte. Erstmals
wurde dem Minister eröffnet, dass es durchaus unter-
schiedliche Auffassungen zur „Angemessenheit“ des
Luftschlages gab.
Schon sehr früh nach dem Luftschlag hatte der deutsche
General Ramms, zuständiger NATO-Befehlshaber des
JFC Brunssum, den Luftschlag als „nicht angemessen“
bezeichnet.
1332
Auch hatte Generalleutnant Glatz bereits zu einem frühen
Zeitpunkt gegenüber dem GI ausgeführt, dass es Fehler
und Versäumnisse gegeben haben könnte, aufgrund derer
man zu dem Schluss kommen könnte, es könnte sich bei
dem Luftschlag um einen „Riesenfehler“ gehandelt haben
(siehe oben: E.III.3, S. 161).
Diese wichtigen kritischen Äußerungen von sehr kompe-
tenter Stelle waren weder vom zuständigen Staatssekretär
noch vom GI oder dessen Stäben gegenüber dem Minister
erwähnt worden.
In dem Gespräch vom 30. November 2009 zwischen dem
Minister und Staatssekretär Wolf, dem Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos, dem Leiter Einsatzführungs-
stab sowie dem Leiter des Planungsstabes wurde deutlich,
dass durchaus eine andere als die dem Minister zuvor
vorgetragene Betrachtungsweise des Vorfalls möglich
war. Insbesondere wurden von Vizeadmiral Kühn ver-
schiedene Handlungsalternativen aufgezeigt. Die an der
Runde teilnehmenden Mitglieder der zivilen und politi-
schen Führung haben in einer bewusst offen angelegten
Erörterung ihre jeweilige Analyse dargelegt und gemein-
sam erörtert, welche Analyse zu ziehen war.
Auf Grundlage dieser Diskussion und einer Gesamtbe-
trachtung der erstmals ihm vorliegenden Unterlagen kam
der Minister zu der von einer sehr breiten Mehrheit im
Deutschen Bundestag geteilten Neubewertung, die er am
3. Dezember 2009 vor dem Deutschen Bundestag darleg-
te.
Vor dem Parlament führte er u. a. aus: (siehe oben: E.VII,
S. 165):
„[…] Obgleich Oberst Klein […] zweifellos nach
bestem Wissen und Gewissen sowie zum Schutz
seiner Soldaten gehandelt hat, war es aus heutiger,
objektiver Sicht, im Lichte aller, auch der mir da-
mals vorenthaltenen Dokumente, militärisch nicht
angemessen.“
Diese Bewertung entspricht dem tatsächlichen Lagebild
und war daher nach den inzwischen bekannt gewordenen
Dokumenten in Form und Inhalt sehr zu begrüßen.
IV. Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 4
und 5 des Untersuchungsauftrages
Aufgabe des Untersuchungsausschusses war es auch zu
untersuchen, ob das Parlament, die Obleute des Verteidi-
gungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses
sowie die Öffentlichkeit durch die Bundesregierung bzw.
1332) vgl. Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
Drucksache 17/7400 – 196 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
durch Mitarbeiter der Bundesregierung umfassend und
lückenlos informiert wurden.
1. Unterrichtung des Parlamentes
Für die laufende Unterrichtung des Parlamentes (UdP)
war im Geschäftsbereich des BMVg im fraglichen Zeit-
raum Staatssekretär Dr. Wichert zuständig.
Der Staatssekretär hat bis zuletzt seine Auffassung vertre-
ten, er habe das Parlament zu jeder Zeit umfassend infor-
miert.
Die Prüfung der Akten hat ergeben, dass das Parlament
im Zusammenhang mit dem Luftschlag informiert wurde,
dies jedoch zum Teil nicht vollumfänglich bzw. zeitver-
zögert erfolgte.
a) Unterrichtung des Parlamentes vom
9. September 2009
Die schriftliche Unterrichtung des Parlamentes (UdP)
vom 9. September 2009 zeigt die teils zögerliche Informa-
tionspolitik gegenüber dem Deutschen Bundestag.
In dieser UdP wird erwähnt, dass die Voruntersuchungen
der ISAF zum Vorfall bereits abgeschlossen sind und der
IAT-Bericht bereits vorgelegt wurde; allerdings werden
jedoch keinerlei Inhalte des Berichts wiedergegeben
1333
,
so auch insbesondere nicht der wesentliche Sachverhalt
aus dem IAT-Bericht, dass mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit auch Zivilpersonen verletzt oder getö-
tet wurden.
Allerdings wird wiederum der offizielle afghanische Be-
richt erwähnt, der ausschließlich von getöteten Taliban
ausgeht.
1334
Diesem Bericht gingen jedoch keinerlei Un-
tersuchungen voraus, die mit den Untersuchungen des
Initial Action Teams vergleichbar wären. Vielmehr han-
delt es sich hierbei lediglich um ein Schreiben zum Vor-
fall an den afghanischen Präsidenten Karzai.
b) Unterrichtung des Parlamentes vom
23. September 2009
Auch in der UdP vom 23. September 2009 fehlen konkre-
te Hinweise auf zivile Opfer.
1335
In dieser UdP wird der am 22. September 2009 im BMVg
eingegangene sog. „Karzai-Bericht“ erwähnt, jedoch
werden wiederum keine Inhalte des Berichts wiedergege-
ben.
Insbesondere finden sich in der UdP keine Hinweise dar-
auf, dass der „Karzai-Bericht“ bereits von einer konkreten
1333) vgl. BMVg, Unterrichtung des Parlaments 37/09 vom 9. Septem-
ber 2009 (Dokument 178).
1334) vgl. BMVg, Unterrichtung des Parlaments 37/09
(Dokument 178), S. 10.
1335) vgl. BMVg, Unterrichtung des Parlaments 39/09 vom 23. Sep-
tember 2009 (Dokument 179).
Zahl ziviler Opfer ausgeht. Hinweise auf zivile Opfer
werden überhaupt nicht erwähnt.
1336
In der Auslassung von Hinweisen über mögliche zivile
Opfer bis zum 23. September 2009 ist ablesbar, dass die
Unterrichtung des Parlaments unvollständig war und
angesichts der Bedeutung des Geschehens und der inter-
nationalen Nachrichtenlage deutlich zu begrenzt erfolgte.
Während auf der einen Seite die direkten Hinweise auf
zivile Opfer nicht weiter gegeben wurden, geschah diese
Weitergabe auf der anderen Seite mit solchen Informatio-
nen, die davon ausgingen, dass es keine zivilen Opfer gab.
Eine solch einseitige „Unterrichtung“ ist als struktureller
Fehler für die Zukunft durch entsprechende Maßnahmen
zu vermeiden. Gerade die Unterstützung von Bundes-
wehreinsätzen in Kampfgebieten setzt ein größtmögliches
Maß an Information und Offenheit voraus, wie es von
Minister zu Guttenberg bereits eingeleitet wurde und von
seinem Nachfolger de Maizière fortgesetzt wird.
2. Unterrichtung der Obleute des Verteidi-
gungsausschusses und des Auswärtigen
Ausschusses
Die korrekte und umfassende Unterrichtung der Obleute
des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Aus-
schusses war ebenfalls Aufgabe des Staatssekretärs. Auch
hier ergab die Aktenlage, dass die Obleute des Verteidi-
gungsausschusses teilweise nicht umfassend und nicht
zeitgerecht informiert wurden.
a) Obleuteunterrichtung vom 4. Septem-
ber 2009
In der ersten Obleuteunterrichtung vom
4. September 2009 wurde darauf hingewiesen, dass es „zu
einem Luftschlag gegen eine Gruppe von Opposing Mili-
tant Forces“ (OMF) gekommen sei.1337 Angaben über
Opferzahlen oder mögliche zivile Opfer enthielt diese
Unterrichtung nicht.
Der Zeuge Dr. Wichert begründete dies damit, dass ange-
sichts des nicht gesicherten Meldeaufkommens auf die
Angabe einer Zahl bzw. die Erwähnung möglicher ziviler
Opfer verzichtet worden sei, um eine Falschinformation
des Parlamentes zu verhindern (siehe oben: C.III.1,
S. 132).
Diese Entscheidung war zum damaligen frühen Zeitpunkt
nachvollziehbar, da es sich hierbei um eine Erstinformati-
on am Folgetag des Vorfalls handelte. Dass in dieser
Erstmeldung zunächst nur gesicherte Informationen wei-
tergegeben wurden, war korrekt und ist in keiner Weise
zu beanstanden. Die an diesem Tag eingehenden, sich
teilweise widersprechenden Informationen, mussten zu-
nächst ausgewertet werden.
1336) vgl. BMVg, Unterrichtung des Parlaments 39/09 (Fn. 1335), S. 6.
1337) Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009 (Fn. 901, Doku-
ment 124), Bl. 8 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197 – Drucksache 17/7400
Zwar lagen dem BMVg zum Zeitpunkt der Erstunterrich-
tung bereits Spekulationen über zivile Opfer vor. So lag
eine Information der NATO vor, in der von zivilen Op-
fern die Rede war.
1338
Es war jedoch ein völlig gebotenes und korrektes Vorge-
hen, am ersten Tag auf Spekulationen zu verzichten und
nur gesicherte Fakten mitzuteilen.
b) Obleuteunterrichtung vom 7. Septem-
ber 2009
Anders verhält es sich bei der Obleuteunterrichtung vom
7. September 2009. In dieser Unterrichtung wird erstmals
detailliert über die Ereignisse am 4. September 2009 be-
richtet und ausgeführt, wie es zu dem Luftschlag kam.
Bezüglich der Frage ziviler Opfer wurde ausgeführt, dass
Oberst Klein aufgrund der Quellenlage davon ausging,
dass sich nur Aufständische auf der Sandbank aufgehalten
hatten und dass im Laufe des 4. September 2009 zwölf
männliche Verletzte, darunter ein zehnjähriger Junge, in
das Krankenhaus der Stadt Kunduz eingeliefert wur-
den.
1339
Auch wurde in dieser Unterrichtung der Bericht afghani-
scher Offizieller der Provinz Kunduz erwähnt und erläu-
tert, dass dort festgestellt wurde, dass bei dem Luftschlag
nur regierungsfeindliche Kräfte getötet worden seien.
1340
Unerwähnt blieb der bereits vorliegende Bericht des Initi-
al Action Teams (IAT-Bericht) und vor allem dessen
Feststellungen über mögliche zivile Opfer.
Zwar wird in der Obleuteunterrichtung erwähnt, dass das
IAT am 4. September 2009 seine Untersuchungen begon-
nen hatte. Dass diese Voruntersuchung aber schon abge-
schlossen war und der Bericht im Einsatzführungsstab
und beim GI bereits seit dem 6. September 2009 vorlag,
wurde nicht erwähnt. Auch wurde dieser Bericht nicht an
die Obleute übergeben. Allein vor diesem Hintergrund
kann hier nicht mehr von einer umfassenden Unterrich-
tung gesprochen werden.
In dem IAT-Bericht der ISAF an den COM ISAF wurde
festgestellt, dass neben einer erheblichen Zahl von regie-
rungsfeindlichen Kräften mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit auch Zivilisten getötet oder verletzt
wurden.
1341
Dieser Inhalt war in einem Entwurf zu einer pressever-
wertbaren Stellungnahme zum IAT-Bericht noch enthal-
ten. Diese presseverwertbare Stellungnahme war Grund-
1338) vgl. Pressestatement ISAF vom 4. September 2009 (Fn. 684,
Dokument 107).
1339) vgl. Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 7. September
2009 (Fn. 983, Dokument 135).
1340) vgl. Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 7. September
2009 (Fn. 983, Dokument 135).
1341) vgl. Presseverwertbare Stellungnahme vom 7. September 2009
(Fn. 693, Dokument 108), Bl. 29.
lage für die Obleuteunterrichtung am 7. Septem-
ber 2009.
1342
Der Umstand, dass die Inhalte des IAT-Berichts zunächst
im Entwurf enthalten sind und anschließend nicht in die
Obleuteunterrichtung einflossen, belegt, dass es sich nicht
um ein Versehen handelte. Der Zeuge Dr. Wichert hat
dazu vor dem Ausschuss angegeben, er habe die Verzöge-
rungen bei der Unterrichtung in Kauf genommen, da er
nur gesicherte Erkenntnisse habe weitergeben wollen und
keine Spekulationen.
Diese Argumentation unterschlägt, dass es sich bei dem in
der Obleuteunterrichtung erwähnten Bericht afghanischer
Offizieller, der anders als der IAT–Bericht nur von getö-
teten Taliban ausgeht, genauso wenig um gesicherte
Kenntnisse, sondern um sehr spekulative Informationen
handelte, die sich im Nachhinein als unkorrekt heraus-
stellten.
Demgegenüber stellt der IAT-Bericht als der ISAF-
Bericht über die von der ISAF durchgeführte Voruntersu-
chung das deutlich viel mehr Hinweise beinhaltende Do-
kument dar und muss als weit weniger spekulativ angese-
hen werden als ein Bericht afghanischer Offiziere. Der
IAT-Bericht mit dem Hinweis auf die hohe Wahrschein-
lichkeit ziviler Opfer hätte zwingend in die Obleuteunter-
richtung einfließen müssen.
c) Falsche Angabe in der Obleuteunterrich-
tung vom 9. September 2009
In der schriftlichen Obleuteunterrichtung durch den
Staatssekretär vom 9. September 2009 wird berichtet,
dass der IAT-Bericht dem Bundesministerium der Vertei-
digung am 8. September 2009 zugegangen sei.
1343
Diese Angabe ist falsch. Tatsächlich lag der IAT-Bericht
bereits seit dem 6. September 2009 im BMVg vor.
1344
3. Unterrichtung der Öffentlichkeit
Die Unterrichtung der Öffentlichkeit gerade in den ersten
Tagen nach dem Luftschlag hat zu erheblicher Kritik
geführt. Es war daher auch Aufgabe des Ausschusses, die
Frage der Unterrichtung der Öffentlichkeit zu untersu-
chen.
a) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das
BMVg
Die Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Bundes-
ministerium der Verteidigung in den ersten Tagen nach
dem Luftschlag ist nicht optimal verlaufen. Insbesondere
der Umgang mit der Frage möglicher ziviler Opfer ist zu
Recht auf Kritik gestoßen.
1342) vgl. Presseverwertbare Stellungnahme vom 7. September 2009
(Fn. 693, Dokument 108), Bl. 26 ff.
1343) vgl. Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 9. September
2009 (Fn. 996, Dokument 139).
1344) vgl. Übersicht über den Informationsfluss hinsichlich der Berichte
zum Kunduz-Vorfall (Dokument 180).
Drucksache 17/7400 – 198 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Festzuhalten ist, dass es sich hier nicht um einen Vertu-
schungsversuch gehandelt hat. Vielmehr hat sich ergeben,
dass im Bundesverteidigungsministerium die Linie festge-
legt wurde, keinerlei Vermutungen, sondern nur völlig
abgesicherte Fakten zu kommunizieren.
In der ersten Pressemeldung am Morgen nach dem Luft-
schlag wird am 4. September 2009 um 6.42 Uhr von ei-
nem erfolgreichen Einsatz gegen Aufständische gespro-
chen und erklärt, dass Zivilpersonen nicht zu Schaden
kamen (siehe oben: C.II.1.b)aa)bbb)(1), S. 95).
Im Laufe des 4. September 2009 gab es immer mehr Mel-
dungen, die auf die Möglichkeit ziviler Opfer hindeuteten.
Insbesondere erhielt das BMVg um 9.13 Uhr die Mittei-
lung, dass die ISAF Informationen erhalten habe, wonach
es auch verletzte und getötete Zivilisten gebe.
Aufgrund der widersprüchlichen Angaben wurden die
Pressemitteilungen im Internet in der Folge mehrmals
geändert (siehe oben: C.II.1.b)aa)bbb)(2) und (3), S. 95).
Schließlich wurde die Formulierung gewählt, dass „Unbe-
teiligte vermutlich nicht zu Schaden“ kamen.
Die Untersuchungen haben ergeben, dass es einen Dop-
pelstrang an Informationen bzw. Vermutungen gab, der
mitverantwortlich für das widersprüchliche Lagebild war.
Auch diese organisatorischen Mängel mit den bekannt
negativen Folgen sind Gegenstand der Strukturreform der
Bundeswehr, um entsprechend abgestellt zu werden.
Aus heutiger Sicht wäre es für das BMVg unerlässlich
gewesen, frühzeitig die Presselinie zu ändern und die
Möglichkeit ziviler Opfer einzuräumen, nachdem die
ersten konkreteren Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit
ziviler Opfer eingegangen waren.
Der Generalinspekteur hat auf die Frage nach diesen
Defiziten auf den COM ISAF in Afghanistan und den
Pressesprecher des BMVg in Berlin verwiesen (vgl. oben:
C.II.1.d)dd)aaa) und bbb), S. 108 und 108).
Er gab an, der Grund für das Meldechaos sei zum einen
die verfrühte und öffentliche Kritik an dem Luftschlag
durch General McChrystal sowie die Meldungen eines
Journalisten der Washington Post, den McChrystal zum
PRT Kunduz mitgebracht hatte.
Diese höchst ungewöhnliche Praxis der Begleitung durch
Außenstehende und Medien in einer solch bedeutsamen
militärischen Ermittlung wurde zu Recht vom damaligen
Minister Dr. Jung gegenüber dem verantwortlichen
Kommandeur der ISAF, General McChrystal, unmissver-
ständlich und klar kritisiert und als Fehler des Generals
qualifiziert.
Der von McChrystal zum PRT Kunduz mitgebrachte
Journalist der Washington Post und dessen nahezu komp-
lette Begleitung des US-Generals in auch internen Ge-
sprächen zur ersten Lagebeurteilung nach dem Luftschlag
war Ausgangspunkt für kritische und bedauerlicher Weise
auch einseitige Berichte in der angesehenen US-
amerikanischen Zeitung.
Dieser Erklärungsansatz des damaligen Generalinspek-
teurs kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Es ist
nicht nachvollziehbar, weshalb und auch wie die frühe
öffentliche Kritik durch den COM ISAF und die Einbin-
dung eines Journalisten verhindert haben soll, die Mög-
lichkeit ziviler Opfer einzuräumen.
Darüber hinaus seien nach Darstellung des Zeugen
Schneiderhan die „Parallelermittlungen“ des Presse- und
Informationsstabes ein weiteres Problem gewesen.
Auch dieser Hinweis auf den Pressesprecher des BMVg
geht fehl. Der seinerzeitige Pressesprecher des BMVg hat
als Zeuge vor dem Ausschuss überzeugend die Gründe für
seine weiteren Nachforschungen angegeben. So war er als
Sprecher des Ministers, wie sich aus den Feststellungen in
C.II.1.d)cc)eee) (S. 105) ergibt, wegen der vom GI unzu-
reichend zur Verfügung gestellten Informationen ge-
zwungen, die erforderlichen Informationen im Wege
eigener Nachforschungen zu beschaffen.
Der Sprecher des BMVg gab hierzu an, weder vom zu-
ständigen Staatssekretär noch vom Generalinspekteur
über die notwendigen Informationen bzgl. des Vorfalls in
Kenntnis gesetzt worden zu sein.
Dies ergibt sich unter anderem dadurch, dass Dr. Raabe
von dem bereits am 6. September 2009 im BMVg einge-
gangenen IAT-Bericht erst am Abend des
7. September 2009 erfuhr, obwohl am Morgen des
7. September 2009 die reguläre Regierungspressekonfe-
renz stattfand, in der sich der Sprecher des BMVg zur
Möglichkeit ziviler Opfer äußern musste. Trotz der be-
sonderen Schwere des Vorfalles und seiner nationalen wie
internationalen Tragweite wurde der im BMVg verfügba-
re Bericht nicht an den Sprecher des Ministers weiterge-
leitet.
Kennzeichnend ist, dass der Zeuge Schneiderhan auf den
Vorhalt mangelhafter Information des Sprechers des
BMVg äußerte, er sei als Generalinspekteur für die Unter-
richtung des Pressesprechers gar nicht zuständig gewesen;
es sei vielmehr Aufgabe des Ministers selbst gewesen,
seinen Pressesprecher mit der notwendigen Information
zu versorgen.
1345
Fest steht allerdings auch, dass der IAT-Bericht dem
damaligen Minister Dr. Jung vom damaligen GI erst am
8. September 2009 vorgelegt wurde (siehe oben: C.III.4,
S. 133).
Aus diesem zeitlichen Ablauf wird rasch deutlich, dass
der Pressesprecher des BMVg bei der Pressekonferenz am
6. September 2011 selbst dann nicht unterrichtet gewesen
wäre, wenn es üblich würde, dass der Bundesminister der
Verteidigung zu seinen Aufgaben nun auch noch die
presseverwertbare Übermittlung von militärischen Infor-
mationen für seinen Pressesprecher zu übernehmen hätte.
Da der GI auch dem Minister selbst erst am übernächsten
Tag nach Eingang den IAT-Berichtes, nämlich am
8. September 2009, vorlegte, wäre eine solchermaßen
1345) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 199 – Drucksache 17/7400
behauptete Unterrichtungspflicht nicht möglich gewesen,
da der Generalinspekteur dem Minister den IAT-Bericht
erst einen Tag nach Ablauf der Pressekonferenz vorlegte.
Die Äußerung des ehemaligen und über Jahrzehnte an
Erfahrung verfügenden GI ist daher wohl eher einer allzu
rasch geäußerten Verteidigung gegen einen offenbar be-
rechtigten Vorhalt zuzurechnen als einer wohlüberlegten
Äußerung zur Struktur des BMVg.
Am 6. September 2009 hat der damalige Minister
Dr. Jung nach einer Unterredung mit Bundeskanzlerin
Dr. Merkel auch öffentlich zivile Opfer nicht mehr ausge-
schlossen (siehe oben: C.II.1.d)ff)fff), S. 114). Zuvor
hatte Dr. Jung, entsprechend der Beratung durch GI und
Staatssekretär, öffentlich, allerdings mit Einschränkung,
davon gesprochen, dass, nach den ihm vorliegenden In-
formationen, ausschließlich Taliban getötet worden seien.
Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Dr. Jung überzeugend
und glaubhaft dargelegt, weshalb er erst zwei Tage nach
dem Luftschlag, am 6. September 2009, öffentlich zivile
Opfer nicht mehr ausgeschlossen hat. Die bis dahin getä-
tigten Äußerungen des Ministers sind auf die ihm gege-
nüber erfolgte Beratung durch das Ministerium zurückzu-
führen, die von Minister Dr. Jung aufgrund seines großen
Vertrauens in langjährige Spitzenbeamte als plausibel
übernommen wurde. Der damalige GI hat in seiner Aus-
sage vor dem Ausschuss selbst angegeben, dass er Minis-
ter Dr. Jung von Anfang an dahingehend beraten hat, mit
Zahlen, Fakten und Vermutungen vorsichtig umzuge-
hen.
1346
Ebenso hat der Minister in seiner Aussage bestä-
tigt, dass er sowohl vom Generalinspekteur als auch vom
Staatssekretär in diese Richtung beraten wurde.
1347
Die frühe Festlegung der Presselinie war weder mit dem
Minister und noch mit der militärischen Spitze des Bun-
desministeriums der Verteidigung noch mit dem Presse-
sprecher des BMVg abgestimmt. In dieser Presselinie
wurde bereits in den frühen Morgenstunden des
4. September 2009 ausgeführt, dass bei dem Luftschlag in
der Nacht zuvor Zivilpersonen nicht zu Schaden gekom-
men seien.
Vor dem Hintergrund dieser Festlegung schon am Mor-
gen des 4. September 2009 nach dem Hinweis von Oberst
Klein, der dem Minister in einem Telefonat ebenfalls
seinen damaligen Kenntnisstand wiedergab, dass nur
Taliban unter den Opfern seien
1348
, sowie aufgrund der
Beratung durch GI und Staatssekretär wird die öffentliche
Stellungnahme des Ministers nachvollziehbar.
Die Beratung des Ministers zum öffentlichen Umgang mit
dem Luftschlag erfolgte zu einseitig. Wie auch bei der
oben dargestellten Beratung des späteren Ministers zu
Guttenberg (siehe oben: III.2.a)bb), S. 188) wurden auch
gegenüber Minister Dr. Jung Informationen zu stark rela-
tiviert und darauf gedrängt, die Presselinie vorerst beizu-
behalten und nur aufgrund gesicherter Fakten zu ändern.
1346) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 6.
1347) vgl. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.
1348) vgl. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.
Nicht erwähnt wurde gegenüber dem Minister, dass, wie
der seinerzeitige Generalinspekteur als Zeuge vor dem
Ausschuss aussagte, schon die erste Presselinie ausge-
rechnet hinsichtlich ziviler Opfer eben gerade nicht auf
gesicherte Fakten gestützt war, sondern lediglich auf die
eingegangene, noch sehr spekulative Erstmeldung.
Sowohl Staatssekretär als auch Generalinspekteur haben
später als Zeugen vor dem Ausschuss inhaltlich gleichlau-
tend zur Begründung dieser zögerlichen Änderung der
Presselinie die widersprüchlichen Meldungen bzgl. ziviler
Opfer in den ersten Tagen nach dem Luftschlag angege-
ben.
Diese Argumentation ist nur teilweise überzeugend. Die
Beweiserhebung hat erbracht, dass in der Tat wider-
sprüchliche Angaben zur Zahl der Opfer insgesamt wie
zur Zahl ziviler Opfer vorlagen. So lag unmittelbar nach
dem 4. September 2009 die Schilderung von Oberst Klein
vor, dass nach den ihm vorliegenden Informationen keine
Unbeteiligten zu Schaden gekommen seien. Diese Anga-
ben wurden unter anderem durch den Brief afghanischer
Offizieller aus der Region Kunduz an Präsident Karzai
bestätigt. Auf der anderen Seite lagen Äußerungen von
ISAF und auch Medienberichte vor, die von zivilen Op-
fern sprachen.
Dass man im BMVg zunächst diese widersprüchlichen
Angaben prüfen wollte, bevor man zivile Opfer einräumt,
ist nachvollziehbar und auch im Vorgehen richtig.
Weiterhin ist festzustellen, dass nach Verdichtung des
Lagebildes bis zum 6. September 2009 die Presselinie
entsprechend verändert wurde und zivile Opfer nicht
mehr ausgeschlossen wurden (vgl. oben).
Die unhaltbare Unterstellung der Ausschussminderheit,
die Regierung habe zivile Opfer vertuschen wollen, war
erwiesener Maßen völlig unhaltbar und ist in der Konse-
quenz für die Position der Bundeswehr vor Ort wie auch
im Blick auf das internationale Ansehen Deutschlands als
Rechtsstaat politisch völlig unverantwortlich.
Es wäre allerdings erforderlich gewesen, die Presselinie
des BMVg schon früher zu ändern und zivile Opfer nicht
auszuschließen. Auch bei widersprüchlicher Meldelage ist
es möglich und war im vorliegenden Fall geboten, diesen
für die Öffentlichkeit durchaus nachvollziehbaren Sach-
verhalt in der Presselinie zu berücksichtigen und darauf
hinzuweisen, dass der Vorfall weiterer Prüfung bedarf.
Im vorliegenden Fall wurden durch das Zuwarten auf ein
verdichtetes Lagebild die Hinweise auf zivile Opfer erst
zu spät an die Öffentlichkeit gegeben und dadurch berech-
tigter Anlass zu deutlicher Kritik gegeben.
Die Probleme in der Öffentlichkeitsarbeit sind darauf
zurückzuführen, dass bei diesem schwer wiegenden Vor-
gang verhindern werden sollte, vorschnelle Äußerungen
zu tätigen und im Ergebnis übervorsichtig agiert wurde.
Dass es nicht um ein Vertuschen ging, sondern um das
Abwarten einer gefestigten Erkenntnislage ergibt sich
Drucksache 17/7400 – 200 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
auch aus der Aktenlage
1349
sowie aus den Aussagen des
Zeugen Dr. Raabe, der angab, dass man für ein Ministe-
rium nur mit gesicherten Informationen an die Öffentlich-
keit gehen kann (siehe oben: C.II.1.d)cc)ddd), S. 105).
b) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das
Bundeskanzleramt
Der Ausschuss stellt fest, dass die Unterrichtung der Öf-
fentlichkeit durch das Bundeskanzleramt, insbesondere
durch die Bundeskanzlerin, keinen Anlass zur Kritik gibt
und im Gegenteil alles unternommen wurde, um eine
möglichst umfassende Information möglichst zeitnah zu
erreichen. Die Bundeskanzlerin selbst hat die Öffentlich-
keit zu jeder Zeit entsprechend ihrem Kenntnisstand un-
terrichtet.
aa) Pressestatement am 6. September 2009
Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat sich am Abend des
6. September 2009 erstmals zu dem Vorfall geäußert und
bereits in dieser ersten Äußerung zivile Opfer nicht aus-
geschlossen und ihr Bedauern für diesen Fall ausgedrückt
(siehe oben: C.II.3.c)bb), S. 129). Bundeskanzlerin
Dr. Merkel hat die Öffentlichkeit entsprechend dem da-
maligen Kenntnisstand sachgerecht unterrichtet.
bb) Regierungserklärung am 8. September
2009
Am 8. September 2009 folgte die Regierungserklärung
der Bundeskanzlerin, in der sie bereits zu Beginn ausführ-
te, dass es unterschiedliche Informationen hinsichtlich
ziviler Opfer gebe (siehe oben: C.II.3.c)cc), S. 129). Auch
machte sie in dieser Regierungserklärung deutlich, dass
sie von der Möglichkeit ziviler Opfer ausgehe und jeden
unschuldig zu Tode Gekommenen zutiefst bedauere.
Die Regierungserklärung erfolgte auch aus heutiger Sicht
genau zum richtigen Zeitpunkt und mit zutreffendem
Inhalt.
Die Ausführungen der Bundeskanzlerin vom
8. September 2009 sind auch nach Abschluss aller Ermitt-
lungen und Untersuchungen zutreffend und müssen in
keinem Punkt korrigiert werden. Zu Recht wurde in der
Regierungserklärung keine abschließende Schilderung
und Wertung des Vorfalls abgegeben. Zudem war es
richtig und wichtig, dass die Bundeskanzlerin eine lü-
ckenlose Aufklärung ankündigte und diese auch konse-
quent erfolgte.
aaa) Umfassendes Lagebild der Bundeskanzle-
rin
Von Seiten der Opposition wurde spekuliert, dass die
Bundeskanzlerin aufgrund der anfänglich schleppenden
Unterrichtung des Bundeskanzleramtes durch das Bun-
1349) Manuskript Pressekonferenz 98/2009 vom 4. September 2009
(Fn. 720, Dokument 115), Bl. 31.
desministerium der Verteidigung (siehe oben: II.4.c),
S. 186) zum Zeitpunkt der Regierungserklärung unzurei-
chend informiert gewesen sein könnte.
Diese Spekulationen wurden durch die Beweiserhebung
durchweg entkräftet. Im Gegenteil hat die Untersuchung
ergeben, dass die Bundeskanzlerin bei der Regierungser-
klärung über ein umfassendes Lagebild verfügte.
Richtig ist allerdings, dass es für die Berater der Bundes-
kanzlerin nicht einfach war, in der gebotenen Zeit alle
relevanten Informationen vom BMVg zu erhalten.
Zuständig für die Unterrichtung des Kanzleramtes war
seinerzeit Staatssekretär Dr. Wichert. Am Morgen des
7. September 2009 ging folglich die Bitte des Kanzleram-
tes um detaillierte Unterrichtung auch an den Staatssekre-
tär.
1350
Abends um 17.05 Uhr ging daraufhin die erbetene
Darstellung im Bundeskanzleramt ein. Bei dieser Darstel-
lung handelte es sich um die presseverwertbare Stellung-
nahme, die um Erkenntnisse aus den bislang vorliegenden
Berichten (insb. IAT-Bericht) erweitert worden war, ein-
schließlich der Feststellung „hohe Wahrscheinlichkeit
ziviler Opfer“ aus dem IAT-Bericht.1351
Der IAT-Bericht selbst und der „N.-Bericht“ wurden
jedoch nicht vorgelegt.
Bemerkenswert und bemängelnswert bleibt die Tatsache,
dass die Berichte selbst jedoch erst auf wiederholte Nach-
frage und Intervention des Kanzleramtes und erst unter
Bezug auf persönlichen Wunsch der Kanzlerin am
10. September 2009 an das Kanzleramt weitergeleitet
wurden (siehe oben: C.II.3.b)bb)bbb), S. 127).
Es wurde im Ausschuss deutlich, dass das Kanzleramt
jeweils über die Sachlage informiert war, und eine aktive
Informationspolitik verfolgte.
Ein Vorwurf, die Kanzlerin habe ohne hinreichenden
Informationen eine Regierungserklärung abgegeben, wäre
völlig absurd.
bbb) Lückenlose Aufklärung
Mit Genugtuung stellt der Ausschuss fest, dass die von
der Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung ange-
kündigte „lückenlose Aufklärung“ erfolgt ist.
Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat in ihrer Aussage vor dem
Ausschuss deutlich gemacht, dass mit der von ihr ange-
kündigten „lückenlosen Aufklärung“ in erster Linie die
Untersuchungen der ISAF gemeint waren, da es sich um
einen ISAF-Einsatz handelte und die Ermittlungen der
ISAF bereits zum Zeitpunkt der Regierungserklärung
begonnen hatten.
1350) vgl. E-Mail BK an Büro Wichert vom 7. September 2009
(Dokument 181).
1351) vgl. EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes zum Luftangriff auf
Opposing Militant Forces (OMF) am 4. September 2009 (Fn. 736,
Dokument 117).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 201 – Drucksache 17/7400
Darüber hinaus hat es neben den Ermittlungen der ISAF
durch das JIB noch weitere Untersuchungen und Berichte
gegeben, die sich mit dem Vorfall befasst haben.
Dazu zählen der IAT-Bericht (den Vorbericht des ISAF-
Berichts), der „N.-Bericht“, der „Klein-Bericht“, das
Schreiben afghanischer Offizieller an Präsident Karzai,
der Feldjägerbericht, der Bericht der afghanischen Unter-
suchungskommission sowie der Bericht des Internationa-
len Roten Kreuzes (siehe oben: V.2).
An Zahl und Inhalt der Berichte lässt sich nachvollziehen,
dass die von der Bundeskanzlerin geforderte und zugesag-
te „lückenlose Aufklärung“ erfolgte.
c) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das
Auswärtige Amt
Auch der damalige Bundesaußenminister Dr. Steinmeier
schloss bereits frühzeitig zivile Opfer nicht aus. Am
6. September 2009 äußerte der Bundesaußenminister sich
öffentlich und forderte eine schnellst möglichste und
genaueste Aufklärung (siehe oben: C.II.2.a)aa), S. 115).
Darüber hinaus hat der Bundesaußenminister am
8. September 2009 sein Unverständnis über Vorverurtei-
lungen zum Ausdruck gebracht (siehe oben: C.II.2.a),
S. C.II.2.a), S. 115) und gefordert, zunächst den Ab-
schluss der Untersuchungen abzuwarten.
Der Bundesaußenminister war der für den Einsatz in
Afghanistan federführende Minister. Weitere Äußerungen
oder Aktivitäten des Bundesaußenministers waren den-
noch nicht feststellbar.
Bereits am Morgen des 4. September 2009 ging im Aus-
wärtigen Amt eine Nachricht ein, dass die NATO in der
Mehrzahl von zivilen Opfern ausgehe.
1352
Ebenfalls am
4. September 2009 berichtete der zivile Leiter des PRT
Kunduz, dass vor Ort von 14 namentlich benannten toten
Zivilisten berichtet werde (siehe oben: C.II.2.c)aa),
S. 117).
Der zivile Leiter des PRT hat als Zeuge vor dem Aus-
schuss angegeben, dass von Seiten des Auswärtigen Am-
tes keinerlei Rückfragen oder Reaktion zu den Berichten
über mögliche ziviler Opfer erfolgten.
1353
Auch hat das
Auswärtige Amt nach Aktenlage keine Anfrage bzgl.
weiterer Informationen an das Bundesministerium der
Verteidigung gestellt, obwohl es, wie der Zeuge
Dr. Steinmeier vor dem Ausschuss darstellte, die Informa-
tionslage in den ersten Tagen nach dem
4. September 2009 unklar, diffus und teilweise wider-
sprüchlich gewesen sei (siehe oben C.II.2.b).
Der Umstand, dass trotz konkreter Anhaltspunkte und
einer unklaren Informationslage vom Auswärtigen Amt
weder Nachfragen an das BMVg, noch an die zivile Lei-
tung des PRT Kunduz gestellt wurden, lässt den Rück-
schluss zu, dass der damals als Kanzlerkandidat im Wahl-
1352) vgl. E-Mail AA vom 4. September 2009 (Fn. 813, Doku-
ment 118), Bl. 7.
1353) vgl. D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 6.
kampf agierende Außenminister trotz seiner Verantwor-
tung als der für den Afghanistan-Einsatz federführende
Minister so wenig wie möglich mit dem Vorfall in Ver-
bindung gebracht werden wollte.
So sind vom damaligen Außenminister keinerlei nen-
nenswerte Beiträge zur Klärung der Sachverhalte oder zur
Beruhigung der Lage bekannt.
4. Unterrichtungen nach dem Koalitions-
wechsel
a) Offene transparente Unterrichtungspraxis
Der Ausschuss stellt fest, dass nach dem Regierungs-
wechsel sowohl die Unterrichtung des Parlamentes als
auch der Öffentlichkeit umfassend und zeitnah erfolgte.
Dazu hat insbesondere der neue Verteidigungsminister,
Freiherr zu Guttenberg, sämtliche ihm bekannt geworde-
nen Berichte, soweit es aufgrund der Einstufung möglich
war, dem Parlament zur Verfügung gestellt und damit für
größtmögliche Transparenz gesorgt.
Die vom Minister verfolgte Strategie größtmöglicher
Transparenz dokumentiert sich auch durch die deutsche
Anfrage bei der NATO nach der Möglichkeit, eine offene
Version des ISAF-Berichts zu erhalten.
1354
Dass er mit dieser transparenten und offenen Unterrich-
tung durch seinen neuen Minister nicht einverstanden
war, hat der damalige Staatssekretär Dr. Wichert als Zeu-
ge im Ausschuss zum Ausdruck gebracht, indem er fest-
stellte, er sei immer gegen ein Übersenden von Akten
gewesen. Er sei der Auffassung, dass es ausreichend sei,
dem Parlament zu berichten (siehe oben C.III.6). Damit
hat der Staatssekretär auch sein vom Minister unter-
schiedliches Amtsverständnis offen dargelegt.
b) Öffentliche Berichterstattung über das
Gespräch am 25. November 2009
Weder das Gespräch am 25. November 2009 selbst noch
die Berichterstattung darüber sind vom Untersuchungs-
auftrag gedeckt.
Entgegen dem Auftrag versuchte die Ausschussminder-
heit die Vernehmung des Ministers nahezu ausschließlich
auf diese beiden nicht relevanten Themen zu fokussieren.
Über Stunden wurden dabei immer wieder die gleichen
Fragen zu diesen beiden Themenkreisen gestellt, wohl in
der irrigen Hoffnung, man könne den Zeugen zu Wider-
sprüche in seinen Aussagen verleiten.
1355
Dies blieb be-
kanntlich völlig ergebnis- und erfolglos.
Es war im Vorhinein absehbar, dass eine Klärung der von
der Ausschussminderheit selbst betriebenen Spekulatio-
1354) vgl. E-Mail Büro Wichert an GI vom 3. November 2009: Anfrage
an die NATO wegen einer offenen Version des COM ISAF-
Berichts (Dokument 182).
1355) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18.
Drucksache 17/7400 – 202 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nen schlicht nicht möglich und offenbar auch gar nicht
gewollt war und diese völlig abseitigen Fragen keine
Ergebnisse erbringen konnten.
V. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 6
des Untersuchungsauftrages
Der Ausschuss hatte auch zu untersuchen, ob es von Sei-
ten der Bundesregierung Bemühungen gab, auf die Erstel-
lung von Gutachten und Berichten im Zusammenhang mit
den Vorkommnissen am 3./4. September 2009 Einfluss zu
nehmen.
Auch dieser abseitige Untersuchungsgegenstand verfolgte
erkennbar das parteitaktische Ziel, eine Vertuschung
durch die Bundesregierung zu unterstellen. Auch dieser
Versuch ist erwartungsgemäß gescheitert.
1. Keine Einflussnahme auf die Erstellung
des COM ISAF-Berichtes
Im Ausschuss wurde von der Minderheit der fruchtlose
Versuch unternommen, der Bundesregierung eine Ein-
flussnahme auf die Erstellung des COM ISAF-Berichtes
zu unterstellen.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass weder eine Ein-
flussnahme noch auch nur der Versuch dazu erfolgte.
Hierzu hat der damalige Verteidigungsminister Dr. Jung
glaubhaft dargelegt, dass es beim Besuch von Admiral
Stavridis (ISAF) am 15. Oktober 2009 nicht um die Ar-
beit des Joint Investigation Board (JIB) bzw. um den
bevorstehenden Bericht der ISAF ging.
Vielmehr habe man sich generell über die Lage in Afgha-
nistan und über den Luftschlag unterhalten. Eine weiter-
gehende Befassung mit dem Bericht habe es dabei nicht
gegeben.
1356
Alle Versuche, mit einer abstrusen Strategie sich immer
wiederholender Fragen Widersprüchlichkeiten provozie-
ren zu wollen, schlugen völlig fehl. Auch die anderen zu
diesem Sachverhalt vernommenen Zeugen, insbesondere
der beim seinerzeitigen Gespräch mit anwesende General-
inspekteur, haben als Zeugen vor dem Ausschuss die
Angaben des Ministers bestätigt.
Auch die Unterstellung, die Bundesregierung habe auf die
Fertigstellung des Berichts Einfluss genommen und diese
bis zum Ministerwechsel am 28. Oktober 2009 hinausge-
zögert, konnte klar widerlegt werden und entbehrt nach
den Ergebnissen der Beweisaufnahme jeglicher Grundla-
ge.
Weiter wurde vergeblich unterstellt, die von Staatssekre-
tär Dr. Wichert eingesetzte sog. Gruppe 85 habe in nicht
zulässiger Weise Einfluss auf die Arbeit des JIB genom-
men. Auch dieser Vorwurf ist durch die Beweisaufnahme
des Untersuchungsausschusses ausgeräumt worden.
1356) vgl. Protokoll-Nr. 16, S. 7, 23, 24.
Als Zeuge gab Dr. Wichert hierzu an, dass er diese Ar-
beitsgruppe zur Unterstützung des JIB eingesetzt hatte,
um sicherzustellen, dass eventuelle Anfragen aus dem
NATO-Bereich zentral und fachkundig beantwortet wür-
den.
1357
Der Zeuge führte zudem aus, dass es durchaus
auch ein Ziel der Gruppe 85 gewesen sei sicherzustellen,
dass die Untersuchungen nicht einseitig zu Lasten der
Bundeswehr oder von Oberst Klein ausfallen. Schon der
damalige Minister Dr. Jung und die Bundeskanzlerin
hatten unmittelbar nach dem Luftschlag darauf gedrun-
gen, eine Vorverurteilung der Bundeswehr auch innerhalb
der NATO zu unterlassen.
Die zum Teil heftigen Vorverurteilungen von Seiten eini-
ger NATO-Partner unmittelbar nach dem Luftschlag
hätten durchaus befürchten lassen, dass eine diesen Be-
wertungen angepasste parteiische Untersuchung nicht von
vornherein hätte ausgeschlossen werden können.
Aufgabe der Arbeitsgruppe sei es jedoch nicht gewesen,
unzulässig Einfluss auf die Arbeit der Untersuchungs-
kommission zu nehmen, sondern vielmehr darauf zu acht-
en, dass die Untersuchungen fair und neutral ablaufen.
Bei diesem Vorgehen handelt es sich nach Auffassung des
Ausschusses um eine durchaus übliche und völlig legiti-
me Vorgehensweise. Von einer gar unzulässigen Ein-
flussnahme kann hier in keiner Hinsicht gesprochen wer-
den.
Auch aus dem Umstand, dass die Gruppe 85 mit dem
deutschen Vertreter in der Untersuchungskommission in
Kontakt stand und sich über den Verlauf der Untersu-
chungen informierte, ist der korrekte Austausch unter den
ISAF-Partnern bei der Aufklärung abzulesen.
Der Zeuge V. hat als der deutsche Vertreter im JIB ein-
deutig angegeben, dass es weder von der Gruppe 85 noch
von anderer Seite den Versuch einer Einflussnahme gege-
ben habe.
Der Zeuge bestätigte den Kontakt zwischen ihm und dem
BMVg und erläuterte, dass es um allgemeine Fragen bzw.
um Mitteilung des Stands der Untersuchungen ging.
Dabei habe es sich um den in solchen Fällen üblichen
Austausch zwischen NATO und BMVg gehandelt, in
denen keinerlei politische Einflussnahme zu erkennen sei
(siehe oben: B.IV.2.c), S. 75).
Auch hinsichtlich weiterer Berichte, Gutachten oder sons-
tiger Unterlagen im Zusammenhang mit den Vorkomm-
nissen am 3./4. September 2009 kann eine Einflussnahme
durch die Bundesregierung aufgrund der Beweisaufnahme
ausgeschlossen werden.
2. Einflussnahme auf die Untersuchung des
Feldjägers durch Generalinspekteur
Schneiderhan
Der Ausschuss stellt fest, dass der damalige Generalin-
spekteur ohne Unterrichtung der Bundesregierung und
1357) vgl. Protokoll-Nr. 14, S. 79.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 203 – Drucksache 17/7400
seines damaligen Ministers die begonnene Untersuchung
der Feldjäger unterbunden hat und zumindest den Ver-
such unternahm, den daraus entstandenen so genannten
„Feldjägerbericht“ so lange wie irgend möglich nicht zu
kommunizieren.
So ergab die Beweisaufnahme, dass sowohl dem neuen
Minister zu Guttenberg der Feldjägerbericht nicht vorge-
legt wurde als auch dessen Vorgänger Dr. Jung erst über
die Existenz des Berichtes informiert wurde, als es für den
GI aufgrund äußerer Zwänge unausweichlich wurde.
Aufgrund der erlangten Erkenntnisse gilt als gesichert,
dass der GI am 7. September 2009 von den laufenden
Untersuchungen des Feldjägers erfahren hatte. Dies ergibt
sich aus dem Schreiben von Generalleutnant Glatz an den
GI
1358
und wurde zudem vom Zeugen Schneiderhan im
Ausschuss bestätigt
1359
.
General Schneiderhan hat die Untersuchung des Feldjä-
gers eigenhändig gestoppt, ohne dies zuvor mit dem Mi-
nister oder dem zuständigen Staatssekretär zu besprechen.
Ebenso wenig wurden beide über die laufenden Ermitt-
lungen bzw. deren Unterbinden in Kenntnis gesetzt.
Die Darstellung des Zeugen Schneiderhan zum Ablauf
erweckte zunächst den Eindruck, dass der Stopp der ein-
geleiteten Ermittlungen eine gemeinsame Entscheidung
GI und Staatssekretär Wichert gewesen sei, die Minister
Jung gebilligt habe.
1360
Nachdem der Zeuge Dr. Wichert in seiner Vernehmung
ausgesagt hatte, von der nationalen Untersuchung keine
Kenntnis gehabt und eine solche auch nicht gestoppt zu
haben
1361
, räumte danach der Zeuge Schneiderhan auf
mehrmaliges Nachfragen schließlich ein, mit Staatssekre-
tär Dr. Wichert doch nicht über die laufenden Ermittlun-
gen gesprochen zu haben.
Auch der ehemalige Minister Dr. Jung gab in seiner Aus-
sage an, erst am 5. Oktober von den Ermittlungen des
Feldjägers erfahren zu haben. Bei der zweiten Einver-
nahme mit dieser Aussage des Ministers konfrontiert,
musste der Zeuge Schneiderhan einräumen, dass er sich
„den Vorwurf wohl gefallen lassen“ muss.1362
Der Zeuge Schneiderhan führte als Grund für sein unab-
gestimmtes Vorgehen an, Minister, Staatssekretär und er
als Generalinspekteur hätten sich vor dem Zeitpunkt, zu
dem er als Generalinspekteur Kenntnis von der Feldjäger-
ermittlungen erlangt hatte, darauf verständigt, keine na-
tionalen Untersuchungen durchzuführen, sondern zu-
nächst die NATO-Ermittlungen abzuwarten.
Nach eigenen Angaben hatte der Generalinspekteur be-
reits am 7. September 2009 von den Untersuchungen
erfahren und diese umgehend unterbunden.
1358) Schreiben Befehlshaber Einsatzführungskomando an Generalin-
spekteur vom 25. November 2009 (Fn. 493, Dokument 75).
1359) vgl. Protokoll-Nr. 14, S. 37.
1360) vgl. Protokoll-Nr. 14, S. 30.
1361) vgl. Protokoll-Nr. 14, S. 100.
1362) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 18.
Der Leiter des Planungsstabes sagte dagegen vor dem
Ausschuss aus, erst am 11. September 2009 sei über mög-
liche nationale Untersuchungen gesprochen worden.
1363
Diese Aussage wird auch durch einen Vermerk des
Staatssekretärs vom 10. September 2009 an den Minister
gestützt, in dem er angibt, eine nationale Untersuchung
für falsch zu halten.
1364
Wäre, wie der Zeuge Schneiderhan ausführte, die Ent-
scheidung, keine nationale Untersuchung durchzuführen,
bereits vor dem 7. September 2009 gefallen, wäre ein
solcher Vermerk überflüssig gewesen. Es spricht daher
viel dafür, dass die angesprochene Absprache zwischen
Minister, Generalinspekteur und Staatssekretär erst er-
folgte, nachdem der GI die nationale Untersuchung schon
unterbunden hatte. Dies wird durch die Aussagen des
damaligen Ministers und auch des seinerzeitigen Staats-
sekretärs vor dem Ausschuss gestützt.
Der Zeuge Schneiderhan gab weiter an, er habe den Be-
richt angehalten, um diesen an die NATO weiterzugeben.
Diese Angaben erscheinen fraglich, da der Bericht mehr
als zwei Wochen zurückgehalten wurde. Erst auf Anfor-
derung der NATO wurde der Bericht am
30. September 2009 an die NATO weitergeleitet.
Dass weder der Minister noch die NATO ohne diese An-
forderung eventuell überhaupt nicht von diesem Bericht
erfahren hätten, ergibt die Aussage von Generalleutnant
Glatz, der angab, der GI hätte zur Anfrage der NATO
geantwortet, dass man sich dem wohl nicht entziehen
könne.
1365
Zudem gab auch der Leiter des Einsatzfüh-
rungsstabes an, dass der Bericht ohne Anforderung nie an
die NATO weitergeleitet worden wäre.
1366
Unstreitig ist, dass Minister Dr. Jung erstmals am
5. Oktober 2009, also fast vier Wochen nach dessen Stopp
durch den Generalinspekteur, über die Existenz des Feld-
jägerberichts unterrichtet wurde. Dem Minister wurde der
Bericht selbst jedoch nie vom Generalinspekteur vorge-
legt, sondern lediglich aus dem Bericht vorgetragen sowie
dem Minister vorgeschlagen, den Bericht an die NATO
weiterzuleiten.
Fest steht auch, dass der Generalinspekteur in dieser Un-
terredung mit dem Minister weder angesprochen hat, dass
der Bericht bereits seit ca. vier Wochen im BMVg vorlag
noch, dass die NATO den Bericht bereits Tage zuvor
angefordert hatte.
1367
Zudem ergibt sich aus den Angaben
des damaligen Ministers, dass der GI ihm gegenüber
ausführte, erst auf seiner Reise nach Kunduz vom 13. bis
15. September 2009 von der Untersuchung der Feldjäger
erfahren und diese vor Ort unterbunden zu haben.
1368
Es bleibt festzuhalten, dass der Generalinspekteur schon
gegenüber Minister Dr. Jung zumindest sehr kritikwürdig
1363) vgl. Protokoll-Nr. 27, S. 26/27.
1364) Vermerk Wichert auf Ministerweisung (Fn. 704, Dokument 111).
1365) vgl. Protokoll-Nr. 12, S. 72.
1366) vgl. Protokoll-Nr. 22, S. 7.
1367) vgl. Protokoll-Nr. 16, S. 27.
1368) vgl. Protokoll-Nr. 16, S. 26.
Drucksache 17/7400 – 204 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
mit dem Feldjägerbericht umging, was sich beim nächsten
Minister weiter und ebenso kritikwürdig fortsetzte.
3. Keine unzulässige Einflussnahme auf den
Daily Intelligence Summary des PRT Kun-
duz vom 4. September 2009 (INTSUM)
Die überzeugend begründete nachträgliche Veränderung
des INTSUM vom 4. September 2009 wurde ebenfalls zu
Spekulationen missbraucht, es sei auf diesen Bericht
Einfluss genommen worden, um die Umstände des Luft-
schlages zu verschleiern. Solche Spekulationen widerle-
gen die Erkenntnisse aus der Beweisaufnahme nachhaltig.
Zweifelsfrei steht fest, dass am 4. September 2009 beim
deutschen Kommandeur des RC North ein INTSUM
einging, das unter anderem Ausführungen zu möglichen
zivile Opfern enthielt, jedoch nicht vom Kommandeur des
PRT Kunduz gebilligt worden war.
Der Kommandeur des RC North, Brigadegeneral Vollmer,
veranlasste daraufhin nach Rücksprache mit dem Befehl-
shaber des Einsatzführungskommandos, dass dieser Be-
richt zunächst aus dem internen Netz genommen wurde,
um ihn zunächst durch das PRT Kunduz zu überprüfen
und billigen zu lassen (siehe oben: C.II.1.a)aa)iii), S. 91),
damit in einer so bedeutsamen Frage wie dem Luftschlag
keine ungeprüfte Meldung und damit potentielle Falsch-
meldung in den Kommunikationsstrang eingestellt würde.
Der Brigadegeneral Vollmer hat gegenüber dem Aus-
schuss sowohl Ablauf wie Gründe für dieses Vorgehen
glaubhaft dargelegt (siehe oben: C.II.1.a)aa)iii), S. 91). Er
hat ausgeführt, Anordnung zur Herausnahme des
INTSUM aus dem Netz deshalb gegeben zu haben, da der
INTSUM nicht vom verantwortlichen Kommandeur ge-
billigt war und nicht dessen Lageschilderung entsprach.
Auch hat er glaubhaft versichert, keinen Einfluss auf den
Inhalt des Berichts genommen zu haben.
Dies wird auch durch die Aussagen des Zeugen Glatz
bestätigt, der angab, der Bericht habe auf noch unbestätig-
ten Angaben basiert und habe daher noch einmal über-
prüft werden müssen (siehe oben: C.II.1.a)aa)iii), S. 91).
Auch durch die Angaben des Zeugen K. wird dies ge-
stützt. Der Zeuge K. führte aus, dass er nicht zur Strei-
chung eines bestimmtes Satzes aufgefordert wurde, son-
dern ausschließlich angewiesen wurde, die Aussage be-
züglich möglicher ziviler Opfer nochmals zu prüfen (sie-
he oben: C.II.1.a)aa)iii), S. 91).
Der Vortrag der Zeugen Vollmer und Glatz ist auch da-
durch nachvollziehbar, dass unzweifelhaft feststeht, dass
das INTSUM nicht von Oberst Klein gebilligt wurde, die
enthaltenen Informationen nicht dem bis dahin geschilder-
ten Lagebild entsprachen und es sich darüber hinaus bei
den Meldungen um noch nicht überprüfte Informationen
handelte.
Daher ist festzustellen, dass es fachlich und sachlich rich-
tig und geboten war, das INTSUM zunächst aus dem Netz
zu nehmen, um es zunächst überprüfen zu lassen. Weder
unzulässige Einflussnahme oder gar Vertuschung kann
unterstellt werden.
VI. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 7
des Untersuchungsauftrages
Ausführliche Vernehmungen und Auswertung von weite-
ren Unterlagen zu den Umständen des Luftschlages vom
4. September 2009 ergaben, dass Oberst Klein bei der
Entscheidung der Bombardierung der Tanklaster ver-
schiedene Verfahrensfehler unterlaufen sind sowie teil-
weise Einsatzrichtlinien des COM ISAF verletzt wurden,
weshalb der Luftschlag aus heutiger Sicht betrachtet als
nicht angemessen bezeichnet werden muss und nicht hätte
durchgeführt werden dürfen.
Ebenso allerdings steht für den Ausschuss eindeutig fest,
dass Oberst Klein auf Grundlage der ihm damals zu Ver-
fügung stehenden Informationen nach bestem Wissen und
Gewissen sowie zum Schutze seiner Soldaten gehandelt
hat und die Entscheidung daher nachvollziehbar ist.
1. Verfahrensfehler durch Oberst Klein
a) Erklären eines TIC (Troops in Contact)
Einer der Kritikpunkte war der Umstand, dass durch
Oberst Klein eine TIC-Situation erklärt wurde, obwohl
sich keine eigenen Kräfte in der Nähe der Sandbank be-
funden haben.
Als der B1-Bomber wegen Treibstoffmangels den Luft-
raum über der Sandbank verlassen hatte, forderte der
JTAC beim Hauptquartier der ISAF in Kabul erneute
Luftnahunterstützung an. Von dort wurde ihm mitgeteilt,
dass Luftunterstützung nur gewährt werden könne, wenn
„Troops-in-contact“ („TIC“, „Truppen in Feindberüh-
rung“) erklärt werde (siehe oben: B.III.6.b), S. 60).
Oberst Klein entschied sich nach längerer Überlegung
aufgrund einer „unmittelbar bevorstehenden Gefahr“
(„imminent threat“), das Vorliegen einer TIC-Situation zu
erklären.
Nach seinen glaubwürdigen Angaben vor dem Ausschuss
sah er eine unmittelbare Bedrohung in der Anwesenheit
einer großen Gruppe bewaffneter Taliban und der mit
Treibstoff beladenen Tanklaster nur wenige Kilometer
vom PRT Kunduz entfernt. Auch konnte er nicht abschät-
zen, ob und wann es den Taliban gelingen würde, die
festgefahrenen Tanklaster wieder zu befreien.
1369
Oberst Klein führte dazu aus, seiner Ansicht nach könne
eine TIC-Situation auch dann erklärt werden, wenn eine
„unmittelbar bevorstehende Gefahr“ gegeben sei (siehe
oben: B.III.6.b)aa), S. 61).
Es ist festzuhalten, dass Oberst Klein in der damaligen
Situation unter Handlungsdruck stand und eine Entschei-
1369) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 23.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 205 – Drucksache 17/7400
dung treffen musste, da er unter anderen Umständen auch
bei weiterer Zuspitzung keine Luftnahunterstützung be-
kommen hätte und zeitgleich nicht genügend Einheiten
der Bundeswehr zur möglichen Verteidigung des PRT
Kunduz zur Verfügung standen, da sie zeitgleich außer-
halb des Stützpunktes in Gefechten gebunden waren.
Oberst Klein gelangte aus seiner Sicht folgerichtig zu der
Einschätzung, einen TIC aufgrund der für ihn bestehen-
den Bedrohungslage erklären zu dürfen.
Die ISAF-Vorschriftenlage war in dieser Hinsicht nicht
eindeutig, was sich auch daraus erkennen lässt, dass die
Definition des TIC in den ISAF SPINs bereits fünf Tage
nach dem Luftschlag geändert wurden.
1370
Es ist nachvollziehbar, dass Oberst Klein aufgrund des
ihm vorliegenden Lagebildes zur Beurteilung des Vorlie-
gens einer akuten Bedrohungssituation gelangte, die ihn
zur Erklärung einer TIC-Situation veranlasste.
b) Ablehnung von „show of force“
Ein weiterer Kritikpunkt war der Umstand, dass der
Kommandeur des PRT Kunduz den von den Piloten der
F-15 Luftfahrzeuge mehrmals angebotenen „show of
force“, einen bodennahen Überflug als Machtdemonstra-
tion zur möglichen Vertreibung vor Ort befindlichen
Personengruppe ablehnte.
Der Zeuge Klein begründete seine Ablehnung damit, dass
die bereits seit Stunden über der Sandbank kreisenden
Flugzeuge dort deutlich hörbar gewesen seien, sich die
dort befindlichen Personen der Gefahr daher bewusst
gewesen sein müssten und diese trotzdem nicht die Sand-
bank verlassen hätten. Er ging daher davon aus, dass eine
„show of force“ keine Wirkung haben würde (siehe oben:
B.III.7.c)bb), S. 67).
Auch der Zeuge A. M., der sich als einziger Zeuge auf der
Sandbank aufhielt, sagte aus, dass die Flugzeuge auf der
Sandbank zu hören gewesen seien. Trotzdem fanden sich
im Laufe des Abends immer mehr Personen auf der
Sandbank ein. Dies belegte, dass sich diese Personen
offensichtlich nicht von der Präsenz der Flugzeuge ab-
schrecken ließen.
Auch in der Vergangenheit hatte sich mehrfach gezeigt,
dass sich die Aufständischen durch einen tiefen Überflug
nicht vertreiben ließen.
1371
Darüber hinaus ist die Entscheidung auch aufgrund der
Zielrichtung des Luftschlages aus seiner Sicht folgerich-
tig. Für den Kommandeur des PRT Kunduz waren nicht
nur die Tanklastzüge selbst, sondern auch die um die
Tanklaster befindlichen Taliban als unmittelbare Bedro-
hung ebenfalls Ziel des Luftschlages.
1372
Auch aus diesem
1370) EinsFüStab, Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luft-
angriff (Fn. 1115), Bl. 8 f.
1371) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 27.
1372) vgl. „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), S. 1.
Grund erschien ein „show of force“ aus Sicht von Oberst
Klein nicht als geeignetes Mittel.
c) Battle Damage Assessment (BDA)
Kritisiert wurde, dass Oberst Klein erst am Morgen nach
dem Bombenabwurf ein Battle Damage Assessment
(BDA) durchführte.
In der Nacht wurde unmittelbar nach dem Luftschlag eine
Wirkungsanalyse durchgeführt. Bei dieser Wirkungsana-
lyse handelt es sich um ein im Einsatz übliches Mittel, das
auf Erfahrungswerten beruht und nur eine erste grobe
Schätzung darstellen soll.
Im vorliegenden Fall wurde mit Hilfe der Wirkungsanaly-
se die Anzahl der durch die Wirkung der Bomben getöte-
ten Personen mathematisch berechnet und davon ausge-
gangen, dass 80 % der um die Tanklastzüge sich aufhal-
tenden Personen durch den Bombenabwurf getötet wur-
den (siehe oben: B.III.7.e), S. 67).
Auf Basis von vermuteten insgesamt 70 Taliban auf der
Sandbank entstand so die Zahl von 56 getöteten und 14
geflüchteten Taliban.
Die Entscheidung von Oberst Klein, nicht unmittelbar
nach dem Luftschlag eine Boden-Wirkungsanalyse
durchzuführen, ist vollkommen nachvollziehbar, da das
Entsenden von Bodeneinheiten zur Nachtzeit eine erheb-
liche Gefahr für die Soldaten bedeutet hätte.
Zudem muss eine Boden-Wirkungsanalyse nach den
Einsatzregeln der ISAF dann nicht zwingend durchgeführt
werden, wenn nicht mit zivilen Opfern zu rechnen ist
1373
,
wovon nach dem Lagebild zunächst auszugehen war.
Oberst Klein ging folglich davon aus, dass eine Boden-
Wirkungsanalyse noch während der Nacht, wegen der zu
starken Gefährdung seiner Soldaten zunächst unterbleiben
konnte.
Die BDA wurde entsprechend unmittelbar am Morgen
nach dem Luftschlag durchgeführt.
2. Vermeiden ziviler Opfer
Oberst Klein hat vor dem Ausschuss glaubwürdig darge-
legt, dass aufgrund der vorliegenden Informationen des
Informanten, der Luftbilder und insbesondere aufgrund
der Lage der Sandbank außerhalb jeder Ortschaft er es für
ausgeschlossen hielt, dass sich andere Personen als Tali-
ban vor Ort aufhielten.
Auch der Umstand, dass es die Zeit des islamischen Ra-
madan war und die Zivilbevölkerung während des Fas-
tenmonats erfahrungsgemäß die Häuser nachts nicht ver-
ließ, führte nach seiner Ansicht dazu, die Anwesenheit
von Zivilisten vor Ort aus-zuschließen.
1373) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 27.
Drucksache 17/7400 – 206 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Keine genaue Feststellung über die Perso-
nen vor Ort möglich
Welche Personen, insbesondere wie viele Taliban und wie
viele Zivilisten sich zum Zeitpunkt des Luftschlages auf
der Sandbank befunden haben, lässt sich nicht abschlie-
ßend klären. Hierüber gibt es unterschiedliche Angaben.
Auch die Anzahl der verletzten und getöteten Personen
lässt sich exakt nicht feststellen. Gleiches gilt für die
Frage, bei wie vielen der Opfer es sich um Aufständische
bzw. Zivilisten handelt.
aa) Mögliche Anzahl der Personen auf der
Sandbank
Laut den Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft,
insbesondere nach Auswertung der von den F-15 Flug-
zeugen aufgenommenen Luftbilder, befanden sich zum
Zeitpunkt des Luftschlages etwa 30 bis 50 Personen auf
der Sandbank. Nicht völlig auszuschließen bleibt, dass
sich weitere Personen unter den Tanklastzügen oder in
den Schleppfahrzeugen aufgehalten haben, die auf den
Luftbildern nicht zu sehen waren.
1374
Demgegenüber gab der Informant eine Zahl von ca. 70
Personen auf der Sandbank an (siehe oben: B.III.4.a)bb),
S. 54). Dies stimmt mit dem übermittelten Videomaterial
der Überflüge ungefähr überein.
Der Zeuge M. wollte gar 200 Personen auf der Sandbank
erkannt haben (siehe oben: B.II.3, S. 44). Diese Zahl kann
nach den vorliegenden Erkenntnissen, insbesondere der
Luftbilder, jedoch nicht den Tatsachen entsprechen.
Nach Ansicht des Ausschusses ist die exakte Zahl der
zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs auf der Sandbank
befindlichen Personen nicht festzustellen. Auf Grundlage
des Videomaterials sowie der weiteren vorliegenden Be-
weismittel ist es jedoch wahrscheinlich, dass nicht we-
sentlich mehr als 100 Personen vor Ort waren.
bb) Mögliche Anzahl der Geschädigten
Hinsichtlich der möglichen Anzahl der durch den Luft-
schlag Geschädigten liegen eine erhebliche Anzahl an
Untersuchungsberichten und Aufstellungen vor, die alle-
samt zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen.
Festzustellen ist, dass all diese Berichte ausschließlich auf
Befragungen von Dorfbewohnern aus der Umgebung
basieren. Objektive Kriterien liegen jedoch nicht vor.
Der Bericht der afghanischen Regierungskommission
geht von insgesamt 99 getöteten Personen aus. Hiervon
seien 69 Taliban und 30 Zivilisten. Zudem sollen 20 Per-
sonen verletzt worden sein. Diese Zahlen sind ausschließ-
lich durch Befragungen der Dorfbewohner sowie der
Angehörigen und Verletzten erhoben worden. Auch die
Unterscheidung zwischen Taliban und Zivilisten ergibt
1374) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 37.
sich lediglich aus den Angaben der befragten Personen
(siehe oben: B.V.3, S. 85). Objektive Erkenntnisquellen
gibt es nicht, weshalb die Belastbarkeit der Ergebnisse
nicht beurteilt werden kann.
Der Bericht des Joint Investigation Board enthält eine von
afghanischen Sicherheitskräften erstellte Tabelle vom 1.
Oktober 2009 mit Angaben zu möglichen zivilen Opfern.
Danach sollen 72 Taliban und 30 Zivilisten getötet wor-
den sein. Die Zahl der Verletzten wird mit 20 angegeben.
Wie diese Zahlen ermittelt wurden, ist aus der Tabelle
nicht zu entnehmen.
1375
Die Liste der UN-Mission UNAMA kommt zu einer Zahl
von 109 getöteten und 33 verletzten Personen. In dieser
Liste wird jedoch nicht zwischen Taliban und Zivilisten
unterschieden. Wie diese Liste erstellt worden ist, ist
zudem fraglich (siehe oben: B.IV.5.b), S. 83).
Die Zeugin Dr. Erfan hat von 113 Toten gesprochen.
Auch diese Zahl ist durch Befragungen der Dorfbewohner
entstanden. Die Zeugin gab jedoch an, erst Anfang No-
vember, also fast zwei Monate nach dem Vorfall, vor Ort
gewesen zu sein. Darüber hinaus wurden bei der Befra-
gung auch keine Nachforschungen dazu angestellt, ob es
sich bei den getöteten Personen um Taliban handele (sie-
he oben: B.V.7.b), S. 86).
Nach Auffassung der Mehrheit kann der von der Zeugin
Erfan ermittelten Zahl daher nur wenig Gewicht beige-
messen werden.
Auch die Angaben der Zeugin Erfan vor dem Untersu-
chungsausschuss haben ergeben, dass die Untersuchungen
der Zeugin Erfan wenig Aufschluss über die Folgen des
Luftschlages geben können, da keine Ermittlungen im
eigentlichen Sinn durchgeführt wurden, sondern die An-
gaben der befragten Personen kritiklos hingenommen
wurden.
Insgesamt ist daher festzustellen, dass sämtliche Listen
erhebliche Unsicherheiten enthalten. Sowohl die Zahl der
Getöteten und Verletzten ist mit äußerster Skepsis zu
betrachten als auch die Frage, ob es sich hierbei um Tali-
ban oder Zivilisten handelt.
Hier kann aus der Erfahrung heraus nicht unbeachtet
bleiben, dass sich Verletzte kaum dazu bekennen, zu den
Taliban zu gehören. Das Gleiche gilt für die Angehörigen
der Toten. Auch diese werden kaum einräumen, dass ihre
toten Familienmitglieder den Taliban angehören.
Nach der Beweiserhebung steht fest, dass bei dem Luft-
schlag sowohl Taliban als auch Zivilisten getötet und
verletzt wurden. Es ist dabei davon auszugehen, dass die
Anzahl der getöteten Taliban weitaus höher ist als die der
Zivilisten.
Der Generalbundesanwalt stellt in seiner Einstellungsver-
fügung fest, dass die im ISAF-Untersuchungsbericht
erwähnte Zahl von bis zu 142 Geschädigten auf Grundla-
ge einer Untersuchung der vorliegenden Videoaufzeich-
1375) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 38.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 207 – Drucksache 17/7400
nungen als ausgesprochen zweifelhaft zu betrachten ist.
Weiter führt er aus, dass sich nur etwa 50 Namen durch-
gängig auf allen Opferlisten wiederfinden. Diese Zahl von
50 Geschädigten würde sich auch mit den Videobildern
und den weiteren Beweismitteln decken, so dass nach
Ansicht des Generalbundesanwalts mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit von ungefähr 50 Verletzten und Toten
auszugehen sei.
1376
Dem Ausschuss erscheint diese Bewertung realistisch,
wobei jedoch festzuhalten ist, dass eine genaue Aufklä-
rung wohl unmöglich bleibt.
b) Lagebild von Oberst Klein – ausschließlich
Taliban vor Ort
Oberst Klein hat in seiner Vernehmung nicht nur angege-
ben, er sei der festen Überzeugung gewesen, dass sich vor
Ort keine Zivilbevölkerung, sondern ausschließlich Tali-
ban aufhielten.
Zudem hat er sehr glaubhaft ausgeführt, dass er den Be-
fehl zum Luftschlag nicht erteilt hätte, wenn er zivile
Personen vor Ort möglich gehalten hätte.
1377
Teile der Ausschussminderheit haben leider dennoch
versucht, Oberst Klein persönlich in Misskredit zu brin-
gen und unterstellt, er habe den Befehl zum Luftschlag
leichtfertig gegeben.
Diese Unterstellungen konnten durch die durchgeführte
Beweisaufnahme jedoch zur Gänze und in vollem Um-
fang widerlegt werden.
Der Vorwurf, Oberst Klein habe zivile Opfer leichtfertig
in Kauf genommen, stellt sich gegenüber diesem verant-
wortungsvollen Offizier als nachgerade ehrverletzend dar.
Der Kommandeur des PRT Kunduz musste nach dem ihm
damals vorliegenden Lagebild davon ausgehen, dass die
Anwesenheit von Zivilisten vor Ort ausgeschlossen wer-
den konnte.
So fand der Abwurf der Bomben mitten in der Nacht, um
1.49 Uhr und während des Fastenmonats Ramadan, au-
ßerhalb geschlossener Ortschaften, einen Kilometer ent-
fernt von der nächstgelegenen Ortschaft statt. Oberst
Klein konnte aufgrund seiner Erfahrung davon ausgehen,
dass sich die Zivilbevölkerung zu Hause aufhielt, was
auch vom Zeugen M. M. als Habitus der afghanischen
Zivilbevölkerung bestätigt wurde (siehe oben: B.III.4.b),
S. 135).
Die Angaben von Oberst Klein werden auch noch von
weiteren objektiven Tatbeständen gestützt.
Die vorangegangenen Warnmeldungen legten den Schluss
nahe, dass sich vor Ort Taliban aufhielten.
Es lagen konkrete Warnungen über einen geplanten An-
schlag auf das PRT Kunduz im Umfeld der Wahlen in
1376) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 40.
1377) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.
Afghanistan vor (vgl. oben: B.I.6, S. 42). Es ist nachvoll-
ziehbar und zählt zur Risikoanalyse, dass die Entführung
der Tanklastwagen mit den vorangegangenen Warnmel-
dungen in Verbindung gebracht wurde.
Des Weiteren spricht auch umsichtige Handlungsweise
von Oberst Klein für ein sorgfältiges und abwägendes
Umgehen mit der Entscheidung.
Er hatte noch unmittelbar vor der Suche nach den entführ-
ten Tanklastern, namentlich im Zusammenhang mit dem
in einem Gefecht beschädigten Zweitonner der Bundes-
wehr (siehe oben: B.III.2.a), S. 48), einen Bombenabwurf
abgelehnt, weil er in diesem Fall Kollateralschäden, in-
sbesondere zivile Opfer, nicht ausschließen konnte (siehe
oben: B.III.2.a), S. 48).
Zudem wurde die Einschätzung von Oberst Klein durch
die Angaben des als zuverlässig eingestuften Informanten
bestätigt (siehe hierzu unter Punkt d), S. 208).
Oberst Klein ließ beim Informanten im Laufe des Abends
mehrfach nachfragen, ob Zivilisten vor Ort seien, worauf
der Informant immer angab, dass sich nur Taliban auf der
Sandbank befänden (siehe oben: B.III.4.c)bb)ccc), S. 56).
Es gab für Oberst Klein keinen Anlass, an den Angaben
des als zuverlässig angesehenen Informanten zu zweifeln
(vgl. hierzu unter Punkt d),S. 208).
Auch hinsichtlich der Tanklastzugfahrer ging Oberst
Klein aufgrund seines damaligen Lagebildes nachvoll-
ziehbar davon aus, dass sich diese nicht vor Ort befänden.
Oberst Klein ging aufgrund der Erfahrung und auch auf-
grund einer erst wenige Tage zuvor stattgefundenen Ent-
führung davon aus, dass die Fahrer sehr schnell von den
Fahrzeugen getrennt oder, wie in anderen Fällen, auf der
Stelle getötet wurden.
1378
Diese Überzeugung Oberst Kleins hat sich nach Erkenn-
tnissen der Ausschussmehrheit bestätigt.
Nach der Beweiserhebung steht fest, dass bereits während
der Entführung der Tanklastzüge einer der beiden Fahrer
durch die Taliban getötet wurde, nachdem dieser die
Tanklaster nicht den Taliban überlassen wollte.
Zwar hat der Zeuge M. dies zunächst bestritten (vgl.
B.V.7.d), S. 87) und angegeben, der zweite Fahrer sei
durch den Luftschlag ums Leben gekommen. Die Aussa-
ge des Zeugen M. ist diesbezüglich jedoch wenig glaub-
haft. Zum einen änderte der Zeuge M. auf Nachfrage
seine Aussage und gab dann an, lediglich zu glauben, dass
der zweite Fahrer nicht von den Taliban ermordet worden
sei (siehe oben: B.V.7.d), S. 87).
Darüber hinaus haben die Feststellungen der militärischen
Untersuchungen ergeben, dass der Fahrer noch an Ort und
Stelle ermordet worden ist. Diese Angaben hat auch der
Bruder des getöteten Fahrers, der Augenzeuge war und
flüchten konnte, so bestätigt.
1378) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
Drucksache 17/7400 – 208 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der zweite Fahrer A. M. hielt sich, wie von Oberst Klein
vermutet, nicht in der unmittelbaren Nähe der Tanklaster
auf und überlebte aus diesem Grund auch den Luftschlag.
Ob vor dem Hintergrund, was sich aus den Feststellungen
in B.III.4.c)aa) (S. 54) nicht exakt klären lässt, die Frage
nach den Tanklasterfahrern thematisiert wurde oder nicht,
kann dahin stehen, da sich hieraus keine veränderte
Sichtweise ergeben kann.
Ungeachtet dessen, ob über den Verbleib der Tanklaster-
fahrer gesprochen wurde oder nicht, konnte Oberst Klein
aus den genannten Gründen zu der Überzeugung kom-
men, dass sich diese nicht mehr vor Ort aufhalten.
c) Problem der Unterscheidbarkeit zwischen
Aufständischen und Zivilisten
Im Ausschuss wurde auch die Problematik der Unter-
scheidbarkeit zwischen Zivilisten und Aufständischen
thematisiert
Sowohl Oberst Klein als auch der Zeuge W. haben auf die
bekannten Schwierigkeiten bei der Unterscheidung hin-
gewiesen (siehe oben: B.III.4.c)bb)aaa), S. 55). Selbst die
Opposition hat dies im Laufe der Untersuchung nicht
bestritten.
Problematisch ist, dass grundsätzlich auch die Taliban in
ziviler Kleidung auftreten und weder Uniform oder ande-
re Erkennungszeichen tragen.
Als mögliches Kriterium für die Unterscheidung wurde
daher das Tragen von Waffen benannt (siehe oben:
B.III.4.c)bb)bbb), S. 55).
Die B1-B wurden aufgefordert, eine Überprüfung auf
Waffen durchzuführen. Anhand der Videobilder kam man
zu der Erkenntnis, dass von einer Vielzahl der anwesen-
den Personen Handwaffen und Panzerfäuste mitgeführt
wurden (siehe oben: B.III.4.c)bb)bbb)(1), S. 56).
Der als zuverlässig eingestufte Informant bestätigte diese
Angaben und gab an, dass alle Personen vor Ort bewaff-
net seien (siehe oben B.III.4.c)bb)bbb), S. 55).
Aufgrund des übereinstimmenden Lagebildes zwischen
B1-B und den Angaben des Informanten gab es keinerlei
Anlass für Oberst Klein, an dem Lagebild zu zweifeln.
d) Bestehende Zuverlässigkeit des Informan-
ten
Wie bereits oben ausgeführt, hatte Oberst Klein zum da-
maligen Zeitpunkt keinen Grund, an den Angaben des
Informanten zu zweifeln, insbesondere da sich dessen
Angaben mit den Erkenntnissen aus den Videobildern
deckten.
aa) Grundsätzliche Zuverlässigkeit des Infor-
manten
Aufgrund der Feststellungen in B.III.3 (S. 49) ergibt sich,
dass der Kontakt als zuverlässig eingestuft wurde und
dass der Informant sowohl vor als auch nach dem Vorfall
zuverlässige Informationen übermittelte.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Oberst Klein
durch Hauptmann N. darauf hingewiesen wurde, dass man
auch Informationen einer als zuverlässig eingestuften
Kontaktperson nur bis zu einem bestimmten Grad trauen
kann und die Informationen nicht als absolut anzunehmen
sind.
Dies trifft sicher auf jeden Informanten zu, da man nie-
mals zu hundert Prozent den Angaben einer anderen Per-
son trauen kann. Oberst Klein hat dazu zutreffend ausge-
führt, dass dies auch im normalen Leben so gelte (siehe
oben: B.III.3.a), S. 49).
Zum einen fehlt hier jedoch jedweder Anhaltspunkt, an
den Angaben des Informanten zu zweifeln, zum anderen
korrelierten dessen Angaben mit den Erkenntnissen aus
den Videobildern, so dass Oberst Klein davon ausgehen
konnte, dass die Angaben des Informanten den Tatsachen
entsprechen.
bb) Keine Beeinträchtigung der Zuverlässig-
keit durch Art der Kommunikation
Auch aus der Art der Kommunikation lässt sich kein
Anhaltspunkt für eine Beeinträchtigung der Zuverlässig-
keit erkennen.
Der Umstand, dass die Informationen des Kontaktes erst
über mehrere Stationen zu Oberst Klein gelangten, gibt
keinen Anlass dafür, an der Zuverlässigkeit zu zweifeln.
Bei dem Weg der Informationen über Sprachmittler zu
HUMINT-Operatoren über Hauptmann N. zu Oberst
Klein handelt es sich um die für die Arbeit mit Informan-
ten übliche Vorgehensweise. Auf diese Art und Weise
wird in allen Fällen gearbeitet, in denen Kontakte invol-
viert sind.
Daher ist davon auszugehen, dass sich hieraus keine Be-
einträchtigung der Zuverlässigkeit ergeben kann, da die
Beteiligten, insbesondere die Sprachmittler und die
HUMINT-Kollektoren, für diese Art der Verständigung
ausgebildet sind.
Auch der Umstand, dass Hauptmann N. der Kontakt nicht
persönlich bekannt war, sondern nur den beiden
HUMINT-Operatoren (siehe oben: B.III.3.a), S. 49),
ändert nichts an der Zuverlässigkeit der Informationen.
Auch hierbei handelt es sich um eine allgemein vorgese-
hene Handlungsweise im Umgang mit Informanten und
nicht um eine Besonderheit im vorliegenden Fall.
Des Weiteren steht aufgrund der Feststellungen in 0 und
d) (S. 50 und 51) fest, dass es weder mit dem Sprachmitt-
ler noch mit dem Kontakt Verständigungsschwierigkeiten
gegeben hat.
Aus diesen Gründen gab es keinen Anlass, die Informa-
tionen der Kontaktperson in Frage zu stellen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209 – Drucksache 17/7400
cc) Zuverlässigkeit durch Standort des Infor-
manten
Der Einfluss des Umstandes, dass der Informant keinen
permanenten Sichtkontakt zur Sandbank hatte, war Anlass
zu Spekulationen über die Zuverlässigkeit der Angaben.
Hier gilt nach der Beweisaufnahme als erwiesen, dass
dies nicht zu einer unvertretbaren Beeinträchtigung der
Zuverlässigkeit führte.
Es war nicht zweifelsfrei festzustellen, ob der Kontakt
eventuell zumindest teilweise Sichtkontakt zur Sandbank
hatte. Hier sind die Angaben teilweise widersprüchlich
(siehe oben: B.III.3.d), S. 51).
Geht man davon aus, dass der Kontakt, wie vom Zeugen
M. M. angegeben, zumindest teilweise Sichtkontakt zur
Sandbank hatte, kann von einer Beeinträchtigung auf-
grund mangelnden Sichtkontakts nicht gesprochen wer-
den.
Selbst wenn man, wie von den Zeugen N. und S. angege-
ben, annimmt, dass der Informant keinen direkten Sicht-
kontakt hatte, ändert dies nichts an der Zuverlässigkeits-
beurteilung des Kontaktes.
Die Zeugen F. und S. haben angegeben, dass der Kontakt
seine Informationen von einem oder mehreren Personen
vor Ort erhalten habe (siehe oben B.III.3.d), S. 51).
Dies stellt eine übliche Informationsbeschaffung eines
Kontaktes dar. Es kommt nicht darauf an, wie und wo ein
Kontakt seine Informationen erhält, sondern nur darauf,
dass diese Informationen zuverlässig sind. Es ist aus-
drücklich besser, wenn Informanten über ein weit verbrei-
tetes Netz verfügen, über das sie an zuverlässige Informa-
tionen gelangen können.
Da im vorliegenden Fall die Angaben des Informanten
mit Videobildern korrelierten und auch der Umstand, dass
es Nacht war und Ramadan, die Angaben des Kontaktes
stützten, gab es keinen Grund, trotz des mangelnden
Sichtkontaktes an der Zuverlässigkeit der Informationen
zu zweifeln.
3. Aufständische als legitimes Ziel
Auch der Umstand, dass Oberst Klein nicht nur die Tank-
laster zerstören wollte, sondern auch die vor Ort befindli-
chen Taliban bekämpfen wollte, ist auf Kritik gestoßen.
Ziel des Luftschlages war die Vernichtung der beiden
Tanklaster. Oberst Klein war jedoch auch bewusst, dass er
durch den Abwurf der Bomben auch die umstehenden
Aufständischen treffen würde. Durch deren Tötung erwar-
tete er eine spürbare Schwächung der Organisation der
Taliban in der Provinz Kunduz.
1379
Hierzu ist festzustellen, dass es sich bei der Bekämpfung
von gewaltbereiten, Mordanschläge planenden Taliban
um ein legitimes Ziel handelt, das von den verbindlichen
Einsatzgrundsätzen (Rules of Engagement, ROE) und
1379) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 26.
dem von der UN be-schlossen Mandat der ISAF aus-
drücklich gedeckt ist.
Entsprechend dem Mandat sind Aufständische, die sich
kontinuierlich an einem bewaffneten Konflikt beteiligen,
keine Zivilpersonen, sondern legitime militärische Ziele,
die auch außerhalb laufender Feindseligkeiten angegriffen
werden dürfen.
1380
Bei den Taliban handelt es sich daher um legitime militä-
rische Ziele. Die Taliban sind auch nach geltendem Völ-
kerrecht als Kombattanten und nicht als Zivilisten anzu-
sehen.
1381
Zudem musste Oberst Klein aufgrund der
Warnmeldungen davon ausgehen, dass die vor Ort agie-
renden Taliban unter zur Hilfenahme der beiden gekaper-
ten Lastwagen einen unmittelbaren Angriff auf das Lager
Kunduz vorbereiten, sich also unmittelbar vor einer
Kampfhandlung mit der Bundeswehr befanden.
Ob sich daher die vier vom Informanten genannten vor
Ort befindlichen Taliban-Führer auf der so genannten
JPEL-Liste wiederfinden oder nicht (siehe oben:
B.III.4.b), S. 54), ist für den vorliegenden Fall und die
Entscheidungen unerheblich.
Da die Tanklaster im vorliegenden Fall von einer Gruppe
bewaffneter Taliban entführt wurden, ist die Zielrichtung,
auch die Taliban zu bekämpfen, in keiner Weise zu be-
anstanden. Oberst Klein hatte trotz dieser eindeutigen
Lage Befehl erteilt, nicht auf flüchtende Personen zu
schießen (siehe oben: B.III.7.b)cc)aaa), S. 64). Auch
daran ist zweifelsfrei abzulesen, dass Ziel des Angriffs
nicht die Tötung einer möglichst großen Anzahl von Tali-
ban gewesen ist, sondern dass die Tötung der sich in
unmittelbarer Nähe des mit Gewalt entführten Tanklast-
zuges befindlichen Taliban in Kauf genommen wurde.
4. Mangelnde Handlungsalternativen
Oberst Klein musste in den fraglichen Stunden ständig
damit rechnen, dass die ISAF-Kampfflugzeuge wieder
abgezogen würden, so dass er dann über keine Optionen
zur Verteidigung im Falle des vermuteten Angriffes der
Taliban mit Tanklastzügen auf den PRT Kunduz mehr
verfügt hätte.
Er legte überzeugend dar, weitere Handlungsalternativen
geprüft zu haben, dabei aber eine andere Möglichkeit, die
von den Tanklastern und den Taliban ausgehenden Ge-
fahren zu beseitigen, für nicht gegeben hielt (siehe oben:
B.III.5.b), S. 59).
a) Kein Einsatz von Bodentruppen möglich
Oberst Klein hat vor dem Ausschuss nachvollziehbar
dargelegt, wieso aus seiner Sicht der Einsatz von Boden-
truppen keine adäquate Alternative gewesen ist.
1380) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122), S. 47.
1381) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122), S. 48.
Drucksache 17/7400 – 210 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Oberst Klein hatte demnach maximal eine Kompanie zur
Verfügung, die die einzige Reserve für eine Krise im
Norden gewesen wäre und die auch für einen wichtigen
Folgeauftrag am darauf folgenden Tag vorgesehen war.
Darüber hinaus hätte der Einsatz von Bodentruppen zu
Begegnungsgefechten bei Nacht geführt, die immer eine
erhebliche Gefahr sowohl für die Soldaten als auch für die
Zivilbevölkerung darstellen (siehe oben: B.III.5.b), S. 59).
Eine Verbringung mit Hubschraubern war zum damaligen
Zeitpunkt noch nicht möglich.
Oberst Klein hat daher zu Recht den Einsatz von Boden-
truppen abgelehnt, um weder seine Soldaten noch die
Zivilbevölkerung zu gefährden.
b) Kein Einsatz von Drohnen möglich
Auch der Einsatz von Drohnen stellte nach überzeugender
Darlegung Oberst Kleins keine Alternative dar.
Er gab an, dass der Einsatz von eigenen Drohnen nur mit
einem sehr großen zeitlichen Vorlauf möglich gewesen
wäre. Da er ständig damit rechnen musste, dass die F-15
Flugzeuge wieder abgezogen würden, hätte die Gefahr
bestanden, für einen längeren Zeitraum über kein Über-
wachungsinstrument aus der Luft zu verfügen (siehe
oben: B.III.5.c), S. 60).
Oberst Klein musste auf der einen Seite davon ausgehen,
dass die festgefahrenen Tanklaster befreit, gewendet und
für einen Angriff auf das PRT Kunduz verwendet würden.
Zum anderen sah er die Gefahr, dass die Tanklaster be-
freit und an einem anderen Ort hergerichtet werden wür-
den, um zu einem späteren Zeitpunkt einen Anschlag zu
verüben. Oberst Klein wusste von vorangegangenen Fahr-
zeugentführungen, dass es schwer bis unmöglich gewesen
war, von Taliban entführte Fahrzeuge wiederzufinden.
1382
Aus diesen Gründen ging Oberst Klein zutreffend davon
aus, dass der Einsatz von Drohnen keine Handlungsalter-
native darstellte.
c) Unterlassen als mögliche Alternative
Die einzige mögliche Alternative wäre gewesen, nichts zu
tun und den Befehl zum Luftschlag zu unterlassen.
Aus heutiger Sicht und vor dem Hintergrund der seiner-
zeit nicht vorliegenden zusätzlichen Kenntnisse wäre das
möglicherweise die bessere Wahl gewesen. Auch Oberst
Klein gab in seiner Vernehmung an, dass er wenn er zum
damaligen Zeitpunkt, Zivilpersonen vor Ort für möglich
gehalten hätte, den Befehl nicht gegeben hätte.
1383
5. Im Nachgang zum Luftschlag ergriffene
Maßnahmen
Im Rahmen der Aufarbeitung des Luftangriffes vom
4. September 2009 hatte der damalige Minister zu Gut-
1382) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 25.
1383) vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.
tenberg bereits erste Maßnahmen ergriffen. Auch dies
lässt erkennen, dass der Minister wie die gesamte Bundes-
regierung die Aufarbeitung des Vorfalls zügig voranget-
rieben hat.
Der Minister hat dabei deutlich gemacht, dass eine sorg-
fältige Aufarbeitung der Vorkommnisse sowie Folgerun-
gen für Ausbildung und Betrieb dringend geboten war-
en.
1384
Der Minister hatte daher vor dem Hintergrund der im
COM ISAF-Bericht genannten Verfahrensfehler ein Brie-
fingteam nach Afghanistan entsenden lassen.
Ziel dieses Briefingteams war es, das betroffene Füh-
rungspersonal sowie die ihnen zugeteilten JTACs auf
Grundlage der Erkenntnisse des COM ISAF-Berichtes zu
unterrichten. Diese vertiefende Unterrichtung wurde be-
reits Mitte November 2009 durchgeführt.
1385
Darüber hinaus hat der Minister veranlasst, dass weitere
Maßnahmen zur Anpassung der nationalen Ausbildungs-
inhalte und Vorschriften im BMVg untersucht werden,
um den Kommandeuren und JTACs für die Zukunft
größtmögliche Handlungssicherheit zu geben.
Zudem gab es ein Schreiben an den Commander des Al-
lied Joint Force Command Brunssum, in dem gebeten
wurde, die Forderung des ISAF-Untersuchungsteams
nach mehr Ausbildung im Dynamic Targeting Center
entsprechend zu berücksichtigen.
VII. Ergebnis der Beweisaufnahme
Über die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
am Beginn dieses Berichtes hinaus hält der Ausschuss
nachfolgend als Ergebnis der Beweisaufnahme einzelne
zentrale Punkte aus der Beweisaufnahme nochmals fest.
Die Untersuchungen und Zeugenvernehmungen haben
den Beweis erbracht, dass im Zusammenhang mit der
Aufarbeitung des Luft-Boden-Einsatzes am 4. Novem-
ber 2009 in Kunduz der Bundesregierung keinerlei Vor-
wurf gemacht werden kann.
Ausnahmslos sämtliche aufgebrachten konspirativen
Spekulationen und Vorwürfe haben sich früher oder spä-
ter als vollkommen haltlos erwiesen.
Insbesondere ergab die Beweisaufnahme eindeutig, dass
der Luftschlag keine verdeckte Operation der Task Force
47 war, dass zudem der BND in keiner Form an dem
Vorfall beteiligt war.
Erwiesen ist auch, dass Generalinspekteur und zuständi-
ger Staatssekretär in keiner Weise als „Bauernopfer“
herhalten mussten, sondern ihre rechtlich und politisch
einwandfreie Versetzung in den einstweiligen Ruhestand
solche Gründe hatte, die den Minister zur Ausübung sei-
nes Rechts veranlassten.
1384) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 15.
1385) vgl. BMVg Fü H I 3: Bericht über Dienstreise nach Masar-e-
Sharif und Kunduz vom 18. November 2009 (Dokument 183).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211 – Drucksache 17/7400
Im Hinblick auf den Luftschlag hat sich eindeutig erwie-
sen, dass der Neubewertung des damaligen Bundesminis-
ters der Verteidigung zu Guttenberg zuzustimmen ist, der
Luftschlag sei „militärisch nicht angemessen“, aber zu-
gleich feststellt, dass Oberst Klein vor dem Hintergrund
der ihm damals bekannten Lage nach bestem Wissen und
Gewissen gehandelt hat.
Auch wird begrüßt, dass der Minister bereits unmittelbar
nach dem Luftschlag nach Vorliegen der ersten Erkenn-
tnisse über Defizite im Ablauf unmittelbar konkrete Maß-
nahmen zur Verbesserung der Ausbildung veranlasst hat.
Diesen Weg gilt es fortzuführen, um den Soldaten im
Einsatz in Zukunft größtmögliche Handlungssicherheit zu
geben.
Handlungsfelder
Oberst Klein sagte vor dem Ausschuss aus, dass er bei
umfassenderem Wissen über die tatsächliche Situation auf
der Sandbank eine andere Entscheidung getroffen hätte.
Auch vor dem Hintergrund dieser Feststellung müssen
Führungs-, Aufklärungs- und Wirkmittel geprüft werden.
Führungsmittel
Oberst Klein führte seine Operation aus dem beengten
Gefechtsstand der TF 47, weil diese über eine bessere
Gefechtsstandtechnik verfügte als der originäre PRT-
Gefechtsstand.
Dies hatte zur Folge, dass der Kommandeur des PRT
KDZ nicht über den vollen Beraterstab verfügte (dieser
führte die Operation des PRT aus dem PRT-
Gefechtsstand), sondern ihm lediglich einige Angehörige
seines Stabes zur Verfügung standen.
Die erprobten und eingespielten Verfahren des PRT-
Stabes, insbesondere die Beratung des Kommandeurs,
konnten unter diesen Umständen nicht ablaufen.
Die schlechtere technische Ausstattung des PRT-
Gefechtsstandes hat den militärischen Führer vor Ort in
seiner Führungsfähigkeit entscheidend eingeschränkt.
Zukünftig ist deshalb aus Sicht des Ausschusses darauf zu
achten, dass der für einen Einsatzraum verantwortliche
Kommandeur in seinem Gefechtsstand über mindestens
die gleichen technischen Fähigkeiten verfügt, wie die dort
eingesetzten Spezialkräfte, zumal der Kommandeur im
Bedrohungsfall für die Sicherheit einer großen Zahl an
Soldatinnen und Soldaten die unmittelbare Verantwortung
wahrnimmt.
Aufklärungsmittel
Zur Herstellung eines umfassenden Lagebildes bedarf es
des Rückgriffs auf unterschiedlichste Aufklärungsmittel.
Im Falle des Luftschlages war die Nutzung der HUMINT-
Kräfte die wesentliche Informationsquelle des Komman-
deurs. Auch wenn die Informationsübermittlung von der
HUMINT-Quelle vor Ort über den Operator bis hin zum
Kommandeur technisch noch besser gestaltet werden
könnte, hat sich das Verfahren insgesamt bewährt und
wurde im vorliegenden Fall optimal genutzt.
Bemängelt werden muss jedoch, dass Oberst Klein nach
Aussage vor dem Ausschuss nicht auf ausreichend redun-
dante Aufklärungsmittel zurückgreifen konnte.
So benötigte er für den eigenen visuellen Eindruck die
Aufklärungsleistung der ISAF-Luftfahrzeuge und war
gezwungen, diese vor Ort zu halten, um ggf. bei einer sich
verschärfenden Lage eine entsprechende Entscheidung
treffen zu können.
Durch diese unmittelbare Abhängigkeit von nicht nationa-
len Aufklärungsmitteln in einer für das PRT bedrohlichen
Lage musste der Kommandeur aus der operativen Not-
wendigkeit heraus die ständige Verfügbarkeit der ISAF-
Aufklärungsmittel (Strahlflugzeuge) sicherstellen, was zu
seinem Entschluss beitrug, einen TIC zu erklären.
Eigene nationale Aufklärungsmittel standen nicht zur
Verfügung oder waren für diesen (Nacht-)Einsatz nicht
geeignet. Die im PRT vorhandenen Drohnen hatten ent-
weder keine ausreichende Reichweite (LUNA, ALADIN)
oder konnten nicht schnell genug in den Einsatz gebracht
werden bzw. verfügten nicht über die notwendige Stehzeit
über dem Einsatzgebiet (KZO). Das Verbringen von eige-
nen Soldaten verbat sich aufgrund der angespannten Lage
des PRT und war aufgrund der fehlenden Lufttransportfä-
higkeit nicht möglich.
Diese Umstände und Defizite machen deutlich, warum
Oberst Klein zwingend auf die Luftfahrzeuge angewiesen
war.
Das BMVg hat aus Sicht des Ausschusses bereits zeitnah
die richtigen Schlüsse aus den Ereignissen gezogen und
angemessen gehandelt.
Mit Einführung des unbemannten Aufklärungssystems
HERON 1 ab März 2010 verfügt das Deutsche Einsatz-
kontingent nun über eine deutlich gesteigerte nationale
Aufklärungsfähigkeit bei Tag und Nacht, welche zusätz-
lich mit der entsprechenden Verweildauer über einem
Einsatzgebiet versehen ist.
Wirkmittel
In der Ausstattung von Wirk- und Aufklärungsmitteln
lassen sind gewisse Parallelen erkennen.
Wie bei den Aufklärungsmitteln verfügte Oberst Klein als
Kommandeur des PRT nicht über adäquate nationale
Wirkmittel. Er war auch unter diesem Aspekt gezwungen,
die ISAF-Flugzeuge vor Ort zu halten, um bei Lagever-
schärfung einen entsprechenden Entschluss fassen zu
können.
Die mangelnde Ausstattung mit geeigneten nationalen
Wirkmitteln verwehrte dem Kommandeur zudem eine
differenzierte Reaktion auf aktuelle Lageentwicklungen.
Oberst Klein hatte lediglich die Alternative zwischen
Untätigkeit und Luftschlag (wenn er dies auch mit den
kleinsten zur Verfügung stehenden Bomben auslöste).
Drucksache 17/7400 – 212 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Eine frühzeitige Einflussnahme und ggf. deeskalierende
Wirkung auf die Lage durch mildere Mittel (Einsatz der
Artillerie, Einsatz Kampfhubschrauber) war ihm mangels
Ausstattung verwehrt.
Um zukünftig solche Situationen zu vermeiden, müssen
die Einsatzkontingente aus Sicht des Ausschusses über
alle für den Einsatz erforderlichen Wirkmittel vor Ort
verfügen. Nur dadurch ist der militärische Führer vor Ort
in der Lage, angemessen und mit dem mildesten Wirkmit-
tel zu reagieren. Der bewusste Verzicht auf Eskalations-
potential führte im Afghanistaneinsatz nicht zu einer
Entspannung der Lage, sondern zu einer ständigen Bedro-
hung des Kontingents und der Feldlager.
Durch den Einsatz der Panzerhaubitze 2 000 und des
Schützenpanzers Marder ab Frühjahr 2010 konnte das
Eskalationspotenzial des deutschen Einsatzkontingents
gesteigert und der notwendige operative Handlungsspiel-
raum zurückgewonnen werden. Dieser vom BMVg be-
schrittene Weg wird vom Ausschuss nachdrücklich be-
grüßt.
Ausbildung
Es konnte festgestellt werden, dass im Nachgang des
Luftangriffes von Kunduz bereits einige Maßnahmen zur
Verbesserung der Ausbildung veranlasst wurden.
So entsandte das Bundesministerium der Verteidigung
bereits unmittelbar nach dem Luftschlag im September
2009 ein Ausbildungsteam nach Afghanistan, um die
erkannten Mängel im Bereich der Zusammenarbeit mit
Luftfahrzeugen zu beheben. Diese Ausbildung umfasste
auch die nochmalige intensive Einweisung in die ein-
schlägigen ROE. Gleichzeitig wurde überprüft, wie Ver-
fahren und ROE an die tatsächlichen Gegebenheiten vor
Ort angepasst werden können. Diese Vorschläge fanden
Eingang in die ISAF-Verfahren. Einhergehend mit der
Ausbildungsintensivierung in Afghanistan hat die Bun-
deswehr die Ausbildung der JTAC in Deutschland ver-
bessert.
Damit wird deutlich, dass der Wissens- und Erfahrungs-
fluss aus dem Einsatz in die unmittelbare Ausbildung des
Nachfolgekontingents sichergestellt sein muss. Dies ist
kein Handlungsprinzip, das sich auf einen bestimmten
Bereich oder ein bestimmtes Ereignis zu beschränken hat,
sondern es hat Allgemeingültigkeit.
Themenkomplex Informationsarbeit
Seit September 2009 hat das BMVg aus Sicht des Aus-
schusses entscheidende Schritte in Richtung einer umfas-
senden und transparenten Informationspolitik gemacht.
Dabei wurde ein praktikables Gleichgewicht zwischen
den bestimmenden Größen „Belastbarkeit der bereitges-
tellten Informationen“ und „größtmögliche Schnelligkeit“
erlangt.
Information des Parlaments
Die Information des Parlaments wurde in den letzten
Monaten deutlich verbessert.
Neben den regelmäßigen Informationen wird das Parla-
ment auch anlassbezogen unterrichtet. Als Beispiel seien
hier die wöchentlichen Unterrichtungen des Parlaments,
die Obleuteunterrichtungen, die Unterrichtungen des
Verteidigungsausschusses und die Berichte der Bundesre-
gierung zur Lage in den Einsatzgebieten genannt.
Hinzu treten weitere Verbesserungen.
So wurde z. B. die Zuständigkeit für die Herausgabe der
schriftlichen Obleuteunterrichtung über Ereignisse in den
Einsatzgebieten vom BMVg an das Einsatzführungs-
kommando der Bundeswehr delegiert. Seitdem wurden
Schnelligkeit der Informationsbereitstellung und deren
Detaillierungsgrad nachhaltig verbessert.
Weiterhin wirkt sich positiv aus, dass der Befehlshaber
des Einsatzführungskommandos an den Sitzungen des
Verteidigungsausschusses sowie an den mündlichen Ob-
leuteunterrichtungen teilnimmt. Dadurch wird der Infor-
mationsgehalt hinsichtlich der Detailschärfe gesteigert.
Mit diesem nun weiterentwickelten, flexibleren Informa-
tionssystem wird das Parlament aus Sicht der Regie-
rungskoalition hinreichend unterrichtet.
Information der Öffentlichkeit
Informationen über besondere bundeswehrrelevante
Ereignisse in den Einsatzgebieten kann die Bundeswehr
nun grundsätzlich schneller übermitteln und bereitstellen
als die internationalen Nachrichtenagenturen.
Insgesamt haben sich Informationsangebot für die Öffent-
lichkeit und die Transparenz der Arbeit des BMVg deut-
lich verbessert.
Die Bundeswehr informiert seit einiger Zeit in den ein-
schlägigen Medien wie dem Internet über die Geschehnis-
se in den Einsatzgebieten.
Seit Anfang 2011 wird auch die auf der Unterrichtung für
das Parlament aufbauende Unterrichtung der Öffentlich-
keit wöchentlich bereitgestellt. Somit werden die Ereig-
nisse in den Einsatzgebieten im Gesamtkontext dargestellt
und bewertet.
Wichtig bleibt, aus den Kommunikationsstaus im unter-
suchten Fall die entsprechenden Konsequenzen bei der
Geschäftsordnung des BMVg und bei der politischen
Handhabe militärisch relevanter Ereignisse zu ziehen.
Mit hoher Transparenz und Offenheit wird es gelingen,
die für den Einsatz der Bundeswehr so nötige Unterstüt-
zung in der Bevölkerung auch weiter zu sichern und der
Bundeswehr im Einsatz die Sicherheit zu geben, dass sie
ihren Einsatz unter Kriegsbedingungen mit guter Absiche-
rung und Begleitung in der Heimat durchführen kann.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213 – Drucksache 17/7400
Vierter Teil
Sondervoten
A. Sondervotum der Fraktion der SPD
Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung
vom 8. September 2009 zum Luftangriff von Kunduz die
Messlatte zu Recht hoch gelegt:
„Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls vom letz-
ten Freitag und seiner Folgen ist für mich und die
ganze Bundesregierung ein Gebot der Selbstver-
ständlichkeit. (…) Ich stehe dafür ein, dass wir
nichts beschönigen werden (…).“1386
Die inzwischen zurückgetretenen Bundesminister der
Verteidigung Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg, die
beteiligten Ministerien und die sie tragende Mehrheit im
Bundestag sind hinter diesen proklamierten Erwartungen
jedoch – ebenso wie übrigens die Bundeskanzlerin selbst
– weit zurückgeblieben.
Dem vollmundigen Versprechen der aktiven, lückenlosen
und vor allem ungeschönten Aufklärung des tragischen
Vorfalls vom 4. September 2009 folgten keinerlei Taten:
Bis heute gibt es keinen zusammenfassenden Bericht der
Bundesregierung über das Geschehen in dieser Nacht und
die Schlüsse, die sie daraus gezogen hat. Und damit ist
nicht nur ein Bericht für die Öffentlichkeit gemeint; nicht
einmal innerhalb der Bundesregierung wurde eine solche
Arbeit geleistet.
Während man Anfang Oktober 2009 im Verteidigungs-
ministerium immerhin noch den Versuch unternahm, die
inzwischen von der Bundesregierung angeblich selbst als
falsch erkannte Bewertung, der Luftangriff sei „in opera-
tiver Hinsicht militärisch angemessen“, mit einem acht-
seitigen Vermerk zu belegen,
1387
fehlt eine solche Ausar-
beitung für die Neubewertung des Luftangriffs als „unan-
gemessen“ vollständig.
Es gibt kein Papier der Bundesregierung, in dem klar,
deutlich oder gar „ungeschönt“ aufgelistet wird, was
genau im Rahmen dieses Luftangriffs und im Umgang mit
diesem Vorfall durch Bundeswehr und Bundesregierung
falsch gelaufen ist, aus welchen Gründen diese Fehler
geschehen konnten und welche Schlussfolgerungen dar-
aus zu ziehen sind.
Nachdem der zurückgetretene Verteidigungsminister
Freiherr zu Guttenberg den Luftangriff zum Zwecke der
Steigerung seiner eigenen Beliebtheit unter den Soldaten
– und ohne entsprechenden militärischen Rat1388 – zu-
1386) Dr. Merkel, BT-PlPr. 16/233 vom 8. September 2009 (Fn. 7,
Dokument 6), S. 26298.
1387) Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luftangriff am 4.
September 2009 (Fn. 1115), Bl. 3 ff., 4.
1388) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8: „Mit dieser
Formulierung, die mir nicht vorgeschlagen wurde, sondern von
mir persönlich stammt, wollte ich mein damaliges Verständnis
nächst gar als zwingend bezeichnet hatte,
1389
erfolgte
seine „Neubewertung“ am 3. Dezember 2009 auf Grund-
lage eines kursorischen „Durchscannens“ der vorhande-
nen Unterlagen innerhalb eines halben Tages durch den
stellvertretenden Generalinspekteur Admiral Kühn.
Dieser war mit diesem Vorfall zuvor nicht einmal entfernt
betraut, sondern für ihn waren sämtliche Dokumente –
sogar der COM ISAF-Bericht – völliges Neuland.1390
Zudem verfasste auch Admiral Kühn hierzu nichts
Schriftliches, machte sich noch nicht einmal Notizen bei
der Durchsicht der Akten, sondern bekundete seine über-
schlägige Einschätzung nur in einer größeren „Runde“ in
Anwesenheit des Ministers am 30. November 2009, also
am selben Tag, an dem er die Akten überhaupt erstmals
vorgelegt bekommen hatte.
1391
Wie es typisch für die Amtsführung des Freiherrn zu
Guttenberg war, hieß es in seinem Redemanuskript für
die fraktionsoffene Sitzung der CDU/CSU-
Bundestagsfraktion am 1. Dezember 2009 hingegen völlig
überzogen, zu Guttenberg habe Admiral Kühn angewie-
sen, „weitreichende ergänzende Untersuchungen durchzu-
führen“ und einen „neuen militärischen Ratschlag“ zu
erarbeiten, auf dessen Grundlage er seine eigene Bewer-
tung, falls notwendig, justieren wolle.
1392
Schon hier zeigt sich, dass das Handeln dieses Ministers
in den meisten öffentlich relevanten Situationen vor allem
aus „Spektakel“ bestand. Es wird erkennbar, dass diese
Neubewertung allein aus politisch-taktischen Gründen
erfolgte, nachdem der boulevardverwöhnte und -hörige
Freiherr zu Guttenberg durch die „Bild“-Zeitung mit der
Ankündigung der Veröffentlichung des so genannten
Feldjägerberichts am 26. November 2009 zum Handeln
gedrängt worden war.
Diese Schimäre des Ministers gipfelte darin, für die eige-
ne Falschbewertung im Oktober 2009 den damaligen
Generalinspekteur Schneiderhan und den damaligen
der Bewertung des Verhaltens von Oberst Klein zum Ausdruck
bringen.“
1389) „Selbst wenn keine Verfahrensfehler begangen worden wären,
hätte es zu dem Luftschlag kommen müssen.“, in: ZDF am 6. No-
vember 2009 und Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009
bzw. „Wenn das Ganze fehlerfrei vonstatten gegangen wäre,
komme ich auch zu dem Schluss, dass der Luftschlag hätte statt-
finden müssen.“, in: Pressestatement des Ministers zu Guttenberg
zum COM ISAF-Bericht vom 6. November 2009 (Fn. 1146, Do-
kument 155), Bl. 63.
1390) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 5, 6, 11, 12.
1391) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6 und 20.
1392) Rede für BM Freiherr zu Guttenberg für die fraktionsoffene
Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 1. Dezember 2009
mit dem Thema „Die Situation in Afghanistan“ (Fn. 1245, Doku-
ment 165), Bl. 136.
Drucksache 17/7400 – 214 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Staatssekretär Dr. Wichert als „Bauernopfer“ verantwort-
lich zu machen.
Das gesamte Handeln der Bundesregierung in diesem
Vorgang ist geprägt durch Taktieren und Vernebeln. Von
aktiver, lückenloser oder ungeschönter Aufklärung kann
keine Rede sein.
Insofern bestand ein unbestreitbares Bedürfnis, diese von
der Bundeskanzlerin angekündigte Aufklärung zumindest
im parlamentarischen Bereich vorzunehmen. In Form von
Lippenbekenntnissen wurde dies sogar von der die Bun-
desregierung tragenden Mehrheit im Verteidigungsaus-
schuss gefordert, die der Einrichtung dieses Untersu-
chungsausschusses ebenfalls zugestimmt hat, auch wenn
sie im weiteren Verlauf alles unternahm, um öffentliche
Aufklärung möglichst zu verhindern.
I. Der Untersuchungsausschuss war not-
wendig und erfolgreich
Nach inzwischen anderthalbjähriger Tätigkeit dieses Un-
tersuchungsausschusses, nach der Einvernahme von 41
Zeugen über 145 Stunden (davon auf Beschluss der
Mehrheit nahezu 80 Prozent nichtöffentlich), und nach
der Auswertung von fast 400 Ordnern Aktenmaterial
1393
kann festgestellt werden, dass dieser Untersuchungsaus-
schuss ohne Zweifel zwingend erforderlich und nachhal-
tig erfolgreich war.
Der Untersuchungsausschuss war erfolgreich für die Öf-
fentlichkeit, weil erstmalig – soweit dies unter den strikten
Geheimhaltungsvorgaben der Bundesregierung überhaupt
möglich war – die Fakten über das Geschehen und die
Abläufe in der Nacht in Kunduz sowie die Versäumnisse
der Bundesregierung bei der Aufarbeitung dieses Vorfalls
bekannt werden.
Beispiele hierfür sind:
– Schicksal der zivilen Fahrer der Tanklaster
– Standort und tatsächliche Aussagen des Informanten
– „Stille-Post-Routine“ bei der Übermittlung dieser
wichtigen Informationen der Kontaktperson mit den
entsprechenden Informationsverlusten
– offensive Ausrichtung des Luftangriffs mit dem pri-
mären Ziel, eine Vielzahl Taliban zu töten, um den
regionalen Talibanstrukturen einen „schweren
Schlag“ zu versetzen
– fragwürdige Rolle der Angehörigen der Feldnach-
richtenkräfte der Task Force 47
– Ausbildungsmängel bei zielgerichteter Gesprächsfüh-
rung mit menschlichen Quellen und sachgerechter
Bewertung nachrichtendienstlicher Informationen
sowie ordnungsgemäßer Lagebeurteilung durch die
Feldnachrichtenkräfte und den militärischen Führer
1393) 343 Ordner, 42 Hefter und 275 Einzeldokumente.
– Koordinierungs- und Kontrolldefizite im Bereich des
Militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr
– Hinweise auf zivile Opfer bereits am Tag des Bom-
benabwurfs im PRT KDZ durch eigenes PsyOps-
Team
– Verschweigen dieser Erkenntnisse durch das Bun-
desministerium der Verteidigung zum Zwecke des
kritiklosen Schutzes von Oberst Klein
– Manipulation eines Tagesberichts (INTSUM) des
PRT Kunduz vom 4. September 2009, in welchem
die Möglichkeit ziviler Opfer bereits aufgeführt war,
durch nachträgliches Entfernen der inkriminierenden
Passagen im Auftrag der Generäle Vollmer und Glatz
– schlechtes Krisenmanagement und strukturelle Defi-
zite im BMVg
– Verschleierungsaktivitäten auf allen Ebenen in Bun-
deswehr, Bundesregierung und Regierungskoalition
im Bundestag
Er war aber auch erfolgreich für die Soldatinnen und
Soldaten, weil die im Zusammenhang mit dem Luft-
Boden-Angriff begangenen Fehler und Versäumnisse vor
Ort benannt werden, so dass Leitlinien für soldatisches
Handeln in zukünftigen Fällen deutlich werden.
Beispiele hierfür sind:
– sorgloser Umgang mit Warnmeldungen
– offenbar unzureichende technische Ausstattung der
Operationszentrale des PRT
– Probleme bei der korrekten Übermittlung von Infor-
mationen einer afghanischen Kontaktperson an den
militärischen Führer
– Sprachprobleme bei der Kommunikation mit dem
afghanischen Informanten und eventuell sogar mit
den US-Bomber-Piloten
– unzureichende Bewertung nachrichtendienstlicher
Informationen
– fehlende Erreichbarkeit übergeordneter Stellen zur
Abklärung der Nichtbetroffenheit eigener oder be-
freundeter Kräfte
– ungerechtfertigte Anforderung von Luftnahunterstüt-
zung durch regelwidrige Erklärung einer „Troops in
Contact“-Situation (TIC)
– unzutreffende Angaben gegenüber dem ISAF-
Gefechtsstand für Luftunterstützung in Kabul und
gegenüber den Piloten der F15-Bomber
– Gründung militärischer Entscheidungen auf unklare
und unbestätigte Informationen
– Unterlassen der Einbindung eines dafür eigentlich
vorgesehenen und vorhandenen Rechtsberaters und
anderer Funktionsträger des PRT
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 215 – Drucksache 17/7400
– Unklarheiten zwischen militärischem Entscheider
und Fliegerleitoffizier (JTAC) über die anzuwenden-
den Einsatzregeln („Rules of Engagement“, ROE)
– mangelhaftes Verständnis und dadurch bedingte
fehlerhafte Anwendung der Einsatzregeln für den
Bombeneinsatz
– erhebliche Ausbildungsdefizite hinsichtlich der Ziel-
und Wirkungsanalyse bei offensivem Waffeneinsatz
– unberechtigter Verzicht auf die notwendige Durch-
führung einer „Machtdemonstration“ („Show of For-
ce“) zum Schutz von Zivilisten
– unberechtigter Verzicht auf die Benennung der dem
Waffeneinsatz zu Grunde liegenden ROE gegenüber
den Piloten
– gezielte Tötung vermuteter Aufständischer trotz der
sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit er-
gebenden deutschen Selbstverpflichtung, nur festzu-
nehmen und nicht zu töten
– unzureichende Gewährleistung einer zeitnahen und
umfassenden Wirkungsanalyse („Battle Damage As-
sessment“)
– unzureichende Zusammenarbeit der militärischen mit
der zivilen Spitze des PRT im konkreten Fall.
Der Untersuchungsausschuss war auch erfolgreich für das
Parlament, weil der parlamentarischen Kontrollfunktion
Rechnung getragen wurde und Defizite und Verbesse-
rungsnotwendigkeiten im Bereich der Exekutive erkenn-
bar wurden, deren Beseitigung durch das Bundesministe-
rium der Verteidigung vom Parlament in Zukunft kontrol-
liert und begleitet werden kann.
Und er war letztlich selbst für die Bundesregierung er-
folgreich, weil sie trotz der konsequenten Vernachlässi-
gung ihrer ureigenen Pflicht, den gesamten Vorgang
selbst aufzuklären und sich Gedanken über die notwendi-
gen Konsequenzen zu machen, durch die Arbeit des Un-
tersuchungsausschusses in die Lage versetzt wird, die
durch das Parlament aufgezeigten strukturellen Defizite
nunmehr endlich beseitigen zu können.
II. Erforderlichkeit eines Sondervotums
Unbestritten handelte es sich bei dem von Oberst Klein
am 4. September 2009 befohlenen Luft-Boden-Angriff
auf die zwei entführten zivilen Tanklaster sowie die dort
befindlichen Personen um den folgenschwersten militäri-
schen Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr.
Darüber, welche Folgen dieser Einsatz wirklich hatte und
was sich genau in dieser Nacht ereignet hat, war aber
selbst nach der langwierigen Beweisaufnahme dieses
Ausschusses keine Einigkeit zwischen Koalition und
Opposition herzustellen.
Und auch die politische Bewertung der Mehrheit darf
nicht unwidersprochen bleiben: Trotz der offenkundigen
Fehler der Bundesregierung im Umgang mit dem Vor-
gang, welche immerhin zum Rücktritt zumindest eines
Ministers geführt hatten, wird behauptet, der Bundesre-
gierung könne „keinerlei Vorwurf gemacht werden“.1394
Stattdessen wird das unredliche Verhalten des Freiherrn
zu Guttenberg gegenüber dem damaligen Generalinspek-
teur Schneiderhan und dem früheren Staatssekretär
Dr. Wichert perpetuiert und dabei selbst vor krassesten
Widersprüchen nicht zurückgeschreckt:
– Einerseits „attestiert“1395 die Mehrheit der Bundesre-
gierung pauschal „einen durchweg korrekten Um-
gang mit den Folgen des Luftschlages“, andererseits
sollen Generalinspekteur und Staatssekretär aber die
Minister Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg von
Beginn an belogen
1396
, eigenmächtig und selektiv un-
terrichtet
1397
und „wichtige Informationen“ zurück-
gehalten
1398
haben.
– Einerseits soll die Bundesregierung „sehr rasch die
deutsche wie die afghanische Öffentlichkeit nach
bestem verfügbaren Wissen unterrichtet“ haben,1399
andererseits soll die Unterrichtung der Öffentlichkeit
durch das Verteidigungsministerium „nicht optimal
verlaufen“1400 und „Defizite im Informationsfluss“
sollen bereits „im unmittelbaren Zeitraum nach dem
Luftschlag“ vorgekommen sein.1401
– Einerseits habe die Bundeskanzlerin bei ihrer Regie-
rungserklärung über ein „umfassendes Lagebild“ ver-
fügt,
1402
andererseits wird die „vollständige Informa-
tion des Bundeskanzleramtes“ durch Staatssekretär
Dr. Wichert als „faktenwidrig“ und „nicht gegeben“
bezeichnet
1403
und vehement behauptet, im Bundes-
kanzleramt seien „wichtige Informationen und Be-
richte“ erst nach der Regierungserklärung der Bun-
deskanzlerin eingegangen,
1404
wobei diese Berichte
dann letztlich doch nicht von so entscheidender Be-
deutung gewesen sein können.
– Einerseits wird behauptet, es ließe sich nicht klären,
„wie viele Taliban und wie viele Zivilisten sich zum
Zeitpunkt des Luftschlages auf der Sandbank befun-
den“ hätten,1405 andererseits wird – ohne dies belegen
zu können – die Behauptung aufgestellt, dass die An-
zahl der getöteten Taliban jedenfalls „weitaus höher“
sei „als die der Zivilisten“.1406
– Einerseits wird der Luftangriff als „nicht angemes-
sen“ bezeichnet, weil Oberst Klein „verschiedene
Verfahrensfehler unterlaufen“ seien, und es wird be-
1394) Mehrheitsbewertung, S. 210.
1395) So wörtlich in der Mehrheitsbewertung auf S. 174.
1396) Mehrheitsbewertung, S. 203.
1397) Mehrheitsbewertung, S. 182, 183, 188, 190, 195 und 195.
1398) Mehrheitsbewertung, S. 192.
1399) Mehrheitsbewertung, S. 174.
1400) Mehrheitsbewertung, S. 198.
1401) Mehrheitsbewertung, S. 180 f.
1402) Mehrheitsbewertung, S. 200.
1403) Mehrheitsbewertung, S. 172 f.
1404) Mehrheitsbewertung, S. 186.
1405) Mehrheitsbewertung, S. 206.
1406) Mehrheitsbewertung, S. 206.
Drucksache 17/7400 – 216 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hauptet, dass der Luftschlag „nicht hätte durchgeführt
werden dürfen“,1407 andererseits werden die Ent-
scheidungen von Oberst Klein im Mehrheitsvotum
durchgängig und ausnahmslos als „vollkommen
nachvollziehbar“1408 und „folgerichtig“1409, gar als
„umsichtig“1410 und „rechtlich korrekt“1411 bezeich-
net.
Diese offen zutage tretenden Widersprüche der Mehrheit
sind klarer Beleg dafür, mit welcher Nonchalance und
Gleichgültigkeit die Mehrheit mit den im Ausschuss er-
mittelten Fakten umgeht und diese selbst innerhalb ihrer
eigenen Bewertung beliebig modelliert. Sachgerechte
Aufklärung des Vorgangs war von vornherein nicht Ziel
dieser Koalition.
Wenn dann aber noch gegenüber der Opposition der
Vorwurf erhoben wird, sie hätte durch die Wahrnehmung
ihrer Minderheitenrechte den Untersuchungsausschuss
„blockiert“ und „wichtige Zeit über Monate hinweg“
verschwendet, „während Soldatinnen und Soldaten im
Einsatzgebiet ihr Leben riskieren“,1412 so sind die Gren-
zen des Erträglichen überschritten. Diese Instrumentali-
sierung der Soldatinnen und Soldaten für die eigenen
kleinkarierten politischen Zwecke nach dem Vorbild des
Freiherrn zu Guttenberg
1413
ist an peinlicher Geschmack-
losigkeit kaum mehr zu übertreffen.
Das Mehrheitsvotum enthält – neben sachlichen Fehlern,
Übertreibungen und bewussten Falschdarstellungen –
zusätzlich frei erfundene angebliche Tatsachen, während
entscheidende Informationen einfach verschwiegen wer-
den.
Hier nur einige Beispiele zur Illustration:
– S. 172: Bei dem angeblich „nicht existenten“1414
Aktenstück („Rotstift-Vermerk“) handelt es sich um
die durch das Kanzleramt angeforderte und rechtzei-
tig dort auch eingegangene förmliche Unterrichtung
durch das BMVg (Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22,
S. 63 ff.), was verdeckt sogar später durch die Mehr-
heit auf S. 186 ihrer Bewertung eingeräumt wird.
1407) Mehrheitsbewertung, S. 204.
1408) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 205; nur noch einfach „nachvoll-
ziehbar“ auf den Seiten 204, 205, 207, 207 und 210.
1409) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 204 und 205.
1410) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 188 und 207.
1411) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 174 mit einer völligen Übersteige-
rung der Ermittlungsergebnisse des Generalbundesanwalts, der
nur über die völkerstrafrechtliche und national strafrechtliche
Verantwortlichkeit von Oberst Klein zu befinden hatte.
1412) Mehrheitsbewertung, S. 194.
1413) Zuletzt in seiner Rücktrittserklärung vom 1. März 2011: „Nach-
dem dieser Tage viel über Anstand diskutiert wurde, war es für
mich gerade eine Frage des Anstandes, zunächst die drei gefalle-
nen Soldaten mit Würde zu Grabe zu tragen und nicht erneut ihr
Gedenken durch Debatten über meine Person überlagern zu las-
sen.“
1414) Inzwischen wurde die Mehrheitsbewertung nächträglich geändert
und nun nicht mehr behauptet, der Vermerk sei „nicht existent“.
Nunmehr heißt es dort, der Vermerk sei nicht „präsent“. Damit
räumt die Mehrheit selbst ein, dass das in Rede stehende Akten-
stück existiert und der Vorhalt gegenüber dem Zeugen berechtigt
war.
– S. 176: Von „Tanklastzügen“ ist in dem zeitlich bis
zu den Präsidentschaftswahlen vom 20. August 2009
befristeten und im Übrigen allein auf einem „Einzel-
hinweis“ beruhenden „Warnhinweis“ keine Rede.
Auch die von der Mehrheit bewusst gewählten reiße-
rischen Formulierungen wie „Schockwelle“ oder „so
viele Bundeswehrangehörige wie möglich töten bzw.
mit in den Tod reißen“ usw. finden sich in dem
Warnhinweis nicht.
– S. 176: Die Behauptung der Mehrheit, die Entführung
der Tanklaster sei geplant gewesen, „um später mit
der gewaltigen Sprengkraft zweier voll beladener
Tanklastzüge einen Anschlag der schwersten Katego-
rie durchführen zu können“, ist frei erfunden. Nie-
mand hat die geringsten Erkenntnisse dazu gewinnen
können, welche Pläne die Taliban mit den entführten
Tanklastern hatten, außer dass diese vom PRT Kun-
duz weg nach Gor Tepa verbracht werden sollten.
– S. 176: Dazu, über welche „professionelle Ausstat-
tung“ die Taliban „neben Mobiltelefonen“ verfügten,
hat der Untersuchungsausschuss keinerlei Erkenn-
tnisse gewonnen.
– S. 177: Es gibt weder „widersprüchliche Unterlagen“
noch „Aussagen“ aus denen sich ergeben könnte,
dass den Dorfbewohnern befohlen worden sein könn-
te, das abgezapfte Benzin „später in die Tanklaster
zurückzufüllen“. Auch dies wurde durch die Mehr-
heit frei erfunden und der Einstellungsvermerk des
GBA hierfür dreist als angeblicher Beleg miss-
braucht.
– S. 179: Oberst Klein ist keineswegs „aufgrund mehr-
facher Nachfragen“ zu dem Schluss gelangt, dass die
Tanklaster „eine erhebliche Bedrohung für das PRT
darstellen“: Weder der Informant noch einer der an-
wesenden Soldaten haben in der Nacht von einer
„Bedrohung“ für das PRT gesprochen und mit ande-
ren Personen hatte Oberst Klein in der Nacht nicht
kommuniziert.
– S. 181: Entgegen der Darstellung der Mehrheit stand
dem Pressesprecher etwa eine halbe Stunde vor der
Pressekonferenz am 7. September 2009 eine 4-seitige
Unterrichtung des Staatssekretärs zur Verfügung, was
seltsamerweise im nächsten Satz durch die Mehrheit
selbst eingeräumt wird.
– S. 181 f.: Frei erfunden ist die von der Mehrheit
übernommene Behauptung des Zeugen Dr. Raabe,
gemäß der Geschäftsordnung des BMVg sei der Ge-
neralinspekteur verpflichtet, alle relevanten Informa-
tionen auch dem Presse- und Informationsstab zur
Verfügung zu stellen. Hätte sich die Mehrheit die
Mühe gemacht, sich die Geschäftsordnung (dort in-
sbesondere B 25 und C 16 Nrn. 5 und 6 im Umkehr-
schluss) einmal anzusehen, hätte ihr dies auffallen
können. Im Übrigen räumt dies der „Kronzeuge“ der
Mehrheit im Ausschuss selbst ein (vgl. Dr. Raabe,
Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 8).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 217 – Drucksache 17/7400
– S. 182: Der Bundesminister der Verteidigung ist
nicht der „oberste Dienstherr“ des General Schnei-
derhan, sondern die Bundesrepublik Deutschland
(vgl. § 2 Beamtenstatusgesetz).
– S. 182, 203, 203: Der GI „unterband“ oder „stoppte“
keineswegs eine „laufende Feldjägeruntersuchung“.
Der Feldjäger hatte seine Tätigkeit, die er keineswegs
als „Untersuchung“ verstand, sondern als „Sachver-
haltsfeststellung zur Verdichtung des Lagebildes von
General Vollmer“, vielmehr nach eigenen Angaben
im Ausschuss unbeeinträchtigt abgeschlossen (Br.,
Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 18 f., 44).
– S. 187, 190: Die Mehrheit unterschlägt durchgängig,
dass der GI den Luftschlag als „in operativer Sicht“
militärisch angemessen bezeichnet hatte.
– S. 191: Die „Neubewertung des Ministers“ deckt sich
keineswegs mit der Bewertung der „Oppositionspar-
tei“ SPD.
– S. 193: Die „Entlassung von GI und Staatssekretär“
am 25. November 2009 ist keineswegs erst nach der
Einsetzung des Ausschusses (2. Dezember 2009) er-
folgt, sondern vorher.
– S. 195: Gegenüber Minister zu Guttenberg waren
keineswegs „nur die positiven Beurteilungen darges-
tellt und kritische Betrachtungen ausgeblendet wor-
den“. Die Mehrheit verschweigt durchgängig, dass
Freiherr zu Guttenberg den überaus kritischen
COM ISAF-Bericht angeblich persönlich ausgiebig
gelesen und sich „intensiv mit diesem Bericht be-
fasst“ haben will (zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18,
Teil I, S. 32). Es muss wohl vermutet werden, dass
die Mehrheit ihm diese Einlassung selbst nicht ab-
nimmt. Auch den kritischen Bericht des Roten Kreu-
zes kannte er nach eigenen Angaben (zu Guttenberg,
Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 41).
– S. 199 und 199: Die Beweisaufnahme hat keine Hin-
weise darauf ergeben, dass der GI oder Staatssekretär
Dr. Wichert den Minister Dr. Jung „gedrängt“ hätten,
öffentlich zu behaupten, es seien ausschließlich Tali-
ban getötet worden und „die Presselinie vorerst bei-
zubehalten“. Einen Beleg für diese Behauptung bleibt
die Mehrheit denn auch schuldig.
– S. 201: Die Mehrheit behauptet, es seien keinerlei
Beiträge des damaligen Außenministers Dr. Stein-
meier „zur Beruhigung der Lage“ bekannt, während
die Bundeskanzlerin im Ausschuss die Aktivitäten
des damaligen Bundesaußenministers in der Sache
(öffentliche Äußerungen gegen Vorverurteilungen
und eine Vielzahl von Demarchen) ausführlich belo-
bigt hat (vgl. etwa Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49,
S. 44 f.).
– S. 206: Es wird unterschlagen, dass der UNAMA-
Bericht bereits 32 getötete Kinder unter 15 Jahren, al-
so unweigerlich Zivilisten, auflistet und der
UNAMA-Jahresbericht 2009 insgesamt 74 zivile To-
te benennt.
– S. 206: Der Bericht der AIHRC, der von der Bundes-
regierung zur Grundlage ihrer „freiwilligen humani-
tären Unterstützungsleistungen“ gemacht wurde und
der 22 getötete Kinder unter 15 Jahren als Opfer
ausweist, wird durch die Mehrheit vollständig igno-
riert, wenn nicht sogar bewusst verschwiegen.
– S. 206: Die Zeugin Dr. Erfan hat im Ausschuss sehr
wohl berichtet, dass die Angaben der Dorfbewohner
anhand von Dokumenten überprüft worden sind (vgl.
nur: Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11). Diese
Dokumente befinden sich in den Akten des Aus-
schusses (Mat. 17-74a).
– S. 207: Die Aussage des Zeugen A. M. zum Tod des
zweiten Fahrers wird verfälscht dargestellt, die die
Aussage des Zeugen bestätigenden Aktenstücke
(Mat. 17-11/11a, Anlagenband 1, Anl. 16, S. 2 und
Mat. 17-5a, S. 7) werden ignoriert und der Zeuge
unangemessen der Falschaussage bezichtigt.
– S. 208: Die Aussage der Piloten der B1-Bomber, dass
sie keine Waffen bei den Personen auf der Sandbank
hätten aufklären können, wird sachwidrig ignoriert
und das Gegenteil behauptet.
– S. 211: Es ist sachlich falsch, dass Oberst Klein nur
deshalb nicht „über den vollen Beraterstab verfügte“,
weil er die OPZ der TF 47 nutzte. Er hätte ohne wei-
teres Personal des PRT hinzuziehen können, wenn er
dies gewollt hätte.
– S. 211: Die Behauptung, die im PRT Kunduz ein-
satzbereite LUNA-Drohne hätte „keine ausreichende
Reichweite“ gehabt, ist frei erfunden und sachlich
falsch.
– S. 211: Es ist sachlich falsch, dass das Aufklärungs-
system HERON 1 dem deutschen Einsatzkontingent
zur Verfügung steht. Dieses kann vielmehr durch den
PRT-Kommandeur nur unter Einbindung des RC
North eingesetzt werden.
Diese Auflistung könnte fortgesetzt werden, jedoch wurde
die Essenz des Mehrheitsvotums in der Presse bereits gut
zusammengefasst:
„Wer über galligen Humor verfügt, wird sich viel-
leicht darüber amüsieren können, mit welcher
Schlichtheit die Koalitionsabgeordneten in ihrem
Berichtsentwurf zum Kunduz-Untersuchungsaus-
schuss ihre Schlüsse darlegen: Für sämtliche Feh-
ler in Zusammenhang mit dem tödlichen Luftang-
riff in Kunduz gebe es in der Bundeswehr, im ge-
samten Verteidigungsministerium, im Außen- und
im Kanzleramt genau zwei Verantwortliche: einzig
der frühere Generalinspekteur Wolfgang Schnei-
derhan und der ehemalige Staatssekretär Peter
Wichert haben sich demnach Fehler zuschulden
kommen lassen.“1415
1415) Bärbel Krauß, in: Stuttgarter Zeitung vom 5. Juli 2011: „Ein
Persilschein soll Guttenberg Türen offen halten“ (Dokument 184).
Drucksache 17/7400 – 218 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
In der Tat liest sich die Bewertung der Mehrheit über
weite Strecken wie eine Bittschrift für eine Beatifikation
des Freiherrn zu Guttenberg zu Lebzeiten angesichts
seiner überragenden Verdienste um die Befreiung des
Verteidigungsministerium von den jahrzehntelangen
diabolischen Aktivitäten des General Schneiderhan und
des Staatssekretärs Dr. Wichert, die nicht nur ihm, son-
dern auch seinen Vorgängern Berichte und Informationen
aus reinem Eigennutz bewusst vorenthalten haben sol-
len.
1416
Es verwundert nicht, dass das Mehrheitsvotum unmittel-
bar nach seiner Vorstellung auf harsche Kritik selbst aus
den eigenen Reihen der Koalition gestoßen ist: Wenn der
ehemalige CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe sich
nach Kenntnisnahme des Mehrheitsvotums bemüßigt
fühlt, das Papier der eigenen Koalition auf der Titelseite
der FAZ als „unrichtig“ und „unanständig“ zu geißeln und
seine Partei öffentlich „zu einer objektiven und fairen
Bewertung ohne politische Rücksichtnahme“ im Wege
einer Überarbeitung ihres Votums aufzufordern,
1417
so
spricht dies Bände.
Auch der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck
hat – ähnlich wie Rühe – das Mehrheitsvotum bereits
öffentlich kritisiert, die Koalition eindringlich zu einer
„aufrichtigen Aufarbeitung“ aufgefordert und die einseiti-
ge Schuldzuweisung gegenüber Schneiderhan und
Dr. Wichert zu Recht als „Farce“ entlarvt.1418
Diese ist nichts anderem geschuldet als dem blinden Be-
gehr, dem über seine öffentlichen Darstellungen zu sei-
nem inzwischen nachgewiesenen
1419
Täuschungsvorsatz
im Rahmen der Erstellung seiner Dissertation „gestürzten
Engel“1420 einen „Persilschein“ auszustellen, um damit
„die Rückkehr des gefallenen Hoffnungsträgers in die
Politik vorzubereiten“.1421
Da das Interesse der Koalition in diesem Ausschuss einzig
in der „Reinwaschung“ zu Guttenbergs liegt, war die von
Volker Rühe geforderte Überarbeitung des Mehrheitsvo-
tums nicht zu erwarten, auch wenn sich die FDP, die sich
1416) Mehrheitsbewertung, S. 183: „Die Art und Weise der Unterrich-
tung lässt den Schluss zu, dass GI und Staatssekretär dem neuen
Minister so wenig wie möglich über solche Fakten zum Luftschlag
informieren wollten, die sie für ihre Position als nicht zielführend
einschätzten.“. Hinsichtlich der Vorwürfe bezogen auf vorherige
Minister: vgl. etwa S. 181, 182 ff., 183 des Mehrheitsvotums:
„(…) wie teils eigenmächtig und selektiv schon Minister Dr. Jung
vom GI unterrichtet wurde (…)“.
1417) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Juli 2011
(Dokument 185).
1418) dpa-Tickermeldung vom 5. Juli 2011: „Struck attackiert Kundus-
Bericht“ (Dokument 186).
1419) So jedenfalls der sehr lesenswerte abschließende Bericht der
Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Universi-
tät Bayreuth vom 5. Mai 2011 auf Seite 13: „Nach eingehender
Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vor-
würfe stellt die Kommission fest, dass Herr Frhr. zu Guttenberg
die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob ver-
letzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat.“ (Dokument 187).
1420) So Peter Blechschmidt, in: Süddeutsche Zeitung vom 2. Juli 2011:
„Persilschein für Guttenberg“ (Dokument 188).
1421) Dies vermutet jedenfalls Bärbel Krauß, in: Stuttgarter Zeitung
vom 5. Juli 2011 unter Berufung auf „Verteidigungspolitiker der
Koalition“ (Fn. 1415, Dokument 184).
erkennbar „ziemlich lustlos“ an der Arbeit des Untersu-
chungsausschusses beteiligt hat,
1422
inzwischen öffentlich
bemüht, den Eindruck zu relativieren, Freiherr zu Gut-
tenberg habe keine Fehler gemacht.
1423
Hier stellt sich
allerdings die Frage, warum die FDP sich nicht vor der
Abgabe der Mehrheitsbewertung darum bemüht hat, an
dieser mitwirken zu dürfen.
Zwangsläufige Folge der einseitigen Ausrichtung des
Votums auf die „Weißwaschung“ zu Guttenbergs ist es,
dass für eine sachgerechte Aufklärung des eigentlichen
Untersuchungsgegenstandes, nämlich des Luftangriffs
selbst, kein Raum mehr blieb. Deshalb verzichtete die
Mehrheit darauf, die vielen neuen Erkenntnisse, die der
Ausschuss zum Luftangriff gewonnen hat, in die Bewer-
tung einzubeziehen. Nach wie vor wird so getan, als sei
Oberst Klein kein Vorwurf zu machen und sein Handeln
in dieser Nacht nicht zu beanstanden.
Grund dafür ist, dass es sowohl der Bundesregierung als
auch der Mehrheit im Ausschuss von Beginn an vor allem
darum ging, die Geschehnisse dieser Nacht in einem für
die beteiligten Soldaten möglichst günstigen Licht er-
scheinen zu lassen, was dazu führte, dass die Fakten häu-
fig beschönigt, verschleiert oder gar verfälscht worden
sind.
Durch willkürliche Beschränkungen der Aussagegeneh-
migungen vieler Zeugen, durch den nachträglichen Aus-
schluss der Öffentlichkeit von den meisten zentralen Zeu-
genvernehmungen und durch Behinderung sachgerechter
Untersuchungen mit windigen Verfahrensmanipulatio-
nen
1424
haben Bundesregierung und Ausschussmehrheit in
wenig überraschender Einmütigkeit alles versucht, um
einerseits wirkliche Aufklärung zu erschweren und ande-
rerseits darauf hinzuwirken, dass das öffentliche Interesse
im Laufe der Untersuchung möglichst vollständig
schwindet.
Die Beweggründe für dieses Vorgehen liegen auf der
Hand: Niemand will sich dem Vorwurf aussetzen, nicht
hinter unseren Soldatinnen und Soldaten zu stehen, die
sich in einem fraglos schwierigen und immer wieder
herausfordernden Kampfeinsatz befinden und täglich ihr
Leben aufs Spiel setzen. Niemand will verantwortlich
dafür sein, die „Moral der Truppe“ zu untergraben oder
nachhaltig zu schädigen. Niemand will den Stab über
Soldaten brechen, die nach wie vor fast täglich unter
einem von Deutschland aus kaum vorstellbaren Druck
gezwungen sind, lebensrettende oder -zerstörende Ent-
scheidungen zu treffen.
Den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gebührt
unser aller Respekt und Anerkennung. Sie haben Ans-
pruch darauf, dass das Parlament, das sie in diesen gefähr-
lichen Einsatz schickt, auch zu ihnen steht. Andererseits
ist aber niemandem damit gedient, die strukturellen Prob-
1422) So zu Recht: Peter Blechschmidt, in: Süddeutsche Zeitung vom 2.
Juli 2011 (Fn. 1420, Dokument 188).
1423) So jedenfalls der Obmann der FDP, Abg. Joachim Spatz, in:
Financial Times Deutschland vom 4. Juli 2011 (Dokument 189).
1424) Vgl. hierzu ausführlich unten ab Seite 297.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219 – Drucksache 17/7400
leme innerhalb der Bundeswehr und insbesondere auch
auf der politischen Führungsebene weiterhin zu ignorie-
ren.
Eines der wichtigsten Ziele dieses Untersuchungsverfah-
rens war es, klare Antworten auf die Frage zu geben,
welche Maßnahmen im Bereich des Bundesministeriums
der Verteidigung ergriffen werden müssen, um für die
Zukunft zu verhindern, dass sich ein Vorfall wie der von
Kunduz wiederholt – und zwar letztlich auch zum Schutze
der deutschen Soldatinnen und Soldaten.
Um diese Frage sachgerecht beantworten zu können, ist
es zwingend erforderlich, zunächst zu klären, was genau
sich in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 wirk-
lich ereignet hat, welche Fehler begangen wurden und
welche Versäumnisse festzustellen sind. Dieser notwen-
digen Analyse hat sich die Mehrheit schlichtweg verwei-
gert.
Dabei geht es nicht darum, die beteiligten Soldaten nach-
träglich bloßzustellen, anzuprangern oder öffentlich zu
verurteilen, sondern primäres Ziel ist es, den Vorgang so,
wie er sich nach der intensiven Beweisaufnahme des
Ausschusses darstellt, offen zu beschreiben. Es dürfen
keine zur Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen
Aspekte verschwiegen werden. Nur durch exakte Benen-
nung der Fakten können wirklich Lehren aus diesem
Vorfall gezogen werden, die sich nicht nur in Scheinmaß-
nahmen oder reiner Symbolpolitik erschöpfen. Leichtfer-
tigkeit in jede Richtung verbietet sich bei der Beurteilung
der Geschehnisse.
Und dazu reicht es nicht aus, wie der damalige Bundes-
verteidigungsminister Freiherr zu Guttenberg einfach
öffentlich pauschal und diffus auf die „Erheblichkeit von
Fehlern“ hinzuweisen, diese aber nicht klar zu benennen
und gleichzeitig zu betonen, dass den handelnden Solda-
ten persönlich kein Vorwurf gemacht werden könne.
1425
Diese durchgängig festzustellende Haltung der Bundesre-
gierung und auch der Mehrheit im Ausschuss, den Luft-
angriff zwar „politisch“ zu verurteilen, tatsächlich aber
keine Anhaltspunkte für Fehlverhalten der handelnden
Personen erkennen zu wollen, ist in sich widersprüchlich
und offenbart auch hier wieder das peinliche Bemühen
der Koalitionspolitiker, einschließlich der Bundeskanzle-
rin,
1426
sich durch unerträgliches Mäandern möglichst
unbeschädigt und ohne irgendwo anzuecken aus der Ver-
antwortung zu stehlen, auch wenn die Wahrheit dabei auf
der Strecke bleibt.
Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dienen
nicht einem Minister oder der Kanzlerin, sie dienen dieser
Republik, der parlamentarischen Demokratie. Das Parla-
1425) Vgl. Freiherr zu Guttenberg im Plenum des Deutschen Bundesta-
ges am 3. Dezember 2009, BT-PlPr. 17/9 (Fn. 1259, Doku-
ment 166), S. 682.
1426) Es lohnt sich, die Aussage der Bundeskanzlerin hierzu, in der sie
es vollbringt, sowohl die Erstbewertung des Ministers zu Gutten-
berg als auch die „Neubewertung“ gleichermaßen zu rechtferti-
gen, einmal nachzuvollziehen: Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49,
S. 57 ff., 88 f.
ment hat unsere Soldatinnen und Soldaten in diesen
schweren Einsatz entsandt. Die Bundeswehr ist eine Par-
lamentsarmee. Deshalb hat sie auch dem Parlament und
damit dem ganzen Volk Rechenschaft abzulegen.
Die Geschehnisse, die zu diesem fatalen Luftangriff ge-
führt haben, müssen deshalb öffentlich erkennbar werden.
Die Bürgerinnen und Bürger, in deren Auftrag die Bun-
deswehr letztlich handelt, haben einen Anspruch darauf,
dass deutlich festgestellt wird, was sich wirklich in dieser
Nacht mit vielen zivilen Todesopfern durch deutsches
Handeln zugetragen hat, auch wenn eine solche öffentli-
che Darstellung für die betroffenen Soldaten ungewohnt
ist und selbstverständlich persönlich sehr belastend sein
kann.
Dem kann aber nicht dadurch entgegengewirkt werden,
dass Kritik an ihrem Verhalten tabuisiert wird, weil genau
das dem besonderen Charakter der Bundeswehr entge-
gensteht. Als „Amtsträger in Uniform“ haben Soldaten im
Einsatz ein Recht darauf, dass ihnen die Eingriffsbefug-
nisse gewährt werden, die sie für ihren Einsatz benötigen.
Im Gegenzug müssen sie – wie andere Amtsträger (z. B.
Polizisten) auch – dazu bereit sein, die Einhaltung der
Grenzen dieser Eingriffsbefugnisse gegebenenfalls über-
prüfen zu lassen, wenn – wie im konkreten Fall – ihr
Handeln zu erheblichen internationalen Missverständnis-
sen führt und Folgen zeitigt, die über alles hinausgehen,
was bislang vorstellbar war. Die Fakten müssen öffentlich
benannt werden und auch die beteiligten Soldaten müssen
sich diesen stellen.
Da die Mehrheit diese Fakten nach wie vor eher schönt
oder verschweigt als offenlegt und auch in ihrer Bewer-
tung der Vorgänge in Afghanistan, Potsdam und Berlin
vor sachgerechten Aussagen zurückschreckt, bedarf es
zwingend dieses Sondervotums.
III. Der Luft-Boden-Angriff von Kunduz: Was
ist wirklich geschehen?
Am 4. September 2009 befahl der deutsche Kommandeur
des PRT Kunduz, Oberst Georg Klein, um 1.40 Uhr in der
Nacht den Abwurf von zwei 500-Pfund-Bomben auf zwei
zivile Tanklaster und die an den Lastern befindlichen
Personen. Die Tanklaster waren zuvor von Taliban ent-
führt worden, die sie in das etwa 30 km nordwestlich vom
PRT Kunduz liegende Dorf Gor Tepa verbringen wollten.
Die Laster hatten zum Zeitpunkt des Waffeneinsatzes seit
mehreren Stunden auf einer Sandbank im Fluss Kunduz
festgesteckt. Oberst Klein ging zu diesem Zeitpunkt da-
von aus, dass sich etwa 70 Personen auf der Sandbank
aufhielten, die nach Auskunft eines afghanischen Infor-
manten allesamt Aufständische gewesen sein sollten.
1427
Gleichzeitig nahm Oberst Klein jedoch nach eigenem
Bekunden auch an, dass es sich bei den Personen, die sich
in einiger Entfernung von den Tanklastern auf der Sand-
bank aufhielten, um „Unbeteiligte“ bzw. „Zivilisten“
gehandelt habe, weshalb er den Waffeneinsatz auch aus-
1427) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 45 und 56.
Drucksache 17/7400 – 220 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schließlich auf den Bereich unmittelbar an den Tanklas-
tern beschränkt sehen wollte. Wörtlich sagte er im Aus-
schuss:
„Ich ging davon aus, dass alle Personen, die sich
zu diesem Zeitpunkt um die Tanklaster befanden,
Teil der Operation der Aufständischen waren, und
alle Personen, die sich im weiteren Umfeld dort
bewegt hatten – das, was andere vielleicht als Zivi-
listen bezeichnen würden –, Unbeteiligte war-
en.“1428
Damit steht fest, dass Oberst Klein durchaus erkannte,
dass sich „unbeteiligte Personen“, also – aus völkerrech-
tlicher Sicht – Zivilisten, in dieser Nacht zumindest in der
Nähe der Sandbank aufhielten.
1429
1. Kein Zweifel an zivilen Opfern des Luftang-
riffs
Bis heute wird von Seiten der Bundesregierung in Frage
gestellt, ob es wirklich zivile Opfer im Zusammenhang
mit dem Bombenabwurf gegeben hat. Viele Zeugen von
Bundeswehr und Bundesregierung haben im Ausschuss
darauf verwiesen, dass man im Grunde nicht sagen könne,
ob überhaupt Zivilisten betroffen seien. Wirkliche Nach-
weise dafür gebe es nicht, und die Unterscheidung zwi-
schen Zivilisten und Taliban sei sowieso kaum zu leis-
ten.
1430
Selbst die Bundeskanzlerin steht bis heute auf dem
Standpunkt, dass es „keine Gewissheit“ in der Frage mög-
licher ziviler Opfer gebe. Allein bei Vornahme einer „po-
litischen Bewertung“ sei wohl davon auszugehen. Wört-
lich sagte die Bundeskanzlerin im Ausschuss:
„Nach allen mir vorliegenden Dokumenten gibt es
diese Gewissheit nicht. Aber ich gehe trotzdem,
wenn ich eine politische Bewertung vorzunehmen
habe, davon aus, dass wir davon ausgehen müs-
sen, dass es zivile Opfer gab. Aber ich kenne kein
Dokument, das von einer Gewissheit spricht.“1431
a) Politisch-taktisches Mäandern der Bun-
desregierung und der Mehrheit im Aus-
schuss
Dieser „Schlingerkurs“, der von Seiten der Bundesregie-
rung in dieser Frage eingeschlagen wurde und bis heute
gehalten wird, ist rein politisch-taktischem Kalkül ge-
schuldet: Angesichts der vielen unabhängigen Untersu-
chungen, die sämtlich zum Ergebnis gelangen, dass eine
große Zahl von Zivilisten getötet worden ist, verbietet
1428) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
1429) Diese Aussage von Oberst Klein im Ausschuss wird durch die
Mehrheit einfach ignoriert, wenn sie behauptet, die Anwesenheit
von Zivilisten vor Ort sei durch Oberst Klein „ausgeschlossen“
worden, vgl. Mehrheitsbewertung, S. 207.
1430) Vgl. nur: Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 15; Schneiderhan,
Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8, 20; Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16,
Teil I, S. 15, 39; Dr. Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 73, 111-
112; Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, S. 74 f.; F., Protokoll-Nr. 35,
Teil II, S. 20.
1431) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, S. 74.
sich selbstverständlich die zunächst vom damaligen Ver-
teidigungsminister Dr. Jung eingeschlagene obskure
Linie, zivile Opfer pauschal ausschließen zu wollen. Aber
trotzdem will man sich – offenbar sowohl aus Rücksicht
auf die beteiligten und die beobachtenden Soldaten als
auch mit Blick auf mögliche Schadensersatzansprüche der
Opfer – die Version, dass es vielleicht doch nur Taliban
getroffen haben könnte, nach wie vor offenhalten.
Dieses Mäandern der Bundesregierung entpuppt sich als
rein taktisches Vorgehen und wird der Bedeutung des
Vorgangs nicht gerecht: Generös vorzugeben, aus politi-
scher Sicht habe es sicherlich zivile Opfer gegeben, aber
aus tatsächlicher Sicht sei dies dann doch wieder nicht so
sicher, verhöhnt die Opfer des tragischen Luftangriffs und
zeigt einmal mehr, wie sehr Verteidigungsministerium
und Bundeskanzleramt im Umgang mit diesem Vorgang
bis heute versagen.
b) Unzureichendes „Battle Damage Assess-
ment“ durch die Bundeswehr
Wenn man in diesem Zusammenhang dann noch anführt,
dass der Tod von Zivilisten nicht wirklich nachgewiesen
werden könne, weil die Spurensuche vor Ort keine foren-
sischen Beweise zur Identifizierung der Opfer hervorgeb-
racht habe, so ist dies angesichts des Umstands, dass ein
zeitnahes und gründliches „Battle Damage Assessment“
durch Oberst Klein nicht durchgeführt worden ist, schon
als zynisch zu bezeichnen.
Denn fest steht nach der Beweisaufnahme, dass Oberst
Klein bewusst auf die Durchführung einer solchen Wir-
kungsanalyse am Boden unmittelbar nach dem Bomben-
abwurf verzichtet hat, obwohl er davon ausging, dass die
Aufständischen ihre Opfer sehr schnell bergen und beiset-
zen würden
1432
und obwohl er aus Sicht seines Vorgesetz-
ten General Vollmer und dem für die Untersuchung des
Vorfalls zuständigen General Sullivan verpflichtet gewe-
sen wäre, unmittelbar nach dem Bombenabwurf eine
umfassende Wirkungsanalyse mit Bodentruppen vor Ort
durchzuführen und die afghanische Seite frühzeitiger über
den Luftschlag zu informieren.
1433
NATO-Verfahren sehen ein zeitnahes „Battle Damage
Assessment“ nach einem solchen Angriff vor, gerade um
zivile Opfer auszuschließen oder gegebenenfalls Erste
Hilfe leisten zu können.
Oberst Klein stand zumindest auch die Möglichkeit des
zeitnahen Einsatzes unbemannter Luftfahrzeuge (LUNA)
zur Verfügung, um den Angriffsort wenigstens per Video
zu überwachen bis Bodentruppen bei Tageslicht dorthin
hätten verlegen können, auch wenn er dafür einen Piloten
zur Steuerung der Drohne hätte wecken müssen.
Wenn die Ausschussmehrheit hingegen behauptet, die
LUNA-Drohnen hätten „keine ausreichende Reichweite“
gehabt,
1434
so ist dies entweder ein Zeichen grober militär-
1432) Klein, Protokoll-Nr. 6, S. 18.
1433) Vgl. Vollmer, Protokoll-Nr. 12, S. 82.
1434) Mehrheitsbewertung, S. 211.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221 – Drucksache 17/7400
fachlicher Unkenntnis oder ein Versuch, die Öffentlich-
keit in die Irre zu führen.
Oberst Klein musste stattdessen erst durch einen telefoni-
schen Befehl von General Vollmer im Laufe des Vormit-
tags zur Entsendung eigener Aufklärungskräfte zum Ab-
wurfort veranlasst werden,
1435
wobei die von General
Vollmer zur Unterstützung entsandten Feldjäger noch
nicht einmal an dieser Wirkungsanalyse teilnehmen durf-
ten
1436
und zudem bei Filmaufnahmen behindert wur-
den.
1437
Insofern war es auch nicht verwunderlich, dass
das Erkundungsteam beim Eintreffen an der Einschlag-
stelle einen „wie klinisch gereinigten Tatort“ vorfand, an
dem nur wenige Beweismittel zu sichern und kein einzi-
ger Verletzter oder Toter zu identifizieren war.
1438
c) Erkenntnisse der verschiedenen Untersu-
chungskommissionen
Nicht zuletzt aufgrund dieser Versäumnisse der Bundes-
wehr blieb zur Beantwortung der drängenden Frage nach
möglichen zivilen Opfern des Luftangriffs nur die Mög-
lichkeit, sich den tatsächlichen Opferzahlen durch Befra-
gungen von Dorfbewohnern aus der Umgebung zu nä-
hern. Hier hat sich in der Beweisaufnahme im Ausschuss
jedoch leider schon das nächste Problem offenbart:
Gegen Mittag des 4. September 2009 wurde unmittelbar
aus dem PRT Kunduz ein so genanntes „PsyOps-Team“
(„Tactical Psychological Operations Team“), also Solda-
ten, die für den Kontakt mit der einheimischen Bevölke-
rung besonders ausgebildet sind, in das in der Nähe des
Einschlagortes liegende Dorf Haji Sakhi Ded By entsandt,
um dort mit den Bewohnern zu sprechen.
Dieses Team hatte im Zuge dieser kurzen ersten Gesprä-
che auch bereits erfahren, dass aus diesem Dorf allein 14
Zivilpersonen getötet und vier schwer verletzt worden
sein sollen, nachdem sie von Aufständischen dazu ge-
zwungen worden waren, in der Nacht zu den Tanklastern
zu kommen. Auch Kinder sollten danach unter den Op-
fern gewesen sein, weil sie ihren Vätern aus Neugierde
auf die Sandbank gefolgt seien.
1439
Bemerkenswert ist dabei, dass diese Informationen zwar
bereits am Nachmittag des 4. September Oberst Klein
persönlich in einem Briefing übermittelt worden waren,
dass jedoch von Seiten der Bundeswehr daraufhin nichts
weiter unternommen wurde. Die Informationen wurden
von Oberst Klein nur kommentarlos – wenn auch augen-
scheinlich „bestürzt“1440 – zur Kenntnis genommen.
Aufträge, weitere Gespräche mit Dorfbewohnern zu füh-
ren, insbesondere in den umliegenden Dörfern (z. B.
1435) Klein, Protokoll-Nr. 6, S. 20.
1436) Br., Protokoll-Nr. 10, S. 37. Oberst Klein hat im Ausschuss dazu
bekundet, es habe sich um eine Entscheidung des Kompaniechefs
gehandelt, die er allerdings billige: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II,
S. 20.
1437) Br., Protokoll-Nr. 10, S. 38.
1438) Br., Protokoll-Nr. 10, S. 4.
1439) Be., Protokoll-Nr. 39, S. 31.
1440) Be., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.
Omar Khel, Issa Khel, Yaqub Bayi, Chand Ahar, Ess
Kahn, Sena Tepa, Spina, Char Shane, Wazir, Ajab Khan,
Halga Kol, Haji Abdurahman oder Gul Bagh), wurden
nicht erteilt. Außer diesem einen Dorf sind aus dem PRT
Kunduz heraus keine weiteren Dörfer besucht und keine
weiteren Gespräche geführt worden, obwohl der Leiter
des PsyOps-Teams in seinem schriftlichen Bericht aus-
drücklich darauf hingewiesen hatte, dass auch in anderen
Dörfern weitere Opfer zu vermuten seien.
1441
Insofern musste sich nach der Beweisaufnahme des Aus-
schusses der Eindruck aufdrängen, dass es keinem der
Verantwortlichen im PRT Kunduz ein wirkliches Anlie-
gen war, die tatsächlichen Folgen des Luftangriffs mög-
lichst schnell, umfassend und vor allem vorbehaltlos
aufzuklären.
Die weitere Aufklärung der Folgen des Luftschlags wurde
insofern auch nicht mehr durch Angehörige der Bundes-
wehr vorgenommen, sondern hier mussten andere Organi-
sationen und Gruppen – leider in einem unkoordinierten
Nebeneinander – tätig werden:
– Der Bericht der Vereinten Nationen, der „United
Nations Assistance Mission in Afghanistan“
(UNAMA), listet insgesamt 142 Geschädigte auf
(109 Tote und 33 Verletzte, darunter mindestens 74
Zivilisten, davon 32 getötete Kinder unter 15 Jah-
ren).
1442
– Der Bericht der Regierungskommission der Islami-
schen Republik Afghanistan für Präsident Karsai
spricht von insgesamt 99 Toten (69 tote Taliban, 30
tote Zivilisten) und 20 Verwundeten (11 verwundete
Taliban, 9 zivile Verwundete).
1443
– Der von der Mehrheit in ihrem Votum einfach unter-
schlagene Bericht der unabhängigen afghanischen
Menschenrechtskommission AIHRC („Afghanistan
Independent Human Rights Commission“) listet 102
Tote als Opfer des Luftangriffs auf, davon 22 getötete
Kinder unter 15 Jahren.
1444
– Ein weiterer – eingestufter – Bericht benennt 90
Geschädigte insgesamt (74 Tote und 16 Verletz-
te).
1445
– Auch der Journalist Christoph Reuter und der Foto-
graf Christoph Mettelsiefen haben für ihren Bildband
„Kunduz, 4. September 2009 – Eine Spurensuche“1446
recherchiert, dass 90 Zivilisten durch den Luftschlag
1441) Be., Protokoll-Nr. 39, S. 28.
1442) UNAMA-Bericht über die Folgen des Angriffs (Fn. 523, Doku-
ment 78), in Verbindung mit dem UNAMA-Jahresbericht 2009:
UNAMA, Human Rights Kabul, Annual report on Protection of
Civilian in armed conflict, 2009, Januar 2010 (Fn. 525, Doku-
ment 79), S. 17 f. Der Jahresbericht 2009 wird durch die Mehrheit
einfach ignoriert (Mehrheitsbericht, S. 206).
1443) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53).
1444) AIHRC (Fn. 551, Dokument 82).
1445) So der Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim
Bundesgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 39.
1446) Marcel Mettelsiefen und Christoph Reuter, Kunduz,
„4. September 2009 – Eine Spurensuche“, Rogner & Bernhard
GmbH & Co. Verlags KG, Berlin, 1. Auflage, April 2010.
Drucksache 17/7400 – 222 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
getötet worden sind. Dabei beschränkten sie sich al-
lerdings darauf, Verletzte und Hinterbliebene in
Kunduz zu treffen und dort zu befragen und zu foto-
grafieren. Aufgezählt sind nur fünf Dörfer, aus denen
diese insgesamt 90 Geschädigten stammen.
– Als Vertreter der Geschädigten hat Rechtsanwalt
Karim Popal beim Generalbundesanwalt eine doku-
mentierte Liste von insgesamt 113 getöteten und sie-
ben verletzten Zivilisten vorgelegt.
1447
– Auch die Ermittlungen eines Teams um die Zeugin
Dr. Habbibe Erfan, die es als Mitglied des Provinz-
rats Kunduz auf sich genommen hatte, die Folgen des
Luftangriffs für die örtliche Bevölkerung aufzuklä-
ren, haben zu dem Ergebnis geführt, dass es insge-
samt 199 Geschädigte (179 Tote und 20 Verletzte)
gegeben hat, wobei davon 113 Personen als getötete
und sieben Personen als verletzte Zivilisten erkannt
werden konnten. 25 bis 26 der Getöteten sollen nach
diesen Ermittlungen Kinder unter 15 Jahren gewesen
sein.
1448
Die Annahme, dass auch Kinder unter 15 Jahren unter den
Opfern gewesen waren, wird zudem durch die Ermittlun-
gen eines militärischen Untersuchungsteams bestätigt, das
bei seinem Besuch des Krankenhauses von Kunduz am
5. September 2009 einen offensichtlich durch den Bom-
benabwurf verletzten zehnjährigen Jungen vorfand, der
sich – gegen den ausdrücklichen Rat seines Vaters – in
der Nacht mit anderen Dorfbewohnern auf den Weg zu
den Tanklastern begeben hatte, nachdem er gehört hatte,
dass dort kostenlos Benzin verteilt würde.
1449
Im Krankenhaus wurde noch ein etwa 20-jähriger Farmer
angetroffen, der mit 15 anderen Dorfbewohnern zu den
Tanklastern gegangen war, nachdem sein Dorf ebenfalls
einen Telefonanruf erhalten hatte, wonach an den Tank-
lastern kostenlos Benzin verteilt würde. Dieser Farmer
berichtete, dass er in der Nacht zwischen 200 und 300
Personen an den Tanklastern gesehen habe. Die Darstel-
lungen des Jungen und des Farmers wurden gegenüber
dem Team jeweils von einem weiteren Zeugen bestätigt.
d) Ergebnis zu den zivilen Opfern
Angesichts der erkennbaren Abweichungen der Ergebnis-
se all dieser Untersuchungen und den unklaren Hinter-
gründen der benannten Personen könnte man es sich
leicht machen und wie die Bundesregierung den Schluss
ziehen, es stehe noch nicht einmal mit Sicherheit fest, ob
überhaupt Zivilisten unter den Opfern des Luftangriffs
gewesen seien. Dabei werden jedoch mehrere entschei-
dende Fakten verkannt:
– Im Ausschuss wurde durch den einzigen wirklichen
Augenzeugen des Bombenabwurfs, den überlebenden
zivilen Lastwagenfahrer A. M., glaubhaft berichtet,
1447) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts (Fn. 122, Doku-
ment 52), S. 39.
1448) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.
1449) Mat. 17-12/12a, S. 5.
dass der zweite zivile Lastwagenfahrer namens Hou-
mayoun unmittelbar durch den Bombenabwurf ums
Leben kam, weil er sich zum Zeitpunkt des Ein-
schlags in der Fahrerkabine eines der zerstörten
Lastwagen befunden hatte.
1450
Die davon abweichende Aussage des Bruders des ge-
töteten Fahrers, der behauptet haben soll, dass die Ta-
liban seinen Bruder umgebracht hätten, wurde durch
den Zeugen A. M. plausibel erklärt.
1451
Die Aussage des Zeugen im Ausschuss konnte zudem
durch die vom Ausschuss beigezogenen Akten verifi-
ziert werden: Zum einen findet sich in einer Ge-
sprächsnotiz vom 4. September 2009 des Feldjäger-
führers im Einsatz, des Zeugen Br., bereits ein Hin-
weis darauf, dass es sich bei einer der auf der Polizei-
station Kunduz befindlichen verbrannten Leichen um
„einen der beiden Fahrer aus dem Führerhaus eines
der Tanklastwagen“ gehandelt haben soll.1452 Zum
anderen wurde auch im Bericht der afghanischen Un-
tersuchungskommission für Präsident Karsai vom
10. September 2009 ausdrücklich erwähnt, dass der
Fahrer H. bei der Bombardierung „ums Leben ge-
kommen“ sei.1453
Die Mehrheit unterschlägt in ihrem Votum diese Er-
kenntnisse aus den Akten und bezichtigt den überle-
benden Lastwagenfahrer, den Zeugen A. M., stattdes-
sen, vor dem Ausschuss die Unwahrheit gesagt zu
haben.
1454
Dieses Vorgehen bedarf keiner weiteren
Kommentierung.
– Dass der Zeuge A. M. selbst als Verletzter zu den
zivilen Opfern des Luftangriffs zählt, dürfte nach sei-
ner Zeugenvernehmung im Ausschuss auch nicht zu
bezweifeln sein.
– Darüber hinaus ist es zwar richtig, dass die Frage, ob
es sich bei den Opfern jeweils um Taliban oder um
Zivilisten handelt, nicht immer einfach zu beantwor-
ten ist. Festzustellen bleibt aber, dass die durchge-
führten Untersuchungen unabhängig voneinander zu
dem Ergebnis gelangen, dass eine beträchtliche An-
zahl von Kindern unter 15 Jahren Opfer des Luftang-
riffs geworden sind:
Auf der Liste der AIHRC finden sich die Namen von
22 getöteten Kindern unter 15 Jahren
1455
, Frau
Dr. Erfan hat 25 bis 26 Kinder unter 15 Jahren als
Opfer ermittelt und die Vereinten Nationen
1450) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3 ff., 16.
1451) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 16.
1452) Mat. 17-11/11a, Anlagenband 1, Anlage 16 (Dokument 65), S. 2.
1453) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53), S. 7.
1454) Mehrheitsbewertung, S. 207 f.
1455) Ein Neunjähriger, drei Zehnjährige, zwei Elfjährige, drei Zwölf-
jährige, drei Dreizehnjährige und zehn Vierzehnjährige, AIHRC-
Bericht (Fn. 1444, Dokument 82).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 223 – Drucksache 17/7400
(UNAMA) listen sogar 32 Kinder unter 15 Jahren
1456
namentlich als Opfer des Luftschlags auf.
Dabei hat sich beispielsweise das Untersuchungsteam
des Provinzrats Kunduz bei der Frage der Anzahl der
betroffenen Schulkinder nicht nur auf die Angaben
der Eltern verlassen, sondern diese zusätzlich noch
mit Direktoren und Lehrern der betroffenen Schulen
abgeglichen.
1457
Die Auffassung, Kinder unter 15 Jahren seien als „Tali-
ban“ oder als „Anhänger“ eines der vier angeblich bei den
Tanklastern befindlichen Talibanführer einzuordnen,
kann auch die Bundesregierung – insbesondere mit Blick
auf die Regeln des humanitären Völkerrechts, nach denen
Kinder unter 15 Jahren grundsätzlich als Zivilisten anzu-
sehen sind und nicht an Feindseligkeiten beteiligt werden
dürfen,
1458
– nicht ernsthaft vertreten. Insofern liegt die
Frage auf der Hand, warum es die Bundesregierung bis
heute nicht vermag, klar und deutlich festzustellen, dass
der Luftangriff auch eine Vielzahl von Opfern unter der
Zivilbevölkerung zur Folge hatte.
Richtigerweise ist dies nach der Beweisaufnahme dieses
Ausschusses nicht mehr in Frage zu stellen. Es ist viel-
mehr davon auszugehen, dass zumindest die beiden zivi-
len Lastwagenfahrer Opfer des Luftangriffs sowie darüber
hinaus mindestens 22 Kinder unter 15 Jahren, also ein-
deutig Zivilisten, durch den Luftangriff getötet worden
sind.
Bemerkenswert ist dabei, dass insbesondere die Untersu-
chung der AIHRC, welche die Bundesregierung selbst
ihren „freiwilligen humanitären Unterstützungsleistun-
gen“ – also ihren eigenen verschleierten Entschädigungs-
zahlungen – zu Grunde legt, die Zahl von 22 getöteten
Kindern festgestellt hat.
Die genaue Zahl der durch den Luftangriff getöteten Zivi-
listen, die damit zwischen 23 und 113 liegen dürfte, war
mit den eingeschränkten Möglichkeiten des Ausschusses
nicht zu bestimmen. Es spricht aber Vieles dafür, die
umfangreichen und plausiblen Untersuchungen des Pro-
vinzrats von Kunduz, dessen Mitglied Dr. Habibe Erfan
im Ausschuss persönlich über die Untersuchungen berich-
tet hat, für die Antwort auf die Frage der Anzahl der zivi-
len Opfer heranzuziehen. Denn diese erschöpften sich
nicht nur – wie von der Ausschussmehrheit in ihrem Vo-
1456) Vier Neunjährige, fünf Zehnjährige, drei Elfjährige, vier Zwölf-
jährige, sechs Dreizehnjährige und zehn Vierzehnjährige,
UNAMA-Bericht (Fn. 523, Dokument 78).
1457) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, S. 3.
1458) Vgl. etwa: Artikel 38 Abs. 1 des VN-Übereinkommens über die
Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (Kinderrechtskon-
vention, BGBl. 1992 II, S. 122, 990); Artikel 14 des Genfer Ab-
kommens vom 12. August 1949 zum Schutz von Zivilpersonen in
Kriegszeiten (BGBl. 1954 II, S. 917 und BGBl. 1956 II, S. 1586);
Artikel 77 Abs. 2 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Ab-
kommen vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 968, 1367); Artikel
4 Abs. 3 lit. c) und d) des Zweiten Zusatzprotokolls vom 8. Juni
1977 (BGBl. 1990 II, S. 1637, 1991 II, S. 968), wobei Artikel 4
inzwischen als Völkergewohnheitsrecht anzusehen ist, oder § 8
Abs. 1 des deutschen Völkerstrafgesetzbuchs.
tum fälschlich behauptet
1459
– in der Zusammenstellung
der Berichte der Dorfbewohner, sondern es wurde ver-
sucht, für jeden Einzelfall auch entsprechende Dokumente
wie Personal- oder Wahlausweise zusammenzustellen, die
sich auch in den vom Ausschuss beigezogenen Akten
befinden.
1460
Da die Taliban in Afghanistan rigoros zum Wahlboykott
aufgerufen hatten,
1461
liegt es nahe anzunehmen, dass es
sich bei den 60 Opfern des Luftangriffs, für die Wahlaus-
weise aufgefunden werden konnten, kaum um Mitglieder
einer militärisch organisierten bewaffneten Gruppe der
Taliban gehandelt haben dürfte.
In Anbetracht dessen erscheint eine Mindestzahl von 84
zivilen Opfern des Luftangriffs (ein getöteter und ein
verletzter ziviler Fahrer, 22 getötete Kinder unter 15 Jah-
ren, 60 Dorfbewohner mit Wahlausweisen) wahrschein-
lich.
Aber auch hinsichtlich der von Frau Dr. Erfan ermittelten
Gesamtzahl der Todesopfer von 113 Personen kann nach
der Beweisaufnahme des Ausschusses zumindest nicht
ausgeschlossen werden, dass es sich auch bei den restli-
chen Personen um Zivilisten gehandelt haben könnte,
auch wenn nicht für alle diese Personen Wahlausweise
oder andere Dokumente gefunden werden konnten.
Es bestand für den Ausschuss wegen der schwierigen und
sehr unterschiedlichen Schreibweisen der Namen keine
Möglichkeit, die Namenslisten der verschiedenen Berich-
te im Einzelnen miteinander abzugleichen. Dies war aber
letztlich auch nicht Aufgabe dieses Untersuchungsaus-
schusses. Jedenfalls ist die Behauptung, es könne nicht
mit der von der Bundeskanzlerin benannten „Gewissheit“
nachgewiesen werden, dass überhaupt Zivilisten betroffen
seien, eindeutig widerlegt.
2. Die Fehler und Versäumnisse im Zusam-
menhang mit dem Luft-Boden-Angriff von
Kunduz in der Nacht vom 3. auf den
4. September 2009
Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat eine Vielzahl von
Informationen zu Tage gefördert, die vorher nicht bekannt
waren. Es hat sich zudem gezeigt, dass der Generalbun-
desanwalt bei der Prüfung einer möglichen Strafbarkeit
des Verhaltens von Oberst Klein teilweise von Fakten
ausgegangen ist, die sich so im Ausschuss nicht verifizie-
ren ließen.
1462
Deshalb werden im Folgenden noch einmal
1459) Mehrheitsbewertung, S. 206.
1460) Mat. 17-74a, Akten Generalbundesanwalt beim BGH, Anlagen-
band 1 & 2 zum Sachakten-Sonderband „Geschädigtenvertreter“.
1461) Vgl. nur: „Zum Wahltag Sprengsätze“, in: die Tageszeitung vom
20. August 2009; „Karsai setzt für den Wahlsieg auf einen be-
rüchtigten Kriegsherrn“, in: Die Welt vom 18. August 2009;
„Bundeswehr verstärkt den Schutz der afghanischen Wahlen“, in:
Die Welt vom 15. August 2009 oder „Mit Demokratie haben die-
se Wahlen wenig zu tun“, in: Neue Zürcher Zeitung vom 19. Au-
gust 2009.
1462) Falsch ist beispielsweise, dass der eine zivile Fahrer bereits bei
der Ergreifung der Tanklaster durch die Taliban erschossen wor-
den sein soll (Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts
beim Bundesgerichtshof, siehe oben: (Fn. 122, Dokument 52)
Drucksache 17/7400 – 224 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die wesentlichen Eckpunkte des Geschehens zusammen-
gestellt, wobei der Schwerpunkt auf die Informationen
gelegt wird, die erforderlich sind, um die in der Nacht
begangenen Fehler und Versäumnisse zu erkennen und
Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen.
a) Ort des Geschehens und handelnde Per-
sonen
Der Luft-Boden-Angriff auf die beiden
Tanklaster und die dort befindlichen
Personen in der Nacht vom 3. auf den
4. September 2009 wurde von der Takti-
schen Operationszentrale („Tactical
Operation Center“ – TOC) der Task
Force 47 im PRT Kunduz aus durchge-
führt.
Die Tanklaster befanden sich zum Zeit-
punkt des Bombenabwurfs auf einer
Sandbank in der Mitte des Flusses Kun-
duz, etwas mehr als 7,2 Kilometer süd-
westlich vom PRT entfernt. Die genaue
Lage ist der folgenden Übersichtskar-
te
1463
zu entnehmen:
S. 16 und 32; dass die Tanklaster durch die Aufständischen „in
Brand gesetzt werden“ sollten, wird nicht erwähnt; Aussagen der
B1-B-Piloten zur Unmöglichkeit der Aufklärung von Waffen
werden nicht angemessen berücksichtigt (S. 21 f.); dem ALO
wird fälschlich zugeschrieben, er habe die Betroffenheit eigener
oder befreundeter Kräfte ausgeschlossen (S. 22 f.); die dem Waf-
feneinsatz zugrundegelegte ROE 429 (offensiv) wird nicht be-
rücksichtigt; Transkripte der Gespräche des JTAC mit den F15-
Piloten werden nicht ausgewertet; unterschiedliche Überzeugun-
gen der handelnden Personen über den Aufenthaltsort der
HUMINT-Quelle werden nicht angesprochen, obwohl dieser für
den GBA zumindest nach dem Luftangriff doch von besonderer
Bedeutung zu sein schien (vgl. S. 37).
1463) Mat. 17-74a, Sonderband Sachakten Geschädigtenvertreter,
Ordn. 1, S. 372.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225 – Drucksache 17/7400
Beim PRT Kunduz handelt es sich um das „Provincial
Reconstruction Team“ (Regionales Wiederaufbauteam)
Kunduz, wie das Bundeswehr-Feldlager genannt wird, das
etwa sieben Kilometer südlich der Stadt Kunduz auf ei-
nem Hochplateau liegt und das bereits im Oktober 2003
durch die Bundeswehr von den US-Streitkräften über-
nommen worden war.
Die Task Force 47 ist eine deutsche Spezialkräfteeinheit
unter dem Kommando der „Führung Operationen von
Spezialkräften“ (FOSK) in Potsdam, die im Einsatzbe-
reich des Regionalkommandos Nord operiert und zum
Teil im Feldlager Kunduz stationiert ist, wo sie über eine
eigene Taktische Operationszentrale verfügt. Auftrag der
Task Force 47 ist es, das Bild über die Lage der gegneri-
schen Netzwerke im Einsatzraum des Deutschen Einsatz-
kontingents zu verdichten und Informationen über Perso-
nen, die mit Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte und
die afghanische Staatsgewalt in Verbindung stehen, zu
verifizieren. Dabei gehen die Angehörigen der TF 47 bei
Vorliegen der im ISAF-Regelwerk festgelegten Kriterien
auch gegen diese Personen aktiv vor, allerdings wegen
einer deutschen Selbstverpflichtung ausschließlich mit
dem Ziel der „Festsetzung“, keinesfalls mit dem Ziel der
Tötung dieser Personen.
1464
Die folgenden Personen aus dem Feldlager Kunduz waren
in dieser Nacht an dem Angriff auf die beiden Tanklaster
beteiligt:
– Oberst Klein war der Kommandeur des PRT Kunduz
und der oberste militärische Führer an diesem Abend.
Er hat am 4. September 2009 um 01.40 Uhr den Be-
fehl zum Bombenabwurf auf die beiden Tanklaster
und die dort befindlichen Personen erteilt. Dabei ging
er aufgrund der Angaben einer afghanischen Kon-
taktperson („HUMINT-Quelle“)1465, die von den
Feldnachrichtenkräften der Task Force 47 geführt
wurde, davon aus, dass es sich bei den Personen un-
mittelbar an den Tanklastern um Aufständische (Ta-
liban oder deren Anhänger) gehandelt hatte und sich
keine Zivilisten an den Tanklastern befanden. Ande-
rerseits bekundete er jedoch auch, dass er in der
Nacht davon ausgegangen sei, dass die Personen, die
sich etwas weiter entfernt von den Tanklastern auf-
hielten „Unbeteiligte“ bzw. Zivilisten gewesen seien.
Deshalb habe er die Waffenwirkung auch unmittelbar
auf die Tanklaster begrenzt.
– Hauptfeldwebel W. war der Fliegerleitoffizier („Joint
Terminal Attack Controller“, JTAC), über den sämt-
liche Kommunikation mit den Piloten des B1-
Bombers und der beiden F15-Bomber sowie mit dem
ISAF-Gefechtsstand für Luftunterstützung in Kabul
(„Air Support Operations Center“, ASOC) durchge-
führt wurde. Hauptfeldwebel W. hat auch den Befehl
Oberst Kleins zum Bombenabwurf an die Piloten der
F15-Bomber weitergegeben. Er war Angehöriger des
1464) Vgl. nur: BT-Drs. 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 7 und 10; 17/3008,
S. 50; Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.
1465) HUMINT=„Human Intelligence“, also Aufklärung durch men-
schliche Quellen.
PRT Kunduz, hatte die Task Force 47 jedoch zuvor
bereits mehrfach unterstützt, kannte also die dort
handelnden Personen.
– Hauptmann N. war zum damaligen Zeitpunkt der
ranghöchste Offizier der „Feldnachrichtenkräfte“ der
Task Force 47 im PRT Kunduz und als Schichtführer
gleichrangig neben Oberst Klein gestellt.
1466
Als J2X-
Nachrichtendienstoffizier für das „Field HUMINT
Team“ (FHT) der TF 47 war er in dieser Nacht dafür
zuständig, die Informationen der afghanischen Kon-
taktperson zu bewerten und an den militärischen Ent-
scheider, Oberst Klein, weiterzugeben. Hauptmann N.
sprach jedoch zu keinem Zeitpunkt direkt mit der
afghanischen Kontaktperson, die er auch persönlich
nicht kannte, sondern erhielt deren Informationen nur
mittelbar über zwei so genannte „HUMINT-
Kollektoren“ der Task Force 47.
– Die Zeugen Hauptfeldwebel S. und Oberfeldwebel F.
fungierten in dieser Nacht als „HUMINT-
Kollektoren“, d. h. ihnen wurden die Aussagen des
Informanten durch den Sprachmittler (Übersetzer),
der mit diesem telefonierte, mitgeteilt und sie über-
mittelten diese Informationen dann an Hauptmann N.,
von dem sie weitere Fragen für den Informanten er-
hielten, die sie wiederum über den Sprachmittler an
diesen weitergaben.
– Der Zeuge M. M. war zum damaligen Zeitpunkt als
Sprachmittler in der Task Force 47 eingesetzt. Er war
nicht sicherheitsüberprüft, so dass er die TOC der
Task Force 47 nicht betreten durfte. Der Zeuge hat
als einziger direkt mit dem afghanischen Informanten
am Telefon gesprochen. Er fungierte ausschließlich
als Übersetzer und hat der Kontaktperson keine eige-
nen Fragen gestellt, sondern nur diejenigen Fragen
weitergegeben, die ihm von den beiden Kollektoren
auf Geheiß von Hauptmann N. gestellt worden sind.
Die Aussagen des Informanten hat er ausschließlich
an die beiden Kollektoren weitergegeben. Einen di-
rekten Kontakt mit Oberst Klein oder mit Hauptmann
N. hatte der Sprachmittler nicht.
b) Sorgloser Umgang mit der Warnmeldung
im Vorfeld
Bereits am Morgen des 3. September 2009 ging bei der
Task Force 47 die Mitteilung eines Informanten ein, nach
der Aufständische unter der Führung eines den Angehöri-
gen der TF 47 bekannten Talibanführers in der Nacht
vom 2. auf den 3. September mehrere Hinterhaltstellun-
gen eingerichtet hätten – eine davon an der Stelle, an der
später am Nachmittag des 3. September die Tanklaster
entführt worden sind.
Die in der TF 47 eingegangene Warnmeldung wurde auch
an das PRT Kunduz weitergeleitet, doch die Beweisauf-
nahme im Ausschuss hat gezeigt, dass weder Angehörige
der Task Force noch Mitarbeiter des PRT auf Grundlage
1466) So jedenfalls: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 33.
Drucksache 17/7400 – 226 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dieser Warnmeldung irgendetwas unternommen haben:
Die Meldung wurde nicht weitergegeben, geplante Trans-
porte auf dieser Strecke wurden nicht überprüft, andere
Stellen wurden nicht gewarnt, obwohl dies eigentlich die
regelmäßig zu erwartende Vorgehensweise gewesen wäre.
Die Information über den Hinterhalt ist sozusagen im
Feldlager „versickert“, so dass die zivilen Tanklaster der
Firma Mir Bacha Kot, die mit Treibstoff für einen zivilen
Logistikpartner der ISAF-Truppen in Kabul beladen war-
en, ahnungslos gegen 15.30 Uhr in den vorbereiteten
Hinterhalt fuhren.
Dies verwundert umso mehr, als sich in der Beweisauf-
nahme herausstellte, dass es sich bei diesem Informanten
um eben jene – von allen Beteiligten immer wieder als
besonders zuverlässig bezeichnete – Kontaktperson ge-
handelt hatte, der Oberst Klein und Hauptmann N. im
weiteren Verlauf der Nacht so sehr vertrauten, dass
Oberst Klein sich allein auf ihre Versicherung, am Ab-
wurfort der Bomben befänden sich ausschließlich Taliban
und keine Zivilisten, zum Bombenabwurf legitimiert
sah.
1467
c) Die problematische Agenda des Haupt-
mann N. – „Der Schwanz wedelt mit dem
Hund“
Am Nachmittag des 3. September 2009, gegen 15.30 Uhr,
bemächtigte sich eine Gruppe von etwa zwölf bis 15 Tali-
ban an dem gemeldeten Hinterhalt der zwei Tanklaster
mit dem Ziel, diese über den Fluss Kunduz in Richtung
Nordwesten zu verbringen.
Entgegen den ursprünglich öffentlich kolportierten Infor-
mationen hat die Beweisaufnahme im Ausschuss erwie-
sen, dass keiner der beiden zivilen Lastwagenfahrer durch
die Taliban getötet wurde. Einer der Lastwagenfahrer
starb vielmehr erst später, unmittelbar durch den Bom-
benabwurf.
1468
Der überlebende Lastwagenfahrer hat im
Ausschuss als Zeuge glaubhaft berichtet, dass er und der
andere Fahrer durch die Taliban gezwungen wurden, die
Fahrzeuge in Richtung Gor Tepa zu verbringen. Ihnen sei
gesagt worden, man sei nur an den Lastwagen und deren
Inhalt interessiert und lasse sie wieder frei, sobald sie
ihren Zielort erreicht hätten.
1469
Gegen 18.15 Uhr blieben die Tanklaster bei dem Versuch,
sie auf die Westseite des Flusses Kunduz – weg vom
Feldlager – zu verbringen, auf einer Sandbank in der
Mitte des Flusses stecken. Sämtliche Versuche, die Tank-
laster aus dem Schlamm zu befreien, scheiterten.
Gegen 20.00 Uhr lief im Feldlager Kunduz die erste Mel-
dung ein, dass zwei Tanklaster durch Taliban entführt
worden seien. Es handelte sich dabei um die Mitteilung
jenes Informanten der Task Force 47, auf den sich Oberst
1467) Vgl. M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 3; Sch., Protokoll-Nr. 33,
Teil II, S. 35.
1468) A. M., Protokoll-Nr. 39, S. 3 ff., 16; Mat. 17-11/11a, Anlagenband
1, Anlage 16 (Dokument 65), S. 2; Mat. 17-5a (Dokument 53),
S. 7.
1469) A. M., Protokoll-Nr. 39, S. 4.
Klein auch später im Laufe der Nacht stützte und der
bereits am Morgen den Hinweis auf die eingerichteten
Hinterhalte an die TF 47 gegeben hatte.
1470
Dieser Informant, die so genannte „Kontaktperson“ oder
„HUMINT-Quelle“, rief den Sprachmittler der TF 47 an
und berichtete bereits zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich
davon, dass die Taliban beabsichtigten, die Lastwagen
über den Fluss vom PRT Kunduz weg zu verbringen. Der
Informant behauptete – ausweislich der schriftlichen
Berichte über diese Gespräche
1471
– mit keinem Wort, es
bestehe die Gefahr, dass die Lastwagen unmittelbar gegen
das PRT Kunduz eingesetzt werden könnten. Er betonte
vielmehr, es sei beabsichtigt, die Lastwagen, die zu die-
sem Zeitpunkt bereits auf der Sandbank feststeckten und
deren Position der Informant kannte,
1472
in das mehr als
30 km nordwestlich vom PRT Kunduz gelegene Gor
Tepa zu verbringen.
Oberst Klein wurde gegen 20.30 Uhr durch seinen eige-
nen Nachrichtendienstoffizier, den Zeugen Oberstleutnant
K., der zuvor durch Hauptmann N. von der Task Force 47
über diese Meldung der Kontaktperson unterrichtet wor-
den war, von der Entführung der Laster in Kenntnis ge-
setzt.
An diesem Abend wurde die Operationszentrale der
TF 47 dazu genutzt, mittels eines B1-Bombers (B1-B)
nach einem liegengebliebenen Fahrzeug des PRT Kunduz
zu suchen, weil man es zerstören wollte, damit es nicht in
die Hände der Aufständischen falle. Anlässlich dieser
Suche wurde Oberst Klein gegen 21.30 Uhr in die Opera-
tionszentrale der TF 47 gerufen, wo er sich jedoch ent-
schied, das aufgespürte Fahrzeug des PRT nicht zu zerstö-
ren, weil er zu starke Kollateralschäden befürchtete. Da-
bei bekundeten sämtliche Zeugen, dass der Befehlsstand
der Task Force nur deshalb benutzt worden sei, weil er
über eine erheblich bessere technische Ausstattung ver-
fügt habe als die Operationszentrale des PRT.
1473
Nach diesem abgebrochenen Einsatz wurde Oberst Klein
nun von Hauptmann N., dem zu diesem Zeitpunkt rang-
höchsten Offizier der Task Force 47 im Feldlager Kun-
duz, vorgeschlagen, dass man den B1-Bomber doch dazu
nutzen könne, nach den entführten Tanklastern zu suchen,
auf die er von einem afghanischen Informanten hingewie-
sen worden sei.
1474
Dabei hat die Beweisaufnahme das bemerkenswerte De-
tail zu Tage gefördert, dass Hauptmann N. diesen Vor-
schlag vor allem deshalb unterbreitete, weil er die
„Glaubwürdigkeit“ und Zuverlässigkeit dieses Informan-
ten überprüfen wollte:
1470) Vgl. M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 3; Sch., Protokoll-Nr. 33,
Teil II, S. 35.
1471) Mat. 17-10a, Anhang G, Anlage 17 (offen, Dokument 55).
1472) Vgl. N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59 und 62.
1473) Vgl. nur: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9; N., Protokoll-Nr. 8,
Teil II, S. 8, 13, 50.
1474) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9; N., Protokoll-Nr. 8, Teil II,
S. 3 und 59.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 227 – Drucksache 17/7400
„Ich wollte das Ganze nutzen, um die Glaubwür-
digkeit meines Kontaktes in Bezug auf andere Din-
ge, die er uns schon gemeldet hatte, noch mal zu
verifizieren, und gucken, ob er wirklich so gut ar-
beitet, wie es die ganze Zeit vorher schon den An-
schein gehabt hatte.“1475
Ohne jeden Zweifel steht nach der Beweisaufnahme fest,
dass es sich bei dem Informanten, auf dessen Aussagen
sich Oberst Klein später für den Bombenabwurf stützte,
um einen HUMINT-Kontakt der Task Force 47 – und
nicht etwa um einen solchen des PRT Kunduz – gehandelt
hatte.
Fest steht auch, dass den Mitarbeitern der Task Force der
Name des Talibanführers, der nach Angabe des Informan-
ten an der Entführung beteiligt gewesen sein soll, geläufig
war. Im Verlauf des Abends berichtete die Kontaktperson
sogar davon, dass noch drei weitere Talibanführer vor Ort
seien, die den Mitarbeitern der Task Force ebenfalls na-
mentlich bekannt waren und die man dort „auf dem
Schirm hatte“.1476
Motiv für das Handeln von Hauptmann N. war jedenfalls
nach seinen eigenen Angaben zu keinem Zeitpunkt die
Abwehr einer möglichen unmittelbaren Gefahr für das
Feldlager Kunduz.
1477
Zudem hat der Zeuge im Ausschuss
ausdrücklich bestätigt, dass er in dieser Nacht keinerlei
Erkenntnisse über die mögliche Verwendung der Tanklas-
ter für einen großen „IED-Anschlag“1478, also dafür hatte,
dass die Tanklaster eventuell als rollende Bomben einge-
setzt werden sollten.
1479
Es wird damit erkennbar, dass die gesamte Operation
durch Hauptmann N. überhaupt erst ins Leben gerufen
wurde, weil dieser zum einen die Gelegenheit sah, die
Zuverlässigkeit seiner TF 47-Kontaktperson zu überprü-
fen, er zum anderen aber auch offensichtlich im Blick
hatte, dass eventuell ein Schlag gegen regionale Taliban-
führer, denen er eine zentrale Rolle zuschrieb, ermöglicht
werden könnte. Es handelte sich dabei also sozusagen um
ein „Gelegenheitsziel“.1480
Schon an dieser Stelle muss aber darauf hingewiesen
werden, dass es sich bei den vier mutmaßlichen Taliban-
führern keinesfalls um solche Personen handelte, zu de-
nen ausreichend Informationen vorgelegen hätten, um die
Namen bereits auf der so genannten „Joint Priority Ef-
fects List (JPEL)“1481 finden zu können.1482
1475) N., Protokoll-Nr. 8, S. 59. Diese Aussage des Zeugen wird durch
die Mehrheit einfach unterschlagen und statt dessen behauptet, es
habe „keinerlei Einflussnahme“ auf die Entscheidungsfindung
von Oberst Klein gegeben (Mehrheitsvotum, S. 177).
1476) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 60 und 61.
1477) Vgl. N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62; Protokoll-Nr. 37, Teil II,
S. 65.
1478) IED= „improvised explosive device“.
1479) Vgl. N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 65.
1480) Vgl. dazu etwa: Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 28, Ziffer 19.
1481) Die JPEL ist eine „Zielliste“, auf die solche Personen nach sorg-
fältigen Prüfungen aufgenommen werden, die als besonders ge-
fährlich gelten und deshalb ergriffen oder getötet werden sollen;
vgl. nur: BT-Drs. 17/2775, S. 77.
Unabhängig davon, dass es Soldaten der Bundeswehr
aufgrund der deutschen Selbstverpflichtung, Personen von
dieser Liste ausschließlich festzunehmen, verboten gewe-
sen wäre, Personen auf dieser Zielliste außerhalb eines
unmittelbaren Angriffs zu töten,
1483
ist schon bemerkens-
wert, dass die vermuteten Talibanführer bei den Tanklas-
tern es zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs noch nicht
einmal auf die JPEL „geschafft hatten“.
Nachdem Oberst Klein den Vorschlag, mit dem B1-
Bomber nach den Tanklastern zu suchen, aufgegriffen
hatte, will Hauptmann N. seinen TF 47-Vorgesetzten in
Masar-e Sharif angerufen und telefonisch gebeten haben,
die Suche nach den Tanklastern mit Hilfe des B1-
Bombers unterstützen zu dürfen.
1484
Dieser Vorgesetzte erklärte als Zeuge im Ausschuss je-
doch, Hauptmann N. habe ihn zwar an dem Abend ange-
rufen, er habe aber mit ihm weder die Nutzung der Opera-
tionszentrale der TF 47, der menschlichen Quellen der
TF 47, noch den Einsatz von bemannten Flugzeugen,
sondern etwas ganz anderes besprochen.
1485
Zudem war
dieser Zeuge davon überzeugt, dass die Initiative für die
Unterstützungsleistung der TF 47 vom PRT-
Kommandanten ausgegangen sei und nicht umgekehrt.
1486
Warum sich Hauptmann N. über seinen konkreten Vor-
schlag gegenüber Oberst Klein und seine Motive hierfür
nicht offen mit seinem Vorgesetzten in Masar-e Sharif
ausgetauscht hat, ließ sich im Ausschuss nicht klären. Fest
steht jedenfalls, dass es zum Luftschlag vermutlich nicht
gekommen wäre, wenn Hauptmann N. in Oberst Klein
nicht den Entschluss geweckt hätte, nach den Tanklastern
zu suchen.
Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss ist zwar auszu-
schließen, dass es sich formal um eine Spezialkräfte-
Operation der Task Force 47 gehandelt hat, jedoch sind
die tatsächlichen Umstände nicht weniger alarmierend,
weil sie den Blick auf einen problematischen Graubereich
öffnen:
Für Hauptmann N. bestand in der Nacht praktisch keine
Möglichkeit, die Suche nach den Lastwagen und den
Talibanführern im Rahmen eines offiziellen Einsatzes der
Task Force 47 durchzuführen. Hierfür hätten die formalen
Hürden viel zu hoch gelegen. Es hätten vorgesetzte Stel-
len, es hätte das Kommando „Führung Operationen von
Spezialkräften“ (FOSK) in Potsdam, es hätte sogar das
Verteidigungsministerium selbst eingeschaltet werden
müssen.
1487
All dies wäre praktisch kaum möglich gewe-
sen, zumal die Informationslage hierfür zu dürftig war
und die an den Tanklastern vermuteten Personen noch
nicht einmal auf der JPEL standen.
1482) So die ausdrückliche Antwort der Bundesregierung auf Frage des
Abg. Dr. Hans-Peter Bartels: BT-PlPr. Nr. 36 der 17. WP vom
21. April 2010 (Fn. 235, Dokument 58), S. 3463.
1483) Vgl. nur: BT-Drs. 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 10; 17/3008, S. 50;
Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.
1484) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.
1485) Ne., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 2 bis 4.
1486) Ne., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 3.
1487) Vgl. etwa: Bra., Protokoll-Nr. 10, S. 57.
Drucksache 17/7400 – 228 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Um aber trotzdem seinem erklärten Interesse an der
Überprüfung der Zuverlässigkeit seines TF 47-
Informanten und seinem offenkundigen Interesse an der
Aufspürung von in seinen Augen zentralen Figuren der
Taliban-Szene verfolgen zu können, kam Hauptmann N.
augenscheinlich der Gedanke, Oberst Klein dazu zu be-
wegen, seinen eigenen Erkenntnisinteressen – und damit
denen der Task Force 47, deren Auftrag vor allem in der
Verfolgung solcher Talibanführer liegt, – ein Stück näher
zu kommen.
Es ist nach der Beweisaufnahme nicht auszuschließen,
dass Oberst Klein dazu eingesetzt wurde, spezifischen
Interessen der Task Force 47 zu dienen, ohne dass ihm
dies deutlich geworden wäre, denn davon, dass die Zuver-
lässigkeit des Kontakts überprüft werden sollte, wusste
Oberst Klein nichts.
Eine solche Vorgehensweise ist nicht von vornherein
unzulässig. Sie dürfte auch nicht gegen interne Regularien
verstoßen, weil die Entscheidungen, die Tanklaster zu
suchen und die Bomben abzuwerfen, letztlich formal
ausschließlich durch Oberst Klein getroffen und verant-
wortet wurden.
Dieser Graubereich zwischen dem Agieren des PRT Kun-
duz auf der einen und dem der Spezialkräfte der Task
Force 47 auf der anderen Seite erscheint allerdings gerade
auch aufgrund der im ISAF-Operationsplan bewusst ange-
legten Trennung der Aufgaben und Befugnisse dieser
beiden Bereiche, bedenklich.
Der gesamte Einsatz gründete auf den Informationen
einer einzelnen HUMINT-Quelle der TF 47, die aus-
schließlich durch Hauptmann N. vermittelt wurden. Dabei
unternahm Hauptmann N. alles, um einen möglichen
Kontakt Oberst Kleins mit den anderen Mitarbeitern der
TF 47, den beiden Kollektoren und dem Sprachmittler, zu
unterbinden. Er wies seine Untergebenen sogar an, kei-
nesfalls selbst mit Oberst Klein zu sprechen.
1488
Wenn man in Rechnung stellt, dass weder Oberst Klein
noch der JTAC ausreichende Kenntnisse der Einsatzre-
geln für offensive Waffeneinsätze bei der Verfolgung von
Aufständischen im Rahmen eines „Gelegenheitsschlages“
hatten,
1489
die sonst allenfalls den Kommandeuren der
Task Force zugewiesen sind, wird der Blick für die mög-
lichen Hintergründe der Entscheidungen von Oberst Klein
in der Nacht eröffnet, indem bereits hier zumindest die
Möglichkeit einer – bewussten oder unbewussten – Be-
einflussung des militärischen Führers erkennbar wird.
Die Zeugen der TF 47, des Kommandos FOSK und des
Ministeriums haben im Ausschuss immer wieder betont,
die TF 47 habe in dieser Nacht nur „untergeordnete Un-
terstützungsleistungen“ für den PRT-Kommandanten
erbracht. Jedoch drängt sich nach der Beweisaufnahme im
Ausschuss der Eindruck auf, dass der PRT-Kommandeur
letztlich Unterstützungsleistungen für die Interessen der
Task Force 47 geleistet hat. Die TF 47 hätte ohne ihn in
1488) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 75.
1489) Vgl. etwa: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 46.
dieser Nacht nicht in dieser Form agieren können. Hier
hat sprichwörtlich „der Schwanz mit dem Hund gewe-
delt“.
d) Drängen auf schnellen Bombenabwurf
durch Hauptmann N. und Hauptfeldwebel
W.
Bestätigt wird die zentrale Rolle von Hauptmann N. durch
das Geschehen in der Operationszentrale, nachdem die
Tanklaster durch den B1-Bomber gegen 00.15 Uhr auf-
gespürt worden waren und Oberst Klein wieder in die
Operationszentrale gerufen wurde, wo er etwa um 00.25
Uhr eintraf. Denn die Beweisaufnahme hat ergeben, dass
Oberst Klein bereits unmittelbar nach seinem Eintreffen
in der Operationszentrale der TF 47 von Hauptmann N.
und dem JTAC, Hauptfeldwebel W., den eine wiederhol-
te, enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der
Task Force 47 verband,
1490
empfohlen worden war, die
Tanklaster zügig durch den B1-Bomber angreifen zu
lassen. Dies habe er aber abgelehnt, weil sein Lagebild zu
diesem Zeitpunkt für eine derart weitreichende Führungs-
entscheidung bei Weitem nicht ausgereicht habe.
1491
Spä-
ter gab er sogar zu Protokoll:
„Andere hatten einen früheren Einsatz empfoh-
len.“1492
Auf die Frage
„Sie sprachen vorhin selbst darüber, dass es auch
Soldaten gab, die einen früheren Einsatz mögli-
cherweise auch mit B-1 empfohlen haben. Wer hat
diesen Einsatz empfohlen und wie verlief die Dis-
kussion oder das Gespräch darüber?“
antwortete der Zeuge Klein im Ausschuss:
„Das waren der Hauptmann N. und auch mein
JTAC, der gesagt hat: das ist eine Möglichkeit,
jetzt schon durch die B-1 mit acht Bomben zu be-
kämpfen. – Ich habe das als absurd abgelehnt zu
diesem Zeitpunkt.
(…) wenn ich mich hätte drängen lassen, dann wä-
re vielleicht etwas anderes passiert.“1493
Hauptmann N. und Hauptfeldwebel W. haben im Aus-
schuss bestritten, eine solche Empfehlung jemals abgege-
ben zu haben. Hauptmann N. will seine Rolle ausschließ-
lich darin gesehen haben, die Erkenntnisse des Informan-
ten ohne jegliche Bewertung – sozusagen wie ein „Brieft-
räger“1494 – an Oberst Klein weitergegeben und immer
wieder darauf hingewiesen zu haben, dass man die Aus-
1490) In den Augen von Hauptmann N. soll Hauptfeldwebel W. sogar
„der beste JTAC in der Gegend“ gewesen sein, vgl. Mat. 17-
10/10a, Anhang F, Anlage 17, Ziffer 15.
1491) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12.
1492) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
1493) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 50.
1494) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60 und Protokoll-Nr. 37,
Teil II, S. 76, 83.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229 – Drucksache 17/7400
sagen der Quelle „nicht als absolut annehmen“ könne.1495
Und auch Hauptfeldwebel W. beschrieb sich im Aus-
schuss ausschließlich als Befehlsempfänger.
1496
Beide
wollen Oberst Klein nicht im Entferntesten beraten oder
gar irgendwelche Empfehlungen ausgesprochen haben.
1497
Diese Darstellungen erscheinen nach der Beweisaufnah-
me eher unglaubhaft. Weil beide vor dem Ausschuss
bestritten haben, sich miteinander vor dem Eintreffen von
Oberst Klein über einen möglichen Bombeneinsatz ver-
ständigt zu haben, konnte letztlich nicht nachgewiesen
werden, ob die Empfehlung zum frühzeitigen Bomben-
abwurf zwischen beiden Zeugen abgesprochen war oder
ob beide unabhängig voneinander Oberst Klein eine sol-
che Empfehlung gegeben haben.
Plausibel erscheint es, dass beide sich im Vorfeld über
diese Empfehlung gegenüber Oberst Klein verständigt
hatten, zumal in der Beweisaufnahme erkennbar wurde,
dass der Zielplanungsprozess für einen Bombenabwurf
durch den B1-Bomber bereits eingeleitet und mit den
Piloten über die mögliche Bombenauswahl gesprochen
worden war, bevor Oberst Klein die Operationszentrale
überhaupt wieder betreten hatte.
1498
Es erscheint eher
fernliegend, dass der JTAC dies aus eigenem Antrieb
heraus ohne Rücksprache mit Hauptmann N. eingeleitet
hatte.
Auf die Frage im Ausschuss, ob er mit Hauptmann N.
über den möglichen Bombenabwurf durch den B1-
Bomber gesprochen habe, äußerte sich der Zeuge Haupt-
feldwebel W. denn auch nur ausweichend.
1499
Jedenfalls
räumte er an anderer Stelle klar ein, nicht ausschließlich
mit Oberst Klein, sondern auch direkt mit Hauptmann N.
kommuniziert zu haben.
1500
Naheliegend erscheint es
daher, dass sich der JTAC und Hauptmann N. in Abwe-
senheit von Oberst Klein schon darüber verständigt hat-
ten, dass die Tanklaster bombardiert werden sollten und
dass dies auch gegenüber Oberst Klein so empfohlen
werden sollte.
Hierfür spricht auch der Zeitablauf: Oberst Klein wurde
erst um 00.15 Uhr über die Zentrale des PRT in die TOC
gerufen und erschien dort kaum vor 00.25 Uhr. Zu diesem
Zeitpunkt wusste er noch gar nicht, in welcher Situation
die Tanklaster aufgefunden worden waren. Um 00.30 Uhr
meldete die B1-Besatzung bereits, aufgrund Treibstoff-
knappheit zum Stützpunkt zurückkehren zu müssen.
1501
Es erscheint unrealistisch anzunehmen, dass die Lageun-
terrichtung von Oberst Klein und der gesamte Zielpla-
nungsprozess in diesen wenigen Minuten durchgeführt
wurden. Zudem macht es wenig Sinn, dass Oberst Klein,
wenn er davon ausging, dass das Lagebild zu diesem
1495) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60 sowie 64 und 68; Nr. 37, S. 76
und 83.
1496) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 15, 16, 26, 27 und 38.
1497) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60; Nr. 37, Teil II, S. 76 und 83;
W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 15, 16, 26, 27 und 38.
1498) Vgl. Mat. 17-10/10a, Chronologischer Ablauf, Ziffer 22 f.
1499) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 26: „Keine Ahnung, ist möglich,
weiß ich nicht.“
1500) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 53.
1501) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13.
Zeitpunkt „bei Weitem nicht ausgereicht“ hatte, trotzdem
unmittelbar den Zielplanungsprozess bei den B1-
Bombern einleitete.
Es spricht daher vieles dafür, dass Hauptmann N. und der
JTAC sich bereits darauf verständigt hatten, die Option
einer möglichen Bombardierung der Tanklaster konkret
vorzubereiten, zumal Hauptmann N. in der Zwischenzeit
durch die „HUMINT-Quelle“ noch die zusätzliche Infor-
mation erhalten hatte, dass sich mittlerweile nicht nur ein,
sondern vier bekannte Talibanführer, an den Tanklastern
befinden sollten.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass weder
der JTAC noch Hauptmann N. nach ihren eigenen Anga-
ben im Ausschuss zu diesem Zeitpunkt irgendeine konk-
rete Gefahr für das PRT gesehen hatten,
1502
sondern sich
diese frühe Empfehlung zur Bombardierung ausschließ-
lich darauf bezogen haben muss, gegen die auf der Sand-
bank vermuteten Talibanführer und ihre Anhänger vorzu-
gehen.
Die Aussage von Hauptmann N., er habe keinerlei Emp-
fehlungen gegeben und keine Vorschläge zur Bekämp-
fung der Tanklaster gemacht, sondern nur als „Briefträ-
ger“ fungiert, muss nach der Beweisaufnahme – auch in
Anbetracht des persönlichen Eindrucks, den der Zeuge in
seiner Befragung im Ausschuss hinterließ – eher bezwei-
felt werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Oberst
Klein schon zu diesem frühen Zeitpunkt von Hauptmann
N. und Oberfeldwebel W. nahegelegt, ja dass er sogar von
diesem überhaupt erst auf den Gedanken gebracht wurde,
die Tanklaster und die Personen vor Ort mit Bomben zu
bekämpfen.
e) Keine Bestätigung durch die Aufklä-
rungsmittel des B1-Bombers
Hauptmann N. bemühte sich zudem im Ausschuss immer
wieder, den Eindruck zu erwecken, die Piloten der B1-
Bomber hätten alle Personen an den Tanklastern als Auf-
ständische identifiziert und bei allen Personen Waffen
festgestellt, wodurch die Information seines Kontaktman-
nes, die Personen vor Ort seien alle Taliban, bestätigt
worden sei.
1503
Diese angebliche Erkenntnis über den
Aufklärungserfolg der B1-Bomber-Besatzung will er
entweder von Hauptfeldwebel W. erhalten oder gehört
haben, wie dies „am Funk entsprechend diskutiert“ wor-
den sei.
1504
Auch diese Darstellung von Hauptmann N. vor dem Aus-
schuss stößt nach der Beweisaufnahme auf Zweifel: Zwar
bekundeten auch Hauptfeldwebel W. und Oberst Klein im
Ausschuss, die B1-B-Piloten hätten vor Ort zumindest bei
einigen Personen Waffen festgestellt, aus den beigezoge-
nen Dokumenten ergibt sich allerdings, dass diese Aussa-
1502) So ausdrücklich: W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 19; N., Protokoll-
Nr. 8, Teil II, S. 62; Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 65.
1503) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 64; Protokoll-Nr. 37,
Teil II, S. 84.
1504) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 64; Protokoll-Nr. 37,
Teil II, S. 84.
Drucksache 17/7400 – 230 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ge nicht belastbar ist. Die B1-B-Piloten haben ausgesagt,
sie hätten nicht unterscheiden können, ob die Personen
Waffen oder Holzscheite, Kraftstoffkanister oder sonstige
Gegenstände in der Hand gehalten hatten, zumal sich zu
dieser Zeit mehr als 100 Personen vor Ort aufhielten.
1505
Wenn man sich die Videoaufzeichnungen des B1-
Bombers
1506
und der F15-Bomber
1507
, die dem Ausschuss
vorliegen, anschaut, dann erscheint es unrealistisch anzu-
nehmen, dass allein aufgrund der Videoaufnahmen aus
großer Entfernung (sieben Kilometer Höhe) und ohne
einen niedrigen Überflug, eine solch weitreichende Aus-
sage getroffen werden konnte, wie Hauptmann N. sie
behauptet hat.
Nur beispielhaft hier zwei Screenshots der Videoauf-
zeichnungen der F15-Bomber, etwa eine halbe Stunde vor
dem Bombenabwurf:
1508
Es ist auch nicht der geringste Grund dafür erkennbar,
warum die US-Piloten des B1-Bombers, die am Waffen-
einsatz letztlich gar nicht beteiligt waren, im Nachhinein
wahrheitswidrig hätten behaupten sollten, sie hätten keine
konkreten Waffen an den Personen um die Tanklaster
aufgeklärt.
1505) Vgl. Mat. 17-71, S. 321 und Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage
23, Rz. 9, 10, 40.
1506) Mat. 17-63 und Mat. 17-67.
1507) Redigiertes Transkript der Cockpit-Tapes der F-15E Kampfflug-
zeuge (Fn. 319, Dokument 60).
1508) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60).
Die Zeugen Hauptfeldwebel W. und der Storyboard-
Schreiber V., die die Videobilder in der TOC der Task
Force 47 auf erheblich größeren Bildschirmen als in den
Flugzeugen verfolgen konnten, berichteten im Ausschuss
zudem glaubhaft, dass sowohl auf den Bildern des B1-
Bombers als auch auf denen der F15-Luftfahrzeuge weder
die Art der Fahrzeuge, die Anzahl der Personen an den
Tanklastern noch eine eventuelle Bewaffnung dieser
Personen erkennbar, geschweige denn die Einordnung
dieser Personen als Aufständische oder als Zivilisten
möglich,
1509
wohl aber ein „reges Kommen und Gehen“
zu beobachten gewesen sei.
1510
Wie die Besatzung des
B1-B dann auf einem erheblich kleineren Bildschirm im
Luftfahrzeug ein besseres Bild erhalten haben soll, das
eine so weitreichende Bewertung oder gar eine förmliche
positive Identifikation („Positive Identification“, PID)
sämtlicher dort befindlicher Personen als bewaffnete
Mitglieder eines militärisch organisierten Teils der Tali-
ban ermöglicht haben soll, bleibt schleierhaft.
Weiter verwundert die Einlassung von Oberst Klein im
Ausschuss, der JTAC habe ihm gesagt, die B1-B-Piloten
hätten „Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen“ bei
den Personen an den Tanklastern aufgeklärt,
1511
weil es
sich hierbei fast wörtlich um die schriftlich fixierte Mel-
dung des Informanten gehandelt hat, der in der Nacht
mitgeteilt hatte, die Aufständischen seien mit „Panzer-
fäusten und Handfeuerwaffen“ bewaffnet.1512
Es konnte letztlich im Ausschuss nicht aufgeklärt werden,
ob der JTAC gegenüber Oberst Klein wirklich behauptet
hat, diese Handfeuerwaffen seien durch die B1-B-Piloten
aufgeklärt worden oder ob Oberst Klein im Ausschuss die
Meldungen des Informanten irrtümlich den B1-B-Piloten
zuschrieb.
Es ist jedoch in der Beweisaufnahme deutlich geworden,
dass eine solche konkrete Identifizierung spezifischer
Waffen in den Händen der Personen an den Tanklastern
objektiv kaum von den B1-B-Piloten durchgeführt wor-
den sein kann. Entweder hat Oberst Klein dies in seiner
Erinnerung verwechselt oder Hauptmann N. und Haupt-
feldwebel W. hatten über den Hinweis der Quelle gespro-
chen und gegenüber Oberst Klein – bewusst oder unbe-
wusst – den Eindruck erweckt, die B1-B-Piloten hätten
diese Meldung des Kontakts zum Vorhandensein be-
stimmter Waffen vor Ort mit ihren Aufklärungsmöglich-
keiten bestätigt.
Es könnte sich ansonsten allenfalls noch um ein Verstän-
digungsproblem zwischen dem JTAC und den B1-B-
Piloten gehandelt haben, was allerdings angesichts der
Ausbildung des JTAC und der Tatsache, dass er bereits
mehr als 40 derartiger Aktionen durchgeführt hatte, eher
fernliegend erscheint, zumal es sich hierbei um eine solch
zentrale Frage handelt, dass bei wirklichen Verständi-
gungsproblemen hätte nachgefragt werden müssen.
1509) Vgl. etwa: W., Protokoll-Nr. 8, S. 9, 10, 31; V., Protokoll-Nr. 37,
S. 24.
1510) W., Protokoll-Nr. 8, S. 31.
1511) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
1512) Mat. 17-10a, Anhang G, Anlage 17 (offen, Dokument 55).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231 – Drucksache 17/7400
Die Behauptung von Hauptmann N., alle Personen an den
Tanklastern seien objektiv durch die Luftfahrzeugbesat-
zung als Aufständische identifiziert worden, ist jedenfalls
widerlegt.
Dieser Gesichtspunkt ist deshalb von entscheidender
Bedeutung, weil die Aufklärung von Waffen an allen
Personen vor Ort durch die B1-B-Besatzung letztlich die
einzige objektive Bestätigung der Aussagen des
HUMINT-Kontakts zur Eigenschaft „aller“ Personen vor
Ort als bewaffnete „Aufständische“ dargestellt hätte.
Wenn es aber zutrifft, dass selbst dies noch nicht einmal
erfolgte, so wurde der Bombenabwurf letztlich allein auf
die unbestätigten Aussagen der HUMINT-Quelle gestützt,
was schon aus rein „handwerklicher“ Sicht besorgniserre-
gend erscheint.
Letztlich war nicht aufzuklären, ob Oberst Klein bewusst
in die Irre geführt wurde oder ob der JTAC die B1-B-
Piloten wirklich (fälschlich) so verstanden hatte, dass
diese genau die Waffen aufgeklärt hätten, die der Infor-
mant am Telefon erwähnt haben sollte. Beide Varianten
führen jedoch zu besorgniserregenden Ergebnissen:
In der ersten Variante wäre das dem Bombenabwurf zu
Grunde liegende Lagebild von Oberst Klein durch falsche
Angaben verfestigt worden, wodurch die Verantwortlich-
keit von Hauptfeldwebel W. und Hauptmann N. neu be-
wertet werden müsste.
In der zweiten Variante würde man zu Gunsten von
Hauptfeldwebel W. davon ausgehen, dass die Piloten
tatsächlich einige Waffen bei den Personen an den Tank-
lastern aufgeklärt hatten. Dann würde sich jedoch die
weitere Frage stellen, ob dieser vage Hinweis tatsächlich
ausreichen durfte anzunehmen, sämtliche Personen vor
Ort seien Mitglieder einer militärisch organisierten be-
waffneten Gruppe von Taliban. Die erforderliche eindeu-
tige positive Identifizierung sämtlicher Personen an den
Tanklastern ist jedenfalls nachweisbar durch die B1-B-
Besatzung nicht erfolgt.
Es ist gut nachvollziehbar, dass das Lagebild aus der Sicht
von Oberst Klein zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht
ausreichte, um einen Bombenabwurf zu befehligen, ob-
wohl ihm der Eindruck vermittelt worden war, die Aussa-
gen des Informanten seien durch die B1-B-Piloten bestä-
tigt worden.
An dieser Stelle muss allerdings bereits darauf hingewie-
sen werden, dass sich auch im weiteren Verlauf der Nacht
keine zusätzlichen Erkenntnisse hinsichtlich des Vorhan-
denseins von Waffen bei den Personen an den Tanklastern
ergaben: Die Bilder, die die unmittelbar danach angefor-
derten F15-Bomber lieferten, waren noch einmal schlech-
ter als die des B1-Bombers, so dass durch diese erst Recht
keine positive Identifizierung von Aufständischen erfol-
gen konnten.
Die Piloten der F15-Bomber verließen sich hierbei viel-
mehr ausschließlich auf die Angaben des JTAC, der nur
das wiedergab, was die menschliche Quelle zur Einord-
nung der Personen an den Tanklastern berichtete. Zusätz-
liche Erkenntnisse lieferten und besaßen die F15-Piloten
nicht.
Insofern stellt sich die Frage, aufgrund welcher Fakten
sich das zunächst zu Recht als viel zu diffus beschriebene
Lagebild von Oberst Klein zum Zeitpunkt des Abzugs des
B1-Bombers eigentlich im weiteren Verlauf der Nacht
derart verdichtet haben soll, dass er den Bombenabwurf
dann auf einmal doch als legitimiert ansah.
f) Fehlerhafter Umgang mit dem afghani-
schen HUMINT-Kontakt
In der Zeit zwischen dem Abzug des B1-Bombers wegen
Treibstoffmangels nach 00.30 Uhr und dem Eintreffen der
beiden F15-Bomber gegen 1.08 Uhr sowie in der Zeit
danach wurde nun zwischen Oberst Klein und Hauptmann
N. immer wieder über die Zuverlässigkeit der Informatio-
nen der Kontaktperson gesprochen, zumal diese letztlich
als einzig verbleibende Informationsquelle für das Ge-
schehen auf der Sandbank und zur Identifizierung der dort
befindlichen Personen übrigblieb.
Oberst Klein wurde von Hauptmann N. darüber infor-
miert, dass der HUMINT-Kontakt wiederholt berichtet
habe, es befänden sich ausschließlich Aufständische an
den Tanklastern, die mit „Panzerfäusten und Handfeuer-
waffen“ bewaffnet seien und die versuchten, die Tanklas-
ter zu entleeren, um sie wieder beweglich zu machen.
Unter den Aufständischen seien auch vier – Oberst Klein
ebenfalls namentlich bekannte – Talibanführer mit ihren
Gruppen. Oberst Klein soll daraufhin wohl auch noch
mehrfach – nach seiner eigenen Einlassung „sieben-
mal“1513 – nachgefragt haben, ob sich der Informant wirk-
lich sicher sei, dass ausschließlich Taliban vor Ort seien,
was Hauptmann N. ihm daraufhin auch immer wieder
bestätigt habe. Oberst Klein sah sich damit in seiner
Überzeugung gefestigt, dass vor Ort – zumindest unmit-
telbar an den Tanklastern – ausschließlich Taliban seien.
Im Umgang mit dieser zentralen HUMINT-Quelle haben
sich im Ausschuss jedoch mehrere Probleme offenbart,
die Handeln der militärischen und politischen Führung
erforderlich machen:
aa) Der militärische Führer verfügte nicht über
sämtliche Informationen der Quelle
Die Beweisaufnahme ergab, dass nicht alle Informatio-
nen, die der HUMINT-Kontakt dem Sprachmittler gab,
auch tatsächlich Oberst Klein erreichten, sondern entwe-
der auf dem Weg zu ihm verloren gingen oder ihm even-
tuell bewusst vorenthalten wurden.
1513) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56.
Drucksache 17/7400 – 232 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aaa) Informationen zum „Ausschlachten“ und
„In-Brand-Setzen“ der Tanklaster durch
die Taliban erreichten Oberst Klein nicht
So berichtete der Kontakt beispielsweise um 23.00 und
um 0.00 Uhr ausdrücklich davon, dass zu dem Zeitpunkt,
als die Tanklaster nicht mehr beweglich zu machen war-
en, damit begonnen worden sei, die Fahrzeuge vor Ort zu
entleeren und den Kraftstoff in andere Behälter umzufül-
len. Eine weitere entscheidende Information der Quelle
war zudem, die Aufständischen hätten den Plan verfolgt,
die Fahrzeuge nach dem „Ausschlachten“ „in Brand zu
setzen“,1514 so dass damit von ihnen letztlich keinerlei
Gefahr für das Feldlager mehr ausgegangen wäre.
Der Zeuge Hauptmann N. gab vor dem Ausschuss an, er
habe Oberst Klein über alles informiert, was ihm der
Kontakt gesagt habe.
1515
Diese Information, die sich
schriftlich niedergelegt in den vom Ausschuss beigezoge-
nen Akten findet, erreichte Oberst Klein nach dessen
Angaben jedoch erst nach dem Bombenabwurf.
1516
Oberst
Klein will stattdessen – warum auch immer – bis zum
Bombenabwurf davon ausgegangen sein, dass die Auf-
ständischen vorhaben könnten, die Tanklaster unmittelbar
gegen das Feldlager einzusetzen.
Hätte Oberst Klein gewusst, dass es Plan der Aufständi-
schen war, die Tanklaster im Flussbett selbst in Brand zu
setzen, hätte ihm diese Sorge um einen möglichen Angriff
auf das PRT, die nach seinen Angaben ein wesentlicher
Grund für den Waffeneinsatz gewesen sein soll, eventuell
genommen werden können.
bbb) Informationen zu den zivilen Fahrern er-
reichten Oberst Klein nicht
Weiterhin wurde in der Beweisaufnahme deutlich, dass
die Kontaktperson mit dem Sprachmittler der TF 47 auch
über den Verbleib der zivilen Lastwagenfahrer gespro-
chen hat. Angeblich soll der Kontakt gegenüber dem
Sprachmittler gesagt haben, dass einer der Lastwagenfah-
rer vor Ort auf der Sandbank von Taliban erschossen
worden sei, weil er sich geweigert habe, weiterzufahren.
Wörtlich soll der Informant gesagt haben: „Der erste
Fahrer ist jetzt tot.“1517
Damit wäre davon auszugehen, dass über den Verbleib
der beiden zivilen Lastwagenfahrer zumindest gesprochen
wurde. Oberst Klein will jedoch auch hiervon nach eige-
nen Angaben nichts gewusst haben. Er sei vielmehr auf
Grund seiner allgemeinen Erfahrungen davon ausgegan-
gen, dass die Fahrer entweder sofort von den Lastwagen
getrennt oder direkt bei der Entführung durch die Taliban
ermordet worden seien.
1518
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die
F15-Piloten den JTAC vor dem Bombenabwurf ausdrück-
1514) Mat. 17-10a, Anhang G, Anlage 17 (offen, Dokument 55).
1515) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 64.
1516) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.
1517) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 21.
1518) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23 und 57.
lich nach dem Verbleib der zivilen Fahrer gefragt hatten,
worauf dieser ihnen zur Antwort gab, es gebe keine In-
formationen über die Fahrer, man habe aber die Informa-
tion, dass alle Personen bei den Tanklastern Aufständi-
sche seien.
1519
Im Ausschuss behauptete der JTAC, er habe die Frage der
Piloten nach den Fahrern an Oberst Klein oder Haupt-
mann N. weitergegeben.
1520
Dabei ist allerdings festzus-
tellen, dass der JTAC die einzige Antwort gegenüber den
Piloten dazu („no information about the drivers“) bereits
unmittelbar nach der Fragestellung gab, so dass keine Zeit
dazu blieb, eine Antwort des HUMINT-Kontakts abzu-
warten.
1521
Die Frage nach den Fahrern soll nach Aus-
kunft eines der Kollektoren auch an den Sprachmittler
gegeben worden sein.
1522
Der Sprachmittler soll nach
Auskunft beider Kollektoren jedoch keine Erkenntnisse
zum Verbleib der Fahrer an sie gemeldet haben, so dass
sie davon ausgegangen seien, dass über die Fahrer keine
Informationen vorgelegen hätten.
1523
Hauptmann N. behauptete im Ausschuss hingegen zumin-
dest an einer Stelle, die Lastwagenfahrer wären an dem
Abend von dem Kontakt „als nicht mehr im Spiel ge-
nannt“ worden, er sei sogar davon ausgegangen, sie seien
„umgebracht worden“.1524 Dafür, dass irgendwer in dieser
Nacht berichtet haben könnte, beide Fahrer seien getötet
worden, wurde in der Beweisaufnahme jedoch nicht der
geringste Anhaltspunkt gefunden. In dieser Weise hat sich
weder einer der Kollektoren noch der Sprachmittler erin-
nert. Auch gibt es keinerlei schriftliche Hinweise auf ein
solches Szenario.
Was der Grund für diese unterschiedlichen Aussagen zum
Verbleib der Fahrer ist, konnte der Ausschuss letztlich
nicht aufklären. Entweder hat der Sprachmittler die Fak-
ten durcheinandergebracht und doch erst später vom ver-
meintlichen Schicksal der Fahrer erfahren – dann erklärt
sich allerdings nicht, warum Hauptmann N. zumindest an
einer Stelle erklärt hat, der Kontakt habe davon berichtet,
dass die Fahrer umgebracht worden seien. Oder es wurde
tatsächlich über die Fahrer gesprochen – was immerhin
vom JTAC, einem der Kollektoren, vom Sprachmittler
und von Hauptmann N. im Ausschuss bekundet wurde –
und Hauptmann N. hat die Informationen zu den Fahrern
nicht an Oberst Klein weitergegeben.
Oberst Klein haben Informationen zu den Fahrern nach
seinen Angaben im Ergebnis jedenfalls nicht erreicht.
Dass diese Informationen aber – insbesondere dann, wenn
es zutrifft, dass nur über den Tod eines Fahrers gespro-
chen worden ist – von großem Wert gewesen wären,
ergibt sich schon daraus, welche Bedeutung die F15-
Piloten dem Schicksal der Fahrer beigemessen hatten.
1525
1519) Vgl. Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 5.
1520) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 48.
1521) Vgl. Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 5.
1522) Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 41 und 45.
1523) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 5; Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II,
S. 45.
1524) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62 und 81.
1525) Vgl. Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 233 – Drucksache 17/7400
Und auch für Oberst Klein selbst hätte die Kenntnis von
der Anwesenheit eines Zivilisten unmittelbar an den
Tanklastern das Lagebild sicherlich verändert.
ccc) Standort der Quelle wurde gegenüber
Oberst Klein verschwiegen
Noch eine weitere, für die Bewertung der Informationen
der Quelle wichtige Information erreichte Oberst Klein
nicht: Dieser ging nämlich nach seinen Angaben im Aus-
schuss fest davon aus, dass die Kontaktperson Sicht auf
die Tanklaster und die dortigen Personen hatte. Hingegen
war es für die an der Informationsweitergabe beteiligten
Angehörigen der TF 47, die beiden Kollektoren
1526
und
vor allem auch für Hauptmann N.
1527
, klar, dass die Kon-
taktperson sich überhaupt nicht in der Nähe der Sandbank
befand, sondern anscheinend nur mit einer oder mit meh-
reren Personen telefonierte, die ihn über die Geschehnisse
an den Tanklastern ins Bild setzten.
1528
Während Oberst Klein annahm, die Quelle würde originä-
re, eigene Erkenntnisse und Eindrücke schildern, stützte
sich die Quelle augenscheinlich nur auf „Unterinforman-
ten“ oder „Subkontakte“, über deren Identität, Zuverläs-
sigkeit oder möglicherweise verdeckte Agenda keine der
beteiligten Personen irgendetwas wusste.
Im Hinblick darauf, dass Oberst Klein den Eindruck ge-
wonnen hatte, die Quelle habe direkten Blick auf die
Sandbank gehabt, während er und die beiden Kollektoren
davon ausgingen, dass dies nicht stimmte, erklärte
Hauptmann N. im Ausschuss nur lakonisch:
„Herr Abgeordneter, das war der Eindruck des
Herrn Oberst.“1529
Auch der Sprachmittler glaubte sich im Ausschuss zu
erinnern, dass sich die Kontaktperson die meiste Zeit
unmittelbar an den Tanklastern befunden habe.
1530
Ob
dies nun letztlich zutrifft oder nicht, kann dahinstehen.
Entscheidend ist vielmehr, dass nach Aussagen sowohl
der beiden Kollektoren als auch von Hauptmann N., sich
alle drei sicher waren, dass die Kontaktperson nicht vor
Ort war und keinen Blick auf die Sandbank hatte, dass
diese wichtige Information aber jedenfalls nicht an Oberst
Klein weitergegeben wurde.
Im Übrigen hatten sich auch weder die Kollektoren noch
Hauptmann N. bemüßigt gesehen, bei der Kontaktperson
nachzufragen, um welche „Subinformanten“ es sich über-
haupt gehandelt habe, welche eigenen Interessen diese
haben könnten und wie zuverlässig diese seien.
1531
Wie es dazu kommen konnte, dass Oberst Klein eine
solche für die Bewertung der Aussagen des Informanten
entscheidende Erkenntnis nicht mitgeteilt wurde, konnte
1526) Vgl. Sch., Protokoll-Nr. 33, S. 34, 36, 37, 38, 44, 49 sowie F.,
Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 2, 7, 10.
1527) Vgl. nur: N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.
1528) Vgl. nur: N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.
1529) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 64.
1530) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2, 3, 6, 24.
1531) Vgl. nur: Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 49.
in der Beweisaufnahme des Ausschusses nicht abschlie-
ßend geklärt werden.
Auch hier ist nicht auszuschließen, dass Oberst Klein
diese wichtige Information von Hauptmann N. bewusst
verschwiegen worden war, um den militärischen Führer
darin zu bestärken, den Informationen der Quelle Ver-
trauen entgegenzubringen. Andererseits könnte Haupt-
mann N. es aber auch nur unbeabsichtigt versäumt haben,
Oberst Klein darüber zu informieren, weil er die Informa-
tion über den tatsächlichen Standort und Blickwinkel der
Kontaktperson für unwesentlich gehalten hatte.
Sollte dies der Fall sein, müsste allerdings stark an Aus-
bildung und Professionalität des Zeugen gezweifelt wer-
den, denn selbstverständlich macht es für die Bewertung
der Angaben einer HUMINT-Quelle einen erheblichen
Unterschied, ob die Person aus eigener Anschauung be-
richtet oder nur Erkenntnisse Dritter, über deren Identität
und Hintergründe nichts bekannt ist, weitergibt.
Fest steht jedenfalls, dass Oberst Klein über dieses wich-
tige Detail im Unklaren gelassen wurde und er deshalb
davon ausging, die Quelle berichte aus eigener Sinnes-
wahrnehmung, wodurch die Informationen authentischer
wirkten, als sie es tatsächlich waren.
Die Behauptung der Mehrheit, es komme nicht darauf an,
„wie und wo ein Kontakt seine Informationen erhält“,1532
es sei sogar „ausdrücklich besser, wenn ein Informant
über ein weit verbreitetes Netz“ verfüge, lässt an der
militärfachlichen und nachrichtendienstlichen Kompetenz
der Verfasser des Mehrheitsvotums zweifeln. Es dann
noch als „erwiesen“ anzusehen, „dass dies nicht zu einer
unvertretbaren Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit“ der
Informationen der Kontaktperson geführt habe, gleichzei-
tig aber einzuräumen, dass die Informationen der Kon-
taktperson über die Anwesenheit von Zivilisten vor Ort
letztlich objektiv wohl doch falsch gewesen sein müs-
sen,
1533
ist nicht zu erklären.
ddd) Zwischenergebnis
Damit hat die Beweisaufnahme im Ausschuss ergeben,
dass zumindest drei für das konkrete Lagebild unentbehr-
liche Informationen der Kontaktperson, die offenbar im
Bereich der Task Force 47 vorlagen, den militärischen
Führer, der auf Grundlage der Angaben dieser einen
Quelle den Waffeneinsatz befehligte, nicht erreicht haben.
bb) Problem der mittelbaren Kommunikation
(„Stille-Post-Routine“)
In der Beweisaufnahme ist noch ein weiteres Problem im
Umgang mit der afghanischen Kontaktperson deutlich
geworden, das unter dem Stichwort „stille Post“ erläutert
werden kann: Wenn man nämlich den Weg betrachtet,
den die Information über das Geschehen an den Tanklas-
tern nehmen musste, bevor sie Oberst Klein erreichte,
1532) Mehrheitsbewertung, S. 209.
1533) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 206.
Drucksache 17/7400 – 234 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wird das Vertrauen in die Klarheit und Zuverlässigkeit der
jeweiligen Information nicht gestärkt:
Geht man davon aus, dass der Informant nicht am Ort des
Geschehens weilte, sondern nur mit unbekannten weiteren
Personen („Subinformanten“) telefonierte, so wurden
diese Informationen der unbekannten Dritten zunächst
über die Kontaktperson selbst an den Sprachmittler am
Telefon vermittelt, bevor dieser sie übersetzte und an
einen der beiden Kollektoren weitergab, der diese Infor-
mation sodann erst an Hauptmann N. übermittelte, bevor
dieser sie schließlich Oberst Klein zur Verfügung stellte.
Dabei verstanden sich alle wesentlichen Beteiligten der
Task Force ausdrücklich als „Postboten“1534 oder „Brieft-
räger“1535.
Es gab für Oberst Klein keine Möglichkeit, direkt mit dem
Informanten über den Sprachmittler zu sprechen. Es war-
en immer drei Personen der TF 47 dazwischengeschaltet.
Hauptmann N. hatte sogar die Weisung ausgegeben, dass
weder die Kollektoren noch der Sprachmittler direkt mit
Oberst Klein kommunizieren dürfte.
1536
Eine solche Übermittlungskette mag einer bei Feldnach-
richtenkräften üblichen Vorgehensweise entsprechen,
jedoch drängte sich in der Beweisaufnahme der Verdacht
auf, dass wichtige Informationen auch auf diesem langen
Übermittlungsweg verloren gegangen sein könnten. Es
stellt sich die Frage, ob es nicht klüger gewesen wäre,
Oberst Klein zumindest einmal einen direkten Kontakt
mit dem Informanten, nur vermittelt durch den Überset-
zer, zu ermöglichen. Eventuell hätten dann die Fehlvor-
stellungen von Oberst Klein hinsichtlich des Standorts des
Informanten, hinsichtlich des Verbleibs der Fahrer und
hinsichtlich der Absichten der Entführer vermieden wer-
den können.
Gerade weil in der vorliegenden Situation angeblich noch
nicht einmal eine fachgerechte Bewertung bzw. Klassifi-
zierung der Aussagen der Kontaktperson durch die Feld-
nachrichtenkräfte der Task Force 47 erfolgt sein soll,
sondern diese hier ausschließlich als „Briefträger“ fun-
giert haben wollen, drängt sich die Frage auf, was denn
der eigentliche Zweck dieser „Stille-Post-Routine“ gewe-
sen sein soll. Immerhin waren damit erhebliche Gefahren
des Informationsverlustes oder der Informationsverfäl-
schung auf dem Weg zum militärischen Führer verbun-
den.
Hätte der Sinn darin gelegen, dass die Informationen der
Kontaktperson professionell mit anderen Quellen abgegli-
chen, ebenengerecht analytisch bewertet und förmlich
klassifiziert werden sollten, bevor sie an Oberst Klein
weitergereicht würden, ließe sich vielleicht noch Ver-
ständnis für dieses Vorgehen aufbringen. Da dies aber
ausdrücklich nicht der Fall gewesen sein soll, stechen
allein die offensichtlichen Nachteile dieses Konstrukts
hervor.
1534) Vgl. F., Protokoll-Nr. 35, S. 12.
1535) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60 und Protokoll-Nr. 37,
Teil II, S. 76, 83.
1536) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 75.
Hier bedarf es einer genaueren Prüfung im Bereich des
Militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr, ob es
sinnvoll ist, zukünftig so vorzugehen, wie es hier gesche-
hen ist.
cc) Probleme beim Inhalt der Kommunikation:
Unzureichende Gesprächsführung
Unabhängig von den Problemen des Weges über fünf
Ebenen, den die Informationen nehmen mussten, hat sich
in der Beweisaufnahme vor allem der Inhalt der Kommu-
nikation mit dem Informanten als problematisch erwiesen:
Während der gesamten Nacht fand ein ständiger Aus-
tausch mit der Kontaktperson statt. Es wurde festgestellt,
dass sich die Quelle fast alle 15 bis 20 Minuten telefo-
nisch gemeldet hatte. Dabei gab sie nicht nur eigene In-
formationen an den Sprachmittler, sondern nahm auch
Fragen von diesem entgegen und beantwortete sie.
Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass diese Fra-
gen, die von Oberst Klein und den Angehörigen der Task
Force an die Kontaktperson gestellt worden sind, nicht so
sachgerecht und professionell gewählt worden waren, wie
es erforderlich gewesen wäre.
Keiner der Task Force-Mitarbeiter, die alle davon ausgin-
gen, dass der Kontakt nicht von eigenen Wahrnehmungen
berichtete, sondern Informationen Dritter, also seiner
ominösen „Subkontakte“, weitergab, hat die Notwendig-
keit gesehen, den Kontakt konkret zu fragen, um welche
„Subinformanten“ es sich gehandelt habe, welche Interes-
sen diese haben konnten, und wie zuverlässig diese sei-
en.
1537
Warum dies nicht geschehen ist, erschließt sich
nicht.
Darüber hinaus wurde die Kontaktperson immer nur – fast
stoisch und jedenfalls repetitiv – danach gefragt, ob aus-
schließlich „Aufständische und keine Zivilisten“ vor Ort
seien, jedoch ist es niemals zu einer Verständigung zwi-
schen Kontakt und Kollektoren darüber gekommen, nach
welchen Kriterien die Personen vor Ort eigentlich als
Aufständische oder als Zivilisten einzuordnen waren.
1538
Woran der Kontakt die Aussage, es seien keine Zivilisten
vor Ort, genau festgemacht hatte, war für die Kollektoren
nicht zu erkennen gewesen; konkrete Nachfragen sind
hierzu nicht gestellt worden.
1539
Es wurde noch nicht
einmal gefragt, ob sich eventuell Kinder an den Tanklas-
tern aufhielten.
1540
Auch Oberst Klein hat von sich aus wiederholt immer nur
die pauschale Frage an den Informanten richten lassen, ob
es sich bei den Personen auf der Sandbank wirklich nur
um „Aufständische“ handele. Nachfragen zum Auf-
enthaltsort des Kontakts, zum Zustandekommen der In-
formationen, dazu, wie die Quelle zwischen Zivilisten
und Aufständischen unterschied, zum Verbleib der Fah-
1537) Vgl. etwa: Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 49.
1538) Vgl. etwa: Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.
1539) Vgl. etwa: F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4, 12.
1540) So ausdrücklich: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 235 – Drucksache 17/7400
rer, zu den Hintergründen der großen Anzahl und des
ständigen Wechsels der Personen vor Ort, zu deren Alter
oder ähnlichem, wurden von ihm jedoch den ganzen
Abend über nicht gestellt.
1541
Auch der eigentlich hierfür
vorrangig verantwortliche Hauptmann N. entfaltete kei-
nerlei Aktivitäten in diese Richtung.
Nach der Beweisaufnahme bleibt unklar, warum keinerlei
in der Sache weiterführende und spezifische Fragen an die
Kontaktperson gestellt worden sind, obwohl dies nahege-
legen hätte, wenn man das tatsächliche Geschehen an den
Tanklastern hätte aufklären wollen. Es müsste eigentlich
zum Einmaleins eines jeden Feldnachrichtenoffiziers
gehören, Fragen zu konkret beobachteten Tatsachen und
nicht zu subjektiven Bewertungen zu stellen.
Ob dies nur der besonderen Spannungssituation in dieser
Nacht geschuldet war oder auf strukturelle Defizite in
Ausbildung und Schulung der Mitarbeiter des Nachrich-
tenwesens der Bundeswehr und auch der militärischen
Führer beim Einsatz solch quasi-nachrichtendienstlicher
Mittel zurückzuführen ist, kann hier nicht abschließend
beantwortet werden.
Es spricht aber vieles dafür, dass sowohl die Angehörigen
der Task Force als auch Oberst Klein selbst hinsichtlich
des sachgerechten und zielführenden Umgangs mit der
Kontaktperson im Hinblick auf die Erlangung möglichst
vieler weiterführender Erkenntnisse im Rahmen zielge-
richteter Gesprächsführung überfordert waren. Auch hier
ist also erheblicher Handlungsbedarf für Bundeswehr und
Bundesregierung erkennbar geworden.
dd) Probleme bei der Bewertung der Informa-
tionen
Der entscheidende Fehler in dieser Nacht dürfte jedoch in
der falschen Bewertung der vom Informanten zugetrage-
nen Erkenntnisse liegen:
Hauptmann N., der als Offizier des Nachrichtenwesens
für eine solche fachgerechte analytische Bewertung der
Informationen gegenüber Oberst Klein eigentlich zustän-
dig war, versuchte in seiner Vernehmung im Ausschuss
den Eindruck zu erwecken, dass er Oberst Klein ständig
davor gewarnt habe, die unbestätigten Angaben der Kon-
taktperson zur Grundlage seines Handelns zu machen: Er
habe Oberst Klein zwar erklärt, dass die Quelle als „zu-
verlässig“ eingestuft sei, aber immer wieder betont, dass
er keinerlei Bewertungen zum Inhalt der Meldungen der
Quelle abgeben könne. Stattdessen will er Oberst Klein
mehrfach darauf hingewiesen haben, dass man dieser
Quelle eben nur bis zu einem bestimmten Grad trauen
könne und die Informationen nicht als absolut anzuneh-
men seien, dass eine Quelle auch immer ihr „eigenes
Spiel“ treiben könne, dass man nicht zu 100 % alles glau-
1541) Vgl. etwa: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56, 68; Sch., Proto-
koll-Nr. 33, Teil II, S. 37; F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4, 7, 12.
ben dürfe, was ein Informant sage, und dass er Fehler
nicht ausschließen könne.
1542
Ganz im Gegensatz dazu hatte Oberst Klein Hauptmann
N. aber so verstanden, dass dieser „keine Zweifel“ an der
Solidität des Kontakts und damit auch der durch diesen
überbrachten Informationen geäußert habe, sondern nur
allgemein gesagt habe, man könne niemals hundertpro-
zentig sicher sein, was aber auch „im normalen Leben“ so
sei.
1543
Eine klare Differenzierung zwischen der Verläss-
lichkeit des Kontakts und der Verlässlichkeit der Informa-
tion ist bei Oberst Klein jedenfalls offenkundig nicht
angekommen.
Dies lässt auf erhebliche Defizite im Umgang mit derarti-
gen Informationen sowohl beim zuständigen Nachrich-
tenoffizier als auch beim militärischen Führer schließen.
Denn neben dem Grad der Zuverlässlichkeit oder Verläss-
lichkeit einer jeden Nachrichtenquelle hat selbstverständ-
lich immer auch eine Bewertung von Plausibilität sowie
Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der jeweili-
gen Nachricht zu erfolgen, wenn eine solche Nachricht
zur alleinigen Grundlage militärischen Handelns gemacht
werden soll.
Oberst Klein hat letztlich die von Hauptmann N. abge-
lehnte Bewertung der Informationen der Quelle auf Grund
seines Eindrucks, die Quelle sei allgemein als zuverlässig
eingestuft, vorgenommen, dass er sie zur alleinigen
Grundlage seines Handelns machte, obwohl auch ihm
keinerlei anderweitige Bestätigungen für die Aussagen
der Quelle vorlagen.
Es erscheint schwer nachvollziehbar, warum Hauptmann
N. gegenüber Oberst Klein immer wieder die generelle
Einstufung der Quelle als „zuverlässig“ herausstellte,
obwohl er von dieser Einstufung der Quelle offensichtlich
nicht restlos überzeugt schien, weil er es ja zunächst als
sinnvoll ansah, die Glaubwürdigkeit der Quelle durch den
Einsatz des B1-Bombers erst noch einmal zu überprü-
fen.
1544
Aufgabe von Hauptmann N. wäre es gewesen, gegenüber
Oberst Klein zu betonen, dass nach nachrichtendienstli-
chen Handwerksregeln das Vorliegen einer einzigen un-
bestätigten Information, selbst wenn sie von einer allge-
mein als zuverlässig eingestuften Quelle herrührt, in aller
Regel nicht dazu führen kann, daran derart folgenreiche
Entscheidungen mit einer sicheren Vielzahl von Todesop-
fern zu knüpfen.
Nach der Beweisaufnahme musste der Verdacht aufkom-
men, dass Hauptmann N. nicht sachlich relativierend auf
Oberst Klein gewirkt hatte, sondern – ganz im Gegenteil –
diesen eher noch in seiner abschließenden Bewertung der
Informationen der Kontaktperson und damit in seiner
Entscheidung zum Bombenabwurf bestärkt hat.
1542) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68, 73; Nr. 37, Teil II,
S. 66 und Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim
Bundesgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 13.
1543) Vgl. nur: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.
1544) N., Protokoll-Nr. 8, S. 59.
Drucksache 17/7400 – 236 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Diese Annahme liegt auch deshalb nahe, weil Oberst
Klein im Ausschuss glaubhaft bekundet hat, dass Haupt-
mann N. und der JTAC ihm den Vorschlag zur Bombar-
dierung bereits unmittelbar nach seinem Eintreffen in der
Operationszentrale um 0.25 Uhr unterbreitet hatten.
Hauptmann N. hat sich im Ausschuss bemüht, den Ein-
druck zu erwecken, er sei in der Nacht davon ausgegan-
gen, dass Oberst Klein „diverse“ weitere Informationen
von anderer Seite vorgelegen hätten, die die Meldungen
des Kontaktmanns der TF 47 bestätigt hätten.
1545
Dies war jedoch nicht der Fall: Zwar behauptete Oberst
Klein im Ausschuss, er habe seinem damaligen Stellvert-
reter im PRT und Chef des Stabes, OTL K., den Auftrag
erteilt, weiter tätig zu werden, als dieser ihm die Aus-
gangsnachricht der TF 47 gegen 20.30 Uhr über die Ent-
führung der Tanklaster überbracht habe.
1546
OTL K. be-
kundete als Zeuge im Ausschuss hingegen, keinerlei Auf-
trag erhalten zu haben, weitere Informationsressourcen
(andere HUMINT-Kontakte oder SIGINT, Einsatz unbe-
mannter Luftfahrzeuge, Einbeziehung des BND, der afg-
hanischen Nachrichtendienste, der afghanischen Polizei
o. ä.) zur Vervollständigung des Lagebildes zu aktivieren,
obwohl es durchaus die Möglichkeit gegeben habe, Auf-
klärungskräfte im Rahmen des PRT einzusetzen.
1547
Fest steht jedenfalls nach beider Aussagen, dass Oberst
Klein in dieser Nacht keine weiteren Meldungen zu die-
sem Sachverhalt aus dem PRT erreicht haben.
1548
Die einzige „zusätzliche“ Information des PRT Kunduz,
die Oberst Klein nach seiner eigenen Einlassung aller-
dings vor dem Bombenabwurf nicht erreicht haben dürfte,
bestand in der um 21.12 Uhr im PRT Kunduz telefonisch
eingegangenen Bestätigung der Entführung der Tanklaster
durch einen Dolmetscher der EU-Polizeimission in Afg-
hanistan (EUPOL). Dieser hatte diese Information zuvor
über eine weitere Stelle von der afghanischen Polizei in
Kunduz erhalten, die dies vom Provinzgouverneur erfah-
ren hatte, der darauf durch einen Dorfvorsteher aufmerk-
sam gemacht worden war.
1549
Dabei bestätigte diese Mel-
dung jedoch nichts weiter, als dass die Tanklaster über-
haupt entführt und vom PRT Kunduz weg in Richtung
Nordwesten in den Distrikt Chahar Darah verbracht
werden sollten. Über den Status der Personen an den
Tanklastern in der Nacht sagte diese Meldung nicht das
Geringste aus.
In dieser Meldung, die Oberst Klein in seiner Aussage vor
dem Ausschuss noch nicht einmal erwähnt hat, eine Be-
stätigung der Aussage der TF 47-Kontaktperson, sämtli-
1545) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62: „Der Oberst hatte ja
auch noch Informationen aus dem (…) und von diversen anderen,
so wie er mir das mitgeteilt hatte.“ oder S. 74: „Er hatte zu mir
gesagt, er hat diverse Meldungen darüber vorliegen.“ oder Proto-
koll-Nr. 37, Teil II, S. 67 und 80: „Der Herr Oberst hatte mir nur
gesagt, dass er aus dem Bereich des PRT entsprechende Informa-
tionen hat.“.
1546) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8 und 49.
1547) Vgl. etwa: OTL K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 65.
1548) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil .II, S. 49.
1549) Vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 18.
che Personen an den Tanklastern seien „Taliban“ gewe-
sen, zu sehen, ist abwegig.
Im Ergebnis steht nach der Beweisaufnahme im Aus-
schuss jedenfalls fest, dass Oberst Klein – entgegen den
Darstellungen des Zeugen Hauptmann N. – vor dem
Bombenabwurf keine zusätzlichen Informationen vorla-
gen, die dazu hätten führen können, die Behauptung der
Kontaktperson, sämtliche Personen an den Tanklastern
seien Taliban, als „von anderer Seite bestätigt“ anzusehen
und damit als tatsächliche „Erkenntnis“ zu bewerten.
Oberst Klein hat im Ausschuss zu seiner Rechtfertigung
angeführt, die Annahme, dass Zivilisten sich mitten in der
Nacht auf der Sandbank aufgehalten haben könnten, habe
der allgemeinen Lebenserfahrung widersprochen. Es sei
schließlich Ramadan und schon „deutlich nach Mitter-
nacht“ gewesen. „Normale Menschen“ seien um diese
Zeit zu Hause gewesen.
1550
Für jeden, der nicht selbst mit
den Taliban kooperiert habe, sei eine Bewegung in die-
sem Raum lebensgefährlich gewesen, vor allem bei
Nacht. Zudem habe der Informant ja von vier Talibanfüh-
rern mit ihren jeweiligen Gruppen gesprochen, wodurch
sich für ihn auch die hohe Anzahl von Personen erklärt
habe.
1551
Diese Einlassungen von Oberst Klein vermögen letztlich
nicht zu überzeugen und wirken konstruiert: Zunächst
wird dabei schon ausgeblendet, dass die Tanklaster ja
bereits bekanntermaßen seit 18.15 Uhr, also weit vor
Mitternacht, auf der Sandbank feststeckten und kurz da-
nach bereits die Bevölkerung der umliegenden Dörfer
informiert und beteiligt wurde. Es war also nicht so, dass
die Dorfbewohner erst aus dem Schlaf gerissen worden
wären, sondern dass sich der Vorgang über den ganzen
Abend hin entwickelt hatte.
Vor allem aber berücksichtigte Oberst Klein nicht in aus-
reichendem Maße, wie sehr sich – ebenfalls nach allge-
meiner Lebenserfahrung – als sicher geglaubte Erfah-
rungssätze sehr stark verändern können, wenn ein unübli-
ches oder außergewöhnliches Ereignis eintritt, wie dies
hier im vorliegenden Fall mit dem Feststecken von ent-
führten Tanklastern mit einer großen Menge Benzins in
der Nähe mehrerer Dörfer unbestreitbar eingetreten ist.
Zudem hätte es Oberst Klein zu denken geben müssen,
dass sich die Anzahl der Personen über den ganzen Abend
hinweg immer wieder veränderte. Nach späteren amtli-
chen Berichten sollen im Laufe der Nacht zeitweilig an
die 300 Personen auf der Sandbank gewesen sein.
1552
Auch der JTAC hat im Ausschuss beschrieben, dass ein
„ständiges Kommen und Gehen“ auf den Videobildern zu
erkennen gewesen sei. Das Lagebild veränderte sich also
ständig. Die Situation war äußerst dynamisch und kei-
neswegs statisch. Auf dieser Grundlage davon auszuge-
hen, dass es sich bei all diesen Personen immer nur um
1550) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10 f.
1551) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
1552) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang C, S. 2.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 237 – Drucksache 17/7400
dieselben Mitglieder der vier benannten Talibangruppen
gehandelt haben kann, erscheint schwer nachvollziehbar.
Nicht umsonst hat Hauptmann N. in seiner Vernehmung
vor dem Ausschuss immer wieder betont, dass er die
Meldung der Quelle gerade nicht habe „bewerten“ und
damit eine Klassifizierung dieser Nachricht nicht habe
vornehmen können. Dass Oberst Klein trotzdem ohne
anderweitige Bestätigung des Nachrichteninhalts allein
aus allgemeinen Erfahrungssätzen heraus von der absolu-
ten Glaubwürdigkeit der Nachricht ausgegangen ist und
sie sogar zur alleinigen Grundlage seines Befehls zum
Bombenabwurf gemacht hat, muss nach alledem als gro-
ber Fehler im Umgang mit derartigen Informationen ge-
wertet werden.
Warum Hauptmann N. keinerlei Anstrengungen unter-
nommen hat, Oberst Klein von diesem handwerklichen
Fehler abzuhalten, bleibt unklar. Es spricht jedoch vieles
dafür anzunehmen, dass es Hauptmann N. zumindest
recht war, dass Oberst Klein die Bewertung der Meldun-
gen seines Informanten letztlich selbst in der beschriebe-
nen Art und Weise vornahm. Hintergrund mag dabei –
angesichts seiner frühen Empfehlung eines solchen Waf-
feneinsatzes bereits vor Abzug des B1-Bombers – sein
Interesse an einem schweren Schlag gegen bestehende
Taliban-Strukturen gewesen sein, hinter dem sämtliche
Bedenken hinsichtlich einer sachgerechten Bewertung der
Aussage des Informanten zurückzutreten hatten.
Auch militärische Untersuchungen hierzu sind im Übri-
gen zu dem Schluss gelangt, dass die Durchführung des
gesamten Waffeneinsatzes in der Operationszentrale der
TF 47, die häufige Zusammenarbeit des JTAC mit der
TF 47 und die konkrete Beteiligung der Angehörigen der
Task Force an dieser Operation mit ursächlich dafür ge-
wesen sein könnte, dass es überhaupt zu diesem offensi-
ven Luftschlag gegen die Personen an den Tanklastern hat
kommen können.
1553
ee) Strukturelle Probleme im Zusammenhang
mit dem Militärischen Nachrichtenwesen
der Bundeswehr
Nach Ausleuchtung der vielen unterschiedlichen Proble-
me im Umgang mit dieser konkreten HUMINT-Quelle in
der Nacht des Bombenabwurfs von Kunduz öffnet sich
der Blick auf ein dahinter liegendes strukturelles Problem
im Bereich des „Militärischen Nachrichtenwesens“:
Es wurden in der Beweisaufnahme Abgrenzungsprobleme
zwischen dem „Militärischen Nachrichtenwesen der Bun-
deswehr“ (MilNWBw) und originär nachrichtendienstli-
cher Tätigkeit erkennbar. Denn im Gegensatz zu den
genuinen Nachrichtendiensten des Bundes (Bundesnach-
richtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und
Militärischer Abschirmdienst) sind die Angehörigen des
MilNWBw zu nachrichtendienstlicher Tätigkeit nicht
1553) Vgl. Mat. 17-10/10a, Ordn. 1, S. 54/73, Ziffer 5; vgl. auch:
Mat. 17-22a, GI, Ordn. 3, S. 246.
befugt. Es fehlt ihnen die gesetzliche Ermächtigung,
nachrichtendienstliche Mittel und Methoden einzusetzen.
Das Militärische Nachrichtenwesen gehört seit jeher zu
den zentralen Aufgaben einer jeden Streitkraft. Der sach-
kundigen Gewinnung und Verarbeitung von lagerelevan-
ten Informationen durch Aufklärung kommt für die Vor-
bereitung und Begründung des Einsatzes militärischer
Gewalt eine herausragende Bedeutung zu, wobei sich
diese Bedeutung von der strategischen bis hin zur operati-
ven und taktischen Entscheidungsebene hin erstreckt.
1554
Der Bedarf an Informationen besteht dabei unbestritten,
aber die Wahl der eingesetzten Instrumente, die diese
Informationen beschaffen sollen, erscheint unter rechtli-
chen und inhaltlichen Gesichtspunkten problematisch:
Entscheidend ist, dass es dem MilNWBw deshalb nicht
gestattet ist, nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen,
weil lediglich die originären Nachrichtendienste über
gesetzliche Grundlagen für grundrechtsrelevante Eingriffe
in diesem Bereich verfügen.
1555
Aus diesem Grund ist es auch unzulässig, durch das
MilNWBw gewonnene grundrechtsrelevante Erkenntnisse
in präventiver oder repressiver Hinsicht durch andere
staatliche Stellen im Inland zu verwenden.
1556
Es besteht
die Gefahr, dass Erkenntnisse des MilNWBw über den
BND an andere Stellen – etwa Strafverfolgungsbehörden
– gelangen, obwohl die gesetzlichen Beschränkungen,
denen der BND bei der originären Gewinnung solcher
Informationen unterlegen hätte, eventuell durch die Bun-
deswehr nicht eingehalten worden sind. Ein solches Vor-
gehen würde die verfassungsrechtlich begründeten
Schutzrechte unterlaufen.
Wegen der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen und
gesetzlichen Aufgaben- und Befugnisnormen müsste also
gerade die Tätigkeit des BND klar von den für das militä-
rische Nachrichtenwesen zuständigen Bereichen der
Streitkräfte abgegrenzt werden. Dies erscheint in der
bisherigen Praxis jedoch fast unmöglich, zumal BND und
MilNWBw durch die Übertragung der Lagebeurteilung
auf den BND funktional sogar bis zu einem gewissen
Grade verschmolzen wurden.
1557
Im Verlauf der Beweisaufnahme hat sich gezeigt, dass
trotz der notwendigen Differenzierung zwischen der Tä-
1554) Das MilNWBw hat unter anderem den Auftrag, zur Entschei-
dungsfindung der politischen Leitung, der militärischen Führung
im BMVg und in den Streitkräften sowie zur Sicherheit der An-
gehörigen und Einrichtungen der Bundeswehr beizutragen. Auf
der strategischen Ebene unterstützt das MilNWBw politische und
militärische Entscheidungsprozesse durch Bereitstellung eines
umfassenden Lagebildes. Auf der operativen Ebene stellt das
MilNWBw ein aktuelles Lagebild für die Planung und Führung
militärischer Operationen. So Brissa, Militärischer Auslandsge-
heimdienst der Bundeswehr?, in: DÖV 2011, S. 391 ff.
1555) So auch: Brissa, a.a.O., S. 391, 394.
1556) Vgl. Brissa, a.a.O., S. 391, 394.
1557) Der Begriff des Militärischen Nachrichtenwesens wird demgemäß
traditionell so weit gefasst, dass er über die Streitkräfte hinaus
auch den BND umfasst, soweit dieser militärisch relevante Auf-
gaben wahrnimmt. Der BND gehört damit als militärischer Aus-
landsnachrichtendienst „materiell“ teilweise selbst zum „Militäri-
schen Nachrichtenwesen“; vgl. Brissa, a.a.O., S. 391, 396.
Drucksache 17/7400 – 238 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tigkeit der Angehörigen der Bundeswehr und einer genuin
nachrichtendienstlichen Tätigkeit, die Bundeswehr hier in
der Praxis teilweise faktisch wie ein Nachrichtendienst
operiert, indem sie Methoden und Mittel einsetzt, die für
nachrichtendienstliches Handeln wesensbestimmend sind.
Grundlage des Luftangriffs von Kunduz waren fast aus-
schließlich Informationen, die durch Angehörige des
MilNWBw von einem durch diese geführten HUMINT-
Kontakt gewonnen worden sind. Dabei hat sich heraus-
gestellt, dass dieser Kontakt bereits über einen längeren
Zeitraum durch Angehörige des so genannten „Field
HUMINT Teams“ der TF 47 „geführt“ worden ist: Es
haben Treffen mit diesem Kontakt stattgefunden, es wur-
de häufig kommuniziert, die Kontaktperson erhielt auch
Geldzahlungen, wobei sich die Höhe der Zahlungen an
solche „Kontaktpersonen“ nach Auskunft der Zeugen im
Ausschuss auch nach der Qualität der Informationen rich-
tete, die der jeweilige Kontakt lieferte.
1558
Allerdings ist es der Bundeswehr untersagt, HUMINT-
Quellen für Informationen zu bezahlen. Zulässig sind
allenfalls kleinere Aufwandsentschädigungen, beispiels-
weise für Taxikosten.
1559
Hier zeigt sich exemplarisch das Problem der praktischen
Abgrenzung der Tätigkeit der Feldnachrichtenkräfte von
originär nachrichtendienstlichem Handeln: Im Grunde
führen und steuern die Angehörigen des MilNWBw in der
Praxis „Informanten“, „menschliche Quellen“, „Kontakt-
personen“ oder wie auch immer man sie bezeichnen will,
in gleicher Weise, wie dies Nachrichtendienste tun. Und
dies – unabhängig voneinander – sowohl im Bereich der
Spezialkräfte der Task Force 47 als auch im Bereich
Nachrichtenwesen des „normalen“ PRT.
Die Informanten werden angeworben, bezahlt, ihre Zuver-
lässigkeit wird getestet, Handlungsanweisungen werden
gegeben, die Quelle wird im nachrichtendienstlichen
Sinne klassifiziert und tatsächlich auch aktenmäßig „ge-
führt“ sowie – wie im vorliegenden Fall – bei Kontin-
gentwechseln sogar von Soldat zu Soldat „übergeben“.1560
Es ist hier ein hohes Maß an willensgetragener Steuerung
des Kommunikationsgeschehens und damit auch der
Kontaktperson festzustellen, das sich nicht nur auf eine
schlichte – vielleicht sogar zufällige – „Entgegennahme“
von Informationen beschränkt. Das Verhalten reicht weit
über ein bloßes „Abschöpfen“ hinaus, weil die Objekte
der Informationsbeschaffung durch die Angehörigen der
Bundeswehr den Kontaktpersonen in erheblichem Um-
fang vorgegeben werden.
Die Angehörigen des MilNWBw haben in ihren Aussagen
vor dem Ausschuss zwar Wert darauf gelegt, dass sie sich
gegenüber den Kontaktpersonen immer nur in Uniform
gezeigt und damit als Soldaten der Bundeswehr zu erken-
nen gegeben hatten,
1561
so dass es sich nicht um eine
1558) Vgl. etwa: F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 22 f.
1559) Ne., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 5.
1560) Vgl. Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 36 f. und zu diesen Ab-
grenzungskriterien auch: Brissa, a.a.O., S. 391, 397.
1561) Vgl. etwa: Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 42.
„verdeckte“ Quellenführung, sondern nur um sozusagen
„offene Gesprächskontakte“ gehandelt habe. Dies steht
dem nachrichtendienstlichen Charakter der Informations-
gewinnung jedoch nicht entgegen, denn auch die so ge-
nannte „offene Befragung“, also die Informationserhe-
bung ohne Inanspruchnahme einer falschen Identität (Le-
gende), ist ein Instrument der Nachrichtendienste und als
Befugnis in ihren Gesetzen geregelt.
1562
Gleichzeitig wurde jedoch durch die Zeugen im Aus-
schuss eingeräumt, dass die geleisteten Geldzahlungen
auch dafür bestimmt waren, dass die Kontaktperson wei-
tere Personen, beispielsweise „Subinformanten“, bezahlen
konnte.
1563
Damit kann dann aber kaum mehr von rein „transparenter
Entgegennahme“ von Informationen außerhalb nachrich-
tendienstlichen Verhaltens gesprochen werden. Vielmehr
handelt es sich dabei um Quellenführung und -steuerung,
ein klassisches nachrichtendienstliches Instrument.
1564
Damit dürfte die Schwelle zur nachrichtendienstlichen
Tätigkeit eindeutig überschritten sein.
Insgesamt hat sich hier in der Beweisaufnahme ein ge-
fährlicher Graubereich offenbart, in dem erheblicher
Koordinierungsbedarf, wenn nicht gar gesetzgeberischer
Handlungsbedarf, erkennbar wird: Dabei ist festzustellen,
dass mit den Feldnachrichtenkräften der Task Force, den
Angehörigen des BND vor Ort und den Angehörigen des
Nachrichtenwesens des „normalen“ PRT gleich drei
Stränge parallel mit menschlichen Kontaktpersonen um-
gehen.
Jedoch gibt es keine verantwortliche Stelle, die diese
offenkundigen Parallelstrukturen im HUMINT-Bereich
koordiniert. Insofern besteht immer die Gefahr, dass In-
formanten sowohl vom BND als auch vom MilNWBw
„geführt“ und „abgeschöpft“ werden mit all den Risiken,
die damit verbunden sind. Zu denken ist hier beispiels-
weise an die Möglichkeit einer „Mehrfachbezahlung“
oder – und dies dürfte gravierender sein – die Gefahr
einer irrtümlichen Bestätigung bestimmter Informationen
durch ein und dieselbe Quelle, deren gleiche Herkunft
wegen der fehlenden Koordinierung unerkannt geblieben
ist.
1565
Hier besteht unbedingter Handlungsbedarf der Bundesre-
gierung, um diese Probleme zu lösen, etwa durch Einrich-
tung einer Koordinierungsstelle für den HUMINT-
Bereich, wie sie für den SIGINT-Bereich
1566
bereits exis-
tiert.
Bei diesen auffälligen Unschärfen in der Abgrenzung und
der mangelnden Klarstellung der Kompetenzen der betei-
ligten Akteure drängt sich zudem die weitere Frage auf,
durch wen dieses Handeln in einer solchen klandestin
operierenden Organisation, das selbstverständlich wie
1562) Vgl. etwa § 8 Abs. 4 BVerfSchG.
1563) Vgl. etwa: F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 23.
1564) Vgl. etwa: Dorste, Bernadette, Handbuch des Verfassungsschutz-
rechts, S. 266 ff.
1565) Vgl. hierzu auch: Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 18 f.
1566) SIGINT=Signal Intelligence=Fernmeldeaufklärung.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 239 – Drucksache 17/7400
jedes andere staatliche Handeln grundsätzlich auch im
Ausland der Grundrechtsbindung unterworfen ist,
1567
eigentlich kontrolliert wird.
Während für den Bereich der Nachrichtendienste des
Bundes die parlamentarische Kontrolle durch das Parla-
mentarische Kontrollgremium wahrgenommen wird, das
in der letzten Wahlperiode sogar noch einmal eine Auf-
wertung durch Aufnahme in die Verfassung (Artikel 45d
GG) erhalten hat, ist für den Bereich des MilNWBw eine
solche Kontrolle trotz der unbestreitbaren potentiellen
Grundrechtsrelevanz der Tätigkeit nicht ersichtlich.
Insofern sollten gerade auch die in diesem Untersu-
chungsausschuss gewonnenen Erkenntnisse zu einer De-
batte über die Wege zur Schließung dieser Lücke im Sys-
tem der parlamentarischen Kontrolle führen, wobei die
Lösung beispielsweise in einer Erweiterung der Zustän-
digkeiten des Parlamentarischen Kontrollgremiums oder
in der Wahrnehmung dieser Kontrollaufgaben durch einen
Unterausschuss des Verteidigungsausschusses selbst
gefunden werden könnte.
Obwohl eine eigenständige gesetzliche Regelung des
Bereichs des Militärischen Nachrichtenwesens nicht
zwingend erforderlich sein dürfte,
1568
sollte in diesem
Zusammenhang durch den Gesetzgeber – gerade auch im
Lichte der aufgezeigten Gefahren der verfassungswidri-
gen Verwendung der durch das MilNWBw gewonnen
Erkenntnisse in präventiver oder repressiver Hinsicht –
durchaus auch erwogen werden, das Militärische Nach-
richtenwesen unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicher-
heit auf eine eigene gesetzliche Grundlage zu stellen.
ff) Zusammenfassung und Schlussfolgerun-
gen zum fehlerhaften Umgang mit dem
HUMINT-Kontakt
Die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss hat
damit eine Vielzahl von Defiziten im Umgang der betei-
ligten Bundeswehrsoldaten in der Nacht vom 3. auf den 4.
September 2009 mit der zentralen menschlichen „Kon-
taktperson“ erkennbar werden lassen, die einen unmittel-
baren Handlungsbedarf der militärischen und der politi-
schen Führung sowie gegebenenfalls auch des Gesetzge-
bers zur Folge haben:
– Nicht alle Informationen, welche die HUMINT-
Quelle lieferte, erreichten auch den militärischen
Führer, so dass dieser seine Entscheidung letztlich
auf unvollständigen Informationen gründete. So er-
fuhr Oberst Klein nach eigenen Angaben in der Nacht
nichts davon, dass die Aufständischen vorhatten, die
Tanklaster „auszuschlachten“ und „in Brand zu set-
zen“; er erfuhr nichts über den Verbleib der zivilen
Lastwagenfahrer, über den nach Aussage von Zeugen
1567) Vgl. hierzu: Brissa, a.a.O., S. 391, 394 m. w. Nachw. in Fn. 20.
1568) Dies vor allem mit Blick auf die gefestigte Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungskonformität der Aus-
landseinsätze auf der Grundlage von Artikel 24 Abs. 2 Grundge-
setz und zum wehrrechtlichen Parlamentsvorbehalt sowie zu Arti-
kel 87a GG; vgl. Brissa, a.a.O., S. 391, 394.
jedoch in der Nacht gesprochen worden sein soll; er
erfuhr auch nichts darüber, dass die Kontaktperson
gar nicht vor Ort war, sondern nur Erkenntnisse von
ominösen „Subkontakten“ weiterleitete, über deren
Hintergründe niemand in dieser Nacht etwas Näheres
wusste.
– Diese Informationsverluste sind entweder auf vor-
sätzliches Handeln der beteiligten Feldnachrichten-
kräfte, auf erhebliche handwerkliche Fehler der zu-
ständigen Soldaten, auf den problematisch langen
Weg, den die Informationen nehmen mussten, bis sie
Oberst Klein erreichten („Stille-Post-Routine“), oder
auf eine Kombination dieser Ursachen zurückzufüh-
ren.
– Hinzu kommen erhebliche Defizite im Bereich der
„zielgerichteten Gesprächsführung“ mit der
HUMINT-Quelle, weil erkennbar wurde, dass die
Fragen, die der Kontaktperson gestellt worden sind,
zu einem großen Teil weder sachgerecht noch ziel-
führend ausgewählt wurden.
– Vor allem aber haben sich erhebliche Fehler im
Rahmen der sachgerechten Bewertung der von der
Kontaktperson übermittelten Informationen gezeigt:
Obwohl die wiederholte Aussage der Quelle, sämtli-
che Personen an den Tanklastern seien Taliban, zu
keinem Zeitpunkt in dieser Nacht anderweitig bestä-
tigt werden konnte, wurde sie allein auf Grund eines
eher als „Bauchgefühl“ zu bezeichnenden „Erfah-
rungsschatzes“ von Oberst Klein als besonders
glaubwürdig klassifiziert. Dabei wurde aber überse-
hen, dass alleine die „siebenfache“ Bestätigung einer
Information durch ein und dieselbe Quelle die
Glaubwürdigkeit dieser Nachricht nicht „siebenfach“
verstärkt.
Es hätte anderer konkreter Bestätigungen außer-
halb „allgemeiner Lebenserfahrung“ bedurft, um
eine solche Information, auf die sich die als sicher
vorhergesehene Tötung von bis zu 70 Menschen
stützen sollte, als ausreichend glaubwürdig anse-
hen zu können.
– Hinzu kommt im vorliegenden Fall noch der unaus-
geräumte Verdacht, dass der ranghöchste Offizier der
Task Force 47 Oberst Klein noch in dieser falschen
Bewertung der Informationen bestärkt haben könnte,
zumal die Suche nach den Tanklastern erst durch
Hauptmann N. ausgelöst wurde und er nach der Aus-
sage von Oberst Klein bereits zu einem sehr frühen
Zeitpunkt gegenüber diesem – eventuell sogar ge-
meinsam mit dem JTAC – ein offensives Bombarde-
ment empfohlen hatte.
– Dabei ist in diesem Zusammenhang auch darauf
hinzuweisen, dass schon die Nutzung der Taktischen
Operationszentrale der TF 47 statt des Gefechtsstands
des PRT dazu führte, dass die gesamte Operation in
dieser Nacht unter Ausschluss des PRT-Personals
durchgeführt wurde, was ebenfalls zu Entscheidungs-
und Berichtsdefiziten geführt hat, obwohl Oberst
Drucksache 17/7400 – 240 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Klein dies ohne weiteres durch Hinzuziehung von
PRT-Personal hätte vermeiden können.
– Schließlich hat die Beweisaufnahme auch erkennbar
werden lassen, dass im Bereich des Militärischen
Nachrichtenwesens der Bundeswehr faktisch wie in
einem Nachrichtendienst operiert wird, indem Me-
thoden und Mittel eingesetzt werden, die eigentlich
für nachrichtendienstliches Handeln wesensbestim-
mend sind. Hier haben sich erhebliche Koordinie-
rungs- und Kontrollprobleme gezeigt.
Dass die Ausschussmehrheit angesichts dieser unzweifel-
haften Feststellungen in ihrer Bewertung zu dem Ergebnis
gelangt, das Verfahren der „Nutzung der HUMINT-
Kräfte“ habe „sich insgesamt bewährt“ und sei „im vor-
liegenden Fall optimal genutzt“ (!) worden,1569 spricht für
sich.
Angesichts all dieser in der Beweisaufnahme deutlich
gewordenen Defizite besteht ein erheblicher Handlungs-
bedarf der militärischen und der politischen Führung
sowie gegebenenfalls auch des Gesetzgebers:
– Es bedarf nachhaltiger Maßnahmen, um zukünftig
eine klarere Trennung zwischen den Aktivitäten der
Task Force 47 und den Aufgaben der PRT zu bewir-
ken, so dass eine solch unglückliche und den Vorga-
ben des NATO-Operationsplans widersprechende
Vermengung der Aufgaben und Befugnisse der Task
Force mit denen des PRT zukünftig vermieden wird.
– Dazu sollte zukünftig auch sichergestellt werden,
dass die PRTs über ausreichende technische Ausstat-
tung verfügen, so dass keinesfalls mehr ein Rückgriff
auf Gefechtsstände und Personal der Task Force für
PRT-Einsätze erfolgt.
– Die überkommenen Verfahren der Führung men-
schlicher Kontakte im Bereich des Militärischen
Nachrichtenwesens der Bundeswehr müssen grund-
legend auf den Prüfstand gestellt werden.
– Die Ausbildung und Kontrolle der Feldnachrichten-
kräfte im Bereich der Führung von HUMINT-
Kontakten, insbesondere in Bezug auf die Verfahren
der Informationsübermittlung an den militärischen
Entscheider im Rahmen operativer Unterstützungs-
handlungen, die Verfahren der zielgerichteten Ge-
sprächsführung und die Vorgaben zur Analyse und
Bewertung von Informationen von HUMINT-
Quellen müssen stark verbessert werden.
– Die Koordinierung innerhalb des Militärischen Nach-
richtenwesens sowie seine fachaufsichtliche und par-
lamentarische Kontrolle müssen möglichst bald einer
umfassenden Überprüfung unterzogen werden. Hier
ist neben der Bundeswehr, dem Bundesministerium
der Verteidigung und – soweit der BND betroffen ist
– dem Bundeskanzleramt auch der parlamentarische
Gesetzgeber gefordert.
1569) Mehrheitsbewertung, S. 211.
g) Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten
Durchführung des Waffeneinsatzes
Zusätzlich zum defizitären Umgang der beteiligten Solda-
ten mit der HUMINT-Kontaktperson mussten in der Be-
weisaufnahme auch im Zusammenhang mit der konkreten
Durchführung des Waffeneinsatzes durch den militäri-
schen Führer und seinen Fliegerleitoffizier (JTAC) erheb-
liche Fehler und Versäumnisse festgestellt werden.
Dabei geht es vor allem um Verstöße gegen die im
NATO-Operationsplan enthaltenen spezifischen ISAF-
Einsatzregeln, die „Rules of Engagement“ (ROE). Denn
die deutschen ISAF-Kommandeure sind COM ISAF-
OPCON unterstellt und müssen die genehmigten ISAF-
Einsatzregeln, also die ROE, die „Standard Operating
Procedures“ (ISAF-SOP) und sonstige Weisungen um-
setzen.
ROE werden als Einsatzregeln für jeden bewaffneten
Einsatz erstellt. Sie sind rechtlich bindende Regeln für die
Anwendung bewaffneter Gewalt, die auf die spezifischen
Anforderungen einer bestimmten Operation zugeschnitten
sind und die den Soldatinnen und Soldaten verbindlich
vorgeben, unter welchen Voraussetzungen, in welchem
Umfang und mit welchen Mitteln sie von bewaffneter
Gewalt Gebrauch machen dürfen.
1570
Verbindlichkeit
erhalten die ISAF-ROE für das deutsche Einsatzkontin-
gent ISAF über das nationale Befehlsrecht.
1571
Dabei steht nach der Beweisaufnahme fest, dass, falls
diese Verfahrensfehler, die Verstöße gegen die ISAF-
Einsatzregeln, durch Oberst Klein und den JTAC nicht
begangen worden wären, der Luft-Boden-Angriff von
Kunduz mit Sicherheit nicht erfolgt wäre.
Dieses eindeutige Ergebnis der Beweisaufnahme steht
übrigens in diametralem Gegensatz zu der ursprünglichen
Behauptung des damaligen Bundesverteidigungsministers
Freiherr zu Guttenberg, der Luftangriff habe zwingend
auch durchgeführt werden müssen, wenn die Verfahrens-
fehler nicht begangen worden wären:
„Wenn das Ganze fehlerfrei vonstattengegangen
wäre, komme ich auch zu dem Schluss, dass der
Luftschlag hätte stattfinden müssen.“1572
Die Absurdität dieser Aussage hätte Freiherr zu Gutten-
berg im Übrigen auch schon selbst erkennen können,
wenn er im November 2009 zumindest die siebenseitige
Zusammenfassung des COM ISAF-Berichts tatsächlich
sorgfältig gelesen, ein wirkliches Interesse an der von der
Bundeskanzlerin propagierten „ungeschönten Aufklä-
1570) Vgl. Freudenberg, NZWehrr 2007, S. 89 mit vielen weiteren
Nachweisen.
1571) BT-Drs. 16/10804, S. 16; vgl. auch Bundesminister der Verteidi-
gung, HDv 100/100, Truppenführung (TF), Ziffer 7014: „Die
Anwendung militärischer Gewalt unterliegt immer dem Einsatz-
recht und den Einsatzregeln. Darin ist festgelegt, unter welchen
Voraussetzungen und in welchem Umfang die Anwendung militä-
rischer Gewalt zulässig ist.“
1572) Redigierte Tonbandabschrift des Pressestatements Freiherr zu
Guttenberg am 6. November 2009, Mat. 17-21a, Ordn. 3, S. 165,
168.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241 – Drucksache 17/7400
rung“ gehabt hätte und nicht nur davon getrieben gewesen
wäre, seine Beliebtheit bei den Soldaten zu steigern.
aa) Vorfrage: Was war das Ziel des Waffenein-
satzes?
Bevor die Verfahrensfehler im Einzelnen dargestellt wer-
den können, ist es wichtig, vorab zu klären, was eigentlich
das tatsächliche Ziel des Waffeneinsatzes gewesen ist,
weil sich daran die einschlägig zu berücksichtigenden
Verfahren ausrichten.
In Betracht kommen letztlich folgende Möglichkeiten:
– Entweder Oberst Klein wollte ausschließlich die
Tanklaster zerstören, um eine aus seiner Sicht unmit-
telbare Gefahr für das PRT Kunduz zu beseitigen.
– Oder er wollte keine unmittelbare Gefahr für das
PRT bekämpfen – was deshalb nahegelegen hätte,
weil es nicht den geringsten Hinweis darauf gab, dass
die Tanklaster dazu genutzt werden sollten, das PRT
anzugreifen -, sondern er wollte nur verhindern, dass
die Aufständischen die Tanklaster überhaupt in ihrem
Besitz behielten und damit irgendwann einmal in Zu-
kunft eventuell Angriffe gegen das PRT, befreundete
Kräfte oder die Zivilbevölkerung durchführen könn-
ten. Dann hätte es sich sozusagen um einen „Präven-
tivschlag“ gehandelt.
– Oder es ging ihm vor allem darum, die Personen an
den Tanklastern zu töten, um die Taliban-Strukturen
vor Ort zu treffen, was allerdings im Aufgabenbe-
reich der Task Force 47 gelegen hätte, wenn man
einmal ausblendet, dass es selbst dieser untersagt ist,
Aufständische außerhalb eines unmittelbaren Ge-
fechts zu töten.
– Oder alle benannten Zielrichtungen spielten für
Oberst Klein – mit welcher Gewichtung und in wel-
cher Kombination auch immer – gleichermaßen eine
Rolle.
In den Akten des Ausschusses findet sich eine weitere
Variante: So hatte General Vollmer, der unmittelbare
Vorgesetzte von Oberst Klein, in seiner ersten schriftli-
chen Darstellung der Geschehnisse vom 4. September
2009 behauptet, die Gefahr sei nicht von den Tanklastern
selbst, sondern von den Pick-Up-Fahrzeugen in der Nähe
der Tanklaster ausgegangen, weil diese in der Nacht mit
Benzin aus den Tanklastern befüllt und als „fahrende
Bomben“ gegen das PRT hätten eingesetzt werden kön-
nen.
1573
Der General bezog sich dabei nach seinen eigenen
Angaben direkt auf einen Bericht des PRT Kunduz.
Dies deutet darauf hin, dass am Anfang unklar war, was
Oberst Klein mit dem Luftschlag bezwecken wollte. Es
muss sich der Eindruck aufdrängen, dass man im PRT
Kunduz erst im Laufe des 4. September 2009 versucht
hat, sich nachträglich zurechtzulegen, welche Antwort auf
die drängende Frage nach der eigentlichen Zielrichtung
1573) Mat. 17-11/11a, Anlage 22, S. 2.
des Bombenabwurfs die zur Rechtfertigung des Waffen-
einsatzes überzeugendste sein könnte.
Nachdem wohl schnell deutlich wurde, dass die Version
mit den Pick-Up-Fahrzeugen mit dem tatsächlichen Ge-
schehen überhaupt nicht in Einklang zu bringen sein wür-
de, weil diese objektiv weder getroffen wurden noch
getroffen werden sollten, ja deren Bombardierung den
Piloten sogar ausdrücklich untersagt wurde, nahm man
von dieser Variante schnell wieder Abstand. Hierzu be-
kundete auch Hauptmann N. im Ausschuss, er habe „mit-
bekommen“, dass es Oberst Klein nicht um die Pick-Up-
Fahrzeuge, sondern ausschließlich um die Zerstörung der
beiden Tanklaster gegangen sei.
1574
„Man erkannte auf dem Bild auch, dass wohl noch
Autos außen standen. Da wollte er wirklich nicht
draufgehen.“
Weil aber allen Beteiligten wohl auch das Problem be-
wusst wurde, dass Oberst Klein die wiederholte Bitte der
F15-Piloten, einen tiefen Überflug als „abschreckende
Machtdemonstration“ („Show of Force“) durchführen zu
dürfen, um mögliche Zivilisten vor Ort zu vertreiben,
bewusst abgelehnt hatte, kam es auch nicht mehr in Be-
tracht, ausschließlich auf die möglicherweise von den
Tanklastwagen für das PRT Kunduz ausgehende Gefahr
abzustellen, sondern es musste – zumindest nebenbei –
klargestellt werden, dass Ziel des Bombenabwurfs auch
die Tötung der Aufständischen vor Ort war.
Insofern war letztlich die einzige mit dem objektiven
Geschehen in Einklang zu bringende Version die, dass es
neben der Gefahrenbeseitigung zumindest auch um die
Tötung von Aufständischen gehen musste, auch wenn alle
Beteiligten später versuchten, diese Information möglichst
nicht offen zu kommunizieren, sondern ausschließlich auf
die angeblichen Gefahren für die Soldatinnen und Solda-
ten abzustellen.
Konsequenterweise wurde der Vorsatz, die Personen zu
töten, aber auch von Oberst Klein selbst in seinem schrift-
lichen Bericht für den Generalinspekteur vom Folgetag,
dem 5. September 2009 erwähnt.
„Am 040151Dsep09 entschloss ich mich, zwei am
Abend des 03 sep09 auf der LOC PLUTO durch
INS entführte Tanklastwagen, sowie die an den
Fahrzeugen befindlichen INS
1575
durch den Einsatz
von Luftstreitkräften zu vernichten.“1576
Diese Variante, dass es primär um die Beseitigung der
von den Tanklastern ausgehenden Gefahr, nachrangig
aber auch irgendwie um die Tötung der Aufständischen
vor Ort gegangen sei, wurde von Oberst Klein auch im
Rahmen seiner Vernehmung im Ausschuss gewählt. Da-
bei legte der Zeuge jedoch großen Wert darauf, es mög-
lichst offen zu halten, worin genau er die Gefahr denn nun
gesehen haben will.
1574) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60.
1575) INS=Insurgents=Aufständische.
1576) Mat. 17-7 (Dokument 63), S. 3 (Hervorhebungen nur hier).
Drucksache 17/7400 – 242 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zum einen stellte er immer wieder darauf ab, dass die
Tanklaster selbst jederzeit aus dem Schlamm befreit wer-
den und unmittelbar das PRT Kunduz hätten angreifen
können:
„Deswegen war es eine wahrscheinliche Option,
wenn diese Tanklastzüge freikamen und sich nach
Osten in Bewegung setzen, dass diese, ohne auf
großen Widerstand zu stoßen oder vielleicht gar
keinen Widerstand anzutreffen, in wenigen Minu-
ten an diesem Kontrollpunkt hätten sein können
und danach unmittelbar auch das PRT hätten er-
reichen können.“1577
Andererseits betonte der Zeuge immer wieder, dass die
Tanklaster dann, wenn sie vom PRT weg Richtung
Nordwesten verbracht worden wären, irgendwann einmal
gegen deutsche Soldaten oder befreundete Kräfte hätten
eingesetzt werden können und deshalb hätten zerstört
werden müssen, bevor sie in dichter besiedeltes Gebiet
verbracht worden wären.
1578
Schon daraus wird deutlich, dass auch Oberst Klein selbst
einen unmittelbar bevorstehenden Angriff auf das PRT
eher für unwahrscheinlich gehalten hatte. Und so wundert
es auch nicht, dass es für eine Absicht der Taliban, die
Lastwagen unmittelbar gegen das PRT einzusetzen, nicht
den geringsten tatsächlichen Anhaltspunkt gab: Der sonst
als so verlässlich eingeschätzte HUMINT-Kontakt, dem
Oberst Klein in dieser Nacht so sehr vertraute, hatte sogar
das genaue Gegenteil berichtet, nämlich, dass die Tank-
laster nach Nordwesten verbracht werden sollten. Warum
Oberst Klein dieser Aussage der Quelle weniger Glaub-
würdigkeit zumaß als der Aussage, dass alle Personen vor
Ort Taliban seien, erschließt sich weder aus der Beweis-
aufnahme im Ausschuss noch aus logischen oder sonsti-
gen Gründen.
Hinzu kommt, dass es auch keine konkreten nachrichten-
dienstlichen Warnungen für einen solchen unmittelbaren
Angriff auf das PRT gegeben hatte: Eine von Oberst
Klein angeführte Warnmeldung des BND vom 15. Juli
2009 bezog sich nur auf den zu diesem Zeitpunkt bereits
längst vergangenen Zeitraum bis zu den Präsident-
schaftswahlen in Afghanistan. Weder die Aufklärungs-,
noch die Auswertungsabteilung des BND hatten im Vor-
feld des Luftangriffs vom 4. September 2009 konkrete
Hinweise auf mögliche Anschläge mit Tanklastzügen auf
das PRT Kunduz erfasst.
1579
Zudem war kein anderer Zeuge in dieser Nacht von dem
durch Oberst Klein behaupteten Gefahren-Szenario aus-
gegangen. Alle anderen Beteiligten nahmen eher an, dass
es sich hier um eine „Gelegenheitstat“ der Aufständischen
gehandelt hat, ohne vorsätzliche Planung oder vorbedach-
te Absicht des unmittelbaren Einsatzes der Tanklaster als
„rollende Bomben“. Selbst für Hauptmann N. stand zu
keinem Zeitpunkt in dieser Nacht in Rede, dass eine un-
mittelbare Gefahr für das Feldlager Kunduz abgewehrt
1577) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
1578) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16 f.
1579) Vgl. Mat. 17-34, S. 366, 272, 273 und 374.
werden solle.
1580
Und auch der JTAC sah die Gefahr für
das PRT persönlich nicht.
1581
Die Beweisaufnahme im
Ausschuss hat keinerlei Fakten erkennbar werden lassen,
welche die von Oberst Klein behauptete Gefahr, dass die
Tanklaster in der Nacht noch unmittelbar gegen das PRT
hätten eingesetzt werden können, untermauert hätten.
Statt dessen wurde festgestellt, dass Oberst Klein selbst
vor dem Bombenabwurf keine unmittelbare Gefahr für
das Feldlager mehr gesehen hatte: Er bekundete im Aus-
schuss zwar immer wieder, dass er die F15-Bomber im
Rahmen einer „Troops-in-Contact“-Situation angefordert
habe, weil er zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen sei,
dass sie jederzeit unmittelbar zum Angriff auf das PRT
hätten übergehen können.
Gleichzeitig hat Oberst Klein im Ausschuss jedoch betont,
dass sich die Lage unmittelbar nach der Anforderung der
Luftunterstützung „weiterentwickelt“ habe und dass im
Moment des Waffeneinsatzes dann doch „keine unmittel-
bare Bedrohung“ mehr vorgelegen habe. Deshalb habe er
den Waffeneinsatz auch nicht auf die ROE 421 („immi-
nent threat“) gestützt, sondern die – nur für offensive
Operationen einschlägige – ROE 429 angewendet:
„Ich hatte ja dargestellt, dass wir zunächst die
Luftfahrzeuge angefordert hatten unter den Maß-
gaben der ROE 421, ‚imminent threat„. Als sich
die Lage weiterentwickelte und wir auch das La-
gegeschehen beobachtet hatten, kamen wir zu dem
Schluss, dass 421 nicht mehr passt.“1582
Die Regelung der ROE 429 habe es ihm dann ermöglicht,
Waffen gegen Personen einzusetzen, die Angriffe gegen
afghanische Sicherheitskräfte oder ISAF vorbereiten oder
planen, ohne dass eine „unmittelbare Bedrohung“ beste-
he.
1583
Damit wird deutlich, dass Oberst Klein ganz offen-
kundig selbst vor dem Bombenabwurf keine ausreichende
unmittelbare Gefahr mehr in den Tanklastern gesehen
hatte, die ihn zur Anordnung eines defensiven Waffenein-
satzes im Rahmen einer direkten Bedrohung im Sinne
einer Verteidigung gegen einen unmittelbaren Angriff
legitimiert hätte, sondern dass er selbst davon überzeugt
war, den Waffeneinsatz nicht als defensive, sondern als
offensive, also präventive Maßnahme gegen ein „Gele-
genheitsziel“ vornehmen zu wollen.
Es kann zwar nicht restlos widerlegt werden, dass Oberst
Klein in der Nacht nicht vielleicht doch auch aus Sorge
für die unmittelbare Sicherheit des PRT gehandelt haben
könnte, aber alle objektiven Fakten und vor allem seine
eigene Einlassung, wenn man sie denn ernst nehmen will,
sprechen dagegen. Würde man hingegen davon ausgehen,
dass seine Einlassung zum Wechsel der ROE nicht der
Wahrheit entsprochen hat, hätte es sich bei seiner dann
verbleibenden Gefahrenbeurteilung zumindest wieder um
1580) Vgl. N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62; Protokoll-Nr. 37, Teil II,
S. 65.
1581) Vgl. W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 19 und Mat. 17-10/10a,
Anhang F, Anlage 32, Ziffer 11.
1582) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.
1583) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15 und 36.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 243 – Drucksache 17/7400
eine grobe Fehleinschätzung des militärischen Führers
gehandelt.
Und auch hinsichtlich der anderen, von Oberst Klein
angedeuteten Gefahrensituation, dass die Tanklaster näm-
lich eventuell irgendwann einmal in ungewisser Zukunft
durch die Aufständischen gegen deutsche Soldaten oder
befreundete Kräfte eingesetzt werden könnten, muss dar-
auf hingewiesen werden, dass hierfür zu diesem Zeitpunkt
genau so wenig Hinweise wie auf konkrete Anschlagspla-
nungen vorlagen.
Wenn die Ausschussmehrheit in ihrer Bewertung behaup-
tet, die Entführung der Tanklaster sei geplant gewesen,
„um später mit der gewaltigen Sprengkraft zweier voll
beladener Tanklastzüge einen Anschlag der schwersten
Kategorie durchführen zu können“,1584 so ist dies frei
erfunden. Niemand hat die geringsten Erkenntnisse dazu
gewinnen können, welche Pläne die Taliban mit den ent-
führten Tanklastern hatten, außer dass diese vom PRT
Kunduz weg nach Gor Tepa verbracht werden sollten.
Selbst die HUMINT-Quelle wusste nicht, was genau mit
den Tanklastern an ihrem ursprünglichen Bestimmungsort
Gor Tepa hätte geschehen sollen. Hinzu kommt, dass im
Laufe der Nacht immer deutlicher wurde, dass die Tank-
laster überhaupt nicht mehr zu befreien waren und das
Benzin zudem den ganzen Abend aus den Tanklastern
bereits abgefüllt worden war. Auch diese Variante der
von Oberst Klein vermuteten Gefahr war also weder
konkret noch unmittelbar.
Will man dem wahren Ziel des Bombenabwurfs näher
kommen, muss der Blick somit mehr auf die versteckten
Hinweise von Oberst Klein hinsichtlich der Folgen des
Bombenabwurfs gerichtet werden: Oberst Klein stellte
sowohl gegenüber dem Untersuchungsausschuss als auch
gegenüber der Bundesanwaltschaft klar, sein Ziel sei es
auch gewesen, die Aufständischen zu treffen und deren
Anführer zu töten, wodurch den Aufständischen „ein
schwerer Schlag“ versetzt würde:
„Durch die Zerstörung der Tanklastzüge und die
Tötung feindlicher Kämpfer, dabei vermutlich
Führer und die in der Vergangenheit als besonders
gefährlich erkannten ausländischen Kämpfer,
würde den Aufständischen ein schwerer Schlag
versetzt.“1585
Der JTAC versuchte in seiner Vernehmung vor dem Aus-
schuss hingegen – übrigens ebenso wie Hauptmann N.1586
– den Eindruck zu erwecken, Ziel des Luftschlages seien
ausschließlich die beiden Tanklastzüge, nicht aber die
Personen auf der Sandbank gewesen:
„Als klar wurde, worum es jetzt geht: dass er einen
Waffeneinsatz befiehlt, stand nie zur Debatte, be-
wusst Personen zu treffen, sondern ganz klar nur
die Tanklastzüge.“1587
1584) Mehrheitsbewertung, S. 176.
1585) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 17.
1586) N., Protokoll-Nr. 8, S. 60.
1587) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 46.
Diese Aussage des Zeugen Oberfeldwebel W. ist durch
die Beweisaufnahme klar widerlegt und als bloße Schutz-
behauptung erkannt worden:
Das einzig objektive Beweismittel, das dem Ausschuss
zur Klärung der Frage der Zielrichtung des Bombenab-
wurfs zur Verfügung stand, war das Transkript des Funk-
verkehrs zwischen dem JTAC und den Besatzungen der
beiden F15-Luftfahrzeuge.
Dabei ist bemerkenswert, dass Oberfeldwebel W. auf die
ausdrückliche Frage der F15-Piloten, ob die Fahrzeuge
oder die Personen ausgeschaltet werden sollten, aus-
schließlich die Personen (sic!) als Ziel benannte:
„F15: (…) are you trying to take out the vehicles
or are you trying to take out the pax?
JTAC: we‟re trying to take out the pax“1588
Besonders deutlich wird die Zielrichtung des Waffenein-
satzes dann, wenn man sich im Transkript der Kommuni-
kation des JTAC mit den Piloten anschaut, zu welchem
Zeitpunkt der JTAC das Ziel als „zeitkritisch“ ausgewie-
sen, also zum „Sofortziel“ erklärt hat. Dies geschah näm-
lich unmittelbar nach dem Hinweis eines der Piloten dar-
auf, dass „alle Personen auf der Sandbank oder zumindest
mehr als 50 Prozent dieser Personen“ von den Tanklastern
weg in nördliche Richtung laufen würden:
„F15: look like all the passengers from the sand-
bank, or look like at least more than 50 per cent
are all running to the north side (…)
JTAC: copied understand the target is now time
sensitive (…)“1589
Zu allem Überfluss findet sich dann noch der Hinweis des
JTAC gegenüber einem der Piloten, er werde „ein Held“
sein:
„JTAC: …so you‟ll be a hero“1590
So wird erkennbar, dass das primäre Ziel des Bombenab-
wurfs kaum die Beseitigung einer objektiv bestehenden,
konkreten Gefahr war, sondern dass die Erlangung eines
militärischen Vorteils gegenüber den Taliban durch Ver-
nichtung von vier Talibanführern und ihren Anhängern
das eigentliche Ziel des Luftangriffs aus der Sicht von
Oberst Klein und seinem JTAC gewesen sein muss, um
den Aufständischen – in den Worten von Oberst Klein –
einen „schweren Schlag“ zu versetzen.
Aus völkerrechtlicher Sicht ist diese Variante für Oberst
Klein zudem sogar die vorteilhafteste: Wäre es ihm nur
um die Beseitigung einer vermuteten Gefahr durch die
Tanklaster gegangen, würde eine völkerrechtliche Rech-
tfertigung seines Verhaltens problematisch werden, weil
eine solche unmittelbare Gefahr objektiv erwiesenerma-
ßen nicht vorhanden war und er sie sogar selbst offenkun-
1588) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 7;
„PAX“= „persons approximately“ – ungefähre Personenanzahl.
1589) Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 7.
1590) Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 8.
Drucksache 17/7400 – 244 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dig zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs nicht mehr gese-
hen hatte.
1591
Hinzu kommt, dass er dann aus völkerrechtlicher Sicht
auf die Durchführung einer „abschreckenden Machtde-
monstration“ im Sinne einer „Show of Force“ durch einen
tiefen Überflug zur Warnung möglicher Zivilisten vor Ort
keinesfalls hätte verzichten dürfen.
1592
Nur wenn man also davon ausgeht, dass die Vernichtung
der Personen an den Tanklastern das eigentliche militäri-
sche Ziel des Waffeneinsatzes war, erklärt sich nachvoll-
ziehbar, warum Oberst Klein den Piloten ausdrücklich die
Durchführung einer „Show of Force“ untersagt hat.
Zu dieser Erkenntnis gelangte man im Übrigen sogar im
Verteidigungsministerium selbst. In einem Vermerk der
„Gruppe 85“, die zum Umgang mit diesem Vorgang ein-
gerichtet worden war, heißt es dazu:
„Aus hiesiger Sicht soll hier möglicherweise das
Überraschungsmoment genutzt werden, d. h. die
Insurgenten sollen bis zum letzten Moment nicht
gewarnt werden. Aus hiesiger Sicht ein Anzeichen,
dass (…) eine Bekämpfung der INS (AAF) und
nicht mittelbar der Tanklaster beabsichtigt
war.“1593
Insofern muss man nach der Beweisaufnahme zu dem
Schluss gelangen, dass gerade die Vernichtung der Perso-
nen vor Ort das vordringliche, wenn nicht sogar das ein-
zige Ziel des Bombenabwurfs gewesen sein muss.
bb) Regelwidriger Einsatz des B1-Bombers zur
Suche nach den Tanklastern
Der chronologisch erste Verfahrensfehler im Zusammen-
hang mit dem Waffeneinsatz ist bereits darin zu sehen,
dass der B1-Bomber für die Suche nach den Tanklastern
durch den JTAC eingesetzt wurde, ohne dass diese Ab-
weichung vom ursprünglichen Auftrag des B1-Bombers
zuvor mit dem ISAF-Gefechtsstand für Luftunterstützung
in Kabul („Air Support Operations Center“, ASOC) ab-
gestimmt worden war.
Weil solche Änderungen der Aufträge der Luftfahrzeuge
immer der Zustimmung des ASOC bedürfen, wurde schon
hier gegen die sich aus dem NATO-Operationsplan ver-
bindlich ergebenden Verfahrensvorschriften verstoßen.
cc) Regelwidrige Erklärung eines „TIC“: Die
F15-Bomber hätten nicht angefordert wer-
den dürfen
Nachdem der B1-Bomber die Tanklaster auf der Sand-
bank aufgefunden hatte, dann aber wegen Treibstoffman-
gels wieder abziehen musste, forderte der JTAC auf Ge-
1591) Vgl. auch: von der Groeben, German Law Journal 2010, S. 469,
482 und 488.
1592) Artikel 57 Abs. 2 lit. c) ZP I zu den Genfer Abkommen; vgl. dazu
ausführlich unten ab Seite 250 sowie von der Groeben, in: Ge-
rman Law Journal 2010, S. 469 ff, 484.
1593) Mat. 17-35a, R II 3, Ordn. 3, S. 139.
heiß von Oberst Klein beim ASOC in Kabul erneut Luft-
nahunterstützung („Close Air Support“, CAS) an.
Das ASOC lehnte dieses Ansinnen aufgrund fehlender
Verfügbarkeit von Luftfahrzeugen ab und teilte mit, dass
kurzfristige Luftnahunterstützung nur im Rahmen einer
„Troops-in-Contact“(TIC)-Situation (Truppen in Feindbe-
rührung) erfolgen könne. In einer solchen erklärten Notsi-
tuation kann auf weitere, sich bereits in der Luft befindli-
che und für die unmittelbare Unterstützung in Notlagen
vorgehaltene Flugzeuge zugegriffen werden. Der JTAC
gab diese Information an Oberst Klein weiter.
1594
Ein solcher „TIC“ darf nur erklärt werden, wenn ISAF-
Bodentruppen unter gezieltem Feindbeschuss stehen, sich
in „unmittelbarer Bedrohung“ („imminent threat“) durch
einen feindlichen Angriff befinden oder Zeugen einer
„feindseligen Handlung“ bzw. einer „feindseligen Ab-
sicht“ geworden sind, die zu einem unmittelbaren feindse-
ligen Akt gegen ISAF-Bodentruppen führen könnte.
In den beigezogenen Akten findet sich der bemerkenswer-
te Hinweis, dass sich Oberst Klein nach der Mitteilung
des JTAC, dass Luftnahunterstützung erst nach Erklärung
eines TIC gewährt werden könne, mit Hauptmann N.
besprochen haben soll.
1595
Auch dies ist ein weiteres Indiz
für die Vermutung, dass Hauptmann N. im Zusammen-
hang mit dem Waffeneinsatz eine weitaus größere Rolle
gespielt hat, als er in seiner Vernehmung vorgab.
Nach seinem Gespräch mit Hauptmann N. befahl Oberst
Klein dem JTAC, aufgrund einer „unmittelbaren Bedro-
hung“ („imminent threat“) das Vorliegen einer TIC-
Situation zu erklären.
1596
Diesem Befehl folgte der JTAC
um 1.04 Uhr mit einer entsprechenden Erklärung gegenü-
ber dem ASOC.
1597
Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat gezeigt, dass
tatsächlich zu diesem Zeitpunkt keinerlei Informationen
dazu vorlagen, dass ein unmittelbarer Angriff auf das
PRT geplant oder auch nur angedacht worden sein könn-
te. Wie bereits mehrfach beschrieben, berichtete selbst die
HUMINT-Quelle in dieser Nacht das genaue Gegenteil.
Die Handlungen der Personen an den Tanklastern ließen
ebenfalls keinerlei unmittelbar bevorstehende Feindselig-
keit gegenüber ISAF-Kräften erkennen. Die taktische
Lage stellte also keinesfalls eine TIC-Situation dar.
Die Aussagen von Oberst Klein im Ausschuss hierzu sind
seltsam widersprüchlich: Einerseits beharrte er darauf,
zum Zeitpunkt seines Befehls an den JTAC zur Erklärung
des TIC tatsächlich von einer „unmittelbaren Bedrohung“
des PRT ausgegangen zu sein.
1598
Andererseits bekundete
er aber mehrfach, nach seiner Wahrnehmung hätten alle
Beteiligten, also JTAC, ASOC und die Piloten der F15-
1594) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 16.
1595) Vgl. Mat. 17-10/10a, Chronologischer Ablauf, Rz. 29 und An-
hang F, Anlage 32, Ziffer 10.
1596) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 5, 10.
1597) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (offene Version) vom 16. April 2010 (Fn. 122, Doku-
ment 52), S. 23.
1598) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14 und 25.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245 – Drucksache 17/7400
Bomber, gleichermaßen gewusst, dass eigentlich keine
TIC-Situation im Wortsinne vorgelegen habe.
1599
Und die Tatsache, dass sich Oberst Klein für den unmit-
telbar folgenden Waffeneinsatz gerade nicht darauf stütz-
te, dass eine „unmittelbare Bedrohung“ bekämpft werden
sollte, sondern nach eigener Aussage ganz bewusst eine
Einsatzregel für einen offensiven Waffeneinsatz zugrun-
delegte, zeigt deutlich, dass es eine solche „unmittelbare
Bedrohung“ zu keinem Zeitpunkt gegeben und dass auch
Oberst Klein diese selbst nicht gesehen hatte. Seine
schwer nachvollziehbare Einlassung, die Lage habe sich
eben nach Erklärung des TIC „weiterentwickelt“1600,
erscheint konstruiert und dürfte allein dem Zweck gedient
haben, die Regelwidrigkeit der Anforderung der Luftun-
terstützung mittels Erklärung eines TIC zu rechtfertigen.
Zusätzlich berief sich Oberst Klein immer wieder darauf,
dass er sich aufgrund ähnlicher Vorkommnisse in der
Vergangenheit zu einer sehr weiten – in seinen Augen
„angemessenen“ – Auslegung des TIC-Begriffs berechtigt
gesehen habe:
„Ich kann nur sagen, dass wir das Verfahren in
ähnlicher Form immer, wenn es zum Schutz unse-
rer Soldaten oder der afghanischen Sicherheits-
kräfte notwendig war, auch so angewendet haben,
und das ist eine Interpretationssache, inwieweit
man ‚imminent threat„ tatsächlich auslegt. […] Ich
sage, ich habe das angemessen ausgelegt.“1601
Oberst Klein lieferte allerdings im Ausschuss selbst den
Beleg dafür, dass eine bewusst „weite“ Auslegung der
TIC-Regularien von seinem unmittelbaren Vorgesetzten,
General Vollmer, in der Vergangenheit gerade nicht gou-
tiert worden war, sondern dass dieser stattdessen auf eine
enge Auslegung bestanden hatte:
Oberst Klein berichtete im Ausschuss nämlich von einer
Situation, in der kurze Zeit vorher trotz größter Notlage
für verbündete Bodentruppen, der nur durch die Herbei-
holung von Luftnahunterstützung hätte begegnet werden
können, ein TIC ausdrücklich nicht erklärt worden war,
weil die förmlichen Voraussetzungen dafür nicht vorgele-
gen hatten, und dies obwohl – oder gerade weil – General
Vollmer in diese Entscheidung eingebunden war.
1602
Oberst Klein selbst hat damit im Ausschuss deutlich ge-
macht, dass sein unmittelbarer Vorgesetzter in der Ver-
gangenheit eine enge, förmliche Auslegung der TIC-
Begrifflichkeit selbst in einer akuten Gefahrenlage für
zwingend gehalten hatte. Damit dürfte Oberst Klein mit
seiner „weiten“ Auslegung der Voraussetzungen des TIC
ganz bewusst gegen die bislang im Einvernehmen mit
seinem unmittelbaren Vorgesetzten geübte Praxis gehan-
delt haben.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es
sich bei diesen Anforderungsvoraussetzungen nicht um
1599) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.
1600) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.
1601) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 26.
1602) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13 f.
bloß nebensächliche Förmlichkeiten handelt, sondern dass
mit diesen engen Vorgaben dem Umstand Rechnung
getragen wird, dass diese Flugzeuge bei einer unberech-
tigten Anforderung eben nicht mehr zur Verfügung ste-
hen, um in einer eventuell entstehenden tatsächlichen
Notlage mit tatsächlichen akuten Gefahren für ISAF-
Soldatinnen und -Soldaten zeitnah eingreifen zu können.
Nach der Beweisaufnahme steht also fest, dass der Befehl
von Oberst Klein an seinen JTAC, gegenüber dem ASOC
einen „TIC“ zu erklären, gegen ISAF-Einsatzregeln ver-
stieß, weil das taktische Lagebild am Boden weder eine
„Feindberührung“ noch eine „unmittelbare Bedrohung“
darstellte. Die Luftnahunterstützung hätte in dieser Nacht
von Oberst Klein so nicht angefordert werden dürfen.
Wäre gegen diese Verfahrensvorschrift durch Oberst
Klein und den JTAC nicht verstoßen worden, sondern
wären die förmlichen Vorgaben für die Anforderung von
Luftnahunterstützung in einer TIC-Situation beachtet
worden, wäre der Bombenabwurf zwangsläufig ausgeb-
lieben.
Schon hier zeigt sich, dass die öffentliche Behauptung des
Freiherrn zu Guttenberg am 6. November 2009, der Luft-
angriff hätte auch ohne die begangenen Verfahrensfehler
zwingend erfolgen müssen, ein reines Trugbild mit dem
einzigen Ziel war, die Soldatinnen und Soldaten von der
Schneidigkeit seiner eigenen Person zu begeistern.
dd) Unzureichende Abklärung der Anwesen-
heit befreundeter Kräfte
Weiterhin ist es vor jedem Waffeneinsatz zwingend er-
forderlich, sorgfältig abzuklären, ob sich nicht etwa
ISAF-Truppen selbst oder „befreundete Kräfte“ in der
Nähe befinden, die unbeabsichtigt in Mitleidenschaft
gezogen werden könnten. Auch dies ist nicht in dem er-
forderlichen Maße geschehen:
Oberst Klein hatte zwar in der Nacht die Operationszent-
rale des PRT angewiesen, die Position der eigenen und
der verbündeten Kräfte bei der afghanischen Sicherheits-
koordinierungsstelle (OCC-P KDZ) zu erfragen, um aus-
zuschließen, dass sich ISAF-Soldaten oder Angehörige
der afghanischen Armee in der Nähe der Sandbank befin-
den, jedoch hat die Beweisaufnahme im Ausschuss erge-
ben, dass diese in jener Nacht überhaupt nicht mehr er-
reichbar war, so dass er von dort keine Antwort erhalten
konnte.
In der Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts
wird in diesem Zusammenhang der falsche Eindruck
erweckt, der JTAC habe diese Feststellung der Nichtbe-
troffenheit eigener Kräfte daraufhin über den Luftwaffen-
verbindungsoffizier (Air Liaison Officer, ALO) der Task
Force 47 in Mazar-e Sharif erwirkt.
1603
Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat jedoch ergeben,
dass der ALO, der Zeuge Oberstleutnant G., über solche
1603) Vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 23.
Drucksache 17/7400 – 246 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Informationen überhaupt nicht verfügte, sondern nur von
anderer Stelle gefragt worden war, ob ein TIC vorläge,
was er nach Rücksprache mit dem JTAC gegenüber die-
sen dritten Stellen nur bestätigt habe.
1604
Damit wird deut-
lich, dass in dieser Nacht noch nicht einmal ein eindeuti-
ger Ausschluss der möglichen Betroffenheit eigener oder
verbündeter Kräfte erfolgte.
ee) Unklarheiten zwischen Oberst Klein, dem
JTAC und den Piloten über die angewand-
te Einsatzregel („Rule of Engangement“)
Der nächste in der Beweisaufnahme festgestellte Verstoß
des militärischen Führers gegen das zwingend anzuwen-
dende ISAF-Regelwerk bestand darin, dass es versäumt
wurde, den Waffeneinsatz auf eine klare Grundlage zu
stellen und die herangezogene Einsatzregel („Rule of
Engagement“, ROE) deutlich zu benennen.
Alle unmittelbar an dem Waffeneinsatz Beteiligten – der
Kommandeur, der JTAC und die Piloten der F15-Bomber
– stützten sich auf jeweils völlig unterschiedliche Einsatz-
regeln für den Waffeneinsatz, wodurch vor allem die
Piloten im Unklaren darüber blieben, welche Vorausset-
zungen für den von Oberst Klein angeordneten Waffen-
einsatz eigentlich erfüllt sein mussten.
Bezüglich der Grundlage, auf der seine Entscheidung
basierte, hat Oberst Klein erklärt, er habe die Luftfahrzeu-
ge im Rahmen des TIC zwar unter den Maßgaben der
ROE 421 („imminent threat“) angefordert, weil er zu
diesem Zeitpunkt von einer unmittelbaren Bedrohung
durch die Tanklaster ausgegangen sei, jedoch habe sich
die Lage „weiterentwickelt“ und er habe dann auf Vor-
schlag des JTAC die Bekämpfung nach der Einsatzregel
ROE 429, die ein offensives Vorgehen ermöglicht, durch-
geführt:
„Ich hatte ja dargestellt, dass wir zunächst die
Luftfahrzeuge angefordert hatten unter den Maß-
gaben der ROE 421, ‚imminent threat„. Als sich
die Lage weiterentwickelte und wir auch das La-
gegeschehen beobachtet hatten, kamen wir zu dem
Schluss, dass 421 nicht mehr passt. […] Nach
meinem Kenntnisstand haben wir das auch so ge-
meldet, dass die Bekämpfung nach 429 durchge-
führt wurde.“1605
Der JTAC, der Zeuge Oberfeldwebel W., erklärte im
Ausschuss hingegen, es habe nach seiner Erinnerung im
Laufe des Abends keinen Wechsel der ROE gegeben. Er
habe den Oberst auch nicht hinsichtlich der ROE bera-
ten.
1606
Aus den Akten des Ausschusses ergibt sich sogar,
dass der JTAC die Ausführung des Luftangriffs vielleicht
sogar verweigert und sozusagen die „rote Karte“ gezogen
haben würde, wenn er gewusst hätte, dass der Komman-
1604) Vgl. G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 51: „Ich selber hatte damit
überhaupt nichts zu tun. Diese gesamte Koordinierung des gesam-
ten Zwischenfalls ist vollkommen an mir vorbeigegangen.“
1605) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.
1606) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 30.
deur einen Wechsel der ROE kurz vor dem Waffeneinsatz
vornehmen wollte.
1607
Der JTAC hatte zudem zuvor noch nie einen offensiven
Waffeneinsatz nach ROE 429 mit den dafür erforderli-
chen speziellen Zielzuweisungsverfahren durchge-
führt.
1608
Auch Oberst Klein hatte vor dieser Nacht keiner-
lei Erfahrungen im Zusammenhang mit der Zielzuwei-
sung bei Offensiveinsätzen gemacht,
1609
was angesichts
seines Aufgabenprofils als PRT-Kommandeur, das gerade
nicht die offensive Verfolgung vermuteter Taliban außer-
halb von konkreten Selbstverteidigungs- oder Nothilfesi-
tuationen beinhaltet, auch nicht weiter verwunderlich ist.
Während Oberst Klein davon ausging, es erfolge ein of-
fensiver Waffeneinsatz nach ROE 429 zur Bekämpfung
eines „Gelegenheitsziels“ bei unkonkreten Gefahren,
schien der JTAC bis zum Schluss anzunehmen, es werde
ein Waffeneinsatz zur Bekämpfung einer konkreten und
unmittelbaren Gefahr für das PRT Kunduz durch die
Tanklaster und die dort befindlichen Personen auf der
Grundlage von ROE 421 durchgeführt.
Die F15-Piloten gründeten den Waffeneinsatz zu allem
Überfluss auf keine dieser beiden Einsatzregeln, weil
auch keine davon ihnen gegenüber benannt worden war.
Sie gingen statt dessen während der gesamten Zeit davon
aus, dass sie auf Grundlage einer „Troops-in-Contact“
(TIC)-Situation handelten und wandten deshalb die all-
gemeinen Regeln der US-Streitkräfte im Bereich der
Selbstverteidigung aufgrund vorliegender „unmittelbarer
Bedrohung“ („imminent threat“) an. Zu dieser Überzeu-
gung mussten die Piloten zwangsläufig gelangen, weil
zum einen ihr ursprünglicher Einsatzauftrag als TIC für
eine solche Lage mit „unmittelbarer Feindberührung“
ausgestaltet war und der JTAC zum anderen Ihnen gege-
nüber mehrfach ausdrücklich bestätigt hatte, dass eine
solche „unmittelbare Bedrohung“ weiterhin bestehe.
Wörtlich erklärte der JTAC gegenüber den F15-Piloten:
„Ja, die Personen stellen eine unmittelbare Bedro-
hung dar. Die Aufständischen versuchen, den ge-
samten Kraftstoff aus den Tanklastwagen abzufül-
len und danach werden sie sich neu formieren, und
wir haben Erkenntnisse über laufende Operationen
und darüber, dass sie vermutlich das PRT Kunduz
angreifen werden.“1610
Obwohl die Piloten anfänglich unsicher waren, ob sie hier
wirklich die Situation einer unmittelbaren Bedrohung von
ISAF-Kräften vorfanden, kann ihnen kein Vorwurf ge-
macht werden, wenn ihnen durch den JTAC – objektiv
wahrheitswidrig – vorgespiegelt wurde, es lägen belastba-
re Informationen („intel information“) dazu vor, dass
gerade die an den Tanklastern befindlichen Personen
planten, das PRT Kunduz unmittelbar anzugreifen, und
dass es sich deshalb um eine „unmittelbare Bedrohung“,
1607) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 32, Ziffer 27.
1608) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 32, Ziffer 26.
1609) Vgl. Mat. 17-10/10a, Ordn. 1, S. 56/73, Ziffer 9.
1610) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 10.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247 – Drucksache 17/7400
einen „imminent threat“, gehandelt habe, der zum Waf-
feneinsatz berechtige.
Dabei handelte der JTAC nach eigenen Angaben nur
deshalb so, weil Oberst Klein ihm gegenüber dargestellt
haben soll, dass eine „unmittelbare Gefahr“ für das PRT
bestehe, was er nach anfänglichen Zweifeln dann auch so
verstanden habe.
1611
In den Akten finden sich allerdings
Hinweise darauf, dass der JTAC selbst in dieser Nacht
keine Notwendigkeit gesehen hatte, einen TIC zu erklä-
ren, und er nur deshalb die Behauptung einer „unmittelba-
ren Gefahr“ gegenüber dem ASOC und den Piloten auf-
gestellt hatte, weil es ihm durch Oberst Klein befohlen
worden war.
1612
Da über die Kommunikation des JTAC
mit den Piloten ein Protokoll vorliegt, steht jedenfalls
fest, dass der JTAC gegenüber den Piloten keinerlei konk-
rete Einsatzregel – auch nicht die ROE 421 – für den
Waffeneinsatz benannt hat, obwohl er eigentlich aufgrund
der für den JTAC geltenden Verfahrensregeln dazu ver-
pflichtet gewesen wäre, wenn der Waffeneinsatz außer-
halb eines TIC durchgeführt werden sollte.
Auch insoweit muss festgestellt werden, dass es für den
Fall, dass er nicht begangen, sondern den Piloten tatsäch-
lich mitgeteilt worden wäre, dass der Kommandeur den
Waffeneinsatz auf Grundlage von ROE 429 befohlen hat,
der Bombenabwurf letztlich ausgeblieben wäre, weil der
Waffeneinsatz dann nach anderen Voraussetzungen und
Verfahren sowie mit Beteiligung anderer Stellen hätte
ausgeführt werden müssen, die schnell erkannt hätten,
dass die Voraussetzungen der ROE 429 nicht vorlagen.
ff) Vorgaben der dem Waffeneinsatz zu Grun-
de gelegten ROE 429 wurden sämtlich
nicht erfüllt
Geht man davon aus, dass Oberst Klein vor dem Untersu-
chungsausschuss nicht bewusst die Unwahrheit hinsich-
tlich der von ihm in der Nacht zu Grunde gelegten Ein-
satzregel ROE 429 bekundet hat, sondern tatsächlich den
Waffeneinsatz auf die offensive Einsatzregel ROE 429
stützen wollte, so ergeben sich erhebliche weitere Fragen
dazu, ob die formalen Voraussetzungen dieser Einsatzre-
gel durch Oberst Klein beachtet worden sind.
aaa) RC North hätte bei Waffenfreigabe nach
ROE 429 beteiligt werden müssen
Zunächst stellt sich schon die Frage, ob Oberst Klein als
PRT-Kommandeur überhaupt zur Waffenfreigabe unter
ROE 429 berechtigt gewesen wäre. Grundsätzlich sind
nach den Vorgaben des ISAF-Operationsplans für die
Freigabe derartiger offensiver Waffeneinsätze nicht die
Kommandeure der PRTs vor Ort zuständig, sondern der
übergeordnete RC-Kommandeur, hier der Kommandeur
des RC North, General Vollmer. Nur in besonders eiligen
(„hasty“) Situationen ohne größere Vorbereitungszeit ist
diese Freigabebefugnis im Einzelfall delegiert, jedoch
1611) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 19.
1612) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 32, Ziffer 11.
dann ausdrücklich auf einen Kommandeur der „Task
Force“, nicht aber auf den PRT-Kommandeur.
Oberst Klein versuchte in seiner Vernehmung im Aus-
schuss den Eindruck zu erwecken, nach deutschem Ver-
ständnis seien Task Force- und PRT-Kommandeure
gleichgestellt und insofern austauschbar.
1613
Im Hinblick
darauf, dass die beiden Kommandoebenen sehr unter-
schiedliche Aufgaben und Befugnisse zugewiesen be-
kommen haben,
1614
begegnet diese Einlassung zumindest
Zweifeln, die im Ausschuss nicht ausgeräumt werden
konnten:
Angesichts dessen, dass die für rein offensive Waffenein-
sätze ausgelegte Einsatzregel ROE 429 die gezielte Tö-
tung von Aufständischen außerhalb einer konkreten Ver-
teidigungssituation ermöglicht, fragt sich, in welcher
Weise ein solcher Waffeneinsatz einen PRT-
Kommandeur in seinem Auftrag eigentlich unterstützen
soll. Der PRT-Kommandeur hat – im Gegensatz zu den
Kommandeuren der Task Force, deren tägliches Geschäft
es darstellt, Personen, die mit Anschlägen gegen die Si-
cherheitskräfte und die afghanische Staatsgewalt in Ver-
bindung stehen, außerhalb konkreter Gefechte zu verifi-
zieren und gegebenenfalls gegen sie auch mit Gewalt
vorzugehen
1615
– vor allem den Auftrag, die Wiederauf-
baumaßnahmen in der zugewiesenen Region abzusi-
chern.
1616
Darunter dürfte aber kaum die präventive Li-
quidierung vermuteter Aufständischer außerhalb einer
konkreten Gefechtssituation fallen, zu der die ROE 429
berechtigt.
Nicht von ungefähr sind die PRT-Kommandeure auch
nicht eingebunden in die Erstellung, Führung und An-
wendung der verschiedenen Ziellisten im Rahmen des
ISAF-Targetingprozesses (JEL, JPEL, RTL, NSL,
JPSIL)
1617
und in die Operationsplanung und -führung auf
der Grundlage dieser Ziellisten. Warum PRT-
Kommandeuren dann trotzdem die Befugnis gegeben
worden sein soll, solche Personen mit Waffengewalt
offensiv verfolgen zu können, erschließt sich nur schwer-
lich.
Oberst Klein selbst hat in seiner Vernehmung ausdrück-
lich darauf hingewiesen, dass die Task Force gegenüber
dem PRT einen eigenständigen Aufgabenbereich und
einen völlig eigenständigen „Befehls- und Informations-
strang“ hat, in den der PRT-Kommandeur nicht einge-
bunden ist.
1618
Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass
Oberst Klein – ebenso wenig wie sein JTAC – über kei-
nerlei Erfahrungen mit den einschlägigen Zielzuwei-
1613) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.
1614) Der PRT-Kommandeur hat dabei die Aufgabe, „Wiederaufbau-
und Entwicklungsprogramme mit Provinz-/ Distrikt-
Gouverneuren zu koordinieren“; vgl. Mat. 17-22, Büro Sts Wi-
chert Al. 01/Ordn. 2, Annex B/1/e.
1615) Vgl. BT-Drs. 17/2884, S. 7.
1616) Vgl. Mat. 17-22, Büro Sts Wichert Al. 01/Ordn. 2, Annex B/1/e.
1617) Vgl. BT-Drs. 17/2884, S. 9 f.
1618) Vgl. etwa: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 46.
Drucksache 17/7400 – 248 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sungsverfahren bei Offensiveinsätzen verfügte und mit
diesen auch in keiner Weise vertraut war.
1619
Gerade der vorliegende Fall hat gezeigt, dass der PRT-
Kommandeur mit der sachgerechten Einordnung der von
der HUMINT-Quelle gewonnenen Informationen über-
fordert war, weil die Suche nach und die offensive Ver-
folgung oder gar „Liquidierung“ von als gefährlich er-
kannten Aufständischen gerade nicht zu seinem Tagesge-
schäft gehörte, sondern eindeutig dem Aufgabenbereich
der Task Force 47 zuzuordnen ist.
Es sprechen insofern gute Gründe für die Annahme, dass
Oberst Klein schon aufgrund seiner Stellung als PRT-
Kommandeur nicht die Befugnis hatte, einen derartigen
offensiven Waffeneinsatz freizugeben, sondern dass die
Waffeneinsatzbefugnis im Rahmen der ROE 429 allen-
falls auf Kommandeure der Task Force delegiert werden
kann, so dass er den Kommandeur des RC North, General
Vollmer, in die Entscheidung hätte einbinden müssen.
bbb) Keine Einbindung des vorhandenen
Rechtsberaters in den Prozess der Waffen-
freigabe
Diese offensichtlichen Unklarheiten und Unsicherheiten
hinsichtlich der bei dem Waffeneinsatz anzuwendenden
Einsatzregeln hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit ver-
mieden werden können, wenn Oberst Klein den im PRT-
Kunduz vorhandenen Rechtsberater eingebunden hätte.
Dieser hätte zumindest schon einmal darauf hinweisen
können, dass die genaue Benennung der bei einem sol-
chen Waffeneinsatz anzuwendenden ROE gegenüber dem
JTAC und vor allem auch gegenüber den Piloten zwin-
gend erforderlich ist.
Aber auch für die ordnungsgemäße Durchführung eines
Waffeneinsatzes gemäß ROE 429 – unabhängig davon, ob
vom RC-Kommandeur oder vom TF-/PRT-Kommandeur
durchgeführt – bedarf es grundsätzlich eines qualifizierten
Beobachters, der über die Einhaltung der Vorgaben des
Humanitären Völkerrechts wacht und eine verlässliche
Aussage zu Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des
Waffeneinsatzes vor seiner Ausführung trifft.
1620
Die Bedeutung eines solchen Rechtsbeistands erschließt
sich im Übrigen auch schon mit Blick auf das Völker-
recht, das in Artikel 82 des Ersten Zusatzprotokolls zu
den Genfer Abkommen („ZP I“) vorsieht, dass Rechtsbe-
rater verfügbar gehalten werden müssen, um die militäri-
schen Kommandanten zu beraten.
Oberst Klein hat in seiner Vernehmung vor dem Aus-
schuss erläutert, er habe deshalb auf die Einbeziehung des
im PRT zu diesem Zeitpunkt anwesenden Rechtsberaters
verzichtet, weil dieser ihn eigentlich nur „in Nebenfunkti-
on“ beraten habe.1621 Welche Relevanz diese Feststellung
für die Notwendigkeit der Einbindung eines Rechtsbera-
1619) Vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 51.
1620) Vgl. Mat. 17-10/10a, S. 50/73, Ziffer 5.
1621) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15.
ters haben soll, erschließt sich nur schwerlich. Darüber
hinaus hat Oberst Klein angegeben, der Rechtsberater
habe ihm am nächsten Tag seine „Einschätzung der Ein-
satzregeln“ bestätigt, so dass er ihm in der Nacht auch
keinen anderen Rat hätte geben können. Auch der
Rechtsberater des RC North habe ihm im Nachhinein
bestätigt, dass der Waffeneinsatz „ROE-konform“ gewe-
sen sei.
In den Akten des Ausschusses findet sich zwar ein ander-
thalbseitiger Vermerk des Rechtsberaters aus Mazar-e
Sharif vom 4. September 2009,
1622
doch erschöpft sich
dieser darin, auf die – überaus zweifelhafte – Delegation
der Waffenfreigabebefugnis im Rahmen der ROE 429 auf
die Ebene des PRT-Kommandeurs hinzuweisen. Hinsich-
tlich der Frage, ob die materiellen Voraussetzungen der
ROE 429 vorgelegen haben, enthält der Vermerk jedoch
keine abschließende Bewertung, sondern weist nur darauf
hin, dass dies davon abhänge, „ob ausreichende INTEL-
Erkenntnisse vorgelegen haben, dass es sich bei den in der
Nähe befindlichen Personen um Aufständische gehandelt
hat“.
Zu welchem Ergebnis ein solcher geschulter Beobachter
hinsichtlich der Berechtigung des Waffeneinsatzes letz-
tlich in der Nacht gelangt wäre, wenn er beteiligt worden
wäre, ist insofern zumindest offen.
1623
Festgestellt werden
konnte nur, dass Oberst Klein jedenfalls verpflichtet ge-
wesen wäre, den im PRT vorhandenen Rechtsberater in
der Nacht hinzuzuziehen, um den förmlichen Anforde-
rungen der ISAF-Einsatzregeln zu entsprechen.
ccc) Unzureichende Durchführung der PID an-
hand einer einzigen HUMINT-Information
ohne sonstige Bestätigung
Weiterhin wäre es – wie bei jedem Waffeneinsatz – zwin-
gend erforderlich gewesen, die in der ROE 429 definier-
ten „gegnerischen Kräfte“ als solche eindeutig zu identifi-
zieren („Positive Identification“, PID).
Eine solche eindeutige Identifizierung kann durch eine
Vielzahl von Verfahren oder Informationen erfolgen, auf
die im Einzelnen hier nicht eingegangen werden muss.
Eine Möglichkeit zu einer solchen PID zu gelangen, stellt
nach den einschlägigen ISAF-Einsatzregeln auch die
Nutzung von menschlichen Quellen dar.
Für den Fall, dass eine solche PID allein auf eine einzelne
HUMINT-Information gestützt werden soll, geben die
ISAF-Einsatzregeln vor, dass diese Information zumin-
dest eine bestimmte Klassifizierung, also einen bestimm-
ten Grad von Zuverlässigkeit der Quelle und Glaubwür-
digkeit des Nachrichteninhalts, aufweisen muss.
Oberst Klein hat im Ausschuss immer wieder darauf hin-
gewiesen, der von ihm in der Nacht für die Identifizierung
sämtlicher Personen an den Tanklastern als Aufständische
herangezogene Informant sei als „im Allgemeinen zuver-
lässig“, also sogar einen Grad besser als eigentlich erfor-
1622) Mat. 17-11/11a (Dokument 103), Anlage 9.
1623) Vgl. zu den rechtlichen Bewertungen unten ab Seite 252.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 249 – Drucksache 17/7400
derlich, klassifiziert gewesen, so dass er berechtigt gewe-
sen sei, die PID allein auf diese Information zu stüt-
zen.
1624
Diese Argumentation vermag im Ergebnis jedoch nicht zu
überzeugen: Nach den Einsatzregeln wäre nicht nur die
Klassifizierung der Quelle als zuverlässig erforderlich
gewesen, sondern vor allem hätte auch die Nachricht
selbst einen gewissen Grad an Glaubwürdigkeit und Plau-
sibilität aufweisen, also in bestimmter Weise bewertet und
klassifiziert werden müssen, was durch eine zusätzliche
Kennzeichnung erfolgt.
Im vorliegenden Fall hat der für die Klassifizierung der
Nachricht zuständige Offizier der Feldnachrichtenkräfte,
Hauptmann N., jedoch ausdrücklich die förmliche Bewer-
tung der Glaubwürdigkeit der Nachricht verweigert und
sich immer nur auf die Klassifizierung der Zuverlässigkeit
der Quelle bezogen. Damit fehlte es aber in der Nacht an
der neben der Zuverlässigkeit der Quelle erforderlichen
Bewertung der Glaubwürdigkeit der konkreten Nachricht,
so dass die Information des HUMINT-Kontakts zum
Status sämtlicher Personen an den Tanklastern durch
Oberst Klein eigentlich nicht zur alleinigen Grundlage des
Waffeneinsatzes hätte gemacht werden dürfen.
Hinzu kommt, dass im konkreten Fall erhebliche Zweifel
an der Plausibilität der Aussage der Quelle angezeigt
gewesen wären:
Es ist absolut unwahrscheinlich, dass eine eindeutige
Identifizierung sämtlicher Personen an den Tanklastern –
Oberst Klein selbst ist von etwa 70 Personen vor Ort
ausgegangen – als Mitglieder einer militärisch organisier-
ten bewaffneten Gruppe von Taliban in einem so schwie-
rigen und komplexen, vor allem sich andauernd dyna-
misch verändernden Zielgebiet durch eine einzige
HUMINT-Quelle wirklich belastbar hätte erfolgen kön-
nen. Nach den Aussagen des JTAC war in den durch die
F15-Bomber in den Befehlsstand übertragenen Videobil-
dern ein „ständiges Kommen und Gehen“ festzustellen.
Nach späteren amtlichen Berichten sollen zeitweise sogar
bis zu 300 Personen vor Ort gewesen sein.
1625
Es erscheint vollkommen schleierhaft, wie eine einzige
HUMINT-Quelle mit Sicherheit die Identität jeder einzel-
nen Person vor Ort und die Zugehörigkeit jeder einzelnen
Person zu einer organisierten, bewaffneten Talibangruppe
hätte feststellen können sollen.
Um die erforderliche eindeutige Identifizierung der zu
bombardierenden Personen sachgerecht vornehmen zu
können, wäre es zwingend erforderlich gewesen, zumin-
dest eine Bestätigung der pauschalen Aussagen der ein-
zelnen Kontaktperson zu erlangen. Dies ist jedoch nicht
erfolgt: Die Bilder des B1-Bombers und der F15-Bomber
lieferten gerade keine Bestätigung für die Annahme, dass
sämtliche Personen vor Ort Aufständische waren. Wie
oben bereits angesprochen, konnten die B1-Bomber-
Piloten noch nicht einmal erkennen, ob die Personen auf
1624) Vgl. etwa: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 27 und 44.
1625) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang C, S. 2.
der Sandbank Waffen, Holzscheite oder Kanister in ihren
Händen hielten. Ein tieferer Überflug, der eventuell bes-
sere Bilder geliefert hätte, wurde von Oberst Klein unter-
sagt. Die Piloten wurden vielmehr ausdrücklich angewie-
sen, sich in großer Höhe „zu verstecken“:
„F15: Would you like a show of force over the
area or would you like us to stay high above?
JTAC: negative I want you to hide“1626
Es wurde also von Oberst Klein nichts unternommen, um
die Aussage des Informanten in irgendeiner Weise an-
derweitig zu verifizieren; vorhandene weitere Aufklä-
rungsmöglichkeiten durch die F15-Bomber wurden sogar
durch den JTAC unterbunden. Eventuell wäre bei einem
tiefen Überflug erkennbar geworden, dass sich auch eine
Vielzahl von Kindern an den Tanklastern befanden.
Jedenfalls reichten die Oberst Klein vorliegenden Infor-
mationen dieser einen HUMINT-Quelle allein nicht aus,
um bei einem derart komplexen und schwierigen, sich
andauernd verändernden Zielgebiet eine eindeutige Iden-
tifizierung sämtlicher Personen vor Ort als legitime mili-
tärische Ziele vorzunehmen. Zu dieser Schlussfolgerung
gelangte im Übrigen auch der Kommandeur des Allied
Joint Force Command in Brunssum, der NATO-
Befehlshaber für den gesamten ISAF-Einsatz, General
Egon Ramms, im Ausschuss.
1627
ddd) Fehlende Anwendung der für offensiven
Waffeneinsatz zwingenden Zielzuwei-
sungsverfahren
Darüber hinaus fehlte es sowohl Oberst Klein als auch
dem JTAC an den erforderlichen Kenntnissen zu den im
Rahmen des offensiven Waffeneinsatzes auf Grundlage
der ROE 429 anzuwendenden Zielzuweisungsverfahren.
Im Unterschied zu den ansonsten durchgeführten Waffen-
einsätzen im Rahmen der Selbstverteidigung oder der
bewaffneten Nothilfe wäre es hier erforderlich gewesen,
dass neben der PID ganz bestimmte Verfahren der Ab-
schätzung von Kollateralschäden zur Anwendung gelan-
gen und dass die Piloten vor dem Bombenabwurf die
Weisung zur Zielbekämpfung auf eine ganz bestimmte –
formal geregelte – Art und Weise erhalten.
Im vorliegenden Fall fehlte es bereits an der erforderli-
chen formalen Abschätzung der Kollateralschäden („Col-
lateral Damage Estimation“, CDE). Wäre diese ord-
nungsgemäß durchgeführt worden und wäre Oberst Klein
mit den einschlägigen Bestimmungen vertraut gewesen,
hätte er erkannt, dass wegen des Vorhandenseins ziviler
Strukturen in einem bestimmten Radius vom beabsichtig-
ten Ziel die Befugnis zur Bekämpfung dieses Ziels nicht
mehr beim Kommandeur der Task Force bzw. bei ihm als
PRT-Kommandeur gelegen hätte, sondern wieder auf den
1626) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 4.
1627) Vgl. Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 13.
Drucksache 17/7400 – 250 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
RC-North, also auf General Vollmer, übergegangen wä-
re.
1628
Darüber hinaus wäre selbst dann, wenn man mit Oberst
Klein annehmen würde, dass ihm als PRT-Kommandeur
die Befugnis zur Waffenfreigabe zugestanden habe, eine
Einbindung anderer offizieller Stellen, die hier aus Ge-
heimschutzgründen nicht genauer bezeichnet werden
können, zur Koordinierung mit den Piloten zwingend
erforderlich gewesen.
1629
Es handelt sich dabei um ein etabliertes System der ge-
genseitigen Kontrolle und Verantwortung, dem sich
Oberst Klein durch seine Entscheidung, niemanden sonst
an der Freigabe des Waffeneinsatzes zu beteiligen, regel-
widrig entzogen hat.
Die Piloten hatten, obwohl sie noch nicht einmal von
einem offensiven Waffeneinsatz ausgingen, sondern we-
gen der Irreführung durch den JTAC meinten, auf eine
Selbstverteidigungssituation zu reagieren, ausdrücklich
gebeten, zur Absicherung („so we are both covered“)1630
andere Stellen in die Entscheidung einzubeziehen, doch
wurde dieses Ansinnen vom JTAC bewusst abschlägig
beschieden, indem er auf den neben ihm stehenden
Kommandeur hinwies („clearance approval by comman-
der is given he is right next to me“)1631.
Zusammenfassend steht nach der Beweisaufnahme fest,
dass Oberst Klein entweder die für eine Waffenfreigabe
gemäß ROE 429 erforderlichen Verfahren der Ziel- und
Wirkungsanalyse sowie der Einbeziehung weiterer Stellen
im Rahmen des Systems der gegenseitigen Kontrolle und
Verantwortung bewusst missachtet hat oder dass er die
erforderlichen Verfahren und Beteiligungen deshalb nicht
angewandt hat, weil er (pflichtwidrig) nicht wusste, was
von ihm in einer solchen Situation nach den geltenden
Einsatzregeln gefordert gewesen wäre.
Da sich in der Beweisaufnahme keine Belege für eine
bewusste Missachtung der Einsatzregeln ergeben haben,
zeigt sich auch hier wieder, dass Oberst Klein mit dem
angeordneten Waffeneinsatz ein offensives militärisches
Ziel verfolgte, das völlig außerhalb des ihm als PRT-
Kommandeur eigentlich zugewiesenen Aufgabenbereichs
lag, so dass ihm die erforderlichen Kenntnisse der einzu-
haltenden Verfahrensregeln rundweg fehlten.
Im Hinblick auf die mehrfach widerlegte Äußerung des
Freiherrn zu Guttenberg vom 6. November 2009, dass
der Luftschlag auch bei Einhaltung sämtlicher Verfah-
rensvorschriften hätte erfolgen müssen, ist es auch hier
wieder wichtig festzustellen:
Hätte Oberst Klein sämtliche formalen Verfahrensvorga-
ben zur Ziel- und Wirkungsanalyse im Rahmen der von
ihm vorgeblich angewandten ROE 429 beachtet, wäre es
niemals zu dem durchgeführten Waffeneinsatz gekom-
men, weil Oberst Klein dann nicht für die Waffenfreigabe
1628) Vgl. Mat. 17-10/10a, Ordn. 1, S. 50/73, Ziffer 9.
1629) Vgl. Mat. 17-10/10a, Ordn. 1, S. 49/73, Ziffer 3 ff.
1630) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 7.
1631) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 7.
zuständig gewesen wäre, sondern General Vollmer, und
weil durch die Einbeziehung weiterer Stellen die unzurei-
chende positive Identifizierung sämtlicher Personen vor
Ort als „Aufständische“ aufgefallen wäre.
gg) Regelwidrige Untersagung der Durchfüh-
rung einer „Show of Force“
Schließlich ist einzugehen auf die ausdrückliche Weisung
Oberst Kleins, keine „abschreckende Machtdemonstrati-
on“ im Sinne einer „Show of Force“ durch einen tiefen
Überflug zur Warnung möglicher Zivilisten vor Ort
durchzuführen.
Wie bereits oben angedeutet, richtet sich die Antwort auf
die Frage nach der Erforderlichkeit einer solchen „Show
of Force“ danach, welches Ziel mit dem Waffeneinsatz
verfolgt werden sollte.
Wäre es Oberst Klein ausschließlich darum gegangen,
eine unmittelbare Gefahr für das Feldlager durch den
möglichen Einsatz der Tanklaster unmittelbar gegen das
PRT abzuwehren, so wäre ein Verzicht auf die Durchfüh-
rung einer „Show of Force“ keinesfalls zu rechtferti-
gen.
1632
Die Notwendigkeit der Durchführung einer solchen War-
nung hängt nämlich nicht davon ab, ob tatsächlich Zivilis-
ten aus der subjektiven Sicht des Angreifenden am Ab-
wurfort vermutet werden müssen oder nicht. Sie ist viel-
mehr zwingend immer durchzuführen, gerade um den
Schutz von Zivilisten in Situationen sicherzustellen, die –
wie hier – durch den militärischen Führer falsch einge-
schätzt wurden.
1633
Gerade der vorliegende Fall bestätigt
tragisch, dass die völkerrechtliche Verpflichtung zur
Warnung nicht von einem bestimmten subjektiven Wahr-
scheinlichkeitsgrad abhängig gemacht werden kann.
Oberst Klein begründete im Ausschuss seine Entschei-
dung der Ablehnung eines Überfluges im Rahmen einer
„Show of Force“ damit, dass die über der Sandbank krei-
senden Flugzeuge dort deutlich hörbar gewesen und die
Aufständischen sich der Bedrohung aus der Luft bewusst
gewesen sein müssten:
„In der Nacht vom 4. September ging ich fest da-
von aus, dass die Aufständischen sich der Bedro-
hung durch die Luftfahrzeuge bewusst waren. Die-
se Flugzeuge waren zu diesem Zeitpunkt zwei
Stunden in der Luft. Ich habe sie aus 6 Kilometer
Entfernung im PRT deutlich gehört, wie meine an-
deren Soldaten auch, und auch die Bevölkerung in
Kunduz hat das gehört. Also müssen diese vor Ort
am Fluss deutlich lauter wahrnehmbar gewesen
sein, vor allem die B-1, die sehr, sehr laut ist. Alle
nachfolgenden Zeugenaussagen haben dies bestä-
tigt: Man wusste, dass Flugzeuge in der Luft war-
en. Ich habe mit dem JTAC einen Fall beobachtet,
1632) Artikel 57 Abs. 2 lit. c ZP I zu den Genfer Abkommen; vgl. auch:
von der Groeben, in: German Law Journal 2010, S. 469 ff, 484.
1633) So ausdrücklich auch: von der Groeben, in: German Law Journal
2010, S. 469 ff, 488.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251 – Drucksache 17/7400
wie Personen von der Sandbank weggingen, aus-
wichen und wieder zurückkamen. Wir haben das
gemeinsam so gewertet, dass die Aufständischen
die Flugzeuge deutlich als Bedrohung erkannt hat-
ten und dennoch nicht ernst nahmen. Dies ent-
sprach unserer bisherigen Erfahrung. […] Die
Notwendigkeit einer zusätzlichen ‚show of force„
bestand daher nicht.“1634
Diese Einlassung von Oberst Klein, er habe auf die
Durchführung einer „Show of Force“ verzichtet, weil sich
die Aufständischen nach persönlicher Erfahrung von
solchen Machtdemonstrationen sowieso nicht beeindru-
cken ließen, wirkt reichlich absurd, weil es wohl nicht
darum gegangen sein dürfte, Flugbenzin zu sparen.
Die Notwendigkeit der Durchführung einer „Show of
Force“ konstatierte auch der Kommandeur des Allied
Joint Force Command in Brunssum, der NATO-
Befehlshaber für den gesamten ISAF-Einsatz, General
Egon Ramms, im Ausschuss.
1635
Nur dann, wenn das militärische Ziel nicht die Vernich-
tung der Tanklaster, sondern die Tötung der Talibanführer
und ihrer Anhänger gewesen wäre, durfte aus völkerrech-
tlicher Sicht gegebenenfalls von der Durchführung der
„Show of Force“ Abstand genommen werden, wenn durch
die Warnung der Personen an den Tanklastern das – ein-
mal als legitim unterstellte – militärische Ziel, diese zu
töten, hätte konterkariert werden können.
Denn Artikel 57 Abs. 2 lit. c des Ersten Zusatzprotokolls
zu den Genfer Abkommen („ZP I“) sieht eine Ausnahme
für die Durchführung einer solchen Warnmaßnahme („ef-
fective advance warning“) nur für den Fall vor, dass die
konkreten Umstände des Einzelfalles diese nicht erlauben
(„unless circumstances do not permit“), was dann ange-
nommen wird, wenn es zur Erreichung des militärischen
Ziels erforderlich ist, dass die Personen nicht gewarnt,
sondern gerade „überrascht“ werden sollen.1636
Dabei muss man allerdings noch darauf hinweisen, dass
Oberst Klein zu keinem Zeitpunkt eine solche Argumen-
tation, die ihm aus völkerrechtlicher Sicht den Verzicht
auf die „Show of Force“ ermöglicht hätte, genutzt, son-
dern immer nur auf die angebliche Wirkungslosigkeit
eines solchen tiefen Überflugs verwiesen hat.
Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass die ISAF-
Einsatzregeln hier sogar noch ein engeres Verständnis der
Notwendigkeit solcher Warnungen vorgeben als das Völ-
kerrecht. Denn in den für Luftoperationen in Afghanistan
geltenden Einsatzregeln („Special Instructions for Air and
Space Operations in Afghanistan“, SPINS) ist festgelegt,
dass dann, wenn Zeit und Umstände es erlauben, sogar
die Aufständischen selbst, die eigentlich Ziel der Operati-
on sein sollen, gewarnt werden sollen, dass ISAF nun-
mehr unmittelbar Maßnahmen gegen sie ergreifen wird.
1634) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
1635) Vgl. Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9, 10, 18.
1636) Vgl. hierzu nur: ICRC, Commentary on the Additional Protokolls
of 8 June 1977 to the Geneva Conventions of 12 August 1949,
Rz. 2222 ff.
Darauf weist immerhin ein Vermerk der „Gruppe 85“, die
im Verteidigungsministerium zum Umgang mit diesem
Vorgang eingerichtet worden war, hin.
1637
Hinzu kommt, dass Oberst Klein selbst davon ausgegan-
gen war, dass die Personen, die sich in einiger Entfernung
von den Tanklastern in der Nähe der Sandbank aufhielten,
„Unbeteiligte“, also aus völkerrechtlicher Sicht „Zivilis-
ten“ waren.1638
Wenn man die Einlassung von Oberst Klein ernst nähme,
dass nach seiner Erfahrung derartige tiefe Überflüge kei-
nerlei Wirkung auf das Verhalten der Taliban haben wür-
den, gäbe es erst Recht keine nachvollziehbaren Argu-
mente mehr dafür, auf eine solche Machtdemonstration zu
verzichten. Insofern muss man mit General Ramms nach
der Beweisaufnahme zu dem Schluss gelangen, dass
Oberst Klein verpflichtet gewesen wäre, eine solche
„Show of Force“ durchzuführen, um möglicherweise sich
an den Tanklastern aufhaltende Zivilisten vor dem be-
vorstehenden Bombenabwurf zu warnen.
hh) Regelwidriger Verzicht auf die Durchfüh-
rung eines angemessenen „Battle Damage
Assessment“
Oberst Klein hat schließlich auch bewusst auf die Durch-
führung der nach ISAF-Regularien
1639
zwingend erforder-
lichen Wirkungsanalyse am Boden unmittelbar nach dem
Bombenabwurf verzichtet, obwohl er davon ausging, dass
die Aufständischen ihre Opfer sehr schnell bergen und
beisetzen würden
1640
und obwohl er aus Sicht seines Vor-
gesetzten General Vollmer und dem für die Untersuchung
des Vorfalls zuständigen General Sullivan verpflichtet
gewesen wäre, unmittelbar nach dem Bombenabwurf ein
umfassendes „Battle Damage Assessment“ (BDA) mit
Bodentruppen vor Ort durchzuführen und die afghanische
Seite frühzeitiger über den Luftschlag zu informieren.
1641
Oberst Klein stand zumindest auch die Möglichkeit des
zeitnahen Einsatzes unbemannter Luftfahrzeuge zur Ver-
fügung, um den Angriffsort wenigstens per Video zu
überwachen, bis Bodentruppen bei Tageslicht dorthin
hätten verlegt werden können, auch wenn er dafür einen
Piloten zur Steuerung der Drohne hätte wecken müssen.
ii) Keine Warnung des vermeintlich an der
Sandbank befindlichen Informanten durch
Oberst Klein
Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen,
dass Oberst Klein, der nach eigenen Angaben davon aus-
ging, dass sich die HUMINT-Quelle, welche die ganze
Nacht über die entscheidenden Informationen lieferte, in
1637) „(…) widerspricht ggf. den Vorgaben der SPINS“; Mat. 17-35a,
R II 3, Ordn. 3, S. 140.
1638) Vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
1639) NATO-Verfahren sehen ein zeitnahes „Battle Damage Assess-
ment“ nach einem solchen Angriff vor, gerade um zivile Opfer
auszuschließen oder gegebenenfalls Erste Hilfe leisten zu können.
1640) Klein, Protokoll-Nr. 6, S. 18.
1641) Vgl. Vollmer, Protokoll-Nr. 12, S. 82.
Drucksache 17/7400 – 252 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Nähe der Sandbank befand, noch nicht einmal anord-
nete, zumindest diesen Informanten vor dem bevorste-
henden Bombenabwurf warnen zu lassen.
1642
jj) Zusammenfassung der Verfahrensfehler
im Rahmen der konkreten Durchführung
des Waffeneinsatzes
Die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss hat
damit – neben den gewichtigen Problemen des Umgangs
mit HUMINT-Quellen – eine Vielzahl von Verstößen
gegen die ISAF-Einsatzregeln im Zusammenhang mit
dem konkreten Waffeneinsatz erkennbar werden lassen:
– Der B1-Bomber hätte durch den JTAC nicht einge-
setzt werden dürfen, um nach den Tanklastern zu su-
chen, ohne dass diese Abweichung von dessen urs-
prünglichem Auftrag zuvor mit dem ISAF-
Gefechtsstand für Luftunterstützung in Kabul
(ASOC) abgestimmt worden war.
– Der Befehl von Oberst Klein an seinen JTAC, gege-
nüber dem ASOC einen „TIC“ zu erklären, verstieß
gegen ISAF-Einsatzregeln, weil das taktische Lage-
bild am Boden weder eine „Feindberührung“ noch
eine „unmittelbare Bedrohung“ darstellte. Die Luft-
nahunterstützung hätte in dieser Nacht von Oberst
Klein so nicht angefordert werden dürfen.
– Es erfolgte in dieser Nacht noch nicht einmal ein
formal eindeutiger Ausschluss der möglichen Betrof-
fenheit eigener oder verbündeter Kräfte durch den
geplanten Waffeneinsatz.
– Oberst Klein und sein JTAC versäumten es, den Waf-
feneinsatz auf eine klare Grundlage zu stellen und die
herangezogene Einsatzregel (ROE) gegenüber den
F15-Piloten deutlich zu benennen.
– Die Vorgaben der dem Waffeneinsatz angeblich zu
Grunde gelegten ROE 429 wurden nicht erfüllt.
– Es sprechen gute Gründe für die Annahme, dass
Oberst Klein schon aufgrund seiner Stellung als PRT-
Kommandeur nicht die Befugnis hatte, einen derarti-
gen offensiven Waffeneinsatz freizugeben, sondern
dass die Waffeneinsatzbefugnis im Rahmen der ROE
429 allenfalls auf Kommandeure der Task Force de-
legiert werden kann.
– Die offensichtlichen Unklarheiten und Unsicherhei-
ten hinsichtlich der bei dem Waffeneinsatz anzuwen-
denden Einsatzregeln hätten mit hoher Wahrschein-
lichkeit vermieden werden können, wenn Oberst
Klein den im PRT Kunduz vorhandenen Rechtsbera-
ter eingebunden hätte, wozu er nach den Einsatzre-
geln für den offensiven Waffeneinsatz auch verpflich-
tet gewesen wäre.
– Die Oberst Klein vorliegenden Informationen einer
einzelnen HUMINT-Quelle reichten allein nicht aus,
1642) Vgl. M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 15, 19; Sch., Protokoll-
Nr. 33, S. 35, 42.
um bei einem derart komplexen und schwierigen,
sich andauernd verändernden Zielgebiet eine eindeu-
tige Identifizierung (PID) sämtlicher Personen vor
Ort als legitime militärische Ziele vorzunehmen.
– Darüber hinaus fehlte es sowohl Oberst Klein als
auch dem JTAC an den erforderlichen Kenntnissen
der im Rahmen des offensiven Waffeneinsatzes auf
Grundlage der ROE 429 anzuwendenden Verfahren
der Ziel- und Wirkungsanalyse und es wurde regel-
widrig versäumt, weitere Stellen im Rahmen des Sys-
tems der gegenseitigen Kontrolle und Verantwortung
in die Entscheidung einzubinden.
– Weiterhin hat Oberst Klein pflichtwidrig die Durch-
führung einer „abschreckenden Machtdemonstration“
(„Show of Force“) durch einen tiefen Überflug mit
dem Ziel der Warnung möglicher Zivilisten vor dem
Bombenabwurf verweigert.
– Schließlich hat Oberst Klein pflichtwidrig darauf
verzichtet, unmittelbar nach dem Bombenabwurf eine
angemessene Wirkungsanalyse sicherzustellen. Zu-
mindest durch den Einsatz unbemannter Luftfahrzeu-
ge hätte der Angriffsort überwacht und Bodentruppen
hätten unmittelbar nach Tagesanbruch dorthin verlegt
werden müssen.
IV. Zur straf- und dienstrechtlichen Verant-
wortlichkeit von Oberst Klein
Angesichts der in der Beweisaufnahme festgestellten
eklatanten Verstöße gegen die Einsatzregeln für den
konkreten Waffeneinsatz und im Hinblick auf die nicht
mehr zu bestreitende hohe Zahl ziviler Opfer dieses Ang-
riffs kann nicht völlig ausgeblendet werden, ob und gege-
benenfalls welche straf- und dienstrechtlichen Folgen
derartige Fehler und Versäumnisse für die beteiligten
Soldaten haben können. Dabei ist für einen parlamentari-
schen Untersuchungsausschuss besonders relevant, wel-
che Maßnahmen durch die Bundesregierung ergriffen
worden sind, um sicherzustellen, dass wirksame, gründli-
che und effektive Ermittlungen in der Sache
1643
durchge-
führt werden.
Im Hinblick auf die völkerstrafrechtliche und die national
strafrechtliche Verantwortlichkeit von Oberst Klein,
Oberfeldwebel W. und Hauptmann H. hat der General-
bundesanwalt (GBA) Feststellungen getroffen, die er in
seiner Einstellungsverfügung vom 16. April 2010 aus-
führlich beschrieben hat.
1644
Der GBA hat das Ermitt-
lungsverfahren wegen möglicher Verstöße gegen Vor-
schriften des Völkerstrafgesetzbuchs und des allgemeinen
1643) Die Erforderlichkeit solcher gründlicher, wirksamer und effekti-
ver Ermittlungen wird auch immer wieder in Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betont. Vgl. etwa:
EGMR, Sevtap Veznedaroğlu ./. Türkei (32357/96), Ziffer 32;
EGMR, Sadik Önder ./. Türkei (28520/95), Ziffern 4 und 42;
EGMR, Zelilof ./. Griechenland (17060/03), Ziffern 54 und 56;
EGMR Isayeva ./. Russland (57950/00), Rn. 231 ff.
1644) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 253 – Drucksache 17/7400
Strafrechts eingestellt, weil das Handeln der Soldaten
nach den maßgeblichen Kriterien des humanitären Konf-
liktvölkerrechts rechtmäßig gewesen sei.
Im Anschluss daran hat der Inspekteur des Heeres angeb-
lich
1645
disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet, um
festzustellen, ob gegen nationale oder internationale Ein-
satzregeln verstoßen wurde.
Am 19. August 2010 wurde in einer Pressemitteilung der
Bundeswehr lapidar mitgeteilt, dass sich im Rahmen
dieser Vorermittlungen keinerlei Anhaltspunkte für ein
Dienstvergehen von Oberst Klein ergeben hätten.
1646
Beide Entscheidungen geben mit Blick auf die in der
Beweisaufnahme des Ausschusses gewonnen Erkenntnis-
se erheblichen Anlass zu Kritik.
Dabei steht es einem parlamentarischen Untersuchungs-
ausschuss natürlich nicht zu, hier an die Stelle der zustän-
digen Staatsanwaltschaft zu treten und eine abschließende
Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der betei-
ligten Soldaten vorzunehmen. Diese Prüfung kann durch
einen Untersuchungsausschuss nicht ersetzt werden. Die
erforderlichen schwierigen völkerrechtlichen Abwä-
gungsentscheidungen können mit den begrenzten Mitteln
des Untersuchungsrechts auch gar nicht abschließend
vorgenommen werden. Dies ist auch nicht seine Aufgabe.
Es muss dem Parlament jedoch gestattet sein, die Art und
Weise des Umgangs des GBA mit diesem besonderen
Fall, der Parlament und Öffentlichkeit bewegt hat wie
kein anderes militärisches Vorgehen zuvor, zumindest zur
Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls anzumerken,
dass im Hinblick auf die sichere Präzedenzwirkung der
Entscheidung eine überzeugendere Vorgehensweise im
vorliegenden Fall zumindest vorstellbar gewesen wäre.
Denn der GBA ist nicht etwa Teil der rechtsprechenden
(„Dritten“) Gewalt, sondern gehört organisatorisch zur
Bundesregierung, also zur Exekutive. Die Bundesministe-
rin der Justiz übt die Aufsicht über den Generalbundes-
anwalt und die Bundesanwälte aus und trägt innerhalb der
Bundesregierung und gegenüber dem Parlament die poli-
tische Verantwortung für die Tätigkeit der Behörde des
Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof.
1. Kritik an der Einstellungsverfügung des
Generalbundesanwalts
Der GBA hat in seiner Presseerklärung vom 19. April
2010 selbst darauf hingewiesen, dass hier erstmals die
Umstände eines durch Bundeswehrsoldaten angeordneten
militärischen Luftschlags mit weitreichenden tödlichen
Folgen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Gegens-
tand umfassender strafrechtlicher Überprüfung gewesen
seien, so dass sich die Bedeutung dieser Einstellungsent-
1645) Die diesbezüglich eventuell entstandenen Unterlagen, aus denen
sich hätte ergeben können, welche konkreten Ermittlungen dort
vorgenommen worden sind, wurden dem Untersuchungsaus-
schuss durch die Bundesregierung nicht vorgelegt.
1646) Pressemitteilung des Presse- und Informationszentrums des
Heeres vom 19. August 2010, Nr. 13/2010 (Dokument 17).
scheidung für zukünftige Fälle schon von selbst er-
schließt.
Der GBA ist dabei aber von einem Sachverhalt ausgegan-
gen, der in einigen Aspekten von den Feststellungen des
Ausschusses abweicht, wobei viele der erst im Ausschuss
gewonnenen Erkenntnisse dem GBA nicht zur Verfügung
standen, weil das Ermittlungsverfahren vor Beendigung
der Beweisaufnahme des Ausschusses abgeschlossen
wurde. Auch die in der Einstellungsverfügung erkennbar
werdende Vorgehensweise des GBA gibt teilweise Anlass
zu Kritik.
a) Kein Verstoß gegen Bestimmungen des
Völkerstrafrechts
Im Ergebnis zu Recht hat der GBA den Verdacht einer
Strafbarkeit wegen Verstoßes von Oberst Klein gegen das
Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) verneint. Der einzige in
Betracht kommende Straftatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 3
VStGB scheidet schon deshalb aus, weil dafür erforder-
lich gewesen wäre, dass Oberst Klein subjektiv sicher
hätte erwarten müssen, dass der Angriff die Tötung oder
Verletzung von Zivilpersonen in einem Ausmaß verursa-
chen würde, welches außer Verhältnis zu dem insgesamt
zu erwartenden konkreten militärischen Vorteil gestanden
hätte.
Dies ist hier offenkundig nicht der Fall. Auch die Beweis-
aufnahme im Ausschuss hat nicht den geringsten Anhalt-
spunkt dafür ergeben, dass Oberst Klein subjektiv davon
ausgegangen wäre, dass der Bombenabwurf mit Sicher-
heit zu einer Vielzahl ziviler Opfer führen würde.
b) Strafbarkeit nach allgemeinem deutschem
Strafrecht
Weiterhin hat der GBA auch die mögliche Verantwort-
lichkeit der Beteiligten nach nationalem Strafrecht ge-
prüft.
aa) Zuständigkeit des GBA: Klarstellungsbe-
darf
Dabei ist allerdings fraglich, ob der GBA tatsächlich für
die Prüfung der Strafbarkeit nach den Vorschriften des
Strafgesetzbuches zuständig ist, oder ob er den Vorgang
dazu nicht an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hätte
abgeben müssen.
§ 120 Abs. 1 Nr. 8 des Gerichtsverfahrensgesetzes (GVG)
sieht über § 142a Abs. 1 GVG die Verfolgungszuständig-
keit des Generalbundesanwalts „bei Straftaten nach dem
Völkerstrafgesetzbuch“ vor.
Unklar ist aber, ob diese Vorschrift so eng auszulegen ist,
dass der GBA ausschließlich für die Prüfung von Tatbes-
tänden des VStGB selbst zuständig ist, oder ob die Vor-
schrift so weit ausgelegt werden kann, dass dem GBA bei
diesen Sachverhalten auch die Verfolgungszuständigkeit
für Straftaten des allgemeinen Strafrechts übertragen sein
soll. Damit würde dann allerdings den Landesstaatsan-
Drucksache 17/7400 – 254 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
waltschaften die Zuständigkeit in diesem Bereich entzo-
gen.
Der GBA hat in seinem Einstellungsvermerk der weiten
Auslegung den Vorzug gegeben und die eigene Zustän-
digkeit auch für die Verfolgung nach allgemeinem Straf-
recht bejaht.
1647
Aus den vom Ausschuss beigezogenen
Akten des GBA wird jedoch erkennbar, dass diese
Rechtsauffassung, die sich letztlich durchgesetzt hat, auch
innerhalb des GBA umstritten war.
Beispielsweise wurde in einem Vermerk vom
29. September 2009 deutlich die Ansicht vertreten, dass
für den Fall, dass die Voraussetzungen einer Straftat nach
VStGB verneint werden sollten, die Abgabe des Vorgangs
an die zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Dresden
„geboten“ sei.1648 Diese Auffassung teilen auch die Ver-
treter der Geschädigten des Luftangriffs.
1649
Es lassen sich für beide Ansichten Argumente
1650
finden,
auf die an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingegangen
werden muss.
Die Beweisaufnahme hat jedoch gezeigt, dass hier zumin-
dest Unsicherheiten bestehen, die eine Klarstellung durch
den Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit –
eventuell auch im Rahmen der bereits angestoßenen De-
batte um die Schaffung einer zentralen Strafverfolgungs-
zuständigkeit für Straftaten, die von Bundeswehrangehö-
rigen im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen der Bun-
deswehr begangen wurden (sog. „Schwerpunktstaatsan-
waltschaft“)1651 – zumindest nicht abwegig erscheinen
lassen.
bb) Rechtfertigung auf Grundlage des UN-
Mandats?
Im Rahmen der Prüfung der Strafbarkeit wegen Tot-
schlags oder Mordes gemäß § 212 bzw. § 211 StGB geht
es vor allem darum, ob das Verhalten von Oberst Klein
gerechtfertigt war.
1647) Vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 55 ff.
1648) Mat. 17-71, S. 12/13.
1649) Vgl. Mat. 17-74a, Sachakten Sonderband „Klageerzwingungsver-
fahren“, S. 106 ff.
1650) Vgl. zu der Auffassung des GBA: Einstellungsvermerk des Gene-
ralbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (Fn. 122, Doku-
ment 52), S. 55 ff. und zu der Gegenansicht etwa das Kurzgutach-
ten von Prof. Dr. Florian Jeßberger zur Reichweite der Verfol-
gungszuständigkeit des Generalbundesanwalts nach §§ 120
Abs. 1 Nr. 8, 142a Abs. 1 GVG vom 20. Dezember 2010, veröf-
fentlicht unter: http://www.jura.uni-hamburg.de/public/personen/
jessberger/Gutachten_Kundus.pdf.
1651) Vgl. hierzu etwa: BT-Drs. 15/3508, 16/673 oder die hierzu ge-
fasste Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und FDP der 17. Legislaturperiode vom Oktober 2009 und den
Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom Juli
2010 zur Schaffung eines neuen § 11a StPO.
aaa) Bedarf es einer eigenen gesetzlichen Re-
gelung?
Da die im Strafgesetzbuch normierten Rechtfertigungs-
gründe (z. B. Notwehr oder Nothilfe) hier nicht in Be-
tracht kommen, stellt sich die Frage, ob eine Rechtferti-
gung des soldatischen Handelns direkt aus dem Mandat
der Vereinten Nationen entnommen werden kann.
Deutsche Staatsanwaltschaften hatten damit in der Ver-
gangenheit Schwierigkeiten und deshalb – rechtsdogma-
tisch eher zweifelhaft – trotzdem die nationalen Rechtfer-
tigungstatbestände herangezogen.
1652
Zu Recht hat jedoch der GBA in seiner Einstellungsver-
fügung vom 16. April 2010 herausgearbeitet, dass sich die
Rechtfertigung militärischen Handelns deutscher Soldaten
im Rahmen des ISAF-Einsatzes direkt aus dem UN-
Mandat im Zusammenwirken mit der Zustimmung der
Bundesrepublik Deutschland zur Satzung der Vereinten
Nationen
1653
und dem konstitutiven Beschluss des Deut-
schen Bundestages über Art und Umfang des konkreten
Bundeswehreinsatzes ergibt.
1654
Denn wenn einer Resolution des UN-Sicherheitsrates,
vermittelt durch den entsprechenden Bundestagsbe-
schluss, innerstaatliche Wirkung zukommt, so müssen
Handlungen von Bundeswehrangehörigen in Umsetzung
dieser Resolution respektive des entsprechenden Be-
schlusses ebenfalls gerechtfertigt sein. Es wäre wider-
sprüchlich und liefe dem Prinzip der Einheit der Rechts-
ordnung zuwider, einem Staat als ursprünglichem Adres-
saten einer Ermächtigungsnorm ein bestimmtes Verhalten
zu gestatten, die bei Umsetzung dieses Mandats notwen-
digerweise für diesen handelnden natürlichen Personen
jedoch strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.
Dies setzt allerdings zum einen voraus, dass die Angehö-
rigen der Bundeswehr im Rahmen des Mandates handeln
und sie zum anderen die allgemeinen durch das Grundge-
setz gegebenen verfassungsrechtlichen Bindungen, wie
insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, beach-
ten. Ist dies der Fall, so ist ihr Handeln auch strafrechtlich
gerechtfertigt.
1655
Obwohl dies nicht zwingend erforderlich erscheint,
1656
dürfte es jedoch – auch zur Klarstellung für die Soldatin-
nen und Soldaten der Bundeswehr und angesichts der
festzustellenden Unsicherheiten mancher Staatsanwalt-
schaften – nicht ganz abwegig sein, darüber nachzuden-
ken, ob auch in Deutschland eine eindeutige und aus-
drückliche gesetzliche Rechtfertigungsnorm – wie sie
1652) Vgl. etwa: Staatsanwaltschaft Zweibrücken, Beschluss vom 23.
Januar 2009, in: NZWehrR 2009, S. 169,172; Staatsanwaltschaft
Frankfurt/Oder, Beschluss vom 15. Mai 2009, Az. 244 Js
29960/08.
1653) Gesetz vom 6. Juni 1973, BGBl. II S. 430.
1654) Vgl. hierzu auch ausführlich: Frister/Korte/Kreß, Die strafrechtli-
che Rechtfertigung militärischer Gewalt in Auslandseinsätzen auf
Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen, in: JZ 2010,
S. 10, 12 ff.
1655) So Limpert, in der Ausarbeitung WD 7 – 3000 -120/11 der Wis-
senschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, S. 12.
1656) vgl. Frister/Krote/Kreß, JZ 2010, S. 10,17 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 255 – Drucksache 17/7400
etwa in Frankreich beschlossen wurde
1657
– eventuell in
das Strafgesetzbuch (etwa als § 34a StGB)
1658
oder in das
Wehrstrafgesetzbuch (etwa als § 4a WStGB)
1659
aufge-
nommen werden sollte.
bbb) Völkerrechtliche Rechtfertigung des Han-
delns von Oberst Klein?
Zu Recht hat der GBA also die mögliche völkerrechtliche
Rechtfertigung des Handelns von Oberst Klein geprüft
und ist dabei – ebenfalls zu Recht – davon ausgegangen,
dass in Afghanistan ein „nicht-internationaler bewaffneter
Konflikt“ im Sinne des humanitären Völkerrechts vor-
liegt.
1660
Die relativ knappen Erwägungen des GBA zur konkreten
rechtlichen Beurteilung des Bombenabwurfs nach huma-
nitärem Völkerrecht auf fünf von insgesamt 69 Seiten
seiner Einstellungsverfügung
1661
lassen allerdings gewisse
Zweifel dahingehend aufkommen, ob der GBA die für
eine abschließende völkerrechtliche Bewertung notwen-
dige Sachaufklärung wirklich in ausreichendem Maße
vorgenommen hat:
(1) Legitimes militärisches Ziel?
Richtigerweise geht auch der GBA davon aus, dass alle
Opfer des Bombenabwurfs, soweit es sich nicht nachge-
wiesenermaßen um Taliban handelt, nach dem humanitä-
ren Völkerrecht geschützte Zivilisten waren, so dass auch
Personen, die den Taliban eventuell geholfen hatten, die
Tanklaster aus dem Schlamm zu befreien, oder die Benzin
aus den Tanklastern für sich abgefüllt hatten, keinesfalls
legitime Ziele eines militärischen Angriffs gewesen sein
können.
1662
Entgegen den obskuren Darstellungen in einem offiziellen
militärischen Bericht des PRT Kunduz vom 4. September
2009, wonach alle Personen, die sich auf den Weg zu den
Tanklastern gemacht hätten, deshalb nicht als „unbeteilig-
te Opfer“ bezeichnet werden könnten, weil sie ja gewusst
hätten, dass die Tanklaster entführt worden waren, so dass
sie deshalb zumindest als „Unterstützer“ der Aufständi-
1657) Die dortige Regelung in Artikel 17 Abs. 2 des Gesetzes über die
allgemeine Rechtsstellung der Soldaten lautet: „Strafrechtlich
nicht verantwortlich ist ein Soldat, der unter Wahrung des Völker-
rechts im Rahmen eines militärischen Einsatzes, der außerhalb
des französischen Staatsgebiets stattfindet, Zwangsmaßnahmen
oder Waffengewalt anwendet oder den Befehl dazu erteilt, wenn
dies zur Erfüllung seines Auftrags notwendig ist.“
1658) So etwa: Dreist, Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung
2008, S. 93, 102.
1659) So etwa: Burkhardt, Effektive Umsetzung völkerrechtlicher
Mandate internationaler Militäreinsätze durch Deutschland und
Frankreich (2007), S. 55 f.
1660) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 41 ff.; vgl. hierzu auch:
Diehl, in: Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften 2010,
S. 4, 16.
1661) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 63 bis 67.
1662) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 60 bis 63.
schen angesehen werden müssten,
1663
hat der GBA damit
klargestellt, dass die von Angehörigen der Bundeswehr
und insbesondere von Oberst Klein immer wieder propa-
gierte Unterscheidung zwischen „Beteiligten“ und „Unbe-
teiligten“1664 in diesem Zusammenhang jeder Grundlage
entbehrt.
Unklar bleibt in den Ausführungen des GBA hingegen,
wie viele Opfer des Luftangriffs letztlich wirklich als
legitime militärische Ziele bezeichnet werden können.
Der GBA betont zwar, es habe sich nicht mit endgültiger
Sicherheit aufklären lassen, bei wie vielen der Opfer es
sich um Taliban oder um Zivilisten gehandelt habe.
Gleichzeitig behauptet er jedoch ohne jede nähere Be-
gründung, es lasse sich der Schluss ziehen, dass die Zahl
der Taliban unter den Opfern „deutlich höher gewesen
sein dürfte“ als die der Zivilisten.1665 Wie der GBA zu
dieser Annahme gelangt, erschließt sich nicht. Die Be-
weisaufnahme im Ausschuss legt jedenfalls eher das ge-
genteilige Ergebnis nahe.
1666
Gerade wenn man die vorbenannten Ausführungen des
GBA zur Einordnung von Zivilisten ernst nimmt und
erkennt, dass Personen, die nur bei der Bergung der LKW
geholfen haben oder für sich Benzin abgezweigt haben,
als nach humanitärem Völkerrecht geschützte Zivilisten
angesehen werden müssen, weil bei ihnen gerade keine
„unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten im Sinne
des Konfliktvölkerrechts“1667 vorlag, muss man eigentlich
zu dem Schluss kommen, dass die Personen vor Ort
überwiegend überhaupt keine legitimen Ziele eines militä-
rischen Angriffs darstellten.
Allein hinsichtlich der vier durch den Informanten gege-
nüber Oberst Klein namentlich benannten angeblichen
Talibanführer könnte eventuell von einem legitimen mili-
tärischen Ziel im Sinne von Artikel 51 Abs. 3 des Ersten
Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen („ZP I“)
ausgegangen werden, wenn man annimmt, dass es sich
dabei um „Mitglieder einer militärisch organisierten be-
waffneten Gruppe“ im Sinne des Konfliktvölkerrechts
handelt.
Insofern dürfte die Vermutung, es könne sich um Sympa-
thisanten, Unterstützer oder allgemein um „Feinde des
Wiederaufbaus“ – so Oberst Klein selbst in seinem
schriftlichen Bericht vom 5. September 2009
1668
– gehan-
delt haben, nicht ausreichen, um die Personen an den
Tanklastern als legitime militärische Ziele zu qualifizie-
ren.
1663) Mat. 17-30, Ordn. 1, S. 101.
1664) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 21 und 31.
1665) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 36 und 40.
1666) Vgl. dazu ausführlich oben Gliederungspunkt III./1./d), ab Seite
222.
1667) Vgl. Artikel 13 Abs. 3 ZP II.
1668) Mat. 17-7 (Dokument 63), S. 3: „(…) dass ich nach allen mir zum
Zeitpunkt des Waffeneinsatzes zur Verfügung stehenden Informa-
tionen davon ausgehen konnte, (…) mit höchster Wahrscheinlich-
keit dabei nur Feinde des Wiederaufbaus AFGHANISTANS zu
treffen.“
Drucksache 17/7400 – 256 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
In diesem Zusammenhang wäre es sicher auch sinnvoll
gewesen, wenn der GBA sich intensiver mit der Frage
beschäftigt hätte, was eigentlich das genaue Ziel des
Bombeneinsatzes aus der Sicht von Oberst Klein war.
Dabei hätte auch präziser berücksichtigt werden können,
auf welche Einsatzregel (ROE) der Waffeneinsatz tatsäch-
lich gestützt wurde.
Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat jedenfalls gezeigt,
dass die Annahme von Oberst Klein, sämtliche Personen
an den Tanklastern seien Aufständische, allein auf der
unbestätigten Mitteilung einer einzigen HUMINT-Quelle
gründete, und dass dies nach den für einen Waffeneinsatz
geltenden ISAF-Einsatzregeln objektiv bei Weitem nicht
ausgereicht hat, um von der positiven Identifizierung
sämtlicher Personen vor Ort als legitime militärische
Ziele im Rahmen der ROE 429 auszugehen und damit den
angeordneten Waffeneinsatz zu legitimieren.
Somit reichte die Informationslage keinesfalls aus, um
anzunehmen, dass sämtliche Personen an den Tanklastern
Taliban gewesen seien. Deshalb bleibt letztlich allein der
Umstand, dass die Tanklaster offenkundig von Taliban
entführt worden waren, als Grundlage für die Annahme
übrig, dass sich zumindest einige Taliban an den Tanklas-
tern befunden haben müssen, die eventuell als legitime
militärische Ziele in Betracht gekommen wären, wenn
man dabei die mittelbare Folge der Tötung einer Vielzahl
von nicht als legitime Ziele erwiesenen Personen in Kauf
nehmen wollte.
(2) Beachtung des völkerrechtlichen „Exzess-
verbots“?
Weiterhin muss das Gebot beachtet worden sein, unter der
Zivilbevölkerung keine Verluste zu bewirken, die gege-
nüber dem zu erwartenden militärischen Vorteil völlig
außer Verhältnis stehen.
Das humanitäre Völkerrecht verbietet insofern „unter-
schiedslose“ Angriffe, also solche, die militärische Ziele
und Zivilpersonen oder zivile Objekte unterschiedslos
treffen können. Dies ist gemäß Artikel 51 Abs. 5 lit. b
ZP I insbesondere dann der Fall, wenn der zur Zeit des
Angriffsbefehls zu erwartende zivile Schaden „in keinem
Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren
militärischen Vorteil“ steht. Der GBA bezeichnet dies als
„Exzessverbot“.
(a) Konkreter und unmittelbarer militärischer
Vorteil?
Hier ist zunächst nach dem konkreten und unmittelbaren
militärischen Vorteil taktischer Art zu fragen, den der
Bombenabwurf bewirken sollte. Der GBA stellt hierzu
einfach apodiktisch fest, dass dieser militärische Vorteil
sowohl in der Zerstörung der Tanklaster als auch in der
zumindest zeitweisen Störung der regionalen Kommando-
struktur der Taliban gelegen habe, wobei die Erwartung
dieses militärischen Vorteils durch Oberst Klein „auf-
grund der Informationslage zur Zeit des Abwurfbefehls
gegeben“ gewesen sei.
Auch diese Darstellung des GBA muss auf gewisse Skep-
sis stoßen, wenn man sich vor Augen führt, dass die In-
formationslage vor dem Bombenabwurf keineswegs so
klar und eindeutig war, wie hier der Eindruck erweckt
wird:
– Hinsichtlich der Tanklaster, die ja ausweislich der
von Oberst Klein dem Waffeneinsatz zu Grunde ge-
legten Einsatzregel ROE 429 offenkundig beim
Bombenabwurf nicht mehr sein primäres Ziel gewe-
sen waren, hat die Beweisaufnahme des Ausschusses
ergeben, dass diese zum Zeitpunkt des Waffeneinsat-
zes objektiv keine Gefahr darstellten, und die
HUMINT-Quelle ausdrücklich berichtet hatte, dass
diese nicht mehr aus dem Schlamm befreit werden
konnten, sondern „ausgeschlachtet“ und „in Brand
gesteckt“ werden sollten. Insofern dürfte sich der mi-
litärische Vorteil ihrer Zerstörung eher in Grenzen
gehalten haben.
– Und auch hinsichtlich der von Oberst Klein und vom
GBA betonten „zeitweisen Störung der regionalen
Kommandostruktur der Taliban“ sind Zweifel an der
Bedeutung dieses angeblich anerkannten taktisch-
militärischen Vorteils angebracht, wenn man in
Rechnung stellt, dass letztlich unklar bleibt, wie viele
tote Mitglieder des organisierten bewaffneten Teils
der Taliban auf Grundlage der vorliegenden Informa-
tionen überhaupt erwartet werden konnten und ob de-
ren Tötung wirklich einen so konkreten und auch
unmittelbaren Vorteil darstellte, dass dahinter die
möglichen zivilen Opfer zurückzutreten hatten.
(b) Richtiger Blickwinkel für die Beurteilung?
Im Unterschied zu § 11 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 Völkerstraf-
gesetzbuch, der auf subjektiver Seite verlangt, dass der
Täter die Unverhältnismäßigkeit sicher erwartet, ist bei
der möglichen völkerrechtlichen Rechtfertigung im Rah-
men eines nationalen Tötungsdelikts nur gefordert, dass
damit zu rechnen ist („may be expected“, Artikel 51
Abs. 5 lit. b ZP I), dass der Angriff unverhältnismäßig
sein wird.
Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang vor
allem, dass in der Einstellungsverfügung des GBA unklar
bleibt, auf welchen Blickwinkel es für die Beurteilung des
taktischen Vorteils auf der einen und des zivilen Begleit-
schadens auf der anderen Seite eigentlich ankommt.
Die Darlegung des GBA, es sei „von der Perspektive des
Angreifenden zur Tatzeit auszugehen“, legt die Vermu-
tung nahe, dass sich der GBA bei der entscheidenden
Frage – ähnlich wie im Rahmen der Prüfung der Strafbar-
keit nach dem VStGB – eher an den subjektiven Vorstel-
lungen von Oberst Klein zum Zeitpunkt des Bombenab-
wurfs orientiert hat, obwohl er beiläufig auch von „tatsa-
chenbasierten Erwartungen“ spricht.1669
1669) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 64 und 65.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 257 – Drucksache 17/7400
Hier liegt aber der Kern der völkerrechtlichen Bewertung.
Würde man nämlich ausschließlich die subjektive Sicht
des Angreifenden zu Grunde legen, liefe die völkerrech-
tliche Verbotsregelung vollkommen leer; sie würde mili-
tärisches Handeln der Beliebigkeit anheimstellen. Denn
ein Verbot, das die Feststellung seiner Anwendbarkeit
dem Urteil seines Adressaten anheim gibt, verbietet die-
sem in Wahrheit gar nichts.
1670
Richtigerweise kommt es hier zwar auf die Sicht zur Tat-
zeit („ex ante“) an, jedoch aus der Perspektive eines ob-
jektiven Dritten in der Rolle des Angreifenden, also einer
im vernünftigen („reasonable“) Maß informierten Person
in den Umständen des Täters:
„The determination must be made in good faith
and in view of all information that can be said to
be reasonably available in the specific situa-
tion.“1671
Diese Person muss aufgrund der ihr vernünftigerweise zur
Verfügung stehenden Informationen einen unverhältnis-
mäßigen zivilen Begleitschaden als Folge des Angriffs
erwarten können.
1672
Hierzu fehlt im Einstellungsvermerk des GBA jegliche
Darlegung. Hätte der GBA hier die Auffassung vertreten
wollen, es komme allein auf die subjektive Sicht des
Täters an, hätte dies auch deutlicher gesagt werden müs-
sen, weil sich daraus die Konsequenz ergeben würde, dass
das völkerrechtliche Verbot unterschiedsloser Angriffe
damit für deutsche Soldaten völlig leerlaufen würde.
Wollte der GBA sich allerdings doch an der vorzugswür-
digen Auffassung orientieren, dass auf die Sicht eines
vernünftigen objektiven Dritten in der Rolle des Angrei-
fenden abzustellen ist, hätte dies klarer festgestellt und es
hätten hierzu weitere Ermittlungen durchgeführt werden
müssen. Insbesondere wäre es notwendig gewesen, unab-
hängigen militärischen Sachverstand hinzuzuziehen.
(c) Praktikable Aufklärungs- und Vorsichts-
maßnahmen („feasible precautions“)?
Vor allem aber wären umfangreichere Ermittlungen und
Darlegungen im Hinblick auf die in Artikel 57 Abs. 2
lit. a ZP I enthaltene völkerrechtliche Verpflichtung zur
„gebotenen und praktikablen Aufklärung“ erforderlich
gewesen. Die entscheidende Passage in Artikel 57 Abs. 2
ZP I lautet:
1670) So zutreffend Reinhard Merkel, in: Zeit Online vom 21. Januar
2010.
1671) Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation in
Hositiles under International Humanitarian Law, adopted by the
Assembly of the International Committee of the Red Cross on 26
February 2009, in: International Review of the Red Cross 2008,
S. 991, 1038 m.w.Nachw.; vgl. dazu auch: VN-
Jugoslavientribunal, Prosecuter v. Galic, Judgement, IT-98-29-T
vom 5. Dezember 2003, para. 58: „reasonably well-informed per-
son in the circumstances oft he actual perpetrator“; vgl. auch:
Ambos, in: NJW 2010, S. 1725, 1727.
1672) Vgl. hierzu etwa auch: von der Groeben, a.a.O., S. 480 f.
m. w. Nachw.
„Bei Kriegshandlungen ist stets darauf zu achten,
dass die Zivilbevölkerung, Zivilpersonen und zivile
Objekte verschont bleiben.
Im Zusammenhang mit Angriffen sind folgende
Vorsichtsmaßnahmen zu treffen:
Wer einen Angriff plant oder beschließt, hat alles
praktisch Mögliche zu tun, um sicherzugehen, dass
die Angriffsziele weder Zivilpersonen noch zivile
Objekte sind (…).“
Die Frage, ob im vorliegenden Fall weitere nach Völker-
echt zwingend gebotene „praktikable Aufklärungs- und
Vorsichtsmaßnahmen“ hätten durchgeführt werden müs-
sen, hat der GBA in seiner Einstellungsverfügung unver-
ständlicherweise nur lapidar mit zwei Sätzen angespro-
chen:
„Weitere praktikable Aufklärungs- und Vorsichts-
maßnahmen („feasible precautions“) standen in
der konkreten Situation zeitnah nicht zur Verfü-
gung. Die Gefahr einer Bergung der Laster oder
des Treibstoffs durch die Taliban brauchte Oberst
Klein nicht in Kauf zu nehmen.“1673
Jedoch handelt es sich hierbei um eine für die völkerrech-
tliche Bewertung entscheidende Fragestellung, der mit
genaueren Ermittlungen und sachverständiger Prüfung
hätte nachgegangen werden müssen.
Für eine Antwort auf die Frage, welche Aufklärungs- und
Vorsichtsmaßnahmen im konkreten Fall tatsächlich
„praktisch“ durchführbar gewesen wären, hätten vor al-
lem auch die einschlägigen ISAF-Einsatzregeln, die „Ru-
les of Engagement“, herangezogen werden müssen, so-
weit sie Hinweise darauf geben, welche Aufklärungsmög-
lichkeiten einzusetzen und welche Vorsichtsmaßnahmen
im Rahmen eines konkreten Waffeneinsatzes einzuhalten
sind.
Denn ausweislich der Erklärung der Bundesregierung zu
den Zusatzprotokollen zu den Genfer Abkommen sind
nach dem Verständnis der Bundesrepublik Deutschland
die Wörter „praktisch möglich“ so zu verstehen, dass
damit gemeint ist,
„was durchführbar oder praktisch tatsächlich
möglich ist, wobei alle in dem entsprechenden
Zeitpunkt gegebenen Umstände zu berücksichtigen
sind einschließlich humanitärer und militärischer
Überlegungen“.1674
Damit ist auch klargestellt, dass es aus Sicht der Bundes-
republik Deutschland nicht auf die subjektiven Vorstel-
lungen des Angreifenden zum Zeitpunkt der Tat ankom-
men kann, sondern dass alle zum Tatzeitpunkt gegebenen
objektiven Umstände zu berücksichtigen sind.
1673) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 65.
1674) Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, Erklärung der
Bundesregierung, Bundesratsdrucksache 64/90, S. 132.
Drucksache 17/7400 – 258 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Welche Aufklärungsmaßnahmen im vorliegenden Fall
„praktikabel“ gewesen wären, muss sich also daran orien-
tieren, welche Maßnahmen nach „humanitären und militä-
rischen Überlegungen“ durch einen objektiven Dritten
zum Tatzeitpunkt in der Rolle des Angreifenden ergriffen
worden wären.
Für den vorliegenden Fall erscheint es durchaus nahelie-
gend, dass sich der GBA mit den folgenden Möglichkei-
ten hätte auseinandersetzen können:
– Vor allem hat sich in der Beweisaufnahme im Aus-
schuss gezeigt, dass der konkrete Umgang mit der
HUMINT-Quelle in dieser Nacht alles andere als pro-
fessionell erfolgt ist. Ohne dass dadurch das Ziel der
militärischen Operation gefährdet worden wäre, hät-
ten beispielsweise durch eine zielorientierte und
sachgerechtere Führung der Gespräche mit dem In-
formanten Unklarheiten und Irrtümer, die erwiese-
nermaßen existierten, vermieden werden können.
– Beispielsweise hätten konkrete Fragen nach Tatsa-
chen, wie nach dem Verbleib der zivilen Fahrer der
Tanklaster, nach den ominösen „Subkontakten“ der
Quelle, nach dem Grund für den ständigen Wechsel
oder nach dem Alter der Personen vor Ort genauer
gestellt werden können.
– Zudem hätte auch genauer erkundet werden können,
ob wirklich sämtliche Personen vor Ort bewaffnet
waren, um sicher zu gehen, dass es sich ausschließ-
lich um Mitglieder eines militärisch organisierten
bewaffneten Teils der Taliban und nicht nur um Un-
terstützer oder Sympathisanten gehandelt hat, die
zwingend als Zivilisten hätten eingestuft werden
müssen.
– Praktikabel wäre es sicher auch gewesen, unmittelbar
über den Sprachmittler die entscheidenden Fragen an
die Quelle zu stellen, wenn man sich einzig auf diese
verlassen wollte. Damit hätte auch die oben beschrie-
bene „Stille-Post-Routine“ mit ihren Gefahren der In-
formationsverfälschung umgangen werden können.
– Fraglich bleibt nach der Beweisaufnahme im Aus-
schuss auch, ob es nicht durchaus im Bereich des
„praktisch Möglichen“ gelegen hätte, die Angebote
eines tiefen Überflugs durch die F15-Piloten, die auf
Weisung des JTAC in etwa sieben Kilometern Hö-
he
1675
kreisten und kaum aussagekräftige Bilder lie-
ferten, anzunehmen, um so eventuell ein besseres
Bild von den Personen vor Ort gewinnen zu können.
Dabei hätte dann vielleicht auch das festgestellt wer-
den können, was der einzige Augenzeuge, der über-
lebende Lastwagenfahrer A. M. im Ausschuss bekun-
dete, dass nämlich nur wenige Personen vor Ort Waf-
fen trugen und auch Kinder und Greise unter den vie-
len Personen vor Ort waren.
1676
1675) Vgl. Transkript des Funkverkehrs (Fn. 319, Dokument 60), S. 4
und Mettelsiefen/Reuter, Kunduz, 4. September 2009 – Eine Spu-
rensuche, S. 22.
1676) A. M., Protokoll-Nr. 39, S. 5 und 10.
Angesichts dessen, dass selbst die HUMINT-Quelle
berichtete, dass nur Panzerfäuste und Handfeuerwaf-
fen vor Ort seien, dürfte ein solche Überflug der F15-
Bomber auch gefahrlos möglich gewesen sein.
– Ohne die Bemühung objektiven militärischen Sach-
verstands dürfte auch nicht völlig auszuschließen
sein, dass der umgehende Einsatz einer unbemannten
Drohne eventuell doch praktikabel gewesen wäre und
eine bessere Sicht auf die Sandbank ermöglicht hät-
te,
1677
auch wenn man dafür einen Piloten hätte auf-
wecken müssen.
– Selbst eine Einbeziehung der an diesem Abend ja
durchaus im Gefechtsstand zeitweise anwesenden
Angehörigen des BND dürfte ohne weiteres „prakti-
kabel“ gewesen sein. Eventuell hätten diese durch
Aktivierung ihrer eigenen Informanten, die ja viel-
leicht in den umliegenden Dörfern lebten, zusätzliche
Informationen erhalten können. Gleiches gilt für die
Kontaktpersonen, die durch die J2-Abteilung des
PRT geführt wurden.
An dieser Stelle sind sicherlich noch weitere Möglichkei-
ten vorstellbar,
1678
die mit unabhängigem militärischen
Sachverstand umfassend daraufhin hätten überprüft wer-
den können, ob sie als „gebotene und praktikable Aufklä-
rungsmaßnahmen“ („feasible precautions“) im Sinne des
Artikel 57 Abs. 2 lit. a ZP I von einem objektiven Dritten
in der Position von Oberst Klein in Betracht gezogen
worden wären.
Auf eine solch eingehende Prüfung, deren Ergebnis auch
nach der Beweisaufnahme im Ausschuss natürlich nicht
abschließend benannt werden kann, hat der GBA jedoch
bedauerlicherweise verzichtet. Eventuell hätte dies ver-
mieden werden können, wenn die Ergebnisse der Unter-
suchungen dieses Ausschusses abgewartet worden wären,
damit sie in die Ermittlungen und Bewertungen des GBA
hätten einfließen können.
(d) Die Abwägungsentscheidung
Stattdessen hat sich der GBA damit begnügt, die gewagte
Behauptung aufzustellen, dass selbst dann, wenn für
Oberst Klein erkennbar gewesen wäre, dass „mehrere
Dutzend geschützte Zivilisten“ durch den Bombenabwurf
getötet würden, dies wegen des „besonderen Drucks der
Entscheidungssituation“ bei „taktisch-militärischer Be-
trachtungsweise nicht außerhalb jeden Verhältnisses zu
1677) Dies wird allerdings von Oberst Klein vehement bestritten: vgl.
Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 67 f.
1678) Beispielsweise findet sich im Transkript der Kommunikation des
JTAC mit den F15-Bomber-Piloten der Hinweis, dass wohl im
Rahmen von ISR-Maßnahmen („Intelligence, surveillance and
reconnaissance“) möglicherweise die Sensoren eines anderen
Flugobjekts eingesetzt werden könnten, um Unterstützung bei der
Aufklärung des Zielgebiets zu leisten („maybe you can utilize his
sensors“), wovon jedoch offensichtlich auch kein Gebrauch ge-
macht wurde (Dokument 60).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 259 – Drucksache 17/7400
den erwarteten militärischen Vorteilen gestanden“ hät-
te.
1679
Wiederum mit zwei kurzen Sätzen wird daraufhin festges-
tellt, dass eine „offensichtliche Disproportionalität“ im
vorliegenden Fall nicht erkennbar sei, weil die Vernich-
tung der Tanklastzüge und die Ausschaltung ranghoher
Taliban „eine nicht zu unterschätzende militärische Be-
deutung, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die dadurch
erheblich reduzierte Gefährdung eigener Truppen sowie
auch von Zivilpersonen durch Angriffe der Taliban“ habe.
Überträgt man den Ansatz des GBA, so hätte selbst dann,
wenn die Taliban beispielsweise mehrere Dutzend
deutsche Kinder unter 15 Jahren aus der deutschen Schule
in Kabul als Geiseln (menschliche Schutzschilde) an den
Tanklastern festgehalten hätten, der Tod all dieser Kinder
durch Oberst Klein zur Verfolgung des Ziels, die Tanklas-
ter zu zerstören und die örtlichen Talibanstrukturen zu
beeinträchtigen, ohne Weiteres aus völkerrechtlicher Sicht
in Kauf genommen werden können. Dass dies nicht rich-
tig sein kann, egal ob es sich um deutsche oder um afgha-
nische Kinder oder Jugendliche handelt, müsste eigentlich
für jeden auf den ersten Blick erkennbar sein.
Ein derart oberflächlicher Umgang mit der zentralen völ-
kerrechtlichen Abwägungsvorschrift des Artikel 51
Abs. 5 lit. b ZP I dürfte der Bedeutung dieser Frage auch
für mögliche zukünftige Fälle kaum gerecht werden.
Zweifel sind dabei sowohl hinsichtlich der ohne jeden
militärischen Sachverstand vorgenommenen Gewichtung
des militärischen Vorteils als auch hinsichtlich der auf
dieser Grundlage vorgenommenen Abwägungsentschei-
dung angebracht:
Hinsichtlich der Tanklaster hätte zumindest einbezogen
werden müssen, dass diese auch aus Sicht von Oberst
Klein zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs keine unmittel-
bare Gefahr darstellten und nach den Informationen der
einzigen Quelle, auf die sich Oberst Klein stützte, auf der
Sandbank in Brand gesteckt werden sollten. Jedenfalls
war völlig unsicher, ob und wie die Tanklaster überhaupt
durch die Taliban eingesetzt worden wären. Insofern
dürfte auch die Unmittelbarkeit des militärischen Vorteils
fraglich sein.
Und auch die lapidare Behauptung, die Liquidierung der
vor Ort vermuteten „ranghohen Talibanführer“ habe
„nicht zu unterschätzende militärische Bedeutung“, er-
scheint seltsam apodiktisch. Es wird nicht einmal ver-
sucht, dies militärfachlich zu untermauern.
In der völkerrechtlichen Literatur wird im Zusammenhang
mit gezielten Exekutionen vermuteter Talibanführer und
ihrer Anhänger im Sinne eines „targeted killing“ teilweise
sogar in Frage gestellt, ob dies überhaupt im Rahmen der
vorzunehmenden Abwägung mit dafür geopferten Zivilis-
ten eingebracht werden kann.
1680
Denn die Abwägung
1679) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 66.
1680) Vgl. etwa: Kretzmer, Targeted Killing of Suspected Terrorists, in:
EJIL 16 (2005), S. 171, 201: „After all, unless the said terrorists
würde dann auf reiner Spekulation über mögliches zu-
künftiges Wirken dieser Taliban beruhen. Insofern wirkt
die pauschale Behauptung der besonderen militärischen
Bedeutung einer solchen gezielten Tötung vermuteter
Talibanführer erst recht nicht sonderlich überzeugend.
Jedenfalls hätte es auch hier einer genaueren Prüfung und
vor allem auch Darlegung bedurft, wie die Abwägung im
Rahmen des „Exzessverbots“ aus der ex ante-Sicht eines
objektiven Dritten eigentlich vorgenommen werden müss-
te. All dies sucht man in der Einstellungsverfügung des
GBA leider vergebens.
Damit ist nicht gesagt, dass der GBA nicht zu dem
Schluss hätte gelangen können, keine Anklage zu erhe-
ben. Bedauerlich ist jedoch, dass es der GBA unterlassen
hat, sich der entscheidenden völkerrechtlichen Fragen im
Rahmen eigener Ermittlungen und durch transparente
Hinzuziehung objektiven militärischen Sachverstands
angemessen anzunehmen.
(e) Mögliche Bedeutung des verfassungsrech-
tlichen Grundsatzes der Verhältnismäßig-
keit
Abschließend wäre es unter dem Gesichtspunkt der
Rechtssicherheit sicherlich auch sinnvoll gewesen, wenn
sich der GBA mit der Frage auseinandergesetzt und hier-
zu eine tragfähige Antwort gefunden hätte, welche Aus-
wirkungen es hat, dass die Bundesrepublik Deutschland
im Rahmen ihrer Zustimmung zum ISAF-Operationsplan
die Erklärung abgegeben hat, dass militärische Gewalt
durch deutsche Soldaten zur Durchsetzung des Auftrags
nur nach Maßgabe des Prinzips der Verhältnismäßigkeit
eingesetzt werden darf.
1681
Denn damit ist nicht der Maßstab des bloßen „Exzessver-
bots“ aus Artikel 51 Abs. 5 lit. b ZP I gemeint, sondern
auf den viel engeren Maßstab des „Übermaßverbots“ nach
dem Grundgesetz verwiesen, wonach jegliches staatliche
Handeln im Hinblick auf den verfolgten Zweck geeignet,
erforderlich und angemessen sein muss.
1682
Es müssen
also der Nachteil für den Betroffenen und der erstrebte
Erfolg in einem vernünftigen Verhältnis zueinander ste-
hen.
Neben den klaren innerdienstlichen Auswirkungen eines
solchen Vorbehalts, auf die gleich noch einzugehen sein
wird, stellt sich die Frage, ob die völkerrechtliche Rech-
tfertigung aus dem UN-Mandat nicht nur das Handeln
are involved in a concrete terrorist attack that is about to take
place and can only be thwarted by targeting them, the military
advantages to be gained by targeting them are based largely on
speculation. Can the assessment that an attack on civilians by the
suspected terrorist might take place outweigh the high and con-
crete likelihood that the attack on the suspected terrorist will
cause the death and wounding of other civilians?“; ebenso: Diehl,
in: Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften 2010, S. 4,
19.
1681) Vgl. BT-Drs. 16/2380, S. 8.
1682) Vgl. beispielhaft und grundlegend: BVerfGE 19, 342, 348 f.; vgl.
aber auch: BVerfGE 109, S. 279, 335 und Kraft, Der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit im deutschen Rechtsverständnis, in:
BayVBl. 2007, S. 577 ff. m. v. w. Nachw.
Drucksache 17/7400 – 260 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
innerhalb des Mandats und die Zulässigkeit nach humani-
tärem Völkerrecht voraussetzt, sondern ob eventuell bei
einer möglichen nationalen Rechtfertigung zusätzlich
immer auch die verfassungsrechtliche Bindung deutscher
Soldaten an den grundgesetzlichen Maßstab der Verhält-
nismäßigkeit berücksichtigt werden muss.
1683
Ob die Überlegung einer möglichen Beschränkung des
völkerrechtlichen Rechtfertigungsmaßstabs letztlich wirk-
lich überzeugt, kann hier dahinstehen. Es zeigt sich an der
Ausklammerung dieser grundlegenden Fragestellung in
der Einstellungsverfügung des GBA nur, dass der von
ihm selbst angelegte Maßstab einer „umfassenden“ Prü-
fung im Rahmen eines „aufwendigen Prüf- und Ermitt-
lungsverfahrens“1684 kaum erfüllt sein dürfte.
Dies ist deshalb so bedauerlich, weil hier die Möglichkeit
bestanden hätte, erstmalig fundiert grundlegende und
zukunftsweisende Maßgaben für militärisches Handeln
der Bundeswehr aufzuzeigen, die nicht nur für die Solda-
tinnen und Soldaten der Bundeswehr relevant sind, son-
dern auch im gesellschaftlichen Diskurs über die zukünf-
tige sicherheitspolitische Ausrichtung Deutschlands von
nicht zu überschätzender Bedeutung hätten sein können.
Diese Chance wurde vom GBA und vom politisch hierfür
verantwortlichen Bundesministerium der Justiz vertan.
2. Kritik am Verzicht auf die Einleitung eines
förmlichen Disziplinarverfahrens
So schwierig die Frage der völkerrechtlichen Rechtferti-
gung des Waffeneinsatzes in Kunduz abschließend zu
beantworten ist, so sehr hat die Beweisaufnahme im Aus-
schuss deutlich werden lassen, dass auf die Einleitung
eines formalen disziplinarischen Ermittlungsverfahrens
im Hinblick auf die eklatanten Verstöße der beteiligten
Soldaten gegen die verbindlichen ISAF-Einsatzregeln und
gegen die ausdrückliche Untersagung der gezielten Tö-
tung Aufständischer außerhalb konkreter Gefechtssitua-
tionen zumindest wegen Verletzung der zentralen Pflicht
des Soldaten zum treuen Dienen nach § 7 i. V. m. § 23
Soldatengesetz sowie § 15 Abs. 1 Wehrdisziplinarord-
nung kaum hätte verzichtet werden dürfen.
Die Entscheidung, nach nur wenigen Wochen andauern-
den „Vorermittlungen“, die noch nicht einmal die in der
Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses gewon-
nenen Erkenntnisse einbezogen haben, ein förmliches
Disziplinarverfahren gar nicht erst zu eröffnen, sondern
Oberst Klein statt dessen zu befördern und in die nächst-
höhere Besoldungsgruppe B3 einzuweisen,
1685
stößt zu
Recht auf breitestes Unverständnis und sendet das be-
fremdliche Signal an die Soldatinnen und Soldaten aus,
dass hartes militärisches Vorgehen und die Außerachtlas-
sung der verbindlichen Einsatzregeln für den streitkräfte-
1683) So jedenfalls: Limpert in der Ausarbeitung WD 7 – 3000 -120/11
der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, S.
12; sehr ausführlich zum Meinungsstand: Wiefelspütz, Auslands-
einsatz der Streitkräfte und Grundrechte, in: NZWehrR 2008,
S. 89 ff.
1684) Vgl. Presseerklärung GBA Nr. 8/2010 vom 19. April 2010.
1685) Vgl. hierzu: BT-PlPr. des Deutschen Bundestages 17/64, S. 6738.
gemeinsamen Waffeneinsatz selbst bei erheblichen zivi-
len „Kollateralschäden“ im Zweifelsfall von den Vorge-
setzten gedeckt und von der politischen Führung akzep-
tiert wird.
Wenn man sich dann vor Augen führt, in wie vielen ande-
ren wehrdisziplinarischen Verfahren teilweise sogar dras-
tische Sanktionen wie Beförderungsverbote, Dienstgrad-
herabsetzungen oder gar die Entfernung aus dem Dienst-
verhältnis ausgesprochen worden sind, in denen zwar
auch schwere Verstöße gegen Dienstpflichten
– z. B. die Veröffentlichung eines selbstgemachten
Aktfotos der eigenen Person in einem Sexmagazin
zur Wiederherstellung des eigenen Selbstwertge-
fühls
1686
, die Mitnahme eines Kettensägeantriebs-
aggregats und anderer Gegenstände nach Hau-
se
1687
, das Erschleichen eines Leistungsscheins im
Rahmen einer universitären Diplomvorprüfung
durch „Abschreiben“ ohne Kenntlichmachung des
Zitats (Plagiat)
1688
oder der Diebstahl aus einer
Gemeinschaftskasse
1689
–
festgestellt wurden, die aber jedenfalls nicht bis zu 113
zivile Todesopfer gefordert haben, wirkt die Entschei-
dung, im vorliegenden Fall kein Disziplinarverfahren
einzuleiten, noch unverständlicher.
Dabei geht es nicht darum, Oberst Klein persönlich zu
„bestrafen“, sondern es geht darum, dass sowohl der
Durchführung eines Disziplinarverfahrens als auch der
eventuellen Verhängung disziplinarischer Maßnahmen
vor allem „pflichtenmahnende Wirkung“ auf die Angehö-
rigen der Bundeswehr im Allgemeinen zukommt.
1690
Zwar kollidiert dieser Gedanke in gewisser Weise mit
dem Grundsatz, dass Disziplinarsachen vertraulich zu
behandeln sind, doch wird der generalpräventiven Funkti-
on der Disziplinarmaßnahme auch immer durch die Mittel
des Rechtsunterrichts und gegebenenfalls durch die Ver-
öffentlichung wehrdienstgerichtlicher Rechtsprechung
Rechnung getragen.
All dem wurde im vorliegenden Fall durch die dem Bun-
desminister der Verteidigung zuzurechnende Entschei-
dung, ein förmliches Disziplinarverfahren noch nicht
einmal einzuleiten, sondern nur öffentlich zu verkünden,
es hätten sich noch nicht einmal Anhaltspunkte für eine
Dienstpflichtverletzung ergeben, bedauerlicherweise ohne
jede Not und gegen jede Vernunft der Boden entzogen. Es
wurde damit verhindert, dass in einem solch wichtigen
Sachverhalt mit kaum zu überschätzender Präzedenzwir-
kung effektive Sachverhaltsermittlungen angestellt und
grundlegende rechtliche Leitlinien durch gerichtliche
Prozesse und Entscheidungen formuliert werden konnten.
Die von manchen Verteidigungspolitikern der Mehrheit
im Ausschuss hergestellte unmittelbare Verknüpfung der
1686) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 34.98.
1687) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 20.09.
1688) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 30.01.
1689) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 28.08.
1690) So ausdrücklich: BVerwG, Az. 2 WD 20.09, Rz. 50.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 261 – Drucksache 17/7400
Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsver-
fahrens durch den GBA mit der fehlenden Notwendigkeit
disziplinarischer Ermittlungen
1691
entbehrt dabei offen-
kundig jeder Grundlage, weil für den GBA die Verletzung
von Einsatzregeln gerade keine Rolle spielte.
a) Eklatante Verstöße gegen ISAF-Einsatz-
regeln
Der GBA hat in seinem Einstellungsvermerk zutreffend
darauf hingewiesen, dass es sich bei den ISAF-
Einsatzregeln, den „Rules of Engagement“ um Innenrecht
handelt, dem keine Rechtswirkung nach außen zukommt,
so dass sich an deren Verletzung auch keine unmittelba-
ren strafrechtlichen Sanktionen knüpfen können. Wenn
diese Regeln aber in innerdienstliche Befehle gegenüber
den Soldatinnen und Soldaten aufgenommen werden, so
kann der Verstoß gegen sie oder ihre Nichtbeachtung
auch eine Dienstpflichtverletzung darstellen, die ihm
Rahmen von Disziplinarverfahren relevant wird.
1692
In seiner Einvernahme im Ausschuss hatte auch General
Ramms ausdrücklich erklärt, dass nach der von ihm ver-
anlassten Prüfung im Rahmen des Luftangriffs gegen
ISAF-Einsatzregeln verstoßen wurde,
1693
so dass eine
nationale disziplinarische Untersuchung nach Vorlage des
COM ISAF-Berichts hätte erfolgen müssen, weil die
NATO selbst keine Disziplinargewalt über das PRT-
Personal hat.
1694
„Rules of Engagement“ (ROE) wurden ursprünglich ge-
schaffen und ausgeformt, um den militärischen Führer an
die politischen und strategischen Absichten der Staatsfüh-
rung zu binden. Heute dienen ROE im Ergebnis dem Ziel,
insbesondere bei politisch hoch sensiblen militärischen
Maßnahmen im Rahmen des Krisenmanagements und bei
Friedensmissionen den Primat der politischen Führung
jederzeit sicherzustellen.
1695
Nach der offiziellen Definiti-
on sind ROE
„national, multinational oder international für ei-
nen bestimmten Einsatz festgelegte und zwischen
den beteiligten Nationen abgestimmte Richtlinien
und Vorgaben, die das Verhalten der Truppe und
die Anwendung von Gewalt und Zwangsmaßnah-
men einschließlich des Waffengebrauchs re-
geln.“1696
1691) Vgl. „Spiegel Online“ vom 19. August 2010: „Elke Hoff, sicher-
heitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, begrüßte
die Entscheidung des Verteidigungsministeriums: „Sie ist nach
der bereits erfolgten Einstellungen der Ermittlungen durch die
Bundesanwaltschaft nur folgerichtig. Im Einsatzgebiet der Bun-
deswehr in Nord-Afghanistan handelt es sich um einen nichtinter-
nationalen bewaffneten Konflikt. Der Einsatz der Soldatinnen und
Soldaten in der Region unterliegt somit dem Kriegsvölkerrecht.“,
sagte Hoff.“
1692) Vgl. etwa: Frister/Korte/Kress, JZ 2010, S. 10, 16.
1693) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5; Teil II, S. 1, 9, 13, 18, 20,
24 und 27.
1694) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 6 und 15.
1695) Vgl. etwa: Stein, in: Truppenpraxis/Wehrausbildung 1999, S. 596,
597.
1696) Vgl. Dreist, NZWehrr 2007, S. 107 m. w. Nachw.
Verbindlichkeit erhalten die ISAF-ROE für das deutsche
Einsatzkontingent ISAF über das nationale Befehls-
recht.
1697
Die deutschen ISAF-Kommandeure sind COM ISAF-
OPCON unterstellt und müssen die genehmigten ISAF-
Einsatzregeln, also die ROE, die „Standard Operating
Procedures“ (SOP) und sonstige Weisungen umsetzen.
Die besondere Bedeutung der ROE liegt dabei auf der
Hand: Sie setzen politische Vorgaben zum Verhalten der
Streitkräfte im Einsatz in militärisch handhabbare, opera-
tive Dienstbefehle um und sind dadurch für jede Soldatin
und jeden Soldaten verbindlich.
Die „Pflicht zum treuen Dienen“ aus § 7 Soldatengesetz
verlangt allgemein vom Soldaten, im Dienst und außer-
halb des Dienstes zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr
beizutragen und alles zu unterlassen, was sie in ihrem
durch das Grundgesetz festgelegten Auftrag schwächen
würde.
1698
Darunter fällt nicht nur die Pflicht, keine Aktfotos von
sich an Sexmagazine zur Veröffentlichung zu versen-
den
1699
, bei wissenschaftlichen Arbeiten nicht zu plagiie-
ren
1700
oder keine alten, unbrauchbaren Computermonito-
re der Bundeswehr bei den Stadtreinigungsbetrieben un-
gefragt zu entsorgen,
1701
sondern selbstverständlich auch
die Pflicht, den in Dienstvorschriften, Richtlinien, Erlas-
sen und Befehlen enthaltenen Handlungsanweisungen
Folge zu leisten.
1702
Dabei muss die Dienstpflichtverlet-
zung nicht vorsätzlich, sie kann auch fahrlässig begangen
werden, indem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt
außer Acht gelassen und in voraussehbarer und vermeid-
barer Weise gegen die Dienstpflichten verstoßen wird.
1703
Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat klar ergeben, dass
im Fall des Luft-Boden-Angriffs von Kunduz durch
Oberst Klein und seinen JTAC eine Vielzahl von ISAF-
Einsatzregeln konkret verletzt wurde.
1704
Zu diesem Schluss gelangte im Ergebnis nach eigenem
Bekunden auch die Bundesregierung selbst, auch wenn
sie bis heute weder öffentlich noch gegenüber dem Par-
lament eingeräumt hat, welche konkreten Einsatzregeln
aus ihrer Sicht eigentlich verletzt worden sind. Statt des-
sen wird immer versucht, den Eindruck zu erwecken, dass
sämtliche Einsatzregeln, gegen die in dieser Nacht versto-
ßen wurde, derart ungenau und widersprüchlich seien,
dass die Verstöße gegen sie nicht mehr als ein verständli-
ches, lässliches Versehen gewesen seien. Der eigentliche
Kern des Problems liege darin, dass die Soldatinnen und
Soldaten nicht verstehen könnten, was diese Einsatzregeln
1697) Vgl. BT-Drs. 16/10804, S. 16.
1698) Vgl. nur: Dau, Wehrdisziplinarordnung, Kommentar, vor § 15,
Rz. 2.
1699) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 34.98.
1700) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 30.01.
1701) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 7.10.
1702) Vgl. nur: Dau, Wehrdisziplinarordnung, Kommentar, vor § 15,
Rz. 2.
1703) Vgl. nur: Dau, Wehrdisziplinarordnung, Kommentar, vor § 15,
Rz. 21.
1704) Zu den einzelnen Verstößen gegen die ISAF-Einsatzregeln oben
ausführlich die Darstellungen in Abschnitt III./2/g.
Drucksache 17/7400 – 262 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
von ihnen verlangten, so dass diese erst einmal verändert
und eindeutiger ausgestaltet werden müssten. Zur Illust-
rierung dieser bis heute erkennbaren Vorgehensweise der
Bundesregierung mag die im Diffusen wabernde Aussage
des damaligen Verteidigungsministers Freiherr zu Gut-
tenberg im Ausschuss dienen:
„Ich hatte ja immer auf die Verfahrensfehler hin-
gewiesen und auch darauf hingewiesen, dass das
Fehler waren und dass auf der Grundlage dieser
Fehler die Einsatzregeln, weil der eine oder ande-
re Fehler ja wohl offensichtlich auch darauf zu-
rückzuführen war, dass die Einsatzregeln verwir-
rend, manchmal auch widersprüchlich waren, als
solche manchmal schwer verständlich - - Das ist ja
einer der Gründe gewesen, weshalb man sich auch
der Fragestellung angenommen hat, diese Einsatz-
regeln entsprechend zu korrigieren. Ich glaube,
das ist auch vonnöten gewesen, das zu tun.“1705
Dass es sich hierbei natürlich vor allem um eine leicht
durchschaubare Strategie zur Verlagerung von Verant-
wortung auf namenlose NATO-Bürokraten und ihre völlig
unverständlichen Vorgaben für den Einsatz militärischer
Gewalt handelt, liegt auf der Hand.
In der Beweisaufnahme des Ausschusses konnten sich
dessen Mitglieder hingegen davon überzeugen, dass eine
solch unklare Regelungslage im konkreten Fall keines-
wegs vorlag, sondern dass die Probleme fast durchgängig
in der fehlerhaften Anwendung der Einsatzregeln oder in
der Unkenntnis der Soldatinnen und Soldaten der Bun-
deswehr über den Inhalt dieser Regelungen gelegen ha-
ben.
Dabei erfolgten die Verstöße gegen diese Einsatzregeln
zum Teil sogar ganz bewusst – wie etwa im Fall der Er-
klärung eines TIC entgegen den engen Maßgaben des
unmittelbaren Vorgesetzten -, in den meisten Fällen aber
aufgrund mangelnder Sorgfalt in der Anwendung dieser
Regeln, wie insbesondere bei der fehlerhaften PID-
Feststellung, bei dem Verzicht auf Hinzuziehung eines
Rechtsberaters und Durchführung einer „Show of Force“,
oder bei der Anwendung der konkreten Einsatzregel für
einen offensiven Waffeneinsatz (ROE 429) bar jeder
Kenntnis über ihre zwingenden Voraussetzungen.
1706
Auf welche Weise die Wehrdisziplinaranwaltschaft, die –
wie der GBA – nicht der „dritten Gewalt“, also der Judi-
kative, angehört, sondern nach § 81 Abs. 3 WDO aus-
drücklich an Weisungen des Bundesministers der Vertei-
digung gebunden ist, im vorliegenden Fall zu dem Ergeb-
nis kommen konnte, dass trotz der vom Minister öffent-
lich behaupteten Verfahrensfehler noch nicht einmal
Anhaltspunkte gefunden werden konnten, um ein förmli-
ches Disziplinarverfahren überhaupt erst einzuleiten, wird
wohl immer ein Geheimnis dieser Bundesregierung blei-
ben. Gegenüber dem Untersuchungsausschuss wurden
jedenfalls keinerlei Hinweise darauf gegeben. Akten wur-
1705) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 36.
1706) Zu den Verstößen gegen die ISAF-Einsatzregeln oben ausführlich
die Darstellungen in Abschnitt III./2/g, ab Seite 240.
den dazu nicht vorgelegt, weil diese erst nach Einsetzung
des Untersuchungsausschusses entstanden seien.
b) Verletzung nationaler Einsatzvorgaben
durch gezielte Tötung außerhalb einer
Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituation
Zusätzlich zu den Verstößen gegen die ISAF-
Einsatzregeln begegnet die festgestellte Motivationslage
von Oberst Klein für den Bombenabwurf, vermutete Tali-
banführer bewusst „vernichten“ zu wollen, aus innerstaat-
lichem, dienstrechtlichem Blickwinkel erheblichen Be-
denken:
Aus deutscher Sicht ist es nämlich mehr als fraglich, ob
eine solche offensive Operation gegen die vier vermuteten
Taliban-Kommandeure und ihre Anhänger für deutsche
Soldaten überhaupt zulässig gewesen ist, weil damit die
Grenze zum für deutsche Soldaten unzulässigen „targeted
killing“ überschritten worden sein dürfte.
Die Bundesregierung hatte bislang immer besonderen
Wert auf die Feststellung gelegt, dass die Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr angewiesen sind, außerhalb von
direkten Feuergefechten oder Angriffen im Rahmen von
Selbstverteidigung oder Nothilfe keine Personen zu töten,
selbst wenn es sich nachweislich oder nach überwiegen-
der Wahrscheinlichkeit tatsächlich um Aufständische
handeln sollte.
Selbst bei Personen, die bereits auf die so genannte „Joint
Priority Effects List (JPEL)“1707 gesetzt worden sind, bei
denen ISAF also nach sorgfältigen Prüfungen zu dem
Ergebnis gekommen ist, dass diese Personen besonders
gefährlich sind und deshalb ergriffen oder getötet werden
sollen, ist eine Beteiligung deutscher Soldatinnen und
Soldaten an der Tötung dieser Personen untersagt.
1708
Im Rahmen der deutschen Mitwirkung am ISAF-
Targeting-Prozess wird ausschließlich die Handlungsemp-
fehlung „Festnahme“ gegeben. Zugriffsoperationen, bei
denen deutsche Kräfte die Verantwortung für die Anwen-
dung militärischer Gewalt haben, die Ausführung über-
nehmen oder an denen sie sich beteiligen, erfolgen aus-
schließlich mit dem Ziel, die Personen festzusetzen.
1709
Auf hierzu immer wieder gestellte Fragen von Mitglie-
dern des Deutschen Bundestags wird die Bundesregierung
nicht müde, ihrerseits immer wieder zu betonen, dass
eindeutige nationale Vorgaben im Rahmen der deutschen
Teilhabe an diesem ISAF-Targeting-Prozess ausschließ-
1707) Bei der JPEL handelt es sich um eine dem ISAF-Regelwerk
entsprechende Liste, in der auf der Grundlage eines festgelegten
Kriterienkatalogs Zielpersonen Handlungsempfehlungen zu-
geordnet werden. Bei Personen, die sich unmittelbar oder dauer-
haft an den Feindseligkeiten beteiligen, besteht die Möglichkeit,
die Anwendung gezielt tödlich wirkender Gewalt zu empfehlen.
Vgl. etwa: BT-Drs. 17/2775, S. 77.
1708) Vgl. etwa BT-Drs. 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 10; 17/3008, S. 50;
Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.
1709) Vgl. etwa Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas
Kossendey vom 16. August 2010 auf Fragen des Abg. Dr. Rolf
Mützenich vom 30. Juli 2010; BT-Drs. 17/2884, S. 10; 17/2775,
S. 77.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 263 – Drucksache 17/7400
lich mit der Handlungsempfehlung erfolgen, die Zielper-
sonen festzusetzen, keinesfalls, sie zu töten.
1710
Wörtlich
heißt es in einer dieser Antworten beispielsweise:
„Zur Vermeidung eventueller Missverständnisse ist
deshalb ausdrücklich festzustellen, dass deutsche
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr derar-
tige „Liquidierungen“ nicht durchführen und auch
nicht durchgeführt haben.“1711
Einer der Pressesprecher des Bundesministeriums der
Verteidigung, Kapitän zur See Dienst, sprach in der Re-
gierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010 insofern wie-
derholt von einer „Selbstverpflichtung“ bzw. einer “De-
facto-Selbstbeschränk-ung“.1712 Diese nationale Selbstbe-
schränkung spiegelt sich im Übrigen zu Recht auch aus-
drücklich in der so genannten „Taschenkarte“ wieder, die
jedem in Afghanistan eingesetzten Soldaten mitgegeben
wird, um diesem die Grenzen des Einsatzes militärischer
Gewalt verbindlich aufzuzeigen:
1713
Darin wird mit klaren Worten verlangt, dass militärische
Gewalt immer „verhältnismäßig“ sein muss, also nur
angewendet werden darf, wenn sie „geeignet und erfor-
derlich“ ist, so dass immer dann, wenn man sich nicht
einer „erheblichen Gefahr für Leib und Leben“ ausgesetzt
sieht, das „denkbar mildeste Mittel“ anzuwenden ist.
Darüber hinaus wird ausdrücklich verlangt, dass – soweit
es die Lage zulässt – militärische Gewalt immer vor ih-
rem Einsatz „anzudrohen“ ist. Unbeteiligte Personen
dürfen dabei allenfalls dann in Mitleidenschaft gezogen
werden, „wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und
Leben auf andere Weise nicht abgewendet werden kann“.
Deutlich bedient sich die Taschenkarte dabei nicht etwa
der Vorgaben des völkerrechtlichen „Exzessverbots“,
sondern sie verweist ausdrücklich auf den engeren Maßs-
tab des Grundgesetzes, wonach der Waffeneinsatz geeig-
net und erforderlich sein muss und die Folgen „nicht
außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen dür-
fen“.
Nur auf der Grundlage dieses Verständnisses des Grund-
satzes der Verhältnismäßigkeit machen die wiederholten
öffentlichen Darstellungen der Bundesregierung zum
Verbot der gezielten Tötung Aufständischer Sinn.
Dies steht zudem in Einklang mit der grundsätzlichen
deutschen Beurteilung des ISAF-Einsatzes als „Stabilisie-
rungs- und Unterstützungsoperation“, worauf von Anfang
an in jedem parlamentarischen Beschluss zur Durchfüh-
rung und Verlängerung des Einsatzes ausdrücklich hin-
gewiesen wurde, und welche eine zwingende Folge aus
1710) Vgl. nur: BT-Drs. 16/7794, S. 22; 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 10;
17/3008, S. 50; Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.
1711) BT-Drs. 16/7794, S. 22.
1712) Vgl. S. 3 des Ausdrucks der Mitschrift der Regierungspressekon-
ferenz vom 28. Juli 2010 auf www.bundesregierung.de.
1713) Mat. 17-49a, S. 9-10.
dem allgemein gesellschaftlich akzeptierten Leitbild der
„militärischen Kultur der Zurückhaltung“1714 darstellt.
Konkret spiegelt sich dies wieder in den Einsatzbeschrän-
kungen, die durch die Bundesrepublik Deutschland gege-
nüber dem ISAF-Operationsplan erklärt worden sind. Die
deutsche Politik hat dabei insbesondere in drei Bereichen
Vorgaben gemacht, die die militärische Operationsfüh-
rung einschränken: Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten
nehmen nicht aktiv an der Drogenbekämpfung teil, sie
wenden Gewalt ausschließlich nach Maßgaben des Ver-
hältnismäßigkeitsprinzips an, und sie operieren in der
Regel nur in den ISAF-Regionen Nord und Kabul.
1715
Wenn damit aber davon ausgegangen werden muss, dass
es deutschen Soldatinnen und Soldaten schon durch
dienstliche Weisungen untersagt ist, Personen zu töten,
die sich nach einem umfassenden Bewertungsprozess auf
ISAF-Ziellisten als besonders gefährlich qualifizierte
Aufständische finden, weil sie sich dauerhaft oder unmit-
telbar an Feindseligkeiten beteiligen, muss es Angehöri-
gen der Bundeswehr zwangsläufig erst Recht untersagt
sein, Personen unmittelbar zu töten, die noch nicht einmal
auf dieser Zielliste aufgeführt sind und bei denen man nur
vermutet, dass sie sich hierfür eventuell auch „qualifizie-
ren“ würden, weil man sie irgendwie „auf dem Schirm
hat“.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die vier angeblich an
den Tanklastern vermuteten Talibanführer noch nicht
einmal auf der JPEL namentlich aufgeführt waren.
1716
Hinsichtlich der restlichen, selbst nach Einschätzung von
Oberst Klein etwa 70 angeblichen „Anhänger“ dieser
Talibanführer, die sich ebenfalls vor Ort befunden haben
sollen, waren Namen noch nicht einmal bekannt.
Es gab nur die diffuse Einschätzung von Oberst Klein,
dass diese Gruppe von Aufständischen „als sehr aggressiv
und rücksichtslos“ bekannt gewesen sein solle.1717
Da aber nach der Beweisaufnahme eindeutig feststeht,
dass zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs kein unmittelba-
rer Angriff von diesen Personen gegen ISAF-Soldaten
oder gegen befreundete Kräfte ausging, ist die Schlussfol-
gerung zwingend, dass gegen die nationale Weisungslage,
außerhalb konkreter Selbstverteidigungs- oder Nothilfesi-
tuationen gegen Aufständische nicht im Wege solcher
„Liquidierungen“ vorzugehen, evident verstoßen wurde.
Oberst Klein räumte in seiner Vernehmung im Ausschuss
selbst ein, dass durch die Tötung der vier Talibanführer
und ihrer Anhänger den Aufständischen „ein schwerer
1714) Vgl. dazu ausführlich: Stefan Jungbauer, Die Bundeswehr in
Afghanistan – Die innerstaatlichen Restriktionen des deutschen
ISAF-Einsatzes, Hamburg 2010, S. 42 ff., 59 ff., 74 ff.
m. w. Nachw.; Georg Löfflmann, Verteidigung am Hindukusch?,
Hamburg 2008, S. 50 ff. m. w. Nachw.
1715) BT-Drs. 16/2380, S. 8; vgl. auch: Noetzel/Zapfe, Aufstandsbe-
kämpfung als Auftrag, SWP-Studie S 13, Mai 2008, S. 15 f.;
Jungbauer, a.a.O., S. 74 f.
1716) So die ausdrückliche Antwort der Bundesregierung auf Frage des
Abg. Dr. Hans-Peter Bartels: BT-PlPr.-Nr. 36 der 17. WP vom
21. April 2010 (Fn. 235, Dokument 58), S. 3463.
1717) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.
Drucksache 17/7400 – 264 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Schlag versetzt“ werden sollte.1718 Diese Argumentation
war für Oberst Klein im Hinblick auf seine völkerrechtli-
che Rechtfertigung wegen des Unterlassens der „Show of
Force“ sogar zwingend erforderlich.
Wenn aber nun deshalb letztlich von einem rein offensi-
ven Waffeneinsatz auszugehen ist, wurde hier gegen die
nationalen Vorgaben, die bewusst hinter dem durch das
Völkerrecht und das UN-Mandat Zulässigen
1719
zurück-
bleiben, verstoßen.
Sollte die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den
Standpunkt vertreten wollen, dass es den Vorgaben der
deutschen „Taschenkarte“ zur Verhältnismäßigkeit des
Einsatzes militärischer Gewalt durch deutsche Soldaten
an der Qualität verbindlicher Anweisung zu einem be-
stimmten Verhalten fehlen sollte, so dass die Missachtung
dieser Vorgaben keine Verletzung dienstlicher Pflichten
darstellen könne, fragt sich, welchen Sinn den Einsatzre-
geln und der „Taschenkarte“ dann eigentlich noch zu-
kommen soll.
Es dürfte wohl kaum angehen, diese förmlichen Regelun-
gen als bloß unverbindliche Hinweise darauf anzusehen,
wie man sich wünschen würde, dass Soldatinnen und
Soldaten militärische Gewalt mit möglichen tödlichen
Folgen doch bitte anwenden mögen, ihnen aber letztlich
keinen bindenden Charakter zuzubilligen, sondern ihre
Befolgung vollständig in das Belieben der Soldatinnen
und Soldaten zu stellen.
Sollte dies wirklich die Botschaft des Bundesministers der
Verteidigung sein, die er mit der Entscheidung, diszipli-
narische Ermittlungen im vorliegenden Fall noch nicht
einmal einzuleiten, transportieren wollte, so sollte er dies
auch öffentlich deutlich machen, so dass die Mitglieder
des Deutschen Bundestages, die dem Einsatz der Bun-
deswehr in Afghanistan auf der Grundlage bestimmter
Voraussetzungen und Annahmen zugestimmt haben, über
diese, von den bisherigen allgemeinen Vorstellungen eher
abweichende, Geschäftsgrundlage neu nachdenken könn-
te.
Dann sollte die Bundesregierung aber auch darauf ver-
zichten, den Eindruck zu erwecken, dass deutschen Solda-
ten bei der Anwendung militärischer Gewalt, zum Bei-
spiel bei der Liquidierung verdächtiger Taliban, Grenzen
auferlegt sind und stattdessen deutlich machen, dass sol-
che Beschränkungen in der Realität für diese Bundesre-
gierung eigentlich gar nicht mehr existieren.
V. Zusammenfassende Gesamtbewertung
zum Luft-Boden-Angriff von Kunduz
Bei dem von Oberst Klein am 4. September 2009 befoh-
lenen Luft-Boden-Angriff auf die zwei entführten und im
Fluss Kunduz stecken gebliebenen zivilen Tanklaster
sowie die dort befindlichen Personen handelt es sich um
den folgenschwersten militärischen Waffeneinsatz in der
Geschichte der Bundeswehr.
1718) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 17.
1719) „with all necessary means“.
Der Bombenabwurf hat zur Tötung von mindestens 22
Kindern unter 15 Jahren, einem zivilen Lastwagenfahrer
sowie von mindestens 60 erwachsenen Bewohnern der
umliegenden Dörfer geführt, die allesamt als Zivilisten zu
qualifizieren sind, weil sie sich weder unmittelbar an
Feindseligkeiten gegen ISAF-Kräfte beteiligt haben, noch
nachweislich Mitglieder des militärisch organisierten,
bewaffneten Teils der Taliban waren.
Erstmals in der Geschichte der Bundeswehr hat ein
deutscher Kommandeur einen offensiven Waffeneinsatz
mit dem Ziel der Tötung einer Vielzahl von Personen
außerhalb einer unmittelbaren Selbstverteidigungs- oder
Nothilfesituation befohlen, um die regionalen Talibans-
trukturen zu schwächen.
Bei der Bewertung der Entscheidungen von Oberst Klein
ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Sicher-
heitslage in der Provinz Kunduz in den Monaten vor dem
Angriff erheblich verschlechtert hatte und die Angehöri-
gen des PRT Kunduz seit Mai 2009 fast täglich im Feuer-
kampf standen.
1720
Hinzu kam noch, dass gerade am
3. September 2009 eine in Archi eingesetzte Kompanie
des PRT Kunduz in einen Hinterhalt geriet, drei Soldaten
verwundet und mehrere Fahrzeuge beschädigt worden
waren, woraufhin Oberst Klein weitere Truppenteile zur
Unterstützung nach Archi verlegte, die dort dann in eines
der schwersten Gefechte der deutschen Truppen in Kun-
duz verwickelt wurden.
Oberst Klein stand also an dem Tag vor dem Bombenein-
satz verständlicherweise unter höchster Anspannung.
Weiterhin verspürte Oberst Klein augenscheinlich einen
gewissen Druck von Seiten seiner Vorgesetzten, die von
ihm nach seiner Wahrnehmung einen „aktiven Einsatz“
erwarteten. Wörtlich erklärte Oberst Klein dazu im Aus-
schuss:
„Durch das Hauptquartier ISAF in Kabul, aber
auch durch das Regionalkommando Nord in Ma-
sar-i-Scharif wurde mir ausdrücklich befohlen,
unverzüglich Maßnahmen zur Sicherung dieser
Verbindungswege und zur Bekämpfung der Auf-
ständischen zu ergreifen. Auch mein unmittelbarer
Vorgesetzter, General Vollmer, machte mir sehr
deutlich, dass er einen aktiven Einsatz des PRTs in
dieser Hinsicht von mir erwartete.“1721
Diese eher diffusen Hinweise seiner vorgesetzten Stellen
hatte Oberst Klein augenscheinlich insofern missverstan-
den, als er sich nunmehr auch als PRT-Kommandeur zu
offensivem Waffeneinsatz mit dem Ziel der Verfolgung
und Tötung vermuteter Taliban außerhalb konkreter
Selbstverteidigungs- und Nothilfesituationen berufen
fühlte, obwohl ein solch offensives Vorgehen nach dem
ISAF-Operationsplan grundsätzlich allenfalls den Kom-
1720) Vgl. hierzu ausführlich die entsprechenden Passagen aus dem
Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 13 ff. und Klein, Protokoll-
Nr. 6, Teil II, S. 1 ff.
1721) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 265 – Drucksache 17/7400
mandanten der Spezialkräfte, wie etwa der deutschen
„Task Force 47“ (TF 47), vorbehalten ist.1722
Diese Spezialkräfte verfügen nämlich über andere Mög-
lichkeiten und Erfahrungen zur Informationsbeschaffung
und -bewertung bezüglich der Identifizierung derartiger
militärischer Ziele, denn genau dafür werden sie aufges-
tellt und ausgebildet. Vor allem sind diese aber besser
vertraut mit den für solch offensive Waffeneinsätze vorge-
sehenen Einsatzregeln. Diese notwendigen Kenntnisse
fehlten Oberst Klein in dieser Nacht.
War dieser Impuls zur offensiven Bekämpfung erkannter
Taliban außerhalb unmittelbarer Gefechtssituationen
zunächst wohl eher unterschwellig bei Oberst Klein vor-
handen, wurde er vor dem Waffeneinsatz ganz entschei-
dend durch den ranghöchsten Offizier der Task Force 47,
der sich in dieser Nacht im Feldlager Kunduz aufhielt,
den Zeugen Hauptmann N., verstärkt.
Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss ist anzunehmen,
dass dieser nicht nur den Entschluss von Oberst Klein
ausgelöst hat, nach den am Nachmittag entführten Tank-
lastern und den dort vermuteten Taliban konkret zu su-
chen, sondern auch dazu beigetragen hat, in Oberst Klein
den Entschluss reifen zu lassen, die aus seiner Sicht etwa
70 Personen an den Tanklastern zu „vernichten“1723 und
dabei den örtlichen Talibanstrukturen einen „schweren
Schlag“1724 zu versetzen.
Dabei verfolgte Hauptmann N. offenkundig eine sehr
eigene Agenda, die vor allem darin bestand, die Glaub-
würdigkeit und Zuverlässigkeit der HUMINT-
Kontaktperson der Task Force 47, die in der Nacht die
Informationen über die Tanklaster lieferte, zu überprü-
fen.
1725
Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss ist anzunehmen,
dass Oberst Klein durch Hauptmann N. – eventuell sogar
in kollusivem Zusammenwirken mit dem JTAC – zu
einem sehr frühen Zeitpunkt ein offensives Bombarde-
ment mit dem Ziel der Tötung der vermuteten Talibanfüh-
rer und ihrer Anhänger empfohlen wurde.
1726
Während Bundeswehr und Bundesregierung immer nur
gebetsmühlenartig wiederholen, dass die Task Force 47 in
dieser Nacht nur untergeordnete Unterstützungsleistungen
für den PRT-Kommandanten erbracht habe, stellt sich das
Geschehen nach der Beweisaufnahme im Ausschuss eher
so dar, dass Oberst Klein als PRT-Kommandeur, obwohl
er die Entscheidung zum Waffeneinsatz ausdrücklich
selbst getroffen hat, letztlich faktisch eher Unterstüt-
zungsleistungen für die Interessen der von Hauptmann N.
repräsentierten Task Force 47 geleistet hat.
Obwohl nicht ganz auszuschließen ist, dass Oberst Klein
persönlich auch in gewisser Sorge um die unmittelbare
1722) Vgl. dazu ausführlich oben unter III./2./g)/ff)/aaa, Seite 247 ff.
1723) So die Wortwahl von Oberst Klein selbst in seinem Bericht vom
5. September 2009, Mat. 17-7, S. 3.
1724) So die Wortwahl von Oberst Klein selbst im Ausschuss: Klein,
Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 17.
1725) Vgl. dazu ausführlich oben unter III./2./c), Seite 226 ff.
1726) Vgl. dazu ausführlich oben unter III./2./d), Seite 228 ff.
Sicherheit des PRT gehandelt haben mag, sprechen die in
der Beweisaufnahme deutlich gewordenen Tatsachen,
insbesondere die rigorose Verweigerung der „Show of
Force“, die Transkripte der Kommunikation mit den F15-
Piloten und die klare Aussage von Oberst Klein, dass er
dem Waffeneinsatz eine offensive Einsatzregel (ROE 429)
zugrundegelegt habe, dafür, dass es ihm vor allem darum
ging, die an den Tanklastern befindlichen Taliban zu
töten, um damit zu verhindern, dass diese Personen in der
Zukunft gegen ISAF, die Verbündeten oder gegen die
Zivilbevölkerung würden vorgehen können.
1727
Der zentrale Fehler von Oberst Klein war dabei seine
völkerrechtswidrige Annahme, die Bestimmung legitimer
militärischer Ziele für offensive militärische Operationen
könne anhand einer Differenzierung zwischen „Beteilig-
ten“ und „Unbeteiligten“ vorgenommen werden.
Oberst Klein ging völkerrechtswidrig davon aus, dass alle
Personen, die sich unmittelbar an den Tanklastern befan-
den und dabei halfen, diese um Benzin zu erleichtern oder
aus dem Schlamm zu befreien, per se als „Beteiligte“ und
damit als legitime militärische Ziele angesehen werden
konnten, während die Personen, die sich in einiger Ent-
fernung von den Tanklastern aufhielten, für ihn „Unbetei-
ligte“ waren, die er deshalb mit der bewussten Auswahl
einer möglichst kleinen Bombe „verschonen“ wollte.1728
Wörtlich sagte er im Ausschuss:
„Ich ging davon aus, dass alle Personen, die sich
zu diesem Zeitpunkt um die Tanklaster befanden,
Teil der Operation der Aufständischen waren, und
alle Personen, die sich im weiteren Umfeld dort
bewegt hatten – das, was andere vielleicht als Zivi-
listen bezeichnen würden -, Unbeteiligte war-
en.“1729 (…)
„Für mich war es wichtig, dass sie [die Bomben]
exakt auf der Sandbank treffen und die Gefähr-
dung aller Personen, die außerhalb dieser Sand-
bank sind, minimiert wird, und dadurch eben die
Tanklastzüge getroffen werden und die sie unmit-
telbar umgebenden Personen.“1730
Ein solches Vorgehen ist durch das Völkerrecht nicht
gedeckt und zudem völlig sachwidrig. Dies wurde sogar
durch den Generalbundesanwalt in seiner Einstellungsver-
fügung festgestellt:
1731
Richtigerweise weist dieser darauf
hin, dass alle Opfer des Bombenabwurfs, soweit es sich
nicht nachgewiesenermaßen um Mitglieder des militä-
risch organisierten und bewaffneten Teils der Taliban
handelt, nach dem humanitären Völkerrecht geschützte
Zivilisten waren, so dass auch Personen, die den Taliban
eventuell geholfen hatten, die Tanklaster aus dem
Schlamm zu befreien, oder die Benzin aus den Tanklas-
1727) Vgl. dazu ausführlich oben unter III./2./g)/aa), Seite 241 ff.
1728) Vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17, 31, 48 und 60.
1729) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
1730) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 60.
1731) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 60 bis 63, mit vielen weite-
ren Nachweisen.
Drucksache 17/7400 – 266 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tern für sich abgefüllt hatten, keinesfalls legitime Ziele
eines militärischen Angriffs waren.
Der Einsatz militärischer Mittel ist nach dem Konflikt-
völkerrecht eindeutig nicht zur Verfolgung Krimineller,
sondern nur zu militärischen Zwecken zulässig.
1732
Diese fatale völkerrechtliche Fehleinschätzung Oberst
Kleins, dass „Unterstützer“ des Raubes der zivilen Tank-
laster oder solche Personen, die Unterstützung bei der
„Sicherung der Beute“ gewähren, als „Beteiligte“ angese-
hen werden könnten, hat bei diesem zu der irrtümlichen
Annahme geführt, dass diese Personen allesamt legitime
militärische Ziele seien.
Legitime militärische Ziele im Sinne des Konfliktvölker-
rechts sind hingegen nur solche Personen, die sich entwe-
der unmittelbar an Feindseligkeiten gegen ISAF-
Kräfte
1733
beteiligen, oder nachweislich Mitglieder des
militärisch organisierten bewaffneten Teils der Taliban
sind.
Beides war hier bei der überwiegenden Zahl der Personen
auf der Sandbank – allenfalls mit Ausnahme der vier von
dem Informanten benannten sowie Oberst Klein und
Hauptmann N. namentlich bekannten angeblichen Tali-
banführer – nicht gegeben.
Die fehlerhafte Annahme von Oberst Klein, dass sich
Personen allein durch ihre körperliche Anwesenheit in
unmittelbarer Nähe der Tanklaster als legitime militäri-
sche Ziele im Sinne des Konfliktvölkerrechts qualifizieren
würden, dürfte der zentrale Bewertungsfehler sein, der
letztlich zu diesem fatalen Bombenabwurf geführt hat.
Die Unterscheidung zwischen „Beteiligten“ und „Unbe-
teiligten“ kann allenfalls weiterhelfen, wenn es sich um
die Beurteilung einer „unmittelbaren Feindseligkeit“
gegenüber ISAF-Kräften gehandelt hätte. Doch selbst
Oberst Klein erkannte, dass zum Zeitpunkt des Bomben-
abwurfs keine „unmittelbare Feindseligkeit“ im Sinne des
Konfliktvölkerrechts gegeben war, weil er für den Waf-
feneinsatz bewusst eine offensive Einsatzregel (ROE 429)
zugrunde legte.
1734
Da seine Absicht damit eine offensive
war, es ihm also primär um die Tötung von Taliban ging,
war seine Annahme, er könne die Bestimmung legitimer
militärischer Ziele anhand der Differenzierung zwischen
„Unbeteiligten“ und „Beteiligten“ vornehmen, grob feh-
lerhaft und völkerrechtswidrig.
Im Zusammenhang mit diesen festzustellenden Defiziten
des militärischen Führers bei der völkerrechtlichen Be-
wertung der Lage stehen auch die vielen durch Oberst
Klein zu verantwortenden Verstöße gegen die ISAF-
Einsatzregeln („Rules of Engagement“, ROE):
1732) So ausdrücklich der Einstellungsvermerk des Generalbundesan-
walts beim Bundesgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 61 f.
m. w. Nachw.
1733) Und nicht etwa – wie hier – gegen eine rein zivile Infrastruktur,
selbst wenn sich ein solcher Angriff mittelbar auf ISAF-Kräfte
auswirken könnte; vgl. hierzu nur die Einstellungsverfügung des
Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (Fn. 122, Doku-
ment 52), S. 61 mit weiteren Nachweisen.
1734) Vgl. hierzu ausführlich oben unter III./2./g)/aa), Seite 241.
– Die Luftnahunterstützung hätte in dieser Nacht nicht
durch bewusst wahrheitswidrige Erklärung eines
„TIC“ angefordert werden dürfen.
– Es erfolgte in dieser Nacht noch nicht einmal ein
formal eindeutiger Ausschluss der möglichen Betrof-
fenheit eigener oder verbündeter Kräfte durch den
geplanten Waffeneinsatz.
– Oberst Klein und sein JTAC versäumten es, den Waf-
feneinsatz auf eine klare Grundlage zu stellen und die
herangezogene Einsatzregel gegenüber den F15-
Piloten deutlich zu benennen.
– Eine Vielzahl von Vorgaben der dem Waffeneinsatz
zu Grunde gelegten ROE 429 wurde nicht erfüllt.
– Die Waffeneinsatzbefugnis im Rahmen der ROE 429
ist allenfalls auf Kommandeure der Task Force dele-
giert, nicht jedoch auf PRT-Kommandeure, so dass
Oberst Klein den übergeordneten Kommandeur des
RC-North, General Vollmer, hätte beteiligen müssen.
– Oberst Klein hat pflichtwidrig die Einbindung des im
PRT vorhandenen Rechtsberaters unterlassen.
– Die Oberst Klein vorliegenden Informationen einer
einzelnen HUMINT-Quelle reichten allein nicht aus,
um bei einem derart komplexen und schwierigen,
sich andauernd verändernden Zielgebiet eine eindeu-
tige Identifizierung (PID) sämtlicher Personen vor
Ort als legitime militärische Ziele vorzunehmen.
– Darüber hinaus fehlte es sowohl Oberst Klein als
auch dem JTAC an den erforderlichen Kenntnissen
der im Rahmen des offensiven Waffeneinsatzes auf
Grundlage der ROE 429 anzuwendenden Verfahren
der Ziel- und Wirkungsanalyse und es wurde regel-
widrig versäumt, weitere Stellen im Rahmen des Sys-
tems der gegenseitigen Kontrolle und Verantwortung
in die Entscheidung einzubinden.
– Weiterhin hat Oberst Klein pflichtwidrig die Durch-
führung einer „abschreckenden Machtdemonstration“
(„Show of Force“) durch einen tiefen Überflug mit
dem Ziel der Warnung möglicher Zivilisten vor dem
Bombenabwurf verweigert, obwohl er selbst davon
ausgegangen war, dass sich „Unbeteiligte“ in der nä-
heren Umgebung der Sandbank befanden.
– Schließlich hat Oberst Klein pflichtwidrig darauf
verzichtet, unmittelbar nach dem Bombenabwurf eine
angemessene Wirkungsanalyse zu veranlassen. Zu-
mindest durch den Einsatz unbemannter Luftfahrzeu-
ge hätte der Angriffsort überwacht und Bodentruppen
hätten unmittelbar nach Tagesanbruch dorthin verlegt
werden müssen.
All diese Verstöße gegen die ISAF-Einsatzregeln werden
im Mehrheitsvotum entweder überhaupt nicht thematisiert
oder sie werden verharmlosend als „Verfahrensfehler“
bemäntelt und das Handeln Oberst Kleins anschließend
sogar noch als „folgerichtig“ und „vollkommen nachvoll-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 267 – Drucksache 17/7400
ziehbar“ gerechtfertigt.1735 Wie die Mehrheit im Aus-
schuss dazu kommen kann, den Luftschlag wegen dieser
„verschiedenen Verfahrensfehler“ als „nicht angemessen“
zu bezeichnen, während sie gleichzeitig Oberst Klein
wortreich bescheinigt, eigentlich keine Fehler begangen
zu haben, wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben.
Zudem muss festgestellt werden, dass sich die völker-
rechtswidrige Differenzierung zwischen „Beteiligten“ und
„Unbeteiligten“ bei der Feststellung legitimer militäri-
scher Ziele außerhalb unmittelbarer Feindseligkeiten bis
hin in die Bewertung der Ausschussmehrheit fortsetzt,
1736
wodurch die fehlende Auseinandersetzung der Mehrheit
mit den entscheidenden militärischen und völkerrechtli-
chen Fragestellungen erneut offenkundig wird.
Die Entscheidung von Oberst Klein zur Durchführung
dieses Waffeneinsatzes war nicht nur – wie von der
Mehrheit in treuer Gefolgschaft zu den Ausführungen des
Freiherrn zu Guttenberg – irgendwie aufgrund einer Ge-
samtschau von Dokumenten und nur im politischen Sinne
„militärisch unangemessen“, sondern sie ist ohne jeden
Zweifel als schwerer militärischer Fehler zu qualifizie-
ren.
Der Waffeneinsatz war eindeutig – und nicht nur aus
heutiger Sicht in Kenntnis der vielen zivilen Opfer, son-
dern auch aus ex ante-Sicht eines vernünftigen Dritten in
der Rolle von Oberst Klein
1737
– unverhältnismäßig.
Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss sprechen im
Hinblick auf nicht durchgeführte, aber praktikable Auf-
klärungs- und Vorsichtsmaßnahmen vor dem Waffenein-
satz sogar gewichtige Gründe für die Völkerrechtswid-
rigkeit des Angriffs.
1738
Bei der konkreten Durchführung des Waffeneinsatzes
wurde zudem gegen diverse NATO-Einsatzregeln ver-
stoßen oder diese wurden pflichtwidrig nicht ausreichend
beachtet.
1739
Wäre korrekt gehandelt worden, wäre der Luftangriff mit
Sicherheit vermieden worden.
Insofern hat die Beweisaufnahme im Ausschuss auch
erhebliche Hinweise auf zumindest fahrlässig begangene
Dienstpflichtverletzungen erkennbar werden lassen, die
zur Eröffnung eines förmlichen disziplinarischen Ermitt-
lungsverfahrens hätten führen müssen.
1735) So erscheint die Erklärung des „TIC“ für die Ausschussmehrheit
gleichzeitig „folgerichtig“ und „nachvollziehbar“ (S. 204 f. des
Mehrheitsvotums), auch die Ablehnung der „Show of Force“ sei
„folgerichtig“ gewesen (S. 205 des Mehrheitsvotums) und die
verspätete Durchführung des „Battle Damage Assessments“ ist für
die Mehrheit „vollkommen nachvollziehbar“ (S. 205 des Mehr-
heitsvotums). Zu den anderen in der Beweisaufnahme festgestell-
ten Verstößen gegen die ISAF-Einsatzregeln schweigt sich die
Mehrheit einfach aus.
1736) Vgl. etwa S. 178 und S. 179 des Mehrheitsvotums.
1737) Vgl. dazu nur: VN-Jugoslawientribunal, Prosecutor v. Galic,
Judgement, IT-98-29-T vom 5. Dezember 2003, para. 58: „rea-
sonably well-informed person in the circumstances of the actual
perpetrator“; vgl. auch: Ambos, in: NJW 2010, S. 1725, 1727.
1738) Vgl. hierzu ausführlich oben unter IV./1./b)/bb)/bbb)/(2)/(c), Seite
257 ff.
1739) Vgl. hierzu ausführlich oben unter III./2./g), Seite 240 ff.
Hinsichtlich der Unverhältnismäßigkeit des Waffenein-
satzes ergeben sich folgende alternative Szenarien:
– Soweit es Oberst Klein darum gegangen wäre, einer
unmittelbaren Gefahr für die Soldatinnen und Solda-
ten des PRT Kunduz durch die Tanklaster zu begeg-
nen, wäre der Bombenabwurf in der durchgeführten
Form deshalb unverhältnismäßig, weil eine solche
Gefahr objektiv und selbst aus Sicht von Oberst Klein
zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs nicht bestand.
– Selbst wenn man aber eine solche Gefahr unterstellen
wollte oder davon ausginge, dass die Tanklaster viel-
leicht doch noch hätten befreit, später eventuell um-
gebaut und dann als „rollende Bomben“ eingesetzt
werden können, wäre der Bombenabwurf ohne vor-
herige Warnung durch eine „Show of Force“ zumin-
dest nicht zur Beseitigung dieser von den Tanklastern
ausgehenden Gefahr erforderlich gewesen. Die Zer-
störung der Tanklaster wäre nämlich genauso erreicht
worden, wenn zuvor eine „Show of Force“ durchge-
führt und damit Zivilisten, die Oberst Klein sogar
selbst ein wenig abseits der Tanklaster vermutet hat-
te,
1740
vor dem Bombenabwurf gewarnt worden wä-
ren.
– Soweit Ziel des Waffeneinsatzes aus Sicht von
Oberst Klein aber die Tötung von etwa 70 an den
Tanklastern vermuteten „Taliban“ war, hat Oberst
Klein damit jedenfalls gegen die nationale Vorgabe
für deutsche Soldaten
1741
verstoßen, sich keinesfalls
an „Liquidierungen“ von vermuteten Taliban außer-
halb konkreter Selbstverteidigungs- oder Nothilfesi-
tuationen zu beteiligen.
– Weil die Entführung der Tanklaster selbst auch kei-
nen Angriff auf ISAF dargestellt hatte, sondern letz-
tlich „nur“ ein Raub ziviler Tanklaster war, kann hier
auch nicht argumentiert werden, die Personen auf der
Sandbank hätten sich auf der Flucht nach einem un-
mittelbaren Angriff befunden und hätten schon des-
halb getötet werden dürfen.
– Unabhängig davon, dass die vorhandenen Informa-
tionen nicht im Entferntesten ausgereicht haben, um
überhaupt mit der erforderlichen Sicherheit feststel-
len zu können, dass sämtliche der vermuteten 70 Per-
sonen vor Ort tatsächlich Mitglieder des militärisch
organisierten und bewaffneten Teils der Taliban war-
en
1742
und damit überhaupt ein legitimes militärisches
Ziel darstellten, wäre selbst dann, wenn dies festges-
tanden hätte, der Waffeneinsatz aus deutscher Sicht
unverhältnismäßig gewesen, weil die zielgerichtete
Tötung vermuteter Aufständischer als reine Präven-
tivmaßnahme niemals ein angemessenes Mittel zur
Bekämpfung nur vermuteter, unkonkreter zukünftiger
Gefahren darstellen kann.
1740) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
1741) Vgl. nur: BT-Drs. 16/7794, S. 22; 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 10;
17/3008, S. 50; Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.
1742) Vgl. zu diesen erheblichen Defiziten der Informationsbeschaffung
und -bewertung oben ausführlich unter: III./2./f., Seite 231.
Drucksache 17/7400 – 268 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur dann kom-
men, wenn man die bisherigen ausdrücklichen Zusagen
der Bundesregierung, dass sich deutsche Soldatinnen und
Soldaten nicht an der Liquidierung Aufständischer außer-
halb konkreter Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituatio-
nen beteiligen, ignorieren und somit einen rein völker-
rechtlichen Maßstab anlegen würde sowie zudem davon
ausginge, dass sämtliche praktikablen Aufklärungs- und
Vorsichtsmaßnahmen tatsächlich auch ergriffen wurden,
woran nach der Beweisaufnahme im Ausschuss erhebli-
che Zweifel bestehen.
1743
Insofern stellt sich die Frage, ob die von der Bundesregie-
rung immer wieder betonte Geltung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit bei der militärischen Gewaltanwen-
dung durch deutsche Soldaten und das dadurch bedingte
nationale Verbot der Beteiligung an Liquidierungen von
Personen im Rahmen des ISAF-Targetingprozesses über-
haupt noch Geltung hat oder ob die Bundesregierung sich
inzwischen bewusst von diesen Vorgaben für den Einsatz
deutscher Soldaten im Rahmen der „militärischen Kultur
der Zurückhaltung“1744 entfernt hat, obwohl diese öffent-
lich durch die Bundeskanzlerin nach wie vor beschworen
werden.
Wörtlich erklärte die Bundeskanzlerin beispielsweise
noch am 22. April 2010 im Plenum des Deutschen Bun-
destages:
„Deutschland übt sich auch aufgrund seiner Ge-
schichte nicht nur in Afghanistan in militärischer
Zurückhaltung. Ich sage: Deutschland übt sich
aus gutem Grund in militärischer Zurückhaltung.
Militärische Zurückhaltung und der Einsatz mili-
tärischer Mittel als Ultima Ratio – das ist Staats-
räson der Bundesrepublik Deutschland, und zwar
verbunden mit der politischen Verantwortung, die
wir aufgrund unserer wirtschaftlichen Stärke, un-
serer geografischen Lage im Herzen Europas wie
auch als Mitglied unserer Bündnisse wahrneh-
men.“1745
Wenn aber militärische Zurückhaltung und die Anwen-
dung militärischer Gewalt nur im Lichte des grundgesetz-
lichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
1746
nach Aussage
der Bundeskanzlerin „Staatsräson der Bundesrepublik
Deutschland“ sein sollen, muss die Frage gestellt werden,
warum die Bundesminister der Verteidigung es bis heute
nicht für nötig befunden haben, förmliche disziplinarische
Ermittlungen im Hinblick auf die bewusste offensive
Tötung von etwa 70 vermuteten Taliban außerhalb einer
1743) Vgl. hierzu ausführlich oben unter IV./1./b)/bb)/bbb)/(2)/(c), Seite
257 ff.
1744) Vgl. dazu ausführlich: Stefan Jungbauer, Die Bundeswehr in
Afghanistan – Die innerstaatlichen Restriktionen des deutschen
ISAF-Einsatzes, Hamburg 2010, S. 42 ff., 59 ff., 74 ff.
m. w. Nachw.; Georg Löfflmann, Verteidigung am Hindukusch?,
Hamburg 2008, S. 50 ff. m. w. Nachw.
1745) Dr. Merkel, BT-PlPr. vom 22. April 2010 (Dokument 190),
S. 3477 f. (Hervorhebungen nur hier).
1746) So ausdrücklich die Bundesregierung in: BT-Drs. 16/2380, S. 8;
vgl. auch: Noetzel/Zapfe, Aufstandsbekämpfung als Auftrag,
SWP-Studie S 13, Mai 2008, S. 15 f.; Jungbauer, a.a.O., S. 74 f.
konkreten Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituation
einzuleiten.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Bundesministe-
rium der Verteidigung entgegen den öffentlichen Bekun-
dungen der Bundeskanzlerin eine schleichende Erweite-
rung der offensiven Handlungsmöglichkeiten deutscher
Soldatinnen und Soldaten betreibt.
Dann sollte dies aber auch offen gesagt und darauf ver-
zichtet werden, immer wieder zu betonen, dass sich die
Bundeswehr nicht an der „Liquidierung“ von Aufständi-
schen beteiligt.
1747
Sollte es wirklich der Fall sein, dass die Bundesregierung
das ISAF-Mandat des Bundestages für die Bundeswehr
entgegen der bisher kommunizierten Auslegung nunmehr
so verstehen will, dass sich die Bundeswehr auch ver-
stärkt an gezielten offensiven Vernichtungsangriffen ge-
genüber vermuteten Taliban außerhalb konkreter Selbst-
verteidigungs- oder Nothilfesituationen im Sinne einer
präventiven „Liquidierung“ beteiligen will, muss dies bei
zukünftigen Entscheidungen des Deutschen Bundestages
über Mandate für die Bundeswehr Berücksichtigung fin-
den.
Sollte dies jedoch nicht die Absicht der Bundesregierung
sein, sondern fühlt diese sich an die öffentlichen Deklara-
tionen der „Staatsräson“ einer „militärischen Zurückhal-
tung“ durch die Bundeskanzlerin nach wie vor gebunden,
so ist die Bundesregierung der Öffentlichkeit und dem
Parlament eine Antwort auf die Frage schuldig, warum
die offensive Vorgehensweise von Oberst Klein in dieser
Nacht nach wie vor belobigt
1748
und sachliche Kritik an
seinem Verhalten als „nachgerade ehrverletzend“1749
gegeißelt wird sowie keinerlei Konsequenzen aus seinen
offenkundig fehlerhaften völkerrechtlichen Bewertungen
und militärischen Entscheidungen gezogen werden.
VI. Fehler und Versäumnisse in der Amtszeit
des Verteidigungsministers Dr. Jung
Nach der umfassenden Darstellung und Bewertung des
Luftangriffs selbst bedarf es im Folgenden der Aufarbei-
tung der schweren Fehler und Versäumnisse im Umgang
mit diesem Luftangriff im Bereich von Bundeswehr und
Bundesministeriums der Verteidigung, zunächst unter
Verantwortung des damaligen Ministers Dr. Jung, also
bis zum Eingang des COM ISAF-Berichts in Deutschland
am 26. Oktober 2009.
Dabei hat die Beweisaufnahme gezeigt, dass zu dem un-
bestreitbar nicht angemessenen Umgang mit dem Luft-
angriff von Kunduz, insbesondere zu dem tagelangen
starren Verharren auf der Position, es gebe keine zivilen
1747) So ausdrücklich die Bundesregierung in: BT-Drs. 16/7794, S. 22.
1748) Die von Freiherr zu Guttenberg abgekupferte und in das Mehr-
heitsvotum mindestens viermal hineinkopierte Standardformulie-
rung lautet: „...dass Oberst Klein zweifellos nach bestem Wissen
und Gewissen sowie zum Schutze seiner Soldaten gehandelt hat.“,
vgl. Mehrheitsvotum S. 81, 97, 128, 150.
1749) So die Ausschussmehrheit auf S. 207 ihres denkwürdigen Vo-
tums.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 269 – Drucksache 17/7400
Opfer, neben einer Reihe struktureller Defizite im Bun-
desministerium der Verteidigung (1.) auch persönliche
Fehler des damaligen Bundesministers für Verteidigung,
Dr. Jung (2.) beigetragen haben. Darüber hinaus musste
eine Vielzahl von Verschleierungsversuchen auf den
verschiedensten Ebenen – beginnend im PRT Kunduz,
über Mazar-e Sharif und Potsdam bis ins Ministerium
selbst – gegenüber Öffentlichkeit und Parlament festges-
tellt werden (3.), die der damalige Minister Dr. Jung
ebenfalls politisch zu verantworten hatte.
1. Strukturelle Defizite im BMVg beim Um-
gang mit derartigen Vorfällen
Es traten in der Beweisaufnahme erhebliche strukturelle
Probleme im Umgang des Verteidigungsministeriums mit
Vorfällen solcher Tragweite zu Tage. Beim Krisenmana-
gement wurden sowohl Mängel in der internen Koordina-
tion als auch in der Kommunikation nach außen festges-
tellt. Im Hinblick auf die hohe und tendenziell wachsende
Belastung der Bundeswehr durch Auslandseinsätze ist es
dringend geboten, in diesem Bereich endlich nachhaltig
für Abhilfe zu sorgen.
a) Öffentlichkeitsarbeit im Blindflug: Allein-
gang des Pressestabes ohne jede Koordi-
nierung
In der Beweisaufnahme wurde vor allem deutlich, dass es
keinerlei systematische Koordinierung der Pressearbeit
mit den militärischen Fachabteilungen gibt. Dieser Man-
gel hatte zentrale Bedeutung für die desaströse Kommu-
nikation des Verteidigungsministeriums zum Luftangriff
von Kunduz, weil es so dem Pressestab ermöglicht wurde,
die Richtung quasi im Alleingang zu bestimmen.
Der Pressestab unterstand als Teil des Leitungsstabes
direkt dem Verteidigungsminister und bestimmte in Ab-
sprache mit dem Minister die Kommunikation gegenüber
der Presse. Dabei war er nicht gezwungen, seine Stel-
lungnahmen mit den militärischen Fachabteilungen oder
dem Generalinspekteur abzustimmen.
In der Folge verselbständigte sich die Pressearbeit in der
Amtszeit des Ministers Dr. Jung weitgehend. Dies führte
dazu, dass die Erstmeldung vom 4. September 2009 vom
Pressestab diktiert wurde. Damit wurde die öffentliche
Kommunikation von Anfang an auf ein falsches Gleis
gesetzt: Leugnung möglicher ziviler Opfer und Ver-
schleierung eines möglichen Fehlverhaltens des deutschen
Kommandeurs. Selbst der bestens zur Bewertung der
Informationen aus dem Einsatzgebiet befähigte Leiter des
Einsatzführungskommandos, General Glatz, wurde bei
der Festlegung dieser verbindlichen „Presselinie“ nicht
einbezogen, er hatte ihr zu folgen.
1750
In den folgenden Tagen erschwerte der Pressestab durch
das eigenwillige Bemühen um „eigene“ Informationen
aus „erster Hand“ die Sachaufklärung.1751 Ohne Prüfung
1750) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil I, S. 75, 84.
1751) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5 f.;Nr. 31, Teil I, S. 80.
durch die Fachabteilungen wurden immer wieder Aussa-
gen verbreitet, die sich im Nachhinein als lückenhaft oder
sogar falsch erwiesen (Chronologie, „dritte Quelle“ usw.).
Dies zwang das Ministerium immer wieder zu nachträgli-
chen Kurskorrekturen, die – wenn überhaupt – nur zöger-
lich erfolgten, um die Glaubwürdigkeit des Pressestabes
und der Bundeswehr als Ganzes möglichst wenig zu er-
schüttern.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es in der Amtszeit
von Bundesminister Dr. Jung zum Normalfall wurde,
dass die Meldungen auf dem Pressestrang denjenigen auf
dem operativen Strang vorauseilten.
1752
Es entsteht der
Eindruck, dass der Pressestab ein Eigenleben entwickelte
und eine zentrale Rolle bei der Bestimmung der öffentlich
vertretenen Positionen und damit der Politik des Bundes-
ministers der Verteidigung spielte.
Während es in der Zeit vor Minister Dr. Jung üblich war,
dass der Generalinspekteur um die Teilnahme an Presse-
konferenzen gebeten wurde, um bei diffizilen Fragen mit
militärischem Sachverstand zu helfen, wurde dies in der
Amtszeit Dr. Jungs zur Ausnahme. Die Zeugen Schnei-
derhan und Dr. Wichert berichteten übereinstimmend,
dass Pressesprecher Dr. Raabe seine öffentlichen Stel-
lungnahmen überwiegend in eigener Regie abgab und sie
nur ausnahmsweise vorher konsultierte.
1753
In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich festzustellen,
dass es ohne jeden Zweifel die Aufgabe des Pressespre-
chers gewesen wäre, sich in den Fachabteilungen des
Hauses – gegebenenfalls beim Generalinspekteur oder
Staatssekretär selbst und nicht irgendwo sonst in der Welt
ungeprüft und ohne fachgerechte Bewertung – die zur
Unterrichtung der Presse nötigen Informationen zu be-
schaffen.
Generalinspekteur Schneiderhan erklärte, dass er jederzeit
zur Unterstützung bereit gewesen wäre, aber der Presse-
sprecher sich gerade im Zusammenhang mit Kunduz
niemals mit ihm in Verbindung gesetzt habe, um seinen
Informationsstand abzufragen oder eine gemeinsame
Sprachregelung zu definieren.
1754
Die katastrophalen
Mängel in der öffentlichen Kommunikation gehen damit
eindeutig auf das eigenmächtige Vorgehen des Presse-
sprechers zurück.
Darüber hinaus wurde in der Beweisaufnahme deutlich,
dass sich die Koordinationsmängel in der öffentlichen
Kommunikation nicht auf die Ministeriumsebene be-
schränkten. Militärische Einheiten bis hinunter zum PRT
Kunduz haben eigene Pressezentren, die ohne zentrale
Abstimmung Meldungen in eigener Verantwortung he-
rausgeben. Dies führte im Falle des Luftangriffs von
Kunduz dazu, dass die Erstmeldung zunächst mit dem
1752) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 2-3, 6-7.
1753) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 12-14; Wichert, Proto-
koll-Nr. 31, Teil I, S. 80.
1754) Vgl. etwa: Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5 f.
Drucksache 17/7400 – 270 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Kopf des „PRT Feyzabad“ erging, ohne dass dieser Um-
stand zur Hinterfragung der Quelle geführt hätte.
1755
Zudem ist festzustellen, dass die Erstmeldung auf der
Homepage des Einsatzführungskommandos in der Zeit
vom 4. bis zum 6. September 2009 unverändert blieb,
während sie auf der zentralen Homepage der Bundeswehr
mehrmals angepasst wurde.
1756
Es bedarf einer systematischen Koordination der Presse-
arbeit mit den militärischen Fachabteilungen, um zu ver-
hindern, dass es in Zukunft zu einem ähnlichen Kommu-
nikationsdesaster kommen kann. Fehler lassen sich damit
zwar nicht definitiv ausschließen, aber Schnellschüsse
wie die Erstmeldung vom 4. September würden sehr
wahrscheinlich unterbunden. Ebenso ist eine zentrale
Koordination der Pressearbeit der unterschiedlichen Stäbe
erforderlich, um eine kohärente Kommunikation gegenü-
ber der Öffentlichkeit sicherzustellen.
Bemerkenswert ist, dass der Sprecher Streitkräftebasis
inzwischen bereits in seinem selbstkritischen Bericht an
den Pressestab vom 7. Oktober 2009 empfahl, dass in
Zukunft bei solchen Vorfällen „Genauigkeit vor Schnel-
ligkeit“ im Umgang mit den Medien gelten müsse.1757
Kapitän zur See Dienst, der damals für die desaströse
Öffentlichkeitsarbeit mitverantwortlich war, wischte diese
Kritik jedoch in einer handschriftlichen Randbemerkung
beiseite und gelangte zu dem Schluss, man habe nichts
besser machen können.
Ebenso wenig wurde der oben festgestellte Handlungsbe-
darf zur Koordination der Pressearbeit erkannt. De-
mentsprechend bestehen die Strukturprobleme im Bereich
der Pressearbeit bis heute fort. Ob sie – wie von der Aus-
schussmehrheit insinuiert – im Zuge der Bundeswehrre-
form tatsächlich angegangen werden, bleibt abzuwarten.
b) Mängel im Bereich der „Unternehmenskul-
tur“
Neben diesen strukturellen Defiziten im Bereich der Öf-
fentlichkeitsarbeit ergaben sich im Zuge der Beweisauf-
nahme auch Hinweise auf Mängel im Bereich der „Unter-
nehmenskultur“: Obwohl zahlreiche hochrangige Militärs
(Vollmer, Glatz, Krause, Dora, Schneiderhan) der urs-
prünglichen Presselinie angeblich skeptisch gegenübers-
tanden und ihnen ab dem Nachmittag des 4. September
2009 sogar substanzielle Hinweise auf zivile Opfer aus
dem Einsatzgebiet vorlagen, ging keiner von Ihnen offen
dagegen vor.
Keiner von Ihnen regte nachhaltig gegenüber Bundesmi-
nister Dr. Jung oder Pressesprecher Dr. Raabe eine Kurs-
korrektur an bzw. forderte Vorgesetzte dazu auf, eine
offene Aussprache anzustreben. Die Kritik wurde viel-
mehr verklausuliert, als punktuelle, teilweise hypotheti-
sche, Bedenken und mit Anregungen für partielle Kurs-
korrekturen vorgetragen. Auf diese Weise fiel es dem
1755) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 3.
1756) Mat. 17-21a, Ordn. 1 (Dokument 100, Dokument 101), S. 14 f.
1757) Mat. 17-21a, Presse-/Info-Stab, Ordn. 2, S. 27-31.
Minister und seinem Pressesprecher leichter, diese zu
ignorieren.
Hier ist der heutige Bundesminister der Verteidigung in
der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um den Prinzipien
der „Inneren Führung“ wieder mehr Geltung zu verschaf-
fen. Insbesondere geht es darum, „Zivilcourage“ im Um-
gang mit Vorgesetzten zu befördern.
c) Strukturelle Mängel beim Umgang mit den
entscheidenden Informationen im Ministe-
rium
Die Ausschussmehrheit misst einer am 30. März 2010
von Staatssekretär Wolf abgeschlossenen Untersuchung
der Informationspraxis des BMVg im Zusammenhang mit
dem Luftangriff große Bedeutung bei, nach der keine
wesentlichen Mängel festzustellen seien.
1758
Dem weitreichenden Anspruch des Auftraggebers dieser
Untersuchung, Freiherr zu Guttenberg, neben dem inter-
nen Informationsfluss auch die Information von Öffent-
lichkeit und Parlament zu untersuchen, wird dieser Be-
richt hingegen nicht gerecht. Die Untersuchung hat wenig
Substanz. Sie beschränkt sich darauf, die Weitergabe von
elf Dokumenten innerhalb des Verteidigungsministeriums
nachzuvollziehen.
1759
Eine inhaltliche Analyse, wie diese
Dokumente ausgewertet und welche Bewertungen über
die verschiedenen Hierarchieebenen hinweg weitergege-
ben wurden, wird gar nicht erst versucht. Dabei würde
erst eine solche inhaltliche Analyse eine Grundlage bil-
den, auf der man feststellen könnte, wo die einzelnen
Fehlbewertungen ihren Ursprung genommen haben und
wie sich damit die Verantwortung für das katastrophale
Krisenmanagement innerhalb des Ministeriums verteilt.
Die weitreichende Schlussfolgerung der Mehrheit, dass
allein Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär
Dr. Wichert für alle Kommunikationsfehler und Ver-
säumnisse verantwortlich seien, weil bei Ihnen zumindest
alle Dokumente eingegangen seien, wird durch den Be-
richt jedenfalls nicht einmal entfernt fundiert.
Und auch Dr. Jung selbst widersprach dezidiert dem
Bemühen der Ausschussmehrheit, die Verantwortung für
Fehler auf Schneiderhan und Dr. Wichert abzuwälzen.
1760
2. Persönliches Fehlverhalten des damaligen
Bundesministers der Verteidigung
Dr. Jung
Schon nach den ersten Meldungen über mehr als 50 Tote
war offensichtlich, dass es sich um den folgenreichsten
deutschen Luftangriff seit Bestehen der Bundeswehr
handelte. Dennoch hielt der damalige Verteidigungsmi-
nister Dr. Jung es nicht für erforderlich, sich mit voller
Kraft persönlich um Aufklärung und die öffentliche
Kommunikation zu diesem Vorfall zu kümmern.
1758) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 179 ff., 180.
1759) Mat. 17-65.
1760) Vgl. etwa: Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 9.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 271 – Drucksache 17/7400
a) Der Wahlkampf hatte Priorität
Vorrang hatten in diesen Tagen für Dr. Jung Wahlkampf-
termine, unter anderem am 5. September in seiner hessi-
schen Heimat. Eine entsprechende Reise unterbrach er
nicht, als er von den Ereignissen in Kunduz erfuhr.
1761
Auch der Pressesprecher des Verteidigungsministeriums,
der ihn auf der Wahlkampfreise begleitete, sah keinen
Anlass, die Reise zu unterbrechen.
1762
Dies trug entscheidend dazu bei, dass über mehrere Tage
hinweg zivile Opfer als Folge des Luftschlages katego-
risch ausgeschlossen wurden, obwohl die öffentlichen
Verlautbarungen von Seiten der NATO von Beginn an in
die entgegengesetzte Richtung wiesen.
Die erste Meldung im Internet kam am 4. September 2009
um 6.42 Uhr ohne Abstimmung mit dem Verteidigungs-
minister zustande:
„56 Aufständische wurden getötet, Zivilpersonen
kamen nicht zu Schaden. Deutsche Kräfte ver-
zeichneten keine Schäden.“1763
Diese vorgegebene Kommunikationslinie wurde in der
Bundespressekonferenz am 4. September 2009 bestätigt.
Eine im Gegensatz hierzu sehr zurückhaltende und von
Staatssekretär Dr. Wichert verantwortete Vorlage für die
Obleute-Unterrichtung, welche eine Grundlage für die
Stellungnahme des Pressesprechers hätte bilden können,
war zu diesem Zeitpunkt noch nicht von Dr. Jung gebil-
ligt worden.
1764
Damit befand sich das Verteidigungsministerium seit dem
Mittag in einer defensiven, ja eigentlich unhaltbaren Posi-
tion, die in den folgenden Tagen schrittweise aufgeben
bzw. an die in der Presse bekannt gewordenen Umstände
angepasst wurde.
In dieser entscheidenden Phase hat es der damalige Ver-
teidigungsminister Dr. Jung also pflichtwidrig unterlas-
sen, aktiv die Führung beim Umgang mit der folgenreich-
sten militärischen Operation der Bundeswehr in Afghanis-
tan zu übernehmen. Stattdessen setzte er seine Wahl-
kampftermine unverändert fort.
b) Bedenken innerhalb des Ministeriums und
von der Bundeskanzlerin wurden ignoriert
Vorzuwerfen ist Dr. Jung weiterhin, dass er frühzeitige
Bedenken gegen die pauschale Leugnung ziviler Opfer
und möglichen Fehlverhaltens seitens der Bundeswehr,
1761) Mat. 17-27a, Ordn. Terminkalender, BM Dr. Jung, Bl. 1.
1762) Pressesprecher Dr. Raabe erklärte in diesem Zusammenhang,
dass er Dr. Jung in der Zeit vom 4. bis 6. September 2009 zwar
auf der Wahlkampfreise begleitet habe, als Mitarbeiter des BMVg
selber jedoch keinen Wahlkampf betrieben habe oder an dessen
Planung beteiligt gewesen sei. Die zeitliche Überschneidung mit
dem Wahlkampf sei allen Mitarbeitern des Pressestabes auch oh-
ne Anweisungen seinerseits bewusst gewesen, Dr. Raabe, Proto-
koll-Nr. 29, Teil I, S. 30 f.
1763) Mat. 17-21a, Ordn. 1 (Dokument 100), Bl. 16.
1764) Vgl. Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 42.
die innerhalb des Ministeriums und durch die Bundes-
kanzlerin erhoben worden sind, einfach rigoros ignorierte.
Bereits am 4. September 2009 rieten die Zeugen
Dr. Schlie, Schneiderhan und Ramms dazu, sich in dieser
Frage zurückhaltender zu äußern und dabei Rücksicht auf
die Verlautbarungen der NATO zu nehmen.
Schon der Sprechzettel für den Regierungssprecher zur
Bundespressekonferenz am 4. September, der dem BMVg
vorlag, formulierte vorsichtig:
„Ob und wie viele Unbeteiligte dabei zu Schaden
gekommen sind, wird derzeit untersucht.“1765
Dieser Sprechzettel kam jedoch nicht zum Tragen, weil
die Bundeskanzlerin den Regierungssprecher darum gebe-
ten hatte, sich bei diesem Vorgang zurückzuhalten. Die
Sprachregelung wurde deshalb nicht vorgetragen, sondern
die öffentliche Stellungnahme allein dem Sprecher des
Verteidigungsministeriums überlassen.
Auch die von Staatssekretär Dr. Wichert gebilligte schrift-
liche Obleute-Unterrichtung vom 4. September 2009
enthielt keine Hinweise darauf, dass Zivilisten nicht be-
troffen sein können, sondern ist völlig ergebnisoffen for-
muliert.
1766
Auch dies hielt Dr. Jung und seinen Presse-
sprecher nicht davon ab, die Betroffenheit von Zivilisten
trotzdem auszuschließen.
Nachdem er im Gespräch mit Staatssekretär Dr. Wichert
zu der Auffassung gelangt war, dass die ursprüngliche
Presselinie auf schwacher Grundlage stand, verfasste auch
der Leiter des Planungsstabes, Dr. Schlie, eine Sprech-
empfehlung, über deren Tenor er den damaligen Bundes-
minister Dr. Jung gegen 14 Uhr noch am 4. September
2009 zusätzlich per SMS unterrichtete.
Wörtlich hat der Zeuge Dr. Schlie dazu im Ausschuss
ausgeführt:
„Ich hatte von Anfang an Zweifel, dass die Be-
hauptung, es könne ausgeschlossen werden, dass
bei dem Luftschlag auch Zivilisten ums Leben ge-
kommen seien, zutreffend sei. Ich habe dies daher
zusätzlich um 14 Uhr Bundesminister Jung per
SMS (…) mitgeteilt.“1767 (…)
Selbst diese konkreten Bedenken von Dr. Schlie wurden
durch den Minister und seinen Pressesprecher ignoriert.
Generalinspekteur Schneiderhan stellte im Ausschuss dar,
dass er der Erstmeldung gegenüber extrem skeptisch
gewesen sei und dies auch in den ersten Telefonaten mit
dem Minister am 4. September 2009 zum Ausdruck ge-
bracht habe. Er habe dem Minister aufgrund der ungesi-
cherten Informationslage geraten, beim Umgang mit Zah-
len, Fakten und Vermutungen bzw. Bewertungen zurück-
haltend zu sein.
1768
1765) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 29.
1766) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 24 ff.
1767) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19; vgl. auch Protokoll-
Nr. 27, Teil I, S. 18.
1768) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 6.
Drucksache 17/7400 – 272 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bereits zuvor hatte er seine Vorbehalte im Ministerium
selbst anhängig gemacht. Auf eine Intervention seines
Adjutanten hin, der im Rahmen der morgendlichen Lei-
tungslage auf die anderslautenden Stellungnahmen der
NATO verwies, veränderte sich die Diktion der Stellung-
nahme im Internet. Statt von Zivilisten war nun davon die
Rede, dass vermutlich keine „Unbeteiligten“ zu Schaden
gekommen seien.
1769
Ebenfalls noch am 4. September 2009 erklärte General
Ramms gegenüber dem Leiter des Einsatzführungsstabes,
Konteradmiral Krause, und dem stellvertretenden Gene-
ralinspekteur, Generalleutnant Dora, telefonisch, dass
zivile Opfer nach seiner Auffassung nicht auszuschließen
seien, unter anderem weil ihm Meldungen über Verletzte
im Alter von zehn bis 14 Jahren aus dem Krankenhaus
Kunduz vorlägen.
1770
Obwohl General Ramms als
deutscher Offizier der Vorgesetzte des COM ISAF war,
hinterließ seine Warnung keine Wirkung in der Spitze des
Bundesministeriums der Verteidigung.
Selbst die Bundeskanzlerin führte nach ihren Angaben am
5. September 2009 ein Telefongespräch mit Verteidi-
gungsminister Dr. Jung, um ihn zu einer zurückhaltend-
eren Formulierung in Bezug auf die Möglichkeit ziviler
Opfer zu bewegen. Dabei habe sie ihn dazu gedrängt,
seine bisherige Linie zu korrigieren, weil es bereits ernste
Hinweise auf mögliche zivile Opfer gäbe, u. a. die kriti-
schen Aussagen des ISAF-Kommandeurs vom gleichen
Tage. Sie habe ihn darum gebeten, in seinen Stellung-
nahmen sämtliche Informationen – auch über den Besuch
des ISAF-Kommandeurs in Kunduz und dessen Äußerun-
gen – zu berücksichtigen.
Dr. Jung erklärte hingegen im Ausschuss auf konkrete
Nachfrage, dass er erst am 6. September 2009 bei einer
Wahlkampfveranstaltung in Düsseldorf das erste Mal mit
der Bundeskanzlerin über den Luftangriff gesprochen
habe. Dort sei man sich „einig“ gewesen, dass zivile Op-
fer nicht mehr auszuschließen seien.
1771
Der Ausschuss konnte nicht klären, welche Darstellung
letztlich zutrifft. Es spricht jedoch vieles dafür, dass das
Telefonat bereits am 5. September stattgefunden hat und
dass Dr. Jung dieses Gespräch im Ausschuss nur deshalb
verschwieg, weil seine offensichtlichen Fehlentscheidun-
gen und die politische Verantwortung für das völlige
Kommunikationsdesaster in der ersten Woche nach dem
Luftangriff damit noch deutlicher zu Tage getreten wä-
re.
1772
Eine gleichgerichtete Intervention von Regierungsspre-
cher Wilhelm bei Dr. Raabe blieb ebenfalls ohne erkenn-
bare Wirkung.
1773
1769) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5 f.
1770) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 6.
1771) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 32, 4.
1772) Bemerkenswert ist, dass sich die Ausschussmehrheit in dieser
Frage einer eindeutigen Bewertung enthält und damit offenlässt,
ob die Bundeskanzlerin eventuell gegenüber dem Ausschuss hin-
sichtlich des zusätzlichen Gesprächs mit Dr. Jung am 5. Septem-
ber 2009 die Unwahrheit gesagt hat; vgl. Mehrheitsvotum, S. 199.
1773) Vgl. Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35 f.
c) Abweichende öffentliche Stellungnahme
des damaligen Bundesministers des Äuße-
ren
Schon am Nachmittag des 4. September 2009, also noch
am Tage des Bombenabwurfs, setze sich der damalige
Bundesminister des Äußeren, Dr. Frank-Walter Stein-
meier, von den Verlautbarungen des BMVg ab. Im Hinb-
lick auf die laufenden Untersuchungen formulierte er
ergebnisoffen:
„Derzeit wird untersucht, wie viele Opfer es gege-
ben hat und ob unschuldige Zivilisten darunter
waren.“1774
Mit seiner Formulierung „unschuldige Zivilisten“ reagier-
te er auf die inzwischen vom Verteidigungsministerium
gewählte Formulierung, dass keine „Unbeteiligten“ getö-
tet worden seien.
Zu dieser vorsichtigeren Positionierung dürften neben den
Informationen über die Stellungnahme des NATO-
Generalsekretärs auch ein Bericht aus Kunduz beigetra-
gen haben: Der zivile Leiter des PRT, der Zeuge D., hatte
das Auswärtige Amt am 4. September gegen 15.30 Uhr
über den Bericht des PsyOps-Teams des PRT Kunduz
unterrichtet, wonach allein aus einem einzigen Dorf 14
Zivilpersonen getötet und vier schwer verletzt worden
seien, die von Aufständischen dazu gezwungen worden
seien, in der Nacht zu den Tanklastern zu kommen.
1775
Anders als im Verteidigungsministerium, dem diese In-
formationen aus dem militärischen Bereich des PRT
Kunduz naturgemäß ebenfalls zur Verfügung standen,
wurde dieser erste Hinweis auf zivile Opfer im Auswärti-
gen Amt in seiner Bedeutung erkannt, was zu der zurück-
haltenden Positionierung des Außenministers führte.
Über den Diskussionsstand im Rahmen der NATO hielt
das Auswärtige Amt das Bundesverteidigungsministerium
ständig auf dem Laufenden.
1776
Mitarbeiter des AA wie-
sen bereits am 4. September 2009 auf die Kritik des
NATO-Sprechers an der Linie des Verteidigungsministe-
riums und den Widersprüchen zu den Äußerungen des
NATO-Generalsekretärs hin.
1777
Der Vorwurf der Mehrheit, der Außenminister habe sich
in der Angelegenheit nicht angemessen engagiert sowie
sich um seine Verantwortung „gedrückt“1778 und es seien
von ihm „keinerlei nennenswerte Beiträge (…) zur Beru-
higung der Lage bekannt“,1779 ist schwer nachzuvollzie-
hen:
In der Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit hat
Dr. Steinmeier bereits am 4. September 2009 als erstes
Kabinettsmitglied überhaupt die richtigen Akzente gesetzt
und zivile Opfer – im Gegensatz zu Dr. Jung und seinem
Pressestab – gerade nicht ausgeschlossen.
1774) dpa-Tickermeldung vom 4. September 2009, 16.51 Uhr.
1775) Be., Protokoll-Nr. 39, S. 31.
1776) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 211-27.
1777) Mat. 17-29a, Ordn. Büro AL 2 (Dokument 125), S. 18.
1778) Mehrheitsbewertung, S. 184.
1779) Mehrheitsbewertung, S. 201.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 273 – Drucksache 17/7400
Die Beweisaufnahme hat darüber hinaus ergeben, dass der
Außenminister in den Bereichen, in welchen er Verant-
wortung trug, unverzüglich gehandelt hat. So suchte er
den Kontakt zu Amtskollegen bzw. ließ das Auswärtige
Amt im Wege verschiedener Demarchen aktiv werden. Er
wies gegenüber EU-Partnern und NATO-Verbündeten auf
die ungesicherte Informationslage zu Opfern hin und riet
dazu, die Ergebnisse der NATO-Untersuchung abzuwar-
ten und auf schnelle Vorverurteilungen zu verzichten. Da
die ausländischen Stellungnahmen im Anschluss daran
einen sachlicheren Ton annahmen, ist festzustellen, dass
der Außenminister in seinem Aufgabenbereich einen
effektiven Beitrag zum Krisenmanagement der Bundesre-
gierung geleistet hat.
Bemerkenswert ist dabei, dass die Bundeskanzlerin – in
Widerspruch zum Votum der Mehrheit im Ausschuss –
die vielen Aktivitäten des damaligen Bundesaußenminis-
ters in der Sache ausdrücklich lobte. Wörtlich erklärte die
Bundeskanzlerin dazu im Ausschuss, während die Ab-
geordneten der Koalition offensichtlich zeitweilig den
Saal verlassen haben müssen:
„Aber ich habe ja über das gesamte Wochenende
von Freitag an verfolgt, was auch der Bundesau-
ßenminister zu diesem Sachverhalt gesagt hat. Und
ich kann mich an die Agenturmeldung erinnern,
dass er genauso – (…) - eingefordert hat, dass
man keine Vorverurteilungen ausspricht.
Ich konnte also praktisch über die öffentlichen Äu-
ßerungen von Herrn Steinmeier sehen, dass all
das, was ja auch sozusagen regierungsgerechtes
Handeln ist - - dass man sich für eine Aufklärung
einsetzt, dass man Vorverurteilungen vermeidet,
dass hier niemand sofort in einer bestimmten Wei-
se verdächtigt wird. All das hat stattgefunden.
Insofern gab es keinerlei Anlass, weil es öffentli-
che Äußerungen des Vizekanzlers gab, die mich
dazu bewogen hätten, zu sagen: Jetzt muss ich an-
rufen und in irgendeiner Weise einschreiten. - Das
war der normale Gleichklang von Kollegen, die in
einem Kabinett zusammenarbeiten.
Und genau das hat sich dann auch in den Debat-
tenbeiträgen zu der Regierungserklärung ja ge-
zeigt. Wir haben da wirklich an einem Strang ge-
zogen, und das auch noch in eine Richtung. (…)
Ich habe gesehen, dass der Außenminister sich ge-
äußert hat, dass die Dinge aufgeklärt werden müs-
sen, dass er auch sich Vorverurteilungen verbeten
hat. (…) Und dann ist nach meiner Erinnerung ja
später auch vom Außenministerium noch mal de-
marchiert worden, auch in verschiedenen Haupt-
städten (…) Also, ich habe keine Veranlassung ge-
sehen, in irgendeiner Weise Kritik am Bundes-
außenminister in diesen Tagen zu üben (…).
Ich hatte auch den Eindruck, dass der Außenminis-
ter die Tragweite des Vorgangs in vollem Maße er-
fasst hat, und ich hatte weiterhin den Eindruck,
dass er es nicht benutzt hat, um gegen CDU-Teile,
sage ich jetzt mal, der Regierung das polemisch
auszunutzen, und das ist innerhalb eines Wahl-
kampfes schon eine vernünftige Grundlage.“1780
d) Mögliche Beweggründe für die Haltung
von Bundesminister Dr. Jung
Den öffentlichen Stellungnahmen von Verteidigungsmi-
nister Dr. Jung lag hingegen in erster Linie das Bestreben
zugrunde, das Verhalten von Oberst Klein um jeden Preis
zu rechtfertigen, obwohl ihm noch gar nicht alle Fakten
bekannt waren:
„Deshalb halte ich es auch für richtig, dass wir in
einer solch schwierigen Situation unseren Oberst,
der die Entscheidung getroffen hat, nicht allein
stehen lassen, wenn voreilig von schweren Fehlern
gesprochen wird.“1781
Auch Dr. Raabe bestätigte im Ausschuss, dass Oberst
Klein persönlich vor Angriffen geschützt werden sollte:
„Ich glaube, dass es unsere Aufgabe als Ministe-
rium war, eine Person, die exponiert war in dem
Moment, vor ungerechtfertigten, unbewiesenen
Vorwürfen zu schützen; denn am 04.09. mittags
kann unmöglich ein Außenminister in Stockholm
bereits ein Urteil fällen über das Vorgehen eines
deutschen Oberst. Das empfand ich als zutiefst un-
gerecht.“1782
Man kann dahinter das verständliche Bemühen sehen, die
Moral der Truppe nicht durch Zweifel am Handeln eines
Einzelnen zu untergraben.
Das Problem dabei ist jedoch, dass Dres. Jung und Raabe
denselben Fehler machten, den sie anderen vorwarfen,
nämlich abschließende Bewertungen vorzunehmen, bevor
die Fakten überhaupt aufgeklärt waren. Dieses Vorgehen
ist nicht nur politisch ungelenk, sondern es widerspricht
dem Grundsatz verantwortlichen und ordnungsgemäßen
Regierungshandelns, weil Sicherheiten vorgespiegelt
wurden, die es so gar nicht gab. Dadurch wurde die sach-
gerechte Aufklärung der Fakten fast unmöglich gemacht,
weil man hinter die eigenen vollmundigen Behauptungen
später kaum mehr zurückfallen konnte.
Hinzu kam sicherlich, dass sich die militärischen Ausei-
nandersetzungen in den vorangegangen Monaten verstärkt
hatten und der Luftangriff zu einer Zeit erfolgte, als durch
die nahenden Bundestagswahlen ohnehin in Deutschland
eine öffentliche Debatte über die Dauer des deutschen
Engagements und die Bedingungen für die Beendigung
des ISAF-Einsatzes im Gange war. Insofern liegt die
Annahme sehr nahe, dass Bundesminister Dr. Jung in
dieser Situation jegliche Diskussionen über einen unver-
hältnismäßigen Einsatz militärischer Gewalt durch die
Bundeswehr vermeiden wollte.
1780) Vgl. etwa: Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, S. 44 f.
1781) Dr. Jung, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26305.
1782) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 10; Teil I, S. 7.
Drucksache 17/7400 – 274 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Es ist jedoch noch ein weiteres Motiv für die pauschale
Leugnung ziviler Opfer zu erkennen: Die kategorischen
Stellungnahmen dienten auch dem Zweck, Entschädi-
gungsansprüche möglichst im Keim zu ersticken.
Presse-
sprecher Dr. Raabe erklärte gegenüber dem Ausschuss
auf Nachfragen, dass er nicht dazu bereit gewesen sei,
zivile Opfer zuzugeben, solange keine „solidierten Be-
weise“1783 auf dem Tisch lagen, weil dies Rechtsfolgen
wie die Anerkennung von Entschädigungsansprüchen
nach sich gezogen hätte.
1784
Er verstieg sich sogar zu der
zynischen Bewertung, die konsolidierten Hinweise auf
einen verletzten 10-jährigen Jungen seien nicht einschlä-
gig, da dieser kein „Opfer“ sondern nur „Verletzter“ ge-
wesen sei.
1785
e) Unverantwortlicher „Tunnelblick“ des Mi-
nisters
Entgegen dem üblichen Vorgehen, dass die Meldungen
aus den Einsatzgebieten den Minister auf dem Dienstweg
und mit entsprechenden Kommentaren der militärischen
Vorgesetzten erreichen, entschied sich Bundesminister
Dr. Jung am 5. September 2009 dazu, selbst mit Oberst
Klein zu telefonieren, um sich Informationen „aus erster
Hand“ zu verschaffen:
„Ich habe ihm zunächst noch einmal meine eindeu-
tige Unterstützung zugesagt; denn ich habe es als
meine Verpflichtung empfunden, dass, wenn ein
Soldat in einer solch schwierigen Situation zu
solch einer Entscheidung kommt und dann öffent-
lich in die Kritik gerät, der deutsche Verteidi-
gungsminister sich vor ihn stellt. Ich habe dann
auch von ihm noch mal erfahren, dass es seine
Überzeugung war, dass es nur Taliban waren an
diesem Ort.“1786
In der Folge der direkten Aussprache übernahm er die
Sichtweise, dieser fühlte er sich offenbar gebunden, dem
Wort der Kommandeurs grenzenlos Glauben zu schenken.
Er vertraute ihm mehr als anderslautenden Hinweisen der
NATO und der Berater im eigenen Haus. Auch als ihm
General McChrystal in einem Telefonat am 6. September
2009 offen sagte, dass er der Meldung des PRT, es habe
keine zivilen Opfer gegeben, bezweifle, weil er solche im
Krankenhaus von Kunduz gesprochen habe, beharrte
Dr. Jung auf den Aussagen von Oberst Klein.
1787
„Ich hatte keinen Anlass, dass ich hier dem, was
Oberst Klein sagte, keinen Glauben schenken soll-
te.“1788
Dabei lag zu diesem Zeitpunkt bereits der äußerst kriti-
sche Bericht der „Washington Post“ vor, mit welchem der
Minister gegenüber dem Ausschuss später seinen Kurs-
wechsel in der Frage ziviler Opfer begründete.
1783) Vgl. etwa: Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 12.
1784) Vgl. etwa: Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 21.
1785) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 20 f., 35.
1786) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.
1787) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.
1788) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 28.
In seiner nur als „Tunnelblick“ zu bezeichnenden Wahr-
nehmung ließ er völlig außer Acht, dass Oberst Klein ein
Interesse daran haben könnte, die Vorgänge in einem für
ihn günstigen Licht erscheinen zu lassen. Im Fall eines
Fehlverhaltens drohten dem Kommandeur disziplinar-
oder strafrechtliche Konsequenzen. Dies scheint Dr. Jung
bei seinen Loyalitätsbekundungen für Oberst Klein zu-
mindest verdrängt zu haben. So erkannte er viel später als
andere, dass es zivile Opfer gegeben hatte und zu Regel-
verletzungen gekommen war, und versäumte es, das Kri-
senmanagement in seinem Ministerium entsprechend
darauf auszurichten.
f) Desinformation der Öffentlichkeit durch
einen Pressestab im Verfolgungswahn
Ein weiterer kardinaler – wenn nicht gar der schwerste –
Fehler des Verteidigungsministers war es, sich aus-
schließlich an der Kommunikationsstrategie des Presse-
sprechers Dr. Thomas Raabe zu orientieren. Statt sich von
militärischen Fachleuten unterrichten zu lassen, bevor
eine öffentliche Äußerung erfolgte, orientierte und verließ
er sich bei den ersten Stellungnahmen zum Vorfall ganz
auf das Urteilsvermögen von Dr. Raabe und dessen Stell-
vertreter, Kapitän zur See Dienst.
Wie groß das Vertrauen in die Arbeit seines Pressestabes
war, zeigt sich schon darin, dass der Inhalt der frühen
Erklärungen in der Bundespressekonferenz, in denen
zivile Opfer deutlich ausgeschlossen wurden, offenbar
nicht im Einzelnen mit Minister Dr. Jung abgesprochen
war, sondern vollständig in die Verantwortung von Pres-
sesprecher Dr. Raabe gelegt worden war.
1789
Dr. Raabe schob in seinen öffentlichen Äußerungen Kri-
tik von Seiten der NATO, wie sie in den ersten Meldun-
gen gegenüber der Presse oder im IAT-Bericht zum Aus-
druck kam, beiseite, weil er darin quasi eine „Verschwö-
rung“ von US-Kommandeuren – auch des COM ISAF,
General Stanley McChrystal – sah. Diese wollten sich
angeblich revanchieren, weil die Deutschen in der Ver-
gangenheit häufig Kritik an amerikanischen und anderen
NATO-Streitkräften geübt hätten, wenn deren Operatio-
nen zivile Opfer zur Folge gehabt hatten. Nachdem der
COM ISAF offiziell auf die allgemeine Strategie der
Deutschen zur Vermeidung von zivilen Opfern einge-
schwenkt sei, sei es ihm darum gegangen, an einem deut-
schen Kommandeur „ein Exempel“ zu statuieren, damit
die Intention und Bedeutung der taktischen Direktive vom
2. Juli 2009 für alle NATO-Kommandeure in Afghanistan
klar ersichtlich werde.
1790
Pressesprecher Dr. Raabe ging bei der Gestaltung der
Pressestrategie davon aus, dass COM ISAF und NATO-
Verbündete gegenüber dem Handeln des deutschen
1789) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 17. Der Zeuge Dr. Raabe
beharrte in der Absicht, Verantwortung für Fehler von sich abzu-
wälzen, hingegen darauf, dass der Minister laufend an der Be-
stimmung der Presselinie beteiligt gewesen sei und dazu die maß-
geblichen Vorgaben gemacht habe; Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29,
Teil I, S. 21.
1790) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 24, 25, 36, 37.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 275 – Drucksache 17/7400
Kommandeurs voreingenommen seien. Ein Einzelfall
sollte demzufolge angeblich zum Anlass genommen wer-
den, die Bundeswehr und damit die Bundesregierung „in
Misskredit zu bringen“, weil sie zuvor immer wieder
Kritik an Operationen von US- und anderen Verbündeten
mit zivilen Opfern geübt hatte.
Aus dieser Einstellung heraus wurden Hinweise auf mög-
liches Fehlverhalten und Kritik von Seiten der NATO
pauschal mit einem Vorbehalt versehen und gegenüber
der Öffentlichkeit geleugnet oder diskreditiert.
Dies geschah selbst dann noch, als es innerhalb des Mi-
nisteriums durchaus Hinweise darauf gab, dass die Dar-
stellung der Vorgänge durch die NATO zutreffend war.
Vor diesem Hintergrund bekannte der Zeuge Dr. Raabe
vor dem Ausschuss, dass er den Bericht der „Washington
Post“ als „Auftragsarbeit“ ansah und sich stattdessen
lieber auf die Aussagen der „führenden Vertreter der
Bundeswehr vor Ort“, vor allem auf die Aussage von
Oberst Klein, verließ. Wörtlich erklärte Dr. Raabe im
Ausschuss:
„Dieser Washington-Post-Artikel - sehen Sie es
mir nach - war aus meiner Sicht eine Auftragsar-
beit, die dazu führen sollte, dass die Deutschen
hier in Misskredit gebracht werden (…).“1791
„Bei der Washington Post ist sehr schnell der Ein-
druck entstanden, dass hier ein Exempel statuiert
werden sollte. (…) Ich habe keinen Grund, an den
Aussagen von führenden Vertretern der Bundes-
wehr vor Ort zu zweifeln. Aber ich habe Zweifel an
Darstellungen in einem Bericht in der Washington
Post.“1792
Dr. Raabe und KzS Dienst kamen überein, dass man dem
Bericht der „Washington Post“ etwas „entgegenhal-
ten“1793 müsse, was den Ausgangspunkt für die öffentli-
chen Aussagen zu der angeblichen „dritten Quelle“ bilde-
te, auf die sich Oberst Kleins Entscheidung gestützt habe.
Um Kritik vom Verteidigungsminister und von der Bun-
deswehr fernzuhalten, entwickelte Dr. Raabe eine Kom-
munikationsstrategie, die von Anfang an auf Leugnen,
Verschleiern und Vertuschen angelegt war. Dies lässt sich
exemplarisch an mehreren Einzelaktivitäten des Presse-
stabes belegen:
aa) Eigenmächtiges Abwiegeln durch den
Pressestab in den ersten Stellungnahmen
ohne Beteiligung der Fachabteilungen
Getreu der englischen Faustregel für PR-Berater „Be first
with the truth“ stellte der Pressestab auf der Grundlage
einer ungeprüften Meldung aus dem Einsatzgebiet bereits
1791) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 25.
1792) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 24.
1793) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 32, 24f., 39, 29. Siehe dazu
auch die SMS von Dr. Raabe an Dienst nach dem Erhalt des Ar-
tikels der Washington Post vom 6.September 2009 um 10.58 Uhr:
„Bei Anfragen an mich weiterleiten, werde jetzt gg. NATO argu-
mentieren!“ (Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 96).
am 4. September 2009 um 6.42 Uhr eine Stellungnahme
ins Internet, die den Luftschlag als vollen Erfolg im
Kampf gegen die Taliban darstellte und zivile Opfer kate-
gorisch ausschloss.
Der Text wurde mit dem stellvertretenden Pressesprecher
Dienst abgestimmt, der seinerseits Dr. Raabe am frühen
Morgen von dem Luftangriff und der Meldung informier-
te.
Der Leiter des Einsatzführungsstabes, Konteradmiral
Krause, sagte aus, er habe sich bei der Freigabe der Mel-
dung durch den Presse- und Informationsstab unter „gro-
ßen Druck“ gesetzt gefühlt, nun schnell mit einer Mel-
dung an die Öffentlichkeit zu treten.
Er habe diesem Druck an seinem sechsten Arbeitstag in
dieser Funktion nachgegeben, was er heute nicht mehr
ohne Rückkopplung mit dem Einsatzführungskommando
tun würde. In der Folge sei man von Beginn an in einer
defensiven Rolle verhaftet gewesen.
1794
Durch diese Fest-
legungen befand sich das Verteidigungsministerium im
Folgenden argumentativ in der Defensive.
Bei näherer Prüfung der Wirkanalyse („Battle Damage
Assessment“) aus der sich die in der Meldung genannten
Opferzahlen ergaben, wäre einem Experten des Einsatz-
führungskommandos klar gewesen, dass es sich dabei nur
um grobe Schätzungen handelte. Die präzisen Zahlenan-
gaben spiegelten hingegen ein genaues Lagebild vor, über
welches niemand zu diesem Zeitpunkt verfügte.
bb) Falsche Darstellung der zeitlichen Abläufe
(„Chronologie“)
Als ein weiteres Beispiel für „nachträgliche Flurbereini-
gung“ kann im Rahmen der Rechtfertigungsstrategie des
Verteidigungsministeriums die Beschreibung des zeitli-
chen Ablaufs der Operation dienen.
Der stellvertretende Pressesprecher KzS Dienst stellte es
in der Bundespressekonferenz am 4. September 2009 so
dar, als sei Oberst Klein plötzlich mit einer großen Zahl
von Taliban konfrontiert worden und hätte die Entschei-
dung zum Luftangriff nachts unter extremem Zeitdruck
binnen 40 Minuten fällen müssen, obwohl er sich tatsäch-
lich über einen Zeitraum von über fünf Stunden mit den
entführten Tanklastern beschäftigt hatte.
In einer handschriftlichen Notiz begründete er sein Vor-
gehen wie folgt:
„Zeiten war der Sachstand! Meine hier massive
Einlassung war notwendig, um die gefährliche
Spekulation um den potentiell möglichen Einsatz
von Bodentruppen frühzeitig erst einmal auszutre-
ten.“1795
Hier wurde in der Beweisaufnahme deutlich, dass es dem
Pressestab weniger um Aufklärung ging als darum, Oberst
1794) Vgl. Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 3 und 7.
1795) Mat. 17-21a, Ordn. 2, S. 72-73.
Drucksache 17/7400 – 276 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Klein und die Bundeswehr pauschal gegen jedwede Kritik
in Schutz zu nehmen.
Das Vorgehen beim Abwimmeln kritischer Nachfragen ist
auch in den Einlassungen Dr. Raabes vor der Bundes-
pressekonferenz am 7. September 2009 zu beobachten.
Hierbei präsentierte er einen neuen, aber ebenso unzutref-
fenden zeitlichen Ablauf, demzufolge die Tanklaster erst
zwischen 21 und 22 Uhr „gekidnappt“ worden seien,1796
wohingegen ein dem Pressestab vorliegender Sprechzettel
vom 6. September 2009 bereits die Information enthielt,
dass die Entführung der LKWs schon viel früher, nämlich
„gegen 17.00 Uhr“ erfolgt sei.1797
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Pressestab
tatsachenwidrig einen extremen Zeitdruck bei der Ent-
scheidung zum Luftangriff suggerierte, um kritische
Nachfragen abzuwehren und für Nachsicht mit dem
Kommandeur zu werben.
cc) Angebliche unmittelbare Bedrohung für
das PRT Kunduz durch „rollende Bomben“
Eines der bestimmenden Argumentationsmuster in der
öffentlichen Darstellung des Ministeriums zur Rechtferti-
gung des Vorgehens von Oberst Klein bildete die Behaup-
tung, die entführten Tanklaster hätten als „rollende Bom-
ben“ eine unmittelbare Gefahr für das PRT dargestellt.
Exemplarisch dafür sind die Einlassungen des Parlamen-
tarischen Staatsekretärs Kossendey am 4. September 2009
gegenüber der „Nordwest-Zeitung“, die sich später auch
Minister Dr. Jung und sein Pressesprecher zu eigen mach-
ten:
„Mit dem von der Bundeswehr befohlenen Luft-
angriff in Nordafghanistan ist nach Angaben des
Verteidigungsministeriums ein Selbstmordattentat
auf das deutsche Lager bei Kunduz verhindert
worden.“
„Wir gehen davon aus, dass die entführten zivilen
Tanklaster in Richtung des Bundeswehrlagers ge-
bracht werden sollten, um durch ein Selbstmordat-
tentat größtmöglichen Schaden anzurichten“, sag-
te der Parlamentarische Verteidigungsstaatssekre-
tär Thomas Kossendey (CDU) der Oldenburger
„Nordwest-Zeitung“. (…)
Deshalb sei die Bundeswehr so „intensiv vorge-
gangen“ und habe Luftunterstützung der NATO
angefordert. Die Kaperung der Tanklaster zeige
„die Verzweiflung der Taliban, die in der militäri-
schen Auseinandersetzung unterlegen“ seien, sag-
te Kossendey. „Deshalb versuchen sie, mit solchen
Anschlägen – einen Tanklastzug in ein Lager zu
steuern – Wirkung zu erzielen“. Aus Sicht der mili-
tärisch Verantwortlichen in Kunduz sei höchste
1796) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 185.
1797) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 207.
Gefahr im Verzug gewesen, daher habe man so
reagieren müssen.“1798
Auch damals hätte allen Beteiligten schon klar sein müs-
sen, dass diese Darstellung nicht der Wahrheit entsprach,
zumal sie bereits im Widerspruch zu der ersten Online-
Meldung der Bundeswehr stand, welche davon sprach,
dass die Tanklaster entführt worden seien, um den Treibs-
toff für eigene Zwecke in den Distrikt Chahar Darreh zu
verbringen.
1799
Mitarbeiter des AA erkannten diese Widersprüche bereits
am gleichen Nachmittag. In einer E-Mail heißt es dazu:
„Die Argumentationslinie des BMVg wird immer
verworrener (…) Die Inkaufnahme ziviler Opfer
nun durch eine vermeintliche Anschlagsplanung
erklären zu wollen, für die es bislang in der Kom-
munikation keine Hinweise gab, wird dem BMVg
auf die Füße fallen.“1800
Und auch im Verteidigungsministerium selbst schien man
sich dieses Problems schon damals bewusst zu sein: Mal-
te Krause, der Büroleiter von Minister Dr. Jung, empfahl
dem stellvertretenden Pressesprecher Dienst, am 4. Sep-
tember 2009 per SMS, in der bevorstehenden Bundes-
pressekonferenz einfach zu verschweigen, dass die Tank-
lastwagen auf der Sandbank festgefahren und nicht mehr
zu bewegen waren:
„Herr Dienst, wir empfehlen, den Umstand des
Festfahrens auf der Sandbank zunächst wegzulas-
sen. Gruß MK“1801
Wenige Minuten darauf regte er in einer weiteren SMS
an, die Obleute-Unterrichtung an den Verlauf der Bun-
despressekonferenz anzupassen.
Die Beweisaufnahme deutet somit darauf hin, dass man
selbst im unmittelbaren Umfeld des Ministers – nicht nur
beim Pressesprecher – vor gezielter Desinformation von
Öffentlichkeit und Parlament nicht zurückschreckte.
1802
Standhaft hielten der Minister und sein Pressesprecher an
dem Märchen, dass es Hinweise darauf gebe, dass die
Tanklaster unmittelbar gegen das PRT eingesetzt werden
sollten, fest, obwohl dem Pressestab spätestens seit dem
6. September 2009 durch das Einsatzführungskommando
mitgeteilt wurde, dass die festgefahrenen Trucks nach
SIGINT-Informationen von den Taliban in Brand gesetzt
werden sollten, sobald der Treibstoff abgezapft worden
sei.
1803
Nach Abschluss der Beweisaufnahme des Ausschusses
gibt es keinen einzigen Hinweis auf eine unmittelbare
Bedrohung des PRT durch die beiden in der Nacht vom 3.
1798) Tickermeldung vom 4. September 2009, 16.38 Uhr (Hervorhe-
bungen nur hier).
1799) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 16, 29, 179, 196.
1800) Mat. 17-25a, Ordn. Leitungsstab, S. 5.
1801) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 41.
1802) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 42.
1803) Mat. 17-21a, Presse-/Info-Stab, Ordn. 1, S. 135 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 277 – Drucksache 17/7400
auf den 4. September 2009 seit Stunden auf der Sandbank
feststeckenden Tanklaster.
1804
Absolut unerklärlich ist, wie selbst die Ausschussmehr-
heit heute noch zu dem Ergebnis kommen kann, dass
Oberst Klein davon ausgehen „musste“, dass „die festge-
fahrenen Tanklaster befreit, gewendet und für einen Ang-
riff auf das PRT Kunduz verwendet würden“.1805 Hierfür
gibt es nicht den geringsten tatsächlichen Anhaltspunkt
und die Mehrheit verschweigt, dass selbst nach den Ein-
lassungen von Oberst Klein selbst, er diese unmittelbare
Gefahr zum Zeitpunkt des Waffeneinsatzes nicht mehr
sah.
Hinzu kommt noch, dass das PRT Kunduz schon damals
so gut gesichert war, dass die Tanklastzüge nicht ohne
weiteres in das Lager hätten eindringen können, insbe-
sondere dann, wenn deren Ankunft erwartet worden wäre.
dd) Erfinden einer „dritten Quelle“
Die Beweisaufnahme hat weiter ergeben, dass der Presse-
stab der Öffentlichkeit auch nachgewiesen falsche Fakten
präsentiert hat.
1806
Nachdem er am Vortag mit seinem Stellvertreter Dienst
vereinbart hatte, dem Vorwurf der „Washington Post“,
dass sich Oberst Klein nur auf eine Quelle gestützt habe,
etwas entgegenzusetzen, präsentierte Dr. Raabe in der
Bundespressekonferenz am 7. September 2009 einen
weiteren „Aufklärungsstrang“, die später so genannte
„dritte Quelle“, die dem Handeln von Oberst Klein zug-
rundegelegen habe.
1807
Bei seinen Angaben stützte sich Dr. Raabe angeblich auf
ein Telefonat seines Stellvertreters KzS Dienst mit dem
Chef des Stabes PRT Kunduz, Oberstleutnant Gr., das
KzS Dienst in einem Vermerk vom 8. September 2009
wie folgt darstellte:
„Der J2 habe SIGINT für die Entscheidungsfin-
dung des Kommandeurs geliefert,“ die aus der Te-
lefonüberwachung des afghanischen Geheimdiens-
tes stammten und auf die Mobilisierung von Un-
terstützern der Taliban hinweisen sollten. Mit den
zusätzlichen Helfern sollten die LKWs wieder flott
gemacht werden.“1808
Dieser erst im Nachhinein auf Anweisung von
Dr. Raabe
1809
erstellte Vermerk ist der einzige Ge-
sprächsvermerk überhaupt in den Akten des Pressestabes,
obwohl in jenen Tagen viele Telefonate zur Informations-
beschaffung geführt wurden. Dieser Umstand böte schon
allein Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Darstellung des
Pressestabes zu zweifeln.
1804) Vgl. hierzu ausführlich oben ab Seite 244.
1805) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 210.
1806) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 1-7.
1807) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 179.
1808) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 333; Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I,
S. 4.
1809) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 5.
Auch im Einsatzführungsstab gab es offenbar Zweifel an
der Existenz bzw. Zuverlässigkeit dieser „dritten Quelle“.
Während im ersten Entwurf einer presseverwertbaren
Stellungnahme vom 7. September 2009 von „2 HUMINT-
Quellen“ die Rede ist, spricht man im zweiten Entwurf
von „mindestens 1 …zuverlässige(n) afghanische(n)
Quelle“. Dies mag auch erklären, weshalb Generalinspek-
teur Schneiderhan dem Vorschlag von Dr. Raabe vom
7. September nicht gefolgt ist, dieses Material später in
der Kommunikation nach außen zu verwenden.
1810
Die Aussage des Zeugen Gr., mit dem KzS Dienst angeb-
lich darüber gesprochen haben will, widerlegte die angeb-
liche Existenz einer „dritten Quelle“ endgültig. Dem
Ausschuss erklärte der Zeuge, dass er weder eine „dritte
Quelle“ noch das ihm im Vermerk von 8. September
zugeschriebene Zitat kenne.
1811
Insofern ist es nicht ver-
wunderlich, dass kein einziger anderer Zeuge im Aus-
schuss von dieser angeblichen „dritten Quelle“ je gehört
hatte.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass selbst
die Mehrheit inzwischen einräumt, dass es eine solche
„dritte Quelle“ niemals gegeben hat.1812 Wie sie es den-
noch vollbringt, auch diese Irreführung der Öffentlichkeit
nicht dem Pressestab, sondern dem Generalinspekteur
zuzuschreiben, der an dem Vorgang noch nicht einmal
entfernt beteiligt war, grenzt schon an Zauberei.
Es spricht vieles dafür, dass der Pressestab nicht davor
zurückschreckte, Öffentlichkeit und Parlament bewusst in
die Irre zu führen, um seine Version der Abläufe in Kun-
duz zu verteidigen.
Die Ausschussmehrheit vermutet zu Gunsten des Presse-
stabes, dass es sich um ein „Missverständnis“ gehandelt
haben könnte.
1813
Wie dies aber dann zu der Aussage des
Zeugen Dr. Raabe vor dem Ausschuss passen soll, dass
man „für ein Ministerium nur mit gesicherten Informatio-
nen an die Öffentlichkeit gehen“ könne1814, bleibt
schleierhaft.
Es zeigt aber erneut die Zweischneidigkeit des Vorgehens
des Zeugen Dr. Raabe: Hinsichtlich der möglichen Be-
troffenheit von Zivilisten werden „handfeste Beweise“
verlangt, hinsichtlich der angeblichen Fakten, die den
Bombenabwurf rechtfertigen sollen, wird dieser Maßstab
jedoch noch nicht einmal im Ansatz angelegt, sondern es
reichen völlig ungesicherte Vermutungen aus, die dazu
beitragen sollen, das Handeln von Oberst Klein öffentlich
in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.
1810) Mat. 17-30a, EFS Chronologie, Teil 2, S. 94-102, insbesondere S.
96 und 100; Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S 1-7,hier insbe-
sondere S. 1.
1811) OTL Gr., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S 1-3.
1812) Mehrheitsbewertung, S. 181 f.
1813) Mehrheitsbewertung, S. 181.
1814) Zitiert nach der Mehrheitsbewertung, S. 199, die dieser Aussage
des Zeugen Dr. Raabe besondere Bedeutung beimisst. Dr. Raabe
selbst sagt es tatsächlich etwas anders: Protokoll-Nr. 29, Teil I,
S. 20.
Drucksache 17/7400 – 278 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ee) Diffamierung des IAT-Berichts
Im Umgang mit der Kritik des IAT-Berichts zeigte sich
eine weitere Facette der Täuschungsmanöver des Presse-
sprechers. Dr. Raabe qualifizierte den IAT-Bericht, des-
sen kritischer Inhalt zu diesem Zeitpunkt bereits in der
Presse kursierte, in den Bundespressekonferenzen vom 9.
und 11. September 2009 einfach als „Reisebericht“ ab.
Damit verfolgte er offensichtlich das Ziel, sich nicht im
Einzelnen mit den darin enthaltenen Aussagen zu zivilen
Opfern und der Verletzung von NATO-Einsatzverfahren
auseinanderzusetzen zu müssen.
Mit dem lapidaren Hinweis, dass es sich um einen ersten
Zwischenbericht handele, der in erster Linie die Eröff-
nung einer förmlichen Untersuchung begründe, wurden
weitere Kommentare zur Sache pauschal bis zum Ab-
schluss der umfassenden NATO-Untersuchung ver-
tagt.
1815
Mit dieser Argumentation konnten unangenehme Fragen
bis nach den Bundestagswahlen abgeblockt werden.
Vor der Bundespressekonferenz am 9. September kon-
zentrierte sich Dr. Raabe auf eine Reaktion zu der Schät-
zung der Zahl der Opfer durch das IAT auf etwa 125.
Dieser Schätzung hielt er die Aussagen zweier afghani-
scher Gruppen von Offiziellen (60 bzw. 45 Taliban) ent-
gegen, denen er nach dem Eindruck der anwesenden
Journalisten größere Bedeutung beizumessen schien als
dem zuständigen Untersuchungsteam der ISAF vor
Ort.
1816
Diese Ablenkungsstrategie hatte wohl auch den Zweck,
das zweite große Thema des Berichts, die Benennung der
offenkundigen Verstöße von Oberst Klein gegen NATO-
Einsatzregeln, zu verschleiern.
ff) Ergebnis zum Pressestab
Zusammenfassend kann gesagt werden: Der entscheiden-
de Fehler des damaligen Verteidigungsministers Dr. Jung
war es, dass er seinem Pressesprecher Dr. Raabe freie
Hand bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit ließ. Dies
hat in den ersten Tagen zu einer systematischen Irrefüh-
rung von Öffentlichkeit und Parlament geführt.
Der Versuch der Mehrheit, das eigenmächtige und die
wahren Tatsachen verschleiernde Handeln des Pressesta-
bes und insbesondere des Pressesprechers Dr. Raabe auf
Fehlverhalten des Generalinspekteurs Schneiderhan und
des Staatssekretärs Dr. Wichert abzuschieben,
1817
wird
schon durch die aufgezeigten Fakten ad absurdum ge-
führt. Es zeigt sich, dass es der Mehrheit ausschließlich
darum geht, die spätere Entlassung der beiden Personen
durch Freiherr zu Guttenberg nachträglich zu rechtferti-
gen, koste es, was es wolle.
Dabei wird von der Mehrheit nicht davor zurückge-
schreckt, sachlich falsche Behauptungen aufzustellen. So
1815) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 401, Ordn. 2, S. 42.
1816) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 446 f.
1817) Vgl. etwa Mehrheitsbewertung, S. 181 ff.
wird beispielsweise behauptet, der Generalinspekteur sei
„gemäß der Geschäftsordnung des BMVg“ verpflichtet
gewesen, „alle relevanten Informationen auch dem Pres-
se- und Informationsstab zur Verfügung“ zu stellen oder
Dr. Wichert habe dem Pressestab vor der Pressekonferenz
am 7. September 2009 keine Sprachregelung zur Verfü-
gung gestellt.
1818
Beides ist nachweislich falsch: Dr. Raabe selbst hat ein-
geräumt, dass der Generalinspekteur ihm gegenüber
selbstverständlich nicht berichtspflichtig war.
1819
Ein
kurzer Blick in die Geschäftsordnung des Ministe-
riums
1820
hätte zudem auch der Mehrheit die Absurdität
ihrer Behauptung erspart.
Darüber hinaus findet sich gerade die von der Mehrheit
vermisste Sprachregelung von Dr. Wichert in den vom
Ausschuss beigezogenen Akten.
1821
Dokumentiert ist
dabei auch, dass sie dem Pressesprecher etwa eine halbe
Stunde vor seiner Pressekonferenz zuging. Dr. Wichert
stellte zudem fest, wann immer eine presseverwertbare
Stellungnahme angefordert worden sei, habe er diese auch
zur Verfügung gestellt.
1822
Nach übereinstimmenden Aussagen von Generalinspek-
teur und Staatssekretär Dr. Wichert gingen alle mit Be-
wertungen versehenen Ministervorlagen entsprechend der
Geschäftsordnung parallel an den Planungsstab. Beides
wird durch die dem Ausschuss vorliegenden Akten bestä-
tigt. Für Fälle, in denen dem Minister mündlich berichtet
bzw. Originaldokumente übergeben wurden, gab es weder
Vorschriften noch eine gängige Praxis der zufolge diese
Informationen parallel auch immer an andere Einheiten
weiterzuleiten gewesen wären. Insofern ist auch die durch
nichts belegte Behauptung der Mehrheit, der Zeuge
Schneiderhan sei seinen Verpflichtungen aus der Ge-
schäftsordnung „nicht immer ordnungsgemäß nachge-
kommen“, einfach unwahr.
Die Beweisaufnahme hat damit ergeben, dass keine An-
zeichen für eine fehlerhafte Unterrichtung durch General-
inspekteur und Staatssekretär vorhanden sind. Festzuhal-
ten ist damit: Nicht Generalinspekteur oder Staatssekretär
sind für das eigenmächtige und die wahren Fakten ver-
schleiernde Vorgehen des Pressestabes verantwortlich,
sondern ausschließlich dieser selbst.
g) Gesamtbewertung des Handelns von
Dr. Jung
Bundesminister Dr. Jung hat gravierende politische Fehl-
einschätzungen zu verantworten. Diese Fehler haben dazu
geführt, dass die Vorgänge aus falsch verstandener Loya-
lität heraus eher vernebelt als aufgeklärt wurden. Dieses
1818) Beide Unwahrheiten finden sich auf Seite 181 der Mehrheitsbe-
wertung.
1819) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 8.
1820) Hier insbesondere der Abschnitt B 25 und die Nrn. 5 und 6 des
Abschnitts C 16 im Umkehrschluss.
1821) Mat. 17-21a (Nachlieferung), Ordn. 1, S. 171 f. mit Faxkennung
von 9.31 Uhr.
1822) Dr. Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 52, 54, 76, 80.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 279 – Drucksache 17/7400
Verhalten hat der Bundesregierung und vor allem auch
dem guten Ruf der Bundeswehr geschadet.
Die Ausschussmehrheit kommt dagegen zu dem Schluss,
dass der kategorische Ausschluss ziviler Opfer durch den
Minister allein auf eine einseitige Beratung durch Gene-
ralinspekteur und Staatssekretär zurück zu führen sei. Sie
verfolgt damit auch hier das leicht erkennbare Ziel, die
Verantwortung auf zwei bewährte „Sündenböcke“ abzu-
wälzen, insbesondere um ihre Entlassung durch Freiherr
zu Guttenberg nachträglich zu rechtfertigen.
In der Beweisaufnahme haben sich keine noch so entfern-
ten Hinweise finden lassen, dass Generalinspekteur oder
Staatssekretär dem Minister jemals geraten hätten, zivile
Opfer zu leugnen. Solche Belege bleibt die Mehrheit in
ihrem Votum denn auch schuldig. Generalinspekteur
Schneiderhan hatte im Gegensatz dazu seine Bedenken
schon am 4. September telefonisch geäußert und zur Vor-
sicht bei konkreten Festlegungen und vorschnellen Be-
wertungen geraten.
Staatssekretär Dr. Wichert legte Wert darauf, dass die von
ihm gebilligten Obleute-Unterrichtungen vom 4. und 5.
September sich – im Gegensatz zu den Äußerungen des
Pressestabes – auf die Darstellung gesicherter Fakten
beschränkten und auf Aussagen zu zivilen Opfern, wie sie
Pressesprecher und Minister öffentlich verbreiteten, be-
wusst verzichteten. Im Widerspruch zur eigenen Bewer-
tung konzediert die Ausschussmehrheit denn auch zutref-
fend, dass der Verzicht auf spekulative Aussagen in der
Unterrichtung vom 4. September 2009 „nachvollziehbar“
gewesen sei.
1823
Die Beweisaufnahme hat ferner ergeben, dass beide Spit-
zenbeamten gegenüber dem von der politischen Leitung
verfolgten Kurs – wenn auch in viel zu zurückhaltender
Form – Kritik geäußert haben. Die falsche Weichenstel-
lung geht ausschließlich auf die Erstmeldung des Presse-
stabes zurück, welche vor ihrer Veröffentlichung vom
Stellvertreter Dr. Raabes autorisiert wurde.
1824
Dieser
informierte seinen Chef am frühen Morgen über den In-
halt, ohne dass dieser vor der Bundespressekonferenz
oder auch nur in den Folgetagen auf einen Kursschwenk
gedrungen hätte.
Die Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit war
durchgängig – auch noch nach der Regierungserklärung
der Bundeskanzlerin vom 8. September 2009 – nicht von
aktiven Bemühungen um Aufklärung geprägt, sondern
von Verschleiern und Abwimmeln. Korrekturen an der
öffentlichen Darstellung wurden erst dann vorgenommen,
wenn diese nicht mehr zu halten war. Die Wahrheit über
die Vorgänge wurde so nur häppchenweise preisgegeben.
Damit wird deutlich: der Pressestab hat die desaströse
Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums voll und ganz
selbst zu verantworten. Und dass ihm hierbei freie Hand
gelassen wurde, liegt in der Verantwortung des damaligen
Ministers Dr. Jung.
1823) Mehrheitsbewertung, S. 197.
1824) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 2f., 10.
3. Verschleierungsaktivitäten auf allen Ebe-
nen
Die Mehrheit gelangt in ihrer Bewertung des Umgangs
von Bundeswehr und Verteidigungsministerium mit dem
Luftangriff von Kunduz zu dem Ergebnis, dass nieman-
dem in der Bundesregierung – natürlich mit Ausnahme
von Schneiderhan und Dr. Wichert, deren Aktivitäten
aber aus Sicht der Mehrheit wohl nicht dem Handeln der
Bundesregierung zuzurechnen sind – auch nur der gering-
ste Vorwurf zu machen sei.
1825
Insbesondere betont die Mehrheit dabei immer wieder, es
habe keine Versuche der Vertuschung oder Vernebelung
im Bereich der Bundeswehr oder der Bundesregierung
gegeben.
1826
Stattdessen „attestiert“ die Mehrheit der
Bundesregierung „einen durchweg korrekten Umgang mit
den Folgen des Luftschlages“.1827
Angesichts dieser Realitätsverweigerung bedarf es an
dieser Stelle noch einmal einer zusammenfassenden Be-
nennung der massiven Verschleierungs- und Vertu-
schungsaktivitäten auf allen betroffenen Ebenen in der
Amtszeit von Bundesminister Dr. Jung, die sich in der
Beweisaufnahme offenbart haben und die von der Mehr-
heit einfach ignoriert werden.
Das Hauptmotiv dieser Verschleierungsaktivitäten auf
den verschiedenen Ebenen bildete eine falsch verstande-
ne, unreflektierte Solidarität mit Oberst Klein. Dieser
sollte vor einer Vorverurteilung durch Presse und verbün-
dete Streitkräfte ebenso wie vor Strafverfolgung in
Deutschland geschützt werden.
a) Verschleierung vor Ort im PRT Kunduz
selbst
Eine solche Zusammenstellung muss naturgemäß unmit-
telbar am Ort des Geschehens beginnen. In der Beweis-
aufnahme wurde ganz klar erkennbar, dass bereits im
PRT Kunduz die verschiedensten Aktivitäten entfaltet
worden waren, um das Vorgehen von Oberst Klein mög-
lichst in einem guten Licht erscheinen zu lassen und
Sachverhaltsaspekte, die für Oberst Klein kritisch werden
könnten, zurückzuhalten. Stichwortartig ist dabei insbe-
sondere auf folgende Vorgänge hinzuweisen:
– Verzicht auf die Durchführung eines zeitgerechten
und angemessenen „Battle Damage Assessments“,
obwohl zumindest die Möglichkeit des zeitnahen
Einsatzes unbemannter Luftfahrzeuge (LUNA) zur
Verfügung stand, um den Angriffsort wenigstens per
Video zu überwachen, bis Bodentruppen bei Tages-
licht dorthin hätten verlegen können.
– Verspätete Information der vorgesetzten Stellen über
den Luftangriff.
– Verweigerung der Teilnahme der von General Voll-
mer zur Unterstützung entsandten Feldjäger und des
1825) Vgl. etwa: Mehrheitsbewertung, S. 210.
1826) Vgl. etwa: Mehrheitsbewertung, S. 184, 185, 199, 199, 202, 204.
1827) Mehrheitsbewertung, S. 174.
Drucksache 17/7400 – 280 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zivilen Leiters des PRT an der verspätet durchgeführ-
ten Wirkungsanalyse und Behinderung des Feldjäger-
Teams bei Filmaufnahmen.
– Eigene Erkenntnisse zu möglichen zivilen Opfern,
die bereits am 4. September 2009 gegen 14.00 Uhr
durch das eigene PsyOps-Team vorlagen, wurden
nicht angemessen kommuniziert. Aufträge an das
Team, weitere Befragungen von Dorfbewohnern vor-
zunehmen, insbesondere auch in den vielen anderen
möglicherweise in Betracht kommenden Dörfern,
wurden nicht erteilt.
– Faktenwidrige Behauptung in einem Bericht an Ge-
neral Vollmer vom 4. September 2009, die Gefahr sei
nicht von den Tanklastern selbst, sondern von den
Pick-Up-Fahrzeugen in der Nähe der Tanklaster aus-
gegangen, weil diese in der Nacht mit Benzin aus den
Tanklastern befüllt und als „fahrende Bomben“ ge-
gen das PRT hätten eingesetzt werden können.
– Der zivile Leiter des PRT wurde nur unzureichend
und nicht eigeninitiativ informiert und eingebunden,
er musste sich die wesentlichen Informationen zum
Luftangriff vielmehr aus dem Internet besorgen und
war vom Informationsfluss so gut wie abgeschnitten.
– Verschleierung der Möglichkeit ziviler Opfer durch
Konstruktion ihrer Beteiligung an der Taliban-
Operation über den Diebstahl von Benzin, obwohl
diese Personen, selbst wenn sie Treibstoff für sich zu
erlangen suchten, nach wie vor nach humanitärem
Völkerrecht geschützte Zivilisten waren.
– Bericht über die Aussagen einer HUMINT-Quelle
vom 4. September 2009, der im J2-Bereich des PRT
Kunduz so bewertet wurde, dass es danach wahr-
scheinlich erscheine, dass bei dem Luftschlag auch
Zivilisten getötet wurden, wurde nicht angemessen
kommuniziert.
– Verschleierung der Tatsache, dass der JTAC gegenü-
ber den F15-Bomber-Piloten erklärt hatte, Ziel des
Bombenabwurfs seien nicht die Tanklaster, sondern
die Personen vor Ort gewesen.
– Verweigerung des PRT Kunduz bis zum heutigen
Tage, Dokumente, mit denen sich derartige Ver-
schleierungsaktivitäten dokumentieren lassen, für die
Öffentlichkeit freizugeben.
1828
Schon an diesen Beispielen wird erkennbar, dass bereits
auf der Ebene des PRT Kunduz versucht wurde und bis
heute versucht wird, den wahren Sachverhalt und vor
allem die tatsächlichen Folgen des Luftangriffs möglichst
zu verschleiern.
1828) Vgl. Beratungsunterlage 17-290, S. 4 und 6: „ISAF has indicated
that ISAF PRT Kunduz has reviewed the documents and that
again it does not consent to declassification or release as re-
quested“.
b) Verschleierung in Masar-e Sharif und im
Einsatzführungskommando in Potsdam:
Manipulation des INTSUM
Als wohl gezielteste Desinformation im Zusammenhang
mit dem Luftangriff ist die von den deutschen Generälen
Vollmer und Glatz angeordnete Manipulation eines Ta-
gesberichts des PRT Kunduz anzusehen,
1829
die am 3. und
4. März 2010 durch „Spiegel Online“ aufgedeckt wurde:
„Neue Meldungen und Aktenvermerke, die dem
SPIEGEL vorliegen, zeigen, dass es den deutschen
Offizieren offenbar darum ging, das tragische
Bombardement innerhalb der Isaf und der Nato
herunterzuspielen.
Der für das Nachrichtenwesen zuständige Offizier
im Bundeswehrstützpunkt PRT-Kunduz erstattet
täglich Bericht. INTSUM, für Intelligence Summa-
ry, heißen diese Meldungen, die über das interne
Netz der Isaf verbreitet werden. Am 4. September
stellt der Offizier INTSUM Nummer 247 dort ein.
Geschmückt mit zwei Luftaufnahmen vom Fluss-
bett bei Kunduz meldet er um 15:30 Uhr unter
Punkt 3.3 auch den aktuellen Informationsstand
zum Luftschlag der vergangenen Nacht.
Pflichtschuldig und detailgetreu berichtet er von
möglichen Zivilisten unter den Opfern: Es sei
wahrscheinlich, dass die Aufständischen den
Treibstoff der feststeckenden Wagen an die lokale
Bevölkerung verteilt hätten, notiert er. Und: „It
cannot be excluded that civilians were among the
casualties“ – Es sei nicht ausgeschlossen, dass
auch Zivilisten bei dem Luftschlag ums Leben ge-
kommen seien. Lange bleiben diese Informationen
nicht im militärischen Netz. Schon dreieinhalb
Stunden später sind sie gelöscht.
Die beiden Generäle Vollmer und Glatz erkennen
die Brisanz des Luftschlags schnell. Laut der Un-
terlagen telefonieren sie am Abend des 4. Septem-
bers zweimal miteinander. Nach dem ersten Ge-
spräch um 18.15 Uhr vermerkt Glatz in ordentli-
chen rund geschwungenen Buchstaben seinen Är-
ger am rechten Rand der Meldung. „Wenn das so
stimmt und durch COMPRT (den Kommandeur
des PRT Kunduz Oberst Klein) bestätigt werden
sollte, ist das ein Verstoß gegen die Tactical Di-
rective des COMISAF (Isaf-Kommandeur Stanley
McChrystal).
Dann hätte man schlimmstenfalls CIVCAS (Tod
und Verwundung von Zivilisten) in Kauf genom-
men.“
Die Unterlagen zeigen, dass Glatz und Vollmer ih-
re Erkenntnisse über die Ausmaße des Luftschlags
wohl lieber nicht mit jedem teilen wollen. Dem-
nach vereinbaren die beiden, dass die heiklen Stel-
len aus der Meldung verschwinden.
1829) Vgl. hierzu auch den Feststellungsteil, S. 256 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 281 – Drucksache 17/7400
Nach einem zweiten Telefonat mit Vollmer ver-
merkt Glatz auf der Meldung: „BG V. (Brigadege-
neral Vollmer) hat gegen 20 Uhr veranlasst, dass
dies aus dem Netz genommen wird.“ Die Meldung
sei wieder aus dem Isaf-Netz herausgenommen
worden, „da Details noch nicht valide nachgeprüft
waren“, so Glatz.“1830
(…)
„Die Behauptung von Glatz erscheint indes kaum
plausibel. Im Gegenteil: Was der Nachrichtenoffi-
zier aufgeschrieben hatte, stammte offenbar aus
einer verlässlichen Quelle. Teilweise wörtlich zi-
tierte er aus einem dreiseitigen geheimen Quellen-
bericht vom 4. September, der SPIEGEL ONLINE
vorliegt. Autor des Berichts ist ein Nachrichten-
feldwebel, der einen afghanischen Informanten
führte. Dieser hatte bereits vorher „fairly reliab-
le“, also recht glaubwürdig, berichtet.
Die Aussagen der Quelle sind eindeutig. Unter den
Opfern seien „genauso Taliban wie Zivilisten“.
Die Taliban hätten den Treibstoff der Laster ver-
teilen wollen, dies sei der Grund für die hohe Zahl
an Zivilisten in der Umgebung gewesen. Mindes-
tens hundert Menschen seien gestorben. Es er-
scheine „wahrscheinlich, dass auch Zivilisten bei
dem Luftschlag getötet worden sind“. Für „vor-
stellbar“ hält der Feldwebel, dass „eine große
Zahl an Zivilisten anwesend war“. Genau diese
Aussagen jedoch wollten Glatz und Vollmer so
nicht an die Nato weitergeben.“1831
Weil sich das unter deutscher Führung stehende PRT
Kunduz auf mehrfache Anfrage aus dem Ausschuss nach
wie vor weigert, das INTSUM auch nur teilweise herab-
zustufen, ist es den Mitgliedern dieses Untersuchungsaus-
schusses untersagt, sich öffentlich dazu zu äußern, ob die
Darstellungen von „Spiegel Online“ zutreffen und sich die
zitierten Passagen wirklich in den Akten befinden oder
nicht.
1832
Wie dies mit der von der Bundeskanzlerin pro-
pagierten „ungeschönten“ Aufklärung, an der sich gerade
auch die Bundeswehr beteiligen werde, vereinbar sein
soll, bleibt fraglich. Immerhin konnte durch die Oppositi-
on erwirkt werden, dass Teile der handschriftlichen Ver-
merke von General Glatz von der strikten Geheimhaltung
ausgenommen und auf „offen“ herabgestuft wurden.
Die Generäle Glatz und Vollmer wurden zu dem gesamten
Vorgang im Ausschuss auch vernommen: General Voll-
mer rechtfertigte sich dabei damit, er habe das INTSUM
nur deshalb aus dem Netz nehmen lassen, weil es nicht
von Oberst Klein gebilligt gewesen sei und Oberst Klein
ihm gegenüber den gesamten Tag lang geäußert habe, es
1830) Spiegel Online vom 4. März 2010: „Offiziere änderten Meldun-
gen über zivile Opfer“.
1831) Spiegel Online vom 5. März 2010: „SPD wirft Bundeswehr-
Generälen Vertuschung vor“.
1832) Vgl. Beratungsunterlage 17-290, S. 4 und 6: „ISAF has indicated
that ISAF PRT Kunduz has reviewed the documents and that
again it does not consent to declassification or release as re-
quested“.
habe keine zivilen Opfer gegeben,
1833
was offenkundig im
Widerspruch zu den Inhalten des INTSUM stand.
Er, Vollmer, habe deshalb verlangt, dass Oberst Klein die
Meldung „abnicke“ bzw. billige.1834 Dies will General
Vollmer persönlich auch so gegenüber Oberst Klein
kommuniziert haben.
1835
Er selbst habe keinen Einfluss
auf konkrete Änderungen des INTSUM genommen, dies
habe er vielmehr allein der Führung des PRT Kunduz
überlassen.
1836
Zu seiner Motivation, das INTSUM zwecks Billigung
durch den Kommandeur an das PRT Kunduz zurückzuge-
ben, hat der Zeuge Vollmer ausgeführt:
„Ich habe also wirklich nur den Hut des Diszipli-
narvorgesetzten in dem Moment aufgesetzt (…)
und habe gesagt: Entweder gilt das jetzt hier – ich
glaube dir ja auch; ich akzeptiere deine Entschei-
dung der Nacht –, oder es gilt das. Dann ist es
auch gut, aber dann unterzeichne das. – Und dann
haben wir eine ganz andere Lage und gehen auch
ganz anders damit um.“1837 (…) „Ob ich dann üb-
rigens mit Oberst Klein gesprochen habe oder mit
seinem Chef des Stabes, kann ich nicht sagen. Ich
habe auf jeden Fall mit einem der beiden gespro-
chen. Ich habe gesagt: Hier habt ihr das Papier
noch mal zurück – im übertragenen Sinne.“1838
Im deutlichen Widerspruch dazu erklärte jedoch der Zeu-
ge Oberstleutnant K., der das INTSUM ursprünglich ers-
tellt und nachträglich auch verändert hatte, keineswegs
von der Führung der PRT Kunduz zu der Veränderung
des INTSUM angehalten worden zu sein. Er habe diese
Veränderung vielmehr allein nach
„deutlicher Einflussnahme telefonischer Art durch
RC North“,
also aus dem Verantwortungsbereich General Vollmers
und nicht etwa Oberst Kleins, vornehmen müssen. Von
dort sei er veranlasst worden, das INTSUM zu überarbei-
ten.
1839
Er sei dabei von seinem Vorgesetzten im RC
North nicht aufgefordert worden, einen bestimmten Satz
aus dem INTSUM zu streichen, sondern
„diese Frage der Zivilpersonen noch mal zu prü-
fen“
und sich noch einmal
„die Bedeutung dieser Aussage im politischen Um-
feld durch den Kopf gehen“
zu lassen.
1840
Dieses Gespräch sei ein längeres und „sehr eindringli-
ches“ gewesen.
1833) Vgl. Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 3.
1834 Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 5, 6 und 12.
1835 Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 12.
1836) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 49.
1837) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 6.
1838) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 10 f.
1839) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 60, 61 und 68.
1840) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 61.
Drucksache 17/7400 – 282 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Abweichend von der Darstellung des Zeugen Vollmer hat
der Zeuge K. noch nicht einmal davon berichten können,
dass diese Veränderung des INTSUM durch Oberst Klein,
den Chef des Stabes oder eine sonstige Person im PRT
Kunduz auch nur gebilligt worden sei. Es ist vielmehr
davon auszugehen, dass der veränderte Bericht unmittel-
bar durch den Zeugen K. wieder in das System eingestellt
wurde.
In der Beweisaufnahme stellte sich also letztlich heraus,
dass der Zeuge Vollmer noch im Ausschuss die wahren
Fakten zu verschleiern versuchte. Es gibt keinen Grund,
an den Aussagen des Zeugen K. zu zweifeln: Wäre er
wirklich von der Leitung des PRT – und nicht vom Stab
General Vollmers – aufgefordert worden, das INTSUM zu
verändern, hätte er dies ohne weiteres im Ausschuss so
bekunden können, ohne dass dies für ihn, das PRT oder
sonstige Stellen einen Nachteil bedeutet hätte. Seine Ein-
lassung, vom RC North zur Streichung der Passage über
mögliche zivile Opfer veranlasst worden zu sein, ist also –
im Gegensatz zu den Einlassungen des Zeugen Vollmer,
der ein großes Interesse daran hatte, sein eigenes Verhal-
ten zu rechtfertigen – sehr glaubhaft.
Insbesondere der Umstand, dass dem Zeugen K. durch
den Stab von General Vollmer bedeutet wurde, er müsse
sich die Bedeutung der Passage zu den möglichen zivilen
Opfern „im politischen Umfeld“ durch den Kopf gehen
lassen, lässt den Schluss zu, dass die Generäle Vollmer
und Glatz alles daran setzten, keine förmlichen Berichte
in der Hand halten zu müssen, die sie dazu zwingen könn-
ten, eventuell disziplinarische Ermittlungen gegen Oberst
Klein aufzunehmen.
Hierin zeigt sich, dass niemandem in der Generalität an
wirklicher Sachaufklärung gelegen war, sondern dass es
immer nur darum ging, möglichst keine Fakten zu schaf-
fen, die sich im Nachhinein für Oberst Klein als nachteilig
herausstellen könnten. Dafür wurde noch nicht einmal
davor zurückgeschreckt, offizielle NATO-Berichte nach-
träglich zum Vorteil von Oberst Klein verändern zu las-
sen.
Um dafür letztlich nicht die Verantwortung übernehmen
zu müssen, wurde der gesamte Vorgang durch den für
seine „Absicherungsmentalität“1841 bekannten General
Glatz in Kopie an das Büro des Generalinspekteurs wei-
tergereicht. Man wollte also – trotz bestehender Anhalt-
spunkte – selbst nicht gegen Oberst Klein ermitteln, daher
sorgte man für die Korrektur des INTSUM. Für den Fall,
dass später Verfehlungen doch noch offenkundig werden
sollten, wollte man aber einen Bericht haben, den General
Vollmer gegebenenfalls als Ausgangspunkt disziplinar-
rechtlicher Ermittlungen darstellen könnte, welche vom
Generalinspekteur gestoppt worden seien.
Genau so wurde auch vorgegangen: Die Generäle Vollmer
und Glatz versuchten im Ausschuss den Eindruck zu
erwecken, Vollmer habe mit der Entsendung des Feldjä-
gers bereits Ermittlungen gegen Oberst Klein eingeleitet,
1841) Vgl. etwa: Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 21.
die dann aber gestoppt worden seien, weil es die Weisung
aus Berlin gegeben habe, dass nationale Untersuchungen
erst im Anschluss an die ISAF-Untersuchungen durchge-
führt werden sollen.
1842
Mit dieser durchsichtigen Strategie versuchten die beiden
Zeugen davon abzulenken, dass sie mit der Veränderung
des INTSUM den einzigen förmlichen Anlass für eigene
disziplinarische Ermittlungen beseitigt hatten und dass
ihnen persönlich nichts ferner lag, als gegen Oberst Klein
jetzt auch noch ein förmliches Disziplinarverfahren zu
eröffnen.
Sie hatten vielmehr dafür Sorge getragen, dass der einzige
formale Anhaltspunkt für die Einleitung disziplinarer
Ermittlungen, nämlich die Formulierungen in dem besag-
ten INTSUM, zunächst aus der Welt geschafft worden
war.
Faktenwidrig wurde von beiden Zeugen versucht, den
Ausschuss davon zu überzeugen, dass die Untersuchun-
gen des Feldjägerführers im Einsatz, des Zeugen Br.,
wegen einer Weisung aus Berlin abgebrochen worden
seien.
1843
Der besagte Feldjägerführer hat im Ausschuss hingegen
glaubhaft bekundet, weder etwas davon mitbekommen zu
haben, dass sein Auftrag Teil disziplinarischer Ermittlun-
gen gewesen sein solle, noch dass diese Ermittlungen
vorzeitig abgebrochen worden seien.
1844
Es habe sich
auch keineswegs um eine „nationale Untersuchung“ ge-
handelt. Für ihn sei es „nichts anderes als die Sachverhalt-
sfeststellung und das Verdichten des Lagebildes für Gene-
ral Vollmer“ gewesen und diese habe er auch vollständig
abgeschlossen.
1845
Sich im Ausschuss damit zu brüsten, man habe ja schon
von Anfang an disziplinar ermitteln wollen und sei nur
durch eine Weisung aus Berlin davon abgehalten worden,
dürfte damit nachweislich in den Bereich der Märchen zu
verweisen sein.
Mit der klaren Aussage des Feldjägerführers im Einsatz,
dass er seine Arbeit keineswegs abgebrochen, sondern zu
Ende geführt habe, hat sich auch die wiederholte Behaup-
tung der Mehrheit, Generalinspekteur Schneiderhan habe
die Feldjägeruntersuchung eigenhändig „gestoppt“,1846 als
unwahr erwiesen.
c) Verschleierung im Pressestab gegenüber
der Öffentlichkeit
Ausführlich wurden die verschiedenen Verschleierungs-
bemühungen des Pressestabes im Bundesverteidigungs-
ministerium bereits dargestellt:
1842) Vgl. Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 65; Vollmer, Protokoll-
Nr. 12, Teil II, S. 26.
1843) Vgl. Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 64 f.; Vollmer, Protokoll-
Nr. 12, Teil II, S. 8, 26.
1844) Vgl. nur: Br., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11, 18 f., 37, 44.
1845) Br., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 44.
1846) Vgl. etwa Mehrheitsbewertung, S. 182 ff. und 203.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 283 – Drucksache 17/7400
– Leugnung ziviler Opfer, auch mit dem Ziel, Entschä-
digungsansprüche möglichst zu vermeiden.
– Vortäuschen von Zeitdruck bei der Entscheidung
zum Luftschlag durch falsche chronologische Dar-
stellungen.
– Falschmeldung zum bevorstehenden Angriff der
Lastwagen auf das PRT Kunduz trotz Widerspruch
zur eigenen Online-Meldung, die davon sprach, dass
der Treibstoff für eigene Zwecke in den Distrikt
Chahar Darrah verbracht werden sollte und Hinwei-
sen, dass die festgefahrenen Tanklaster in Brand ge-
setzt werden sollten.
– Erfinden einer so genannten „dritten Quelle“, angeb-
liche SIGINT des afghanischen Geheimdienstes, auf
die die Entscheidung zum Luftschlag gestützt worden
sei, für die Bundespressekonferenz vom 7. September
2009.
– Diffamieren des IAT-Berichts der NATO als „Reise-
bericht“ in den Bundespressekonferenzen vom 9. und
11. September 2009 und Verschleierung seiner Inhal-
te, insbesondere zu den offenkundigen Verstößen von
Oberst Klein gegen NATO-Einsatzregeln.
– Angebliche Ermordung eines der Fahrer wird als
Beleg für unmittelbare Bedrohung präsentiert, nicht
als möglicher Hinweis auf die Anwesenheit eines Zi-
vilisten am Tatort.
– Versuch der Leugnung, dass Tanklastwagen festge-
fahren waren (SMS von Malte Krause).
d) Sonstige Verschleierungsaktivitäten im
Ministerium
Neben den Aktivitäten des Pressestabes sind in der Be-
weisaufnahme noch weitere Vorgänge innerhalb des Mi-
nisteriums offenkundig geworden, die ebenfalls der Ver-
schleierung dienten:
aa) Einflussnahme auf die NATO-
Untersuchung
Nach Abschluss der Beweisaufnahme bleibt der Eindruck
bestehen, dass auch die Schaffung der so genannten
„Gruppe 85“ im Bundesministerium der Verteidigung
unter anderem dem Ziel diente, unerwünschten Entwick-
lungen im Zuge der NATO-Untersuchung entgegenzu-
wirken.
Selbst wenn die Arbeitsgruppe nach Aussagen von Staats-
sekretär Dr. Wichert allein der Aufgabe dienen sollte, das
JIB bzw. die NATO-Untersuchung zu unterstützen bzw.
seine Arbeit zu begleiten, wurde auf Nachfragen deutlich,
dass es auch darum ging, ein für Bundeswehr und Oberst
Klein nachteiliges Ergebnis zu verhindern.
Das deutsche Mitglied des JIB, der Zeuge Vo., berichtete
dem Ausschuss, dass er von den deutschen Kollegen, die
sich ihm gegenüber nie als organisierte Einheit zu erken-
nen gegeben hätten, keine sachdienlichen Informationen
erhalten habe. Deutsche Beiträge zur NATO-
Untersuchung seien auf diesem Wege nicht geleistet wor-
den. Dagegen sei er immer wieder zum Fortgang der
Untersuchung und möglichen Schlussfolgerungen befragt
worden.
Nur in zwei Fällen habe er von sich aus den Kontakt auf-
genommen. Zum einen habe er dabei den Feldjägerbericht
angefordert, von dem das JIB im Zuge von Zeugenbefra-
gungen erfahren hatte. Da der Bericht „nur Deutschen zur
Kenntnis“ gegeben werden sollte, wertete er den Bericht
im Oktober im Auftrag des Untersuchungsteams aus. Er
bestätigte dem Ausschuss, dass der Bericht nach seiner
Auffassung keine dem Untersuchungsteam zum damali-
gen Zeitpunkt nicht aus anderen Quellen bekannten Er-
kenntnisse enthielt. Daher sah das JIB von einer förmli-
chen Auswertung und Einbeziehung in den Bericht ab.
Zum anderen habe der Zeuge Vo. selbst nur einmal im
Auftrag des JIB den Rat der deutschen Kollegen gesucht,
als es um rechtliche Konsequenzen einer bestimmten
Untersuchungsrichtung gegangen sei. Bei diesem Mei-
nungsaustausch habe sich die Vermutung bestätigt, dass
ein solches Vorgehen zu einem Abbruch der NATO-
Untersuchung geführt haben würde, weil strafrechtliche
oder disziplinarische Sanktionen in Deutschland die Folge
gewesen wären.
In einem solchen Falle hätte die Untersu-
chung des Vorgangs von der NATO an den betroffenen
Mitgliedsstaat übergeben werden müssen. Daran hatten
beide Seiten kein Interesse, so dass dieser Untersuchungs-
strang vom JIB nicht weiter verfolgt wurde.
Um welche Frage es sich dabei genau handelte, ließ sich
in der Befragung nicht abschließend klären. Aber die
Schlussfolgerung liegt auf der Hand, dass es sich dabei
um Verfehlungen des Kommandeurs oder seiner Unterge-
benen bei der Entscheidung zum Luftangriff handelte, die
strafrechtlich oder disziplinarrechtlich zu verfolgen gewe-
sen wären. Und in dieser Beziehung hatte die Stellung-
nahme der „Gruppe 85“ Einfluss auf den Verlauf der
NATO-Untersuchung.
bb) Verschleierung der Beteiligung von Perso-
nen der „Task Force 47“
Erst nach der Veröffentlichung des NATO-
Untersuchungsberichts wurde in der Obleute-
Unterrichtung vom 6. November 2009 erstmals überhaupt
die Beteiligung der Spezialkräfte der „Task Force 47“ an
dem Luftangriff erwähnt. Die Öffentlichkeit erfuhr davon
erst einen Monat später durch einen Bericht der „„Bild“-
Zeitung“.1847
Zwar hat die Beweisaufnahme klar ergeben, dass es sich
bei dem Luftangriff nicht um eine verdeckte Operation
der TF47 handelte. Dennoch verbinden sich mit ihrer
Beteiligung viele wichtige Fragen. Durch die Führung aus
der Operationszentrale der TF47 war Oberst Klein nicht
1847) „Neue Details über den Luftschlag von Kunduz: Welche Rolle
spielte Elitetruppe KSK?“Bild, online-Ausgabe, 10. Dezember
2009.
Drucksache 17/7400 – 284 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
von seinem üblichen Stab und seinen Beratern umgeben.
Diese hätte er zur Unterstützung herüberbitten können,
doch unterließ er dies bewusst. Durch diese Konstellation
erlangten die Informationen bzw. der Ratschlag des in
jener Nacht ranghöchsten Offiziers der Task Force,
Hauptmann N., eine zentrale Bedeutung für die Abläu-
fe.
1848
Die Beteiligung der TF47 bzw. zumindest einiger ihrer
Mitarbeiter, hatte somit Einfluss auf die Geschehnisse
jener Nacht. Dennoch wurden Parlament und Öffentlich-
keit über diesen Zusammenhang solange im Unklaren
gelassen, bis sich dies angesichts der Hinweise im
NATO-Untersuchungsbericht nicht mehr leugnen ließ.
cc) Verweigerung einer nationalen Untersu-
chung nach Eingang des COM ISAF-
Berichts
Wie wenig dem Bundesministerium der Verteidigung an
einer wirklichen Aufklärung der Vorgänge gelegen war,
zeigt sich an dem Verzicht auf eine nationale Untersu-
chung bzw. einen eigenen Bericht zum Vorgang. Die
ursprüngliche Entscheidung von Anfang September, der
NATO-Untersuchung den Vortritt zu lassen, weil diese
auch Zugang zu den US-Piloten haben würde, ist noch
nachvollziehbar.
Dagegen ist kaum nachvollziehbar, warum der Faden
nach Abschluss der NATO-Untersuchung nicht noch
einmal aufgenommen wurde. Denn zu den Gründen für
das desaströse Krisenmanagement und die fehlerhafte
Information von Öffentlichkeit und Parlament machte der
NATO-Bericht überhaupt keine Aussagen. Hier eine
schonungslose Bilanz und die nötigen Lehren zu ziehen,
wäre die originäre Aufgabe des Ministeriums gewesen,
um Ähnliches bei Auslandseinsätzen in der Zukunft zu
vermeiden.
e) Verschleierung gegenüber dem Parlament
Das Gefühl einer Verpflichtung zu besonderer Loyalität
gegenüber Oberst Klein wirkte sich auch negativ auf die
Information des Parlamentes aus. Während nach Vorlie-
gen des IAT-Berichts und der Feststellung eines ausrei-
chenden Anfangsverdachts für eine förmliche NATO-
Untersuchung durch das JIB zivile Opfer nicht generell
ausgeschlossen wurden, hielt man sich bei dem zweiten
Themenkomplex des IAT-Berichts zunächst bedeckt: der
Kritik an möglichen Verletzungen der NATO-
Einsatzregeln durch Oberst Klein und seine Besatzung.
Kritische Stellungnahmen wurden weder bei schriftlichen
noch bei den mündlichen Unterrichtungen der Bundes-
tagsgremien, insbesondere des Verteidigungsausschusses
und seiner Obleute, im Zeitraum vom 8. bis 11. Septem-
ber deutlich dargestellt. Sie wurden selbst dann nicht
angesprochen, wenn dazu in den Sprechzetteln entspre-
chende Ausführungen vorgesehen worden waren.
1848) Vgl. hierzu ausführlich oben ab Seite 226 ff.
Generalinspekteur Schneiderhan räumte im Ausschuss
ein, dass erst nach seiner Rückkehr von seiner Afghanis-
tan-Reise ab dem 16. September 2009 den Obleuten darü-
ber berichtet wurde, dass beispielsweise die Luftbilder
nicht dazu geeignet gewesen waren, die Anwesenheit von
Waffen nachzuweisen, oder die Anwesenheit von Zivilis-
ten auszuschließen. Er sei nach den Gesprächen mit
Oberst Klein und seinen Vorgesetzten bei ISAF mit der
Überzeugung zurückgekehrt, dass Fehler bei der Ent-
scheidung zum Luftangriff gemacht worden seien.
Trotz der Bitte von Mitgliedern des Verteidigungsaus-
schusses, Ihnen den IAT-Bericht im Original zur Verfü-
gung zu stellen, entschied sich Bundesminister Dr. Jung
dagegen.
1849
Staatsekretär Dr. Wichert begründete diesen
Schritt formal damit, dass es sich um ein geheimes
NATO-Dokument gehandelt habe, und die Exekutive
generell nicht zur Herausgabe von Akten gegenüber der
Legislative verpflichtet sei.
Mit der Übergabe der Akten an den Untersuchungsaus-
schuss ist heute jedoch offensichtlich, dass schon damals
die Mängel in der Unterrichtung des Parlamentes zu Tage
getreten wären, und dies in der Situation des Bundestags-
wahlkampfs zu heftiger Kritik an der Bundesregierung,
insbesondere am Verteidigungsminister, Anlass geboten
hätte.
Nach der Beweisaufnahme ergibt sich ein erschreckender
Befund: Der Deutsche Bundestag wurde nur scheibchen-
weise über den Luftangriff unterrichtet. Informiert wurde
allein über einzelne Sachverhalte, die bereits öffentlich
bekannt geworden und damit nicht mehr zu leugnen war-
en. Auch in diesen Fällen erfolgte die Unterrichtung häu-
fig noch unvollständig. Diese Taktik diente zum einen
dem Zweck, den deutschen PRT-Kommandeur vor Kritik
zu schützen, zum andern dazu, die Fehler des Ministe-
riums in der Aufarbeitung des Vorfalls sowie die irrefüh-
renden Darstellungen gegenüber der Öffentlichkeit solan-
ge wie möglich zu kaschieren. Verantwortlich für diese
unangemessene Unterrichtung des Parlaments waren vor
allem der damalige Bundesminister Dr. Jung, Generalin-
spekteur Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Wichert.
Dabei wurde aber wenigstens nicht so verfahren wie im
Pressestab, und den Abgeordneten immerhin keine be-
wusst falschen Informationen übermittelt, sondern nur auf
die Übermittlung eigentlich wichtiger Informationen
bewusst verzichtet.
Staatssekretär Dr. Wichert begründete die schleppende,
selektive Informationspolitik mit dem Hinweis, man habe
dem Parlament nur „bewiesene Tatsachen“ präsentieren
wollen, um nicht der Lüge bezichtigt zu werden.
Dies mag eventuell der bis dahin üblichen Verfahrenswei-
se im Ministerium entsprochen haben, jedoch stellt dies
keinen angemessenen Umgang mit dem Parlament dar.
1850
Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind durchaus in
1849) Infolge des politischen Drucks wurde der Bericht am 11. Septem-
ber 2009 den Fraktionsvorsitzenden über die Geheimschutzstelle
des Bundestages zugänglich gemacht.
1850) Dr. Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 73, 109.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 285 – Drucksache 17/7400
der Lage, auch die Information aufzunehmen, dass es
bestimmte noch nicht verifizierte Hinweise in bestimmte
Richtungen gibt. Es kommt immer auf die Art der Unter-
richtung an, ob diese hinreichend differenziert und über-
zeugend erfolgt. In der Praxis des Ministeriums wurde
deutlich, dass man das Parlament im Unklaren lassen
wollte.
Eine genauere Analyse der Obleute-Unterrichtungen
zeigt, dass es sich bei der mangelhaften Unterrichtung des
Bundestages nicht um punktuelle Versäumnisse, sondern
um ein eher systematisches Vorgehen handelte:
Die Obleute-Unterrichtung vom 4. September 2009
enthielt keinerlei Angaben zu möglichen zivilen Opfern
und keinen Hinweis auf die parallele Veröffentlichung
von Zahlen durch die Bundeswehr im Internet („56 Auf-
ständische wurden getötet“).1851 Ebenso wenig fand sich
darin ein Hinweis auf die von der Linie des BMVg ab-
weichende Stellungnahme der NATO vom gleichen Tage:
„ISAF has received information that civilians were killed
and injured.“1852 Die Information ging nicht an das Par-
lament, obwohl der Zeuge Glatz aussagte, dass er diese
Mitteilung über den Adjutanten des Generalinspekteurs
mit dem Hinweis, dass diese Information für die Obleute-
Unterrichtung bestimmt sei, weitergeleitet bekommen
habe.
1853
Gegenüber dem Ausschuss stellte der Zeuge Schneider-
han dar, dass dies eine seiner ersten Interventionen gewe-
sen sei, auf Änderungen im Kommunikationsverhalten
des Verteidigungsministeriums hinzuwirken.
Befremdlich wirkt es, dass der Zeuge Dr. Jung keinen
Widerspruch darin sehen wollte, dass er in der ersten
Obleute-Unterrichtung vom 4. September 2009 keine
Zahlen zu den Opfern nannte, weil es keine gesicherten
Angaben gegeben habe, während zeitgleich das Verteidi-
gungsministerium im Internet solche Zahlen verbreitete,
ohne dass er dagegen vorging.
1854
Obwohl bereits am 4. September 2009 durch den Bericht
des PsyOpsTeams des Zeugen Be. eigene Hinweise auf
mögliche zivile Opfer im BMVg vorlagen, wurden die
Obleute darüber erst am 7. September 2009 informiert.
1855
Die Obleute-Unterrichtung vom 5. September 2009 be-
schränkte sich auf die Aussage, dass die Untersuchung
des IAT andauere. Sie berichtete weder über Hinweise auf
zivile Opfer vom Vortag noch über die öffentliche Stel-
lungnahme des COM ISAF oder die detaillierte Schilde-
rung der Vorgänge durch den schriftlichen Bericht Oberst
Kleins vom gleichen Tage.
1856
Auch die Obleute-Unterrichtung vom 7. September 2009
verschwieg Informationen zum IAT-Bericht, dessen zent-
1851) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 24-27.
1852) PM des HQ ISAF, die per E-Mail um 9.26 Uhr an den Stellv.
Pressesprecher KzS Dienst (Dokument 85), Mat. 17-21a, Ordn. 1,
S. 24-26, hier S. 26.
1853) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil I, S. 63.
1854) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 50.
1855) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 5-9.
1856) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 4.
rale Inhalte im Ministerium zu diesem Zeitpunkt durch
den Bericht des deutschen Mitglieds Oberst Ne. bereits
bekannt waren. Insbesondere fehlen Hinweise auf die
Einschätzung, dass es höchstwahrscheinlich zivile Opfer
und Verfahrensverstöße gegeben habe, obwohl die Süd-
deutsche Zeitung darüber bereits berichtet hatte. Der
Schwerpunkt der Berichterstattung lag statt dessen auf der
am Vortag übermittelten Stellungnahme afghanischer
Offizieller der Provinz Kunduz vom 4. September, es
seien nur „regierungsfeindliche Kräfte getötet worden“. In
diesem Zusammenhang ging die Unterrichtung jedoch
immerhin erstmals auf die Opferzahlen vom 4. September
und die Indizien für jugendliche Verletzte im Kranken-
haus Kunduz ein.
1857
In der mündlichen Obleute-Unterrichtung sowie den Sit-
zungen des Verteidigungs- und Auswärtigen Ausschusses
am 8. September 2009 wurde erstmals eingehend über
den IAT-Bericht informiert, insbesondere über dessen
Ermittlungen zu den Entscheidungsprozessen im PRT und
zu zivilen Opfern.
Die Obleute-Unterrichtung vom 9. September 2009 be-
richtete kursorisch über den Eingang des IAT-Berichts im
BMVg, über dessen Votum für eine förmliche Untersu-
chung durch das JIB, um offene Fragen zu klären und
Empfehlungen zur Ergänzung der Einsatzregeln zu lie-
fern. Die Kritik an zivilen Opfern und möglichen Verfah-
rensverstößen Oberst Kleins wurde in der Obleute-
Unterrichtung jedoch weiter verschwiegen.
1858
Generalinspekteur Schneiderhan informierte die Obleute
erst am 16. September 2009 nach seiner Rückkehr aus
Kunduz mündlich darüber, dass sich die Anwesenheit von
Zivilisten anhand der Luftbilder der F-15 nicht ausschlie-
ßen ließ, und lieferte damit den ersten Hinweis auf Zwei-
fel an der Entscheidung Oberst Kleins von Seiten des
BMVg gegenüber dem Parlament.
1859
Von den Sprechzetteln für die vorhergehenden mündli-
chen Obleute-Unterrichtungen vom 8. und 11. September
2009, welche den IAT-Bericht ausführlich darstellten und
erstmals auf mögliche Regelverletzungen durch Oberst
Klein hinwiesen (mit Festfahren der LKWs entfiel „un-
mittelbare Bedrohung“), machten seinerzeit weder er
noch der Minister Gebrauch.
1860
Nach dieser Analyse der Unterrichtungen des Bundesta-
ges durch das BMVg kann man zunächst durchaus der
Einschätzung des Zeugen Dr. Raabe zustimmen, der
gegenüber dem Ausschuss feststellte, der Inhalt der Ob-
leute-Unterrichtungen hinke generell hinter der Bericht-
erstattung in den Medien hinterher und falle „relativ dürf-
tig“ aus.1861 Der Unterschied zu seiner Strategie der Un-
terrichtung der Öffentlichkeit lag jedoch darin, dass den
1857) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 5-9.
1858) Dokument 139, S. 10-12.
1859) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 15.
1860) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 28-52; Mat. 17-21a, Ordn. 2, S. 57-63,
hier S. 60 und S. 51.
1861) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7.
Drucksache 17/7400 – 286 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Abgeordneten zumindest keine falschen Informationen
unterbreitet wurden.
Insgesamt ist festzustellen, dass nicht nur der Luftangriff
selbst „nicht angemessen“ war, sondern dass diese Bewer-
tung vor allem für die Art und Weise des Umgangs des
Verteidigungsministeriums mit dem Parlament gelten
muss. Hier muss die Zukunft erweisen, ob sich der neue
Verteidigungsminister eines anderen, ehrlicheren Um-
gangs mit dem Parlament verpflichtet fühlt.
VII. Freiherr zu Guttenberg: Illusion und Insze-
nierung
Während die Probleme im Bundesministerium der Vertei-
digung zur Amtszeit von Minister Dr. Jung tieferliegende
strukturelle Ursachen hatten, die im Rahmen dieses Son-
dervotums ausdrücklich adressiert werden mussten, be-
darf es einer solchen tiefergehenden Auseinandersetzung
mit den Fehlern und Missständen zur Amtszeit des Frei-
herrn zu Guttenberg nach dessen Rücktritt von allen poli-
tischen Ämtern eigentlich nicht.
Dies liegt daran, dass es sich dabei vor allem um Proble-
me seiner persönlichen „nassforschen Selbstherrlich-
keit“1862 handelte. Insofern sind aus diesen persönlichen
Verfehlungen keinerlei nachhaltige Lehren in der Sache
zu ziehen.
Nachdem die Mehrheit jedoch den Schwerpunkt ihrer
Bewertung auf eine nachträgliche Rechtfertigung des
Verhaltens des damaligen Ministers gelegt hat und dafür
die von diesem begonnene ungerechtfertigte und unans-
tändige Verleumdung des damaligen Generalinspekteurs
Schneiderhan und des damaligen Staatssekretärs
Dr. Wichert perpetuiert, diese hätten aus purem Eigennutz
den Verteidigungsministern jahrelang wichtige Informa-
tionen vorenthalten, kann doch nicht ganz auf eine Be-
wertung zumindest einiger Aspekte des Vorgehens des
Freiherrn zu Guttenberg in seiner Zeit als Bundesminister
der Verteidigung verzichtet werden.
1. Zur Bewertung des Luftangriffs als „zwin-
gend“
Die erste öffentliche Aktivität des Freiherrn zu Gutten-
berg in Sachen „Luftangriff von Kunduz“ war am 6. No-
vember 2009 zu verzeichnen. Hier wollte der damalige
Verteidigungsminister, der gerade erst wenige Tage im
Amt war, sich selbst öffentlich zum Luftangriff äußern
und dabei über die zuvor vom Generalinspekteur abgege-
bene Bewertung des Luftangriffs als „in operativer Hin-
sicht militärisch angemessen“ hinausgehen. Er ver-
objektivierte die Bewertung des Generalinspekteurs, in-
dem er den Militärschlag allgemein als „militärisch an-
gemessen“ bezeichnete und zusätzlich öffentlich bekun-
dete:
1862) So jedenfalls die eingängige Bewertung von Arnulf Baring, in:
„Welt am Sonntag“ vom 6. März 2011: „Ein Mogelpeter vor dem
Herrn“.
„Ich darf allerdings auch sagen, dass ich nach
meiner Einschätzung zu dem Schluss komme:
Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben
hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müs-
sen.“1863
Für diese starke Ausweitung der zuvor mit Bedacht zu-
rückhaltend gewählten Formulierung gab es keinerlei
sachliche Gründe. Es liegt nahe, dass dieses Vorgehen des
damaligen Ministers dem Ziel diente, sich zu Beginn
seiner Amtszeit möglichst schnell mit einem solch umfas-
senden „Freispruch“ von Oberst Klein bei den Soldatin-
nen und Soldaten beliebt zu machen.
Dabei erschließt sich die Logik dieser Aussage bis heute
nicht. Denn wie oben ausführlich erörtert, hätte es ohne
Verfahrensfehler niemals zu dem Luftangriff kommen
können. Beispielsweise hätte schon die Luftunterstützung
durch die F15-Bomber nicht angefordert werden dürfen
und andere NATO-Stellen hätten in den Waffeneinsatz
eingebunden werden müssen.
Insofern ist es auch verständlich, wenn die Mehrheit diese
logischen Untiefen mit der Feststellung umschifft, dass
Freiherr zu Guttenberg mit dieser Aussage
„seine politische Unterstützung für den (…) um-
sichtig handelnden Oberst Klein zum Ausdruck
bringen wollte“.1864
Nachdem sich später herausstellte, dass diese Formulie-
rung wegen des durch die „Bild“-Zeitung mit der Veröf-
fentlichung des Feldjägerberichts ausgeübten öffentlichen
Drucks auf den Minister nicht mehr aufrechterhalten
werden konnte, musste ein Schuldiger für diesen Fauxpas
gefunden werden.
Und so wundert es nicht, dass Freiherr zu Guttenberg im
Untersuchungsausschuss erstmals den wirklich Verant-
wortlichen für diesen Fehltritt präsentiert hat, nämlich
Generalinspekteur Schneiderhan:
„Ich berichtete (…) noch von einem Telefonat, das
ich am Vorabend mit General Schneiderhan ge-
führt hatte, der sich zu diesem Zeitpunkt auf einer
Dienstreise in Bratislava befand. Dabei hatte ich
mich mit General Schneiderhan auf diese Linie
und den konkreten Wortlaut verständigt und ihm
auch mitgeteilt, dass ich so gegenüber der Öffent-
lichkeit zu argumentieren beabsichtige. Wohlge-
merkt: General Schneiderhan äußerte mir gegenü-
ber keinerlei Einwände, auch nicht bezüglich einer
der Formulierungen.“1865
Damit die Schuldzuweisung nicht ganz so auffällig wirkt,
wurde an anderer Stelle der Vernehmung dann noch ein-
geflochten, dass es sich bei diesem Zusatz doch um seine
eigene Formulierung gehandelt habe:
1863) Pressestatement des Ministers Freiherr zu Guttenberg zum The-
ma ISAF-Untersuchungsbericht zum Luftangriff am 04. Septem-
ber 2009 im Raum Kunduz (Dokument 155) S. 2.
1864) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 188.
1865) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8 (Hervorhe-
bungen nur hier).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 287 – Drucksache 17/7400
„Das ist eine Formulierung, die jetzt kein Vor-
schlag war von der militärischen oder zivilen Spit-
ze des Hauses oder jener, die mich damals beraten
haben, sondern die von mir persönlich
stammt.“1866
Jedoch lässt er keinen Zweifel daran, dass er genau diese
Formulierung Schneiderhan wortwörtlich am Telefon
vorgelesen und dieser nicht die geringsten Einwände
erhoben habe:
„Also, auf jeden Fall erinnere ich mich, dass ich
die wesentlichen Sätze ihm wörtlich vorgelesen
habe. (…) Dabei hatte ich mich mit ihm auf diese
Linie und den konkreten Wortlaut verständigt und
ihm auch mitgeteilt, dass ich so gegenüber der Öf-
fentlichkeit zu argumentieren beabsichtige. So war
es.“1867
Dieser Darstellung der Geschehnisse wurde im Ausschuss
durch den Zeugen Schneiderhan energisch widerspro-
chen: Bei dem Telefonat am 5. November 2009, bei dem
er sich in einem Hotelzimmer in Bratislava aufhielt, habe
ihm der Minister nur sinngemäß erklärt, er werde ihn
hinsichtlich seiner eigenen Bewertung des Vorfalls in der
vergangenen Woche „nicht im Regen stehen lassen“. Er –
der Zeuge Schneiderhan – habe keine Empfehlung aus-
gesprochen, dass es selbst dann, wenn es keine Verfah-
rensfehler gegeben haben würde, zum Luftschlag hätte
kommen müssen. Auch sei ihm nichts „vorgelesen“ wor-
den:
„Ich habe nicht gemerkt, dass der Minister mir
was vorliest, und ich kann mich auch nicht daran
erinnern, dass der Minister mich auf diesen Punkt
aufmerksam gemacht hätte. (…) Das habe ich so
nicht wahrgenommen, dass es hier um eine Ab-
stimmung zu einem ganz wesentlichen Punkt geht,
wo der Minister meine Zustimmung gesucht hat.
Das habe ich aus diesem Gespräch nicht entnom-
men.“1868
„Wenn der Minister mir gesagt hätte: „Passen Sie
auf, ich gehe da weiter“, also ausgedrückt hätte,
was der Zweck dieses Gespräches ist, bin ich si-
cher, ich hätte es gemerkt. So, muss ich Ihnen sa-
gen, habe ich nicht gemerkt, dass ich abstimme mit
dem Minister, dass er in seiner Presseerklärung
über meine Beurteilung hinausgeht.“1869
Die Darstellung des Zeugen Schneiderhan erscheint nicht
nur auf den ersten Blick glaubhafter als die des Freiherrn
zu Guttenberg: Der Zeuge Schneiderhan hatte im Aus-
schuss wiederholt nachvollziehbar dargestellt, welche
Brisanz seine eigene öffentliche Erklärung zur Bewertung
des Luftangriffs als „in operativer Hinsicht militärisch
1866) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 29.
1867) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 29.
1868) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, S. 30.
1869) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, S. 21.
angemessen“ hatte und wie jedes seiner Worte „mehrfach
rumgedreht und ausgetüftelt“1870 worden sei.
Es ist nicht plausibel, dass der Generalinspekteur, der dies
als „Ritt auf der Rasierklinge“1871 beschrieben hatte, eine
solch weitreichende und unlogische neue Formulierung
am Telefon einfach so goutiert haben soll. Ebenso wenig
plausibel erscheint es, dass der Minister dem Generalin-
spekteur in Bratislava am Mobiltelefon ein anderthalb
Seiten umfassendes
1872
Redemanuskript vorliest und von
diesem „absegnen“ lässt, ohne ihm den Text zuvor in das
Hotel zu faxen, wenn es ihm wirklich darum gegangen
wäre, die Meinung des Generalinspekteurs zu einer so
weitreichenden Neupositionierung zu erfahren.
Zudem findet sich dieses angebliche Redemanuskript mit
den angeblich handschriftlichen Ergänzungen des Minis-
ters, das er General Schneiderhan vorgelesen haben will,
nicht in den an den Ausschuss übermittelten Akten. Die
Zusage des Zeugen Freiherr zu Guttenberg in seiner
Vernehmung, das Manuskript dem Ausschuss nachträg-
lich zur Verfügung zu stellen,
1873
hat der damalige Minis-
ter dann leider auch nicht eingehalten.
Insgesamt war festzustellen, dass der damalige Minister
wenig zur Aufklärung beigetragen und in seiner Verneh-
mung im Ausschuss auf konkrete Nachfragen von Aus-
schussmitgliedern nur immer wieder darauf bestand, eine
entsprechende Passage aus seinem vorformulierten Ein-
gangsstatement erneut vorzulesen.
1874
Naheliegender ist die Annahme, dass Freiherr zu Gutten-
berg seine neue Formulierung nachträglich zu rechtferti-
gen versuchte, um auch hierfür die Verantwortung abzu-
schieben. Gleichzeitig aber noch damit zu kokettieren, mit
welcher menschlichen Größe er doch zu seinen eigenen
Fehlern stehe,
- „In allen meinen Gesprächen mit Soldaten habe
ich festgestellt, dass sie Verständnis dafür haben,
wenn auch ein Minister zugibt, mal einen Fehler
gemacht zu haben, und sich korrigiert, ebenso wie
diese selbst bereit sind, zu militärischen Fehlern
zu stehen.“1875 -
hinterlässt einen faden Beigeschmack. Wenn er diese
Größe wirklich gehabt hätte, hätte es dieser konstruierten
Abschiebung der sachlichen Verantwortung auf Schnei-
derhan kaum gebraucht.
Schon früh zeigt sich, dass Freiherr zu Guttenberg vor
allem ein Meister der „Illusionspolitik“ war. Er vermochte
es, die Illusion von sachlicher Kompetenz und Lernfähig-
1870) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, S. 21.
1871) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, S. 37.
1872) So jedenfalls die Länge der Tonbandabschrift des tatsächlich
gehaltenen Statements, Mat. 17-21a, Ordn. 3, S. 165 f.
1873) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 70.
1874) Vgl. nur beispielhaft: Protokoll-Nr. 18, S. 20 [re. Spalte]; S. 21
[li. Spalte]; S. 25 [li. Spalte]; S. 27 [li. Spalte]; S. 30 [re. Spalte];
S. 33 [re. Spalte]; S. 39 [li. Spalte]; S. 42 [li. Spalte]; S. 43 [re.
Spalte]; S. 51 [li. Spalte]; S. 52 [re. Spalte]; S. 67 [li. Spalte un-
ten]; S. 78 [li. Spalte unten].
1875) Freiherr zu Guttenberg, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
25. Januar 2010.
Drucksache 17/7400 – 288 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
keit, von Verantwortungsbereitschaft und Gradlinigkeit,
von Aufrichtigkeit und moralischer Unbestechlichkeit, zu
erzeugen, obwohl sich objektiv geradezu das Gegenteil
manifestierte, wenn man nur genauer hinschaute.
Die Mehrheit ist nach wie vor in dieser Illusion verfan-
gen, applaudiert dem tadellosen Charakter zu Gutten-
bergs, mit dem er öffentlich den eigenen Fehler der fal-
schen Bewertung einräumt,
1876
folgt ihm aber gleichzeitig
auf dem Pfad, die eigentliche Verantwortung für diesen
Fehler auf andere abzuschieben.
Das Telefonat mit Schneiderhan in Bratislava bildet für
die Mehrheit nur den Einstieg. Die erste Bewertung des
Ministers soll einzig und allein „der lückenhaft erfolgten
Beratung“ durch Generalinspekteur Schneiderhan und
Staatssekretär Dr. Wichert geschuldet sein.
1877
Es soll –
aus welchen „Unterlagen“ auch immer – festzustellen
sein, dass die Beratung durch den Generalinspekteur „in
wesentlichen Punkten lückenhaft bzw. unvollständig“
gewesen sei.
1878
„Problematische Elemente und Berichte“
seien einfach nicht erwähnt worden. Es sei dem neuen
Minister durch eine „selektive Auswahl der Informationen
und Argumente“ ein „faktisch unkorrektes Bild der in den
Berichten bereits kritischer beschriebenen Lage vermit-
telt“ worden.1879
Bei alledem wird von der Mehrheit unterschlagen, dass
der Minister den vollständigen COM ISAF-Bericht, der
all die von ihr in der Beratung von Schneiderhan und
Dr. Wichert so vermissten kritischen Elemente enthielt,
angeblich selbst ausführlich gelesen haben will. Im Ver-
teidigungsausschuss,
1880
in der Öffentlichkeit, aber auch
in seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss unter
Wahrheitspflicht gab Freiherr zu Guttenberg an, den
COM ISAF-Bericht intensiv studiert zu haben:
„Den COM ISAF-Bericht habe ich, wie ich schon
dargestellt habe, in der Zeit, als ich diesen Kurzur-
laub nach dem 30. Oktober angetreten hatte - - In
der Zeit 30. Oktober bis 3. November habe ich
mich sehr intensiv mit diesem Bericht befasst. (…)
Die Anlagen hatte ich sozusagen in den Tagen des
Kurzurlaubs nicht dabei. Ich hatte mich allerdings
zwischen dem 03. und 06. sehr, sehr intensiv auch
mit diesen Anlagen befasst und immer wieder auch
die Anlagen mir herbeigezogen, wobei - Sie ken-
nen ja die Anlagen auch - manche von denen für
einen Laien und auch für manchen Fachmann
schier unverständlich sind mit den Abkürzungen
und ähnlichen Dingen, die da laufen.
Aber überall dort, wo ich es aus dem Bericht he-
raus - er ist ja auch sehr umfangreich mit seinen
1876) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 187.
1877) So das Mehrheitsbewertung auf S. 188 ff.
1878) So das Mehrheitsbewertung auf S. 188.
1879) So das Mehrheitsbewertung auf S. 189.
1880) „Im Hinblick auf den COM ISAF-Bericht wolle er nochmals
klarstellen, dass er sich nicht allein auf den militärischen Rat-
schlag verlassen habe. Er vertraue durchaus auf seine Fähigkeit
zu lesen und eigene Bewertungen abzugeben.“, Kurzprotokoll der
3. Sitzung vom 27.11.2009 (Dokument 163).
70 plus Seiten - für nötig erachtet habe, dass man
da noch mal die Anlage heranzieht, um sich die
Frage zu stellen, die Dinge auch noch mal zu ver-
tiefen, habe ich das in den Tagen auch ge-
macht.“1881
Für jeden, der die ersten sieben Seiten des COM ISAF-
Berichts, der eine hervorragende Zusammenfassung des
Geschehens und sämtlicher in dieser Nacht begangenen
Verstöße gegen die ISAF-Einsatzregeln enthält, auch nur
kursorisch überflogen hat, steht unumstößlich fest, dass
die Aussage, wie sie Freiherr zu Guttenberg am 6. No-
vember 2009 öffentlich getroffen hat, nicht mit diesem
Bericht in Einklang zu bringen ist.
Wegen der nach wie vor bestehenden Geheimhaltungs-
verpflichtung hinsichtlich der genauen Inhalte dieses
Berichts ist es hier nicht möglich, einzelne Formulierun-
gen beispielhaft anzuführen. Es kann jedoch deutlich
gesagt werden, dass es keinesfalls des intensiven Stu-
diums der gesamten über 70 Seiten des Berichts und aller
seiner Anlagen bedarf, um seine Essenz zu erfassen. Nach
einfachem Lesen der ersten sieben Seiten des Berichts
muss selbst ein militärischer Laie zu dem Schluss kom-
men, dass dieser Luftangriff weder angemessen noch
verhältnismäßig war.
Es ist zu vermuten, dass selbst die Mehrheit dem damali-
gen Minister nicht abnimmt, dass er auch nur die Zusam-
menfassung gelesen hat, wenn sie das angeblich intensive
Studium des Berichts durch Freiherr zu Guttenberg nicht
mit einem Wort erwähnt.
Die Annahme drängt sich auf, dass der damalige Minister
auch hier wieder allein die „Illusion“ eigener umfangrei-
cher Sacharbeit vermittelt hat, die es aber in der Realität
kaum gegeben haben dürfte. Näher liegt vielmehr die
Annahme, dass der damalige Minister sich ausschließlich
der achtseitigen Bewertung des Berichts durch den Ein-
satzführungsstab bedient hatte, die in der Tat ein eher
geschöntes Bild des COM ISAF-Berichts vermittelt.
Aber selbst dieser Vermerk, der sich im Grunde kaum von
der Bewertung der Ausschussmehrheit heute unterschei-
det, die ja ebenfalls für die wenigen von ihr benannten
Verfahrensverstöße immer eine entsprechende Rechtferti-
gungslitanei aus dem Blickwinkel von Oberst Klein lie-
fert,
1882
gibt mit keiner Silbe Anlass zu der Bewertung des
damaligen Ministers vom 6. November 2009, den Luft-
angriff sozusagen als „unausweichlich“ oder „zwingend“
zu bezeichnen.
Fest steht damit, dass die erste Bewertung des Freiherrn
zu Guttenberg, der Luftschlag habe auch bei Beachtung
aller Verfahrensvorschriften erfolgen müssen, allein durch
diesen selbst zu verantworten ist und die Schuld daran
nicht auf andere Personen abgeschoben werden kann.
Freiherr zu Guttenberg hätte gut daran getan, genau dies
1881) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.
1882) Und so räumt die Mehrheit selbst ein, dass „eine sorgfältige
Prüfung der seinerzeit zur Verfügung stehenden Fakten bei der
Bewertung „militärisch angemessen“ nicht in Abrede gestellt
werden könne; vgl. Mehrheitsbewertung, S. 189.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 289 – Drucksache 17/7400
auch offen einzuräumen, statt mit dem sprichwörtlichen
„Finger“ auf andere zu zeigen und gleichzeitig mit der
eigenen Fähigkeit zur ehrlichen Selbsteinsicht gegenüber
den Soldatinnen und Soldaten zu kokettieren.
2. Die angeblich „vorenthaltenen“ wichtigen
Dokumente
Selbstverständlich steht es einem jeden Verteidigungsmi-
nister frei, seine Staatssekretäre und auch den Generalin-
spekteur jederzeit ohne Angabe von Gründen nach Einho-
lung einer Stellungnahme der Bundeskanzlerin zu entlas-
sen oder in den (einstweiligen) Ruhestand zu versetzen,
wenn er dies politisch für opportun hält. Genau so ist auch
der heutige Verteidigungsminister Dr. Thomas de Mai-
zière mit dem beamteten Staatssekretär Walther Otremba,
der als Vertrauter seines Vorgängers für die unausgegore-
ne Strukturreform der Bundeswehr zuständig gewesen
war, verfahren, als er sich unmittelbar nach Übernahme
des Amtes von diesem getrennt hat. Dabei hat sich Dr. de
Maizière einer öffentlichen Begründung dieses Schrittes
enthalten.
Im Gegensatz dazu wurde die „Entlassung“ von Staats-
sekretär Dr. Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan
durch den damaligen Minister Freiherr zu Guttenberg
wiederholt sowohl im Parlament und gegenüber den Sol-
datinnen und Soldaten
1883
als auch öffentlich begründet
und den beiden Personen wurden gröbste Verfehlungen
vorgeworfen: Beide hätten ihm „selbst auf Nachfragen
noch Informationen vorenthalten“1884 oder gar Dokumente
„unterschlagen“1885.
Auch im Plenum des Deutschen Bundestages begründete
der damalige Minister seine „Neubewertung“ des Luft-
angriffs von Kunduz vor allem mit einem „durch das
Vorenthalten der Dokumente leider mangelnde[n] Ver-
trauen gegenüber damaligen Bewertungen“.1886
Freiherr zu Guttenberg ließ in den Tagen und Wochen
nach der Veröffentlichung des Feldjägerberichts durch die
„Bild“-Zeitung kaum ein Interview oder eine Talkshow
aus, um sich dort abfällig über die beiden Untergebenen
und ihre vorgebliche vorsätzliche Irreführung des Minis-
ters durch das Vorenthalten wichtigster Dokumente und
angeblich unzureichenden militärischen Ratschlag zu
äußern.
Diese massive PR-Kampagne des damaligen Ministers
diente dabei nur einem einzigen Zweck: es sollte auch
hier wieder eine „Illusion“ erzeugt werden, und zwar die,
1883) Im Rahmen des Tagesbefehls vom 26. November 2009 begründe-
te er die Trennung von beiden Untergebenen mit „Versäumnissen
bei der Aufarbeitung der Abläufe der Luftangriffe in Kunduz,
Afghanistan, vom 4. September 2009“ (Dokument 14).
1884) Vgl. Protokoll der 3. Sitzung des Verteidigungsausschusses vom
27. November 2009 (Dokument 163), S. 27; in der ARD bei
„Beckmann“ am 14. Dezember 2009: „die große Anzahl vor-
enthaltener Berichte“.
1885) So Freiherr zu Guttenberg im ZDF bei „Maybritt Illner“ am 10.
Dezember 2009.
1886) Stenografisches Protokoll der 9. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 3. Dezember 2009 (Dokument 166), S. 681 f.
dass die inzwischen öffentlich nicht mehr haltbare Bewer-
tung des Luftangriffs als „angemessen“ oder gar „zwin-
gend“ einzig und allein auf Fehlverhalten seiner Unterge-
benen und nicht etwa auf einen Fehler des Ministers
selbst zurückzuführen sei.
Diese Kampagne des Ministers gipfelte dann darin, dass
durch „sein Umfeld“ oder vielleicht sogar durch ihn per-
sönlich gegenüber der Presse vorgebliche Einzelheiten
aus dem Gespräch mit Schneiderhan und Dr. Wichert am
25. November 2009 verbreitet wurden: Nach der Darstel-
lung im „Spiegel“ vom 29. November 2009 habe er im
Laufe des Gesprächs dreimal nach weiteren internen Be-
richten über die Nacht in Kunduz gefragt und dreimal
hätten die später Entlassenen die Existenz solcher Berich-
te abgestritten. Sogar das Wort „leugnen“ wird in diesem
Zusammenhang benutzt:
„Ob es noch mehr interne Berichte über das Bom-
bardement in Afghanistan gebe, will der Verteidi-
gungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wis-
sen. Vor ihm sitzen der Generalinspekteur der
Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan und Staats-
sekretär Peter Wichert. Nein, sagen die beiden.
Wirklich nicht?, fragt Guttenberg. Wirklich nicht.
(…) Guttenberg fragt Schneiderhan noch einmal.
Als beide wieder leugnen, entlässt er sie. So be-
richtet es sein Umfeld.“1887
Bis zum Schluss hätten die beiden Untergebenen die
Existenz des „Feldjägerberichts“ nicht einräumen wollen,
so dass ihm gar nichts anderes übrig geblieben sei, als
sich von beiden umgehend zu trennen.
Dass diese Darstellung nicht der Wahrheit entspricht, hat
inzwischen selbst Freiherr zu Guttenberg in seiner Ver-
nehmung vor dem Ausschuss eingeräumt,
1888
nachdem er
bereits unmittelbar vor der Vernehmung von Schneider-
han und Dr. Wichert im Ausschuss – wohl aus Sorge um
deren mögliche Einlassungen – im Sinne einer „Frontbe-
gradigung“ öffentlich eher halbherzig von seinen Vorwür-
fen abgerückt war.
1889
Sowohl Schneiderhan als auch Dr. Wichert hatten den
Minister unmittelbar nach Erscheinen des Artikels im
„Spiegel“ in mehreren persönlichen Briefen1890 aufgefor-
dert, die Falschdarstellungen zu ihrer Person, die von
Dr. Wichert in seinem Schreiben an den Minister vom 11.
1887) „Der Spiegel“ vom 29. November 2009, „Die Schweigespirale“,
S. 23. Dieser Artikel ist heute allerdings aus sämtlichen Daten-
banken entfernt worden und kann online nicht mehr abgerufen
werden, nachdem Dr. Wichert in einem Prozess gegen den „Spie-
gel“ vor dem Landgericht Köln (Az. 9 O 396/10) erwirkt hat,
dass die dort enthaltenen Darstellungen zum Ablauf des Ge-
sprächs mit dem Minister nicht der Wahrheit entsprechen, nicht
mehr weiter verbreitet werden.
1888) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 10.
1889) Vgl. nur: „Der Spiegel“ vom 15. März 2010: „Tarnen und Täu-
schen“ oder „Handelsblatt“ vom 17. März 2010: „Wäscht sich zu
Guttenberg rein?“; „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 15.
März 2010: „Guttenbergs Frontbegradigungen“.
1890) Schreiben Dr. Wichert an BM zu Guttenberg vom 30. November
2009 (Dokument 191).
Drucksache 17/7400 – 290 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dezember 2009 nachvollziehbar als „Rufschädigung“
qualifiziert wurden, richtig zu stellen.
Hierzu sah der sonst so auf Stil und Komment bedachte
Minister nicht die geringste Veranlassung. Während die
beiden Schreiben des ehemaligen Generalinspekteurs
noch nicht einmal einer Antwort für würdig befunden
wurden, schrieb der damalige Minister an Dr. Wichert:
„Sehr geehrter, lieber Herr Dr. Wichert,
offenbar gibt es interessierte Kreise, die mit Setzen
von vermeintlichen Zitaten und gezielten Unwahr-
heiten Unfrieden, ja Zwietracht säen wollen.
Mir ist nochmals wichtig zu betonen, dass ich
überall darauf hinweise, dass Sie für unbestrittene
Informationspannen die Verantwortung übernom-
men haben und dass ich nicht ansatzweise davon
ausgehe, dass man Ihnen hierfür Böswilligkeit un-
terstellen könnte.
Ebensowenig unerwähnt bleiben Ihre hohen Ver-
dienste und das von mir uneingeschränkt als sehr
angenehm empfundene menschliche Miteinander
sowie der Wunsch sich auch künftig fachlich aus-
tauschen zu können.
Diese Zeilen machen Artikel nicht ungeschehen,
mir war es gleichwohl ein Bedürfnis, Ihnen diesbe-
züglich zu schreiben.
Mit herzlichen Grüßen (…)“1891
Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss, in der der Zeu-
ge Freiherr zu Guttenberg einräumte, „in diesen Tagen
mit Sicherheit auch mal mit Spiegel-Journalisten gespro-
chen“ zu haben,1892 kann dieses Schreiben nur als zutiefst
unaufrichtig bezeichnet werden, zumal der „Spiegel“ in
einem Folgeartikel vom 1. Februar 2010 darauf verzichte-
te, das „Umfeld des Ministers“ zu bemühen, sondern für
die Darstellung des Gesprächs ausdrücklich den Minister
selbst heranzog:
„Lügt er oder lügt Guttenberg? Der Minister sagt:
(…)“1893
Nachdem sich Dr. Wichert damit nicht zufriedengab,
sondern den Minister erneut anschrieb und darum bat,
eine Pressemitteilung des Ministeriums mit einer Richtig-
stellung zu veröffentlichen oder ihn von der Schweigepf-
licht zu entbinden, zog Freiherr zu Guttenberg letzteres
vor. Er verband dies aber noch mit den ebenso scheinhei-
ligen Sätzen:
„Ich habe keinen Zweifel, dass Sie auf die Weiter-
gabe von Informationen verzichten, deren Veröf-
fentlichung dem Wohle unseres Landes schaden
oder die Wahrnehmung der Aufgaben der Bun-
deswehr gefährden würde. Ich für meinen Teil
1891) Schreiben BM zu Guttenberg an Dr. Wichert vom 2. Dezember
2009 (Dokument 192).
1892) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 55.
1893) „Der Spiegel“ vom 1. Februar 2010, „Ein deutsches Verbrechen“
(Dokument 159), S. 56 (Hervorhebung nur hier).
werde weiterhin an der Vertraulichkeit festhalten,
(…).“1894
Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss muss für jeden
unvoreingenommenen Betrachter feststehen, dass Frei-
herr zu Guttenberg selbst die falschen Darstellungen des
Gesprächsablaufs an die Presse gegeben hatte.
Zu diesem Ergebnis gelangen auch Eckart Lohse und
Markus Wehner, die sich in ihrer Biographie „Gutten-
berg“,1895 ausführlich mit diesem Sachverhalt beschäftigt
haben und auf deren Darstellung und Bewertung der Ein-
zelheiten des Gesprächs hier uneingeschränkt verwiesen
werden kann.
3. Die angebliche „Neubewertung“ vom
3. Dezember 2009
Auf eine letzte fabelhafte „Illusion“ des Freiherrn zu
Guttenberg sei zum Abschluss noch hingewiesen, weil
sich diese bis heute hält und immer noch die offizielle
Position dieser Bundesregierung darstellt:
Am 3. Dezember 2009 hat es der damalige Verteidi-
gungsminister vermocht, im Plenum des Deutschen Bun-
destages den Anschein zu erwecken, er habe nach Aus-
wertung der vielen ihm zuvor vorenthaltenen Dokumente
eine umfassende „Neubewertung“ der Vorgänge von
Kunduz vorgenommen.
Auch hierbei handelte es sich jedoch um nichts anderes
als um eine geschickte Täuschung, und zwar in zweierlei
Hinsicht: Zum einen wurde darüber getäuscht, dass die
Neubewertung wegen „vorenthaltener Dokumente“ erfor-
derlich wurde und zum anderen wurde darüber getäuscht,
dass es sich wirklich um eine „Neubewertung“ gehandelt
hat.
In dem Redemanuskript des Ministers für die fraktionsof-
fene Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 1.
Dezember 2009 mit dem Thema „Die Situation in Afgha-
nistan“ heißt es:
„Ich habe zudem den Stellvertreter des Generalin-
spekteurs, Admiral Kühn, angewiesen, weitrei-
chende ergänzende Untersuchungen durchzufüh-
ren. Die Ergebnisse lasse ich gegenwärtig in einer
Gesamtschau neu bewerten. Ich behalte mir vor,
auf Grundlage des neuen militärischen Ratschlags
durch Admiral Kühn meine eigene Bewertung,
falls notwendig, zu justieren.“1896
Die Beweisaufnahme des Ausschusses ergab jedoch, dass
der Zeuge Admiral Kühn keineswegs mit „weitreichenden
ergänzenden Untersuchungen“ beauftragt worden war.
Sein „neuer militärischer Ratschlag“ erfolgte vielmehr
allein auf Grundlage eines kursorischen „Durchscannens“
1894) Schreiben BM zu Guttenberg an Dr. Wichert vom 18. Dezember
2009 (Dokument 193).
1895) Erschienen im Droehmer Verlag, 2. Auflage, 2011, S. 271 bis
292.
1896) Mat. 17-27a, Ordn. 3 (Dokument 165), S. 134 ff, 136 (Hervorhe-
bung nur hier).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 291 – Drucksache 17/7400
– also „Überfliegens“ – der vorhandenen Unterlagen
innerhalb eines halben Tages. Admiral Kühn war mit dem
Kunduz-Vorgang zuvor nicht einmal entfernt befasst
gewesen, sondern für ihn waren sämtliche Dokumente –
sogar der COM ISAF-Bericht – völliges Neuland.1897
Zudem verfasste auch Admiral Kühn hierzu nichts
Schriftliches, machte sich noch nicht einmal Notizen bei
der Durchsicht der Akten, sondern bekundete seine über-
schlägige Einschätzung nur in einer größeren „Runde“ in
Anwesenheit des Ministers am 30. November 2009, also
am selben Tag, an dem er die Akten überhaupt erstmals
vorgelegt bekommen hatte.
1898
Zur Illustration dieser
Illusion hier einige wörtliche Auszüge aus der Aussage
des Zeugen Kühn:
„Ich habe keine Gespräche mit den an der Opera-
tion Beteiligten geführt. Aus dem Zeitablauf ergibt
sich, dass ich an einem Donnerstag spät von Bonn
nach Berlin beordert worden bin, am 27. ein erstes
kurzes Gespräch hatte und erst am 30. dann die
Möglichkeit hatte, die Unterlagen einmal zu scan-
nen. Sie kennen selber den Umfang dieser Unter-
lagen.“1899
„Das Gespräch mit dem Minister fand, wenn ich
das richtig in Erinnerung habe, um 18 Uhr statt.
Am 30., im Laufe des 30. habe ich diese Papiere
gescannt. Den Auftrag dazu habe ich am Freitag
gegeben, sodass mir die Papiere am Montagmor-
gen zur Verfügung standen.“1900
„Da ich vorher keine Gelegenheit hatte, mich mit
diesem gesamtem Umfang der Dokumente zu be-
schäftigen, musste ich das dann natürlich am 30.
machen. Das war auch die erste Gelegenheit, wo
ich überhaupt Zugang zu diesen Unterlagen hatte
und ich auch die Notwendigkeit sah, mich mit die-
sen Unterlagen zu beschäftigen, da ich mich ja
vorher mit meinem eigenen Aufgabenbereich hin-
länglich beschäftigt habe.“1901
„Eine schriftliche Beratung hat es nicht gegeben.
(…) Ich habe nichts Schriftliches abgegeben und
auch an keinem Papier mitgewirkt. Ich habe mich
auch ausschließlich in dieser mündlichen Bewer-
tung gegenüber dem Minister eingelassen.“1902
„Die Gesamtheit der Dokumentenlage war für
mich maßgeblich für meine Beurteilung. In wel-
chem Dokument ich irgendeinen spezifischen An-
lass gefunden habe, vermag ich jetzt nicht zu sa-
gen. Es war auch gar nicht gegeben, sondern die
Breite des Eindruckes war für mich hinreichend,
um den Minister in der von mir geschilderten Art
und Weise zu beraten.“1903
1897) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 5, 6, 11, 12.
1898) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6 und 20.
1899) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 5.
1900) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 10.
1901) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 12.
1902) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6.
1903) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 11.
„Ich habe gesagt, es hätte auch andere Alternati-
ven des Handelns gegeben. Damit war meine Be-
ratung beendet.“1904
Dies steht eindeutig in Widerspruch zu den öffentlichen
Behauptungen des Freiherrn zu Guttenberg hinsichtlich
des Umfangs der Auswertung und der Sorgfalt bei der
Bewertung.
1905
Immer wieder wurde – ob von Admiral Kühn, Freiherr zu
Guttenberg oder auch heute noch von der Mehrheit im
Ausschuss – behauptet, dass die „Gesamtschau“ der durch
Schneiderhan und Dr. Wichert „vorenthaltenen“ Berichte
zu der Neubewertung habe führen müssen. Bis heute sind
jedoch alle Beteiligten, die diese Behauptung aufgestellt
haben, eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben,
was konkret an dieser „Gesamtschau“ neuartig oder je-
denfalls anders war gegenüber den Erkenntnissen, die
jeder bereits Wochen vorher aus dem COM ISAF-Bericht
hätte gewinnen können.
Die Behauptung der Ausschussmehrheit, die „erstmals
vollständig vorgelegten Dokumente“ hätten „ein deutlich
kritischeres Bild des Luftschlags“ gezeichnet und es sei
nicht möglich gewesen, „allein auf Grundlage des
COM ISAF-Berichts eine umfassende Bewertung des
Vorfalls abzugeben“1906 wird an keiner Stelle des Mehr-
heitsvotums auch nur entfernt mit Fakten unterfüttert.
Stattdessen wird pauschal behauptet, in den nicht vorge-
legten Berichten seien „neue, relevante Erkenntnisse
enthalten“ gewesen, die zu der Neubewertung führen
mussten.
1907
Konkret wird die Ausschussmehrheit nicht.
In der Tat ergib sich nichts Neues aus den angeblich vor-
enthaltenen Berichten. Sämtliche Fakten, sämtliche Er-
kenntnisse sind bereits umfassend im COM ISAF-Bericht
enthalten. Die einzige zur Unterstützung ihrer These prä-
sentierte Behauptung, der IAT-Bericht habe „deutlich auf
den Umfang ziviler Opfer hingewiesen“, ist sachlich
falsch:
Selbstverständlich wurden sämtliche Erkenntnisse des
IAT-Berichts im COM ISAF-Bericht berücksichtigt, denn
er bildete Auslöser und Grundlage der ISAF-
Untersuchung. Deshalb konnte der COM ISAF-Bericht
Wochen nach der Erstellung des IAT-Berichts validere
Erkenntnisse zu den zivilen Opfern präsentieren.
Weiterhin lag Minister Freiherr zu Guttenberg vor seiner
Bewertung des Luftangriffs als „zwingend“ am 6. No-
vember 2009 neben dem COM ISAF-Bericht nach eige-
nen Angaben auch der Bericht des Internationalen Roten
Kreuzes vor, auf dessen Inhalte aus Geheimschutzgrün-
den hier nicht näher eingegangen werden kann. Die Ver-
mutung, dass dieser sich ausgiebig mit möglichen zivilen
1904) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 25.
1905) Freiherr zu Guttenberg am 30. November 2009 in der ARD: „Ich
will natürlich baldmöglichst diese Neubewertung vornehmen,
aber sie muss auch substanziell sein (…)“ oder am 1. Dezember
2009 im ZDF: „Ich will eine faire Bewertung vornehmen nach ei-
ner anständigen Auswertung auch der Papiere, die jetzt vorliegen
(…)“.
1906) Mehrheitsbewertung, S. 195.
1907) Mehrheitsbewertung, S. 195.
Drucksache 17/7400 – 292 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Opfern des Luftangriffs beschäftigt hat, dürfte jedoch
nicht allzu fernliegend sein.
All dies belegt, dass die angebliche sorgfältige „Neube-
wertung“ nur dem einzigen Zweck diente, sich des von
der „Bild“-Zeitung durch die Veröffentlichung des Feld-
jägerberichts ausgelösten Drucks zu entledigen und nicht
etwa deshalb erfolgte, weil man im Bundesministerium
der Verteidigung zu der militärfachlichen Erkenntnis
gekommen wäre, dass der Luftschlag wirklich nicht hätte
befohlen werden dürfen.
Im Ministerium arbeitete man nicht etwa daran, die tat-
sächlichen Geschehnisse in Kunduz wirklich aufzuarbei-
ten, um die von der Bundeskanzlerin versprochene „unge-
schönte“ Wahrheit ans Licht zu bringen und die Gescheh-
nisse sachgerecht zu bewerten. Es ging allein darum, sich
ohne Eingeständnis der tatsächlichen Fehler und Miss-
stände und ohne dass dies in irgendeiner Weise für Oberst
Klein auch nur im Entferntesten nachteilig werden könnte,
von dem öffentlichem Druck zu befreien.
Deshalb gibt es auch keine einzige Vorlage im Ministe-
rium, in der klar, deutlich oder gar „ungeschönt“ ausgesp-
rochen wird, was genau im Rahmen dieses Luftangriffs
und im Umgang mit diesem Vorfall durch Bundeswehr
und Bundesregierung falsch gelaufen ist, aus welchen
Gründen diese Fehler erfolgen konnten und welche
Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind.
Deshalb erschöpft sich der militärische Ratschlag darin, in
banaler Weise Binsenweisheiten in Bezug auf die Mög-
lichkeiten alternativen Handelns festzustellen, wie die von
Admiral Kühn, auf den Freiherr zu Guttenberg seine
Neubewertung angeblich stützte:
„Das ist eine Erkenntnis, die natürlich auch ver-
bunden ist mit einer Lebenserfahrung, auch als
Soldat, dass es immer auch Alternativen des Han-
delns gibt - gerade auch aus meinem Erfahrungs-
schatz. Wenn Sie zur See fahren, dann werden Sie
es immer wieder haben, dass Sie rechtsrum und
linksrum machen können.“1908
Wenn das Neue in der „Neubewertung“ des Minister zu
Guttenberg war, dass es alternative Handlungsmöglich-
keiten gegeben hatte und dass deshalb der Luftangriff als
„unangemessen“ zu bewerten ist, dann fragt sich, wie der
für diesen Ratschlag zuständige Admiral Kühn gleichzei-
tig behaupten kann:
„Aber ich möchte an dieser Stelle auch betonen,
dass es aus der Situation von Oberst Klein damals
die richtige Entscheidung war.“1909
Entweder es hat Alternativen gegeben, die hätten genutzt
werden müssen und der Luftangriff war „unangemessen“
weil sie nicht genutzt worden sind, oder Oberst Klein hat
damals richtig entschieden. Beides gleichzeitig geht nicht.
Hier wird versucht, zwei völlig inkompatible Aussagen so
miteinander in Einklang zu bringen, dass niemand Scha-
1908) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6.
1909) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 19.
den nimmt, außer die sachgerechte Bewertung des Vor-
gangs.
Die Öffentlichkeit wurde und wird durch diese Bundesre-
gierung und die sie tragende Mehrheit im Verteidigungs-
ausschuss schlicht „für dumm verkauft“: Es wird die
Illusion erweckt, es habe eine Neubewertung stattgefun-
den, doch im Grunde unterscheidet sich diese nicht im
Geringsten von dem, was Generalinspekteur Schneider-
han in seinem öffentlichen Statement bereits am 29. Ok-
tober 2009 gesagt hatte:
„Vor diesem Hintergrund und in Kenntnis des jetzt
vorliegenden Untersuchungsergebnisses habe ich
keinen Grund daran zu zweifeln, dass deutsche
Soldaten auf der Grundlage des Mandats der Ver-
einten Nationen angesichts der schwierigen Lage
in operativer Hinsicht militärisch angemessen ge-
handelt haben.“1910
Diese damals mit Bedacht gewählte Formulierung, über
die sich Freiherr zu Guttenberg eigenmächtig hinwegge-
setzt hatte, sagte nämlich nichts anderes aus als das, was
Bundesregierung und Mehrheit heute immer noch be-
haupten, nämlich, dass den handelnden Soldaten aus ihrer
subjektiven Sicht kein Vorwurf zu machen sei.
Dass diese Bewertung sachlich nicht haltbar ist, wurde in
diesem Sondervotum ausführlich und detailliert nachge-
wiesen. Niemand kann heute mehr behaupten, Oberst
Klein habe in der damaligen Situation die richtigen Ent-
scheidungen getroffen. Seine Entscheidungen waren ein-
deutig falsch. Sie hätten so nicht getroffen werden dürfen.
Er hat teilweise bewusst, teilweise aus pflichtwidriger
Unkenntnis gegen NATO-Einsatzregeln und gegen natio-
nale Vorgaben zum Einsatz militärischer Gewalt versto-
ßen, die gerade deshalb existieren, damit solche Vorfälle
mit einer Vielzahl ziviler Opfer möglichst vermieden
werden.
All dies dürften für denjenigen, der die Aufklärung des
Vorgangs zum höchsten Ziel erklärt hat, keine neuen
Erkenntnisse sein. Es fehlte dieser Bundesregierung mit
Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg als verantwortlichen
Verteidigungsministern jedoch die Kraft und der Wille,
diese Wahrheit auch offen zu benennen: Dr. Jung war viel
mehr damit beschäftigt, den Wahlkampf zu bestehen,
angebliche Intrigen des COM ISAF abzuwehren und sich
vorbehaltlos schützend vor Oberst Klein zu stellen. Frei-
herr zu Guttenberg hingegen war ausschließlich darauf
konzentriert, sich zum beliebtesten Minister seit Men-
schengedenken zu machen und gleichzeitig mit Aplomb
seine eigene „Souveränitätsshow“1911 zu betreiben, bei der
selbstbewusste Untergebene wie Schneiderhan und
Dr. Wichert eben auch einmal das Nachsehen haben. Es
war halt alles für (s)einen guten Zweck. Dass kein wirkli-
cher Wille zur Aufklärung des Vorgangs selbst bestand,
ist auch daran festzumachen, dass Freiherr zu Guttenberg
im Ausschuss zwar mit Eifer anprangerte, dass unmittel-
bar nach dem Luftangriff keine nationale Untersuchung
1910) Mat. 17-22a, GI, Ordn. 2, S. 316.
1911) So Lohse/Wehner, in: „Guttenberg“, S. 353.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 293 – Drucksache 17/7400
durchgeführt worden sei, weil man auf den Abschluss der
ISAF-Untersuchung habe warten wollen:
„Ich kann nur noch mal das wiederholen, was ich
vorhin gesagt habe: dass ich auch als eine Folge
dessen, was erkennbar war, Wert darauf lege, dass
in - es gibt jetzt nie wirklich vergleichbare Fälle,
aber Fälle, die eine gewisse Schwere in sich tra-
gen - - in meinen Augen eine nationale Untersu-
chung unter allen Umständen auch mit beauftragt
oder angewiesen werden sollte.
1912
Gleichzeitig unternahm er aber selbst nicht die geringste
Anstrengung, eine solche nationale Untersuchung nach
Eingang des COM ISAF-Berichts anzustoßen. Im Gegen-
teil: Es wurde noch nicht einmal ein förmliches diszipli-
nares Ermittlungsverfahren auf Grundlage der Erkenn-
tnisse der NATO-Untersuchung eingeleitet.
Letztlich ist zu hoffen, dass Freiherr zu Guttenberg zu-
mindest seine Ankündigung, nicht wieder in die deutsche
Politik zurückzukehren, wahr werden lässt. Erfreulich ist,
dass der neue Bundesminister der Verteidigung Dr. de
Maizière in den von zu Guttenberg verbreiteten Illusionen
nicht ganz so verfangen scheint wie die Mehrheit dieses
Ausschusses, was sich daran zeigt, dass er für die Umset-
zung der von zu Guttenberg mehr schlecht als recht vor-
bereiteten Bundeswehrreform
1913
wieder auf den Fachver-
stand des von zu Guttenberg verbannten Generals Wolf-
gang Schneiderhan zurückgreift.
1914
VIII. Bundeskanzlerin Dr. Merkel: Fehlende poli-
tische Führung
Als Regierungschefin trägt die Bundeskanzlerin die poli-
tische Gesamtverantwortung für das Handeln ihres Kabi-
netts und damit auch für die Amtsausübung der einzelnen
Kabinettmitglieder.
Nach ihren eigenen Angaben vor dem Ausschuss erkannte
die Bundeskanzlerin bereits am 4. September 2009, dass
es sich in Kunduz um einen der schwerwiegendsten mili-
tärischen Zwischenfälle seit Bestehen der Bundeswehr
handelte. Warum zögerte sie damit, die Initiative zu er-
greifen, und überließ stattdessen ausschließlich dem of-
fensichtlich völlig überforderten Verteidigungsminister
Dr. Jung die öffentliche Kommunikation? Entweder er-
kannte sie die Bedeutung des Vorgangs doch erst später,
oder sie scheute, die politische Verantwortung bei einem
negativ besetzten Thema wie den Folgen einer Militär-
operation in Afghanistan zu übernehmen.
1912) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 22.
1913) Vgl. nur: tagesschau.de vom 15. Mai 2011: „Bestelltes Haus oder
Bruchbude?“; stern.de vom 17. Mai 2011: „Guttenberg hinterließ
nur Chaos“; Focus Online vom 13. Mai 2011: „CSU sauer auf
Guttenberg“; sueddeutsche.de vom 16. Mai 2011: „Der Chaos-
Nachlass des Baron“; Spiegel Online vom 14. Mai 2011: „De
Maizière rechnet mit Guttenberg ab“.
1914) Vgl. Financial Times Deutschland vom 3. Mai 2011: „Rückkehr
eines Verbannten“.
1. Informationsquellen des BND bleiben un-
genutzt
Dabei befindet sich die Bundeskanzlerin in der komfor-
tablen Position, mit dem Auslandsnachrichtendienst BND
über eigene Informationsquellen aus den Einsatzgebieten
der Bundeswehr zu verfügen. Diese hätte sie nutzen kön-
nen, um die Angaben des Verteidigungsministeriums zu
ergänzen bzw. zu überprüfen.
Vom BND stammten auch die ersten Hinweise zu mögli-
chen zivilen Opfern („Zahlen variieren von 50 bis 100“),
die am 4. September 2009 bereits vor 9 Uhr im Bundes-
kanzleramt eingingen.
1915
Weder die für die Koordination der Nachrichtendienste
zuständige Fachabteilung 6 noch die Bundeskanzlerin
selbst hielten es jedoch für erforderlich, sich danach zu
erkundigen, woher diese Informationen stammten oder
diese zum Anlass für die Bitte um weitergehende Recher-
chen zu nehmen. Auch als das Bundeskanzleramt in der
folgenden Woche immer wieder die schleppende Informa-
tionsweitergabe aus dem Verteidigungsministerium be-
mängelte, wurde der BND nicht beauftragt, das Lagebild
zu ergänzen,
1916
obwohl die Mehrheit in ihrer Bewertung
selbst Wert auf die Feststellung legt, dass dies zu den
„zentralen Aufgaben“ des BND gehört hätte.1917 Die ein-
zigen Fragen, die an den BND von der Abteilung 6 he-
rangetragen wurden, sind folgende:
„Ob Personal des BND an dem Luftschlag beteiligt
gewesen ist?
Ob es sich um einen BND-Informanten, auf den
sich Oberst Klein bei seiner Entscheidung stützte?
Welche Informationen dem BND zum Anschlags-
szenario „rollende Bombe“ vorlagen?“1918
Die Begrenztheit der Fragen zeigt, dass das Bundeskanz-
leramt im Kontakt mit dem BND eigentlich nur seine
„Zuständigkeit“ ausschließen oder prüfen wollte, anstatt
die nachrichtendienstlichen Mittel des BND zu nutzen,
um zur Aufklärung des Vorfalls beizutragen und die poli-
tische Leitung zu einem besseren Umgang mit den Folgen
zu befähigen.
Die Beweisaufnahme hat darüber hinaus ergeben, dass der
BND ansonsten von sich aus nur zurückhaltend zum Luft-
angriff berichtete. Während am Vormittag noch konkrete
Zahlen getöteter Aufständischer und Zivilsten gemeldet
wurden, vermied die Darstellung in den Berichten ab dem
Nachmittag des 4. September einen offenen Widerspruch
zur Linie des Verteidigungsministeriums. Die Zurückhal-
tung des BND ist umso erstaunlicher als er eigene Er-
kenntnisse hatte, dass die Aussagen afghanischer Offiziel-
ler, auf die sich der Verteidigungsminister in den ersten
Tagen ausschließlich stützte, auf einer zwischen afghani-
schen Regierungsvertretern abgestimmten Linie zur Be-
1915) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35. Mat. 17-29a, Ordn.
Büro AL 2, S. 1.
1916) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 18.
1917) Mehrheitsbewertung, S. 186.
1918) Mat. 17-29a, Ordn. Abt. 6, S. 30-32.
Drucksache 17/7400 – 294 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ruhigung der Deutschen basierte
1919
, was zumindest zu
Zweifeln an der Seriosität der Aussagen hätte führen
müssen.
2. Bundeskanzlerin lässt Verteidigungsminis-
ter „dahindilettieren“
Ohne eigene Erkenntnisse, allein mit einer eigenen Be-
wertung der Vorgänge, lässt die Bundeskanzlerin Minister
Dr. Jung über Tage auf die zunehmend entrüstete Öffent-
lichkeit los.
Im Ausschuss erklärte sie zwar, sie habe Jung schon am
5. September 2009 in einem Telefonat zu verstehen gege-
ben, dass er von seiner Linie abrücken solle, sie lässt ihn
trotzdem gewähren.
1920
Die verklausulierte Forderung, er möge die Aussagen
Dritter wie des ISAF-Kommandeurs zu zivilen Opfern bei
seiner Bewertung einbeziehen, fruchtete offenbar nicht.
Erst als am 6. September 2009 mit dem – bereits am Vor-
tag absehbaren – Erscheinen eines Artikels in der „Was-
hington Post“, der aus der Feder eines bei der Verneh-
mung von Oberst Klein durch General McChrystal anwe-
senden Journalisten stammte, offen zu Tage trat, wie
absurd die vom Verteidigungsminister verfolgte Linie
war, sah sich die Kanzlerin genötigt, ihm die Rote Karte
zu zeigen. Erst als der Schaden in der Öffentlichkeit
schon eingetreten war, machte die Kanzlerin von ihrer
Richtlinienkompetenz Gebrauch.
Dieser Darstellung der Bundeskanzlerin widerspricht
allerdings Dr. Jung, der im Ausschuss erklärt hat, er habe
erst am 6. September mit ihr gesprochen und sei eigens-
tändig zu derselben Auffassung gelangt, dass nun eine
Kurskorrektur angebracht sei. Welche der Versionen – die
der Bundeskanzlerin oder die des Verteidigungsministers
– letztlich der Wahrheit entspricht, konnte der Ausschuss
nicht klären. Jedenfalls war die Krisenkommunikation in
diesen Tagen erbärmlich.
3. Zusage vollständiger Aufklärung bleibt
Lippenbekenntnis
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass den vollmundigen
Ankündigungen der Bundeskanzlerin im Hinblick auf
eine „lückenlose Aufklärung“ in ihrer Regierungserklä-
rung vom 8. September 2009, bei der „nichts beschönigt“
werden sollte, keinerlei Taten folgten.
Sie nahm es hin, dass der COM ISAF-Bericht nicht öf-
fentlich gemacht werden sollte. Initiativen zur Erstellung
eines eigenen Berichts der Bundesregierung zur Informa-
tion der Öffentlichkeit gab es nicht. Die Bundeskanzlerin
hat es hingenommen, dass kein einziger zusammenfas-
sender Bericht über den Vorfall aus Sicht der Bundesre-
gierung erstellt wird. Die versprochene lückenlose Auf-
klärung entfiel. Stattdessen versteckt sich Dr. Merkel
hinter dem Parlament mit der falschen Annahme, der
1919) Vgl. Mat. 17-34, Ordn. 3, S. 98-102.
1920) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 44.
Untersuchungsausschuss würde die Bundesregierung von
ihrer eigenen Verpflichtung zu Aufklärung und Informa-
tion der Öffentlichkeit befreien.
Noch während die Bundeskanzlerin Aufklärung ver-
sprach, informierte sie Parlament und Öffentlichkeit in
ihrer Regierungserklärung am 8. September 2009 unvoll-
ständig. Nach der Beweisaufnahme ist klar, dass ihr zu
dieser Zeit bereits zentrale Inhalte des IAT-Berichts be-
kannt waren. Obwohl sie wusste, dass nach dem IAT-
Bericht
„mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
auch Zivilisten getötet oder verletzt wurden“,
sprach sie im Parlament verharmlosend nur von „wider-
sprüchlichen Meldungen“ und von zivilen Opfern auch
nur im Konjunktiv.
1921
Dennoch hob sich Ihr Auftreten
immerhin vom ungelenken Abwiegeln des Verteidi-
gungsministers in den vorhergehenden Tagen ab.
Aus den Akten geht hervor, mit wie wenig Nachdruck die
Bundeskanzlerin ihr Versprechen „lückenloser Aufklä-
rung“ bereits wenige Tage nach der Regierungserklärung
verfolgte:
Auf Nachfrage der Bundeskanzlerin zum Verständnis der
Kritik des IAT-Berichts erläuterte der Abteilungsleiter 2,
Dr. Heusgen, am 11. September 2009 die einschlägigen
NATO-Verfahren. Darin hieß es, die relevanten ROE
besagten, dass der Kommandeur des PRT bei Verdacht
auf Zivilisten am Abwurfort nicht allein entscheiden durf-
te. Er habe zumindest seinen Vorgesetzten im Regional-
kommando Nord, Brigadegeneral Vollmer, einschalten
müssen. Der Vermerk endete mit einem lapidaren „Fazit:
Klein trägt also Hauptverantwortung.“1922
Dennoch sprach die Kanzlerin an keiner Stelle Klartext
zum Verhalten von Oberst Klein – nicht nach der Bewer-
tung des Generalinspekteurs als „in operativer Hinsicht
militärisch angemessen“ vom 29. Oktober 2009, nicht
nach der darüber hinausgehenden Bewertung durch Frei-
herr zu Guttenberg vom 6. November 2009 als trotz der
Regelverstöße „zwingend erforderlich“, und auch nicht
nach dessen „Neubewertung“ vom 3. Dezember 2009.
Ebenso wenig wirkte sie auf den zuständigen Verteidi-
gungsminister ein, diese Aufgabe zu übernehmen und
disziplinarische Ermittlungen in die Wege zu leiten.
Die laufende ISAF-Untersuchung bot der Bundeskanzle-
rin einen Vorwand, sich einstweilen nicht mit einer Be-
wertung der Vorgänge zu befassen. Dies bedeutete zu-
gleich, dass Verteidigungsminister Dr. Jung den Ton
angab, der faktisch ein Fehlverhalten Oberst Kleins aus-
schloss.
Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat ergeben, dass
diese Linie auch von den Mitarbeitern des Kanzleramtes
verfolgt wurde: Gruppenleiter Dr. Vad informierte den
Abteilungsleiter 2 und den Büroleiter des Chef BK am 8.
1921) Dr. Merkel, BT-PlPr. 16/233, 8. September 2009 (Fn. 7, Doku-
ment 6), S. 26297.
1922) Mat. 17-29a, Ordn. Büro AL2, S. 39.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 295 – Drucksache 17/7400
Oktober 2009 über den Zwischenstand der ISAF-
Untersuchung.
Demnach sei mit Kritik wegen dreier Verstöße gegen
ISAF-Einsatzregeln zu rechnen: Keine „Show of Force“,
Voraussetzungen für Anforderung der Luftnahunterstüt-
zung durch TIC-Erklärung nicht gegeben, Fehlen einer
unmittelbaren Bedrohung.
Vor diesem Hintergrund äußerte sich Dr. Vad besorgt,
dass die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft
Dr. Jung wegen dessen Rückendeckung für Oberst Klein
in Bedrängnis bringen könnten.
In einer separaten Mitteilung riet der Abteilungsleiter
Dr. Heusgen ausdrücklich, sich wegen der Regelverstöße
nicht einzumischen, da dies Angelegenheit des Verteidi-
gungsministers sei. In der Konsequenz blieb das Kanzler-
amt untätig, anstatt das Verteidigungsministerium zu
proaktivem Handeln aufzufordern.
1923
Lückenlose Aufklä-
rung – wie von Dr. Merkel versprochen – sieht anders
aus.
4. Verständnis für jede Bewertung des Luft-
angriffs
Noch in ihrer Vernehmung durch den Ausschuss enthielt
sich die Bundeskanzlerin einer eigenen Bewertung des
Luftangriffs. Sie erklärte sämtliche, auch sich diametral
widersprechende Bewertungen für „nachvollziehbar“ und
mit dem Untersuchungsbericht der NATO für vereinbar:
Es komme eben nur auf den „Blickwinkel“ an; zu ihrer
eigenen Sicht wolle sie sich jedoch nicht äußern.
1924
Die Bundeskanzlerin sagte aus, man könne entweder den
Standpunkt des Kommandeurs oder den der Regelverstö-
ße einnehmen. Aus den Akten geht hervor, dass dieses
Argumentationsmuster auf eine Vorlage des Referates
222 zum Untersuchungsbericht der NATO vom 29. Okto-
ber 2009 zurückgeht.
Darin heißt es, dass eine abschließende Bewertung von
der Wahrnehmung einer „kriegsähnlichen Situation“1925 in
Kunduz oder der Betrachtung punktueller Regelverstöße
1923) Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22, S. 149 f. und 152.
1924) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 57, 39, 41.
1925) Offiziell scheute sich die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt
noch, die Lage in Nordafghanistan als innerstaatlichen Krieg zu
bezeichnen, sondern beharrte darauf, dass es sich um eine Stabili-
sierungsmission der UN zur Stärkung der afghanischen Regierung
handele, die mit begrenztem Risiko verbunden sei und sich in en-
gem völkerrechtlichen Rahmen bewege. Im Lichte der Beweis-
aufnahme des Ausschusses stellt sich die Frage, ob der Luftang-
riff von Kunduz den Ausgangspunkt für die Neubewertung der
Lage in Afghanistan bildete, infolgedessen das Kabinett im Be-
schluss zum ISAF-Mandat am 9. Februar 2011 feststellte, dass es
sich um einen „nicht-internationalen bewaffneten Konflikt“ han-
dele. Mit dieser Lagebeschreibung begründete die Generalbun-
desanwaltschaft letztendlich die Einstellung des Ermittlungsver-
fahrens gegen Oberst Klein, da sie ihm in diesem Zusammenhang
einen größeren Ermessensspielraum zum Einsatz militärischer
Gewalt einräumte. Damit drängt sich der Eindruck auf, dass durch
den Kabinettbeschluss vom 9. Februar 2010 der Boden für die
Persilscheine der Generalbundesanwaltschaft und des Inspekteurs
des Heeres bereitet wurde.
abhänge.
1926
Die Bundeskanzlerin identifizierte diese
Betrachtungsweise direkt mit der Wahrnehmung der Lage
durch Oberst Klein. Sie ignorierte damit, dass auch in
einer „kriegsähnlichen Situation“ Regeln gelten, deren
Einhaltung gerade dazu dienen soll, solch verheerende
Vorfälle zu vermeiden.
Mit dem gemeinsamen Ziel vor Augen, in der Bundes-
wehr unpopuläre Verfahren gegen Oberst Klein zu ver-
meiden, hat die Bundeskanzlerin alle drei unterschiedli-
chen Bewertungen des Vorgangs mitgetragen, angefangen
mit der Bewertung des Generalinspekteurs vom 29. Okto-
ber 2009, dass der Luftschlag „aus operativer Sicht militä-
risch angemessen“ sei, über die Bewertung des Luftang-
riffs als „zwingend“, bis zur Neubewertung als „unange-
messen“. Sie hat die Drehungen und Wendungen ihres
Verteidigungsministers Freiherr zu Guttenberg jedes Mal
gestützt, sie hat sein katastrophales Auftreten in der Sache
mitgetragen und seine Fehler gedeckt. Im Ausschuss lobte
sie das Verhalten des Freiherrn zu Guttenberg sogar als
„vorbildlich“ für die Politik, da er bereit zum Eingeständ-
nis eines Fehlers und zur Korrektur seiner Position gewe-
sen sei.
1927
Damit trägt sie das heuchlerische Auftreten
des Freiherrn zu Guttenberg – Fehler zuzugeben, die
Schuld für die eigenen Fehler aber anderen in die Schuhe
zu schieben – ausdrücklich mit.
5. Mitspielerin beim „Bauernopfer“
Die Vernehmung der Bundeskanzlerin Dr. Merkel im
Ausschuss hat ergeben, dass sie selbst durch die nach dem
25. November 2009 bekannt gewordenen Dokumente,
u. a. der „Feldjägerbericht“, keine neue Faktenlage sah,
die sie zu einer Revision ihrer früheren Aussagen veran-
lasst haben würde.
1928
Dennoch stellte sie es in keiner
Weise in Frage, als Freiherr zu Guttenberg ihr gegenüber
am 2. Dezember 2009 die für den folgenden Tag geplante
Neubewertung ankündigte. Auch gegen dessen Allein-
gang unternahm sie nichts, obwohl sie am Vortag beim
Besuch des pakistanischen Ministerpräsidenten Gilani
angekündigt hatte, dass es eine einvernehmliche Bewer-
tung der Bundesregierung geben solle, an der neben dem
Verteidigungsminister und dem Außenminister auch die
Bundeskanzlerin mitwirken würde.
1929
„Sie dürfen davon ausgehen, dass der Bundesver-
teidigungsminister, die Bundeskanzlerin, aber ge-
nauso auch der Bundesaußenminister die Bewer-
tung dann einvernehmlich in der Bundesregierung
vornehmen werden und vor allen Dingen auch
daraus die richtigen Schlüsse ziehen werden, wenn
nicht alle Regeln eingehalten worden sein sol-
len.“1930
1926) Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22, S. 182-84.
1927) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, S. 56.
1928) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 54-56.
1929) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 66, 80.
1930) Stuttgarter Zeitung vom 2. Dezember 2009 (Hervorhebung nur
hier).
Drucksache 17/7400 – 296 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bereits am 25. November 2009 wusste sie von der faden-
scheinigen „Entlassung“ von General Schneiderhan und
Staatssekretär Dr. Wichert. Diesen machte der damalige
Verteidigungsminister öffentlich zum Vorwurf, dass sie
ihm wichtige Dokumente zum Luftangriff vorenthalten
hätten und eine weitere Zusammenarbeit daher unvors-
tellbar sei. Im Ausschuss vermied die Bundeskanzlerin
jegliche Aussage darüber, welche Begründung Freiherr
zu Guttenberg ihr gegenüber abgegeben habe, sie habe
jedoch Wert darauf gelegt, dass sie eine schriftliche Be-
gründung mit dem zerrütteten Vertrauensverhältnis brau-
che, um der Entlassung zustimmen zu können.
Sie duldete es, dass der Minister die Entlassungen im
Bundestag am 26. November 2009 bekannt gab, bevor sie
diesen förmlich zugestimmt hatte. Obwohl der Generalin-
spekteur Schneiderhan auch ihr oberster militärischer
Berater gewesen war, sie ihm vertraute und nie Anlass
gehabt hatte, an seinem Urteil zu zweifeln, verzichtete sie
auf ein Gespräch mit Schneiderhan oder auf Einwände
gegen die Entscheidung des Verteidigungsministers. Dem
Ausschuss gegenüber begründete sie dies formaljuristisch
damit, dass der Generalinspekteur ja selbst um seine Ver-
setzung in den Ruhestand gebeten habe.
1931
Die Beweisaufnahme hat somit ergeben, dass die Bundes-
kanzlerin die ihr nach § 19 der Geschäftsordnung der
Bundesregierung obliegende Pflicht zur Stellungnahme
hinsichtlich der Entlassung von Schneiderhan und Wi-
chert nicht genutzt hat, um selbst Klarheit über die Be-
rechtigung der Vorwürfe zu erlangen, sondern das Vor-
bringen zu Guttenbergs einfach nur abnickte. Damit hat
sie es ihm ermöglicht, mit den „Bauernopfern“ die eige-
nen Fehler bei der Bewertung des Luftangriffs vom 6.
November 2009 zu kaschieren.
6. Einsatz für Entschädigung: Fehlanzeige
Als sich die Bundeskanzlerin Anfang Dezember erstmals
nach Vorliegen des NATO-Untersuchungsberichts zum
Luftangriff substanziell äußerte, erkannte sie deutlicher
als am 8. September 2009 an, dass es zivile Opfer gege-
ben habe.
1932
Sie betonte den hohen Wert menschlichen
Lebens und kündigte vollmundig die „Übernahme von
Verantwortung“ durch Deutschland für die zivilen Opfer
des Luftangriffs an.
1933
Aus den Akten geht hervor, dass sie sich Anfang Dezem-
ber 2009 durch die Fachabteilung des Kanzleramtes in-
formieren ließ, wie die bisherige Praxis der Bundeswehr
bei der Entschädigung ziviler Opfer erfolgte.
1934
Durch
1931) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 58-60, 68.
1932) „Es muss klar sein, dass es ein Bedauern gibt. (…) Damals war
das noch nicht so völlig klar.“Äußerung anlässlich des Besuchs
des pakistanischen MP Gilani, zitiert nach: Spiegel Online, 1. De-
zember 2009.
1933) „Es ist mir ganz wichtig, dass das, was infolge unseres Handelns
geschehen ist, auch von uns verantwortet wird.“, Äußerung an-
lässlich des Besuchs des pakistanischen MP Gilani, zit. nach: Fi-
nancial Times Deutschland, 2. Dezember 2009.
1934) Mat. 17-29a, Ordn. BPA S. 204; Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 21,
Ordn. 2, S. 71.
diesen Zusammenhang wird deutlich, dass sie bei der
Zusage, Deutschland werde Verantwortung übernehmen,
Entschädigungszahlungen an die Opfer im Blick hatte.
Die Vorlage vom 9. Dezember 2009 hielt fest, dass Ent-
schädigungen in Afghanistan traditionell sehr schnell
erfolgten, die Bundeswehr bisher pro Opfer 20 000 bis
33 000 US-Dollar gezahlt habe und Opferlisten „ohne
intensive eigene Ermittlungen“ nur schwerlich zu bestäti-
gen seien.
1935
Dennoch blieben die Bundeskanzlerin und das Kanzler-
amt danach untätig, drangen nicht auf verstärkte Aufklä-
rungsbemühungen von deutscher Seite.
1936
Sie überließen
stattdessen wiederum dem Verteidigungsministerium das
Feld. Dieses beschränkte sich auf geringfügige Winterhil-
fe in den betroffenen Gemeinden und verhandelte ohne
besonderen Nachdruck über acht Monate hinweg, um im
Ergebnis die Zahlungen nach unten zu drücken. Im Au-
gust 2010 erhielten 86 geschädigte Familien nur noch
5 000 USD pro Familie. Dabei wurden die Zahlungen
ausdrücklich als „humanitäre Geste“ bezeichnet und gera-
de nicht als Entschädigung, die auch die Übernahme der
rechtlichen Verantwortung durch die Bundeswehr unters-
trichen hätte.
1937
Hier wird klar, dass auch die Zusiche-
rung der Bundeskanzlerin vom Dezember, Verantwortung
übernehmen zu wollen, und die Opfer zu entschädigen,
nur für die Galerie gedacht war. Sie speiste die Opfer mit
„humanitärer Hilfe“ ab, die in der Praxis einem Almosen
gleicht. Dieses wird gerade nicht der politisch erklärten
Absicht gerecht, sich gegenüber den Opfern und ihren
Angehörigen zur deutschen Verantwortung zu bekennen,
sich nachdrücklich zu entschuldigen und Kompensation
zu leisten.
7. Koordinierungsprobleme im Bundeskan-
zleramt
Schließlich deutet der gesamte Umgang mit der Krise
nach dem Luftangriff von Kunduz darauf hin, dass die
Bundeskanzlerin ihr eigenes Haus nicht im Griff hat. Es
wurden erhebliche Mängel in der Koordination zwischen
der für Außen- und Sicherheitspolitik zuständigen Abtei-
lung 2 und der für die Aufsicht über die Nachrichten-
dienste zuständigen Abteilung 6 deutlich.
Keine der Kanzlervorlagen zur Darstellung der Vorgänge
oder ihrer Bewertung wird von der Abteilung 6 mitge-
zeichnet.
1938
Somit fehlten Anreize für die Abteilung 6,
die in den Nachrichtendiensten vorliegenden Erkenntnisse
1935) Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 21, Ordn. 2, S. 71.
1936) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 70f.
1937) „Opfer des Kundus-Luftangriffs: Bundeswehr zahlt Angehörigen
der Opfer halbe Million Dollar“, Spiegel online, 5. August 2010.
1938) BK-Vorlage durch RL Siegmann vom 7. September 2009 zur
Vorbereitung auf die Regierungserklärung (Mat. 17-29a, Ordn.
Gruppe 22, S. 62 ff.); BK-Vorlage durch RL Siegmann vom 10.
September 2009 zu IAT-Bericht (Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22,
S. 93 f.) ; BK-Vorlage Reisinger, Ref. 222, zu COM ISAF-
Bericht 29. Oktober 2009 (Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22, S.208
f.); BK-Vorlage zur Entschädigungsproblematik nach Frage in
Morgenlage 9. Dezember 2009 (Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 21,
Ordn. 2, S. 28 f.).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 297 – Drucksache 17/7400
systematisch auszuwerten, oder gezielt um die Beschaf-
fung zusätzlicher Informationen durch den BND zu ver-
anlassen.
Umgekehrt beschränkt sich die Abteilung 2 auf die eige-
nen Arbeitskontakte, anstatt umfassende Unterstützung
durch den BND von Abteilung 6 anzufordern. Damit wird
der Stab des Bundeskanzleramtes der Aufgabe nicht ge-
recht, die Bundeskanzlerin mit einem umfassenden Lage-
bild zu versehen. Die Bundeskanzlerin hat es versäumt,
auf eine systematische Verzahnung der einzelnen Abtei-
lungen des Bundeskanzleramtes hinzuwirken. Sie wird
Anforderungen an eine moderne, effektive Regierungs-
führung damit nicht gerecht.
Die Bundeskanzlerin hat es zudem hingenommen, dass
dem Kanzleramt angeblich wichtige Dokumente über den
Vorgang durch das Verteidigungsministerium nicht rech-
tzeitig übermittelt worden sind. Ihr Haus war nicht in der
Lage, in enger Abstimmung der Abteilungen und unter
Einschaltung des Chefs des Bundeskanzleramtes die not-
wendigen Informationen zeitnah zu beschaffen.
Dies mutet umso erstaunlicher an, wenn man bedenkt,
dass immer wieder die schleppende Weitergabe von In-
formationen durch das Verteidigungsministerium kritisiert
wurde.
1939
Staatssekretär Dr. Wichert, der in diesem Zusammenhang
immer wieder vom Gruppenleiter Dr. Vad kritisiert wur-
de, hält dem entgegen, dass sein „Rotstrich-Vermerk“
vom 7. September 2009 die angeforderte umfassende
Unterrichtung zur Vorbereitung auf die Regierungserklä-
rung der Bundeskanzlerin enthielt. Unter anderem war
darin die zentrale Bewertung aus dem IAT-Bericht enthal-
ten, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich-
keit“ auch Zivilisten bei dem Luftangriff getötet worden
seien.
Als sich Mitarbeiter des Kanzleramts am 10. September
2009 direkt an den Staatssekretär mit der Bitte um Über-
sendung des IAT-Berichts wandten, wurde dieser umge-
hend zur Verfügung gestellt. Zuvor hatte man sich nur auf
Arbeitsebene um das Dokument bemüht, die in einer so
delikaten Angelegenheit keine Informationen an der poli-
tischen Leitung vorbei übermitteln wollte. Mängel im
Vorgehen der Gruppe 22 treten auch darin zutage, dass
der Eingang des IAT-Berichts nicht unverzüglich an das
inzwischen um Unterstützung gebetene Büro des Chefs
des Bundeskanzleramt gemeldet, sondern zunächst in
Ruhe ausgewertet wurde.
In der Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss
machte der Gruppenleiter Dr. Vad widersprüchliche Aus-
sagen zum Informationsstand: Zum einen kritisierte er in
der ersten Woche nach dem Luftangriff schleppende und
1939) Mitteilung von RL Siegmann an AL Dr. Heusgen vom 8. Sep-
tember 2009. gegen 11 Uhr, in dem dieser seine Verwunderung
darüber äußerte, dass im Verteidigungsausschuss am gleichen Ta-
ge drei wichtige Informationen über die Vorgänge in Kunduz er-
wähnt wurden, die nicht in der zur Vorbereitung der Regierungs-
erklärung am 7. September 2009 eingegangen waren (Mat. 17-
29a, Ordn. Gruppe 21, Ordn. 1, S. 38).
unvollständige Unterrichtung durch das Verteidigungsmi-
nisterium. Zum anderen behauptete er, die Bundeskanzle-
rin sei mit umfassender Information in die Regierungser-
klärung am 8. September 2009 gegangen. Dies könne man
an der Regierungserklärung selbst, die bis heute im We-
sentlichen Bestand habe, ableiten.
8. Ergebnis
Abschließend lässt sich feststellten, dass es der Bundes-
kanzlerin in der öffentlichen Wahrnehmung gelungen ist,
Distanz zum umstrittenen militärischen Vorfall zur wah-
ren, und die Verantwortung allein auf die beiden überfor-
derten Amtsinhaber im Bundesministerium der Verteidi-
gung abzuwälzen. So trägt sie deren wechselnde Bewer-
tungen des Luftangriffs bis heute mit und verhindert es,
eigene Schlussfolgerungen aus der Angelegenheit zu
ziehen. Die Aufklärung schiebt sie auf den Bundestag ab.
Ihrer Führungsfunktion als Regierungschefin wird sie
damit gerade nicht gerecht.
Angesichts der Dramatik und der Schwere des Vorfalls –
auf deutschen Befehl um die hundert Tote, darunter viele
Zivilisten – erscheint das Verhalten der Bundeskanzlerin
insgesamt erschreckend unangemessen.
IX. Zum Verfahren im Untersuchungsaus-
schuss
Von besonderer Bedeutung scheinen für die Ausschuss-
mehrheit die im Laufe der Beweisaufnahme dieses Unter-
suchungsausschusses zu Tage getretenen Verfahrensfra-
gen zu sein, weil sie diese in ihrer Bewertung als Erstes
behandelt.
1940
Was hierzu von der Mehrheit jedoch vor-
getragen wird, ist stellenweise so skurril, dass es nicht
ohne Widerspruch bleiben kann.
1. Ausschluss der Öffentlichkeit durch die
Mehrheit
Die ungenierte Behauptung der Mehrheit, sie sei in die-
sem Untersuchungsverfahren stringent ihrer „politischen
Linie der Transparenz“1941 gefolgt, mutet angesichts der
von ihr allein zu verantwortenden Verbannung vieler
Zeugenvernehmungen aus der Öffentlichkeit hinter ver-
schlossene Türen mehr als abenteuerlich an.
Der etwas umständlich hergeleiteten Rechtsauffassung
der Mehrheit, dass der Verteidigungsausschuss als Unter-
suchungsausschuss selbst darüber entscheiden darf, ob
und in welchem Umfang Zeugenvernehmungen öffentlich
durchgeführt werden, ist allerdings zuzustimmen.
Wegen dieser im Ausschuss festgestellten Einigkeit wur-
de zu Beginn der Beweisaufnahme vereinbart, dass Mitg-
lieder der politischen Leitungsebene und der militärischen
Führung sowie Personen aus dem nachgeordneten Bereich
jeweils im Einzelfall in öffentlicher Sitzung vernommen
1940) Mehrheitsbewertung, S. 169 ff.
1941) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 170.
Drucksache 17/7400 – 298 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
werden sollten, um so viel Transparenz wie möglich her-
zustellen und die Öffentlichkeit direkt an der Aufklä-
rungsarbeit des Ausschusses teilnehmen zu lassen.
Diese interfraktionelle Vereinbarung zur Frage der Öf-
fentlichkeit wurde indes durch die Mehrheit im Juni 2010,
unmittelbar im Anschluss an die Vernehmung des Frei-
herrn zu Guttenberg, geradezu handstreichartig aufge-
kündigt.
Mit angeblich geschäftsordnungsrechtlichen Bedenken
wurde der einvernehmliche Beschluss vom 16. Dezember
2009, der für die Opposition auch die Geschäftsgrundlage
für die Behandlung des Falles im Verteidigungsausschuss
– und nicht in einem Untersuchungsausschuss gemäß
Artikel 44 Grundgesetz – gebildet hatte, gegen den aus-
drücklichen und rechtlich breit untermauerten
1942
Protest
der Minderheit aufgehoben.
Begründet wurde dies damit, dass der ursprüngliche Ver-
fahrensbeschluss zu pauschal gewesen sei. Geflissentlich
übersehen wurde dabei jedoch, dass für jede einzelne
öffentlich durchgeführte Zeugenvernehmung immer noch
ein konkreter einzelfallbezogener Beschluss des Aus-
schusses gefasst worden war.
Dass die Argumentation der Mehrheit nur vorgeschoben
war, wurde im weiteren Verlauf dadurch unter Beweis
gestellt, dass die Minderheit, die für jeden für eine öffent-
liche Vernehmung in Betracht kommenden Zeugen nun-
mehr einzelne ausführliche Begründungen vorlegte, re-
gelmäßig durch die Mehrheit kommentarlos niederges-
timmt wurde.
Diese Vorgehensweise der Mehrheit diente dem einzigen
Zweck, das nach der Vernehmung des Freiherrn zu Gut-
tenberg erwartungsgemäß nachlassende öffentliche Inter-
esse an den Vorgängen von Kunduz möglichst vollständig
zu ersticken.
In der Folge wurden dann auch wichtige Zeugen, wie
beispielsweise Admiral Kühn oder Staatssekretär Wolf,
der Leiter des Planungsstabes Dr. Schlie, Pressesprecher
Dr. Raabe, General Ramms oder für das Bundeskanzler-
amt die Abteilungsleiter Dr. Heusgen und Fritsche ohne
Not hinter verschlossenen Türen vernommen.
Neben den eher peinlichen Bekundungen des Admiral
Kühn, der in seiner Vernehmung die Substanzlosigkeit der
„Neubewertung“ des Luftangriffs anschaulich bestätigt
hat,
1943
musste die Öffentlichkeit damit auch auf die offe-
ne Kritik an Bundeswehr und Ministerium durch General
Ramms und die entlarvenden Bekundungen des damaligen
Pressesprechers Dr. Raabe
1944
verzichten.
Vor allem wurden aber selbst zivile Zeugen, bei denen
nicht der geringste Grund für den Ausschluss der Öffent-
lichkeit bestand, wie etwa der durch den Bombenabwurf
verletzte zivile Lastwagenfahrer oder die Zeugin
Dr. Erfan aus der Öffentlichkeit verbannt.
1942) Beratungsunterlage 17-219.
1943) Vgl. dazu ausführlich oben ab Seite 290.
1944) Vgl. dazu ausführlich oben ab Seite 274 ff.
Das Versprechen der Bundeskanzlerin, eine „ungeschön-
te“ Aufklärung gewährleisten zu wollen, hatte sich damit
nun endgültig als reine Farce entpuppt.
2. Die Verweigerung der Durchführung einer
Gegenüberstellung
In der Beweisaufnahme wurden mehrere Widersprüche
zwischen den Aussagen des Zeugen Freiherr zu Gutten-
berg auf der einen und den Zeugen Schneiderhan und
Dr. Wichert auf der anderen Seite erkennbar, die sämtlich
den Kern des vorliegenden Untersuchungsauftrags betra-
fen und deren Klärung eine der wesentlichen Aufgaben
dieses Ausschusses dargestellt hätte. Dass diese Wider-
sprüche tatsächlich existierten, wurde inzwischen sogar
von der Mehrheit offen eingeräumt.
1945
Deshalb drängte sich die Durchführung einer Verneh-
mungsgegenüberstellung dieser Zeugen zur Erforschung
der Wahrheit und damit zur effektiven Aufklärung des
Sachverhalts geradezu auf. Durch eine gemeinschaftliche
Befragung der sich widersprechenden Zeugen hätten sich
diese Widersprüche mit hoher Wahrscheinlichkeit aufklä-
ren lassen.
Gegenüber dem bloßen Vorhalt ist die Gegenüberstellung
das bessere Beweisverfahren, weil es die Möglichkeit
eröffnet, die Zeugen unmittelbar mit den Angaben der
anderen Zeugen zu konfrontieren und dadurch ein an-
schauliches Bild von den sich gegenseitig beeinflussenden
Reaktionen der Beweispersonen zu gewinnen. Der ent-
sprechende Antrag der Minderheit wurde von der Mehr-
heit jedoch kategorisch abgelehnt, um den damaligen
Verteidigungsminister vor einer öffentlichen Bloßstellung
zu bewahren.
Der Versuch, die Durchführung der Gegenüberstellung
gerichtlich durchzusetzen, scheiterte, weil dem Bundesge-
richtshof die Entscheidung darüber, ob eine Gegenübers-
tellung im Einzelfall zulässig und zweckmäßig ist, zu
„politisch“ erschien.
Dabei hat der Bundesgerichtshof nicht darüber entschie-
den, ob die Gegenüberstellung im konkreten Fall „gebo-
ten“ war, sondern nur darüber, dass die Ausschussmehr-
heit in der Entscheidung frei sei, ob eine Gegenüberstel-
lung durchgeführt werde oder nicht, weil im Gesetz zur
Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse
(PUAG) die Durchführung einer Gegenüberstellung nicht
ausdrücklich als Minderheitenrecht ausgewiesen sei.
Wörtlich heißt es in dem Beschluss des Bundesgerichts-
hofs:
„Bei der Beurteilung, ob wegen Widersprüchen in
den Aussagen von Zeugen eine Gegenüberstellung
zulässig und zweckmäßig ist, sind die politischen
Bewertungen der Zeugenaussagen von ausschlag-
gebender Bedeutung. Diese ist Aufgabe der Mitg-
lieder des Untersuchungsausschusses und nicht
der Gerichte, die nur über Rechtsfragen, nicht da-
1945) Mehrheitsbewertung, S. 170.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 299 – Drucksache 17/7400
gegen über politische Bewertungen zu entscheiden
haben.“1946
Damit wurde klargestellt, dass die Möglichkeit der Durch-
führung einer Gegenüberstellung im konkreten Fall ohne
weiteres bestanden hätte, wenn die Mehrheit dies nur
gewollt hätte. Da dies aber aus rein politischen Gründen
nicht der Fall war, mussten die Zeugen Schneiderhan und
Dr. Wichert erneut in Einzelvernehmungen gehört wer-
den, damit sie zu den Vorwürfen ihres ehemaligen Vorge-
setzten noch einmal Stellung nehmen konnten.
Im Rahmen der laufenden Diskussionen über eine mögli-
che Novellierung des PUAG sollte darauf hingewirkt
werden, dass die Durchführung einer Vernehmungsgege-
nüberstellung ausdrücklich als Minderheitenrecht ausges-
taltet wird.
3. Zur Reihenfolge der Zeugenvernehmun-
gen: das Reißverschlussverfahren
Als völlig unverständlich ist der Beitrag der Mehrheit
zum Problem der Reihenfolge von Zeugenvernehmungen
zu bewerten.
Zu der Frage, wie im Ausschuss zu verfahren ist, wenn
keine Einigung darüber erzielt werden kann, welche Zeu-
gen in welcher Reihenfolge gehört werden sollen, sieht
das PUAG in seinem § 17 Abs. 3 vor, dass „die Vor-
schriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Rei-
henfolge der Reden entsprechend“ angewendet werden
müssen.
Dazu, wie dies in der laufenden Wahlperiode konkret
auszugestalten ist, hatte der Fachbereich Parlamentsrecht
der Verwaltung des Deutschen Bundestages ein ausführli-
ches Gutachten vorgelegt. Dieses gelangt zu dem eindeu-
tigen Ergebnis, dass das zu Beginn der 17. Wahlperiode
zwischen den Fraktionen vereinbarte Schema zur Redner-
abfolge im Plenum des Deutschen Bundestages anzuwen-
den sei.
1947
Den ausführlichen und ausgewogenen Darstel-
lungen in diesem Gutachten wird hiermit ausdrücklich
zugestimmt.
Der klägliche Versuch der Verfasser des Mehrheitsvo-
tums, das Gutachten des politisch unabhängigen Fachbe-
reichs Parlamentsrecht zu „widerlegen“, bedarf eigentlich
keiner ausführlichen Stellungnahme. Das absurde Ergeb-
nis der Mehrheit, die „formal gerechte“ Lösung läge dar-
in, dass die Mehrheit das Recht habe, „sieben“ (!) Zeugen
hintereinander vernehmen zu lassen, ehe die Minderheit
mit ihren „fünf“ Zeugen nacheinander „zum Zuge kä-
me“,1948 dürfte für sich sprechen.
Die eindeutige Formulierung der Gesetzesbegründung zu
§ 17 Abs. 3 PUAG, die ausdrücklich nach einer „abwech-
1946) BGH, Beschluss vom 17. August 2010, Az. 3 ARs 23/10 (Fn. 49,
Dokument 19), Rz. 28 (Hervorhebungen nur hier).
1947) Beratungsunterlage 17-137 (Fn. 34, Dokument 18a).
1948) Mehrheitsbewertung, S. 172.
selnden Reihenfolge“ verlangt1949 wurde durch die Mehr-
heit einfach ignoriert.
Wie es zu einer solch eklatanten Verkennung des zentra-
len parlamentarischen und verfassungsrechtlich fundier-
ten
1950
Grundsatzes von „Rede und Gegenrede“, dem der
Geschäftsordnungsausschuss des Deutschen Bundestages
eindeutig Vorrang vor dem Stärkeverhältnis der Fraktio-
nen einräumt,
1951
in einem offiziellen parlamentarischen
Votum kommen kann, ist nicht zu verstehen, und kann
wohl nur als „Betriebsblindheit“ bewertet werden.
Die Verfasser des Mehrheitsvotums belegen anschaulich,
dass sie die entscheidenden parlamentsrechtlichen Rah-
menbedingungen nicht verstanden haben, wenn sie die
Befürchtung äußern, die Minderheit könne die Verneh-
mungen von Zeugen „dominieren“. Auch diese Angst der
Mehrheit beruht auf der Verkennung des „Grundsatzes
von Rede und Gegenrede“, der natürlich auch den Frak-
tionen der Mehrheit grundsätzlich die Möglichkeit ein-
räumt, im Wechsel mit einer Fraktion der Minderheit
einen Zeugen zu benennen. Genau das ist mit dem hierfür
eingebürgerten Begriff des „Reißverschlussverfahrens“
gemeint.
Es ist unerklärlich, wie die Mehrheit zu dem Ergebnis
kommen kann, dass ein Verfahren, mit dem über viele
Wahlperioden und mit Zustimmung der jeweiligen Mehr-
heit ein gerechter Ausgleich für den – im täglichen parla-
mentarischen Betrieb sicherlich entscheidenderen – Be-
reich der Rednerreihenfolge im Plenum des Deutschen
Bundestages herbeigeführt wurde und weiterhin wird, auf
einmal eine „rechtlich nicht haltbare“ Benachteiligung der
Mehrheit darstellen soll.
Der angebliche „Präzedenzfall“ aus dem BND-
Untersuchungsausschuss, aus dem die Mehrheit meint
herleiten zu können, dass der Grundsatz von „Rede und
Gegenrede“ im Untersuchungsverfahren keine Geltung
haben dürfe, belegt diese Auffassung jedenfalls nicht,
weil es sich dabei gerade nicht um einen Streitfall, son-
dern um eine interfraktionelle „Einigung“ gehandelt hat,
die immer möglich ist und vom Gesetz natürlich bevor-
zugt wird. Damit ist aber nichts darüber gesagt, was in
dem Fall zu gelten hat, in dem eine Einigung gerade nicht
erzielt werden kann.
4. „Mehrheit bleibt Mehrheit“
Letztlich zeigen die Rechtsansichten der Mehrheit zu den
Verfahrensfragen im Ausschuss nur, was sich auch an
vielen anderen Stellen gezeigt hat: Es geht der Koalition
von CDU/CSU und FDP nicht mehr darum, mit sachli-
chen Argumenten zu überzeugen, sondern es reicht ihr
völlig aus, darauf zu verweisen, dass sie mit ihrer rechne-
rischen Mehrheit beschließen kann, was sie will. Beis-
pielsweise:
1949) Vgl. BT-Drs. 14/5790, S. 17.
1950) Vgl. nur: BVerfGE Bd. 10, S. 4, 12.
1951) Vgl. hierzu nur: Auslegungsentscheidung des 1. Ausschusses vom
5. Dezember 2002 und ausführlich: Ritzel/Bücker/Schreiner,
Kommentar zur GO-BT, § 28 mit vielen weiteren Nachweisen.
Drucksache 17/7400 – 300 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– wurde der Minderheit zu Beginn des Verfahrens eine
sachwidrige Struktur der Untersuchung oktroyiert,
– wurde die Reihenfolge der Zeugen nach Belieben
durch die Mehrheit festgelegt, bis nach Androhung
einer Klage eingelenkt wurde,
– wurde die Sitzungsdauer der Zeugenvernehmungen
gegen den ausdrücklichen Willen der Minderheit auf
sechs Stunden begrenzt,
– wurden Fernsehübertragungen der wesentlichen öf-
fentlichen Zeugenvernehmungen der Minister und
der Bundeskanzlerin gegen den Willen der Minder-
heit verhindert,
– wurde die Vernehmung von Zeugen durch Abgeord-
nete der Minderheit häufig mit teilweise sachfernen
Einwürfen
1952
unterbrochen und damit die Sachauf-
klärung erheblich erschwert,
– wurde das Ausschusssekretariat trotz der von der
Vorsitzenden und von Mitarbeitern des Sekretariates
vorgetragenen Bedenken unter einen solch enormen
Zeitdruck gesetzt, einen Entwurf für den Feststel-
lungsteil des Abschlussberichts vorzulegen, dass es
kaum möglich war, sämtliche Beweismittel erschöp-
fend auszuwerten,
– wurden auch die Fristen für die Vorlage der politi-
schen Bewertungen durch die Fraktionen ohne sach-
lichen Grund extrem kurz bemessen,
– hielt sich die Mehrheit dann jedoch selbst nicht an
ihren eigenen Zeitplan, auf den die Minderheit ein-
gestellt hatte, und änderte diesen mehrfach nach ei-
genem Gusto und zum Nachteil der Minderheit.
Eine Mehrheit, die fast durchgängig auf Sachargumente
verzichtet und nur noch auf ihre rechnerische Stärke ver-
weist, um sämtliche Minderheitsinteressen pauschal ab-
zuwehren, wird ihrer Verantwortung im parlamentari-
schen System des Grundgesetzes, das gerade dem ange-
messenen Ausgleich zwischen Mehrheits- und Minder-
heitsinteressen in Untersuchungsausschüssen besondere
Bedeutung beimisst, nicht gerecht.
1952) Vgl. etwa: Abg. Siegfried Kauder: „Sie können nicht aus eigenem
Wissen vorhalten.“ (Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 23); Abg. Siegf-
ried Kauder: „Es kann nur aus etwas zitiert werden, was allen zur
Verfügung steht.“ (Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 41); Abg. Siegfried
Kauder: „Es kommt nicht darauf an wer über was nachgedacht
hat, sondern was veranlasst worden ist oder was nicht veranlasst
worden ist.“ (Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 31); Abg. Siegfried Kau-
der: „Die Frage von Entschädigungszahlungen ist nicht Gegens-
tand des Untersuchungsausschusses.“ (Protokoll-Nr. 49, Teil I,
S. 70). Einerseits wird immer wieder verlangt, dass den Zeugen
Dokumente, nach denen gefragt wird, vorgelegt werden: [Abg.
Siegfried Kauder: „Vorlegen!“ (Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 77)],
andererseits wird immer wieder moniert, wenn den Zeugen Do-
kumente vorgelegt werden [Abg Siegfried Kauder: „Es kostet
doch einen Haufen Zeit, wenn man zu jeder Frage, die man stellt,
die Akte vorlegen lässt.“ (Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 15)].
X. Lehren aus den festgestellten Fehlern und
Defiziten: Handlungsbedarf
Nachdem die Ausschussmehrheit in ihrer Bewertung
darauf verzichtet hat, die Vorgänge in der Nacht vom 3.
auf den 4. September 2009 in Kunduz sachgerecht aufzu-
arbeiten, wundert es nicht, dass sie in ihrem Votum auch
die Frage des Untersuchungsauftrags, welche Nachsteue-
rungen in nationaler Verantwortung mit Blick auf die
Zukunft vorgenommen werden müssen, nicht sinnvoll
beantworten konnte.
Nach den abschließenden Bewertungen der Mehrheit soll
es keinerlei strukturelle Defizite gegeben haben. Sogar
das Verfahren des Umgangs mit HUMINT-Quellen durch
Angehörige der Bundeswehr soll sich „insgesamt be-
währt“ haben und vor allem „im vorliegenden Fall opti-
mal genutzt“ worden sein.1953
Die entscheidende Frage nach den „lessons learned“, wird
durch die Mehrheit so beantwortet, dass die Bundesregie-
rung im Grunde schon alle Probleme, die aber eigentlich
keine gewesen sein sollen, abgestellt und beseitigt habe.
– Dem angeblichen „Defizit“, dass Oberst Klein keine
eigenen nationalen Aufklärungsmittel zur Verfügung
gestanden hätten, sei durch die Einführung des Un-
bemannten Aufklärungssystems HERON 1 begegnet
worden. Dabei wird jedoch übersehen, dass dem PRT
Kunduz unbemannte Aufklärungssysteme durchaus
zur Verfügung standen und das Problem nur darin
lag, dass Oberst Klein keinen Piloten aufwecken
wollte, um sie zu bedienen. Verkannt wird zudem,
dass HERON 1 nicht den PRTs selbst zur Verfügung
steht, sondern nur über RC North angefordert werden
kann.
– Ein weiteres angebliches „Defizit“ wird darin gese-
hen, dass Oberst Klein nicht genügend „Eskalations-
potential“ mit „adäquaten nationalen Wirkmitteln“
zur Verfügung gestanden hätte. Wie der von der
Mehrheit belobigte „Einsatz der Panzerhaubitze 2000
und des Schützenpanzers Marder ab Frühjahr 2010“
auch nur eines der festgestellten Probleme von Oberst
Klein in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009
hätte lösen sollen, erschließt sich nicht.
– Die „Feststellung“ der Mehrheit, dass „bereits einige
Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung veran-
lasst“ worden seien, wirkt unglaubhaft, wenn darauf
verzichtet wird, klar zu benennen, worin die Defizite
in der Anwendung der Einsatzregeln konkret bestan-
den haben.
– Unklar bleibt auch, welche „entscheidenden Schritte“
das BMVg „aus Sicht des Ausschusses in Richtung
einer umfassenden und transparenten Informations-
politik“ gemacht haben soll.
– Auch die Feststellung der Mehrheit, die Information
des Parlamentes habe sich deutlich verbessert, über-
zeugt nicht. Richtig ist nur, dass durch die Übertra-
1953) Mehrheitsbewertung, S. 210 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 301 – Drucksache 17/7400
gung der Zuständigkeit auf das Einsatzführungs-
kommando sich die Unterrichtungen quantitativ ge-
steigert haben, eine Verbesserung der Qualität und
Tiefe der Unterrichtungen ist jedoch keineswegs fest-
zustellen.
– Auch für die angeblich verbesserte Information der
Öffentlichkeit bleibt die Mehrheit jeden konkreten
Beleg schuldig.
– Weiterhin werden zwar „Konsequenzen bei der Ge-
schäftsordnung des BMVg“ angemahnt, aber welche
das sein sollen, bleibt völlig offen.
Letztlich wird durch die Mehrheit nicht eine einzige wirk-
liche Schlussfolgerung aus den Feststellungen zum Luft-
angriff von Kunduz benannt, ganz als ob es die festges-
tellten Fehler und Regelverstöße nie gegeben hätte. Dem
Anspruch des gemeinsam von allen Fraktionen im Vertei-
digungsausschuss gefassten Untersuchungsauftrags wird
dieses Votum der Mehrheit nicht gerecht.
Auf der Grundlage der in diesem Sondervotum heraus-
gearbeiteten Defizite auf allen beteiligten Ebenen von
Bundeswehr und Bundesregierung sind folgende Schluss-
folgerungen für die Zukunft zu ziehen:
1. Klare Aussagen der Bundesregierung zu
den nationalen Einsatzvorgaben des ISAF-
Mandats sind zwingend erforderlich
Vor allem anderen hat die Bundesregierung die Frage zu
beantworten, ob die von ihr immer wieder betonte Ge-
ltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der
militärischen Gewaltanwendung durch deutsche Soldaten
und das dadurch bedingte nationale Verbot der gezielten
Tötungen noch Geltung hat oder ob sich die Bundesregie-
rung inzwischen bewusst von diesen Vorgaben für den
Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen der „militärischen
Kultur der Zurückhaltung“ entfernt hat.
Sollte die Bundesregierung das ISAF-Mandat des Bun-
destages so ausweiten, dass sich die Bundeswehr auch
verstärkt an gezielten offensiven Vernichtungsangriffen
gegenüber vermuteten Taliban außerhalb konkreter
Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituationen im Sinne
einer präventiven „Liquidierung“ beteiligen will, muss
dies bei zukünftigen Entscheidungen des Deutschen Bun-
destages Berücksichtigung finden.
2. Folgerungen aus den Defiziten auf der
Ebene des PRT
Die Beweisaufnahme hat weiterhin eine Vielzahl von
Defiziten im Umgang der beteiligten Soldaten mit der
zentralen menschlichen „Kontaktperson“ und bei der
Vermengung der Aufgaben von Task Force 47 und PRT
erkennbar werden lassen. Zudem mussten bei den betei-
ligten Soldaten erhebliche Unsicherheiten im Umgang mit
nationalen und internationalen Einsatzvorgaben festges-
tellt werden. Es besteht unmittelbarer Handlungsbedarf
der militärischen und der politischen Führung:
– Es bedarf nachhaltiger Maßnahmen, um eine klarere
Trennung zwischen den Aktivitäten der Task For-
ce 47 und den Aufgaben der PRT zu bewirken, so
dass eine den Vorgaben des NATO-Operationsplans
widersprechende Vermengung der Aufgaben und Be-
fugnisse der Task Force mit denen des PRT zukünf-
tig vermieden wird.
– Zukünftig sollte sichergestellt werden, dass die PRTs
über eine aufgabengerechte technische Ausstattung
verfügen, so dass keinesfalls mehr ein Rückgriff auf
Gefechtsstände und Personal der Task Force für
PRT-Einsätze erfolgt.
– Die überkommenen Verfahren der Führung men-
schlicher Kontakte im Bereich des Militärischen
Nachrichtenwesens der Bundeswehr müssen grund-
legend auf den Prüfstand gestellt werden.
– Die Ausbildung und Kontrolle der Feldnachrichten-
kräfte im Bereich der Führung von HUMINT-
Kontakten, insbesondere in Bezug auf die Verfahren
der Informationsübermittlung an den militärischen
Entscheider im Rahmen operativer Unterstützungs-
handlungen, die Verfahren der zielgerichteten Ge-
sprächsführung und die Vorgaben zur Analyse und
Bewertung von Informationen von HUMINT-
Quellen müssen stark verbessert werden.
– Die Koordinierung innerhalb des Militärischen Nach-
richtenwesens sowie seine fachaufsichtliche Kontrol-
le müssen einer umfassenden Überprüfung durch das
Bundesministerium der Verteidigung und – soweit
der BND betroffen ist – das Bundeskanzleramt unter-
zogen werden.
Hinsichtlich der in der Beweisaufnahme des Ausschusses
festgestellten Verstößen gegen die ISAF-Einsatzregeln
und gegen nationale Vorgaben im Zusammenhang mit
dem konkreten Waffeneinsatz sowie hinsichtlich der
eklatanten Defizite in Bezug auf die richtige völkerrech-
tliche Bewertung von Konfliktlagen im Einsatz sind fol-
gende Maßnahmen zu ergreifen:
– Es bedarf im Rahmen des Rechtsunterrichts einer
nachhaltigen Verbesserung von Aus- und Fortbildung
der Soldatinnen und Soldaten hinsichtlich des Ver-
stehens und der korrekten Anwendung der bindenden
Rules of Engagement der NATO sowie der nationalen
Einsatzvorgaben.
– Den Soldatinnen und Soldaten müssen zudem die
wichtigsten verfassungs- und völkerrechtlichen Rah-
menbedingungen so verständlich gemacht werden,
dass sich mühelos im täglichen Einsatz daran orien-
tieren können.
– Zwingend muss die Notwendigkeit der Einbeziehung
des Rechtsberaters in solchen Fällen wie dem vorlie-
genden vermittelt werden.
– Es muss absolut sichergestellt sein, dass ein solcher
ausgebildeter Rechtsberater auch immer in den PRTs
verfügbar ist.
Drucksache 17/7400 – 302 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Es muss sichergestellt werden, dass die Stellen, die
für die Abklärung der möglichen Betroffenheit eige-
ner oder befreundeter Kräfte zuständig sind, auch des
Nachts immer auskunftsfähig sind.
3. Folgerungen aus den festgestellten Defizi-
ten auf der Ebene der Bundesregierung
Es wurden in der Beweisaufnahme weiterhin erhebliche
Probleme im Umgang des Bundeskanzleramts, des Ver-
teidigungsministeriums und des Bundesministeriums der
Justiz mit Vorfällen solcher Tragweite festgestellt:
– Beim Krisenmanagement des Bundesverteidigungs-
ministeriums wurden sowohl Mängel in der internen
Koordination als auch in der Kommunikation nach
außen festgestellt. Im Hinblick auf die hohe Belas-
tung der Bundeswehr durch Auslandseinsätze ist es
dringend geboten, in diesem Bereich für Abhilfe zu
sorgen.
– Der Bundesminister der Verteidigung muss sichers-
tellen, dass Pressestab und militärischen Fachabtei-
lungen zukünftig nicht weiter planlos nebeneinander
agieren, sondern koordiniert und abgestimmt die Öf-
fentlichkeit wahrheitsgetreu informieren.
– Der Bundesminister der Verteidigung muss die sich
in der Beweisaufnahme offenbarten Mängel im Be-
reich der „Unternehmenskultur“ offensiv angehen
und Maßnahmen zu ergreifen, um den Prinzipien der
Inneren Führung wieder mehr Geltung zu verschaffen
und „Zivilcourage“ im Umgang mit Vorgesetzten zu
befördern.
– Hinsichtlich der defizitären Unterrichtung des Parla-
ments durch das Bundesministerium der Verteidi-
gung bedarf es eines grundsätzlichen Umdenkens und
eines ehrlicheren Umgangs. Dieser ist nicht nur an
Quantität, sondern vor allem auch an der Qualität der
Informationen zu messen. Es bedarf einer besseren
und regelmäßigeren Unterrichtung zumindest der Ob-
leute des Verteidigungsausschusses über die Einsätze
von Spezialkräften.
– Der Bundesminister der Verteidigung muss prüfen,
inwiefern die durch den Untersuchungsausschuss
gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen disziplinari-
scher Ermittlungen aufgegriffen werden müssen. Es
muss zukünftig sichergestellt werden, dass schwere
Verstöße gegen nationale und internationale Einsatz-
vorgaben durch Soldatinnen und Soldaten angemes-
sen untersucht und vergleichbare dienstrechtlichen
Konsequenzen nach sich ziehen wie andere Dienst-
pflichtverstöße.
– Die Mängel in der Koordination zwischen der für
Außen- und Sicherheitspolitik zuständigen Abteilung
2 und der für die Aufsicht über die Nachrichtendiens-
te zuständigen Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes
müssen beseitigt werden.
– Die Bundesministerin der Justiz muss prüfen, inwie-
fern die im Untersuchungsausschuss gewonnenen Er-
kenntnisse es notwendig machen, beim Generalbun-
desanwalt darauf hinzuwirken, dass dessen Verfahren
in Fällen mit derartig offensichtlicher Präzedenzwir-
kung zukünftig den Ansprüchen an gründliche, wirk-
same und effektive Ermittlungen besser entsprechen
als es die Einstellungsverfügung des Generalbundes-
anwalts im vorliegenden Fall erkennen lässt.
4. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf
Neben den Nachsteuerungsnotwendigkeiten bei Bundes-
wehr und Bundesregierung hat sich im Rahmen der Be-
weisaufnahme auch Handlungsbedarf auf der Ebene des
Gesetzgebers gezeigt:
– Die erkannte Lücke im System der parlamentarischen
Kontrolle des Bereichs des Militärischen Nachrich-
tenwesens der Bundeswehr muss geschlossen wer-
den, wobei die Lösung beispielsweise in einer Erwei-
terung der Zuständigkeiten des Parlamentarischen
Kontrollgremiums oder in der Wahrnehmung dieser
Kontrollaufgaben durch den Verteidigungsausschus-
ses gefunden werden könnte.
– In diesem Zusammenhang sollte durch den Gesetz-
geber durchaus auch erwogen werden, das Militäri-
sche Nachrichtenwesen unter dem Gesichtspunkt der
Rechtssicherheit auf eine eigene gesetzliche Grund-
lage zu stellen.
– Auch im Bereich der Strafverfolgung von Bundes-
wehrangehörigen im Zusammenhang mit Auslands-
einsätzen der Bundeswehr besteht gesetzgeberischer
Diskussionsbedarf: Aus Gründen der Rechtssicher-
heit sollte die Frage der Verfolgungszuständigkeit
des Generalbundesanwalts auch für die Verfolgung
von Straftaten nach allgemeinem Strafrecht im Zu-
sammenhang mit völkerstrafrechtlichen Sachverhal-
ten einer gesetzlichen Klärung zugeführt werden.
– Zudem sollte – auch zur Klarstellung für die Solda-
tinnen und Soldaten der Bundeswehr – darüber nach-
gedacht werden, ob auch in Deutschland eine eindeu-
tige und ausdrückliche gesetzliche Norm zur Rech-
tfertigung militärischen Handelns deutscher Soldaten
im Rahmen von Auslandseinsätzen erlassen werden
sollte.
– Im Rahmen der laufenden Diskussionen über eine
mögliche Novellierung des PUAG sollte darauf hin-
gewirkt werden, dass die Durchführung einer Ver-
nehmungsgegenüberstellung ausdrücklich als Min-
derheitenrecht ausgestaltet wird.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 303 – Drucksache 17/7400
B. Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.
I. „Lückenlose Aufklärung … ein Gebot der
Selbstverständlichkeit“
1954
In ihrer Regierungserklärung vom 08.09.2009 ist Bundes-
kanzlerin Dr. Angela Merkel mit dem Versprechen anget-
reten:
„Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls vom letz-
ten Freitag und seiner Folgen ist für mich und die
ganze Bundesregierung ein Gebot der Selbstver-
ständlichkeit. Die Bundeswehr wird mit allen zur
Verfügung stehenden Kräften genau dazu beitra-
gen. (… ) Ich stehe dafür ein, dass wir nichts be-
schönigen werden, (…).
(…)
Eine umfassende Bewertung des Angriffs und sei-
ner Folgen ist mir, ist dem Bundesminister der
Verteidigung, ist der Bundesregierung insgesamt
absolut wichtig. Auf der Grundlage aller Fakten
wird sie erfolgen: offen und nachvollziehbar.“1955
Dieses Versprechen ist bis heute nicht eingelöst. Stattdes-
sen haben die CDU/CSU/SPD- und auch die
CDU/CSU/FDP-Bundesregierung die Aufklärung der
Geschehnisse in der Nacht vom 3./4. September 2009
eher erschwert, behindert und verschleppt. Man hat be-
stenfalls reagiert, wenn öffentliche Meldungen es erfor-
derlich erscheinen ließen. Eine korrekte und vollständige
Information der Öffentlichkeit und des Parlaments sieht
anders aus.
Der Luftangriff vom 04.09.2009 hat gegen ISAF-
Verfahrensregeln verstoßen und war völkerrechtswid-
rig.
1956
Er hat das Leben vieler afghanischer Zivilisten
gekostet.
1957
Eine angemessene Entschädigung der Opfer
des Luftangriffs erfolgte bis heute nicht.
1958
Die Bundes-
regierung vertuschte alle mit dem Luftangriff in Zusam-
menhang stehenden Erkenntnisse nach Kräften
1959
und
bemühte sich sogar, Ermittlungen, die sich mit dem Luft-
angriff befassten, zu beeinflussen.
1960
Die von Kanzlerin Merkel geführte Bundesregierung hat
eigene Aktivitäten zur umfassenden Aufklärung des Vor-
falls weitgehend unterlassen. Stattdessen hat man – sofern
es opportun erschien – auf die Untersuchungen Anderer
verwiesen.
So haben sich die Mitglieder der Bundesregierung zu-
nächst darauf zurückgezogen, dass die Untersuchungser-
1954) Regierungserklärung vom 08.09.2009, BT-PlPr. 16/233
(Dokumnent 6), S. 26298.
1955) BT-PlPr. 16/233, S. 26298.
1956) Vgl. dazu ausführlich S. 331 f., 335 f. in diesem Sondervotum
(Teil 4, B.II.1. und 2.).
1957) Vgl. S. 308 f. (Teil 4, B.I.3.a)aa)).
1958) Vgl. S. 359 (Teil 4, B.III.2.).
1959) Vgl. S. 307 f. (Teil 4, B.I.3.).
1960) Vgl. S. 314 f., 352 f. (Teil 4, B.I.3.c)aa) sowie II.3.a)).
gebnisse des am 08.09.2009 eingesetzten ISAF-Joint
Investigation Board (JIB) abzuwarten seien.
Als sich abzeichnete, dass die Untersuchungsergebnisse
des JIB (der sog. COM ISAF-Bericht) nicht im Sinne der
deutschen Regierung waren – weil das JIB ermittelte
gravierende Verfahrensfehler deutlich benannte –, wurde
der NATO die Möglichkeit genommen, den vom JIB
ermittelten Sachverhalt mit einer abschließenden Bewer-
tung zu komplettieren.
1961
Die interessierte Öffentlichkeit
wurde stattdessen vom Bundesverteidigungsministerium
mit einer die JIB-Untersuchungsergebnisse umdeutenden
geschönten Interpretation bis auf Weiteres ruhig ge-
stellt.
1962
Nach dem plötzlichen Auftauchen des sog. Feldjägerbe-
richts in der Öffentlichkeit, der Entlassung von Staatssek-
retär Dr. Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan
und dem Rücktritt des ehemaligen Verteidigungsministers
Dr. Jung als Bundesminister für Arbeit und Soziales, war
die Linie der Regierung wiederum, die eigene Verpflich-
tung zur Aufklärung der Geschehnisse zu „delegieren“:
Nun hieß es, jegliches Bemühen um Aufklärung könne
allein dem frisch konstituierten Untersuchungsausschuss
überlassen werden, die Bundesregierung werde die dorti-
gen Aufklärungsbemühungen unterstützen.
Auch das ist nicht geschehen.
1. Behinderung der Arbeit des Untersu-
chungsausschusses
Die Möglichkeiten, die der Bundesregierung zur Verfü-
gung standen, die Aufklärungsarbeit des Untersuchungs-
ausschusses ins Leere laufen zu lassen, wurden konse-
quent genutzt.
Beigezogene Beweismittel wurden dem Untersuchungs-
ausschuss teilweise erst so spät übersandt, dass es nicht
mehr möglich war, sie zur Vorbereitung der mit ihnen in
Zusammenhang stehenden Zeugenvernehmungen auszu-
werten. Die Bundesregierung schwärzte bzw. sperrte
zahlreiche Aktenbestandteile, insbesondere aus dem Be-
reich des Bundesverteidigungsministeriums, vornehmlich
unter Berufung auf einen exzessiv interpretierten sog.
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die restrik-
tive, die Vorgaben der Geheimschutzordnungen über-
schreitende Politik nicht nachvollziehbarer VS-
Einstufungen und verweigerter Herabstufung offenkundig
nicht geheimhaltungsbedürftiger Erkenntnisse in Be-
weismitteln und Beweisergebnissen lässt deutlich erken-
nen, dass es der Bundesregierung weniger um den Schutz
sicherheitsrelevanter Staatsgeheimnisse ging als darum,
ihr nachteilige Informationen nicht an die Öffentlichkeit
gelangen zu lassen.
1961) Vgl. S. 317 (Teil 4, B.I.3.c)bb)).
1962) Vgl. S. 319 f. (Teil 4, B.I.3.c)cc)).
Drucksache 17/7400 – 304 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die von der Bundesregierung erteilten Aussagegenehmi-
gungen wurden so eingeschränkt, dass Zeugen sich viel-
fach nicht in der Lage sahen, Auskunft über ihre für die
Untersuchung relevanten Kenntnisse zu geben. Konse-
quent zurückgewiesen wurden in den Ausschusssitzungen
daher Fragen, die darauf abzielten, es den Mitgliedern des
Untersuchungsausschusses zu ermöglichen, sich selbst
eine Meinung darüber zu bilden, inwieweit es sich bei den
Aktivitäten in der Nacht des 03./04.09.2009 um eine Ope-
ration der Task Force 47 gehandelt hatte, oder ob versucht
worden war, gezielt Personen zu töten, die auf der sog.
JPEL
1963
, also der capture or kill-Liste der am ISAF-
Mandat beteiligten NATO-Staaten, standen.
So war es dem Untersuchungsausschuss letztlich weder
möglich, nachzuweisen, dass eine Verknüpfung mit nicht
vom ISAF-Mandat des Bundestages gedeckten Einsatz-
modalitäten (Stichworte: Spezialkräfteoperation – targe-
ted killing – geheimdienstliche Aktivitäten?) bestanden
hatte, noch auszuschließen, dass dies der Fall gewesen
war.
Die die Regierungskoalition tragenden Bundestagsfrak-
tionen der CDU/CSU und FDP haben die skizzierte Linie
der Bundesregierung im Untersuchungsausschuss ge-
stützt.
Den im Dezember 2009 ursprünglich einvernehmlich
gefassten Ausschussbeschluss, eine möglichst optimale
Information der Öffentlichkeit über die Untersuchungen
des Ausschusses auch dadurch zu gewährleisten, dass
Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss so
weitgehend wie möglich öffentlich durchgeführt werden,
hoben sie mit ihrer Stimmenmehrheit im Juni 2010 gegen
den Protest der Oppositionsfraktionen auf. In der Folge
gestellte Anträge der Oppositionsfraktionen auf Verneh-
mung diverser weiterer Zeugen in öffentlicher Sitzung
stimmten sie nieder.
Der Ablauf der Beweisaufnahme und die Zeugenreihung
wurden unter wiederholter Missachtung der argumentativ
fundierten Vorstellungen der Oppositionsfraktionen maß-
geblich durch die Mehrheitsfraktionen vorgegeben; zu-
gleich wurde die Dauer der Beweisaufnahmesitzungen auf
maximal sechs Stunden pro Sitzungstag begrenzt.
Den Zeitplan für die Erstellung des Abschlussberichts des
Untersuchungsausschusses fassten die Mehrheitsfraktio-
nen so eng, dass weder dem Ausschusssekretariat noch
den Oppositionsfraktionen die Möglichkeit blieb, sämtli-
che Beweismittel erschöpfend auszuwerten und der Öf-
fentlichkeit zugänglich zu machen. Sich selbst verschaff-
ten die Mehrheitsfraktionen jedoch nach Belieben Auf-
schübe durch entsprechende Beschlussfassung.
1963) JPEL = Joint Prioritized Effects List. Diese Liste ist Grundlage
für targeted killings im Rahmen des ISAF-Einsatzes; vgl. BT-Drs.
17/2775, S. 77: „Entsprechend dem ISAF-Regelwerk wird eine
Liste geführt, in der auf der Grundlage eines festgelegten Krite-
rienkatalogs Zielpersonen Handlungsempfehlungen zugeordnet
werden. Bei Personen, die sich unmittelbar oder dauerhaft an den
Feindseligkeiten beteiligen, besteht die Möglichkeit, die Anwen-
dung gezielt tödlich wirkender militärischer Gewalt zu empfeh-
len.”
2. Eindimensionalität der Bewertung der
Mehrheitsfraktionen
Die Bewertung des Ergebnisses der Arbeit des Untersu-
chungsausschusses durch die Mehrheitsfraktionen der
CDU/CSU und FDP lässt sich nur als eindimensional
bezeichnen.
a) Mangelndes Aufklärungsinteresse
Das Ausmaß ihres Aufklärungsinteresses offenbaren die
Mehrheitsfraktionen dankenswerterweise selbst, wenn sie
ausführen, die Ausschussmehrheit habe
„durch umsichtiges Verhalten erreichen können,
dass (…) Schaden von der Bundeswehr abgewen-
det wurde.“1964
Wenig überraschend ist vor diesem Hintergrund, dass
bereits die Eingangsbehauptung, die Bundesregierung
habe sich nach dem Luftangriff von Kundus „unmittelbar
um Aufklärung der Lage vor Ort bemüht und sehr rasch
die deutsche wie die afghanische Öffentlichkeit nach
bestem verfügbaren Wissen unterrichtet“1965 nicht zu
halten ist; dass von einer korrekten Information des Par-
laments und der Öffentlichkeit keine Rede sein kann,
wurde bereits angesprochen.
1966
Die von den Mehrheitsfraktionen vorgenommene Bewer-
tung der Arbeit des Untersuchungsausschusses in Hinb-
lick auf das Bombardement der Sandbank im Kundus-
Fluss spricht für sich: Die Mehrheitsfraktionen vertreten
die Auffassung,
„Durch die umfassende Unterrichtung“
– gemeint sind hier augenscheinlich die Angaben des
Zeugen Verteidigungsminister a. D. Guttenberg im Unter-
suchungsausschuss –
„und die gemachten Feststellungen“
– dies dürfte sich auf das Ermittlungsergebnis der Gene-
ralbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof im Ver-
fahren gegen Oberst Klein und seinen Fliegerleitoffizier
(JTAC) Hauptfeldwebel W. beziehen –
„waren weiterführende neue Erkenntnisse für den
Untersuchungsauftrag nicht mehr zu erwarten und
wurden im Nachgang auch nicht mehr gewon-
nen.“1967
Dass der Untersuchungsausschuss gerade zu der wichti-
gen Frage „Was geschah wirklich in der Nacht des
03./04.09.2009 in Kundus?“ nennenswerte Erkenntnisse
erlangt hat, ist den Ausführungen im Folgenden
1968
zu
entnehmen. Dabei musste die Opposition feststellen, dass
die von der Mehrheit hervorgehobene Aufklärungsarbeit
1964) Teil 3, B.I.2. (S. 175).
1965) Teil 3, B.I.1. (S. 174).
1966) Und wird im folgenden Abschnitt noch näher darzustellen sein,
vgl. S. 307 f. (Teil 4, B.I.3.).
1967) Teil 3, B.I.2. (S. 175).
1968) Vgl. insbesondere S. 307 f., 312 f., 331 f., 335 f. (Abschnitt I.3.a)
und b) sowie II.1. und 2.).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 305 – Drucksache 17/7400
der Strafverfolgungsbehörden den tatsächlichen Ereignis-
sen nicht im Ansatz gerecht geworden ist.
1969
Das Straf-
verfahren gegen die Verantwortlichen von Kundus wurde
von der Bundesanwaltschaft nach unhaltbar oberflächli-
chen „Ermittlungen“ eine Woche vor der Vernehmung
des seinerzeitigen Verteidigungsministers Guttenberg als
Zeuge im Untersuchungsausschuss eingestellt. Entgegen
der von den Mehrheitsfraktionen danach wiederholt geäu-
ßerten Auffassung besagt dies nichts darüber, dass ein
Fortführen der Arbeit im Untersuchungsausschuss über-
flüssig gewesen wäre – es bestätigt nur, wie unzureichend
die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft waren.
Und das der Realität nicht im Ansatz gerecht werdende
Lob der Regierungsfraktionen für die „intensive und in-
haltlich umfassende Untersuchung“1970 des Bombenang-
riffs vom 04.09.2009 durch die Strafverfolgungsbehörden
belegt, dass die – dem Bundesjustizministerium berichts-
pflichtige – Bundesanwaltschaft sich sicher sein konnte,
unter dieser Bundesregierung keine Rechenschaft für die
faktische Nichtverfolgung des Luftangriffs von Kundus
ablegen zu müssen.
Die Arbeit des Untersuchungsausschusses – entgegen
aller Blockaden der Bundesregierung und der diese tra-
genden Mehrheitsfraktionen – war bitter nötig, um zu
gewährleisten, dass der Luftangriff von Kundus zumin-
dest auf der Grundlage der von der Bundesregierung
zugänglich gemachten Beweismittel näher aufgeklärt
werden konnte.
Geradezu bestürzend werden die Ausführungen der Aus-
schussmehrheit da, wo sogar eine neue „Dolchstoßlegen-
de“ formuliert wird: „Statt Unterstützung für die Bundes-
wehr“ sei ein „politischer Generalangriff nach innen ver-
sucht“ worden.1971 Mit ihrer Bewertung der Ausschussar-
beit diskreditieren sich die Mehrheitsfraktionen im Unter-
suchungsausschuss letztlich selbst.
b) Umdeutung der Beweisergebnisse des
Untersuchungsausschusses
Die Mehrheitsfraktionen biegen die Beweisergebnisse
nach Belieben zurecht – wenn sie sie nicht gleich selbst
konstruieren. Insbesondere in ihrem Bewertungsteil stel-
len sie selektiv und tendenziös stets nur auf die Zeugen-
aussagen und sonstigen Beweismittel ab, die ihnen ge-
nehm sind, ohne sich den Mühen einer adäquaten Be-
weiswürdigung auszusetzen. Und sie scheuen noch nicht
einmal davor zurück, „Beweisergebnisse“ zu behaupten,
die der Ausschuss niemals ermittelt hat.
Die Ausführungen im Bewertungsteil der Mehrheit kön-
nen insoweit nur als unseriös bezeichnet werden. Einige
der gravierendsten Konstruktionen sollen hier angespro-
chen werden:
Die Mehrheitsfraktionen stellen u. a. die Behauptung auf,
„nach den Erkenntnissen des Ausschusses“ sei davon
1969) Vgl. S. 352 f. (Teil 4, B.II.3.).
1970) Teil 3, B.I.2. (S. 174).
1971) Teil 3, B.I.2. (S. 175).
auszugehen, dass die Entführung der Tanklaster „geplant
war, um später mit der gewaltigen Sprengkraft zweier voll
beladener Tanklastzüge einen Anschlag der schwersten
Kategorie durchführen zu können.“1972 Derartige Erkenn-
tnisse des Untersuchungsausschusses gibt es nicht. Hin-
weise darauf, was mit den Tanklastern geschehen sollte,
ergaben sich lediglich aus Meldungen des Informanten
1973
der Task Force 47: die Tanklaster sollten über den Kun-
dus-Fluss nach Westen gebracht oder auf der Sandbank
ausgeschlachtet werden.
1974
Die Darlegung im Mehrheitsvotum, dass die Sandbank,
auf der sich die Tanklaster festgefahren hatten, nur 7
Kilometer vom PRT Kundus entfernt war,
1975
übergeht,
dass es sich bei dieser Entfernungsangabe um die Luftli-
nie zwischen beiden Orten handelte. Die Fahrtstrecke von
der Sandbank zum PRT Kundus, selbst über ausgebaute
Straßen, die ein schnelleres Vorankommen ermöglicht
hätten, wäre deutlich weiter gewesen. Um überhaupt eine
der Hauptstraßen zum PRT Kundus zu erreichen, hätten
die Tanklaster außerdem zunächst eine Teilstrecke von
mehreren Kilometern über Nebenstraßen zurücklegen
müssen. Das würde sich zusätzlich auf die Fahrtzeit zum
PRT Kundus ausgewirkt haben. Diese Informationen –
die auch die Angaben von Oberst Klein zur vorgeblichen
Bedrohungslage für das PRT Kundus relativieren – hatte
das Bundesverteidigungsministerium der Bundesanwalt-
schaft Mitte Februar 2010 – allerdings erst auf gezielte
Nachfrage – übermittelt.1976
Die Mehrheitsfraktionen formulieren das angebliche Be-
weisergebnis, „im weiteren Verlauf“ hätten sich Dorfbe-
wohner zur Sandbank begeben und dort Treibstoff aus
den Tanklastern abgezapft, „damit diese an Gewicht ver-
lieren und die Sandbank wieder verlassen können.“1977
Dem Untersuchungsausschuss liegen keinerlei Anhalt-
spunkte, erst recht keine Beweisergebnisse vor, aus denen
sich eine derartige Intention der freiwillig zur Sandbank
gekommenen Dorfbewohner (zu helfen, die Tanklaster
freizubekommen) ergibt.
Beunruhigend wird das Ausmaß, in dem die Mehrheits-
fraktionen bemüht sind, tatsächlich noch nicht einmal
andeutungsweise im Raum stehende Sachverhaltskonstel-
lationen zu fingieren, wenn sie formulieren, es habe
„nicht zweifelsfrei geklärt werden“ können, „ob das Ben-
zin zum eigenen Verbrauch überlassen werden sollte oder
befohlen wurde, das Benzin abzuzapfen, um es später in
die Tanklaster zurück zu füllen“.1978 Ein derartiges Szena-
rio (Rückfüllen des Treibstoffs in die Tanklaster bzw.
Erteilung eines entsprechenden Befehls) war weder im
Untersuchungsausschuss jemals Thema, noch im Rahmen
der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden – und
zwar deshalb, weil hierfür niemals Anhaltspunkte vorla-
1972) Teil 3, B.I.4.a) (S. 176).
1973) Sog. HUMINT- (Human Intelligence) Quelle.
1974) Vgl. die im Feststellungsteil, S. 45, wiedergegebenen HUMINT-
Meldungen (Teil 2, B.III.1.b) und Dokument 55.
1975) Teil 3, B.I.4.a) (S. 176).
1976) Mat. 17-74, Anlage 02, Bl. 3 ff., 5, 33, 34; Tgb.-Nr. 96/11.
1977) Teil 3, B.I.4.a) (S. 176).
1978) Teil 3, B.I.4.a) (S. 177).
Drucksache 17/7400 – 306 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gen. Die vermeintlich im Ausschuss ungeklärte „Zwei-
felsfrage“ war also frei erfunden.
Entgegen der Darlegung der Ausschussmehrheit hatte
Oberst Klein auch nicht den Auftrag erteilt, den Informan-
ten der Task Force 47 „nach etwaigen Veränderungen der
Lage zu befragen“,1979 sondern hatte stets nur danach
gefragt, ob sich auch wirklich nur Aufständische vor Ort
befänden.
1980
Hier wird eine Differenziertheit des Verhal-
tens von Oberst Klein vorgegaukelt, die noch nicht einmal
nach dessen eigenen Angaben gegeben war.
Unzutreffend ist die „Sachverhaltsschilderung“ der Mehr-
heitsfraktionen auch in Hinblick auf die in der Nacht des
03./04.09.2009 in der Operationszentrale der
Task Force 47 anwesenden Personen:
1981
In der durch-
sichtigen Absicht, das Ausmaß der Beteiligung von Kräf-
ten der Task Force 47 herunterzuspielen, wird unterschla-
gen, dass auch die beiden Mitarbeiter des Field HUMINT
Team (FHT) der Task Force 47 in der Operationszentrale
ein- und ausgingen und dort u. a. auch länger verweilten:
Sie hielten kontinuierlich den Nachrichtenoffizier der
Task Force 47 über die Angaben des Informanten der
Task Force 47 (die wiederum von dem Sprachmittler der
Task Force 47 übersetzt wurden) auf dem Laufenden.
Völlig übergangen wird außerdem, dass Oberst Klein,
dem die Mehrheitsfraktionen ansonsten jedes Wort zu
glauben scheinen, selbst angab, als er die Operationszent-
rale der Task Force 47 kurz nach Mitternacht – also nach-
dem die Tanklaster auf der Sandbank entdeckt worden
waren – betreten habe, hätten sich dort auch ihm vom
Sehen bekannte Mitarbeiter des BND befunden.
1982
Dieser Punkt steht zugleich exemplarisch dafür, wie die
Mehrheitsfraktionen sich in ihrer Bewertung ausschließ-
lich auf die Aussagen und sonstigen Beweismittel stützen,
die in das Bild des Geschehens, wie die Ausschussmehr-
heit es zeichnen möchte, passen. Widerstreitende Be-
weismittel werden übergangen, eine Auseinandersetzung
mit den Beweismitteln, eine Beweiswürdigung und Ab-
wägung der Beweiskraft dieser von den Mehrheitsfraktio-
nen zugrunde gelegten – häufig sogar: singulär gebliebe-
nen – „Erkenntnisse“ findet nicht statt.
c) Einseitige Schuldzuweisung für Vertu-
schungsbemühungen
Geradezu erschreckend ist, wie die Mehrheitsfraktionen
in ihrem kaum bemäntelten intensiven Bestreben, Regie-
rungsmitglieder von jeglicher Verantwortlichkeit frei-
zusprechen, auf schon irrationale Weise den ehemaligen
Generalinspekteur, General a. D. Schneiderhan, und den
ehemaligen Staatssekretär im Bundesverteidigungsminis-
terium Dr. Wichert als die Personen inszenieren, die aus
dem Hintergrund alle Verteidigungsminister und deren
Stäbe wie Marionetten führten. Welches finstere Ziel
1979) Teil 3, B.I.4.d) (S. 179).
1980) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13, 15, 56.
1981) Teil 3, B.I.4.b) und 4.c) (S. 177 f.).
1982) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8, 9/10, 23, 59.
diese damit verfolgten, teilen die Mehrheitsfraktionen
leider nicht mit.
Die Annahme, ein Generalinspekteur und ein Staatssekre-
tär hätten über Jahre – oder doch erst „seit dem Luft-
schlag“?1983 – entgegen der Vorgaben der Bundesregie-
rungen, für die sie tätig waren, eigenständig Verteidi-
gungspolitik betreiben können, ist schon deshalb abenteu-
erlich, weil sie die Frage völlig unbeantwortet lässt, wel-
chen individuellen Vorteil diese Akteure daraus hätten
ziehen sollen. Selbst wenn es zuträfe, dass diese beiden
Personen im Übermaß und über einen längeren Zeitraum
die Politik des Bundesministeriums der Verteidigung
bestimmt hätten, würde sich die Frage unabweisbar stel-
len, wie es um die Führung dieses Hauses bestellt war,
und wieso eine Kanzlerin, die die Gesamtverantwortung
trägt, solche Strukturen so lange tolerieren konnte. Es ist
zudem offensichtlich, dass diese beiden Personen seitens
der Bundesregierung – und nunmehr auch der diese Re-
gierung tragenden Mehrheitsfraktionen – dazu auserkoren
wurden, in der Bilanz die Verantwortung für jeglichen
feststellbaren Missstand zu tragen.
In den Hintergrund treten soll dabei, dass weder die große
Koalition der 16. Wahlperiode noch die schwarz-gelbe
Regierung der 17. Wahlperiode irgendein Interesse daran
haben konnten, die Öffentlichkeit und das Parlament
adäquat über den Luftangriff von Kundus zu informieren.
Die Befragung aller Regierungsmitglieder, Behördenmi-
tarbeiter und Bundeswehrangehörigen, die mit irgendeiner
Reaktion auf den Luftangriff befasst waren, hat verdeut-
licht, dass all diese Personen mehr gewusst hatten – in-
sbesondere über zivile Opfer und Verfahrensfehler – als
von Seiten der Bundesregierung und der Bundeswehr
nach außen hin eingeräumt wurde.
Ebenfalls in den Hintergrund treten soll, dass die Fehlbe-
wertung des Luftangriffs durch den neu ins Amt gekom-
menen Verteidigungsminister Guttenberg am 06.11.2009
offenkundig nicht vorrangig mit dessen Beratung durch
den Generalinspekteur und den Staatssekretär begründet
werden kann: Der Leiter des – unmittelbar dem Minister
unterstellten – Planungsstabes im Bundesverteidigungs-
ministerium etwa bezeichnete den Luftangriff ebenfalls
als „militärisch vertretbar“1984 – was er evident nicht war.
Schwerer wiegt in diesem Zusammenhang aber, dass der
Verteidigungsminister Guttenberg vor dem 06.11.2009
nach eigenen Angaben den sehr kritischen COM ISAF-
Bericht selbst gelesen hatte. Es wäre also an ihm gewe-
sen, sich selbst eine Meinung zu bilden – und gegebenen-
falls auch einmal gezielt nachzuhaken.
Dass gewählte Volksvertreter und von diesen gestützte
Regierungsmitglieder – zumal vor der Bundestagswahl
vom 27.09.2009 – ein größeres Interesse daran hatten, die
Realitäten des Krieges in Afghanistan vor der Öffentlich-
keit zu verbergen, als politische Beamte, erschließt sich
von selbst.
1983) Vgl. Teil 3, B.III.2.b)aa)aaa) (S. 192).
1984) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 307 – Drucksache 17/7400
Das Mehrheitsvotum lässt überdeutlich erkennen, dass es
seinen Verfassern nicht um eine Auseinandersetzung mit
den dem Untersuchungsausschuss aufgegebenen Frages-
tellungen geht. Ziel ist allein, Bundeswehr und Bundesre-
gierung von jeglicher „Schuld“ oder Verantwortung frei-
zuzeichnen.
Personalisiert bedeutet dies: Die Mitglieder der vor und
nach der Bundestagswahl vom 27.09.2009 amtierenden
Bundesregierungen, allen voran Bundeskanzlerin
Dr. Merkel, Verteidigungsminister a. D. Dr. Jung und
Verteidigungsminister a. D. Guttenberg von dem massi-
ven Verdacht der Vertuschung der Vorbedingungen und
Folgen des Luftangriffs von Kundus reinzuwaschen. Und
zugleich Freisprüche für Oberst Klein und Verteidi-
gungsminister a. D. Guttenberg zu formulieren, damit
diesen nicht die Möglichkeit genommen wird, weiter
Karriere zu machen.
Die Mehrheitsfraktionen lassen sich offensichtlich auch
von dem Bemühen leiten, die Auslandseinsätze der Bun-
deswehr umstandslos zu verfechten. Dies soll auch für die
Zukunft gelten. Dazu gehört dann, dass man jegliche
Verunsicherung der Truppe strikt zu vermeiden sucht, die
ja schon durch eingehendere Untersuchung kritik- oder
strafwürdigen Verhaltens in den Auslandseinsätzen und
daraus entstehende Folgen aufkommen könnte. Und man
möchte verhindern, dass die große Bevölkerungsgruppe
derer, die dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan und
weiteren bereits laufenden, geplanten oder künftig zu
erwartenden Militäreinsätzen unter deutscher Beteiligung
ablehnend gegenübersteht, noch weiter anwächst. Dass
diese Motive einer konsequenten Aufklärung der Ereig-
nisse in Kundus im Wege stehen, liegt auf der Hand.
3. Vertuschung der Folgen und näheren Um-
stände des Luftangriffs durch die Bundes-
regierung
Die Bundesregierung hatte bereits früh – am Vormittag
des 04.09.2009 – Hinweise darauf erhalten, dass der Luft-
angriff in Kundus Opfer unter der Zivilbevölkerung ge-
kostet hatte. Selbst auf internationaler Ebene wurde an die
Bundesregierung appelliert, zivile Opfer nicht zu leugnen.
Anstatt zumindest offenzulegen, dass es zwar (anfänglich)
noch keine unzweideutigen Beweise für den Tod einer
Vielzahl von Zivilpersonen gab, dass sich aber die Anzei-
chen, die dies nahelegten, häuften,
1985
verlor sich die –
gesamte – Bundesregierung (soweit sich Regierungsmitg-
lieder überhaupt äußerten) in beschönigenden Darstellun-
gen und vagen Bekundungen.
1986
Versucht wurde auch, den Luftangriff mit der Behauptung
zu rechtfertigen, von den Tanklastern bzw. den Personen
auf der Sandbank sei eine Bedrohung für das PRT Kun-
dus ausgegangen.
1987
Der Untersuchungsausschuss hat
feststellen können, dass dies nicht der Fall war und dass
hierfür auch niemals belastbare Anhaltspunkte vorlagen.
1985) Vgl. S. 310 f. (Teil 4, B.I.3.a)bb)).
1986) Vgl. S. 312 f. (Teil 4, B.I.3.a)cc)).
1987) Vgl. S. 312 f. (Teil 4, B.I.3.b)).
Eine nationale Untersuchung des Vorfalls wurde im Bun-
desverteidigungsministerium explizit unterbunden.
1988
Auf NATO-Ebene wurde zunächst das Initial Action
Team (IAT), im Anschluss daran das Joint Investigation
Board (JIB) eingesetzt, um den Luftangriff insbesondere
in Hinblick auf dessen Folgen und auf mögliche Regel-
verstöße zu untersuchen.
Bereits dem am 07.09.2009 vorgelegten Bericht des IAT
war zu entnehmen, dass durch den Luftangriff in Kundus
Zivilisten getötet und schwer verletzt worden waren. Der
Bericht stand damit in Widerspruch zur offiziellen Linie
der Bundesregierung. Das Bundesverteidigungsministe-
rium bemühte sich daher, diesem Bericht alle Relevanz
abzusprechen und gab vor, dies sei ein „bloßer Reisebe-
richt“, und er habe „keinen offiziellen Charakter“.1989
In Hinblick auf die Arbeit des JIB, das direkt nach Vor-
liegen der Erkenntnisse des IAT (und aufgrund dessen)
am 08.09.2009 eingesetzt worden war, bemühte sich die
Bundesregierung zunächst, Einblick in den Gang der
Untersuchung zu bekommen und – soweit ersichtlich –
diese auch zu beeinflussen.
1990
Der – für die Bundeswehr
und insbesondere Oberst Klein – wenig schmeichelhaft
ausfallende Abschlussbericht des JIB, der sog.
COM ISAF-Bericht, wurde nach Deutschland geholt,
bevor es der NATO gelungen war, ihre abschließende
Bewertung zum Luftangriff zu formulieren.
1991
Die Bun-
desregierung ersetzte die Bewertung der NATO gegenü-
ber der Öffentlichkeit durch eine sehr eigene und beschö-
nigende Darstellung der Ergebnisse des JIB.
1992
Dass hinter all diesen Manövern die Furcht stand, sich im
Bundestagswahlkampf mit der deutschen Kriegsbeteili-
gung in Afghanistan auseinandersetzen zu müssen,
1993
ist
evident.
a) Vertuschung der Tötung einer großen Zahl
von Zivilpersonen
Die Bundesregierung wird nicht müde, zu erklären, letz-
tlich gebe es noch nicht einmal Sicherheit darüber, ob
durch den Luftangriff vom 04.09.2009 überhaupt irgen-
dein afghanischer Zivilist oder eine Zivilistin getötet oder
verletzt wurde.
1994
Die Ausschussmehrheit immerhin
scheint inzwischen erkannt zu haben, dass „bei dem Luft-
schlag sowohl Taliban als auch Zivilisten getötet und
1988) Hierzu Feststellungsteil S. 78 f. (Teil 2, B.IV.4.).
1989) Vgl. z. B. Mat. 17-52, Bl. 7; Mat. 17-54, Ordner 4, Bl. 195; sowie
Dokument 74, Bl. 74.
1990) Vgl. S. 314 f. (Teil 4, B.I.3.c)aa)).
1991) Vgl. S. 317 f. (Teil 4, B.I.3.c)bb)).
1992) Vgl. S. 319 f. (Teil 4, B.I.3.c)cc) und d)).
1993) Vgl. S. 324 f., 328 f. (Teil 4, B.I.3.e) und f)).
1994) So Bundeskanzlerin Dr. Merkel noch im Februar 2011 als Zeugin
im Untersuchungsausschuss: „Es sind ja bis heute keine evidenten
Fakten gefunden worden. (…) Ich habe eine politische Bewertung
vorzunehmen, und als Bundeskanzlerin sage ich, dass ich in al-
lem, was ich sage und tue, davon ausgehen muss, dass die Wahr-
scheinlichkeit, dass es zivile Opfer gibt, um ein Vieles höher ist.
Also, ich gehe einfach von zivilen Opfern aus und richte danach
meine politische Einlassung zu diesem Vorgang ein.“ (Protokoll-
Nr. 49, Teil I, S. 47, 88).
Drucksache 17/7400 – 308 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
verletzt wurden“.1995 Da im Mehrheitsvotum alle dem
Untersuchungsausschuss vorliegenden Erkenntnisse zu
zivilen Opfern als nicht hinreichend belastbar bezeichnet
werden, fragt sich lediglich, worauf die Mehrheitsfraktio-
nen ihre Behauptung stützen, es sei „davon auszugehen,
dass die Anzahl der getöteten Taliban weitaus höher ist
als die der Zivilisten“.1996 In der Tat ist es dem Untersu-
chungsausschuss nicht gelungen, nachzuweisen, wie viele
der durch den Luftangriff vom 04.09.2009 getöteten und
verletzten Menschen Taliban bzw. aufständische Kämpfer
waren.
Der Untersuchungsausschuss hat aber Feststellungen dazu
treffen können, in welcher Größenordnung sich die Zahl
der getöteten und verletzten Zivilpersonen bewegte. Be-
sonders wertvoll waren dabei die Angaben der Zeugin
Dr. Erfan, die sich vor Ort in Kundus selbst an Ermittlun-
gen beteiligt hatte.
aa) Erkenntnisse zur Zahl ziviler Opfer nach
der Beweisaufnahme im Untersuchungs-
ausschuss
Die im Untersuchungsausschuss als Zeugin vernommene
afghanische Ärztin, Frauenrechtlerin und Kommunalpoli-
tikerin Dr. Habibe Erfan erfuhr in den Tagen nach dem
Luftangriff in Kundus von der örtlichen Bevölkerung,
dass bei dem Bombardement nicht nur Kämpfer ums
Leben gekommen waren, sondern dass es auch viele Tote
aus den Reihen der Zivilbevölkerung gab. Diese Informa-
tion stand in Widerspruch zur offiziellen Linie der Pro-
vinzregierung und der afghanischen Zentralregierung, die
zunächst behaupteten, Opfer des Luftangriffs seien aus-
schließlich Aufständische geworden. Frau Dr. Erfan
schilderte im Untersuchungsausschuss:
„Man hat uns erzählt, dass viele Frauen durch die-
ses Bombardement Witwen geworden sind und
dass sie jetzt eine sehr schwierige Lage haben. (…)
Wir haben dann in der Zwischenzeit erfahren, dass
viele Zivilisten und auch Leute, die Kämpfer war-
en, getötet worden sind. Aber die afghanische Re-
gierung hat behauptet, auch die lokale Regierung
hat behauptet, dass in Kunduz die Zivilbevölke-
rung nicht getötet worden ist, sondern es waren
Kämpfer und Oppositionelle, die in diesem Bom-
bardement getötet worden sind. Aber die Bevölke-
rung dort war Zeuge. Die Krankenhäuser sind voll.
Sie haben als Augenzeugen gesehen, dass viele
Leute, Zivilbevölkerung, getötet worden sind und
dass sie auch in Krankenhäuser gebracht wurden
und ein Teil von ihnen auch im Krankenhaus ge-
storben ist.“1997
Frau Dr. Erfan gründete daher gemeinsam mit einer wei-
teren Abgeordneten des Provinzrats (Schura) von Kundus,
Frau Z., ein kleines Ermittlerteam. Sie wollten vor Ort
herausfinden, ob und inwieweit die Berichte der Bevölke-
1995) Teil 3, B.VI.2.a)bb) (S. 206).
1996) Teil 3, B.VI.2.a)bb) (S. 206).
1997) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 3.
rung zutrafen, durch den Luftangriff seien mehr als 100
Zivilisten getötet worden. Im Untersuchungsausschuss
schilderte sie den Ablauf ihrer ausführlichen Recherchen:
„Wir haben ein Team gebildet, damit wir selber
die Untersuchung durchführen können.
Anfang November 2009 sind ich und Frau Z. mit
Helfern unseres Arbeitsteams zum Geschehensort
gegangen. Wir sind von Haus zu Haus gegangen.
Es war sehr schwierig, dort die Untersuchung
durchzuführen. Damit wir nicht selber gefährdet
werden, haben wir die Hilfe der Einheimischen in
Anspruch genommen. Wir haben gesehen, dass
viele Leute dort getötet worden sind. Wir wollten
Dokumentationen hierzu herstellen. Wir hatten ja
eine Statistik, weil die Bevölkerung, die zu uns
gekommen war, gesagt hat, dass 179 Getötete dar-
unter waren. (…)
Aufgrund der verschiedenen Unterlagen, die wir
zusammengestellt hatten, hatten wir dann auch
Zeugen mit Namen und Adressen gesammelt und
hatten auch die Familien der betroffenen Leute, die
getötet worden sind, gesammelt, sodass wir die
Statistik erfassten, dass 113 Menschen getötet
worden sind, und sieben Personen waren verwun-
det.
(…) Wir haben dann unsere Untersuchungen über
den Bezirksvorsteher vervollständigt, wie viele
Kinder getötet worden sind. Die getöteten Kinder
waren Schulkinder. Wir konnten durch den Direk-
tor und durch die Lehrer der Schulen wieder eine
Liste zusammenstellen.
Damit wir unsere Beweise vervollständigen konn-
ten, haben wir unsere Fragen noch mal bei den
Familien gestellt, (…).
Unser Erforschungsteam setzte aber seine Arbeit
weiter fort. Dann wurde aber von Deutschland aus
Ihr Untersuchungsausschuss gebildet, und wir hof-
fen, dass wir durch die Untersuchung dieses Aus-
schusses doch endgültig zu Wahrheiten gelangen
können.“1998
Bereits dieses Zitat lässt erkennen, dass die Anhörung der
Zeugin Dr. Erfan im Untersuchungsausschuss beeinträch-
tigt wurde durch eine über weite Strecken schwer nach-
vollziehbare und vermutlich auch lückenhafte Simultan-
übersetzung durch die offenkundig überforderten Dolmet-
scher.
1999
Dennoch verdeutlichen die gedolmetschten
Angaben der Zeugin anschaulich, welche Aktivitäten
durch sie und ihr Team entfaltet wurden, um eine belast-
bare und nachvollziehbare Dokumentation zu zivilen
Opfern des Luftangriffs vom 04. September 2009 zu er-
stellen.
1998) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 4.
1999) Die in Dari getätigten Angaben der Zeugin wurden im Untersu-
chungsausschuss nicht aufgezeichnet und konnten dem in
deutscher Sprache und auf Basis der Simultanübersetzung ver-
fassten Protokoll daher nicht gegenübergestellt werden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 309 – Drucksache 17/7400
Das Team um die Zeugin Dr. Erfan sammelte Dokumen-
te, um die Anzahl der getöteten Zivilisten belegen zu
können und deren Personalien festzustellen – Schüler-
ausweise, Personalausweise, Wahlausweise:
„Wir hatten dann Fotos, und die Personalausweise
hat man mitgebracht, und aufgrund dieser Unterla-
gen haben wir dann eine Liste aufgestellt.“2000
„Aufgrund des Personalausweises konnte man ja
das Alter feststellen und aufgrund der Unterlagen,
die in den Schulen über diese Schüler vorhanden
waren. (…) Die Getöteten, die Schüler waren,
waren ja Schüler. Deswegen waren wir ja in den
Schulen. Und dann haben der Direktor und sein
Stellvertreter bestätigt, dass diese Schüler, die ge-
tötet worden sind, von ihren Schulen stammen.
“2001
„Ich denke, 25 bis 26 Schulkinder waren da-
bei.“2002
„Ja. Die meisten hatten solche Wahlausweise. Ja.
Das können Sie bei mir sehen in den Unterla-
gen.“2003
„Ich denke, es waren mehr als 60 bis 70 Wahlaus-
weise. Die Kinder hatten keine Wahlausweise.“2004
Die von dem Team um die Zeugin Dr. Erfan zusammen-
gestellten Unterlagen liegen dem Untersuchungsausschuss
vor.
2005
Die von der Zeugin Dr. Erfan und ihrem Team gesam-
melten Wahlausweise sind von grundlegender indizieller
Bedeutung dafür, dass es sich bei den ermittelten Perso-
nen nicht um Aufständische und noch nicht einmal um
den Aufständischen nahestehende Menschen handelte:
Die Taliban boykottierten die Wahlen und hatten ver-
sucht, deren Durchführung zu verhindern. Große Teile der
Bevölkerung hatten deshalb auch nicht an der Wahl teil-
genommen. Für Taliban oder deren Anhänger wäre es
daher höchst ungewöhnlich und sogar untunlich gewesen,
zur Wahl zu gehen (und hinterher noch ihren Wahlaus-
weis aufzubewahren).
Zudem besuchten Kinder aus Taliban-Familien keine
regulären Schulen.
Bei der von der Zeugin Dr. Erfan und ihrem Team fest-
gestellten Zahl von 113 Toten aus der Zivilbevölkerung
und sieben schwer Verletzten (leicht Verletzte waren
nicht erfasst worden, wie Frau Dr. Erfan im Untersu-
chungsausschuss ebenfalls bekundet hatte
2006
) handelt es
sich vermutlich nur um einen Teil der zivilen Opfer. Frau
Dr. Erfan behauptete nicht, sie könne die Anzahl der
durch den Luftangriff getöteten Zivilisten abschließend
und präzise beziffern: Das Ermittlerteam hatte seine Re-
2000) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.
2001) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.
2002) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.
2003) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.
2004) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 16.
2005) Mat. 17-74a, Anlagenordner 1 und 2 zum Sachakten-Sonderband
Geschädigtenvertreter.
2006) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 5.
cherchen nur in sechs Dörfern anstellen können
2007
. Die
Frauen durften sich selbst nicht in Gefahr bringen – sie
konnten daher nur dorthin gehen, wo die Bevölkerung
bereit und in der Lage war, das Ermittlerteam zu schützen
und mit ihm zu kooperieren.
Weil Frau Dr. Erfan und Frau Z. politisch sowie in der
NGO Afghan Women and Gender Rights Protection Or-
ganisation aktiv und daher in der Region als Gegnerinnen
der Taliban bekannt waren, konnten sie nur bei Familien
von Opfern des Bombenangriffs recherchieren, die den
Taliban nicht nahestanden. Sie verfügten aufgrund dessen
andererseits aber über hinreichend sichere Kontakte, um
diese Familien auch zu finden und zu verifizieren, dass es
sich nicht um Familien von Aufständischen handelte.
Die von den Mehrheitsfraktionen – überdies unter verfäl-
schender Verkürzung der Angaben der Zeugin Dr. Erfan
im Untersuchungsausschuss – konstruierte Behauptung,
die von Frau Dr. Erfan ermittelten Opferzahlen seien
nicht belastbar, weil sie nicht darauf geachtet habe, ob sie
es mit den Taliban nahestehenden Personen zu tun gehabt
habe
2008
, ist schon deshalb unhaltbar.
Die Zeugin Dr. Erfan hatte von Anfang an berichtet, dass
nach den Erzählungen der Bevölkerung auch Taliban bei
dem Luftangriff getötet worden waren – sie vermochte
lediglich über genaue Zahlen in diesem Zusammenhang
keine Angaben zu machen, weil sie zu diesen Kreisen
gerade keine Kontakte hatte:
Rainer Arnold (SPD): „Ich habe noch eine Frage,
Frau Dr. Erfan. Sie sagten vorhin, es wurden auch
Taliban bombardiert. Da haben Sie keine Zahl ge-
sagt. Kennen Sie auch die Zahl der Taliban, die ge-
tötet wurden in dieser Nacht?“
Zeugin Dr. Habibe Erfan (Simultanübersetzung):
„Ich habe keine Information über die getöteten Ta-
liban.“2009
Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
„Sie haben ja schon beschrieben, woher Sie die In-
formation haben, dass dort Taliban waren. Das ha-
ben Sie aus mündlichen Aussagen einiger erfahren.
Aber wie kann man in Afghanistan unterscheiden:
Wer ist ein Taliban, und wer ist ein Zivilist?“
Zeugin Dr. Habibe Erfan (Simultanübersetzung):
„Ja, das ist natürlich schwierig. Wir haben mit den
Taliban nichts zu tun. Die Taliban haben also kei-
nerlei direkte Verbindung zu uns. Die Taliban sind
unsere Feinde, weil sie gegen die Frauen sind. Sie
lehnen die Frauen ab. Aus diesem Grunde gibt es
auch keinen Anlass von beiden Seiten, miteinander
zu tun zu haben.“2010
Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE. kann den
Angaben der Zeugin Dr. Erfan zur Zahl ziviler Opfer des
Luftangriffs vom 04.09.2009 gefolgt werden. Die Zeugin
2007) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 12.
2008) S.o., Teil 3, B.VI.2.a) bb) (S. 206).
2009) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 5.
2010) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 8/9.
Drucksache 17/7400 – 310 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hat sich selbst an einer umfangreichen und fundierten
Untersuchung vor Ort beteiligt. Hierbei handelt es sich
um die einzige Untersuchung zu den Opfern des Luftang-
riffs von Kundus, zu der dem Untersuchungsausschuss
eine ausführliche Dokumentensammlung vorliegt, die die
Angaben der Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss
nachvollziehbar macht. Auch das Auftreten der Zeugin im
Untersuchungsausschuss gibt keinerlei Anlass zu Zwei-
feln an der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Die Zeugin
Dr. Erfan ist eine engagierte afghanische Menschen-
rechtsaktivistin und Politikerin, die selbst unter der nach
wie vor starken Stellung der Taliban in Afghanistan zu
leiden hat. Welches Interesse sie daran haben sollte, sich
gerade zugunsten der Familien von Talibankämpfern oder
Talibananhängern einzusetzen, erschließt sich nicht.
Ergebnis der Beweisaufnahme des Untersuchungsaus-
schusses ist demgemäß, dass allein in den Dörfern, in
denen die Zeugin Dr. Erfan und ihr Team recherchiert
haben, jedenfalls 113 Zivilisten durch den von Oberst
Klein befohlenen Luftangriff vom 04.09.2009 getötet und
weitere sieben Zivilisten schwer verletzt wurden.
bb) Der Bundesregierung im September 2009
zugängliche Erkenntnisse und Anhalts-
punkte zu zivilen Opfern des Luftangriffs
Bei der Bundesregierung – und zwar sowohl im
Bundesverteidigungsministerium als auch im
Auswärtigen Amt als auch im Bundeskanzleramt – gingen
bereits am Vormittag und Mittag des 04.09.2009 die
ersten Meldungen ein, die Hinweise darauf enthielten, der
Luftangriff könne Opfer unter der Zivilbevölkerung
gekostet haben. Medienberichte aus Afghanistan
schilderten, durch den Luftangriff seien viele Menschen
getötet worden, unter diesen befänden sich auch
Zivilisten.
2011
NATO-Vertreter äußerten sich sowohl
gegenüber den Medien
2012
als auch gegenüber
Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes
2013
dazu, dass
angesichts der Modalitäten des Angriffs wahrscheinlich
auch Zivilpersonen getroffen worden seien. Der
seinerzeitige Kommandeur des deutschen
Einsatzkontingents in Afghanistan und Kommandeur des
Regional Command North in Mazar-i-Sharif,
Brigadegeneral Vollmer, fand sich noch am 04.09.2009 in
mehreren Videokonferenzen wieder, in denen ihm u. a.
der ISAF-Kommandierende General McChrystal
bestätigte, nach seiner Einschätzung habe der Luftangriff
zivile Opfer gefordert.
2014
Und der BND hatte schon am Morgen des 04.09.2009 –
in einer bereits um 10:30 Uhr versendeten „Orientierung
zur Lage in den Einsatzgebieten“ – gemeldet, nach Pres-
seberichten, die wiederum auf Opferzahlen „aus Kreisen
der Afghanischen Sicherheitsdienste“ zurückgingen, gebe
es 90 Opfer:
2011) Vgl. Feststellungsteil S. 88 (Teil 2, C.I.1. und 2.).
2012) Vgl. Feststellungsteil S. 88 (Teil 2, C.I.2.).
2013) Vgl. Feststellungsteil S. 116 (Teil 2, C.II.2.b)).
2014) Vgl. Feststellungsteil S. 89 f. (Teil 2, C.II.1.a)).
„Neben 50 getöteten Aufständischen soll es auch
zivile Opfer gegeben haben. Der Provinzgouver-
neur gab an, dass die Taleban an der Stelle des
Luftangriffs versucht hätten, Treibstoff an die ört-
liche Bevölkerung zu verteilen.“2015
Noch im Laufe des 04.09.2009 nahm die Zahl der Mel-
dungen und Hinweise bezüglich Opfern aus der Zivilbe-
völkerung stetig zu.
Unter anderem bei Nachforschungen des Leitenden Sani-
tätsoffiziers des PRT im Krankenhaus Kundus stellte sich
heraus, dass unter den dort aufgenommenen Verletzten
mit schweren Brandverletzungen auch Kinder im Alter
von etwa zehn bis 14 Jahren gewesen waren.
2016
Die Angehörigen des Tactical PsyOps Team
2017
des PRT
Kundus, die den Ort Haji Amanmulla aufgesucht hatten,
berichteten nach Angaben des Zeugen B. nach ihrer
Rückkehr ins PRT Kundus, die Dorfältesten hätten ihnen
geschildert, Männer aus dem Dorf seien gezwungen wor-
den, zur Sandbank mitzukommen.
2018
Dem unmittelbar
nach dem Besuch vor Ort verfassten schriftlichen Bericht
des Tactical PsyOps Team ist darüber hinaus zu entneh-
men, dass Befragungen in dem Dorf in der Nähe der
Sandbank ergeben hatten, dass einige Kinder aus diesem
Dorf ihren Vätern gefolgt waren. 14 Zivilisten aus diesem
Dorf seien dann durch den Luftangriff getötet worden,
vier schwer verletzt. Sechs dieser Getöteten seien zwi-
schen acht und 14 Jahren alt gewesen, ein Dreizehnjähri-
ger sei verletzt. Darüber hinaus hätten die Dorfbewohner
erzählt, dass es in einem Nachbardorf eine ähnlich große
Zahl ziviler Opfer gegeben habe.
2019
Über den im Rahmen einer Besprechung im PRT Kundus
erstatteten mündlichen Bericht des Tactical PsyOps Team
und dessen Angaben zu zivilen Opfern informierte der
zivile Leiter des PRT Kundus, der Vortragende Legati-
onsrat D., per E-Mail noch am Nachmittag des
04.09.2009 die Abteilung 343 (Politische Abteilung, Afg-
hanistan) im Auswärtigen Amt.
2020
Selbst wenn die deutsche Bundesregierung also Verlaut-
barungen der Taliban kein Vertrauen schenken wollte,
gab es doch genug Meldungen aus Quellen, die unver-
dächtig waren, Interessen der Taliban zu vertreten und die
darauf schließen ließen, dass zivile Opfer – unabhängig
von deren genauer Anzahl – mindestens sehr wahrschein-
lich waren.
In den Folgetagen verdichteten sich die Anhaltspunkte.
Meldungen, wonach aus mehreren umliegenden Dörfern
Menschen zur Sandbank gekommen waren, um Benzin
abzuzapfen, häuften sich. Der äußerst detaillierte Bericht
2015) Mat. 17-25, Anlage 01-03, Fach Leitungsstab (Referat 040),
Bl. 96 - 98, Tgb.-Nr. 24/10.
2016) Mat. 17-11, Anlage 33; Mat. 17-21, Tgb.-Nr. 3/10; Mat. 17-21a,
Bl. 4.
2017) Tactical PsyOps Team = TPT; „Tactical Psychological Operati-
ons“ steht für – u. a. – (Gesprächs-) Aufklärung durch Kontakte
mit der Bevölkerung.
2018) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24 f.
2019) Mat. 17-11, Anlage 25.
2020) Mat. 17-25a, Ordner Vertreter AA im PRT Kundus, Bl. 14.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 311 – Drucksache 17/7400
des US-amerikanischen Journalisten Rajiv Chandraseka-
ran, der das ISAF-Initial Action Team (IAT) nach Kun-
dus begleitet hatte, erschien am 06.09.2009 in der Was-
hington Post.
2021
Äußerungen von General McChrystal,
wonach dieser davon ausgehe, bei dem Luftschlag seien
Zivilisten umgekommen, fanden sich wiederholt in den
unterschiedlichsten Quellen. Das ISAF-Initial Action
Team (IAT) gelangte zum Ergebnis, der Luftangriff habe
zivile Opfer gefordert. Der Untersuchungsausschuss hat
nicht nachweisen können, dass dieser Bericht vor dem
08.09.2009 den Mitgliedern der Regierung zur Kenntnis
gelangt war; der Bericht des deutschen Mitglieds des IAT,
Oberst N., in dem dieser die wesentlichen Ergebnisse des
IAT zusammengefasst hatte, war dem Einsatzführungs-
kommando allerdings noch am Abend des 06.09.2009
zugegangen.
2022
Bereits am 07.09.2009 verfügte der BND über in einer
Sammelmeldung zusammengefasste Erkenntnisse, dass
sehr viele Zivilisten zur Sandbank gekommen waren, um
dort Benzin zu holen, dass sich dort deutlich mehr Zivilis-
ten als Taliban befunden hatten und dass möglicherweise
150 Dorfbewohner durch den Luftangriff getötet wur-
den.
2023
Zudem gab es Informationen über Anweisungen,
gegenüber Journalisten zu behaupten, bei dem Luftangriff
seien nur Aufständische getötet worden – obwohl bekannt
war, dass durch das Bombardement auch Zivilisten um-
gekommen waren.
2024
Dem BND lagen in dieser Sam-
melmeldung vom 07.09.2009 außerdem erste Erkenntnis-
se vor, wonach die einzige auf der Sandbank vorgefunde-
ne Schusswaffe neben einem der Tanklastwagen drapiert
worden sei, um diese Kombination vorgeblicher Beweis-
mittel zu fotografieren.
2025
Diese mit der Sammelmeldung vom 07.09.2009 BND-
intern übermittelten Erkenntnisse des Kommandos Strate-
gische Aufklärung der Bundeswehr hatten dem J2 des
PRT Kundus bereits am 04.09.2009 vorgelegen und war-
en von diesem in einem „Lagebeitrag“ vom gleichen Tag
aufgearbeitet worden.
2026
Erkennen lässt sich das an der
Übernahme teilweise wortgleicher Formulierungen.
Aus den Feststellungen des Untersuchungsausschusses
zum Hintergrund der in der (in den letzten beiden Absät-
zen erwähnten) Sammelmeldung des BND vom
07.09.2009 zusammengefassten Informationen ergibt
sich, dass eine gezielte Manipulation der Öffentlichkeit,
deutscher Stellen oder der ISAF-Kräfte durch Übermitt-
lung dieser Informationen an deutsche Stellen auszu-
schließen ist. Die dem BND vorliegenden Meldungen
lassen sich daher als belastbar ansehen.
Dennoch wird aus den dem Untersuchungsausschuss zur
Verfügung gestellten Beweismitteln nicht ersichtlich, dass
2021) Vgl. die ausführliche Dokumentation oben im Feststellungsteil,
S. 74 (Teil 2, B.IV.2.a)ff)), sowie Dokument 70 und Doku-
ment 116.
2022) Vgl. Feststellungsteil S. 98 (Teil 2, C.II.1.b)bb)bbb)).
2023) z. B. Mat. 17-34, Ordner 3, Bl. 27 ff., 30, 75, Tgb.-Nr. 36/10.
2024) Mat. 17-34, Ordner 3, Bl. 78/79, Tgb.-Nr. 36/10.
2025) Mat. 17-34, Ordner 3, Bl. 38, Tgb.-Nr. 36/10.
2026) Mat. 17-74, Anl. 03, Bl. 89 - 92, Tgb.-Nr. 96/11.
eine dieser Meldungen an anderer Stelle aufgegriffen oder
einer Beurteilung der Geschehnisse in der Nacht des
03./04. September 2009 zugrunde gelegt wurde.
Sowohl der Präsident des Bundesnachrichtendienstes
Uhrlau als auch der ehemalige Geheimdienstkoordinator
und Leiter der im Bundeskanzleramt für den BND zu-
ständigen Abteilung 6, der heutige Staatssekretär im Bun-
desinnenministerium Fritsche, sowie der Leiter der dieser
Abteilung 6 zugeordneten Gruppe 62, Ministerialdirigent
Vorbeck, behaupteten als Zeugen im Untersuchungsaus-
schuss, die Sammelmeldung des BND sei ihnen jedenfalls
im Vorfeld des Untersuchungsausschusses unbekannt
gewesen.
2027
Die darin erfassten Informationen seien nach
ihrer Kenntnis nicht an das Bundeskanzleramt gelangt
2028
und, nach Einschätzung des Zeugen Uhrlau, offenbar
ohne weitere nachvollziehbare Kenntnisnahme zuständi-
ger BND-Mitarbeiter ins System eingespeist worden
2029
–
also ungenutzt geblieben.
Die Richtigkeit dieser Angaben unterstellt, ergeben sich
daraus allerdings – angesichts der Tatsache, dass die
meistdiskutierte Frage bereits unmittelbar nach dem Luft-
anschlag die gewesen war, ob es Opfer aus der Zivilbe-
völkerung gegeben hatte – die weitergehenden Aspekte:
Wie konnte es sein, dass die sowohl dem BND als auch
der Bundeswehr vorliegenden, aus vergleichbar belastba-
ren Quellen stammenden deutlichen Hinweise auf zivile
Opfer ignoriert wurden, augenscheinlich ins Nirwana
ausgemusterter Erkenntnisse der Bundeswehr entschwan-
den, im Datenpool des BND versanken – und jedenfalls
nicht zum Gegenstand intensiver ergänzender Nachfor-
schungen oder einer weiteren Berichterstattung gegenüber
Mitgliedern der Bundesregierung wurden?
Oder wurden dem Untersuchungsausschuss die entspre-
chenden Vorgänge vorenthalten?
Der BND beschränkte sich noch am Morgen des
08.09.2009 auf die „Information“, verlässliche Aussagen
zu Opfern und Opferzahlen könnten nicht getroffen wer-
den.
2030
Am 08.09.2009 um 16:45 Uhr – also kurz nach
der Regierungserklärung von Kanzlerin Dr. Merkel vor
dem Bundestag – meldete der BND dann erstmals, es
seien „wahrscheinlich einige Zivilpersonen getötet (etwa
70 Personen)“2031 worden; zu einem Zeitpunkt also, an
dem sichergestellt war, dass in der Regierungserklärung
darauf kein Bezug mehr genommen werden musste. Und
zu einem Zeitpunkt, als an jedem anderen Ort der Welt
davon ausgegangen wurde, es könne als sicher vorausge-
2027) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 20, 26 f.; Fritsche, Protokoll-
Nr. 47, Teil II, S. 13; Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 2.
2028) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 13; Vorbeck, Protokoll-
Nr. 47, Teil II, S. 2.
2029) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 20, 26 f.
2030) Wochenbericht Einsatzgebiete des BND vom 08.09.2009, 09.30
Uhr, Mat. 17-25, Ordner 2, Leitungsstab - Referat 040 (Tage-
buchnr. 011-011/10), Bl. 55, 58, Tgb.-Nr. 24/10.
2031) Sonderbericht des BND vom 08.09.2009, 16.45 Uhr, Mat. 17-25,
Ordner 2, Leitungsstab - Referat 040 (Tagebuchnr. 011-011/10) –
Bl. 48, 50, Tgb.-Nr. 24/10.
Drucksache 17/7400 – 312 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
setzt werden, dass bei dem Luftschlag zahlreiche Zivilis-
ten getötet und verletzt worden waren.
cc) Öffentliche Darstellungen der Bundesre-
gierung zur Frage ziviler Opfer
Ungeachtet der klaren Reaktionen auf internationaler
Ebene, insbesondere der Einschätzung durch ISAF- und
NATO-Verantwortliche, die bereits am 04.09.2009 deut-
liche Anhaltspunkte dafür erblickten, dass bei dem Luft-
angriff in Kundus Zivilisten umgekommen waren, und in
den Folgetagen zunehmende Sicherheit diesbezüglich
erlangten, dementierte und mauerte die Bundesregierung
nach Kräften.
Der seinerzeitige Verteidigungsminister Dr. Jung leugne-
te in seinen ersten Stellungnahmen nach dem Luftangriff
strikt, dass die afghanische Zivilbevölkerung in Mitlei-
denschaft gezogen worden sein könnte. Bundeskanzlerin
Dr. Merkel und Bundesaußenminister Dr. Steinmeier
fanden sich schnell bei einer gemeinsamen Formel, indem
sie der Öffentlichkeit erklärten: zivile Opfer seien „nicht
auszuschließen“. Diese in Anbetracht einer Vielzahl von
Berichten über Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbe-
völkerung wahrhaft „aufklärerische“ Position wurde von
da an konsequent beibehalten.
Sieht man einmal davon ab, dass schon zwischen „nicht
auszuschließen“ und „mit hoher Wahrscheinlichkeit“
bzw. „sicher anzunehmen“ ein nicht ganz unbeträchtlicher
Unterschied ist, so laufen diese sprachlichen Verrenkun-
gen vor allem auf eins hinaus: Der Öffentlichkeit sollte
weisgemacht werden, dass es keine belastbaren Anhalt-
spunkte dafür gebe, dass eine Vielzahl von Zivilisten
(oder überhaupt irgendein Zivilist oder eine Zivilistin)
von dem Luftangriff getroffen worden sei. Dies entspricht
nicht den Tatsachen.
Zumal festzuhalten ist: Wo es darum geht, Opfern aus der
Zivilbevölkerung und deren Hinterbliebenen die Ge-
ltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die
BRD zu erschweren, wird diese Linie vom Bundesvertei-
digungsministerium bis heute gehalten.
Zugleich wurden damit xenophobe Ressentiments der
deutschen Bevölkerung bedient oder geweckt, der durch
das Vorgehen der Bundesregierung vermittelt wurde,
Stimmen aus Afghanistan, die auf die Folgen des Luft-
angriffs für die afghanische Bevölkerung hingewiesen
hatten, sei nicht zu trauen. Anstatt Wiedergutmachung zu
leisten, erzeugte die Bundesregierung so den Eindruck,
die geschädigten Afghanen seien Heuchler, die sich un-
rechtmäßig bereichern wollten.
b) Vortäuschen einer unmittelbaren Bedro-
hung für das PRT Kundus
Oberst Klein unternahm den Versuch, den von ihm befoh-
lenen Luftangriff vom 04.09.2009 mit einer vorgeblich
existenten Bedrohungswarnung des BND für das PRT
Kundus zu rechtfertigen. An diesem unhaltbaren Argu-
mentationsansatz hatten sich ebenfalls Angehörige des
Bundesverteidigungsministeriums versucht und ihn sogar
noch im Laufe ihrer Vernehmungen im Untersuchungs-
ausschuss gehalten.
Die Mehrheitsfraktionen im Untersuchungsausschuss
haben die Mär vom angeblichen Bestehen einer am
04.09.2009 akut bestehenden Bedrohungslage nicht nur
erneut aufgewärmt und im Feststellungsteil des Ab-
schlussberichts als vorgebliches Ergebnis der Beweisauf-
nahme festgeschrieben. Sie haben sie zusätzlich in ihrem
Bewertungsteil auch noch ausgeschmückt, indem sie z. B.
formulierten, es sei vor Angriffen mit einem „mit Spreng-
stoff vollgepackten (…) Tanklastzug“ gewarnt worden,
und eine Zuverlässigkeit des Warnhinweises behaupteten,
für die sich aus den dem Untersuchungsausschuss vorlie-
genden Beweismitteln nichts ergibt.
2032
Vorauszuschicken ist daher zunächst: Die vom Untersu-
chungsausschuss beigezogenen Beweismittel belegen in
aller Deutlichkeit, dass es die behauptete Bedrohungs-
warnung, aus der sich eine akute Gefährdung des PRT
Kundus in der Nacht des 03./04.09.2009 hätte ableiten
lassen, nicht gab.
aa) Hinweise auf eine Bedrohungswarnung
Schon bald nach dem Luftangriff geisterte die Meldung
durch die Medienlandschaft, Oberst Klein habe das Bom-
bardement der Sandbank im Kundus-Fluss befohlen, weil
sich aus Geheimdienstberichten Hinweise darauf ergeben
hätten, die Tanklaster seien erbeutet worden, um mit
ihnen einen Anschlag auf das PRT Kundus zu verü-
ben.
2033
Im Zuge der Unterrichtung der Obleute im Verteidi-
gungsausschuss und im Auswärtigen Ausschuss über die
näheren Umstände des Luftangriffs von Kundus teilte
Staatssekretär Dr. Wichert am 07.09.2009 mit:
„In der jüngsten Vergangenheit gab es sehr ernst
zu nehmende Warnhinweise, dass OMF
2034
im
Raum Kunduz einen Anschlag mit einem zu einer
großen Bombe umfunktionierten Lkw gegen das
PRT Kunduz oder Liegenschaften der afghani-
schen Sicherheitsbehörden planen. Die beiden ent-
führten Treibstoff-Lkw wären für einen Anschlag
dieser Art bestens geeignet gewesen.“2035
Auch weitere Akteure versuchten den Eindruck zu erwe-
cken, es habe konkrete Hinweise auf eine akute Gefähr-
dung des PRT Kundus gegeben, die Oberst Klein mit dem
Luftangriff vom 04.09.2009 abgewendet habe. Verteidi-
gungsminister a. D. Dr. Jung wies in Pressestatements
wiederholt darauf hin, Oberst Klein habe den Luftangriff
angeordnet, um einen Angriff auf das PRT Kundus zu
verhindern. Und Generalinspekteur a. D. Schneiderhan
führte noch am 29.10.2009 in seiner Presseerklärung
2032) Vgl. Teil 3, B.I.3. (S. 176) sowie B.VI.2.b) (S. 207).
2033) Vgl. z. B. Spiegel online vom 07.09.2009, „Viele Opfer, viele
Fragen“.
2034) OMF = Opposing Militant Forces.
2035) Mat. 17-22a, GI / Ordner 1, Bl. 92 ff., 95.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 313 – Drucksache 17/7400
anlässlich des Eingangs des COM ISAF-Berichts im
Bundesverteidigungsministerium zu der vermeintlichen
Bedrohung durch die geraubten Tanklaster aus:
„Dieses Jahr wurden bis Ende August in Afghanis-
tan bereits in sechs Fällen LKW oder Tanklastwa-
gen für Attentate eingesetzt. (…) Bei diesen An-
schlägen, die sich gegen ISAF, aber auch gegen
die afghanische Bevölkerung gerichtet haben, kam
es durch die große Menge an genutztem Spreng-
stoff zu hohen Verlusten, auch bei der Zivilbevöl-
kerung. Seit Mitte Juli gab es ernstzunehmende
Hinweise darauf, dass ähnliche Anschläge gegen
das PRT Kunduz geplant waren. (…) Es handelte
sich hierbei um eine Kombination aus üblicher
Vorgehensweise der feindlichen Kräfte, den vor-
handenen Warnhinweisen über einen größeren ge-
planten Anschlag und den Versuch der feindlichen
Kräfte, sich die Mittel für einen solchen Anschlag
zu beschaffen.“2036
Ungeachtet der Tatsache, dass evident war, dass eine
Bedrohungswarnung für den konkreten Zeitraum und die
konkrete Situation der Nacht des 03./04.09.2009 niemals
existiert hatte, behauptete Verteidigungsminister a. D.
Dr. Jung noch im März 2010 gegenüber den Mitgliedern
des Untersuchungsausschusses:
„Wir hatten in dem Zusammenhang auch Hinwei-
se, dass die Taliban einen größeren Anschlag ge-
gen uns planen. Deshalb war ich in permanenter
Sorge, dass es den Taliban gelingt, auch und gera-
de in der Perspektive vor der Bundestagswahl, ei-
nen derartigen Schlag gegen unsere Soldaten
durchzuführen. (…) Ich weiß, wie auch die NATO
diesbezüglich sorgenvoll die Entwicklung in Kun-
duz gesehen hat, zumal rund eine Woche vorher,
am 25. August, ein Tanklastwagen von den Tali-
ban in Kabul in die Luft gesprengt worden ist, wo
40 Personen getötet und 60 verletzt wurden.“2037
Und auch Oberst Klein bezog sich im Untersuchungsaus-
schuss auf laut Warnhinweisen angeblich konkret zu
erwartende Angriffe mit den beiden Lastwagen auf das
PRT Kundus:
„Wachsende Sorge machte uns aber auch die Zu-
nahme von Entführungen von Fahrzeugen durch
die Aufständischen. Vorrangiges Ziel waren Poli-
zei- und Militärfahrzeuge, aber auch Tanklastfahr-
zeuge. Anfang September mussten wir davon aus-
gehen, dass zwölf (…) Fahrzeuge der Polizei, zwei
Geländefahrzeuge (…) – das sind die (…) Model-
le, die die afghanische Armee mit nutzt – und
mehrere Tankfahrzeuge in der Hand der Aufstän-
dischen waren. Für uns bestand die sehr konkrete
Gefahr, dass mit diesen erbeuteten Polizeifahrzeu-
gen unter Nutzung gestohlener Uniformen Angrif-
fe (…) durchgeführt werden. (…).
2036) Dokument 51, Bl. 318 (Hervorhebung nicht im Original).
2037) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 2/3.
Zudem hatten wir seit Mitte/Ende Juli einen sehr
detaillierten Bericht des Bundesnachrichtendiens-
tes zu einem direkten Angriff auf das PRT; in der
Presse ist er häufig als Dreistufenplan bezeichnet
worden. Dabei sollten die Absperrungen des Feld-
lagers durch zwei aufeinander folgende Angriffe
durch Selbstmordattentäter mit Fahrzeugen durch-
brochen werden. Danach sollten weitere Selbst-
mordattentäter zu Fuß ins PRT rein und maxima-
len Schaden anrichten. Ein solcher Angriff fand
am 25. August, also knapp eine Woche vor dem 4.
September, unter Nutzung eines Tankfahrzeuges in
Kandahar statt. (…) Die durch den Bundesnach-
richtendienst uns offengelegten Angriffspläne
waren sehr konkret, detailliert und nicht auf einen
bestimmten Zeitraum begrenzt.
Zudem hatten wir seit Frühjahr 2009 Hinweise auf
gezielte und möglichst spektakuläre Angriffe auf
deutsche Kräfte und Einrichtungen. Warnungen zu
Angriffsterminen umfassten den gesamten August,
insbesondere den Wahltag in Afghanistan, den 20.
August, den geplanten Tag der afghanischen Prä-
sidentschaftswahlen, aber auch den deutschen
Wahltermin am 27. September und auch den
3. Oktober.“2038
bb) Kein Vorliegen des behaupteten Warn-
hinweises
Tatsächlich hatte es einen Warnhinweis des BND vom
15.07.2009 gegeben, in dem vor einem Angriff auf das
PRT Kundus in mehreren Stufen und mit mehreren Fahr-
zeugen gewarnt worden war.
Das dort beschriebene Szenario setzte allerdings gar nicht
mehr die Erbeutung von Fahrzeugen voraus. Vielmehr
wurde festgehalten, die für einen Anschlag benötigten
zwei Fahrzeuge stünden schon „präpariert“ bereit, ebenso
die acht für diesen Anschlag erforderlichen Selbstmordat-
tentäter. Dass die Aufständischen bereits Fahrzeuge er-
beutet hatten, hatte Oberst Klein im Untersuchungsaus-
schuss auch dargestellt (vgl. das soeben wiedergegebene
Zitat am Ende des vorhergehenden Abschnitts
B.I.3.b)aa)). Neben der Tatsache, dass die in diesem
Warnhinweis erwähnten Routen und Orte, von denen ein
Angriff hätte ausgehen sollen, von den Umständen der
Entführung der Tanklaster am 03.09.2009 abwichen, gab
es zwei wesentliche weitere Aspekte, die deutlich erken-
nen ließen, dass der Warnhinweis des BND vom
15.07.2009 keinerlei Bezug zu dem Geschehen auf der
Sandbank haben konnte:
Zum einen wird in allen Bezugnahmen auf den Warnhin-
weis des BND bislang nonchalant darüber hinweg gegan-
gen, dass die Namen der in diesem Warnhinweis als Pla-
ner und Anführer des angeblich bevorstehenden Angriffs
benannten Aufständischen im Kontext der Nacht des
03./04.09.2009 niemals fielen. Die mit der Erbeutung der
2038) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5/6.
Drucksache 17/7400 – 314 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Tanklastwagen in Verbindung gebrachten und angeblich
auf der Sandbank anwesenden Talibananführer waren
andere Personen.
Zum anderen war der konkrete Warnhinweis des BND
nicht mehr aktuell. Gewarnt worden war explizit vor
Anschlägen, die bis zum 20. August 2009 verübt werden
sollten, also dem Tag der afghanischen Präsidentschafts-
wahlen (nicht der deutschen Bundestagswahl!). Der poli-
tische Anknüpfungspunkt eines solchen Anschlags war
also schon längst entfallen. Die Behauptung von Oberst
Klein, es habe „Hinweise auf (…) spektakuläre Angriffe
auf deutsche Kräfte“ für „den gesamten August, (…) aber
auch den deutschen Wahltermin am 27.09. und auch den
3. Oktober“2039 gegeben, ist schlicht falsch. Jedenfalls
lässt sich anhand der dem Untersuchungsausschuss über-
mittelten Beweismittel diese Aussage nicht verifizieren.
Der BND selbst teilte auf Anfrage der Bundesanwalt-
schaft am 13.11.2009 mit:
„(…) zu einem von Oberst Klein gegenüber der
Presse geäußerten Anschlagsszenario, in dem er
nach Aussage der Presse befürchtet habe, ‚Taliban
würden Polizeistationen oder sogar das PRT ang-
reifen, wenn man sie mit den Tanklastwagen ent-
kommen lasse„ (…). Der zuständige Fachbereich
hat dazu Folgendes mitgeteilt:
Konkrete Erkenntnisse über ein derartiges An-
schlagsszenario lagen dem Bundesnachrichten-
dienst zum Zeitpunkt des militärischen Luftstreit-
kräfteeinsatzes am 4. September 2009 nicht vor.
(…)
Im Rahmen der ereignisorientierten, kurzfristigen
Berichterstattung des Bundesnachrichtendienstes
in Form von Warnhinweisen bei unmittelbarer Ge-
fährdungslage, wurde am 15. Juli 2009, basierend
auf einem Einzelhinweis hinsichtlich eines komp-
lexen Anschlags bis zum 20. August 2009 auf das
PRT Kunduz (…) gewarnt.“2040
Der Warnhinweis des BND vom 15.07.2009 lautete:
„S(…) plant, einen komplexen Anschlag gegen das
(…) PRT Kunduz durchzuführen. (…) Es soll bis
zum 20. August 2009 eine fahrzeuggestützte
Sprengvorrichtung (…) an der Wache des PRT
Kunduz zur Explosion gebracht werden. Ein zwei-
tes Fahrzeug solle in das PRT Kunduz hineinfah-
ren und dort zur Wirkung gebracht werden. (…)
Hierfür stünden derzeit acht Selbstmordattentäter
und zwei präparierte Fahrzeuge bereit. Die Fahr-
zeuge sollen die Route (…) nutzen, (…).“2041
Der – ohnehin nicht auf den Zeitraum nach der afghani-
schen Präsidentschaftswahl bezogene – Hinweis des BND
warnte also vor einem langfristig geplanten Geschehen
2039) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5/6.
2040) Mat. 17-54a, Ordner 3, Bl. 33 ff.
2041) Mat. 17-54a, Ordner 3, Bl. 36; aufgrund seiner Einstufung als
Verschlusssache kann der Warnhinweis hier nur ausschnittweise
wiedergegeben werden.
mit bereits bereitstehenden Angriffsmitteln – nicht vor
einer kurzfristig und unvorbereitet durchgeführten Opera-
tion mit gerade erst bei günstiger Gelegenheit erbeuteten
Tanklastern.
cc) Keinerlei Hinweis auf eine direkte Gefähr-
dung des PRT Kundus
Dazu passt, dass der Informant der Task Force 47 in der
Nacht des 03./04.09.2009 keinerlei Hinweis auf einen
angeblich bevorstehenden Anschlag auf das PRT Kundus
gegeben oder einen solchen auch nur angedeutet hat. Er
hat in jener Nacht durchgängig geschildert, die Tanklaster
sollten über den Fluss nach Westen gebracht oder, für den
Fall, dass es nicht möglich sei, die Fahrzeuge an der
Sandbank über den Fluss zu bringen, „vor Ort ausge-
schlachtet werden“. Nachdem klar war, dass die Tanklas-
ter stecken geblieben waren, meldete er zusätzlich noch
das Vorhaben, die Tanklaster nach dem geplanten Aus-
schlachten in Brand zu setzen.
2042
Objektive Anhaltspunkte für eine Bedrohung des PRT
Kundus in der Nacht des 03./04.09.2009 durch einen zu
erwartenden Angriff mit den erbeuteten Tanklastern gab
es daher zu keiner Zeit.
c) Vertuschung der Erkenntnisse des ISAF-
Joint Investigation Board
Der Untersuchungsausschuss hat festgestellt, dass die
Bundesregierung – insbesondere das Bundesverteidi-
gungsministerium, allerdings mit Unterstützung oder
zumindest Duldung des Bundeskanzleramts – unter-
schiedlichste Aktivitäten entfaltete, um sicherzustellen,
dass die Öffentlichkeit nicht mit kritischen Bewertungen
des zur Untersuchung des Luftschlags von Kundus einge-
setzten ISAF-Joint Investigation Board (JIB) konfrontiert
werde.
aa) Gruppe 85 im Bundesverteidigungsminis-
terium
Im Bundesverteidigungsministerium wurde eine Arbeits-
gruppe unter der Bezeichnung „Gruppe 85“ eingesetzt.
Nach offizieller Lesart sollte diese Gruppe den Luftang-
riff von Kundus untersuchen und eine Reaktion des Mi-
nisteriums auf die Arbeitsergebnisse des Joint Investigati-
on Board (JIB) ermöglichen („Auftrag Situation AFG zu
prüfen und dahingehend auszuwerten, dass die Ltg auf
NATO Abschlussbericht reagieren kann“).2043
Tatsächlich zeichnen die dem Untersuchungsausschuss
zur Arbeit der Gruppe 85 vorliegenden Unterlagen aller-
dings ein anderes Bild: Die Gruppe 85 bemühte sich,
jeweils auf der Höhe der Ermittlungen des JIB zu sein.
Auf dieser Grundlage arbeitete die Gruppe dann daran,
2042) Mat. 17-10a, Anlage 17, Anhang G; vgl. Feststellungsteil S. 45 f.
(Teil 2, B.III.1.b)).
2043) Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 241; vgl. auch oben Teil 2, B.IV.2.c).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 315 – Drucksache 17/7400
noch während der laufenden Untersuchung auf die weite-
ren Aktivitäten des JIB einzuwirken.
aaa) Kontakt zum ISAF-Joint Investigation
Board
Die Gruppe 85 stand in relativ enger Verbindung zu dem
deutschen Mitglied des JIB, ORR V., einem Rechtsberater
des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. Dieser
enge Kontakt wurde – soweit aus den dem Untersu-
chungsausschuss vorliegenden Dokumenten ersichtlich –
gegenüber den weiteren Mitgliedern des JIB oder anderen
ISAF-Verantwortlichen nicht offenbart. Die Gruppe 85
war – lange vor Fertigstellung des vom JIB zu formulie-
renden COM ISAF-Berichts – gut über den Stand der
Arbeit des JIB und die dort ausgewerteten Beweismittel
informiert. Unter den vom Untersuchungsausschuss bei-
gezogenen Unterlagen befindet sich u. a. ein „Ablaufpro-
tokoll“2044 der Gruppe 85 – von einem Mitglied der Grup-
pe 85 auch als „Einsatztagebuch“ bezeichnet – für den
Zeitraum vom 09.09.2009 bis 26.10.2009. In diesem sind
sowohl die Inhalte von Dienstbesprechungen als auch
Telefongespräche etc. festgehalten, und auch Kontaktauf-
nahmen mit ORR V., dem deutschen Mitglied des JIB.
Dem Ablaufprotokoll ist in Hinblick auf die Kenntnis der
Gruppe 85 vom Ermittlungsstand des JIB u. a. zu ent-
nehmen:
Gespräch vom 14.09.2009, 19:00 Uhr, zwischen RDir
Sch.
2045
und ORR V. über E-Dat:
„V.:
(…)
1. Handlung JIB Auswertung Videos B1 und F15
mit Sprachband:
Erster Eindruck: Personen waren Ziel. KFZ nicht
in Richtung PRT; Show of Force durch PRT abge-
lehnt; eine HUMINT
2046
Quelle;
Auf Band ca. 100 – 120 Personen sichtbar; Ein-
druck nach Sichtung, dass F15-Piloten sich für ge-
ringeres Waffenmittel eingesetzt haben, das Diffe-
renz zu DEU
2047
Darstellung.
Commander
2048
in TOC
2049
TF47 nicht in JOC
2050
;
RC North erhielt auf Nachfrage in JOC PRT
20 min vor Drop Auskunft, dass über TIC
2051
dort
nichts bekannt sei. JIB
2052
diskutierte daher, dass
2044) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 240, 241
ff.
2045) Referent im Bundesverteidigungsministerium.
2046) HUMINT = Human Intelligence (Bezeichnung für eine menschli-
che Quelle / Informant).
2047) DEU = deutsch / Deutsches ISAF-Kontingent.
2048) Commander = Kommandeur PRT Kundus, also Oberst Klein.
2049) TOC TF47 = Operationszentrale der Task Force 47.
2050) JOC = Operationszentrale des PRT.
2051) TIC = troops in contact.
2052) JIB = Joint Investigation Board.
es sich möglicherweise um eine OP
2053
der TF47
handelte.
Derzeit keine Anhaltspunkte für besondere Bedro-
hungslage.
Fragen bestünden insb. zu Proportionality; Pattern
of Life (…); Unklarheit bzgl ROE2054; Imminent
Threat; TIC; (…)”.2055
Besprechung vom 18.09.2009, 14:45 Uhr:
„(…)
Erste Erkenntnisse zu kritischen Aspekten:
- Hinzuziehung weiterer Informationsquellen zur
Entscheidungsfindung am 04. September 2009
- Abgrenzung unbewaffnete OMF2056 zu ‚unbeteilig-
te Zivilpersonen„
- (…)
- Ableitung einer unmittelbaren Bedrohung aus den
dem Kdr PRT Kdz
2057
bekannten Umständen am
Ereignisort zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (ex
ante-Sicht)
- (…)
- Durchführung BDA2058 [sehr zeitnah] nach dem
Ereignis (…) hat nicht stattgefunden (erst um
12:34 Uhr). (…)“2059
Telefonat mit ORR V. vom 23.09.2009, 15:00 Uhr:
- „Mittlerweile wurden die Piloten durch das JIB be-
fragt: Daraus ergab sich, dass die Piloten kein Mit-
tel / keine Möglichkeit zur positiven Identifikation
von Personen am Boden besaßen, es ihnen also
nicht möglich war, ein eigenes ausreichendes La-
gebild zu gewinnen.
- Da der JTAC am 4. September „imminent threat“
bestätigte, sahen die Piloten keine Notwendigkeit,
‚die rote Karte zu spielen„
- Bislang wurden noch keine Anhaltspunkte bzw.
Informationen dafür gefunden, dass sich die Men-
schenmenge umgruppieren und das PRT angreifen
wollte.
- Es wurden dagegen zwei Informationen
(HUMINT
2060
) bekannt, die besagen sollen, dass
die entführten Tanklastwagen an einen Ort 25 km
2053) OP = Operation.
2054) ROE = Rules of Engagement (Einsatzregeln).
2055) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 245 - 247.
2056) OMF = Opposing Militant Forces.
2057) Kdr PRT Kdz = Kommandeur PRT Kundus, Oberst Klein.
2058) BDA = Battle Damage Assessment.
2059) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 254 - 257.
2060) Siehe oben: Fn. 2046.
Drucksache 17/7400 – 316 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nördlich des PRT verbracht werden sollten oder,
falls dies nicht möglich sein sollte, ausgeschlachtet
werden sollten.
- Das JIB sucht nun SIGINT Informationen zu be-
schaffen, die den JTAC in der TOC
2061
(Task Force 47) zur Annahme eines ‚imminent
threat„ bewogen haben könnten. (…)
- Das JIB sieht gegenwärtig noch keine Tatsachen-
grundlagen, mit denen sich ‚imminent threat„ oder
‚hostile intent„ begründen ließen.“2062
Telefonat mit ORR V. vom 06.10.2009, 17:00 Uhr:
- „(…)
- Das Interview [Anm.: Befragung von Oberst Klein
durch das JIB] zeigte nach Ansicht von V., dass
Oberst Klein nicht sicher mit den Begrifflichkei-
ten, Prozessabläufen (z.B. Targeting) und ROE
umgegangen ist. (…)“2063
Die Gruppe 85 übernahm es, die Ermittlungstätigkeit des
JIB nachzuvollziehen und die vorhandenen Beweismittel
selbst zum Teil ebenfalls auszuwerten. Auf dieser Basis
bemühte sie sich zum einen, Prognosen darüber zu entwi-
ckeln, zu welchen Ergebnissen, unter Umständen auch
welchen weiteren Ermittlungsschritten das JIB gelangen
könne. Zum anderen wurden klare Vorgaben zur Einwir-
kung auf die Arbeit des JIB formuliert und an das
deutsche Mitglied des JIB, ORR V., kommuniziert.
Der Zeuge ORR V. wurde im Untersuchungsausschuss zu
Einflussnahmeversuchen der Gruppe 85 befragt. Er be-
hauptete, er könne sich weder an Unterstützungsleistun-
gen für die Gruppe oder durch die Gruppe erinnern, noch
habe er seitens der Gruppe 85 Weisungen bezüglich sei-
ner Aktivitäten im JIB erhalten.
2064
Nach Auffassung der
Fraktion DIE LINKE. handelt es sich hierbei um Schutz-
behauptungen des Zeugen. Das „Ablaufprotokoll“2065 der
Gruppe 85 spricht für sich. In einem Telefonat vom
16.09.2009, 17.30 Uhr wird ein Gespräch zwischen RDir
H., dem Leitenden Rechtsberater des Einsatzführungs-
kommandos der Bundeswehr, und ORR V. wiedergege-
ben. Daraus ergibt sich, dass ORR V. aufgegeben wurde,
dafür Sorge zu tragen, dass der Vorfall nicht unter dem
Blickwinkel des humanitären Völkerrechts betrachtet
werde.
2066
Das Dokument liegt dem Untersuchungsaus-
schuss vor, kann aber aufgrund seiner VS-Einstufung an
dieser Stelle nicht wörtlich wiedergegeben werden.
Zur Befassung der Gruppe 85 mit den Untersuchungser-
gebnissen des JIB und den Bemühungen um eine Ein-
2061) TOC = Operationszentrale.
2062) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 262 - 264.
2063) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 266, 267.
2064) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 21 f., 22, 31; vgl. Teil 2, B.IV.2.c).
2065) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 240,
241 ff.
2066) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 252.
flussnahme auf die Aktivitäten und Schlussfolgerungen
des JIB wird im Ablaufprotokoll der Gruppe 85 z. B.
festgehalten:
Gespräch vom 14.09.2009, 19:00 Uhr, zwischen RDir
Sch.
2067
und ORR V. über E-Dat:
„(…)
Hinweis Sch.:
Wir unterstützen mit Hinweisen auf Unklarheiten
in Vorschriften, die dann im JIB Bericht reflektiert
werden müssen. Intensive Darstellung ist wichtig.
Geordnetes Verhalten auf der Sandbank gibt ggf.
Anhalte für Art der Beteiligung der CAS.
2068
Be-
rücksichtigung der AFG
2069
Aussagen zur Wirkung
des Einsatzes.
Schwachpunkte bei unklarer Ermittlungslage müs-
sen klar hervorgehoben werden und nicht durch
Vermutungen ersetzt werden.
Er [Anm.: ORR V.] muss immer Umsetzung jeder
Vorschrift für PRT prüfen. (…)“2070
Dienstbesprechung vom 15.09.2009, 18:00 Uhr:
„(…)
Bewertung des FJg Berichtes
2071
und der sehr kriti-
schen Bewertung. (Gefahr der Veröffentlichung).
(…) EinsFüKdo RB2072 wird zunächst angewiesen:
Keine Weitergabe.
(…).“2073
Aus dem Eintrag zu dieser Dienstbesprechung vom
15.09.2009 erschließt sich zudem, dass eine Erweiterung
des JIB zum Anlass genommen werden sollte, die Arbeit
des JIB kritisch zu beleuchten und insgesamt zu hinterfra-
gen.
2074
Aufgabe der Gruppe 85 war es nicht nur, die
Arbeit des JIB durch formale Einwände zu diskreditieren,
sondern auch Argumentationsansätze vorzubereiten, um
die Untersuchungsergebnisse des JIB in Zweifel zu zie-
hen: Die Ergebnisse des JIB sollten antizipiert und auf
dieser Grundlage eine Argumentationslinie vorbereitet
werden, um Schwachstellen, Kritikpunkte und Vorwürfe
zu entkräften.
2075
bbb) Kontakt zu den Ermittlungsbehörden
Darüber hinaus hielten die Mitglieder der Gruppe 85 den
Kontakt zu den deutschen Strafverfolgungsbehörden, die
den Luftangriff in Kundus untersuchen sollten. Obwohl
2067) Referent im Bundesverteidigungsministerium.
2068) CAS = Casualties, hier: Opfer.
2069) AFG = afghanisch.
2070) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 245, 247.
2071) FJg Bericht = Feldjägerbericht.
2072) EinsFüKdo RB = Rechtsberater beim Einsatzführungskommando
der Bundeswehr.
2073) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 248, 249.
2074) Vgl. Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 248,
249.
2075) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 254, 255.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 317 – Drucksache 17/7400
die Gruppe 85 dank ihres Verbindungsmanns beim ISAF-
Joint Investigation Board (JIB) gut über den Stand der
ISAF-Untersuchung informiert war, sowie offenbar Zu-
griff auf vom JIB ausgewertete Beweismittel hatte und
diese selbst auswertete, lieferte die Gruppe 85 den Ermitt-
lungsbehörden (explizit) keinerlei Details zur Tataufklä-
rung. Tatsächlich unterstützte die Gruppe 85 die Ermitt-
lungstätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden so zurück-
haltend wie möglich. Mit Blick auf die öffentliche Wir-
kung wurden Gesprächstermine absolviert und den Er-
mittlungsbehörden Rechtsvorschriften zum ISAF-Mandat
überlassen; darüber hinaus wurde innerhalb der Gruppe
85 abgestimmt, ob bzw. welche Informationen der zu
dieser Zeit zuständigen Integrierten Ermittlungseinheit
Sachsen (INES) bei der Generalstaatsanwaltschaft Dres-
den vom Einsatzführungskommando (gezielt) zugänglich
gemacht werden sollten:
Telefonat vom 16.09.2009:
„Am 17.09.09 wird H.2076 sich nach einer letzten
vorbereitenden Besprechung mit O i. G. S. für den
Besuch bei INES
2077
in DD telefonisch melden und
mit B. abstimmen, welche Strategie verfolgt wird
und was inhaltlich ausgesagt werden soll. Gemein-
sames Verständnis war jedoch bereits, dass der
rechtliche Rahmen erläutert wird und zu diesem
Zwecke eingestufte Vorschriften in geeigneter
Weise übergeben werden. Dies soll die GStA
2078
befähigen, am selben Tage eine Presseerklärung
herauszugeben, in der dargestellt werden soll, dass
eine Bw
2079
Delegation mit GStA Kontakt aufge-
nommen hat und eingestufte Dok übergeben
hat.“2080
Telefonat vom 17.09.2009, 16:45 Uhr:
„Der Freitagsbesuch in DD wird insbesondere
„atmosphärische Aspekte“ umfassen. Es wurden
folgende Dokumente (…) bereits übergeben:
- nat und int. Mandate
- ROE
- SOPs 311, 398
- SPINS
- Tactical Directive
Am 18.09.09 werden nach ggw Planungsstand
noch MC 362/1, die Zusammenstellung der An-
schläge 2009 mittels Trucks bzw. Tanklastwagen
(…) übergeben. Zusätzlich soll der Warnhinweis
(…) bezüglich eines Anschlags mittels Tanklast-
wagen auf das PRT zitiert werden (…). Gespro-
chen werden soll nicht über Details (Begleitende
2076) Leitender Rechtsberater beim Einsatzführungskommando der
Bundeswehr.
2077) INES = Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen der Generalstaats-
anwaltschaft Dresden.
2078) GStA = Generalstaatsanwaltschaft Dresden.
2079) Bw = Bundeswehr.
2080) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 250.
Begründung: Es soll auf Ergebnisse des Investiga-
tion Board gewartet und dann hierzu Stellung ge-
nommen werden), sondern insbesondere über den
Rechtscharakter der Dokumente:
- ROE: Umsetzung völkerrechtlicher Mandate,
über die deshalb nicht hinausgegangen werden
kann. (…).“2081
„Amtshilfe“ einer Behörde für die andere im Sinne des
Wortes hätte hingegen bedeutet, den Ermittlungsbehörden
die von diesen eingeforderten Unterlagen und Informatio-
nen zukommen zu lassen – ohne dabei danach zu filtern,
welche Erkenntnisse der Position der Bundeswehr bzw.
des Bundesverteidigungsministeriums günstig und welche
abträglich sein könnten.
Es ließ sich also feststellen, dass Zielrichtung der Einset-
zung der Gruppe 85 nicht nur eine Beeinflussung der
Untersuchung des ISAF-Joint Investigation Board war,
sondern auch eine manipulierte Information der Strafver-
folgungsbehörden über die Vorgänge in Kundus.
bb) Verhinderung einer Bewertung der Erkenn-
tnisse des ISAF-Joint Investigation Board
durch die NATO
Der COM ISAF-Bericht gelangte – entgegen vorausge-
gangener anderslautender Entscheidungen auf NATO-
Ebene – auf einem nicht vorgesehenen Weg zum Bundes-
verteidigungsministerium.
2082
Ein Effekt dieses abgekürz-
ten Verfahrensweges war, dass der NATO die Möglich-
keit genommen wurde, das Verhalten der Bundeswehran-
gehörigen im PRT Kundus in der Nacht des
03./04.09.2009 zu bewerten und Konsequenzen in Hinb-
lick auf die festgestellten Verfahrensfehler zu ziehen oder
zu empfehlen. Der COM ISAF-Bericht blieb insoweit
unvollendet.
Nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses
ist die Einschätzung der Bundeskanzlerin Dr. Merkel
unzutreffend, die als Zeugin im Untersuchungsausschuss
erklärte:
„Wenn ich recht informiert bin, ist der COMISAF-
Bericht nicht bezüglich einer Bewertung gemacht
worden, sondern ist der COMISAF-Bericht bezüg-
lich der Aufklärung der Fakten gemacht worden.
Deshalb musste ja auch der Generalinspekteur und
anschließend der Bundesverteidigungsminister die
Bewertung vornehmen, weil der COMISAF-
Bericht ausdrücklich keine Bewertung hat.“2083
Der Zeuge General a. D. Ramms, im September 2009
Kommandeur des Allied Joint Force Command (JFC)
Headquarters in Brunssum, der als NATO-Befehlshaber
für den ISAF-Einsatz in der Befehlskette dem ISAF-
Kommandeur General McChrystal unmittelbar über-
2081) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 252 - 254.
2082) Vgl. zu diesem Vorgang oben S. 138 (Teil 2, D.II.1.); Ramms,
Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
2083) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 72.
Drucksache 17/7400 – 318 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
geordnet war
2084
und selbst direkt dem Kommando des
Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) unters-
tand, schilderte im Untersuchungsausschuss, dass zwi-
schen ihm und General McChrystal bezüglich der Bewer-
tung der Ergebnisse des COM ISAF-Berichts eine spezifi-
sche Abstimmung getroffen worden war:
Der Untersuchungsbericht des ISAF-Joint Investigation
Board, also der sog. COM ISAF-Bericht, würde nur tat-
sächliche Feststellungen zum Luftangriff vom 04.09.2009
und der Einhaltung oder Nichteinhaltung spezifischer
Verfahrensregeln treffen, sich aber einer Bewertung des
Verhaltens von Oberst Klein und der diesen unterstützen-
den Soldaten enthalten. Insoweit schilderte die Kanzlerin
die Sachlage zutreffend.
Die abschließende fachliche und rechtliche Bewertung
des Verhaltens der Angehörigen des PRT Kundus – und
insbesondere der gegebenenfalls festgestellten, von diesen
begangenen Verfahrensfehler – hätte dann jedoch in ei-
nem weiteren Schritt im JFC Brunssum unter Federfüh-
rung von General Ramms erfolgen müssen, bevor der
Bericht von dort aus und mit dieser Bewertung nach
Deutschland weitergeleitet werden konnte. General
Ramms schilderte den Mitgliedern des Untersuchungsaus-
schusses, dass dies – Bewertung des Verhaltens deutscher
ISAF-Kräfte durch einen „deutschen“ General (wenn-
gleich in einer NATO-Funktion), statt durch das ISAF-
Joint Investigation Board – ein Entgegenkommen von
General McChrystal und ISAF gegenüber der Bundes-
wehr gewesen sei.
2085
In den Worten von General Ramms stellte sich der Vor-
gang wie folgt dar:
„Der Untersuchungsauftrag, den der General
McChrystal erteilt hat an sein Team, sagt eindeu-
tig, dass dieses Team die Verletzung von ROE-
Befehlen, nationalen Regeln und disziplinarrech-
tlichen Dingen nicht untersuchen und nicht bewer-
ten soll. Das hat das Team auch getan. Es hat
Sachverhalte dargestellt und hat daraus keine Fol-
gerungen gezogen. Die Absprache, die ich mit
Stan McChrystal getroffen habe, weil ich ja auch
Deutscher bin – ich sage das mal vorsichtig so,
obwohl ich in der Zeit einen NATO-Hut trage -,
war die, dass, wenn eine solche Bewertung erfor-
derlich sein sollte, diese Bewertung dann durch
deutsches Personal in Brunssum erstellt werden
sollte, weil das ja – ich sage das mal – ein bisschen
sensitiv ist.“2086
„Und als ich dann informiert wurde, als ich in
Afghanistan eintraf – (…), am 28. morgens -, habe
ich gehört, dass der Bericht fertig war. Da hatte er
mir aber schon ein Signal gegeben, es mag sein,
drei Tage oder vier Tage vorher, wieder bei einer
VTC. Wir haben regelmäßig miteinander konfe-
riert, auch zu anderen Sachverhalten. Und dann
2084) Mat. 17-22, Anl. 1 Ordner 02, Annex B, 1.a., Tgb.-Nr. 19/10.
2085) Vgl. Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
2086) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
sagte er: Wenn du nächste Woche kommst, kannst
du diesen Bericht mitnehmen. – Und so war das
auch vorgesehen, dass ich den beim Rückflug,
entweder am 30. oder 31., dann mitgebracht hätte
nach Deutschland.“2087
Dieser im Vorfeld vereinbarte Verfahrensablauf wurde
nicht eingehalten. Stattdessen wurde der COM ISAF-
Bericht noch am Tag des Eintreffens von General Ramms
in Afghanistan, am 28.10.2009, an diesem vorbei nach
Deutschland zum Bundesverteidigungsministerium trans-
feriert. Die vorgesehene Bewertung der Ermittlungser-
gebnisse des Joint Investigation Board durch die NATO
hatte sich – in den Worten von General Ramms – „(d)a
der Bericht nicht auf dem Dienstweg über Brunssum nach
Berlin gegangen ist, sondern direkt, (…) im Prinzip erüb-
rigt.“2088
Zu den Hintergründen dieses um ein sehr wesentliches
Detail „verkürzten“ Dienstwegs erklärte General
Ramms:
2089
„Die Frage kann ich Ihnen, was den Verursacher
angeht, nicht beantworten. Ich weiß, dass ein Tele-
fongespräch stattgefunden hat zwischen dem Ge-
neral Wieker und irgendjemandem anderen auf der
anderen Seite – jetzt irgendjemanden dort ins Ren-
nen zu schicken, wäre von meiner Seite her Speku-
lation – und dass der General Wieker aufgrund die-
ser Tatsache einen seiner Feldwebeldienstgrade am
28. morgens in Marsch gesetzt hat. Wieker war
damals Chef Stab ISAF.
(…)
Also, die Tatsache, dass ich den Bericht mitneh-
men wollte, war dem General Wieker bekannt.
Aber ob der General Wieker in dem Falle der Ent-
scheider war oder Durchführender war, die Frage
kann ich Ihnen nicht beantworten.“2090
Nach den Feststellungen des Untersuchungsausschusses
hatte Verteidigungsminister Dr. Jung im Vorfeld mit
Generalleutnant Wieker, „der ja in Afghanistan war und
Chef des Stabes war“,2091
„besprochen (…), dass, wenn der Bericht da ist,
wir ihn sofort bekommen.“2092
Ob damit zugleich die Anweisung verbunden war, dafür
Sorge zu tragen, dass das Bundesverteidigungsministe-
rium den Bericht zu einem Zeitpunkt „bekomme“ – um
ihn dann sogleich gegenüber der Öffentlichkeit zu kom-
mentieren –, an dem er vom übergeordneten NATO-
Hauptquartier überhaupt noch nicht freigegeben war, hat
der Untersuchungsausschuss nicht festgestellt. Es lässt
sich aber bezweifeln, dass ein solcher, den Vorgaben der
ISAF-Führung widersprechender, vorgreifender Transfer
2087) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3/4.
2088) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
2089) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 7.
2090) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 7.
2091) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil II, S. 8.
2092) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil II, S. 8.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 319 – Drucksache 17/7400
ohne Kenntnis und Billigung von Entscheidungsträgern
aus den Reihen der Bundesregierung hätte stattfinden
können.
General Ramms wurde im Untersuchungsausschuss auch
dazu befragt, wie seine Bewertung der Untersuchungser-
gebnisse des Joint Investigation Board gelautet hätte,
wenn er die Gelegenheit erhalten hätte, eine solche zu
verfassen. Dazu erklärte er:
„Wenn ich diese Bewertung geschrieben hätte, hät-
te in dieser Bewertung auf der Basis des NATO-
Berichtes folgender relativ einfacher Satz gestan-
den: Ich empfehle die gerichtliche und disziplinare
Untersuchung dieses Vorfalls.“2093
Da der Untersuchungsbericht am JFC Brunssum vorbei
geleitet worden war und die vermeintlichen Ergebnisse
dieses Berichtes vom Bundesverteidigungsministerium
bereits am 29.10.2009 der Öffentlichkeit präsentiert wur-
den, war General Ramms – und damit der NATO – die
Möglichkeit genommen, den Bericht auf Grundlage der
ISAF-Einsatzregeln zu bewerten, ohne der deutschen
Regierung offen entgegenzutreten.
2094
cc) Umdeutung der Erkenntnisse des ISAF-
Joint Investigation Board gegenüber der
Öffentlichkeit
Es war nicht nur verhindert worden, dass dem
COM ISAF-Bericht eine wertende Betrachtung der fest-
gestellten Tatsachen beigefügt wurde. Das Bundesvertei-
digungsministerium kommunizierte vielmehr auch die im
Bericht zusammengefassten Tatsachen so, dass in der
Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden konnte, das
ISAF Joint Investigation Board erachte das Verhalten der
Bundeswehrangehörigen für ordnungsgemäß und den
Luftangriff für regelkonform. Vom Kanzleramt wurde
diese Linie gestützt.
aaa) Bundesverteidigungsministerium
Am Tag nach dem Eingang des COM ISAF-Berichts
beim Bundesverteidigungsministerium ging der General-
inspekteur Schneiderhan vor die Presse und gab eine
Erklärung zu den Untersuchungsergebnissen des Joint
Investigation Board ab.
2095
Dabei stützte er sich auf Vor-
arbeiten des ihm selbst unterstellten Einsatzführungssta-
bes, der Rechtsabteilung des Bundesverteidigungsministe-
riums und des unmittelbar dem Verteidigungsminister
unterstellten Planungsstabes im Bundesverteidigungsmi-
nisterium.
Nach Angaben des Zeugen Dr. Schlie, dem Leiter des
Planungsstabes, hatten die von ihm beauftragten Mitarbei-
ter des Planungsstabes die Ergebnisse des Joint Investiga-
tion Board zum Luftangriff von Kundus ihm gegenüber
2093) Vgl. oben S. 139 (Teil 2, D.II.1.); Ramms, Protokoll-Nr. 41,
Teil II, S. 15.
2094) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2, 15, 22.
2095) Vgl. Feststellungsteil S. 139 f. und 141 (Teil 2, D.II.2. und 3.).
dahingehend zusammengefasst, Verfahrensfehler seien
bestätigt worden; das Vorgehen von Oberst Klein lasse
sich aber durchaus als „militärisch nachvollziehbar“ und
völkerrechtskonform bewerten.
2096
Obwohl der Leiter des
Planungsstabes Dr. Schlie im Untersuchungsausschuss
erklärte, er selbst habe den COM ISAF-Bericht bis zum
Morgen zumindest „kursorisch“ gelesen gehabt, plädierte
er in einer Besprechung am Morgen des 29.10.2009 gege-
nüber Staatssekretär Dr. Wichert und dem Adjutanten des
Generalinspekteurs dafür, den Luftangriff als „militärisch
vertretbar“ zu bewerten.2097 Staatssekretär Dr. Wichert
und der Generalinspekteur wiederum präferierten die
Formulierung „militärisch angemessen“.2098
General Schneiderhan ging in der von ihm am 29.10.2009
gegen 12:15 Uhr abgegebenen Presseerklärung
2099
mit
keinem Wort darauf ein, dass das Joint Investigation
Board eine Vielzahl von Verfahrensfehlern – also: „mili-
tärischen“ Fehlern – moniert hatte, die von Oberst Klein
und den ihn unterstützenden Soldaten begangen worden
waren. Stattdessen versuchte der Generalinspekteur den
Eindruck zu erwecken, das Joint Investigation Board habe
ermittelt, dass konkrete Warnhinweise vorgelegen hätten,
die einen Anschlag auf das PRT Kundus mit den erbeute-
ten Tanklastern hätten wahrscheinlich erscheinen lassen,
und den Luftangriff aufgrund dessen gutgeheißen:
„Es handelte sich um eine Kombination aus übli-
cher Vorgehensweise feindlicher Kräfte, den vor-
handenen Warnhinweisen über einen geplanten
Anschlag und dem Versuch der feindlichen Kräfte,
sich die Mittel für einen solchen Anschlag zu be-
schaffen. Das führte nach meiner Bewertung zu
der richtigen Lagebeurteilung, dass der Luftangriff
zum damaligen Zeitpunkt militärisch angemessen
war.“2100
Bezeichnend ist, dass General a. D. Schneiderhan gege-
nüber den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses
darauf hinwies, er habe diese Presseerklärung Wort für
Wort vorgelesen, denn:
„Und das Haus hat mir unter juristischer Hochbe-
ratung gesagt, dass ich in diesem Fall genau sein
muss und nicht ins Schwätzen kommen darf. Und
deshalb habe ich mich an diesen Ratschlag halten
müssen, weil es ja eine hoch brisante Geschichte
war. (…) Ich wusste, dass das auch ein Ritt auf der
Rasierklinge ist, was ich da mache. Und deshalb
habe ich mich an die Sprache derer gehalten, deren
Fachsprache das ist.“2101
2096) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.
2097) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.
2098) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.
2099) Vgl. das im Feststellungsteil ausschnittweise wiedergegebene
Zitat: S. 141 (Teil 2, D.II.3.a)) und Dokument 51.
2100) Pressestatement General Schneiderhan (Dokument 51), Bl. 318.
2101) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 34.
Drucksache 17/7400 – 320 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Sofern das Pressestatement überhaupt irgendeine „Fach-
sprache“ erkennen ließ, war dies allerdings am ehesten
eine militärische.
2102
In seiner Presseerklärung vom 29.10.2009 formulierte der
Generalinspekteur schließlich als eigene Bewertung bzw.
Bewertung des Bundesverteidigungsministeriums, auf
Basis der Feststellungen im COM ISAF-Bericht betrachte
er das Verhalten der deutschen Soldaten im PRT Kundus
als „in operativer Hinsicht militärisch angemessen“. Mit
dieser Formulierung habe er ausdrücken wollen: „man
konnte so handeln“.2103
Weder die Bezeichnungen „militärisch angemessen“,
noch „militärisch vertretbar“ noch „militärisch nachvoll-
ziehbar“ stellen korrekte Bewertungen des Luftangriffs
vom 04.09.2009 dar. Keine dieser Bezeichnungen wird
den im COM ISAF-Bericht dokumentierten Feststellun-
gen des Joint Investigation Board gerecht.
Da der COM ISAF-Bericht eingestuft war (und blieb, vgl.
insoweit sogleich die Ausführungen auf S. 321 (Teil
B.I.3.c)dd))) und auf diese Einstufung auch stets verwie-
sen wurde, war es der Öffentlichkeit, den Medien aber
auch dem größten Teil der Abgeordneten des Bundestages
nicht möglich, sich selbst ein Bild von den Untersu-
chungsergebnissen des Joint Investigation Board zu ma-
chen.
Die Untersuchungsergebnisse des Joint Investigation
Board kannte aber Verteidigungsminister a. D. Gutten-
berg, der – nach eigenen Angaben – den COM ISAF-
Bericht in einem Kurzurlaub zwischen dem 30.10. und
03.11.2009 gelesen,
2104
sich zwischen dem 03. und
06.11.2009 auch intensiv mit dessen Anlagen befasst
hatte,
2105
und am 06.11.2009 vor die Presse ging, um sich
selbst zu dem Luftangriff zu äußern. Obwohl der
COM ISAF-Bericht selbst ohne die Anlagen nur ca. 70
Seiten umfasst, und in aller Deutlichkeit bereits nach
kurzer Lektüre – auf den ersten Seiten – offenbart, dass
den PRT Angehörigen, die in der Nacht des
03./04.09.2009 von der Operationszentrale der
Task Force 47 aus agierten, nicht nur grundlegende Ver-
fahrensfehler nachgewiesen worden waren, sondern dass
diese Fehler auch ursächlich für den Bombenabwurf und
den Tod einer großen Anzahl von Menschen gewesen
waren, erklärte Verteidigungsminister Guttenberg am
06.11.2009:
„(…) ich selbst komme zum Schluss, dass ich kei-
nen Zweifel an der Einschätzung des Generalin-
spekteurs hege, nämlich dass die Militärschläge
und die Luftschläge vor dem Gesamtbedrohungs-
hintergrund als militärisch angemessen zu sehen
sind.
(…)
2102) Vgl. das im Feststellungsteil ausschnittweise wiedergegebene
Zitat: S. 141 (Teil 2, D.II.3.a)) und Dokument 51.
2103) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 34.
2104) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6, 50.
2105) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.
Ich darf allerdings auch sagen, dass ich nach mei-
ner Einschätzung zu dem Schluss komme: Selbst
wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hät-
te es zum Luftschlag kommen müssen. Das ist eine
Abwägung vieler Umstände. Das ist eine Abwä-
gung, die sich darauf begründet, dass wir jetzt die
Möglichkeit hatten, über Tage hinweg diese Be-
wertung vorzunehmen.“2106
bbb) Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt
Der COM ISAF-Bericht war am 29.10.2009 ebenfalls an
das Kanzleramt sowie das Auswärtige Amt weitergeleitet
worden. Die Presseerklärung des Generalinspekteurs lag
im Bundeskanzleramt vor.
2107
Es wurden allerdings kei-
nerlei Aktivitäten entfaltet, der vom Bundesverteidi-
gungsministerium betriebenen Politik der Desinformation
ein Ende zu setzen. Vielmehr wurde im Kanzleramt sogar
auf die „Öffentlichkeitsarbeit“ des Bundesverteidigungs-
ministeriums verwiesen, und eine eigene Stellungnahme
gezielt vermieden:
Im Kanzleramt war der Bericht durch Mitarbeiter der
Abteilung 2 (Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspoli-
tik) ausgewertet worden. Dort entstand eine Zusammen-
fassung, die der Kanzlerin noch am 29.10.2009 als Vorla-
ge zugeleitet wurde.
In dieser Vorlage wird dargelegt:
2108
„Kernpunkte des Berichts sind:
Angemessenheit des militärischen Vorgehens: Der
Bericht sieht das Vorgehen am 04.09. nicht iso-
liert, sondern bettet es in die komplexe militärische
Gesamtlage in und um Kunduz ein. Als wesentli-
che Kritikpunkte werden jedoch genannt:
(…)
BMVg (GenInsp) hat mit einem ersten kurzen Sta-
tement vor der Presse reagiert.
III. Bewertung
Der Bericht geht umfassend, ausführlich und aus-
gewogen auf die Vorgänge um den Luftangriff ein
und enthält sich auftragsgemäß jeder rechtlichen
Bewertung. Er äußert jedoch Kritik am PRT Kdr
und – abgestuft – auch an dem ihn unterstützenden
Personal sowie den Luftfahrzeugbesatzungen.
Die Frage, ob die beteiligten DEU Soldaten auf der
Grundlage des Mandates der VN angesichts der
schwierigen Lage in operativer Hinsicht militä-
risch angemessen gehandelt haben, wird nicht in
der Gesamtheit eindeutig beantwortet, punktuelle
Verfehlungen werden jedoch benannt (…).
(…)
2106) Pressestatement Minister Guttenberg (Dokument 155), Bl. 62 ff.
2107) Mat. 17-29a, Ordner Gruppe 22, Bl. 174 - 178.
2108) Aufgrund der VS-Einstufung der Vorlage kann diese hier nicht
vollständig zitiert werden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 321 – Drucksache 17/7400
Eine abschließende Bewertung des Vorfalls wird
in hohem Maße davon abhängig sein, ob und wie-
weit man die Perspektive des in einer kriegsähnli-
chen, besonderen Handlungssituation stehenden
Kommandeurs einnimmt oder den Vorfall primär
unter dem Blickwinkel möglicher Regelverstöße
sieht.“2109
Im Kanzleramt war also bekannt und der Kanzlerin selbst
vermittelt worden, dass die Darstellung des Bundesvertei-
digungsministeriums der Realität des Bombenangriffs
vom 04.09.2009 – und dessen Bewertung durch das Joint
Investigation Board – nicht gerecht wurde. Dennoch er-
hielt der Regierungssprecher für die Bundespressekonfe-
renz am 30.10.2009 einen Sprechzettel mit der Vorgabe,
in Hinblick auf die Bewertung des Luftangriffs im COM
ISAF-Bericht im Falle eventueller Nachfragen nur darauf
zu verweisen,
„Der Bericht der NATO zum Luftangriff der ISAF
am 4. September liegt seit Mittwochabend vor.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat Sie ge-
stern auf einer Pressekonferenz darüber informiert.
Der Bericht ist von der NATO als GEHEIM ein-
gestuft und wird derzeit durch das BMVg detail-
liert ausgewertet.
Aus diesen Gründen verbietet sich hier eine wei-
tergehende Stellungnahme.
Die Bundeskanzlerin hat in der Regierungserklä-
rung betont: ‚Jeder in Afghanistan unschuldig zu
Tode gekommene Mensch ist einer zuviel … Ich
stehe dafür ein, dass wir nichts beschönigen wer-
den, aber ich stehe genauso dafür ein, dass wir
Vorverurteilungen nicht akzeptieren werden …
Eine umfassende Bewertung des Angriffs und sei-
ner Folgen ist mir, ist dem Bundesminister der
Verteidigung, ist der Bundesregierung insgesamt
absolut wichtig. Auf der Grundlage aller Fakten
wird sie erfolgen: offen und nachvollziehbar.„“2110
dd) Verhinderung einer Herabstufung des
COM ISAF-Berichts
Eine nationale Untersuchung des Luftangriffs vom
04.09.2009 erfolgte nicht. Der Verfasser des sog. Feldjä-
gerberichts erfuhr im PRT Kundus nur wenig Unterstüt-
zung. Maßgebliche Informationen wurden ihm nicht zu-
gänglich gemacht. Die unmittelbar Handelnden, u. a. der
in der Nacht des 03./04.09.2009 eingesetzte Fliegerleitof-
fizier (JTAC) „Red Baron“, Hauptfeldwebel W., verwei-
gerten die Kooperation.
Die einzige umfassende und fundierte Untersuchung der
Vorfälle in der Nacht des 03./04.09.2009 ist daher der
sog. COM ISAF-Bericht, der Bericht des ISAF-Joint
Investigation Board (JIB). In diesem Bericht werden
2109) Dokument 152.
2110) Mat. 17-29a, Ordner Gruppe 22, Bl. 185.
zahlreiche Verfahrensfehler der Bundeswehrsoldaten im
PRT Kundus herausgearbeitet.
2111
Der COM ISAF-Bericht ist jedoch nach wie vor als
NATO-/ISAF-secret klassifiziert und kann daher bis heute
weder ganz noch in Auszügen veröffentlicht werden.
Nach eigener Darstellung war das Bundesverteidigungs-
ministerium von Beginn an stark daran interessiert, eine
Herabstufung des COM ISAF-Berichts durch die NATO
zu erreichen, um die Erkenntnisse des ISAF-Joint Investi-
gation Board der Öffentlichkeit in der BRD unmittelbar
zugänglich machen zu können.
Die nach Herausgabe des COM ISAF-Berichts vom Lei-
ter des Einsatzführungsstabes im Bundesverteidigungsmi-
nisterium, Konteradmiral Andreas Krause, an das ISAF-
Hauptquartier in Kabul herangetragene Bitte, eine unklas-
sifizierte Version des COM ISAF-Berichts herauszuge-
ben,
2112
wies das ISAF-Hauptquartier mit einem Schrei-
ben vom 04.11.2009 zurück.
2113
Verfasser und Unter-
zeichner dieses Schreibens vom 04.11.2009 war der am
09.10.2009 zum Chef des Stabes Hauptquartier ISAF
ernannte Generalleutnant Volker Wieker. Er wurde nach
der Entlassung von General Schneiderhan von Verteidi-
gungsminister Guttenberg am 18.12.2009 als dessen de-
signierter Nachfolger auf dem Posten des Generalinspek-
teurs präsentiert.
Die Kanzlerin Dr. Merkel schilderte den Mitgliedern des
Untersuchungsausschusses, welche Begründung ihr von
Verteidigungsminister a. D. Guttenberg für die Weige-
rung der NATO, den Bericht herabzustufen, genannt
worden sei:
„Soweit mir in Erinnerung ist, hat mir der Bundes-
verteidigungsminister dann berichtet, dass die
NATO aus der grundsätzlichen Erwägung: ‚Wir
sind ja nicht der einzige Bündnispartner„, damals
gesagt hat, dass sie das nicht tun wird.“2114
Im Frühjahr 2011 ersuchte die Bundesregierung – anges-
toßen durch eine entsprechende Anregung der Opposition
im Untersuchungsausschuss – das NATO Hauptquartier
ein zweites Mal um eine Herabstufung bzw. um die He-
rausgabe nicht eingestufter, ggf. gekürzter, Versionen des
COM ISAF-Berichts sowie weiterer Dokumente. Diese
Bitte wurde im Juli 2011 wiederum seitens der NATO
zurückgewiesen.
2115
Der Vorgang brachte allerdings Klarheit über die Hinter-
gründe der Verweigerung einer Herabstufung des
COM ISAF-Berichts – und zwar auch in Hinblick auf die
abschlägige Reaktion der NATO von November 2009 auf
die erste Anfrage der Bundesregierung. Einem Antwort-
schreiben des Allied Joint Force Command (JFC) Head-
quarters Brunssum vom 06.07.2011 ist zu entnehmen,
dass die Idee einer Herabstufung nicht etwa von der
ISAF-Führung aufgrund dort vorhandener Sicherheitsbe-
2111) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115).
2112) Dokument 73, Bl. 182.
2113) Dokument 73, Bl. 181.
2114) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 61.
2115) Beratungsunterlage Nr. 17-290.
Drucksache 17/7400 – 322 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
denken verworfen worden war. Das JFC teilte vielmehr
mit, entsprechend der NATO-Richtlinien könne die Ein-
stufung eines Dokuments nur durch den Herausgeber –
ISAF – oder mit dessen Einverständnis geändert oder
aufgehoben werden. Im Zuge dieses Verfahrens sei die
Anfrage der Bundesregierung auch dem PRT Kundus zur
Stellungnahme weitergeleitet worden und das PRT Kun-
dus habe seine Zustimmung zu einer Herabstufung der
Dokumente nicht erteilt:
„2. In response to a request to theatre, ISAF has
indicated that ISAF PRT Kunduz has reviewed the
documents and that again it does not consent to
declassification or release as requested.“2116
Das PRT Kundus hatte also offenkundig auch bereits bei
der ersten Anfrage zur Herabstufung des COM ISAF-
Berichts im Herbst 2009 ein „Veto“ eingelegt („… again
it does not consent ...“) und so eine Veröffentlichung der
Untersuchungsergebnisse des ISAF-Joint Investigation
Board verhindert.
Angesichts der von der Bundesregierung und insbesonde-
re dem Bundesverteidigungsministerium nach außen hin
propagierten Linie, sich für eine Information der Öffent-
lichkeit bezüglich der Vorgänge in der Nacht des
03./04.09.2009 einsetzen zu wollen, ist dieses Detail
interessant: Bei einer strikt hierarchisch organisierten
Einrichtung wie der Bundeswehr spricht es für sich, wenn
es dem zuständigen Ministerium nicht gelingt, den Ange-
hörigen des von der Bundeswehr betriebenen PRT in
Kundus zu vermitteln, dass ein erhebliches Interesse
(auch) des Bundesverteidigungsministeriums daran be-
steht, den COM ISAF-Bericht zumindest in Teilen herab-
zustufen.
d) Angemessenheit – Unangemessenheit des
Luftangriffs
General a. D. Ramms, der ehemalige Kommandeur des
JFC Brunssum, gab als Zeuge im Untersuchungsaus-
schuss eine direkte und knappe Antwort auf die Frage, ob
der Luftangriff in Kundus am 04.09.2009 angemessen
war:
„Aus meiner Sicht war er nicht angemessen.“2117
Und auf die kurz darauf gestellte Frage, ob man auf
Grundlage der Lektüre des vom ISAF-Joint Investigation
Board verfassten COM ISAF-Berichts zu dem Ergebnis
kommen könne, der Luftschlag sei angemessen gewesen,
erklärte General Ramms:
„Nach meiner Auffassung nicht. Sie müssen auch
den Bericht als Ganzes sehen.“2118
Es ist bekannt, dass der ehemalige Verteidigungsminister
Guttenberg in dieser Frage zu variierenden Ergebnissen
gelangte – und zwar in allen Fällen zu einem Zeitpunkt,
zu dem er den COM ISAF-Bericht zumindest nach seinen
2116) Beratungsunterlage Nr. 17-290.
2117) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
2118) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3.
eigenen Worten schon vollständig gelesen und sich sogar
mit den Anlagen dieses Berichts auseinandergesetzt hatte.
aa) „Militärisch angemessen“ und „selbst
wenn es keine Verfahrensfehler gegeben
hätte, hätte es zum Luftschlag kommen
müssen“
Am 06.11.2009 nutzte Verteidigungsminister a. D. Gut-
tenberg im Anschluss an eine Unterrichtung der Frakti-
onsvorsitzenden einen kurzfristig angesetzten Presseter-
min, um wenige Tage nach der Vorstellung der Ergebnis-
se des COM ISAF-Berichts (aus Sicht des im Bundesver-
teidigungsministerium offenbar herrschenden Wunsch-
denkens) durch den Generalinspekteur und kurz nach
seiner eigenen Einführung ins Amt des Verteidigungsmi-
nisters öffentlich zu erklären:
2119
„(…) ich selbst komme zum Schluss, dass ich kei-
nen Zweifel an der Einschätzung des Generalin-
spekteurs hege, nämlich dass die Militärschläge
und die Luftschläge vor dem Gesamtbedrohungs-
hintergrund als militärisch angemessen zu sehen
sind.
Ich setze neben diese militärische Betrachtung und
Einschätzung einen wichtigen politischen Punkt,
nämlich den, dass der Bericht zu dem Schluss
kommt, dass es Verfahrensfehler gab, dass es in
gewissen Bereichen Ausbildungsmängel gab, dass
es Fragestellungen bei der Auswertung etwa von
Rules of Engagement und anderen Dingen gab und
dass es wichtig ist für die politische Führung, dass
man solche Verfahrensmängel nicht verschweigt,
dass man über sie spricht, dass man sich auch mit
dem Parlament über diese austauscht und insbe-
sondere, dass man daraus die entsprechenden Kon-
sequenzen zieht, national, aber auch international
mit Blick auf die NATO.
Ich darf allerdings auch sagen, dass ich nach mei-
ner Einschätzung zu dem Schluss komme: Selbst
wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hät-
te es zum Luftschlag kommen müssen. Das ist eine
Abwägung vieler Umstände.“2120
Die Kriterien, die er seiner Abwägung zugrunde gelegt
hatte, nannte Verteidigungsminister a. D. Guttenberg
nicht. Nach seiner eigenen Aussage bestand seine Vorbe-
reitung auf dieses Pressestatement im Wesentlichen in der
Kenntnisnahme vom COM ISAF-Bericht, der Sprechemp-
fehlung für den Generalinspekteur und einer achtseitigen
„Auswertung“ des COM ISAF-Berichts durch den Ein-
satzführungsstab,
2121
die die Feststellungen des
COM ISAF-Berichts aufgriff und diese so interpretierte,
dass sie ins Gegenteil verkehrt wurden. Mit der Formulie-
rung dieses Textes waren nach Angaben des Leiters des
Einsatzführungsstabes im Bundesverteidigungsministe-
2119) Vgl. Feststellungsteil S. 149 f. (Teil 2, D.III.4.).
2120) Pressestatement Guttenberg (Dokument 155), Bl. 62 f.
2121) Vgl. Feststellungsteil S. 145 f., 149 f. (Teil 2, D.II.6.; D.III.4.).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 323 – Drucksache 17/7400
rium, Konteradmiral Krause, auch Mitarbeiter befasst
gewesen, die zuvor in der Gruppe 85 daran beteiligt ge-
wesen waren, eine Strategie zum Umgang mit den Ergeb-
nissen des Joint Investigation Board zu entwickeln.
2122
Sonderlich subtil war diese Bearbeitung durch den Ein-
satzführungsstab allerdings nicht, die Diskrepanz zu den
Untersuchungsergebnissen des Joint Investigation Board
erschloss sich ohne Mühe. Insoweit hätten sich also min-
destens Zweifel daran, ob diese Auswertung dem
COM ISAF-Bericht gerecht wurde, und entsprechende
Nachfragen des Ministers bei seinen Beratern oder den
Verfassern der Auswertung aufgedrängt. Eine ausführli-
che und problemorientierte Diskussion des Themas „Luft-
angriff von Kundus“ hatte Guttenberg aber bis dahin
weder mit seinen Mitarbeitern geführt noch eingefordert.
Im Untersuchungsausschuss bestand daher großes Interes-
se daran, zu erfahren, auf welcher Basis der ehemalige
Verteidigungsminister zu seinem Urteil gelangt war und
was ihn motiviert hatte, über die Erklärung des Generalin-
spekteurs, der Luftangriff sei „in operativer Hinsicht
militärisch angemessen“ gewesen,2123 noch hinauszuge-
hen. Die Erklärung des seinerzeitigen Verteidigungsmi-
nisters, seine Bewertung des Luftangriffs als „militärisch
angemessen“ habe auf der „Beratung der damaligen mili-
tärischen und zivilen Spitze im Bundesministerium der
Verteidigung“2124 beruht, vermag in Anbetracht der Tat-
sache, dass der Minister angab, den COM ISAF-Bericht
gelesen zu haben, nicht zu überzeugen – jedenfalls dann
nicht, wenn der Minister den Bericht nicht nur gelesen,
sondern auch verstanden hatte. Details zu diesen „Bera-
tungsleistungen“ hat der ehemalige Verteidigungsminister
Guttenberg dem Untersuchungsausschuss auch nicht
benennen können.
Der Schluss drängt sich auf, dass Minister Guttenberg
gegenüber der Öffentlichkeit (und den Fraktionsvorsit-
zenden) am 06.11.2009 nicht etwa eine Bewertung des
Luftangriffs von Kundus formuliert hat, die ihm sachlich
angemessen erschien – sondern eine Einschätzung, die er
für politisch opportun und zugleich, passend zu seiner
Selbstinszenierung als mutiger Querdenker, der immer
einen Schritt voraus ist, vermarktungsfähig hielt: Nicht
nur „militärisch angemessen“, sondern „selbst wenn es
keine Verfahrensfehler gegeben hätte, …“, also nahezu
zwingend. Ob Minister Guttenberg sich zu dieser Frages-
tellung eine eigene Meinung gebildet hatte – und wenn ja,
welche –, konnte dabei außen vor bleiben.
bb) „… militärisch nicht angemessen“
Am 03.12.2009 – keine zehn Tage nach der Entlassung
von General Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Wichert
– vollzog Verteidigungsminister Guttenberg seine öffent-
liche Kehrtwende in der Bewertung des Luftangriffs von
Kundus vor dem deutschen Bundestag und erklärte:
2122) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 1.
2123) Vgl. oben S. 319 f. (Teil 4, B.I.3.c)cc)aaa)).
2124) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6 f.
„Ich darf in aller Klarheit sagen, dass Oberst Klein
mein volles Verständnis dafür hat, dass er ange-
sichts kriegsähnlicher Zustände um Kunduz, (…)
subjektiv von der militärischen Angemessenheit
seines Handelns ausgegangen ist. Dafür hat er
mein Verständnis. (…)
Wie viel leichter erscheint es jetzt, sich ein Urteil
über die Frage der Angemessenheit zu bilden – aus
der Distanz, mit auch für mich zahlreichen neuen
Dokumenten und mit neuen Bewertungen, die ich
am 6. November dieses Jahres noch nicht hatte.
Diese weisen im Gesamtbild gegenüber dem gera-
de benannten COMISAF-Bericht deutlicher auf die
Erheblichkeit von Fehlern und insbesondere von
Alternativen hin. (…)
Obgleich Oberst Klein – ich rufe das auch den Of-
fizieren zu, die heute hier sind – zweifellos nach
bestem Wissen und Gewissen sowie zum Schutz
seiner Soldaten gehandelt hat, war es aus heutiger,
objektiver Sicht, im Lichte aller, auch der mir da-
mals vorenthaltenen Dokumente, militärisch nicht
angemessen.
Nachdem ich – ohne juristische Wertung; das ist
mir wichtig – meine Beurteilung diesbezüglich
rückblickend mit Bedauern korrigiere, korrigiere
ich meine Beurteilung allerdings nicht betreffend
mein Verständnis bezüglich Oberst Klein. Das ist
der Grund – das sage ich auch an dieser Stelle –,
weshalb ich Oberst Klein nicht fallen lassen werde.
Das würde sich nicht gehören.“2125
Die Hintergründe seines Sinneswandels hat Minister a. D.
Guttenberg bis heute nicht stimmig vermitteln können.
Im Dezember 2009 im Plenum des Bundestages hatte er
sich noch auf die für ihn „zahlreichen neuen Dokumente
und neuen Bewertungen“, die „im Gesamtbild gegenüber
dem COM ISAF-Bericht deutlicher auf die Erheblichkeit
von Fehlern und insbesondere von Alternativen“ hinge-
wiesen hätten, beziehen können. Für den Untersuchungs-
ausschuss musste er hingegen eine neue Begründungsstra-
tegie zugrundelegen, denn die Ausschussmitglieder kann-
ten den Inhalt der von ihm erwähnten Schriftstücke und
waren so in der Lage, die Darstellung des Verteidigungs-
ministers Guttenberg nachzuvollziehen.
Ungeachtet der Tatsache, dass er bereits seit Ende Okto-
ber 2009 mit dem Inhalt des COM ISAF-Berichts vertraut
war und die Chance hätte nutzen können, die Beratungs-
leistungen seiner Mitarbeiter den im COM ISAF-Bericht
getroffenen Feststellungen gegenüberzustellen, erklärte
Verteidigungsminister Guttenberg als Zeuge im Untersu-
chungsausschuss, er habe sich nunmehr mit grundlegen-
den Fragen des Luftangriffs von Kundus und seiner Be-
wertung auseinandergesetzt:
2125) BT-PlPr. 17/9 (Dokument 166), Bl. 682.
Drucksache 17/7400 – 324 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Was meinen wir eigentlich, wenn wir von militä-
risch angemessen oder unangemessen sprechen?
Welche Maßstäbe haben wir dafür?
Das mag abstrakt klingen. Aber mit dieser Frage
musste ich mich vor meiner Neubewertung noch-
mals intensiv auseinandersetzen.“2126
Denn er habe erkennen müssen, dass seiner Beratung
durch Angehörige des Ministeriums bis zum 06.11.2009
„eine rein militärisch-operative Sichtweise zugrunde
gelegen“ habe.2127 Daher seien auch seine öffentlichen
Erklärungen am 06. November 2009
„im Ergebnis in erster Linie Bewertungen aus der
damaligen Perspektive von Oberst Klein, wie er sie
zum Zeitpunkt seines Handelns hatte“
gewesen
2128
– selbst „aus diesem, dem rein militärischen
Blickwinkel“ lasse sich der Vorgang aber „mit jeweils
guten Argumenten auch unterschiedlich bewerten“.2129
Minister Guttenberg versuchte als Zeuge im Untersu-
chungsausschuss seinen Sinneswandel aus einer komple-
xeren Abwägung des Vorgangs herzuleiten. Er begründet
seine korrigierte Bewertung damit,
– dass bei dem Luftschlag zumindest eine größere
Anzahl an „Unbeteiligten“ – darunter auch Kinder
und Jugendliche – getötet oder verletzt wurden,
– dass die Bedrohungslage am 04.09.2009 „so unmit-
telbar“ nicht war, um bewusst und gezielt Opfer unter
„Unbeteiligten“ in Kauf zu nehmen.
Er fügte hinzu, „im Grundsatz“ bereits am 06.11.2009
von einer Tötung und Verletzung von Zivilpersonen aus-
gegangen zu sein.
2130
Dennoch hatte er sich zu diesem
Zeitpunkt nicht daran gehindert gesehen, den Luftangriff
als „angemessen“ zu bezeichnen. Schon dies muss stutzig
machen.
Und wenn es dann noch bei dem Luftangriff von Kundus
um den zweiten von Verteidigungsminister Guttenberg
angesprochenen Aspekt geht, dass man eine „bewusste
und gezielte“ Tötung von Zivilisten in Kauf genommen
habe-, dann befindet man sich unausweichlich mitten in
einer Verlagerung des Prüfungsmaßstabes: von der militä-
rischen „Angemessenheit“ zur Völkerrechtswidrigkeit.
Diesen Schluss hat der Minister a. D. jedoch tunlichst
vermieden. Auch das ein Hinweis auf eine gewisse Belie-
bigkeit der Ausführungen des ehemaligen Ministers zu
Guttenberg.
Der Eindruck drängt sich daher auf, dass es weniger um
eine substantielle Neubewertung mit allen Folgen ging,
sondern dass die Korrektur vor allem darauf abzielte, der
massiven Kritik in der Öffentlichkeit auszuweichen und
weiter auf der Welle des Zeitgeistes möglichst weit oben
schwimmen zu können.
2126) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 13.
2127) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.
2128) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.
2129) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.
2130) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.
e) Täuschung der Bevölkerung über die Art
der deutschen Kriegsbeteiligung
Festzuhalten ist zunächst: Die Bundesregierung hat sich
nach Kräften bemüht, die Bevölkerung über die genauen
Umstände und die Auswirkungen des Luftschlags vom
04.09.2009 zu täuschen.
Die Bevölkerung wurde – und das lange vor dem
04.09.2009 – aber ebenfalls über die Vorbedingungen des
Luftschlags, d. h. die für die Kräfte der Bundeswehr ge-
ltenden spezifischen Einsatzregularien und die Modalitä-
ten der Kriegsbeteiligung getäuscht. Tatsächlich hatte die
Bundeswehr nämlich keinen „defensiven“ Auftrag, der ihr
den Einsatz militärischer Gewalt nur zur Abwehr von
Angriffen erlaubt hätte. Eine Bindung an eine defensive
Einsatzstrategie ergab sich weder aus dem Bundestags-
mandat für den ISAF-Einsatz (vgl. sogleich Abschnitt
aa)), noch aus nationalen Vorbehalten gegenüber dem
ISAF-Operationsplan (hierzu Abschnitt bb)
2131
), noch aus
den vom Bundesverteidigungsministerium herausgegebe-
nen Taschenkarten (hierzu Abschnitt cc)
2132
).
So überrascht es wenig, dass Oberst Klein im Untersu-
chungsausschuss schilderte, seitens seines Vorgesetzten in
Afghanistan, des deutschen Kommandeurs des RC North
General Vollmer sei ihm ein aggressiveres Vorgehen
durchaus nahegelegt worden:
„So häuften sich (…) Zwischenfälle, bei denen die
Aufständischen (…) illegale Kontrollpunkte ein-
richteten. Diese wurden zwar relativ schnell er-
kannt, durch uns oder durch die afghanischen Si-
cherheitskräfte aufgelöst, waren aber eine sichtbare
Machtdemonstration der Aufständischen (…).
Durch das Hauptquartier ISAF in Kabul, aber auch
durch das Regionalkommando Nord in Masar-i-
Scharif wurde mir ausdrücklich befohlen, unver-
züglich Maßnahmen zur Sicherung dieser Verbin-
dungswege und zur Bekämpfung der Aufständi-
schen zu ergreifen. Auch mein unmittelbarer Vor-
gesetzter, General Vollmer, machte mir sehr deut-
lich, dass er einen aktiven Einsatz des PRTs in die-
ser Hinsicht von mir erwartete.“2133
aa) ISAF-Mandat der Bundeswehr
Die Resolution 1386 (2001) des UN-Sicherheitsrats vom
20.12.2001 und deren Folgeresolutionen
2134
benennen als
Ziel des ISAF-Einsatzes, die afghanische Regierung bei
der Aufrechterhaltung der Sicherheit im ISAF-
Einsatzgebiet so zu unterstützen, dass afghanische Staat-
sorgane sowie UN-Vertreter und anderes internationales
Zivilpersonal in einem sicheren Umfeld agieren kön-
nen
2135
. In Hinblick darauf erlauben sie grundsätzlich
2131) S. 325.
2132) S. 327.
2133) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5.
2134) Für den Zeitpunkt 04.09.2009 relevant ist die Resolution 1833
(2008) vom 22.09.2008 (Dokument 45).
2135) In der Diktion der Ursprungs-Resolution 1386 (2001) des UN-
Sicherheitsrats: „to assist the Afghan Interim Authority in the
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 325 – Drucksache 17/7400
„alle zur Umsetzung des Mandats erforderlichen Maß-
nahmen“ („to take all necessary measures to fulfil its
mandate“).
Das Bundestagsmandat der Bundeswehr schränkt diese
weite Vorgabe nicht etwa ein. Dort wird vielmehr Bezug
genommen auf das UN-Mandat und die darin festgehalte-
nen Vorgaben:
2136
„Status und Rechte der Internationalen Sicher-
heitsunterstützungstruppe richten sich nach den
zwischen der NATO und der Regierung von Afg-
hanistan getroffenen Vereinbarungen. Die Interna-
tionale Sicherheitsunterstützungstruppe ist autori-
siert, alle erforderlichen Maßnahmen einschließ-
lich der Anwendung militärischer Gewalt zu er-
greifen, um das Mandat gemäß Resolution 1833
(2008) durchzusetzen.“
Aufgrund dieser Mandatslage ist der Bundeswehr im
Afghanistaneinsatz also all das erlaubt, was auch allen
anderen ISAF-Kräften gestattet ist. Von einer defensiven
Ausrichtung der Aktivitäten der Bundeswehr in Afghanis-
tan kann demnach keine Rede sein.
bb) Spezifische nationale Beschränkungen
des ISAF-Mandats (national caveats)
Dennoch hält sich in der deutschen Öffentlichkeit die
Überzeugung, die Bundeswehr sei aufgrund spezifischer
Vorgaben der Bundesregierung zu einem defensiven
Vorgehen verpflichtet oder verpflichtet gewesen.
Das ist insoweit nur bedingt überraschend, als gegenüber
der Öffentlichkeit schon seit dem Beginn des Afghanis-
taneinsatzes der Bundeswehr der Eindruck erzeugt wer-
den sollte, die Bundeswehr befinde sich in Afghanistan in
einem reinen, humanitär orientierten, sog. „Stabilisie-
rungseinsatz“.
Dieses Trugbild fand – auch in der öffentlichen Wahr-
nehmung – eine so gutgläubige Aufnahme, dass sich
hartnäckig die Vorstellung hielt, das Afghanistanmandat
der Bundeswehr erlaube die Anwendung militärischer
Gewalt ausschließlich zu defensiven Zwecken, also zum
Eigenschutz im Rahmen von Notwehrhandlungen und der
Leistung von Nothilfe gegenüber akut bedrohten Dritten.
Immer wieder heißt es, die Bundesregierung habe bei der
NATO völkerrechtlich relevante „Vorbehalte“, sog. (na-
tional) caveats, hinterlegt, entsprechend derer der Bun-
deswehr ein offensives militärisches Vorgehen gegenüber
Aufständischen, deren Vertreibung, sogar die gezielte
Suche nach ihnen, untersagt sei:
2137
maintenance of security in Kabul and its surrounding areas, so
that the Afghan Interim Authority as well as the personnel of the
United Nations can operate in a secure environment”.
2136) Für den Stichtag 04.09.2009: BT-Drs. 16/10473 (Dokument 46)
und BT-PlPr. 16/183 vom 16. Oktober 2008, S. 19514.
2137) Vgl. statt vieler: Kornelius, Der unerklärte Krieg – Deutschlands
Selbstbetrug in Afghanistan (2009), S. 43 ff.; s. unter Bezugnah-
me hierauf und m.w.Nw. auch: Jungbauer, Die Bundeswehr in
Afghanistan – Die innerstaatlichen Restriktionen des deutschen
ISAF-Einsatzes (2010), S. 60 f., 74 f.
„Alles, was die Bundeswehr zum Akteur macht in
diesem Kriegstheater, ist verboten. Die Truppe soll
nur reagieren.“2138
In der BRD war demgemäß auch im Spätsommer 2009
noch die öffentliche Meinung verbreitet, die wechselnden
Bundesregierungen (sowohl die rot-grüne Bundesregie-
rung als auch die große Koalition) und die sie tragenden
parlamentarischen Mehrheiten behaupteten nicht nur, der
Afghanistaneinsatz sei ein nicht kriegerisch eingerichte-
ter, quasi-humanitärer Stabilisierungseinsatz – und die
Bundeswehr befinde sich lediglich deshalb vor Ort, um
den Brücken- und Brunnenbau und die Gründung von
Mädchenschulen in Afghanistan zu begleiten –, sondern
es seien auch rechtliche und militärische Vorkehrungen
getroffen worden, die einen Verzicht auf offensives Agie-
ren in Hinblick auf die Beteiligung am ISAF-Mandat
sicherstellten.
Tatsächlich hat bis heute keine Bundesregierung (weder
rot-grün, noch die große Koalition, noch schwarz-gelb)
irgendeine einschränkende Erklärung gegenüber ISAF
und der NATO in Hinblick auf eine Beteiligung der Bun-
deswehr an offensiven militärischen Einsätzen gegen
Aufständische abgegeben.
Dies zu verschleiern, bemühte die Bundesregierung sich
auch gegenüber dem Parlament. In einer Kleinen Anfra-
ge
2139
verlangte die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
in der 16. Wahlperiode Auskunft u. a. auf die Fragen:
„Gibt es Tätigkeiten und Einsätze innerhalb des
ISAF-Kommandos, an denen sich Angehörige der
Bundeswehr nicht beteiligen dürfen (sog. national
caveats)? Wenn ja, welche Aufgaben sind das?“
Im August 2006 beantwortete das Bundesministerium der
Verteidigung diese Anfrage u. a. wie folgt:
„Deutschland hat dem überarbeiteten OPLAN
ISAF einschließlich der multinationalen ROE im
NATO-Rat zugestimmt. In drei Bereichen hat
Deutschland Erklärungen zur nationalen Umset-
zung der ROE abgegeben bzw. aufrechterhalten,
die insbesondere die Vorgaben des Bundestags-
mandats reflektieren. Diese Erklärungen haben
klarstellenden Charakter. Sie beziehen sich darauf,
dass deutsche Soldaten nicht aktiv an Drogenbe-
kämpfungsmaßnahmen teilnehmen, dass sie militä-
rische Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags nur
nach Maßgabe des Prinzips der Verhältnismäßig-
keit einsetzen und dass sie grundsätzlich in den
ISAF-Regionen Nord und Kabul operieren und in
anderen Regionen nur für zeitlich und im Umfang
begrenzte Unterstützungsmaßnahmen der NATO
eingesetzt werden, sofern diese Unterstützungs-
maßnahmen zur Erfüllung des ISAF Gesamtauf-
trags unabweisbar sind.“2140
2138) Kornelius, Der unerklärte Krieg – Deutschlands Selbstbetrug in
Afghanistan (2009), S. 45.
2139) Vgl. BT-Drs. 16/2380.
2140) BT-Drs. 16/2380, S. 8.
Drucksache 17/7400 – 326 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Obwohl die Bundesregierung hier versuchte, den Ein-
druck zu erwecken, bzgl. aller angesprochenen drei As-
pekte (Einsatzgebiet Kabul und Nordafghanistan; keine
Beteiligung an Drogenbekämpfungsmaßnahmen; „Einsatz
militärischer Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags nur
nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips“) hande-
le es sich um die in der Kleinen Anfrage thematisierten
sog. national caveats, die bei der NATO hinterlegt wor-
den seien, war dies in der Realität nicht der Fall.
Das offenbarte allerdings erst ein Bericht des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung an den Verteidigungsaus-
schuss vom 29.06.2010.
2141
Zur Frage nationaler caveats
für die Bundeswehr im Rahmen der Beteiligung am
ISAF-Einsatz teilte der Parlamentarische Staatssekretär
Thomas Kossendey darin mit:
„Die Bundesrepublik Deutschland hat seit Beginn
des ISAF-Einsatzes gegenüber der NATO im
Rahmen der ISAF Transfer of Authority (TOA)-
Message Clarifying Remarks (klarstellende An-
merkungen) abgegeben, welche in der NATO als
„caveats“ geführt werden. (…) In der derzeit gülti-
gen TOA-Message vom 23. Februar 2010 handelt
es sich im Wesentlichen um folgende klarstellende
Anmerkungen zum ISAF-Einsatz:
- Der Einsatz der deutschen Streitkräfte erfolgt
auf der Grundlage der Mandatserteilung durch
den Deutschen Bundestag. Das laufende Man-
dat endet am 28. Februar 2011.
- Der permanente Einsatz deutscher Streitkräfte
erfolgt nur in den ISAF-Regionen Kabul und
Nord. In anderen Regionen können deutsche
Kräfte für zeitlich und im Umfang begrenzte
Maßnahmen eingesetzt werden, sofern diese
Maßnahmen zur Erfüllung des ISAF-
Gesamtauftrages unabweisbar sind. (…)
- Deutsche Streitkräfte führen keine direkten mi-
litärischen Operationen im Rahmen der Dro-
genbekämpfung durch.“2142
Aus beiden Stellungnahmen der Bundesregierung ergibt
sich damit, dass keinerlei Bindung der Bundeswehr in
Hinblick auf eine spezifisch defensive Ausrichtung ihrer
Einsatzaktivitäten existiert:
Die vorzitierten
2143
Ausführungen zur Kleinen Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. aus dem Jahr 2006 – „militäri-
sche Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags nur nach
Maßgabe des Prinzips der Verhältnismäßigkeit einset-
zen“2144 – erweisen sich bei etwas konzentrierterer Be-
trachtung als tautologisch. Sie enthalten keinerlei spezifi-
sche oder gar einschränkende Vorgabe für eine Defensiv-
Verpflichtung der Bundeswehr, sondern täuschen eine
Variation des ohnehin Geltenden nur vor: Staatliches
2141) BT, Verteidigungsausschuss, Ausschuss-Drs. 17 (12) 349 vom
30.06.2010.
2142) BT, Ausschuss-Drs. 17 (12) 349 vom 30.06.2010.
2143) Siehe S. 325 bei Fußnote 2140.
2144) BT-Drs. 16/2380, Bl. 8.
Handeln ist nach deutschem Verfassungs- und Verwal-
tungsrecht stets an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
gebunden.
Und dem Verweis auf das ISAF-Bundestagsmandat in
dem Bericht des Parlamentarischen Staatssekretärs im
Bundesministerium der Verteidigung Kossendey vom
29.06.2010
2145
lässt sich gerade keine Beschränkung der
Bundeswehr auf eine defensive Einsatzstrategie entneh-
men: Während das am 04.09.2009 aktuelle Mandat des
Bundestages auf die Aspekte regionaler Beschränkungen
des Einsatzgebietes und der Drogenbekämpfung aus-
drücklich einging (Punkt 4. und Punkt 8. des Antrags der
Bundesregierung vom 07.10.2008)
2146
, sucht man Ausfüh-
rungen zu Begrenzungen militärischer Gewalt vergebens.
Das Bundestagsmandat wiederholt lediglich die recht
weite Formulierung der in Bezug genommenen UN-
Resolutionen, ohne die Frage einer möglichen Beschrän-
kung der Befugnisse deutscher Soldaten auch nur anzu-
deuten:
„5. Ermächtigung zu Einsatz und Dauer
Der Bundesminister der Verteidigung wird
ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bun-
desminister des Auswärtigen für die weitere
deutsche Beteiligung an der Internationalen
Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanis-
tan die in Nummer 6. genannten Kräfte und
Fähigkeiten – unter dem Vorbehalt der konsti-
tutiven Zustimmung durch den Deutschen
Bundestag – im Rahmen der Beschlüsse des
NATO-Rates und des Mandats der Vereinten
Nationen einzusetzen. (…)
7. Status und Rechte
Status und Rechte der Internationalen Sicher-
heitsunterstützungstruppe richten sich nach
den zwischen der NATO und der Regierung
von Afghanistan getroffenen Vereinbarungen.
Die Internationale Sicherheitsunterstützungs-
truppe ist autorisiert, alle erforderlichen Maß-
nahmen einschließlich der Anwendung militä-
rischer Gewalt zu ergreifen, um das Mandat
gemäß Resolution 1833 (2008) durchzuset-
zen. Die Wahrnehmung des Rechts zur indi-
viduellen und kollektiven Selbstverteidigung
bleibt davon unberührt. Die im Rahmen die-
ser Operation eingesetzten Kräfte sind befugt,
das Recht auf bewaffnete Nothilfe zugunsten
von jedermann wahrzunehmen.“2147
Insbesondere der Bezugnahme auf das Selbstverteidi-
gungsrecht ist keine Begrenzung der erlaubten Anwen-
dung militärischer Gewalt zu entnehmen, sondern im
Gegenteil eine über das ISAF-Mandat hinausgehende
Erweiterung der Befugnisse der Soldaten: Es handelt sich
dabei um eine Ausformung des z. B. im deutschen Straf-
2145) BT, Ausschuss-Drs. 17 (12) 349 vom 30.06.2010.
2146) BT-Drs. 16/10473 (Dokument 46).
2147) Antrag der Bundesregierung vom 07.10.2008, BT-Drs. 16/10473
(Hervorhebung nicht im Original).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 327 – Drucksache 17/7400
gesetzbuch spezialgesetzlich formulierten allgemeinen
Notwehr- und Nothilferechts. Sehen Soldaten sich einem
unmittelbar bevorstehenden Angriff gegenüber, befinden
sie sich also in einer akuten und nicht anders abwendba-
ren Selbstverteidigungssituation, dann dürfen sie zur
Abwendung dieser Situation auch militärische Mittel
einsetzen, die über die jeweiligen ISAF-Einsatzregeln
hinausgehen.
Die vom Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Kos-
sendey angesprochene Erklärung der Bundesregierung zu
Transfer of Authority (ToA) und die in diesem Zusam-
menhang formulierten Clarifying Remarks – in der für
den Stichtag 04.09.2009 relevanten Fassung vom
10.07.2009 – wurden dem Untersuchungsausschuss erst
im Juni 2010 zugeleitet, nachdem zuvor ausdrücklich die
Beiziehung der Einsatzregeln beschlossen werden musste.
Die von Staatssekretär Kossendey benannten Einschrän-
kungen bezüglich des Einsatzgebietes und der Beteiligung
an Drogenbekämpfungsmaßnahmen wurden dort tatsäch-
lich als Clarifying Remarks aufgeführt. Zu einer Ein-
schränkung der Befugnis deutscher Soldaten zur Anwen-
dung militärischer Gewalt verhält sich das Dokument
hingegen mit keinem Wort. Eine Bezugnahme auf das
Bundestagsmandat erfolgte nur insoweit, als klargestellt
wurde, dass dieses befristet war zum 13.12.2009.
2148
Bei der in der deutschen Öffentlichkeit verbreiteten Über-
zeugung, die Einsatzregeln für das ISAF-Mandat (auch
die am 04.09.2009 geltenden) beschränkten die Bundes-
wehr auf Maßnahmen der Kampfunterstützung und unter-
sagten deutschen Soldaten ein offensives Vorgehen gegen
Aufständische, militärische Gewalt dürften sie ausschließ-
lich zur Selbstverteidigung oder zum Schutz Dritter an-
wenden, handelte es sich also um eine Fehlvorstellung,
die seitens der Bundesregierung auch durch nebulöse
Auskünfte auf Fragen aus dem parlamentarischen Raum
aufrecht erhalten wurde – ersichtlich, um die Legende
vom „Stabilisierungseinsatz“ in Afghanistan zu unter-
mauern.
cc) Taschenkarten
Auch die vom Bundesverteidigungsministerium heraus-
gegebene Taschenkarte für die Soldaten des deutschen
ISAF-Kontingents gebietet keine Beschränkung auf de-
fensiv orientierte Einsätze. Insoweit unterscheidet sich
auch die Taschenkarte von 2009 nicht von der vorange-
henden Version von 2006.
Zwar definiert die Taschenkarte 2009 durchaus ein erwei-
tertes Spektrum für die deutschen ISAF-Soldaten: Sie
räumt diesen – über die in der Taschenkarte 20062149
vorgesehene Befugnis „zur Abwehr eines unmittelbar
bevorstehenden Angriffs“ hinaus – nunmehr auch eine
Befugnis zur präventiven Reaktion auf noch nicht gegen-
wärtige, sondern nur erwartete Angriffe ein, indem sta-
tuiert wird:
2148) Dokument 194.
2149) Taschenkarte Stand Oktober 2006, Ziffer II.4., Mat. 17-49a zu BB
17-168, Bl. 3.
„Angriffe können zum Beispiel dadurch verhindert
werden, dass gegen Personen vorgegangen wird,
die Angriffe planen, vorbereiten, unterstützen oder
ein sonstiges feindseliges Verhalten zeigen.“2150
Die in der Taschenkarte formulierte Berechtigung zur
defensiv orientierten Gewaltanwendung wird damit in
zeitlicher Hinsicht erweitert.
Sowohl diese Erweiterung als auch eine redaktionelle
Überarbeitung, nach der die Taschenkarte von 2009 (ge-
genüber der sieben Seiten umfassenden Vorauflage von
2006, die sich um eine relativ detaillierte Darstellung des
Erlaubten bemühte) den Handlungsrahmen auf nur noch
vier Seiten in stark verkürzter Form bezeichnete und
dabei die Grenze zwischen erlaubter und verbotener Ge-
walt weniger klar definierte, vermitteln den Eindruck, die
Befugnisse der Soldaten zur Anwendung militärischer
Gewalt seien erweitert worden – und hat vermutlich den
Soldaten auch das Gefühl gegeben (und geben sollen), ein
härteres „Durchgreifen“ sei nicht nur geduldet, sondern
erwünscht.
Eine Modifizierung bezüglich eines offensiven Vorgehens
der Bundeswehr findet sich darin aber nicht – eine solche
Begrenzung gab es nämlich auch in der Fassung von 2006
nicht: Da bereits der in beiden Taschenkarten definierte
„Auftrag“ durchaus Raum bietet für die offensive An-
wendung von Gewalt – also nicht nur zur Selbstverteidi-
gung und als Nothilfeleistung zugunsten Regierungskräf-
ten und zivilem Personal, sondern auch zur Erzwingung
der „Schaffung eines sicheren Umfelds“ durch einen
militärischen Angriff –, lassen beide Taschenkarten selbst
für den Fall des Schusswaffengebrauchs gegen Menschen
eine originär defensive Ausrichtung schon von vornherein
nicht erkennen.
Beide Taschenkarten halten ausdrücklich fest, dass die
Anwendung militärischer Gewalt „zur Durchsetzung des
Auftrags“2151 zulässig ist.
Worum es sich bei diesem „Auftrag“ handelt, wird in
beiden Taschenkarten mit ähnlicher Formulierung inhalt-
lich identisch definiert.
Die Taschenkarte 2006 beschreibt eher wortreich:
„1. Auftrag
Ihr Auftrag in Afghanistan lautet: Unterstützung
der Staatsorgane Afghanistans bei der Aufrecht-
erhaltung der Sicherheit im Einsatzgebiet, so dass
sowohl die afghanischen Staatsorgane als auch das
Personal der Vereinten Nationen und anderes
internationales Zivilpersonal ihre Tätigkeit in ei-
nem sicheren Umfeld ausüben können. Dies
schließt die Unterstützung der Staatsorgane Afg-
hanistans bei der rechtmäßigen Ausdehnung ihrer
2150) Taschenkarte Stand Juli 2009, Ziffer III.8., Mat. 17-49a zu BB
17-168, Bl. 10.
2151) Taschenkarte Stand Oktober 2006, Ziffer III. und Taschenkarte
Stand Juli 2009, Ziffer II., vgl. Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 4,
9.
Drucksache 17/7400 – 328 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Stabilisierungs- und Sicherheitsaufgaben auf ganz
Afghanistan ein.“2152
In der Taschenkarte 2009 heißt es:
„I. Auftrag
Sie unterstützen Afghanistan bei der Aufrecht-
erhaltung der Sicherheit, damit sowohl die afgha-
nischen Staatsorgane als auch das Personal der
Vereinten Nationen und anderes internationales
Zivilpersonal, insbesondere solches, das dem Wie-
deraufbau und humanitären Aufgaben nachgeht, in
einem sicheren Umfeld arbeiten können.“2153
Der „Auftrag“ orientiert sich damit in beiden Taschenkar-
ten bis hin zur Wortwahl an der Resolution des UN-
Sicherheitsrats 1386 (2001) und deren Folgeresolutionen
sowie dem darauf Bezug nehmenden Mandat des Bundes-
tages.
Beide Taschenkarten erlauben überdies – als schärfstes in
diesen Taschenkarten explizit benanntes Mittel militäri-
scher Gewalt – auch den Schusswaffengebrauch gegen
Menschen „zur Durchsetzung des Auftrags“.2154
Begrenzungen für die Anwendung militärischer Gewalt
werden in beiden Taschenkarten allein dem Verhältnis-
mäßigkeitsprinzip entnommen.
Als Maßstab gibt die Taschenkarte von Juli 2009 lediglich
vor, dass militärische Gewalt „verhältnismäßig“ sein
muss, also nur angewandt werden darf, wenn sie „geeig-
net und erforderlich“ und das „denkbar mildeste Mittel“
ist.
2155
(Die Taschenkarte liegt dem Untersuchungsaus-
schuss vor, kann aber aufgrund ihrer VS-Einstufung an
dieser Stelle nicht wörtlich wiedergegeben werden.)
Diese Bindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip ver-
steht sich aber von selbst, da staatliches Handeln per se
nicht unverhältnismäßig sein darf.
Und selbst der Schusswaffeneinsatz unterliegt nach dieser
Regelung nur dann einer stärkeren Einschränkung, wenn
eine Gefährdung „unbeteiligter“ Personen zu befürchten
ist.
2156
Die Einschränkung greift also nicht, wenn es „nur“
um eine Gefährdung des Lebens von Aufständischen geht.
Die Taschenkarte von Oktober 2006 formulierte die Ein-
satzvorgaben für den am ehesten risikobehafteten, da
potentiell tödlichen, Schusswaffeneinsatz gegen Men-
schen wiederum blumiger als die Taschenkarte 2009, sah
eine Begrenzung militärischer Gewalt aber ebenfalls nur
im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Inhaltlich beschränkt
sich diese Taschenkarte auf die gleichen Schlagworte und
Abwägungskriterien wie die Taschenkarte von 2009.
2157
Auch die Taschenkarte von 2006 liegt dem Untersu-
2152) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 2.
2153) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 9.
2154) Taschenkarte Stand Oktober 2006, Ziffer V.1. und Taschenkarte
Stand Juli 2009, Ziffer II., vgl. Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 4,
9.
2155) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 9.
2156) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 9.
2157) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 4/5.
chungsausschuss vor, kann aufgrund ihrer VS-Einstufung
aber an dieser Stelle nicht wörtlich wiedergegeben wer-
den.
Die breite Darstellung der Abwägungskriterien der Ver-
hältnismäßigkeitsprüfung („geeignet“, „erforderlich“,
„milderes Mittel“) in beiden Taschenkarten mag es er-
leichtern, den Adressaten den Rahmen ihrer Befugnisse
vor Augen zu führen; inhaltlich ist sie jedoch rein dekla-
ratorischer Natur, sie wiederholt etwas Selbstverständli-
ches.
Von einer Orientierung der vom Bundesverteidigungsmi-
nisterium herausgegebenen Taschenkarten an einer defen-
siven Einsatzstrategie für das ISAF-Mandat kann also
keine Rede sein.
f) Ziel der Vertuschung
Das Ziel der Bemühungen, alle erdenklichen Tatsachen
bezüglich der Schattenseiten des Afghanistaneinsatzes
unter Verschluss zu halten, erklärt sich mit einem Blick
auf die im September 2009 bevorstehende Bundestags-
wahl und die Einsatzstrategie der Bundeswehr in Afgha-
nistan.
aa) Bundestagswahlkampf und Kriegsbeteili-
gung
Selbstverständlich haben alle im Untersuchungsausschuss
dazu befragten Zeugen erklärt, die Reaktion der Bundes-
regierung auf den Luftangriff von Kundus habe in keiner-
lei Zusammenhang mit der Bundestagswahl vom
27.09.2009 gestanden.
Überzeugt hat das allerdings nicht – und das nicht nur,
weil z. B. im Auswärtigen Amt dazu klar in Widerspruch
stehende E-Mails ausgetauscht wurden:
Der stellvertretende Leiter des Referats für Afghanistan
und Pakistan im Auswärtigen Amt erhielt in einer E-Mail
am Mittag des 04.09.2009 von einer Referentin im Presse-
referat des Auswärtigen Amtes vor dem Hintergrund der
auf den Luftangriff von Kundus bezogenen Mitteilung der
NATO-Presseabteilung, die NATO sehe die „Mehrzahl
der Getöteten wohl als Zivilisten an“, die Information:
„BMVg wird gerade in der BPK intensiv dazu be-
fragt. Auch Überschwappen auf allgemeine ‚Krieg
oder nicht„ Diskussion.“2158
Er reagierte darauf bereits drei Minuten später mit einer
E-Mail nach Kundus und Mazar-i-Sharif, in der er äußer-
te:
„Zivile Opfer scheint sich zu echtem Problem für
uns zu entwickeln.“2159
Und ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts in Faisabad,
der bereits in Hinblick auf eine wenig glückliche Operati-
on deutscher Kräfte am Vortag darauf hingewiesen hatte,
2158) Mat. 17-25a, Ordner Referat 343 (Dokument 143), Bl. 13.
2159) Mat. 17-25a, Ordner Referat 343 (Dokument 143), Bl. 13.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 329 – Drucksache 17/7400
„in drei Wochen [seien] Wahlen“2160, kommentierte in
einer internen E-Mail am Nachmittag des 04.09.2009 die
Bombardierung der Tanklaster und die damit verbunde-
nen Meldungen zu zivilen Opfern mit den Worten:
„Hier Sorge, dass diese Welle in deutscher Öffent-
lichkeit ‚Tsunami-Qualität„ im Wahlkampf errei-
chen könnte.“2161
Die Akzeptanz in der Bevölkerung für eine Kriegsteil-
nahme der Bundeswehr war (und ist) außerordentlich
gering.
Eines der beiden drückendsten Horrorszenarien des Afg-
hanistaneinsatzes – eine Vielzahl ziviler Toter oder eine
große Zahl toter Bundeswehrsoldaten – war Realität ge-
worden, und das gerade einmal drei Wochen vor einer
Bundestagswahl. Dieser Zeitraum war viel zu kurz, um
sich auf eine kollektive Verdrängung der Ereignisse bis
zur Wahl zu verlassen.
Also wurde es erforderlich, darauf zu reagieren – was
wiederum bedeutete, so viele Tatsachen wie möglich
unter den Teppich zu kehren. Zu leugnen, dass deutsche
Soldaten in Afghanistan agierten, war nicht möglich;
ebensowenig, die Verantwortung für die Entsendung
dieser Soldaten von sich zu weisen.
Keine der für den Afghanistaneinsatz verantwortlichen
Parteien wollte aber für das in Kundus Geschehene in
Haftung genommen werden. Das vereinte auch die –
eigentlich im Wahlkampf „gegeneinander“ antretenden –
Partner in der Regierung: CDU und SPD, Bundeskanzle-
rin Dr. Merkel und Außenminister Dr. Steinmeier.
Als Ausweg blieb daher nur: darauf zu bestehen, es hand-
le sich bei der Beteiligung am Afghanistankrieg um einen
„Stabilisierungseinsatz“2162 oder zu versuchen, den Ein-
druck zu erwecken, der Luftangriff sei nicht etwa einem
Bundeswehroberst, sondern ISAF zuzurechnen
2163
. Vor
allem aber entgegen aller eigenen Erkenntnisse und un-
geachtet heftigsten internationalen Gegenwindes darauf
2160) Mat. 17-25a, Ordner Referat 343, Bl. 10.
2161) Mat. 17-25a, Ordner Referat 343 (Dokument 143), Bl. 9.
2162) So der stv. Pressesprecher des Bundesverteidigungsministeriums,
Kapitän zur See Dienst, in der Bundespressekonferenz am
04.09.2009 (Dokument 115), Bl. 32, und die Pressesprecher des
Bundesverteidigungsministerium sowie des Bundesjustizministe-
riums Dr. Raabe und Schmierer in der Bundespressekonferenz
am 11.09.2009 (Dokument 74), Bl. 77.
2163) So der stv. Pressesprecher des Bundesverteidigungsministeriums,
Kapitän zur See Dienst, auf die Frage, ob der deutsche PRT
Kommandeur den Befehl zum Luftangriff erteilt habe: „Ich kann
Sie auf die Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers verweisen.
Darin wird ausgesagt: „Local ISAF-Commander ordered an air-
strike, which destroyed the fuel trucks.‟ Das ist die Erkenntnisla-
ge, die zurzeit vorliegt.” Erst nachdem der Fragesteller ausdrück-
lich nachgehakt hatte, ergänzte der Pressesprecher: „Es gibt kei-
nen ISAF-Kommandeur, der in Kundus vor Ort ist, außer dem
deutschen PRT Kommandeur.“, vgl. Protokoll der Bundespresse-
konferenz am 04.09.2009 (Dokument 115), Bl. 33. Dieses Verhal-
ten korrespondierte einer von der Bundeswehr per E-Mail kom-
munizierten Empfehlung: „Dieser Einsatz sollte stark unter dem
ISAF-Kontext kommuniziert werden (CAS durch F-15).“ (vgl.
Mat. 17-21a, Ordner 1, Bl. 12). „CAS“ kann in diesem Kontext
sowohl für „Close Air Support“ (Luftnahunterstützung) als auch
„Casualties“ (Opfer) stehen.
zu beharren, bei dem Luftangriff am Kundus-Fluss vom
04.09.2009 sei kein einziger Afghane umgekommen, der
nicht auf Seiten der Aufständischen gekämpft habe – oder
zumindest sei nichts anderes nachweisbar… Und darauf
zu hoffen, die Bevölkerung werde den öffentlichen Ver-
lautbarungen der Bundesregierung zumindest so viel
Glauben schenken, dass sie sowohl die gegenläufigen
Medienberichte in Deutschland, die von einer großen Zahl
von zivilen Toten sprachen, als auch alle internationalen
Reaktionen zumindest in Zweifel ziehen oder nicht wahr-
nehmen werde.
So kam es, dass alles getan wurde, das Geschehene zu
verschleiern und zugleich im parlamentarischen und au-
ßerparlamentarischen Raum vollmundig Aufklärung zu
verlangen und diese zu versprechen. All dies in der Hoff-
nung, die Öffentlichkeit so schnell wie möglich zu beru-
higen – ruhig zu stellen.
Da die Realität des Krieges in Afghanistan kein Kriterium
für eine Wahlentscheidung sein durfte, galt es, die Oppo-
sition ebenfalls nach Kräften zu desinformieren. Im Bun-
destag dienten dazu, wie aufgezeigt, z. B. Obleuteunter-
richtungen, die nur einen Bruchteil der tatsächlichen Er-
kenntnisse vermittelten.
Und ein weiteres Dilemma ergab sich schließlich daraus,
dass der Bevölkerung weiterhin vorgespiegelt werden
sollte, die Bundeswehr agiere in Afghanistan als Beschüt-
zerin der Schwachen, nicht aber als Akteurin im militäri-
schen Kampf gegen die Aufständischen. Ein Oberst, der
klar formuliert hatte, er habe „Aufständische vernich-
ten“2164 wollen, war – und zwar unabhängig von den noch
hinzutretenden Verstößen gegen das ISAF-Regularium
und gegen humanitäres Völkerrecht
2165
– in dieses Raster
schwer einzufügen: Sollte die Bundesregierung ihn öf-
fentlich für seinen Verstoß gegen die vermeintlichen
deutschen Einsatzvorgaben zur Rechenschaft ziehen –
oder einräumen, dass die behaupteten Einsatzbeschrän-
kungen gar nicht existierten?
bb) Counterinsurgency – Teilnahme an offen-
siver Kriegsführung
Da der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr in der deut-
schen Bevölkerung wenig Zustimmung erfährt, bemühten
sich die verschiedenen dafür verantwortlichen Regierun-
gen stets darum, die Ausweitung der Kriegsbeteiligung
möglichst unauffällig und scheibchenweise durchzuführen
– wohl auch in der Hoffnung, so die Bevölkerung an die
zunehmend offensive deutsche Militärpolitik zu gewöh-
nen.
War die Bundeswehr durch die Aufnahme von Tornado-
überwachungsflügen Anfang 2007 nur mittelbar an offen-
siven Operationen der NATO-Verbündeten beteiligt, so
änderte sich dies im Juni 2008, als die Bundeswehr von
2164) Bericht an den Generalinspekteur und den Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (Dokument 63),
S. 1.
2165) Ausführlich dazu im folgenden Abschnitt: S. 331 f., 335 f. (Teil 4,
B.II.1. und 2.).
Drucksache 17/7400 – 330 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Norwegen die „Quick Reaction Force“ übernahm. Diese
Einheit ist ausschließlich für die Aufstandsbekämpfung
zuständig. Parallel wurde die Mandatsobergrenze für die
Bundeswehr kontinuierlich erhöht. Im Jahr 2009 nahm
zudem der Druck auf die NATO Verbündeten durch die
neue US-Regierung unter Barack Obama zu, sich in grö-
ßerem Umfang und entschlossener am Kampf gegen die
Aufständischen zu beteiligen. So forderte der US-
Amerikanische NATO-Botschafter am 01.07.2009: „Die
Vereinigten Staaten erfüllen ihren Teil, Europa und
Deutschland können und sollen mehr tun.“2166 Um dem
nachzukommen, brachte die Bundeswehr im Sommer
2009 erstmals schweres Militärgerät wie etwa Panzerhau-
bitzen nach Afghanistan und änderte die Taschenkarte mit
den Einsatzregeln für deutsche Soldaten so, dass diese in
Bezug auf den Einsatz militärischer Gewalt weniger ein-
schränkend wirkten.
2167
In Folge dessen änderte sich im Sommer 2009 der Cha-
rakter der militärischen Operationen der Bundeswehr.
War es zuvor üblich, bei Angriffen durchzustoßen und
sich möglichst schnell wieder in die sichere Kaserne zu-
rückzuziehen, so suchte nun die Bundeswehr teils aktiv
die militärische Auseinandersetzung. Ein Beispiel dafür
war die „Operation Adler“ in der zweiten Julihälfte 2009.
Der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolf-
gang Schneiderhan, begründete gegenüber den Medien,
diese Operation mit 300 Bundeswehrsoldaten sei nötig
gewesen, da die Sicherheitslage in der Region Kundus
sich massiv verschlechtert habe: „Wir sind jetzt besonders
herausgefordert in Kundus.“ Schneiderhan machte deut-
lich, es sei „jetzt an der Zeit, diese Eskalation vorzuneh-
men“.
Bereits vor dieser politischen Weichenstellung für eine
offensivere deutsche Kriegsbeteiligung hatte der damalige
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer darauf
hingewiesen, dass durch die offensive Aufstandsbekämp-
fungsstrategie der NATO mit mehr Opfern unter der Zi-
vilbevölkerung und den Soldaten zu rechnen sein werde:
„Wir werden mehr Opfer auf allen Seiten sehen (...). Ich
halte es für eine realistische Erwartung, dass wir eine
schwere Kampfzeit vor uns haben.“ Die Counterinsur-
gency- (COIN- bzw. Aufstandsbekämpfungs-) Strategie
hinter diesem Vorgehen verbindet die massive Bekämp-
fung von Aufständischen mit dem Versuch, gleichzeitig
die Bevölkerung für die NATO zu gewinnen. Da nicht nur
die Bundeswehrführung, sondern auch andere NATO-
Staaten im Zweifelsfall jedoch dem Schutz der eigenen
Soldaten nahezu immer Priorität vor dem Schutz der
Bevölkerung einräumen, führt die offensive COIN-
Strategie immer wieder zu zivilen Opfern und somit zu
wachsender Ablehnung dieser Kriegsführung durch die
afghanische Bevölkerung. Und es verstärkt den Eindruck,
dass es sich bei der Militärpräsenz – wider die offiziellen
Verlautbarungen – doch um eine Art NATO-
Besatzungsregime handelt.
2166) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.07.2009.
2167) Vgl. dazu oben S. 327 (Teil 4, B.I.3.e)cc)).
Trotz dieses Dilemmas hält die USA unverändert an der
Strategie fest und drängt sowohl die afghanischen als
auch die NATO-Verbündeten zu einer stärkeren Teilnah-
me an den Operationen. Entsprechend gab es im Sommer
2009 auch positive Rückmeldung von US-
Amerikanischen Beobachtern, wie etwa der renommierten
Politikwissenschaftlerin Elizabeth Pond, für „die neue
deutsche Durchsetzungsbereitschaft“2168.
Treibende Kraft für die Ausweitung des deutschen Mili-
täreinsatzes ist offenbar die Befürchtung, innerhalb der
NATO als politische Kraft nicht ernstgenommen zu wer-
den, solange die militärische Durchsetzungsfähigkeit
nicht unter Beweis gestellt wird. Der ehemalige Verteidi-
gungsstaatsekretär Lothar Rühl warnt, Deutschland werde
andernfalls nur „als zweitklassiger Verbündeter betrachtet
und auch so behandelt“, und fährt fort: „Abwehr von
Angriffen, die man in Berlin stets hervorhebt, genügt den
Partnern nicht länger, sie wollen Angriffe auf den Feind
sehen, wie auch hohe deutsche Militärs zugeben.“2169 Im
Sommer 2009 kämpfte also die deutsche Regierung nicht
nur gegen Aufständische, sondern auch für ein größeres
politisches Gewicht in der NATO.
Als für derartige Bemühungen kontraproduktiv erweist
sich aber eine interventionskritische Stimmung innerhalb
der Bevölkerung und ein zu genauer Blick der Öffentlich-
keit auf die Aktivitäten der Bundeswehr.
II. „Das … Ermittlungsverfahren gegen
Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. … ist
… einzustellen.“
2170
Wer sich im Auftrag der Bundesregierung und der Mehr-
heit der im Bundestag vertretenen Parteien am Krieg in
Afghanistan beteiligt, der muss berufliche und rechtliche
Konsequenzen kaum befürchten. Das gilt selbst für den
Fall, dass Opfer unter der dortigen Zivilbevölkerung zu
verantworten sind. Diesbezügliche Verfahren wurden
bisher allesamt eingestellt. Richtig ist und das muss ein
tragender Grundsatz unserer Rechtsordnung bleiben: „Im
Zweifel für den Angeklagten“. Aber es darf sich in kei-
nem Fall, um einer vermeintlichen Staatsräson willen,
eine „Kultur der Straflosigkeit“ etablieren. Mehr als alar-
mierend sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen
und Verhaltensweisen der politischen und militärischen
Führung der Streitkräfte, die insbesondere bezogen auf
den Luftangriff vom 4. September den Schutz staatlicher
Handlungsfähigkeit bzw. die Kampfmoral der Truppe
über das Gebot der Rechtswahrung stellen.
Das gilt dafür, dass Amtsträgern – nämlich dem ehemali-
gen Generalinspekteur Schneiderhan – von
„hochgestellten Persönlichkeiten dieser Republik
(…) sehr ans Herz gelegt [wurde], wie sehr [sie]
2168) Christian Science Monitor, 07.08.2009.
2169) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.07.2009.
2170) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof vom 16.04.2010 (Dokument 52), Bl. 1 (offene Version);
http://www.generalbundesanwalt.de/docs/einstellungsvermerk201
00416offen.pdf .
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 331 – Drucksache 17/7400
auf den Oberst Klein aufpassen [müssten], dass da
jetzt nicht etwas daneben geht, was im Grunde die
gesamte Einsatzmoral der Truppe beschädigen
könnte, wenn der Klein sozusagen zu diesem Zeit-
punkt zum Abschuss freigegeben“
werde
2171
, und dafür, dass Referenten aus dem Büro des
Staatssekretärs im Bundesministerium der Verteidigung
Wolf empfahlen, auf die Obleute der Koalitionsfraktionen
im Untersuchungsausschuss einzuwirken, damit
„das Verhalten von Oberst i. G. Klein nicht Ge-
genstand der Untersuchung des Ausschusses“
wird.
2172
Bereits der COM ISAF-Bericht hatte deutlich herausges-
tellt, dass Oberst Klein gegen ISAF-Verfahrensregeln
verstoßen hatte.
2173
Der Luftangriff stand auch nicht in Einklang mit den
Vorgaben des Völkerrechts,
2174
weil Oberst Klein es ver-
säumt hatte, die Personen auf der Sandbank vor seinem
Luftangriff zu warnen
2175
– trotzdem es Anhaltspunkte
dafür gegeben hatte, dass Zivilpersonen vor Ort waren,
und trotzdem auch er selbst davon ausgegangen war.
2176
So hatte er den Zivilisten die Möglichkeit genommen, die
Sandbank vor Erteilen des Angriffsbefehls zu verlassen.
Das Bombardement war so völkerrechtswidrig und damit
im Ergebnis strafrechtlich nicht gerechtfertigt.
2177
Gegen Oberst Klein wurde aber noch nicht einmal ein
reguläres Disziplinarverfahren zur Klärung des Verstoßes
gegen Einsatzregeln eingeleitet, sondern lediglich ein sog.
Vorermittlungsverfahren. Dieses stellte der Inspekteur des
Heeres am 19.08.2010 ein.
2178
Formale strafrechtliche Ermittlungen gegen Oberst Klein
waren (erst) im März 2010 aufgenommen worden, dieses
Verfahren wurde von der Bundesanwaltschaft bereits
nach fünf Wochen eingestellt. Sowohl die späte Aufnah-
me der Ermittlungen als auch die schnelle Einstellung
sind ein ungewöhnliches Vorgehen, wenn es um den
Vorwurf der Tötung einer Vielzahl von Menschen geht.
1. Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln
Das ISAF-Mandat bezieht sich auf die Resolution 1386
(2001) des UN-Sicherheitsrats sowie deren Folgeresolu-
tionen
2179
und stützt sich auf den Operationsplan
(OPLAN) der NATO. Die Vorgaben des OPLAN wiede-
rum werden umgesetzt u. a. durch sog. Rules of Engage-
ment (ROE).
2171) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 20.
2172) Mat. 17-42a, Ordner 6, Bl. 109.
2173) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115); s. hierzu im folgenden
Abschnitt: S. 331 f. (Teil 4, B.II.1.).
2174) S. 335 f. (Teil 4, B.II.2.).
2175) S. 346 f. (Teil 4, B.II.2.b)).
2176) Vgl. S. 336 f., 346 f. (insbes.: S. 338 f., 349 f., 351 (Teil 4,
B.II.2.a)aa)fff) sowie 2.b)aa) a.E. und 2.b)bb)).
2177) S. 352, 357 f. (Teil 4, B.II.2.c) und 3.c)).
2178) Vgl. Verfahrensteil S. 9 (Teil 1, A.II.2.).
2179) Für den Zeitpunkt 04.09.2009 relevant ist die Resolution 1833
(2008) vom 22.09.2008 (Dokument 45).
Zu diesem Regelsystem schilderte der seinerzeitige
Kommandeur des Allied Joint Force Command Head-
quarters Brunssum
2180
, General Ramms vor dem Untersu-
chungsausschuss:
„Es beginnt mit dem Operationsplan, der eine be-
stimmte Absicht beinhaltet (…). Ein Kennzeichen
dieses Operationsplanes ist die Tatsache, dass man
den Schutz der Zivilbevölkerung in den Mittel-
punkt der Bemühungen stellt, weil man die Zivil-
bevölkerung für die weiteren Handlungen in die-
sem Land entsprechend gewinnen will.
Ein weiterer Punkt sind die so genannten Rules of
Engagement. (…) Diese Rules of Engagement re-
geln unter bestimmten Bedingungen, wann man
Waffen einsetzen darf, bis zu welchem Umfang
man sie einsetzen darf und wie man sie einsetzen
darf.
Dazu gibt es Zielplanungen. Die Zielplanungen re-
geln, was man tun darf in eigener Verantwortung
und in nicht eigener Verantwortung, in Abhängig-
keit wieder von zivilen Verlusten oder auch (…)
Schäden (…).
Dazu gab es ergänzend die Tactical Directive von
Stan McChrystal, die ich vorhin schon mal angesp-
rochen habe, die den Soldaten, die bei ISAF einge-
setzt sind, mit Blick auf die Anwendung von Waf-
fengewalt in Verbindung mit möglichen zivilen
Verlusten sehr restriktive Regeln aufgelegt hat,
weil Stan McChrystal in jedem Falle (...) erreichen
wollte, dass die Soldaten (...) die Zivilbevölkerung
nicht über die Maßen hinaus schädigen.“2181
a) Fehlende Befugnis zur Anordnung eines
Luftangriffs
Entsprechend der Tactical Directive des damaligen ISAF-
Kommandeurs McChrystal war insbesondere der Einsatz
von Luftangriffen an enge Voraussetzungen geknüpft.
2182
Der Operationsplan gab u. a. vor, welcher Kreis von Per-
sonen unter welchen Bedingungen überhaupt Luftangriffe
anfordern durfte.
Differenziert wurde im Operationsplan u. a. zwischen den
Kommandeuren der sog. Provincial Reconstruction
Teams (PRT) einerseits und den Task Force-
Kommandeuren andererseits.
2183
Bei den Task Forces
handelte es sich bereits institutionell um offensiv agieren-
de, kämpfende Einheiten. Die Task Force-Kommandeure
standen daher in der Verantwortung, im Rahmen von
Counterinsurgency-Operationen offensive Kampfeinsätze
gegen Aufständische durchzuführen. Die in den PRTs
2180) Zu den Unterstellungsverhältnissen vgl. die Grafik oben Feststel-
lungsteil S. 39 (Teil 2, B.I.1.).
2181) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 8.
2182) Tactical Directive vom 06.07.2009 (Dokument 49), vgl.
http://www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf.
2183) Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner 02, Annex B, 1.d. und e., Tgb.-
Nr. 19/10.
Drucksache 17/7400 – 332 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
eingesetzten Kontingente hingegen waren vielfach für
diese offensiven Kampfeinsätze nicht ausgebildet und
nicht ausgerüstet. Strukturelle Vorgabe für die PRTs war
vielmehr, im Sinne des mit dem ISAF-Mandat verknüpf-
ten sog. comprehensive approach den Aufbau einer zivi-
len Infrastruktur in Afghanistan voranzutreiben und eine
Realisierung dieser Aufbaubemühungen mit militärischen
Mitteln durchzusetzen. Insbesondere den deutschen PRT-
Kommandeuren war dementsprechend die Aufgabe zuge-
schrieben worden, im Zuge dieses sog. Aufbau- und Sta-
bilisierungseinsatzes Aufbautätigkeiten der zivilen Kräfte
in der ihnen zugewiesenen Region abzusichern. Militäri-
sche Gewalt durften sie zur Erreichung dieses Zwecks
und zur Eigensicherung einsetzen.
2184
Für die Anforderung von Luftnahunterstützung verlieh
der Operationsplan diesen beiden Gruppen von Komman-
deuren – zum Schutz der Zivilbevölkerung2185 – unter-
schiedliche Befugnisse. Eine eigene Kompetenz zur
Anordnung von Luftangriffen in sog. „hasty operations“,
also eilbedürftigen Situationen, war nur den schon nach
ihrer allgemeinen Aufgabenstellung offensiv orientierten
Task Force-Kommandeuren eingeräumt. Die demgegenü-
ber weniger kampferprobten PRT-Kommandeure durften
hingegen auch in Eilsituationen ohne vorherige Zustim-
mung ihrer militärischen Vorgesetzten keine Luftnahun-
terstützung anfordern und keinen Luftangriff anord-
nen.
2186
Den Luftangriff vom 04.09.2009 hätte Oberst Klein nach
den für ihn geltenden Einsatzregeln also noch nicht ein-
mal in einer Eilsituation zur Vorbeugung eines voraus-
sichtlich bevorstehenden Angriffs selbst anordnen dürfen;
vielmehr hätte es hierfür als Mindestvoraussetzung eines
Befehls des unmittelbaren militärischen Vorgesetzten von
Oberst Klein, des seinerzeitigen Kommandeurs des Re-
gional Command (RC) North, General Vollmer, bedurft.
Dieser wurde von Oberst Klein in der Nacht des
03./04.09.2009 allerdings nicht kontaktiert. Einen Rechts-
berater konsultierte Oberst Klein vor dem Angriff eben-
sowenig, obwohl auch dies nach den ISAF-Einsatzregeln
eine obligatorische Vorgabe war, mit der die Einhaltung
der Regeln des humanitären Völkerrechts gewährleistet
werden sollte.
2187
Sowohl das ISAF-Initial Action Team (IAT) als auch das
ISAF-Joint Investigation Board (JIB) haben offenbar
erkannt, dass sich die Frage der Anordnungsbefugnis von
Oberst Klein selbst für eilbedürftige Operationen stellte
und dies auch in ihren Untersuchungsberichten angespro-
chen.
2188
Eine (rechtliche) Bewertung dieses Aspektes
erfolgte durch diese beiden Untersuchungskommissionen
2184) Vgl. http://www.isaf.nato.int/mission.html; BT-Drs. 16/10473;
BT-Drs. 17/2884 (Dokument 62).
2185) So auch Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9.
2186) Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner 02, Annex E, 1.a. (5), Tgb.-Nr. 19/10.
2187) Mat. 17-10, COM ISAF-Bericht, engl. Originalfassung, Bl. 50
Pkt. 5., Tgb.-Nr. 8/10; MAT 17-54, Ordner 10, Bl. 279 f., Tgb.-
Nr. 61/10.
2188) Mat. 17-12, IAT-Bericht, engl. Originalfassung, Bl. 8, Fn. 1,
Tgb.-Nr. 10/10; Mat. 17-10, COM ISAF-Bericht, engl. Original-
fassung, Bl. 49 ff. Pkt. 4 ff., 17, Tgb.-Nr. 8/10.
nicht. Allerdings war jedenfalls für den COM ISAF-
Bericht auch vereinbart worden, dass dort nur die Fakten
zusammengestellt werden sollten. Die Bewertung sollte
dann dem JFC Brunssum überlassen werden.
2189
Dies
wurde lediglich dadurch vereitelt, dass der COM ISAF-
Bericht entgegen einer Abstimmung auf ISAF-Ebene
zwischen dem seinerzeitigen Kommandeur des JFC
Brunssum, General Ramms, und dem damaligen ISAF-
Kommandeur, General McChrystal, unmittelbar an das
deutsche Verteidigungsministerium geleitet und dort
sogleich öffentlich kommentiert wurde (vgl. zu dem Vor-
gang oben S. 317 f. (Teil 4, B.I.3.c)bb))).
Fehlte es Oberst Klein bereits an der Berechtigung, ei-
genständig einen Luftangriff in einer sog. „hasty“-
Situation anzuordnen, war er als PRT-Kommandeur erst
recht nicht befugt, ohne vorheriges Durchlaufen eines
festgelegten Zielfreigabeverfahrens Luftnahunterstützung
anzufordern, wenn es noch nicht einmal galt, eilig auf
eine akute Gefährdungssituation zu reagieren. Luftangrif-
fe gegen Aufständische zur vorbeugenden Abwehr erst
künftig und nur potentiell zu erwartender Angriffe waren
ebenso wie alle Operationen, die allein die Bekämpfung
Aufständischer (Counterinsurgency) zum Ziel hatten,
entsprechend der seinerzeit geltenden Einsatzvorgaben
(Operationsplan, Rules of Engagement, Standard Opera-
ting Procedures) ausnahmslos im Rahmen eines Verfah-
rens zur dynamischen Zielzuweisung (dynamic targeting)
auf höherer militärischer Führungsebene zu genehmi-
gen.
2190
Oberst Klein musste im Untersuchungsausschuss sogar
einräumen, dass er noch nicht einmal die erforderlichen
Kenntnisse zur Anordnung eines solchen Luftangriffs
besaß:
„Ich muss zugeben, dass ich das gesamte Verfah-
ren der dynamischen Zielzuweisung bis zur Lektü-
re des ISAF-Berichts nicht kannte und deswegen
auch die Verfahren mir nicht bekannt waren.“2191
Den Angaben von Oberst Klein, sowohl im Untersu-
chungsausschuss als auch gegenüber der Generalbundes-
anwaltschaft, ist deutlich zu entnehmen, dass er sich Be-
fugnisse anmaßte, die völlig außerhalb seines Kompe-
tenzbereichs lagen. Er ordnete einen Luftangriff ohne
Konsultation seiner Vorgesetzten an, um völlig hypotheti-
sche zukünftige Aktivitäten von Aufständischen – gegen
wen und wann auch immer diese hätten erfolgen sollen –
vorbeugend zu verhindern, und Aufständische zu be-
kämpfen. Er schrieb sich sogar die Autorität zu, die Tank-
laster auch dann bombardieren zu lassen, wenn das Ziel
der Aufständischen nicht gewesen wäre, das östlich von
der Sandbank gelegene PRT oder mit ISAF assoziierte
Sicherheitskräfte noch in jener Nacht anzugreifen, son-
dern die Tanklaster aus dem Zugriffsbereich des PRT
hinaus in die entgegengesetzte Richtung, nach Westen
2189) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
2190) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9; Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner
02, Annex E, 1.a. (5), Tgb.-Nr. 19/10.
2191) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 51.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 333 – Drucksache 17/7400
und damit in einen anderen, entfernten Distrikt zu brin-
gen:
„Ich habe Ihnen dargestellt, (…) dass ich auch da-
von ausgehen musste, dass, wenn ich sie nicht be-
kämpfe, sie entweder sehr schnell gegen uns selbst
eingesetzt werden können – gegen das Lager,
wenn sie nach Osten fahren –, oder gegen die afg-
hanischen Sicherheitskräfte oder unserer Aufklä-
rung entzogen werden, wenn sie nämlich über den
Fluss weiter nach Westen fahren, in den Raum des
Zweistromlandes, wo wir mehrfach auch einfach
die Fühlung mit solchen Fahrzeugen verloren hat-
ten.“2192
Die Annahme, die Tanklaster könnten vom PRT Kundus
weg und nach Westen gefahren werden, kam nicht von
Ungefähr – der Informant,2193 auf den sich Oberst Klein
und die Mitarbeiter der Task Force 47 in der Nacht des
03./04.09.2009 stützten, hatte nämlich gemeldet, die Ab-
sicht der Aufständischen sei es gewesen, die Tanklaster
nach Westen, in den Distrikt Gor Tepa, zu bringen. Oberst
Klein war das auch bekannt
2194
, er erklärte im Untersu-
chungsausschuss auf die Frage, was nach seiner Erkenn-
tnis die Pläne der Aufständischen mit den Tanklastern
waren:
„Bei mir ist angekommen, dass diese Tanklastzüge
nach Westen verbracht werden, in den Rückzugs-
raum der Aufständischen, und dort vorbereitet
werden sollen für Anschläge.“2195
Der Informant hatte hingegen zu keiner Zeit gemeldet, es
existiere ein Plan der Aufständischen, mit den Tanklastern
zu irgendeinem Zeitpunkt das deutsche Feldlager anzug-
reifen.
2196
Die Motivlage von Oberst Klein, die dieser nochmals
gegenüber der Generalbundesanwaltschaft wie folgt be-
schrieb:
„Ich sah die Gefahr, dass wir, wenn es den Auf-
ständischen gelungen wäre, die Fahrzeuge zu be-
freien und sie weiter Richtung Westen gefahren
wären, die Fahrzeuge verlieren könnten. (…) Für
die Zerstörung der Tanklaster gab es nach meiner
Einschätzung keinen besseren Ort als auf der
Sandbank, denn die Tanklaster wären im An-
schluss ständig durch dicht besiedeltes Gebiet ge-
fahren. Eine Zerstörung ohne die Gefahr von Kol-
lateralschäden wäre nicht mehr möglich gewe-
sen.”2197,
2192) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 25.
2193) Sog. HUMINT- (Human Intelligence) Quelle.
2194) Vgl. oben im Feststellungsteil S. 45 f. (Teil 2, B.III.1.b)); Klein,
Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 38.
2195) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.
2196) Vgl. Vernehmung Klein im Untersuchungsausschuss, Protokoll-
Nr. 6, Teil II, S. 49, sowie den vollständigen Wortlaut der ent-
sprechenden HUMINT-Meldungen im Feststellungsteil S. 45 f.
(Teil 2, B.III.1.b)); siehe auch S. 314 (Teil 4, B.I.3.b)cc)).
2197) Mat. 17-66, Beschuldigtenvernehmung Oberst Klein durch die
Bundesanwaltschaft, Vernehmungsprotokoll Bl. 13/14.
korrespondierte also den realen Plänen der Entführer der
Tanklastwagen.
Allerdings gab es nach den ISAF-Einsatzregeln keinerlei
Rechtfertigung für Oberst Klein, Aufständische aus der
Luft anzugreifen – auch und schon gar nicht, um sie daran
zu hindern, Tanklaster zu einem unbekannten Zweck dem
Zugriff des PRT Kundus zu entziehen.
Schon mit seiner Entscheidung, die Tanklaster und die um
sie herum befindlichen Menschen überhaupt bombardie-
ren zu lassen, setzte Oberst Klein sich über elementare
Einsatzregeln des ISAF-Mandats hinweg.
Dass nur ein vorab festgelegter, eingegrenzter Kreis quali-
fizierter und einsatzerfahrener Militärs Luftangriffe
anordnen darf, dient dem Schutz der Zivilbevölkerung.
2198
b) Unterlassen einer show of force
Dem Schutz der Zivilbevölkerung, aber auch der Scho-
nung des militärischen Gegners dienten weitere Regelun-
gen des Operationsplanes, beispielsweise die Vorgabe,
mögliche Angreifer zu warnen und ihnen Gelegenheit zu
geben, sich zurückzuziehen bzw. ihre potentiell feindseli-
gen Aktivitäten einzustellen.
2199
Auch hierauf basierte die Verpflichtung für ISAF-
Kommandeure, vor einem Bombenangriff aus der Luft
von den Bomberpiloten zunächst eine sog. show of force
durchführen zu lassen, d. h. einen tiefen Überflug, um
Aufständischen zu verdeutlichen, dass ein Angriff auf sie
unmittelbar bevorstehe und ihnen die Möglichkeit zu
geben, ihre Operation abzubrechen und sich zu entfernen.
Eine show of force hätte in der Nacht des 04.09.2009
nicht etwa deshalb unterbleiben dürfen, weil nach Zeu-
genangaben der Lärm der Flugzeuge auf der Sandbank
höchstwahrscheinlich über mehrere Stunden hinweg zu
hören gewesen war. Selbst wenn alle Personen auf der
Sandbank die Flugzeuggeräusche bemerkt hätten, konnte
nicht schon hierdurch der Warneffekt einer show of force
erreicht werden. So schilderte der Zeuge A. M., Fahrer
eines der beiden Tanklastwagen, der sich vor dem und
während des Luftangriffs auf der Sandbank aufgehalten
hatte, dass die Menschen auf der Sandbank zwar gehört
hätten, dass sich Flugzeuge über ihnen befanden. Sie
hätten aber nicht damit gerechnet, dass diese Flugzeuge
die Sandbank bombardieren würden:
„Die Flugzeuge waren in der Luft. Aber man
konnte nicht ahnen, dass diese Flugzeuge tatsäch-
lich diese Stelle bombardieren würden.“2200
„Die Flugzeuge, die sehr tief fliegen sollten-- ha-
ben wir diese nicht gesehen. Aber wir wissen ja,
dass viele Flugzeuge im afghanischen Luftraum
fliegen, nach Tadschikistan und in anderen be-
2198) So auch Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9; vgl. Tactical
Directive vom 06.07.2009 (Dokument 49),
http://www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf.
2199) Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner 02, Annex E, 1.a. (1), Tgb.-Nr. 19/10.
2200) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 8.
Drucksache 17/7400 – 334 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nachbarten Ländern. Es sind ja viele verschiedene
Arten von Flugzeugen in der Luft.“2201
Das Bundeswehrkontingent in der Provinz Kundus galt –
jedenfalls nach der gegenüber der Öffentlichkeit propa-
gierten offiziellen Lesart des deutschen ISAF-Mandats bis
zum 04.09.2009
2202
– jenseits von Sicherungsmaßnahmen
als weder beauftragt noch legitimiert, sich an sog. offen-
siven Operationen zu beteiligen. Die deutschen Tornados
im Einsatzgebiet führten keine Luftangriffe aus – und
flogen deshalb auch keine shows of force, denn diese
dienten dazu, vor einem unmittelbar bevorstehenden
Luftangriff zu warnen, der den Tornados ja nicht möglich
war. Es fanden jedoch sog. show of presence-Einsätze
statt, dabei wurde durch einen vom Boden aus noch
wahrnehmbaren Überflug in großer Höhe, je nach Bauart
und Größe des Bombers mindestens 5.000 bzw. 8.000
Fuß, auf die Anwesenheit von ISAF-Kräften hingewiesen.
Das hatte sich auch in der Bevölkerung herumgesprochen.
Die gerade zitierte Aussage des Zeugen A. M. verdeutlicht
daher eines: Soweit den Menschen auf der Sandbank
überhaupt klar war, dass Militärflugzeuge über ihnen
kreisten, gingen sie allenfalls davon aus, über ihnen werde
eine solche show of presence geflogen. Mit einem kurz
bevorstehenden Luftangriff mussten sie hingegen nicht
rechnen und erwarteten ihn ersichtlich auch nicht; das
erschließt sich nicht zuletzt aus den vom Untersuchungs-
ausschuss beigezogenen Videoaufzeichnungen
2203
des
Geschehens auf der Sandbank, die die Bomberpiloten
unmittelbar in das PRT übertrugen. Um die Personen auf
der Sandbank vor dem geplanten Luftangriff zu warnen,
wäre es nach den ISAF-Einsatzregeln unabdingbar gewe-
sen, zuvor einen tiefen Vorbeiflug, eine sog. show of force
durchzuführen.
Stattdessen wies der JTAC Hauptfeldwebel W. nicht nur
den mehrmals wiederholten Vorschlag der F15-Besatzung
zurück, eine show of force durchzuführen, sondern forder-
te die Piloten sogar auf, möglichst weit oben zu fliegen
und sich zu verbergen:
„please stay as high as possible“2204,
„I want you to hide“.2205
Der JTAC instruierte die Piloten außerdem, das Angriffs-
ziel seien die Fahrzeuge und die Personen um die Fahr-
zeuge herum:
„… vehicles and the several individuals around are
your target“2206.
Für die Mitteilung, die er daraufhin von der F15-
Besatzung erhielt:
2201) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 10.
2202) Vgl. oben S. 325 f. (Teil 4, B.I.3.e)bb)) zur Frage nationaler
Beschränkungen (sog. caveats) zum Operationsplan.
2203) Mat. 17-34a (DVD), Mat. 17-63.
2204) Aufzeichnung des Funkverkehrs der F-15 Luftfahrzeuge
(Dokument 60), Bl. 3.
2205) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
2206) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
„I see a lot of individuals looks like they‟re on top
of the trucks and all around“2207
bedankte er sich, korrigierte seine Zielvorgabe allerdings
nicht.
2208
c) Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens
Der ISAF-Operationsplan erlaubte es Kommandeuren
nur, so viel militärische Gewalt einzusetzen, wie erforder-
lich, um ihren Auftrag zu erfüllen.
2209
Selbst wenn man davon absieht, dass Oberst Klein nach
dem Operationsplan ohnehin nicht legitimiert war, diesen
Bombenangriff anzuordnen, gilt also: Geht eine spezifi-
sche Bedrohung nicht primär von Menschen aus, sondern
von den Objekten, die diese nutzen wollen, kann es allen-
falls legitim sein, diese Objekte zu zerstören, nicht aber,
eine Gruppe von Menschen gezielt zu töten.
Oberst Klein schilderte, seine Befürchtung sei es gewe-
sen, die mit Treibstoff beladenen Tanklastwagen könnten
für Angriffe genutzt werden, z. B. als „rollende Auto-
bomben“, sog. unkonventionelle Sprengvorrichtungen
(Improvised Explosive Device, IED). Dass es keine ob-
jektiven Anhaltspunkte gab, die diese behauptete Be-
fürchtung stützten, wurde bereits festgehalten.
2210
Jeden-
falls aber wäre in diesem Fall eine Gefährdungslage be-
reits durch deutlich weniger eingriffsintensive Maßnah-
men – äußerstenfalls, nach Vorwarnung der Zivilisten
durch show of force, eine Zerstörung der Fahrzeuge durch
ihre Bombardierung aus der Luft – beseitigt gewesen.
Zugleich auch noch eine Vielzahl von Menschen zu töten,
bedeutete, militärische Gewalt im Übermaß einzusetzen.
d) Verstoß gegen geltende Rules of Engage-
ment (ROE)
Oberst Klein konnte sich – nach Erkenntnissen des seiner-
zeitigen Kommandeurs des Allied Joint Force Command
Headquarters Brunssum, General Ramms, (dem der
Kommandeur der ISAF, COM ISAF General McChrystal,
unmittelbar unterstellt war) – nicht auf eine Rule of En-
gagement (ROE), die einen Luftangriff legitimiert hätte,
stützen:
„ROE [Anm.: der Zeuge benannte hier verschiede-
ne ROE] können für diesen Einsatz nicht in Ans-
pruch genommen werden.“2211
„(…) ich hatte vorhin gesagt, dass die ROE (…)
für diesen Fall nicht in Anspruch genommen wer-
den können, und damit gibt es keine anderen Rules
of Engagement, die für diesen Fall hätten in Ans-
pruch genommen werden können.“2212
2207) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
2208) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
2209) Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner 02, Annex E, 1.a. (2), Tgb.-Nr. 19/10.
2210) S. 314 (Teil 4, B.I.3.b)cc)) und S. 45 (Teil 2, B.III.1.b)).
2211) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 11.
2212) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 24.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 335 – Drucksache 17/7400
„Das Ergebnis der Anwendung der ROE habe ich
vorgetragen. Das Ergebnis meines Zielplaneroffi-
ziers und meines Rechtsberaters war, dass diese
[Anm.: Anwendung der ROE] nicht rechtmäßig
gewesen sind.“2213
Auch dies mag erklären, warum Oberst Klein sich im
Laufe der Nacht des 04.09.2009 zur Begründung des
Luftangriffs auf unterschiedliche ROE bezog und er und
sein JTAC (Fliegerleitoffizier) Hauptfeldwebel W. abwei-
chende Angaben dazu machten, auf welche ROE abge-
stellt worden war.
2214
Den F15-Bomberpiloten, die den
Luftangriff auf Anordnung von Oberst Klein ausführten,
blieb schleierhaft, welche Einsatzregel der Kommandeur
zugrunde legte
2215
– in der durch den JTAC vermittelten
Kommunikation mit den Bomberpiloten wurde nicht
geklärt, auf Basis welcher ROE der Luftangriff erfolg-
te.
2216
Das monierte der COM ISAF-Bericht ebenso wie die
Tatsache, dass Fehler im Bereich der Zielfreigabe ge-
macht worden waren.
2217
e) Vorspiegeln einer Gefechtssituation
(troops in contact, TIC) bzw. einer akuten
Bedrohungslage (imminent threat)
Überdies hatte Oberst Klein bereits die Unterstützung
durch die F15-Bomber, die letztlich den Luftangriff aus-
führten, nur deshalb erhalten, weil er der Lufteinsatzzent-
rale – bewusst wahrheitswidrig und nicht in Übereins-
timmung mit den geltenden Verfahrensvorschriften –
durch seinen Fliegerleitoffizier (Joint Tactical Air Cont-
roller, JTAC) Hauptfeldwebel W. eine Gefechtssituation
(troops in contact, TIC) melden ließ.
2218
Darüber hinaus
täuschte der JTAC die Besatzung der F15-Bomber, die
mehrfach nachgefragt hatten, ob tatsächlich eine akute
Bedrohungslage (imminent threat) bestehe, die einen
Luftangriff rechtfertige, als er – entgegen den in der Ope-
rationszentrale vorliegenden Informationen – behauptete,
es gebe Meldungen darüber, dass die vermeintlichen
Aufständischen auf der Sandbank beabsichtigten, sich
nach dem Abpumpen des Treibstoffs neu zu gruppieren
und das PRT anzugreifen:
„[F-15E-1 an JTAC:] (…) confirm that err one last
time, these pax are an imminent threat?
[JTAC an F-15E-1:] yeah those pax are an immi-
nent threat, so those insurgents are trying to get all
the gasoline off the tanks and after that they will
regroup and we‟ve got intel information about cur-
rent ops so probably attacking camp Konduz”.2219
2213) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 27.
2214) Teil 2, B.III.7.b)dd) (a.E.); Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36;
W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 27, 29.
2215) Teil 2, B.III.7.b)cc)ccc); Funkverkehr F-15 (Dokument 60),
Bl. 4 ff.
2216) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 8. f.
2217) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 8., 9., 11.
2218) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 12.
2219) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 10.
f) Unzureichende Aufklärung vor dem Luft-
angriff als Verstoß gegen spezifische Vor-
gaben des COM ISAF
Ein Luftangriff auf eine große Ansammlung von Men-
schen – der aufgrund der Hinweise nur einer einzigen
Informationsquelle durchgeführt wurde, und ohne dass
tatsächlich eine Gefährdungssituation für ISAF-Kräfte
vorlag – stand in Widerspruch zu „COM ISAF‟s intent
and guidance“, wie im COM ISAF-Bericht festgestellt
wurde,
2220
also der bereits erwähnten Tactical Directive
von General McChrystal
2221
.
g) Verzicht auf Battle Damage Assessment
(BDA)
Den gravierenden Regelverletzungen, die dem Luftangriff
vorausgingen, ihn begleiteten und erst ermöglichten, ließ
Oberst Klein schließlich nach der Bombardierung der
Tanklastwagen und der Menschen auf der Sandbank noch
eine weitere folgen.
Entgegen der ISAF-Regeln verzichtete Oberst Klein dar-
auf, nach dem Luftangriff rechtzeitig ein sog. Battle Da-
mage Assessment (BDA) durchführen zu lassen:
2222
eine
umgehende Untersuchung am Ort des Bombenangriffs,
um sofort alle vorhandenen Spuren zu sichern, festzustel-
len, wie viele Opfer der Luftangriff (auch unter der Zivil-
bevölkerung) gekostet hatte und ggf. Verletzte (und zwar
auch Verletzte aus den Reihen der Gegner) zu bergen und
zu versorgen.
Dieser letzte Verfahrensverstoß beeinflusste von Beginn
an und beeinflusst auch heute noch die rechtliche und
politische Aufarbeitung der Ereignisse vom
03./04.09.2009: ISAF-Kräfte tauchten am Ort des Bom-
benangriffs erst auf, als von der Bevölkerung nahezu alle
Opfer von der Sandbank geborgen und die Toten bestattet
worden waren. So fehlt bis heute eine Aufstellung darü-
ber, wie viele Menschen insgesamt durch den Luftangriff
vom 04.09.2009 ihr Leben verloren haben oder verletzt
wurden. Überhaupt keine gesicherten Erkenntnisse gibt es
dazu, wie viele dieser Personen Aufständische waren, und
nicht einmal zur Zahl getöteter Zivilisten existiert bislang
eine abschließende Erhebung.
2. Verstoß gegen grundlegende völkerrech-
tliche Schutzvorschriften
Oberst Klein verstieß gegen die Regeln des humanitären
Völkerrechts.
Er ging davon aus, dass sich Personen auf der Sandbank
befänden, die nicht zu den bewaffneten und kämpfenden
Taliban gehörten: Er sprach von „Unterstützern“ und
„Sympathisanten“, zog aber hieraus nicht den Schluss,
dass solche Personen völkerrechtlich Zivilisten sind.
2223
2220) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 16.
2221) Vgl. http://www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf.
(Dokument 49).
2222) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 14.
2223) Vgl. S. 349 (Teil 4, B.II.2.b)aa) a.E.).
Drucksache 17/7400 – 336 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ob Oberst Klein diese Grundregel des humanitären Völ-
kerrechts nicht bekannt war oder er sie wissentlich mis-
sachtete, ist nicht festgestellt worden.
Darüber hinaus ignorierte Oberst Klein objektiv vorhan-
dene Anhaltspunkte für die Anwesenheit von Zivilperso-
nen, die zur Sandbank gekommen waren, um sich dort
Treibstoff zu holen.
Das humanitäre Völkerrecht, das sog. Law of armed conf-
lict (LOAC), schützt Zivilisten besonders.
Das Erste Zusatzprotokoll (im Folgenden: ZP I) vom
08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949
über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter
Konflikte macht explizit Vorgaben zum Schutz der Zivil-
bevölkerung.
Wesentliche Schutzvorschriften des ZP I sind nach den
Regeln des Völkergewohnheitsrechts und den Grundsät-
zen von Artikel 13 Absatz 1 des Zweiten Zusatzprotokolls
(ZP II) vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom
12.08.1949 über den Schutz der Opfer nicht internationa-
ler bewaffneter Konflikte auf das Recht des bewaffneten
nicht-internationalen Konflikts übertragbar.
2224
Dies gilt insbesondere für im ZP I kodifizierte Vorsichts-
maßnahmen, die gewährleisten sollen, dass die Zivilbe-
völkerung bei Angriffen nicht zu Schaden kommt: unter
anderem muss Angriffen, die zu Opfern unter der Zivil-
bevölkerung führen können, „eine wirksame Warnung
vorausgehen“ (Artikel 57 Absatz 2 c) ZP I), damit Zivilis-
ten sich rechtzeitig vor einem Angriff entfernen und in
Sicherheit bringen können.
Nach dieser klaren Vorgabe hätte also Oberst Klein – so
wie es die F15-Bomberpiloten mehrfach vorgeschlagen
hatten – eine sog. show of force, einen tiefen Überflug
über die Sandbank, erlauben und anordnen müssen, sofern
es objektive Anhaltspunkte dafür gab, dass sich Zivilisten
vor Ort befanden.
a) Völkerrechtliche Verpflichtung, festzustel-
len, ob sich am Angriffsort Zivilpersonen
aufhalten
Oberst Klein behauptete, er sei der – subjektiv – sicheren
Überzeugung gewesen, dass sich vor Ort keine Zivilisten
befunden hätten. Diese Einschätzung habe er darauf ge-
stützt, dass er bei der Kontaktperson der Task Force 47
mehrere Male habe nachfragen lassen, ob sich Zivilisten
vor Ort befänden. Zudem sei er der Auffassung gewesen,
u. a. auf Grund der Tatsache, dass Ramadan war, sei nicht
zu erwarten gewesen, dass sich auf der Sandbank in der
Nacht Zivilpersonen aufgehalten hätten.
2225
In der Nacht des 03./04.09.2009 gab es zahlreiche Anhalt-
spunkte für die Anwesenheit von Zivilisten auf der Sand-
bank im Kundus-Fluss.
2226
Oberst Klein ignorierte diese
2224) Vgl. Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Huma-
nitarian Law (2005), S. 51 ff.
2225) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 13.
2226) Hierzu sogleich Abschnitt aa).
aber und verzichtete deshalb darauf, ergänzende Informa-
tionen einzuholen, um sich zu vergewissern, dass mit
einem Luftangriff auf die Sandbank keine Zivilisten ge-
troffen werden würden.
2227
Damit verletzte er seine völ-
kerrechtliche Pflicht zur adäquaten Aufklärung vor einem
Angriff.
aa) Ignorieren der Anhaltspunkte für die An-
wesenheit von Zivilisten am Angriffsort
Die Frage, ob mit der Anwesenheit von Zivilisten zu
rechnen ist, ist für die völkerrechtliche Beurteilung nicht
aufgrund der subjektiven Einschätzung des unmittelbar
Handelnden zu beantworten, sondern unter Berücksichti-
gung der Bewertung der Situation durch einen hinzuge-
dachten neutralen Dritten auf der Basis der in der Situati-
on erreichbaren Erkenntnisse (eines sog. objektiven ex
ante-Beobachters).
2228
Es kommt also weder darauf an, ob
Oberst Klein der Auffassung war, es seien Zivilisten vor
Ort – noch dass tatsächlich, wie sich später herausstellte,
Zivilisten vor Ort waren. Völkerrechtlicher Maßstab ist
der Blickwinkel eines hypothetischen, objektiven, ver-
nunftgeleiteten Beobachters, der sich auf Grundlage der
vor dem Luftangriff vom 04.09.2009 vernünftigerweise
zu erlangenden und verfügbaren Erkenntnisse eine Mei-
nung darüber bildet, ob ein Angriff rechtmäßig und wie
sicher auszuschließen ist, dass Zivilisten – zunächst ein-
mal: egal wie viele – vor Ort sind.
Es gab zahlreiche Anhaltspunkte, die die Anwesenheit
von Zivilisten als wahrscheinlich, jedenfalls aber nicht
ausgeschlossen erscheinen ließen:
aaa) Nächtliche Aktivitäten während des Rama-
dan
Bereits mit seiner „landeskundlichen“ Einschätzung, es
sei auszuschließen, dass sich während des Ramadan
nachts Zivilisten auf der Sandbank aufgehalten hätten,
stand Oberst Klein relativ allein da.
Die Angaben der Zeugin Dr. Erfan im Untersuchungsaus-
schuss wurden für die Ausschussmitglieder wie folgt
gedolmetscht:
„Sie wissen, dass wir einen Fastenmonat Ramadan
haben. Der Monat ist natürlich heilig. Man wacht
aber auf um die Uhrzeit. Vor dem Morgengrauen
muss man natürlich noch einmal essen. Aufgrund
der Armut, nachdem man das gehört hat und es
viel Krach gegeben hat, sind die Leute halt dorthin
und am Geschehensort erschienen.“2229
Dass es gerade im Ramadan sogar wahrscheinlich war,
dass Zivilisten nachts vor Ort sein würden, erörterten
2227) Vgl. S. 339 f. (Teil 4, B.II.2.a)bb)).
2228) Vgl. zu diesem Maßstab ICTY, Prosecutor v. Stanislav Galic,
Case No. IT-98-29-T, Judgement, 05.12.2003, para. 58 („a rea-
sonably well-informed person in the circumstances of the actual
perpetrator, making reasonable use of the information available to
him or her”) sowie Ambos NJW 2010, 1725, 1727.
2229) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 337 – Drucksache 17/7400
noch am Morgen des 04.09.2009 die Zeugen Brigadege-
neral Dr. Vad, Leiter der Gruppe 22 im Bundeskanzler-
amt, und General Glatz, Leiter des Einsatzführungskom-
mandos der Bundeswehr, miteinander:
„Der General Glatz schilderte mir im Gespräch, er
habe ein Bauchgefühl, dass zivile Opfer nicht aus-
geschlossen seien. Ich erinnere mich auch, dass er
das auch im Zusammenhang mit dem Ramadan
erwähnte, wo abends und nachts ja auch in diesem
Lande mehr los ist als sonst. Auch mit Blick auf
diesen Vorfall hatte er, wie gesagt, ein Gefühl –
noch keinen Indikator, noch keinen Hinweis, auch
noch nichts vorliegen, jedenfalls nicht am Frei-
tagmorgen –, woraus er ableitete, dass Zivilopfer
nicht ausgeschlossen werden könnten.“2230
Die Einschätzung, schon wegen verstärkter nächtlicher
Aktivitäten der Bevölkerung während des Ramadan seien
zivile Opfer zu befürchten, hatte der Zeuge Dr. Vad kurz
nach dem Luftangriff, am 06.09.2009 in einer E-Mail an
seinen Vorgesetzten Dr. Heusgen, den Leiter der Abtei-
lung 2 im Bundeskanzleramt, festgehalten.
2231
Der objektive ex ante-Beobachter an der Stelle von Oberst
Klein hätte noch aus weiteren Gründen daran gezweifelt,
dass sich auf der Sandbank nur Taliban-Kämpfer oder
andere Aufständische befanden.
bbb) Kommen und Gehen auf der Sandbank
Der Untersuchungsausschuss hat die Videoaufnahmen
beigezogen, die in den Stunden vor dem Luftangriff mit
den Bordkameras des B1-Bombers und der F15-Bomber
erstellt und zeitgleich an die Operationszentrale der Task
Force 47 überspielt wurden.
2232
In der Operationszentrale
befand sich Oberst Klein gemeinsam mit seinem JTAC
Hauptfeldwebel W. und den Angehörigen der Task Force
47. Die dort Anwesenden konnten die Aufzeichnungen,
die mit einem Beamer vergrößert in den Raum projiziert
wurden, in Echtzeit betrachten.
Deutlich erkennbar in diesen Videos ist, dass es ein reges
Kommen und Gehen der Personen auf der Sandbank gab.
Eine Vielzahl von Menschen umringte die Tanklaster,
eine große Anzahl von Personen bewegte sich auch auf
der Sandbank hin und her, zum Teil zwischen den Fahr-
zeugen, zum Teil zu den Uferbereichen hin. Besonders
auffällig aber war ein gut sichtbares Geschehen, das die
Assoziation einer Ameisenstraße
2233
nahe legte: ein Strom
von Menschen, der die Sandbank verließ, den Fluss
durchquerte und sich zum Festland bewegte, ein gegen-
2230) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 8.
2231) Mat. 17-29a, Ordner Büro AL 2, Bl. 9.
2232) Mat. 17-34a und Mat. 17-63; die Videoaufzeichnungen wurden
nicht freigegeben und konnten daher nicht auf den dem Ab-
schlussbericht beigefügten Datenträger mit Beweismitteln über-
nommen werden.
2233) Das teilte die Besatzung der F15-Bomber auch dem JTAC mit:
„there‟s kind of a small ant trail and then there‟s more vehicles
along the road to the south“, Aufzeichnung des Funkverkehrs der
F-15 Luftfahrzeuge (Dokument 60), Bl. 6.
läufiger Strom von Menschen, der auf diesem Weg die
Sandbank erreichte.
Ein solches reges Kommen und Gehen einer Vielzahl von
Personen ist nicht typisch für Aktivitäten von Aufständi-
schen zur Vorbereitung eines Angriffs, sondern ein Indi-
kator dafür, dass sich Schaulustige zu einem Ort (und von
diesem weg) bewegen. Oder Menschen, die sich dort
etwas holen.
Es bedarf keiner großen landeskundlichen Expertise, zu
wissen, dass die afghanische Landbevölkerung in großer
Armut lebt. Kraftstoff wird in Afghanistan nicht nur zum
Auto- und Motorradfahren und zum Heizen gebraucht,
sondern auch zur Stromerzeugung. Jeder Haushalt benö-
tigt daher Kraftstoff, und nur wenigen fällt es leicht, ihn
zu bezahlen. Die Annahme, dass es sich bei dem deutlich
erkennbaren Strom von Menschen, die auf die Sandbank
kamen, um Personen handelte, die dort Treibstoff aus den
liegen gebliebenen Tanklastern holen wollten, war nahe-
liegend.
Die Zeugin Dr. Erfan, Mitglied des Provinzrates (Schura)
von Kundus, schilderte dazu im Untersuchungsausschuss:
„Sie sind wegen des Benzins dort hingegangen.
Die Leute sind sehr arm, und das war dann eine
gute Gelegenheit, etwas Benzin abzuzapfen.“2234
Ob diese Menschen auf Aufforderung der Taliban handel-
ten oder mit ihnen sympathisierten, ist dabei völlig irrele-
vant. Personen, die sich nicht an feindseligen Handlun-
gen, also kämpferischen Operationen oder konkreten
Angriffsvorbereitungen, beteiligen, sind nach den Regeln
des humanitären Völkerrechts keine legitimen Angriffs-
ziele – selbst dann, wenn sie „Unterstützer“ der Taliban
sind, „mit den Taliban sympathisieren“ oder „Feinde des
Wiederaufbaus Afghanistans“ sind, um in der Diktion des
Oberst Klein
2235
zu bleiben. Sie sind Zivilisten und als
solche zu schützen.
Angesichts der von den Bomberbesatzungen übertragenen
Videoaufzeichnungen wäre der hinzuzudenkende objekti-
ve ex ante-Beobachter mindestens auf die Idee gekom-
men, dass das sichtbare Geschehen nicht typisch für eine
Operation von Aufständischen oder deren Vorbereitung
war. Er hätte intensive Anstrengungen entfaltet, um aus-
zuschließen, dass sich Zivilpersonen vor Ort befanden.
ccc) Vermutete Anwesenheit mehrerer Gruppen
und deren Anführer
Ein weiterer Aspekt, den ein objektiver Betrachter be-
rücksichtigt hätte, wäre die Erkenntnis gewesen, dass eine
Ansammlung von einigen Dutzend Taliban, unter ihnen
gleich mehrere Anführer, eine ungewöhnliche Erschei-
nung gewesen wäre. Auch Oberst Klein war dies aufgefal-
len
2236
. Er hatte daraus allerdings nur den Schluss gezo-
2234) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.
2235) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10 f., 11, 16; Bericht Oberst
Klein an das Einsatzführungskommando der Bundeswehr vom
05.09.2009 (Dokument 63), Bl. 3.
2236) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15 f.
Drucksache 17/7400 – 338 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gen, eine große Gruppe (vermeintlicher) Taliban sei ein
besonders lohnendes Ziel.
2237
Oder – in der Einschätzung
dem Untersuchungsausschuss namentlich nicht bekannter
Mitarbeiter des BND –:
„Sollten tatsächlich (…) INF die Informationen
bestätigt haben, wäre der Bw ein ziemlicher
Schlag gelungen.“2238
„Erfolg in Kdz (…). Anmerkungen: Endlich.“2239
Eine nüchterne Betrachtung durch einen erfahrenen, nicht
übernervösen oder von Verfolgungseifer gepackten
Kommandeur hätte daher Anlass gegeben, intensiv zu
hinterfragen, ob hier wirklich die ungewöhnliche Konstel-
lation vorlag, dass sich mehrere Talibananführer mit ihren
Gruppen an dieser Sandbank versammelt hatten, um sich
mit nichts Bedeutenderem zu befassen als zwei festgefah-
renen Tanklastern – oder eine Fehleinschätzung.
ddd) Verbleib der Fahrer
Ein objektiver Betrachter hätte zudem versucht, Klarheit
darüber zu erlangen, was aus den Fahrern der entführten
Tanklaster geworden war – und ob sie auf der Sandbank
festgehalten wurden. Der Sprachmittler der Task Force 47
hatte als Zeuge im Untersuchungsausschuss bekundet, der
Informant habe ihm mitgeteilt, (nur) einer der Fahrer sei
getötet worden.
2240
Oberst Klein hatte sich damit begnügt, keine Erkenntnisse
über den Verbleib der Fahrer zu besitzen – er sagte im
Untersuchungsausschuss wörtlich: „Ich wusste nichts
davon.“2241 – und Spekulationen darüber anzustellen, dass
die Fahrer in anderen Fällen, von denen er gehört hatte,
entweder sofort getötet oder verhört und dann freigelassen
worden waren.
2242
Einen Auftrag, den Informanten der
Task Force 47 nach dem Schicksal der Fahrer zu fragen,
erteilte er nicht.
eee) Angriff allein aufgrund der Angaben eines
Informanten
Ein objektiver (ex ante) Betrachter hätte zudem berück-
sichtigt, dass alle Informationen über die Vorgänge auf
der Sandbank nur von einer einzigen Kontaktperson
stammten. Oberst Klein oder den Angehörigen des PRT
war der Informant nicht näher bekannt. Insbesondere
besaßen sie nach Erkenntnis des Untersuchungsausschus-
ses keinerlei Hintergrundwissen, zu welcher Gruppierung
er gehörte und aufgrund welcher Interessenlage er handel-
te. Bekannt war allerdings, dass der Informant „über Insi-
der-Informationen verfügte“2243 und „taliban-nah“ war2244.
2237) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17 f.; Mat. 17-66, Vernehmung
Klein, Bl. 15 f.
2238) Mat. 17-34, Ordner 4 Bl. 455, Tgb.-Nr. 36/10.
2239) Mat. 17-34, Ordner 1 Bl. 5, Tgb.-Nr. 36/10.
2240) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 4.
2241) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
2242) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23; vgl. Teil 2, B.III.4.c)aa).
2243) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 62.
2244) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 25.
Ein objektiver Beobachter hätte Erwägungen dazu anges-
tellt, aus welchem Motiv heraus eine den Aufständischen
nahestehende und in deren Aktivitäten eingeweihte Per-
son die Vorhaben dieser Aufständischen vereitelte und sie
in (Lebens-) Gefahr brachte – und welche Vorteile eine
militärische Reaktion des PRT diesem Informanten brin-
gen konnte.
Schon angesichts dessen wäre es dringend angezeigt ge-
wesen, keinesfalls einen Luftangriff anzufordern, ohne
über präzisere Erkenntnisse zu den Hintergründen zu
verfügen und ohne sich weitere Erkenntnisse aus anderen
verfügbaren Quellen zu erschließen.
fff) Widersprüche der Lagebewertung durch
Oberst Klein
Oberst Klein durfte sich nicht darauf beschränken, ohne
weitere Prüfung der (für einen objektiven ex ante-
Beobachter) offenkundigen Hinweise darauf, dass sich
auf der Sandbank Zivilpersonen aufhalten konnten, die
nicht in feindselige Aktivitäten Aufständischer involviert
waren, zu behaupten, „keine Zweifel“2245 an der Darstel-
lung des Informanten der Task Force 47 gehabt zu haben,
dass alle Personen auf der Sandbank „zu den Aufständi-
schen gehör[t]en“.2246
Ein relevantes Detail in diesem Zusammenhang ist näm-
lich, dass Oberst Klein ausweislich seiner eigenen Anga-
ben im Untersuchungsausschuss von der Anwesenheit
von Zivilpersonen im Bereich der Sandbank tatsächlich
ausging:
Zum einen erklärte er selbst, er habe angenommen, bei
den Personen auf der Sandbank habe es sich um „Auf-
ständische und deren unmittelbare Unterstützer“ bzw.
„Sympathisanten“ der Aufständischen gehandelt.2247
Zum anderen schilderte er,
„Ich ging davon aus, dass alle Personen, die sich
zu diesem Zeitpunkt um die Tanklastzüge befan-
den, Teil der Operation der Aufständischen waren
und deswegen beteiligt waren, und alle Personen,
die sich im weiteren Umfeld dort bewegt hatten –
das, was andere vielleicht als Zivilisten bezeichnen
würden –, Unbeteiligte waren.“2248
Oberst Klein definierte nicht explizit, wo dieses „weitere
Umfeld“ begann und endete – ob er damit Personen mein-
te, die sich im Uferbereich um die Sandbank herum be-
wegten, oder ob er sich auf die Personen bezog, die sich
auf der Sandbank, aber nicht in unmittelbarer Nähe der
Tanklastwagen aufhielten. Selbst wenn er über Personen
im Uferbereich sprach, ist aber daran zu erinnern, dass –
für ihn und die weiteren Soldaten in der Operationszentra-
le anhand der von den Bomberbesatzungen übertragenen
2245) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56.
2246) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56; vgl. oben im Feststellungs-
teil S. 64 (Teil 2, B.III.7.b)bb)).
2247) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 16; vgl. zur völkerrechtli-
chen Einordnung S. 349, 350 (Teil 4, B.II.2.b)bb)aaa)).
2248) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 339 – Drucksache 17/7400
Videos gut sichtbar – wie oben S. 337 f. (Teil 4,
B.II.2.a)aa)bbb)) gerade beschrieben ein reges Kommen
und Gehen zwischen Sandbank und Uferbereich, auf die
Sandbank und von der Sandbank weg, zu verzeichnen
war. Wie Oberst Klein hier hätte ausschließen wollen,
dass sich von den potentiellen Zivilisten im Umkreis der
Sandbank einige auf die Sandbank begeben hatten, bleibt
im Dunkeln.
Interessant an der gerade zitierten Äußerung von Oberst
Klein ist im Übrigen, dass sie grundlegend in Wider-
spruch steht zu der von ihm behaupteten Einschätzung,
Zivilisten verließen nachts, zumal im Ramadan, ihre Ge-
höfte nicht.
bb) Völkerrechtlich gebotene Aktivitäten zur
Aufklärung, ob sich Zivilpersonen am Ang-
riffsort befanden
Der Ansatz von Oberst Klein, die vorhandenen Indizien
für die Anwesenheit von Zivilisten einfach zu ignorieren,
stand in Widerspruch zu den Vorgaben des humanitären
Völkerrechts: Alle Personen, die nicht klar als Aufständi-
sche identifiziert werden können, gelten nach den Regeln
des humanitären Völkerrechts als Zivilisten.
2249
Solange
sich nicht ausschließen lässt, dass Zivilisten vor Ort sind
und von einem Luftangriff getroffen werden können, und
so lange objektiv irgendein Zweifel daran besteht, ob
Zivilpersonen von einem Angriff in Mitleidenschaft ge-
zogen werden können, ist grundsätzlich jeder Angriff zu
unterlassen.
Nach Artikel 57 Absatz 2 a) (1) ZP I sind Vorsichtsmaß-
nahmen zu treffen:
a) Wer einen Angriff plant oder beschließt,
(i) hat alles praktisch Mögliche zu tun, um
sicherzugehen, dass die Angriffsziele we-
der Zivilpersonen noch zivile Objekte sind
und nicht unter besonderem Schutz ste-
hen, sondern militärische Ziele im Sinne
des Artikels 52 Absatz 2 sind und dass der
Angriff nicht nach diesem Protokoll ver-
boten ist; (…).2250
Das humanitäre Völkerrecht gibt damit spezifische Auf-
klärungspflichten vor. Oberst Klein, aber auch alle ande-
ren in der Operationszentrale der Task Force 47 anwesen-
den Personen, hätten demnach „alles praktisch Mögliche
tun“ müssen („do everything feasible“), um sicherzustel-
len, dass tatsächlich keine Zivilpersonen vor Ort waren
und undifferenziert durch einen Luftangriff hätten verletzt
oder getötet werden können. Gemäß Artikel 57 Ab-
satz 2 a) (iii) ZP I ist
2249) Vgl. Artikel 50 ZP I.
2250) In der völkerrechtlich verbindlichen englischen Version lautet
diese Vorschrift: „a) those who plan or decide upon an attack
shall: (i) do everything feasible to verify that the objectives to be
attacked are neither civilians nor civilian objects and are not sub-
ject to special protection but are military objectives within the
meaning of paragraph 2 of Article 52 and that it is not prohibited
by the provisions of this Protocol to attack them; (…)”.
von jedem Angriff Abstand zu nehmen, bei dem
damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste unter
der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivil-
personen (…) oder mehrere derartige Folgen zu-
sammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum
erwarteten konkreten und unmittelbaren militäri-
schen Vorteil stehen.
2251
Das Spektrum des „praktisch Möglichen“ zur Aufklärung,
ob sich Zvilisten vor Ort befanden oder nicht, war vor
dem Luftangriff vom 04.09.2009 längst noch nicht ausge-
schöpft worden:
aaa) Differenzierte Fragen an den Informanten
Geboten war es zunächst, sicherzustellen, dass präzise
Fragen an den Informanten gerichtet wurden, um aussa-
gekräftige und überprüfbare Antworten von diesem zu
erhalten, die über die Aussagen hinausgingen:
„Dort sind nur Aufständische, keine Zivilisten.“2252
(Oberst Klein)
„Es sind nur Taliban vor Ort.“2253 (Zeuge Haupt-
mann N., CJ2X der Task Force 47)
„(…), es sind keine Zivilisten vor Ort.“2254 (Zeu-
gen Hauptfeldwebel S. und Oberfeldwebel F.,
HUMINT-Kollektoren der Task Force 47)
„Das sind alles schuldige Menschen; unschuldige
sind keine dabei.“2255 (Zeuge M. M., Sprachmittler
der Task Force 47)
Oberst Klein räumte gegenüber der Bundesanwaltschaft
ein, er
„selbst habe nur von Insurgents, also Aufständi-
schen, gesprochen“
und sich darauf beschränkt, den J2X der Task Force 47,
Hauptmann N., zu bitten,
„danach zu fragen, ob sich ausschließlich Aufstän-
dische bei den Tanklastern aufhielten.“
Was der J2X Hauptmann N. und der Sprachmittler mit
dem Informanten im Einzelnen besprochen hatten, wisse
er nicht, er habe weder daneben gestanden, noch sei er in
den Meldeprozess eingebunden gewesen. Hauptmann N.
habe ihm jedes Mal mitgeteilt, der Informant habe von
„Taliban“ gesprochen. „Dadurch“ sei für ihn „klar“ gewe-
sen, dass sich nach Meldung der Quelle ausschließlich
2251) In der amtlichen englischsprachigen Version: „[to] refrain from
deciding to launch any attack which may be expected to cause in-
cidental loss of civilian life, injury to civilians (…) which would
be excessive in relation to the concrete and direct military advan-
tage anticipated”.
2252) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
2253) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 68.
2254) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50; F., Protokoll-Nr. 35, Teil II,
S. 9.
2255) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2.
Drucksache 17/7400 – 340 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Aufständische und keine Zivilisten bei den Tanklastern
aufhielten.“2256
(1) Erkennbarkeit von Zivilpersonen
Die im Untersuchungsausschuss als Zeugen vernomme-
nen Angehörigen der Bundeswehr und des Bundesvertei-
digungsministeriums verwiesen sämtlich darauf, eine
visuelle Unterscheidung zwischen Zivilpersonen und
Aufständischen sei im Regelfall kaum möglich gewesen,
weil die Aufständischen nicht uniformiert, sondern lan-
destypisch gekleidet seien. Dennoch unternahmen die
Personen im Bereich der Operationszentrale der
Task Force 47 vor dem Luftangriff nach ihren eigenen
Aussagen keinerlei Versuch, den Informanten zu bewe-
gen, seine Behauptung, „alle“ Personen im Bereich der
Sandbank seien „Taliban“ bzw. „Schuldige“, und „Zivilis-
ten“ oder „Unschuldige“ seien nicht vor Ort, zu begrün-
den. Ebenso wenig wurde der Informant aufgefordert,
seine Angaben mit Detailinformationen zu unterlegen, die
es den Bundeswehrangehörigen in der Operationszentrale
ermöglicht hätten, diese Behauptung nachzuvollziehen
oder qualifiziert zu hinterfragen.
Der Informant wurde nicht gefragt, worauf er seine Ein-
schätzung stütze. Er wurde nicht danach gefragt, woher er
seine vermeintliche Kenntnis habe, es seien keine Zivilis-
ten und nur Aufständische vor Ort und welche Kriterien
er selbst angelegt habe, um – zumal in einer großen Men-
schenansammlung, in der Dunkelheit der Nacht – Zivilis-
ten von Talibankämpfern zu unterscheiden. Offensichtlich
wurde noch nicht einmal versucht, festzustellen, wie der
Informant die Begriffe Taliban und Zivilisten definierte,
ob er zwischen Talibankämpfern, deren Sympathisanten
und gelegentlich mitkämpfenden Zivilisten differenzierte
und wodurch sich „schuldige“ bzw. „unschuldige“ Men-
schen auszeichneten. Der letztgenannte Aspekt war des-
halb besonders bedeutsam, weil die Beteiligung am Raub
von Tanklastwagen und das Abzapfen des Kraftstoffs
(nach deutschem Strafrecht jedenfalls: Hehlerei) selbst-
verständlich nach islamischem Recht verboten war. Straf-
rechtliche „Schuld“ in diesem Sinne allein machte die
Personen auf der Sandbank aber noch nicht zu Kämpfern,
gegen die nach dem humanitären Völkerrecht militärisch
vorgegangen werden durfte. Interessant vor diesem Hin-
tergrund ist insbesondere die Aussage des JTAC Haupt-
feldwebel W. im Untersuchungsausschuss, der davon
sprach, von dem Informanten sei „bestätigt“ worden, es
seien „keine allgemein unbeteiligten“ Personen vor
Ort.
2257
(2) Standort des Informanten
Ebenfalls nicht allen Personen in der Operationszentrale
bekannt war, dass der Informant nicht etwa kontinuierli-
chen Sichtkontakt zu den Tanklastern oder den Vorgän-
2256) Mat. 17-66, Beschuldigtenvernehmung Oberst Klein vom
25.03.2010, Bl. 11, Tgb.-Nr. 80/10.
2257) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 48; vgl. oben S. 55 (Teil 2,
B.III.4.c) aa)).
gen auf der Sandbank hatte. Bezeichnend in diesem Zu-
sammenhang ist wiederum, dass Oberst Klein selbst nach
eigenen Angaben bis zum Schluss fälschlich davon aus-
ging, der Informant befinde sich auf der Sandbank, wäh-
rend der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., sogar
einräumte, dass insoweit ein unzutreffender Eindruck
entstanden war, der erst nach und nach ausgeräumt wur-
de.
2258
Unterstellt man, dass diese beiden Zeugen im Untersu-
chungsausschuss wahrheitsgemäß ausgesagt haben, bleibt
festzuhalten, dass Oberst Klein offenkundig nicht darauf
gedrungen hat, über den Standort des Informanten auf
dem Laufenden gehalten zu werden – und der J2X der
Task Force 47, Hauptmann N., die Zuverlässigkeit seines
Informanten selbst dann nicht qualifiziert hinterfragt und
angemessen reagiert hat,
2259
als klar war, dass dieser über
seinen Standort zunächst falsche Angaben gemacht hatte.
Von Oberst Klein und den Angehörigen der
Task Force 47 ist nicht kontinuierlich nachvollzogen
worden, wo der Informant sich aufhielt und woher seine
vermeintlichen Kenntnisse resultierten – und schon gar
nicht, inwieweit er über eigene Wahrnehmungen berichte-
te oder etwas schilderte, was er (vorgeblich) von weiteren
Personen erfahren hatte.
(3) Identität der Kontaktpersonen des Infor-
manten
Keinerlei Erkenntnisse besaßen Oberst Klein und die
Angehörigen der Task Force 47 darüber, wer die Kon-
taktpersonen waren, auf die der Informant sich stützte und
welche Interessen diese verfolgten. Auch der Informant
wurde dazu nicht befragt.
(4) Tragen von Waffen
Zweifel bestehen daran, ob Oberst Klein und die ihn un-
terstützenden Personen in der Operationszentrale der
Task Force 47 alles Erforderliche getan haben, um fest-
zustellen, ob tatsächlich alle Personen auf der Sandbank
Waffen trugen bzw. wie groß der Anteil waffentragender
Person an der Anzahl der Personen auf der Sandbank
insgesamt war.
Das Waffentragen wurde vielfach als Indiz dafür gewer-
tet, ob jemand den Aufständischen zuzurechnen sei oder
nicht. Nach den Beweisergebnissen des Untersuchungs-
ausschusses stellt sich der Umgang mindestens einzelner
Personen, die sich in der Nacht des 03./04.09.2009 in der
Operationszentrale der Task Force 47 aufhielten, mit der
Frage von Anhaltspunkten für das Waffentragen der Men-
schen auf der Sandbank – oder jedenfalls der überwiegen-
den Zahl dieser Menschen – als gewagt dar.
Ein wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass der JTAC,
Hauptfeldwebel W., behauptete, er habe auf den von dem
B1-Bomber in die Operationszentrale übertragenen Bil-
2258) Vgl. oben S. 51 f. (Teil 2, B.III.3.d)).
2259) Vgl. auch S. 343 (Teil 4, B.II.2.a)bb)bbb)).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 341 – Drucksache 17/7400
dern Waffen bei den Menschen auf der Sandbank erken-
nen können und die Besatzungsmitglieder des B1-
Bombers hätten ihm dies ebenfalls bestätigt:
„Mit der B-1 habe ich Waffen vermutet, die mir
durch den Piloten bestätigt wurden. So ist meine
Erinnerung daran. Zu welchem Zeitpunkt und wie
genau der Wortlaut war, kann ich Ihnen nicht sa-
gen.“2260
„Ich glaube, mich so daran erinnern zu können,
dass diese Information durch die B-1 bestätigt
wurde, ja.
“2261
Der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., unterstützte
diese Behauptung, als er schilderte,
„Ich kann Ihnen jetzt allerdings nicht genau sagen,
ob mir das vom JTAC so weiter zugetragen wor-
den ist oder ob ich das über Funk mitbekommen
habe, dass sie es direkt gesagt haben. Es wurde uns
aber auf jeden Fall gesagt – auch dem Oberst –,
dass durch das Aufklärungsasset diese Waffen ent-
sprechend identifiziert worden sind. Und es war
die Rede von RPGs und Langwaffen, also AKs,
was in dem Bereich normalerweise üblich ist.“2262
und noch ergänzte:
„Die B-1B-Bomber-Piloten haben die Leute ent-
sprechend als INS,
2263
als Insurgenten, klas-
sifiziert.“2264
Dem Untersuchungsausschuss lagen weitere Beweismittel
vor, die es den Ausschussmitgliedern ermöglichten, sich
selbst einen Eindruck über diese angeblichen Meldungen
der B1-Besatzungsmitglieder zu verschaffen, unter ande-
rem deren Angaben gegenüber dem ISAF-Joint Investiga-
tion Board
2265
. Diese Erkenntnisse tragen die Aussagen
der hier erwähnten Bundeswehrsoldaten über derartige
Äußerungen der B1-Besatzungsmitglieder nicht.
Dem Untersuchungsausschuss lagen neben den Aufzeich-
nungen der F15-Bomber und den im COM ISAF-Bericht
zusammengefassten Interviews der B1-
Besatzungsmitglieder auch die von den B1-Bombern in
der Nacht des 03./04.09.2009 aufgezeichneten und in die
Operationszentrale übertragenen Videoaufnahmen von
der Sandbank vor.
2266
Diese aus einigen tausend Metern
Höhe aufgezeichneten Bilder sind nicht im entferntesten
detailliert genug, um darauf erkennen zu können, was
irgendeine Person am Boden mit sich herumtrug. Die
Menschen selbst sind nur als winzige amorphe Punkte zu
erkennen, die so verschwommen sind, dass überwiegend
noch nicht einmal festgestellt werden kann, wie viele
Personen sich an der gleichen Stelle aufhielten.
2260) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 33.
2261) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 33.
2262) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 64.
2263) INS (Insurgents) = Aufständische.
2264) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 84.
2265) Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 23, Punkt 9, 10, 18, 31, 38,
40, 45, 48, 53.
2266) Mat. 17-63; vgl. auch Fn. 2232.
Die Behauptung des JTAC, er selbst habe geglaubt, Waf-
fen bei den Personen auf der Sandbank identifizieren zu
können, wird zudem durch seine eigenen Angaben in
diesem Zusammenhang konterkariert. Wenn er schildert,
„Die Waffen wurden mir, wenn ich mich richtig
erinnere, auch von der B-1 bestätigt. Es war etwas,
wobei ich nicht sagen kann, welcher Art Fahrzeug,
oder war es nur ein Karren oder was. Das konnte
ich von den Lichtverhältnissen her nicht einschät-
zen.
Wenn man auf das Bild schaute, stand vor dem
linken Fahrzeug noch irgendwas davor...“2267
offenbart er damit, dass sogar Fahrzeuge auf der Sand-
bank in diesen Videoaufzeichnungen nur schemenhaft zu
erkennen sind. Wie er angesichts dessen von den Perso-
nen getragene Waffen hätte erkennen wollen, die um ein
Vielfaches kleiner sind als Fahrzeuge, bleibt zumindest
rätselhaft.
Ebenso rätsel- bzw. zweifelhaft ist aber, wie es Oberst
Klein in der Nacht des 03./04.09.2009 gelingen konnte,
seine im Untersuchungsausschuss getätigte Aussage,
„Sie können nicht zwischen Zivilisten und Taliban
unterscheiden, (…). Auch in dieser Nacht haben
sie die Waffen gehabt, haben sie teilweise wieder
zur Seite gelegt. Ich ging davon aus, dass alle Per-
sonen, die sich zu diesem Zeitpunkt um die Tank-
lastzüge befanden, Teil der Operation der Aufstän-
dischen waren (…).“2268
zu verifizieren. Dass er in jener Nacht in der Operations-
zentrale hätte erkennen können, wie irgendeine Person im
Bereich der Sandbank ihre Waffe „gehabt“ und „wieder
zur Seite gelegt“ habe, widerspricht nicht nur seinen sons-
tigen Angaben darüber, was er selbst auf der Sandbank zu
erkennen vermochte, sondern ist schlicht unrealistisch.
Die blumige Schilderung von Oberst Klein offenbart
insoweit ein etwas angespanntes Verhältnis zur Wahr-
heitspflicht, unter der er als Zeuge im Untersuchungsaus-
schuss stand. Insgesamt lassen die dargelegten Erkenn-
tnisse des Untersuchungsausschusses es jedenfalls als
fraglich erscheinen, ob die zitierten Zeugen, allen voran
Oberst Klein, in der Nacht des 03./04.09.2009 ihre Ver-
pflichtung, alles zu tun, um sicherzustellen, dass keine
Zivilpersonen durch einen Angriff zu schaden kommen
würden, ernster genommen haben, als ihre Zeugenpflich-
ten.
Es steht zu befürchten, dass auch die Befragung des In-
formanten dazu, wie viele Personen auf der Sandbank
tatsächlich Waffen trugen – oder woraus sich gegebenen-
falls ergeben hätte, dass Personen ohne Waffen ebenfalls
Aufständische gewesen seien –, differenzierter hätte er-
folgen können.
2267) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 31.
2268) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
Drucksache 17/7400 – 342 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
(5) Schicksal der Fahrer
Dezidierte Nachfragen wären geboten gewesen in Hinb-
lick auf die Anwesenheit der Fahrer der Tanklastwagen.
Die im Untersuchungsausschuss befragten Zeugen
2269
machten widersprüchliche Angaben dazu, ob der Infor-
mant nach dem Schicksal der Fahrer gefragt worden sei
oder welche Auskunft er hierzu gegeben habe.
Der Sprachmittler der Task Force 47 gab im Untersu-
chungsausschuss an, ihm sei von dem Informanten gesagt
worden, einer der beiden Fahrer sei erschossen wor-
den.
2270
Diese Aussage begegnet insoweit Zweifeln, als
der Zeuge A. M., der überlebende Fahrer des zweiten
Lastwagens, im Untersuchungsausschuss relativ detailliert
geschildert hat, dass sein Kollege erst durch den Bomben-
abwurf getötet worden sei,
2271
und dies hatte auch eine
afghanische Untersuchungskommission in ihrem Bericht
für Präsident Karzai festgestellt
2272
. Jedenfalls lagen dem
Sprachmittler nach seiner eigenen Aussage aber – da es
zwei Lastwagen gab – Anhaltspunkte dafür vor, der zwei-
te Fahrer könne noch am Leben sein.
Die Angaben der beiden Mitglieder des Field HUMINT
Team (FHT) der Task Force 47, deren Aufgabe es war,
die Informationen, die der Sprachmittler von dem Infor-
manten erhielt, an den J2X der Task Force 47 zu übermit-
teln, stehen aus gegenläufiger Perspektive in Widerspruch
zu den Darlegungen des Sprachmittlers: Beide bekunde-
ten, vom Sprachmittler über das Schicksal der Fahrer
nichts erfahren zu haben. Während der Zeuge Oberfeld-
webel F. allerdings aussagte, er habe gar nicht erst nach
dem Verbleib der Fahrer gefragt
2273
und daher darüber
auch nichts erfahren, zudem sei er aus der Operations-
zentrale auch nicht aufgefordert worden, nach den Fah-
rern zu fragen,
2274
schilderte sein Kollege, Hauptfeldwe-
bel S., das Field HUMINT Team („wir“) habe den Infor-
manten über den Sprachmittler gefragt, was mit den Fah-
rern geschehen sei, darüber aber keine Information erhal-
ten.
2275
Das nächste Glied in der Nachrichtenkette zwischen
Oberst Klein und dem Informanten, der mit dem Sprach-
2269) Die Angaben des JTAC Hauptfeldwebel W. in diesem Zusam-
menhang werden hier nicht verwertet, da sie unergiebig waren. Es
muss allerdings kurz festgehalten werden, dass die Aufarbeitung
im FeststellungsTeil Insoweit einen wesentlichen Aspekt nicht
erwähnt. Dort – S. 55 (Teil 2, B.III.4.c)aa)) – wird aus der Ver-
nehmung des Zeugen W. zitiert wie folgt: „Es wurde gesagt: ‚Es
gibt keine Information„, wenn ich mich richtig erinnere. Es kann
aber genauso gesagt worden sein: ‚Die sind nicht mehr dabei„ –
(…)“. Die Variante, „Die sind nicht mehr dabei“, hatte der Zeuge
allerdings erst auf gezielte Nachfrage hin genannt, nachdem ihm
genau diese Formulierung als Antwortalternative vorgegeben
worden war: „Wurde gesagt: ‚Es gibt keine Information„, oder
wurde gesagt: ‚Die sind nicht dabei„?“. Von sich aus hatte der
Zeuge aber zunächst geschildert: „Ich fragte: Haben wir eine In-
formation über die Kraftfahrer? Mir gegenüber wurde dann geäu-
ßert: Nein.“ (alle Zitate: Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 48).
2270) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 4.
2271) Vgl. S. 87 (Teil 2, B.V.7.d)).
2272) Dokument 53, Bl. 7.
2273) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 5.
2274) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 19.
2275) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 41, 45.
mittler der Task Force 47 telefonierte, war der J2X der
Task Force 47, Hauptmann N. Abweichend von den gera-
de wiedergegebenen Aussagen der Mitglieder des Field
HUMINT Team, deren unmittelbarer Ansprechpartner er
in der Nacht des 03./04.09.2009 gewesen war, erklärte
dieser Zeuge im Untersuchungsausschuss, er meine, er-
fahren zu haben, der Informant habe berichtet, die Fahrer
seien „nicht mehr im Spiel (…) also wohl umgebracht
worden“; er könne aber nicht ausschließen, dass seine
Erinnerung inzwischen auch durch Medienberichte be-
einflusst sei.
2276
Ob Oberst Klein ihn gebeten habe, den
Informanten nach den Fahrern zu fragen, konnte er nicht
sagen.
2277
Oberst Klein schließlich bekundete im Untersuchungsaus-
schuss, er habe über das Schicksal der Fahrer nichts ge-
wusst.
2278
Die Angaben dieser Zeugen lassen daran zweifeln, dass
der Frage, ob die Lastwagenfahrer auf der Sandbank an-
wesend waren und durch einen Luftangriff hätten gefähr-
det werden können, in der Operationszentrale irgend eine
Bedeutung zugemessen wurde – oder ob sie überhaupt
zum Thema geworden war.
Relativ deutlich erschließt sich aus allen Aussagen, dass
keine andeutungsweise validen Informationen zu diesem
Aspekt vorhanden waren und offenbar auch keine
ernsthaften Anstrengungen entfaltet wurden, von dem
Informanten Näheres über das Schicksal der Fahrer zu
erfahren, um sicherzustellen, dass von einem Luftangriff
keine Zivilisten betroffen sein würden. Dies wiegt auch
insoweit doppelt schwer, als die Piloten der F15-Bomber
in der Operationszentrale der Task Force 47 ausdrücklich
nachgefragt hatten, was aus den Fahrern der Tanklaster
geworden sei.
2279
(6) Anwesenheit von Kindern
Dringend angezeigt gewesen wäre es, den Informanten
gezielt nach der Anwesenheit von Kindern im Bereich der
Sandbank zu befragen. Angesichts der Größenunterschie-
de zwischen Kindern und Erwachsenen und der Tatsache,
dass die Bewegungsmuster von Kindern sich meist grund-
legend von denen Erwachsener unterscheiden, hätte es für
den Informanten vor Ort leicht sein müssen, hier eine
Unterscheidung zu treffen.
Die Frage der Anwesenheit von Kindern auf der Sand-
bank war von großer Relevanz, denn das humanitäre
Völkerrecht schützt Kinder besonders.
2280
Kinder unter 15
Jahren dürfen keine „Kombattanten“ sein und sind des-
halb vom Grundsatz her keine legitimen militärischen
Ziele.
Die Angaben der im Untersuchungsausschuss dazu ver-
nommenen Zeugen, welche Informationen von dem Kon-
2276) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62, 75.
2277) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 85.
2278) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
2279) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
2280) Vgl. z. B. Artikel 77 ZP I, Artikel 4 Abs. 3 c) und d) ZP II.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 343 – Drucksache 17/7400
takt der Task Force 47 bezüglich der Anwesenheit von
Kindern erlangt bzw. bei diesem abgefragt wurden, wi-
dersprechen sich wiederum.
Der Zeuge Hauptfeldwebel S., einer der beiden Angehöri-
gen des Field HUMINT Team der Task Force 47 behaup-
tete, bei dem Informanten der Task Force 47 sei „auch
direkt nachgefragt [worden], ob dort Frauen und Kinder
vor Ort“ seien, der Kontakt habe dies verneint.2281 Das
zweite Mitglied des Field HUMINT Team, Oberfeldwe-
bel F., wich als Zeuge im Untersuchungsausschuss jedoch
mehrmals der direkten Frage aus, ob der Informant nach
Kindern gefragt worden sei und entgegnete nur, der Kon-
takt habe gesagt: „keine Zivilisten“.2282
Der Ansprechpartner der Mitglieder des Field HUMINT
Team in der Operationszentrale der Task Force 47, der
J2X Hauptmann N., äußerte im Untersuchungsausschuss,
nach Kindern sei der Informant nach seiner Kenntnis
nicht explizit gefragt worden.
2283
Oberst Klein erklärte nur, die Anwesenheit von Kindern
habe er für nicht möglich gehalten und aufgrund seiner
„Erfahrung“ die Anwesenheit von Frauen vor Ort für
„ausgeschlossen“.2284 Worauf sich diese Überzeugung in
Hinblick auf die Abwesenheit von Kindern begründete,
erläuterte er nicht.
Unabhängig davon, wie präzise der Informant von den
Angehörigen des Field HUMINT Team möglicherweise
tatsächlich nach der Anwesenheit von Kindern auf der
Sandbank gefragt worden sein sollte: Die Aussagen der
Zeugen im Untersuchungsausschuss, insbesondere die
Angaben von Hauptmann N. und Oberst Klein, verdeutli-
chen, dass weder Oberst Klein selbst noch Hauptmann N.
darauf gedrungen haben, von dem Kontakt der
Task Force 47 belastbare Informationen über die Anwe-
senheit von Kindern vor Ort zu erhalten. Offenkundig
haben sie den Mitarbeitern des Field HUMINT Team
nicht den Auftrag erteilt, den Informanten auch nur ein-
mal ausdrücklich danach zu fragen, ob er irgendeinen
Anhaltspunkt dafür habe, dass sich im Bereich der Sand-
bank Kinder befinden könnten.
(7) Unzulängliche Erkundigungen beim Infor-
manten
Die dargestellten differenzierten Nachfragen an den In-
formanten drängten sich geradezu auf. Und dennoch hat
Oberst Klein all diese Fragen in der Nacht des
03./04.09.2009 offensichtlich nicht gestellt. Seine (völker-
rechtliche) Pflicht als Kommandeur, der einen Luftangriff
anordnen wollte, wäre es aber gewesen, sich alle verfüg-
baren Informationen zu verschaffen. Hierzu wäre ihm
auch zuzumuten gewesen, sich selbst zu dem Sprachmitt-
ler der Task Force 47 zu bewegen und diesem zielführen-
de Fragen an den Informanten vorzugeben – oder (was
nach den ISAF-Einsatzregeln ohnehin geboten gewesen
2281) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.
2282) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 2, 5.
2283) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 68.
2284) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.
wäre
2285
) auf die Anforderung eines Luftschlags zu ver-
zichten. Die statusorientierte Argumentation von Oberst
Klein,
„Es ist völlig undenkbar, dass ein Führer unmittel-
bar mit der Quelle spricht. Es gibt Stufen, die im-
mer dazwischengeschaltet sind. Deswegen ist mir
sowohl die Identität des Dolmetschers als auch die
der Quelle nicht bekannt.“2286
ist angesichts der mangelnden Differenziertheit der von
den Mitarbeitern der Task Force 47 gelieferten Erkenn-
tnisse zum Geschehen jedenfalls nicht akzeptabel. Den
Vorgaben des Artikel 57 Absatz 2 a) (i) ZP I genügte das
Verhalten von Oberst Klein nicht.
bbb) Nutzung weiterer erreichbarer Er-
kenntnismöglichkeiten
Geboten gewesen wäre es darüber hinaus, neben präzise-
ren Fragen an den einzigen kontaktierten Informanten,
weitere bereits vorhandene Erkenntnismöglichkeiten zu
nutzen und sich neue zu erschließen.
Über die „allgemeine“ völkerrechtliche Pflicht zur Auf-
klärung hinaus, gab es sogar noch einen spezifischen
Grund, nicht allein auf die Kontaktperson der
Task Force 47 zu setzen, sondern ergänzend weitere In-
formanten und andere Erkenntnisquellen heranzuziehen:
Der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., hat nämlich
im Untersuchungsausschuss geschildert, er habe den In-
formanten der Task Force 47 in der Nacht des
03./04.09.2009 primär deshalb eingebunden, um dessen
Zuverlässigkeit zu testen:
„Ich wollte das Ganze nutzen, um die Glaubwür-
digkeit meines Kontaktes in Bezug auf andere
Dinge, die er uns schon gemeldet hatte, noch mal
zu verifizieren, und gucken, ob er wirklich so gut
arbeitet, wie es die ganze Zeit vorher schon den
Anschein gehabt hatte.
Als Oberst Klein diesen Vorschlag aufgegriffen
hatte, dass man diese Tanklaster findet, habe ich
drüben bei uns in Masar-i-Scharif angerufen, bei
meiner vorgesetzten Dienststelle, und habe dem
dortigen J2 (…) gesagt: Wir haben eine Möglich-
keit, (…) die Informationen zu überprüfen, die uns
der Kontakt gegeben hat, und gleichzeitig im
Rahmen der Force Protection das PRT zu unters-
tützen, diese Laster zu finden. Er hat mir das Go
gegeben, diese ganze Sache zu machen, und hat
dann eben auch gewusst, dass wir, so wir die fin-
den, dann diese ganze Geschichte entsprechend
wieder zurück ans PRT übergeben.“2287
Hauptmann N. selbst war aufgrund dessen – mindestens –
in der Pflicht, den PRT-Kommandeur, der einen Luftang-
riff auf die Sandbank in Erwägung zog, ausdrücklich
2285) Vgl. oben S. 331 f. (Teil 4, B.II.1.).
2286) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.
2287) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.
Drucksache 17/7400 – 344 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
darüber in Kenntnis zu setzen, dass er selbst seinen In-
formanten noch nicht für eine hinreichend valide Quelle
hielt, um sich allein auf diesen zu verlassen, und sicher-
zustellen, dass weitere Erkenntnismöglichkeiten genutzt
wurden.
Zugunsten von Oberst Klein wird hier unterstellt, dass
ihm das Vorhaben des J2X der Task Force 47 vor dem
Bombenangriff nicht bekannt gewesen war. Auch dies
enthob ihn allerdings nicht der Verpflichtung, im Sinne
von Artikel 57 Absatz 2 a) (1) ZP I „alles praktisch Mög-
liche zu tun, um sicherzugehen, dass die Angriffsziele
keine Zivilpersonen sind“. Ganz unabhängig von dem nur
als zynisch zu bezeichnenden Verhalten des J2X der
Task Force 47 war Oberst Klein daher gehalten, sich vor
der Anordnung eines Luftangriffs darum zu bemühen,
ergänzende Informationen aus weiteren Quellen zu erhal-
ten.
Neben der Hinzuziehung anderer Informanten kamen
hierfür insbesondere Mittel zur präziseren Luftaufklärung
in Betracht.
(1) Weitere Informanten
Nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses
hat Oberst Klein nicht versucht, die Angaben des Infor-
manten der Task Force 47 – der sich soweit feststellbar
aus eigenem Antrieb bei den HUMINT-Kollektoren der
Task Force 47 gemeldet hatte – zu validieren, indem er
weitere Informanten aktivierte: Er hat nicht den ihm un-
mittelbar unterstellten J2 des PRT Kundus einbezogen,
um einen Kontakt zu – nach Angaben des J2 im Untersu-
chungsausschuss: vorhandenen und greifbaren
2288
– eige-
nen Informanten des PRT herzustellen. Er hat die Ange-
hörigen der Task Force 47 nicht aufgefordert, zumindest
zu versuchen, von weiteren Kontaktpersonen Informatio-
nen zu erhalten. Er hat auch nicht etwa die der
Task Force 47 assoziierten BND-Mitarbeiter, die sich ab
23 Uhr in ihrem Unterkunftszelt aufgehalten haben sollen,
herbeirufen lassen, um herauszufinden, ob diese Quellen
besaßen, mit deren Hilfe sie ergänzende Erkenntnisse
hätten beisteuern können.
(2) Weitere Mittel der Luftaufklärung
(a) Drohne
Inakzeptabel ist auch die von Oberst Klein gelieferte
Begründung, er habe die Drohnen des PRT zur weiteren
Aufklärung der Vorgänge auf der Sandbank nicht einset-
zen können, da dies einen zeitlichen Vorlauf von etwa
einer Stunde erfordert haben würde und er das für den
Drohneneinsatz benötigte Personal für Einsätze am näch-
sten Tag habe schonen wollen.
2289
Oberst Klein durfte
nicht das Risiko hinnehmen, durch einen Luftangriff nach
nicht hinreichender Aufklärung den Tod einer unbekann-
ten Zahl von Zivilisten zu verursachen – und das, um die
2288) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 65.
2289) Vgl. Teil 2, B.III.5.c); Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13.
Nachtruhe seiner Drohnenpiloten nicht zu beeinträchti-
gen. Wollte er den Drohnenpiloten ermöglichen, ungestört
durchzuschlafen, hätte er auf die Ausführung des auf
ungeklärter Tatsachengrundlage basierenden Luftangriffs
verzichten müssen.
Denn nach den Vorgaben des Völkerrechts („do every-
thing feasible“, Artikel 57 Absatz 2 a) (1) ZP I) war
Oberst Klein verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu nut-
zen, um sicherzustellen, dass durch sein militärisches
Vorgehen nicht unbeabsichtigt Zivilisten beeinträchtigt
würden. Eine Drohne des PRT hätte in geringer Höhe die
Sandbank und deren Umgebung überfliegen und dabei
Videoaufnahmen an das PRT senden können. Diese Vi-
deoaufnahmen hätten einen besseren Einblick in die Vor-
gänge auf der Sandbank und die Aktivitäten der dort be-
findlichen Personen ermöglicht, als die Videos, die von
den Bomberbesatzungen aufgezeichnet und gesendet
wurden, denn eine Drohne hätte die Sandbank ohne Ge-
fährdung in wesentlich geringerer Höhe überfliegen kön-
nen als die Bomber.
(b) ISR
Zudem – ggf. sogar alternativ zu einem Einsatz einer
Drohne des PRT – hätte Oberst Klein auf die Unterstüt-
zung durch ein weiteres ISAF-Überwachungsmittel zu-
rückgreifen können: ein im Luftraum befindliches Aufklä-
rungsflugzeug. Denn Besatzungsmitglieder der F15-
Bomber hatten dies vorgeschlagen. In den von ihren
Bordkameras übertragenen Vorgängen auf der Sandbank
vermochten sie den vom JTAC im PRT Kundus behaup-
teten „imminent threat“ einfach nicht zu erkennen und
äußerten sich angesichts dessen sehr besorgt darüber, auf
welche Einsatzregel ein Luftangriff gestützt werden soll-
te:
[F-15E-1 an F-15E-2:] „(…) I don‟t know how
we‟d be able to drop anything on that as far as cur-
rent ROE and stuff like that”2290
[F-15E-1 inter-cockpit:] „I mean I don‟t know if
we can drop on this, you know what I mean?”2291
[F-15E-1 inter-cockpit:] „I don‟t know if it‟s a TIC
or where the friendlies are at”2292
[F-15E-1 inter-cockpit:] „but there‟s none like
imminent threat or any of that”2293
[F-15E-1 an F-15E-2:] „alright just thinking about
this right now, we‟ve got 50 to 100 people down
there all claiming to be insurgents but err I‟m not
seeing any imminent threat. I don‟t know what you
guys think should we try to work a dynamic or any
type of other targeting?”2294
[F-15E-1 an F-15E-2:] „yeah I‟m really looking to
find out status of the people inside and then what‟s
2290) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
2291) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
2292) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
2293) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
2294) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 345 – Drucksache 17/7400
inside the trucks. And then if we can show of
force, scatter the people and then blow up the
trucks
[F-15E-1 inter-cockpit:] well we couldn‟t drop on
the trucks that would have to work as well, it‟s not
an imminent threat”2295
[F-15E-1 inter-cockpit:] „(…) this is kind of hairy
man”2296
[F-15E-1 an JTAC:] „(…) just confirm those guys,
those guys are hostile?”2297
[F-15E-1 inter-cockpit:] „shall we ask if that is an
imminent threat?”2298
[F-15E-2 an F-15E-1:] „(…) something doesn‟t
feel right but I can‟t put my thumb on it”2299
[F-15E-2 an F-15E-1:] „confirm you‟re saying it‟s
not imminent threat, even though the JTAC‟s said
it was”2300
[F-15E-1 an JTAC:] „(…) we‟re just working with
some ROE issues, what I was saying if we get low
do a show of force we can put (…; geschwärzt) on
each vehicle and take and disable those ve-
hicles“.2301
Die hochgradig verunsicherten Piloten boten dem JTAC –
der ihre Vorschläge, eine show of force durchzuführen,
nicht akzeptierte – vor dem Luftangriff über Funk die
Unterstützung eines in der Nähe befindlichen sog. ISR an.
ISR steht für Intelligence, Surveillance, Reconnaissance
und meinte in dieser Situation ein Aufklärungsflugzeug.
Die F15-Besatzung legte dem JTAC nahe, auf die Über-
wachungstechnik dieses ISR-Mittels zurückzugreifen, um
den Soldaten im PRT eine präzisere Einschätzung der
Situation auf der Sandbank zu ermöglichen:
„yeah we have an (…; geschwärzt) [ISR] that‟s en
route maybe you can utilize his sensors”
„there is a (…; geschwärzt) [ISR] en route at (…;
geschwärzt) for your SA
2302”
„(…) they‟re sending him en route so he can help
out, just letting you know”2303.
Der JTAC nahm dieses Angebot, mittels eines Aufklä-
rungsflugzeugs weitere Erkenntnisse über das Geschehen
auf der Sandbank zu erhalten, zur Kenntnis, ging aber
nicht darauf ein.
Keiner der im Untersuchungsausschuss vernommenen
Zeugen, die sich in der Nacht des 03./04.09.2009 im Be-
reich der Operationszentrale befanden, hat sich zu diesem
2295) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
2296) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
2297) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 6.
2298) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 7.
2299) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 7.
2300) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 8.
2301) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 8.
2302) SA = Situational Awareness.
2303) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 8.
Aufklärungsflugzeug geäußert. Bislang fehlt es daher an
einem Nachweis, dass Oberst Klein positive Kenntnis
davon hatte, dass diese ergänzende Aufklärungsmöglich-
keit bestand. Oberst Klein hatte Gelegenheit, den Funk-
verkehr in der Operationszentrale zu verfolgen; er zog
sich allerdings darauf zurück, er habe den Sprechfunkver-
kehr des JTAC mit den Bomberpiloten nicht „überwacht“
und auch nicht „selbst eingegriffen“.2304
Der JTAC schilderte demgegenüber,
„(…), dass Oberst Klein die Gespräche mit den
F15-Besatzungen und auch zuvor mit der B1-B-
Besatzung über Lautsprecher mithören konnte. Ge-
legentlich unterhielt er sich mit Hauptmann N.
Soweit ich es in Erinnerung habe, verließ Oberst
Klein im Laufe des Abends und der Nacht das
Zelt, in dem ich mich aufhielt, nur wenige Male
und dann auch nur für kurze Zeit. Die übrige Zeit
konnte er das Geschehen am Bildschirm mitver-
folgen und den Funkverkehr über Lautsprecher mi-
thören. (…) Ich habe in Erinnerung, dass die Pilo-
ten eine so genannte show of force, also einen tie-
fen Überflug, anboten, und zwar mehr als ein Mal.
(…) Oberst Klein hatte diese Vorschläge meiner
Meinung nach allesamt über Lautsprecher mitbe-
kommen. In Erinnerung habe ich noch, dass er
einmal zu mir schaute und mit dem Kopf schüttel-
te, woraufhin ich den Piloten ‚negativ„ melde-
te.“2305
Sollte Oberst Klein tatsächlich keine Kenntnis von der
Verfügbarkeit dieses ISR-assets gehabt haben, ist daraus
entweder zu schließen, dass er seinen JTAC nicht beauft-
ragt hatte, herauszufinden, ob weitere Aufklärungsmittel
herangezogen werden konnten, oder dass der JTAC den
Kommandeur nicht zutreffend bzw. nicht vollständig
informiert hatte. In diesem Fall wäre zu ermitteln, aus
welcher Motivation heraus.
(c) Geringere Flughöhe
Unabhängig von der Frage des Einsatzes des ISAF-ISR-
assets oder einer Drohne des PRT bestand die Möglich-
keit, die Bomberbesatzungen in geringerer Höhe fliegen
zu lassen, um bessere Bilder von den Vorgängen auf der
Sandbank zu erhalten. Selbst wenn die Bomberbesatzun-
gen, um sich selbst nicht zu gefährden, nicht auf ähnlich
niedrige Flughöhen wie beispielsweise Drohnen hätten
gehen können, wäre es angezeigt gewesen, mindestens zu
versuchen, auf diese Art aufschlussreichere Videoauf-
nahmen zu erhalten.
Ein gedachter objektiver ex ante-Beobachter würde dieses
Aufklärungsmittel genutzt haben, um sich eine Meinung
über die Anwesenheit von Zivilisten zu bilden.
Oberst Klein hingegen bemühte sich offenbar noch nicht
einmal um eine nähere Abklärung der Situation mittels
2304) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.
2305) Mat. 17-66, Beschuldigtenvernehmung Hauptfeldwebel W. durch
die Bundesanwaltschaft, Vernehmungsprotokoll Bl. 6/7.
Drucksache 17/7400 – 346 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dieser naheliegenden und unmittelbar greifbaren Aufklä-
rungsmöglichkeit. Stattdessen wies der JTAC die F15-
Besatzung an – trotzdem er selbst zwischendurch die
Qualität der übertragenen Bilder moniert hatte
2306
–, in
möglichst großer Höhe zu fliegen und sich zu verstecken:
„stay as high as possible“2307
„I want you to hide”2308.
cc) Unzulängliche Aufklärung
Oberst Klein hat sich nicht entsprechend der Vorgaben
von Artikel 57 Absatz 2 a) i) ZP I angemessen bemüht,
um festzustellen, inwieweit mit der Anwesenheit von
Zivilpersonen zu rechnen war. Bereits insoweit ist ein
Verstoß gegen zwingende völkerrechtliche Vorgaben zu
verzeichnen.
Solange und soweit die erforderlichen, „praktisch mögli-
chen“ Maßnahmen zur Aufklärung, ob sich Zivilisten am
Angriffsort befinden, nicht getroffen sind, und solange
(objektiv und ex ante) Anlass zu Zweifeln daran besteht,
dass keine Zivilisten vor Ort sind, ist – umgekehrt – da-
von auszugehen, dass Zivilisten vor Ort sind, denn Arti-
kel 50 Absatz 1 Satz 3 ZP I bestimmt:
„Im Zweifel gilt die betreffende Person als Zivil-
person.“
b) Völkerrechtliche Verpflichtung zur wirk-
samen Warnung vor einem geplanten An-
griff
Der – unter völkerrechtlichem Aspekt maßgebliche2309 –
objektive ex ante-Beobachter hätte erkannt, dass Anhalt-
spunkte dafür existierten, dass sich Zivilisten im Bereich
des vorgesehenen Angriffsortes befanden. Er hätte auf die
Durchführung eines Angriffs in dieser ungesicherten Lage
per se verzichtet, sich mindestens aber an den Vorgaben
des Artikel 57 ZP I orientiert, d.h. die danach geforderten
weiteren „Vorsichtsmaßnahmen beim Angriff“ getroffen
und alles Erforderliche getan, um einen nach Artikel 51
Absatz 4, Absatz 5 b) ZP I verbotenen unterschiedslosen
Angriff zu vermeiden.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass in der konkreten Situation
des 04.09.2009 vor einem Luftangriff, so er überhaupt
hätte durchgeführt werden dürfen, mindestens eine sog.
show of force zu fliegen gewesen wäre – ein tiefer Vor-
beiflug, der einen bevorstehenden Luftangriff ankündigt,
die vor Ort Anwesenden so warnt und insbesondere Zivil-
personen die Chance gibt, sich zu entfernen, um nicht
Opfer des Angriffs zu werden.
Artikel 57 Absatz 2 c) ZP I formuliert das wie folgt:
c) Angriffen, durch welche die Zivilbevölkerung
in Mitleidenschaft gezogen werden kann,
2306) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
2307) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 3.
2308) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
2309) Vgl. S. 336 (Teil 4, B.II.2.a)aa)).
muss eine wirksame Warnung vorausgehen,
es sei denn, die gegebenen Umstände erlaub-
ten dies nicht.
2310
Entgegen dieser klaren völkerrechtlichen Vorgaben ver-
zichtete Oberst Klein auf eine show of force. Die F15-
Piloten hatten dem JTAC, Hauptfeldwebel W., fünf Mal
angeboten, vor einer Bombardierung der Tanklaster tief
zu fliegen, um die Menschen um die Tanklaster von der
Sandbank zu vertreiben.
2311
Der JTAC reagierte darauf
mit den Anweisungen, so hoch wie möglich zu fliegen
und sich zu verbergen.
2312
Das letzte Angebot der Piloten,
eine show of force zu fliegen, lehnte er ab mit den Wor-
ten:
„negative, I want you to strike directly“.2313
Dass Oberst Klein, der in der Operationszentrale die Mög-
lichkeit hatte, den Funkverkehr zu verfolgen, diesen Aus-
tausch bewusst wahrgenommen hat, hat der Untersu-
chungsausschuss nicht nachweisen können. Ungeachtet
dessen wäre es die Aufgabe des Kommandeurs gewesen,
vor Durchführung eines Luftangriffs von selbst auf die
Idee zu kommen, eine show of force fliegen zu lassen.
Und mindestens einmal leitete der JTAC die Frage der
F15-Besatzung, ob eine show of force geflogen werden
solle, an Oberst Klein weiter.
2314
Oberst Klein lehnte di-
esen Vorschlag der Piloten ab.
aa) Offensive Aufstandsbekämpfung als
Grund für den Verzicht auf eine show of
force
Im Untersuchungsausschuss begründete er das damit, eine
Warnung durch eine show of force habe er für nicht sinn-
voll gehalten. Den Personen auf der Sandbank müsse
durch den mehr als eineinhalbstündigen, nach Einschät-
zung von Oberst Klein gut hörbaren Überflug bereits
bewusst gewesen sein, dass Flugzeuge über ihnen waren.
Nach seiner bisherigen Erfahrung hätten Aufständische
bereits in anderen Fällen derartige Überflüge „nicht ernst“
genommen und auf tiefe Überflüge keine bis wenig Reak-
tion gezeigt; „die Notwendigkeit einer zusätzlichen show
of force [habe] daher nicht [bestanden]“.2315
Aus den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Be-
weismitteln erschließt sich eine andere Motivation: Oberst
Klein ging es offenkundig darum, die Aufstandsbewegung
auf offensive Weise zu bekämpfen.
Bereits in seinem am 05.09.2009 verfassten Bericht an
den Generalinspekteur meldete Oberst Klein:
2310) In der völkerrechtlich verbindlichen englischen Version lautet
diese Vorschrift: „(c) effective advance warning shall be given of
attacks which may affect the civilian population, unless circums-
tances do not permit”.
2311) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4, 5, 8, 9.
2312) Vgl. soeben Abschnitt B.II.2.a)bb)bbb)(2)(c) zu Fn. 2307 und
2308.
2313) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 9.
2314) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
2315) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 347 – Drucksache 17/7400
„Am [04.09.2009 um 01:51 Uhr] entschloss ich
mich, zwei am Abend des 03 sep 09 (…) entführte
Tanklastwagen, sowie die an den Fahrzeugen be-
findlichen INS [Anm.: Insurgents = Aufständi-
sche] durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu
vernichten.“2316
Er habe „eine Gefahr für [seine] Soldaten frühzeitig ab-
wenden“ und „mit höchster Wahrscheinlichkeit dabei nur
Feinde des Wiederaufbaus Afghanistans (…) treffen“
wollen.
2317
Gegenüber den Mitgliedern des Untersuchungsausschus-
ses bekräftigte Oberst Klein dies in seiner Vernehmung
am 10.02.2010:
„Ich kann nur das wiederholen, was ich in meiner
ersten schriftlichen Meldung an den Generalin-
spekteur geschrieben habe, dass das Ziel die bei-
den Tanklastwagen und die sie unmittelbar umge-
benden Personen waren.“2318
und ergänzte, seine Intention sei es gewesen, die auf der
Sandbank festgefahrenen Tanklaster zu zerstören und die
dort befindlichen Personen zu töten, um die Aufständi-
schen zu schwächen:
„Durch die Zerstörung der Tanklastzüge und die
Tötung feindlicher Kämpfer, dabei vermutlich
Führer und die in der Vergangenheit als besonders
gefährlich erkannten ausländischen Kämpfer, wür-
de den Aufständischen ein schwerer Schlag ver-
setzt. Zudem rufe ich in Erinnerung, dass der stell-
vertretende Generalinspekteur, Generalleutnant
Dora, bei der Pressekonferenz am 6. November
feststellte, die Sicherheitslage habe sich in Bezug
auf sicherheitsrelevante Zwischenfälle seit dem
04.09. deutlich verbessert.“2319
Aus dem Transkript der Kommunikation zwischen den
Besatzungsmitgliedern der F15-Bomber und dem in der
Nacht des 04.09.2009 in der Operationszentrale der
Task Force 47 eingesetzten JTAC, Hauptfeldwebel W.,
ergeben sich aufschlussreiche Hinweise darauf, dass die-
ser Aspekt den Kern trifft: Die auf der Sandbank anwe-
senden Aufständischen sollten ohne Vorwarnung getrof-
fen werden. Die Soldaten in der Operationszentrale der
Task Force 47 bemühten sich sogar, sicherzustellen, dass
den Personen auf der Sandbank verborgen blieb, dass
Angriffsvorbereitungen stattfanden.
Noch bevor die F15-Bomber sich direkt über der Sand-
bank befanden, forderte der JTAC die Besatzung zwei
Mal auf, so weit oben zu fliegen, wie möglich.
2320
Die
Verwendung eines Infrarotmarkers zur Zielmarkierung
2316) Bericht an den Generalinspekteur und den Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (Dokument 63),
S. 1.
2317) Bericht an den Generalinspekteur und den Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (Dokument 63),
S. 2.
2318) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 26.
2319) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17/18.
2320) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 2, 3.
gestattete er mit der Begründung, er gehe nicht davon aus,
dass die Aufständischen Nachtsichtgeräte (Night Vision
Glasses, NVGs) besäßen und die Markierung bemerken
würden:
„[F-15E-1 an JTAC:] (…) confirm we can use the
IR marker on the target
[JTAC an F-15E-1:] that‟s affirmative we also can
use the IR marker on the target so we got no frien-
dlies in the vicinity of the target and I don‟t be-
lieve the insurgents got NVGs to see the IR”.2321
Dass der JTAC die wiederholten Fragen der F15-
Besatzung nach einer show of force mit den Anweisun-
gen, möglichst weit oben zu bleiben bzw. sich zu verste-
cken („I want you to hide“) beantwortet und statt dessen
gefordert hatte „I want you to strike directly“, wurde
bereits beschrieben.
2322
Es kam also offenbar darauf an, die Personen auf der
Sandbank zu treffen und es sollte verhindert werden, dass
diese realisierten, dass ein Luftangriff auf sie bevorstand.
Bereits um 1 Uhr 18, also etwa zehn Minuten nach dem
Eintreffen der F15, bezeichnete der JTAC das potentielle
Angriffsziel wie folgt:
„… vehicles and the several individuals around are
your target“2323.
Als sie den JTAC auf die „Ameisenstraße“ von der Sand-
bank zum Flussufer und die auf dem dortigen südlichen
Festland befindlichen Fahrzeuge aufmerksam machten,
hakte der JTAC sogleich bei den Besatzungsmitgliedern
der F15 nach, ob es möglich sei, auch eine Bombe auf die
„feindlichen Kräfte“ an diesem Ufer gegenüber der Sand-
bank abzuwerfen.
2324
Kurz darauf meldeten die F15-Piloten dem JTAC, dass
etwa die Hälfte der Personen auf der Sandbank nach Nor-
den (also in die den Fahrzeugen am Uferbereich entge-
gengesetzte Richtung) rannten, vermutlich zu einer dort
befindlichen Siedlung. Daraufhin erklärte der JTAC das
Ziel für zeitkritisch,
„(…) understand the target is now time sensitive
so standby just for (…; geschwärzt) on the sand-
bank“,2325
d. h. er forderte die F15-Besatzung auf, sich für einen
eiligen Luftangriff bereit zu halten.
Nur zwei Minuten später fragten die F15-Piloten noch
einmal nach, ob mit den Bomben die Fahrzeuge oder die
Menschen („pax“) auf der Sandbank getroffen werden
sollten:
2321) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
2322) S. 346 (Teil 4, B.II.2.b)).
2323) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
2324) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 6 (20 Uhr 57 Zulu-Zeit =
1 Uhr 27 Ortszeit).
2325) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 7.
Drucksache 17/7400 – 348 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
[F-15E-1 an JTAC] „(…) confirm are you trying to
take out the vehicles or are you trying to take out
the pax”,
und erhielten zur Antwort, den Bundeswehrangehörigen
komme es darauf an, die Menschen zu „vernichten“ (take
out):
[JTAC an F-15E-1] „we‟re trying to take out the
pax”.2326
Offenbar bemerkte der JTAC die wachsenden Bedenken
der F15-Besatzungsmitglieder. Gut zehn Minuten vor
Auslösung der Bomben teilte er ihnen über Funk ohne
erkennbaren Bezug mit: „so you‟ll be a hero“2327. Drei
Minuten vor Zündung der Bomben schilderte er – auf die
wiederholte drängende Nachfrage, ob die Personen auf
der Sandbank tatsächlich eine unmittelbare Bedrohung
(imminent threat) für das PRT darstellten – den vorgebli-
chen Informationsstand der Bundeswehrangehörigen mit
den Worten:
„[F-15E-1 an JTAC:] (…) confirm that err one last
time, these pax are an imminent threat?
[JTAC an F-15E-1:] yeah those pax are an immi-
nent threat, so those insurgents are trying to get all
the gasoline off the tanks and after that they will
regroup and we‟ve got intel information about cur-
rent ops
2328
so probably attacking camp Kon-
duz”.2329
Daraufhin stellten die F15-Besatzungsmitglieder ihre
Bedenken zurück und trafen die letzten Vorbereitungen
für den Luftangriff.
Nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses
gab es jedoch auf die hier vom JTAC Hauptfeldwebel W.
behauptete Sachlage – Intelligence-Informationen über
eine Neugruppierung der angeblichen Aufständischen, mit
dem Ziel, dann das PRT Kundus anzugreifen – tatsächlich
zu keiner Zeit irgendeinen Hinweis. Der JTAC täuschte
also eine Bedrohungslage vor, die niemals existierte und
niemals in Rede stand – ersichtlich, um die F15-Piloten so
dazu zu veranlassen, ohne vorherige Durchführung einer
show of force einen Luftangriff auf die Tanklaster und die
Menschen auf der Sandbank auszuführen.
Es ist schwer vorstellbar, dass der Kommandeur Oberst
Klein in den Minuten vor dem Luftangriff nicht in der
Operationszentrale war und auch von dieser Kommunika-
tion nichts mitbekommen hat. Der JTAC jedenfalls be-
hauptete gegenüber der Bundesanwaltschaft, nach seiner
Wahrnehmung habe Oberst Klein den Funkverkehr mit-
verfolgt. Die Operationszentrale habe Oberst Klein zudem
nur äußerst selten und dann immer nur für kurze Zeit
verlassen:
„Ich habe noch in Erinnerung, dass die Piloten ir-
gendwann fragten, ob eine unmittelbare Bedro-
2326) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 7.
2327) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 8.
2328) ops = operations.
2329) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 10.
hung vorliege. Dabei weise ich darauf hin, dass
Oberst Klein die Gespräche mit den F15-
Besatzungen und auch zuvor mit der B1-B-
Besatzung über Lautsprecher mithören konnte. Ge-
legentlich unterhielt er sich mit Hauptmann N.
Soweit ich es in Erinnerung habe, verließ Oberst
Klein im Laufe des Abends und der Nacht das
Zelt, in dem ich mich aufhielt, nur wenige Male
und dann auch nur für kurze Zeit. Die übrige Zeit
konnte er das Geschehen am Bildschirm mitver-
folgen und den Funkverkehr über Lautsprecher mi-
thören. Ich meldete den F15-Besatzungen, dass
nach Einschätzung des Kommandeurs eine unmit-
telbare Bedrohung vorliege (…). Ich habe in Erin-
nerung, dass die Piloten eine so genannte show of
force, also einen tiefen Überflug, anboten, und
zwar mehr als ein Mal. Ich weiß allerdings nicht
mehr, wie häufig die Piloten eine show of force
anboten. Oberst Klein hatte diese Vorschläge mei-
ner Meinung nach allesamt über Lautsprecher mit-
bekommen. In Erinnerung habe ich noch, dass er
einmal zu mir schaute und mit dem Kopf schüttel-
te, woraufhin ich den Piloten ‚negativ„ melde-
te.“2330
Der Gesamteindruck, der sich aus all diesen Aktivitäten
des PRT Kommandeurs Oberst Klein sowie des JTAC
Hauptfeldwebel W. ergibt, bedarf keiner langen Erläute-
rung mehr: Es kam wesentlich darauf an, die vermeintli-
chen Talibankämpfer oder Talibananführer auf der Sand-
bank zu töten. Deshalb durfte keine Person auf der Sand-
bank gewarnt und zum Verlassen des Ortes bewegt wer-
den.
Das erkannte auch die bereits erwähnte Gruppe 85 im
Bundesverteidigungsministerium, die in einem Bericht
vom 06.10.2009 festhielt:
„21 – (…)
- (…) Der Fliegerleitoffizier beantragte die aus
seiner Sicht notwendige Bewaffnung 6X GBU
38 „airburst“ und bittet Dude 15 [Anm.: Ken-
nung F15-Bomber] dabei so hoch wie möglich
zu bleiben. Aus hiesiger Sicht soll hier mögli-
cherweise das Überraschungsmoment genutzt
werden, d. h. die Insurgenten sollen bis zum
letzten Moment nicht gewarnt werden.
- Aus hiesiger Sicht ein Anzeichen, dass eine
Bekämpfung der INS (AAF) und nicht mittel-
bar der Tanklastzüge beabsichtigt war. (…)
24 – (…)
- (…) Nach hiesiger Annahme wurde durch
COM PRT eindeutig die Absicht verfolgt, ge-
gen die Personenziele vorzugehen, ein ggf.
Auseinandertreiben der Gruppierung zu ver-
2330) Mat. 17-66, Beschuldigtenvernehmung Hauptfeldwebel W. durch
die Bundesanwaltschaft, Vernehmungsprotokoll Bl. 6/7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 349 – Drucksache 17/7400
hindern (widerspricht ggf. den Vorgaben der
SPINS)“.2331
Über die Motive der Beteiligten oder den Hintergrund
dieser Operation lässt sich nach wie vor nur spekulieren –
es drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass es den
Bundeswehrangehörigen in der Operationszentrale der
Task Force 47 darauf ankam, mit militärischer Gewalt
Personen „auszuschalten“, die auf der sog. JPEL (Joint
Prioritized Effects List
2332
), also der capture or kill-Liste
der ISAF, standen und sich so an gezielten Tötungen
bestimmter Anführer der Aufständischen zu beteiligen.
Dafür wurde in Kauf genommen, durch den Luftangriff
auch Zivilpersonen zu töten: Objektive Anhaltspunkte,
dass es jedenfalls nicht völlig fernliegend war, dass sich
(auch) mindestens einer der Tanklasterfahrer sowie weite-
re Zivilisten vor Ort aufhielten, die sich nur Benzin abho-
len wollten, aber nicht in – hypothetische – feindliche
Operationen der Aufständischen involviert waren, hatte es
gegeben. Diese waren nicht ausgeräumt, und eine War-
nung der Personen auf der Sandbank war zielgerichtet
vermieden worden.
Zudem ging Oberst Klein nach eigenen Angaben davon
aus, auf der Sandbank befänden sich „Unterstützer“ bzw.
„Sympathisanten“ der Aufständischen.2333 Auch diese
durften völkerrechtlich nicht als „Aufständische Kämp-
fer“ behandelt werden.2334
bb) Rechtspflicht zur effektiven Vorwarnung
Das Verhalten von Oberst Klein bedeutet einen Verstoß
gegen die in Artikel 57 Absatz 2 c) ZP I kodifizierte Vor-
gabe, dass Angriffen, durch die die Zivilbevölkerung in
Mitleidenschaft gezogen werden kann, eine wirksame
Warnung vorausgehen muss.
aaa) Unzulässiger Überraschungsangriff
Artikel 57 Absatz 2 c) ZP I eröffnet zwar eine Hintertür
für überraschende Angriffe: die Einschränkung, dass eine
Warnung unterbleiben darf, wenn „die gegebenen Um-
stände“ sie nicht „erlaubten“2335.
Gemeint sind Angriffe, bei deren Ausführung zur Errei-
chung eines militärischen Vorteils das Überraschungs-
2331) Mat. 17-35a, R II 3, Ordner 3, Bl. 133 ff., 139, 140.
2332) Die Liste ist Grundlage für sog. targeted killings im Rahmen des
ISAF-Einsatzes; vgl. z. B. BT-Drs. 17/2775, S. 77: „Entsprechend
dem ISAF-Regelwerk wird eine Liste geführt, in der auf der
Grundlage eines festgelegten Kriterienkatalogs Zielpersonen
Handlungsempfehlungen zugeordnet werden. Bei Personen, die
sich unmittelbar oder dauerhaft an den Feindseligkeiten beteili-
gen, besteht die Möglichkeit, die Anwendung gezielt tödlich wir-
kender militärischer Gewalt zu empfehlen.”
2333) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 16.
2334) Dazu sogleich, S. 349, 350 (Teil 4, B.II.2.b)bb)aaa)).
2335) Die verbindliche englischsprachige Version lautet: c) effective
advance warning shall be given of attacks which may affect the
civilian population, unless circumstances do not permit.
moment genutzt werden soll,
2336
ein Vorbehalt „militäri-
scher Notwendigkeit“ also. Diese Regelung wirkt aller-
dings gerade nicht zugunsten Oberst Klein. Denn Arti-
kel 57 Absatz 5 ZP I statuiert explizit:
Die Bestimmungen dieses Artikels sind nicht so
auszulegen, als erlaubten sie Angriffe auf die Zi-
vilbevölkerung, Zivilpersonen oder zivile Objekte.
Auch hier gilt damit selbstverständlich das allgemeine
Prinzip, dass der in Rede stehende Angriff im Übrigen
völkerrechtlich zulässig sein muss, er darf z. B. nicht
unterschiedslos im Sinne von Artikel 51 ZP I sein. Zivi-
listen sind generell zu schonen.
Aus diesem Grund greift die gerade genannte Ausnahme-
regelung des Artikel 57 Absatz 2 c ZP I für Überra-
schungsangriffe im vorliegenden Fall nicht – Oberst Klein
durfte keinen Angriff ohne Vorwarnung befehlen:
Gegenstand der Beweisaufnahme im Untersuchungsaus-
schuss war u. a., welche Vorstellung Oberst Klein sich in
der Nacht des Bombenangriffs von den Vorgängen auf
der Sandbank gemacht hatte und welchen militärischen
Zweck er mit einer Bombardierung der Sandbank errei-
chen wollte.
Nach eigenen Angaben ging Oberst Klein davon aus, auf
der Sandbank hätten sich vor dem Bombenangriff aus-
schließlich „Aufständische“2337 sowie deren „unmittelbare
Unterstützer“2338 bzw. „Sympathisanten“2339 aufgehalten,
„unbeteiligte Zivilisten“2340 aber nicht. Ziel der Personen
auf der Sandbank sei es gewesen, die Tanklaster freizube-
kommen und damit entweder entgegen der bisherigen
Fahrtrichtung zurück nach Osten zu fahren, um das PRT
oder „afghanische Sicherheitskräfte“ anzugreifen; oder
die Fahrt nach Westen fortzusetzen und die Tanklaster
über den Fluss in ein Rückzugsgebiet („in den Raum des
Zweistromlandes“) zu bringen, um sie als rollende Bom-
ben für – nicht näher definierte – spätere Angriffe gegen
ISAF-Truppen zu präparieren.
2341
Jedes dieser möglichen
Szenarien habe er verhindern und dabei zugleich „durch
die Tötung feindlicher Kämpfer“ die Aufständischen
schwächen wollen.
2342
Oberst Klein differenzierte bezüglich der von ihm auf der
Sandbank vermuteten Personen ersichtlich, und zwar
zwischen:
a) Aufständischen Kämpfern,
b) Personen, die diese unterstützten oder mit ihnen
sympathisierten (aber offenkundig selbst nicht, oder
nicht konstant, als Akteure am bewaffneten Kampf
teilnahmen), und
2336) Sandoz / Swinarski / Zimmermann (Hrsg.), Commentary on the
Additional Protocols of 8 June 1977 to the Geneva Conventions
of 12 August 1949 (1987), para. 2223, 2225.
2337) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 16.
2338) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.
2339) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.
2340) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.
2341) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 25, 49.
2342) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17/18, 25.
Drucksache 17/7400 – 350 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) „unbeteiligten“ Zivilisten, womit er ersichtlich Per-
sonen beschreiben wollte, die in keinerlei Aktivitäten
der Aufständischen involviert waren und diesen auch
nicht nahestanden.
Offenbar verkannte (oder ignorierte?) er allerdings die an
diese Differenzierung geknüpften rechtlichen Konsequen-
zen.
Die von Oberst Klein geschilderten Szenarien rechtfertig-
ten nach Maßgabe des humanitären Völkerrechts (Arti-
kel 57 Absatz 2 c) ZP I) nämlich allenfalls einen Überra-
schungsangriff auf vor Ort anwesende „feindliche Kämp-
fer“ bzw. „Aufständische Kämpfer“ (korrekter, aber we-
nig griffig formuliert: aktive und funktional dauerhaft
eingebundene Mitglieder der bewaffneten organisierten
Aufständischengruppe), keinesfalls aber auf andere Per-
sonen.
Denn wenn es sich – entsprechend der von der Bundesre-
gierung im Herbst 2009 letztlich doch noch vorgenom-
menen Kehrtwende in der Bewertung des Afghanistan-
konflikts – bei den kriegerischen Auseinandersetzungen
in Afghanistan um einen sog. nicht-internationalen be-
waffneten Konflikt (allgemeinsprachlich formuliert: Bür-
gerkrieg) handelt, gelten andere rechtliche Vorgaben als
in einem internationalen bewaffneten Konflikt.
Im internationalen bewaffneten Konflikt sind legitime
militärische Ziele – sog. „Kombattanten“ – Personen, die
in Gruppen oder Verbänden auftreten, die in gewissem
Maße militärisch gegliedert bzw. zentralisiert geführt
sind, und die offenkundig bewaffnet und durch Unifor-
men oder sonstige deutlich erkennbare Unterscheidungs-
merkmale besonders gekennzeichnet sind (vgl. Artikel 43,
44 ZP I).
2343
Kombattanten dürfen nach vorherrschender
Auffassung im Völkerrecht auch dann bekämpft – und
getötet – werden, wenn sie nicht unmittelbar an Feindse-
ligkeiten beteiligt sind.
Den Aufständischen in Afghanistan wird nach dieser
Auffassung kein regulärer Kombattantenstatus zugebil-
ligt, da sie bereits aufgrund ihrer regelmäßig zivilen Klei-
dung nicht von der nichtkämpfenden Bevölkerung zu
unterscheiden sind. Als legitime militärische Ziele der
ISAF-Truppen sowie der afghanischen Armee gelten sie
völkerrechtlich dennoch, sofern sie feste und funktional
dauerhaft eingebundene Mitglieder der bewaffneten orga-
nisierten Aufständischengruppe sind (oben gerade be-
zeichnet als: „Aufständische Kämpfer“). Nach derzeit
wohl überwiegender völkerrechtlicher Bewertung dürfen
sie auch dann angegriffen werden, wenn sie sich nicht
unmittelbar an Feindseligkeiten beteiligen.
2344
Personen hingegen, die nicht organisatorisch-funktional
fest eingebundene Mitglieder der kämpfenden Gruppe
sind, die sich also nur im Einzelfall oder nur gelegentlich
an feindseligen Handlungen beteiligen, bleiben „Zivilper-
sonen“ im völkerrechtlichen Sinn und dürfen folgerichtig
2343) Ipsen, Völkerrecht, § 68 Rz. 34 ff.
2344) ICRC, Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation
in Hostilities under International Humanitarian Law, S. 72.
nur zur Verteidigung bekämpft werden, d. h. nur in einem
Moment, in dem sie sich selbst gerade unmittelbar an
Feindseligkeiten beteiligen (Artikel 13 Absatz 3 ZP II).
Diese völkerrechtliche Bewertung der herrschenden Mei-
nung hat gravierende Folgen in Hinblick auf die von
Oberst Klein vorgenommene Einschätzung des Status der
Menschen auf der Sandbank: Personen, die als ständige
Mitglieder der Gruppen der bewaffneten Aufständischen
in diese funktional eingebunden und entsprechend an
Operationen beteiligt waren, originäre „Aufständische
Kämpfer“ also, durften in der Nacht des 03./04.09.2009
grundsätzlich aus der Luft angegriffen werden – zumin-
dest nach den Kriterien des humanitären Völkerrechts
(dass Oberst Klein hierzu nach den ISAF-Einsatzregeln
nicht befugt war, wurde oben S. 331 (Teil 4, B.II.1.a))
dargelegt).
Die von Oberst Klein als „Unterstützer“ und „Sympathi-
santen“ den Aufständischen Kämpfern gegenübergestell-
ten Personen auf der Sandbank blieben aber Zivilisten und
unterstanden dem Schutz des Ersten (und Zweiten) Zu-
satzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949
(ZP I, ZP II). Angegriffen werden durften sie daher nur,
sofern und solange sie sich selbst unmittelbar an Feindse-
ligkeiten beteiligten und der Angriff auf sie dem Grund-
satz der Verhältnismäßigkeit entsprach.
2345
Oberst Klein gab, wie bereits dargelegt, an, er habe be-
fürchtet, mit den Tanklastern solle entweder noch in der
gleichen Nacht ein Anschlag auf das PRT Kundus oder
die afghanischen Sicherheitskräfte verübt werden, oder
die Tanklaster sollten in ein Rückzugsgebiet der Aufstän-
dischen „nach Westen“ gebracht und dort für künftige
Angriffe hergerichtet werden.
2346
Beides legitimierte keinen vorwarnungslosen Angriff.
(1) Rückfahrt nach Osten und Angriff auf das
PRT Kundus
Die Abwehr eines unmittelbar bevorstehenden Anschlags
auf das PRT Kundus
2347
könnte als Verteidigungshand-
lung betrachtet werden, zugunsten von Oberst Klein wäre
danach davon auszugehen, dass ein militärisches Vorge-
hen, das einen solchen Anschlag vereitelt hätte, völker-
rechtlich grundsätzlich zulässig gewesen wäre.
Nicht gerechtfertigt gewesen wäre aber selbst in dieser
Situation ein Luftangriff – ohne wirksame Vorwarnung –
auf die Tanklaster und (unterschiedslos) die umstehenden
Menschen. Es lässt sich nicht behaupten, im Sinne des
Artikel 57 Absatz 2 c) 2. Hs. ZP I hätten „die gegebenen
Umstände“ eine wirksame Warnung nicht „erlaubt“, die
Ausnutzung eines Überraschungseffekts könne also legi-
tim oder gar legal gewesen sein. Denn angesichts der
2345) ICRC, Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation
in Hostilities under International Humanitarian Law, S. 43 ff., 73.
2346) Vgl. S. 333 (Teil 4, B.II.1.a)).
2347) Zu der Tatsache, dass es sich insoweit nur um eine unfundierte
Vermutung gehandelt haben kann, weil es keinerlei Warnung
bzgl. eines solchen Anschlags gab, vgl. oben S. 313 f., 333 und
S. 45 (Teil 4, B.I.3.b)bb), cc) und II.1.a) sowie Teil 2, B.III.1.b).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 351 – Drucksache 17/7400
selbst von Oberst Klein unterstellten Anwesenheit poten-
tiell „kämpfender“ (und je nach Auslegung des Begriffs
„Sympathisant“: nicht-kämpfender!) Zivilisten – also von
organisatorisch bzw. funktional bei den Aufständischen
nicht eingebundenen „Unterstützern“ oder „Sympathisan-
ten“ – war es völkerrechtlich umgekehrt gerade geboten,
das mildeste effektive Mittel zur Abwehr eines bevorste-
henden Anschlags zu wählen. Artikel 57 Absatz 3 ZP I
gibt insoweit vor:
Ist eine Wahl zwischen mehreren militärischen
Zielen möglich, um einen vergleichbaren militäri-
schen Vorteil zu erringen, so ist dasjenige Ziel zu
wählen, dessen Bekämpfung Zivilpersonen und zi-
vile Objekte voraussichtlich am wenigsten gefähr-
den wird.
Sofern also tatsächlich kein anderes Verteidigungsmittel
gegeben gewesen wäre, als eine Bombardierung aus der
Luft, so hätte dieser Luftangriff nur auf eine Zerstörung
der Tanklaster zielen dürfen, musste die anwesenden
Menschen aber sofern irgendwie realisierbar verschonen –
und zwar alle, da Oberst Klein eine Differenzierung, wer
von den am Boden befindlichen Personen Kämpfer (also
legitimes militärisches Ziel) war und wer „Unterstützer“
bzw. „Sympathisant“, ja nicht möglich war. Denn das von
Oberst Klein behauptete spezifische Gefährdungspotential
ging gerade nicht von den auf der Sandbank anwesenden
Menschen aus – selbst wenn einige von diesen „landesty-
pisch“ mit Schusswaffen bewaffnet waren –, sondern
allenfalls von den mit Treibstoff befüllten Tanklastern,
und auch das nur, sofern diese tatsächlich für den nach
Angaben von Oberst Klein vermuteten Angriff gegen das
PRT Kundus genutzt worden wären.
Selbst zur Abwendung eines Anschlags gegen das PRT
Kundus wäre der von Oberst Klein angeordnete, vorwar-
nungslose Luftangriff auf die Tanklaster und die Men-
schen auf der Sandbank daher im Ergebnis sogar nach
seiner behaupteten Vorstellung, wer sich auf der Sand-
bank befunden habe, völkerrechtswidrig gewesen.
(2) Weiterfahrt und Verbringung der Tanklas-
ter nach Westen
Erst recht völkerrechtswidrig war der Luftangriff aber,
soweit es Oberst Klein darum ging, zu verhindern, dass
die Tanklaster nach Westen, „in den Raum des Zweist-
romlandes“ verbracht wurden, um sie auf irgend eine Art
und Weise für – lediglich vermutete – unbestimmte späte-
re Angriffe auf nicht näher definierbare Ziele zu präparie-
ren.
Denn unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt lässt sich
feststellen, dass die von Oberst Klein auf der Sandbank
vermuteten „Unterstützer“ und „Sympathisanten“ der
Aufständischen sich bei einer Involvierung in ein derarti-
ges Szenario „selbst unmittelbar an Feindseligkeiten be-
teiligten“. Nach der vom IKRK veröffentlichten Interpre-
tive Guidance on the Notion of Direct Participation in
Hostilities under International Humanitarian Law
2348
liegt
eine solche Beteiligung nur vor, wenn die folgenden drei
Voraussetzungen sämtlich erfüllt sind:
„1. the act must be likely to adversely affect the
military operations or military capacity of a
party to an armed conflict or, alternatively, to
inflict death, injury, or destruction on persons
or objects protected against direct attack
(threshold of harm), and
2. there must be a direct causal link between the
act and the harm likely to result either from
that act, or from a coordinated military opera-
tion of which that act constitutes an integral
part (direct causation), and
3. the act must be specifically designed to di-
rectly cause the required threshold of harm in
support of a party to the conflict and to the
detriment of another (belligerent nexus).“2349
Bereits die danach erforderliche unmittelbare kausale
Verknüpfung zwischen feindseliger Handlung und einem
erwarteten Schaden (direct causation) ist nicht feststell-
bar. Der Versuch, die Tanklaster freizubekommen, damit
sie nach Westen gefahren werden konnten, stellte allen-
falls eine dem – vermuteten – eigentlichen schädigenden
Verhalten (spätere Nutzung der noch zu präparierenden
Tanklaster als Sprengsatz / IED) weit vorgelagerte Vorbe-
reitungshandlung dar. Vergleichbar ist dies den in der
Interpretive Guidance diskutierten Beispielen der Lage-
rung und Konstruktion von IED (Improvised Explosive
Device) bzw. der Beschaffung der hierfür benötigten
einzelnen Komponenten, oder der Lieferung von Muniti-
on in ein Lagerhaus im zukünftigen Einsatzgebiet: in all
diesen Fällen besteht aufgrund einer Vielzahl erforderli-
cher weiterer Zwischenschritte (noch) keine Unmittelbar-
keitsbeziehung zum konkret schadensverursachenden
Ereignis (dem finalen Einsatz von IED oder Munition als
„Kriegsgerät“).2350
bbb) Völkerrechtswidrigkeit des Verzichts auf
eine wirksame Vorwarnung
Festzuhalten ist danach: Zivilisten, die sich nicht unmit-
telbar an Feindseligkeiten beteiligten, durfte Oberst Klein
nicht bekämpfen, unabhängig davon, ob diese „Unterstüt-
zer“ oder „Sympathisanten“ der Aufständischen waren.
Sofern „Unterstützer“ oder „Sympathisanten“ sich unmit-
telbar an Feindseligkeiten beteiligt hätten, hätte allenfalls
ein Angriff auf die Tanklaster erfolgen dürfen. Diesem
hätte wiederum eine wirksame Vorwarnung vorausgehen
müssen, um den „Unterstützern“ oder „Sympathisanten“
die Möglichkeit zu geben, ihre Aktivitäten einzustellen
und sich zu entfernen. In beiden Fällen lag also keines-
falls eine Konstellation vor, die es nach Artikel 57 Ab-
2348) http://www.icrc.org/eng/resources/documents/publication/p0990.htm.
2349) ICRC, Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation
in Hostilities under International Humanitarian Law, S. 46.
2350) ICRC, Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation
in Hostilities under International Humanitarian Law, S. 53 f., 56.
Drucksache 17/7400 – 352 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
satz 2 c) ZP I erlaubt hätte, auf eine show of force zu
verzichten.
Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext zudem, dass –
wie bereits oben
2351
dargelegt – objektiv (d. h. aus der ex
ante-Perspektive eines neutralen Beobachters) zahlreiche,
nicht widerlegte, Anhaltspunkte dafür existierten, dass
nicht nur mindestens ein Fahrer der Tanklastwagen, son-
dern auch weitere Zivilpersonen auf der Sandbank anwe-
send waren, die nur Benzin holen wollten und in keiner
Weise in vermeintliche feindselige Handlungen der Auf-
ständischen, also noch nicht einmal in Vorbereitungs-
handlungen, eingebunden bzw. sich solcher Aktivitäten
überhaupt bewusst waren.
c) Nachweis der Völkerrechtswidrigkeit des
Vorgehens von Oberst Klein
Oberst Klein hat gegen fundamentale Prinzipien des hu-
manitären Völkerrechts verstoßen: die Pflicht zur Unter-
scheidung zwischen Kombattanten (hier entsprechend:
Aufständischen Kämpfern) und Zivilisten sowie die
Pflicht zur Schonung von Zivilpersonen.
2352
Einige völ-
kerrechtliche Verpflichtungen, die sich aus diesen beiden
Prinzipien ergeben, sind explizit in Artikel 57 ZP I kodifi-
ziert: unter anderem die Pflicht, vor einem Angriff alles
praktisch Mögliche zu unternehmen, um aufzuklären, ob
Angriffsziele ziviler Natur sind bzw. ob damit zu rechnen
ist, dass Zivilisten von einem Angriff mitbetroffen sein
werden; außerdem die Pflicht, vor einem Angriff, durch
den Zivilpersonen beeinträchtigt werden können, wirksam
zu warnen, um der Zivilbevölkerung die Möglichkeit zu
geben, sich in Sicherheit zu bringen. Beide Pflichten hat
Oberst Klein ohne rechtlich tragfähige Legitimation ver-
letzt.
Die in Artikel 57 ZP I niedergelegten Vorsichtsmaßnah-
men müssen selbstständig rechtliche Beachtung finden,
denn sie flankieren nicht etwa nur die völkerrechtlichen
Vorgaben zur Kriegsführung als bloße Ordnungsvor-
schriften. Vielmehr besitzen sie eine eigene Rechtsquali-
tät, sie sollen dazu dienen, ein grundlegendes Ziel des
humanitären Völkerrechts zu realisieren: den Schutz der
Zivilbevölkerung, die sich mit Kriegshandlungen konf-
rontiert sieht.
Die Verletzung der Pflicht, die in Artikel 57 ZP I festge-
schriebenen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, stellt daher
– unabhängig von den Auswirkungen eines Angriffs im
Einzelfall und unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit im
Übrigen – einen eigenständigen Völkerrechtsverstoß
dar.
2353
2351) S. 336 f. (Teil 4, B.II.2.a)aa)).
2352) Vgl. Artikel 48 ZP I.
2353) Vgl. Quéguiner, Precautions under the law governing the conduct
of hostilities, 88 International Review of the Red Cross (2006),
794: „the precautionary obligations (…) constitute obligatory
standards of conduct whose violation entails international respon-
sibility”.
Das Vorgehen von Oberst Klein in der Nacht des
03./04.09.2009 war also schon auf der Grundlage der von
ihm selbst behaupteten Gefechtslage völkerrechtswidrig.
Es erschließt sich nicht, wie dies sowohl sämtlichen Ent-
scheidungsträgern im Bereich der Bundeswehr und des
Bundesverteidigungsministeriums als auch der Bundes-
anwaltschaft verborgen bleiben konnte.
3. Keine adäquate rechtliche Aufarbeitung
des Luftangriffs durch deutsche Behörden
Die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof
gelangte nach einem nur fünf Wochen lang betriebenen
Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen des
Luftangriffs von Kundus zu dem Ergebnis:
„Das Vorgehen von Oberst Klein war völkerrech-
tlich zulässig und damit strafrechtlich gerechtfer-
tigt.
(…)
Da das Verhalten von Oberst Klein strafrechtlich
nicht zu beanstanden ist (…), scheidet eine Straf-
barkeit von Hauptfeldwebel W. gleichermaßen
aus.“2354
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist nicht
der Ort, abschließend über strafrechtliche Schuld oder
Unschuld zu befinden. Was der Untersuchungsausschuss
aber feststellen konnte, ist:
Der Luftangriff in Kundus vom 04.09.2009 war nach den
Regeln des Völkerrechts nicht zulässig. Eine strafrechtli-
che Rechtfertigung des Verhaltens der für diesen Luftang-
riff verantwortlichen Bundeswehrsoldaten unter Rückgriff
auf eine völkerrechtliche Rechtfertigung kommt damit
nicht in Betracht.
Die Prämisse der Bundesanwaltschaft für ihre Einstellung
des Ermittlungsverfahrens gegen Oberst Klein und Haupt-
feldwebel W. war unzutreffend. Eine effektive rechtliche
Aufarbeitung des Luftangriffs von Kundus steht nach wie
vor aus.
a) Durchreichen eines unwillkommenen Ver-
fahrens
Bezeichnend ist bereits, wann und wie sich welche Er-
mittlungsbehörden mit dem Luftangriff von Kundus be-
fassten.
Zum Gegenstand eines (regulären) Ermittlungsverfahrens
gegen Bundeswehrangehörige wurde der Luftangriff erst
am 12. März 2010 – und das auch nur für fünf Wochen. In
diesem Zeitraum erhob die seit November 2009 zuständi-
ge Bundesanwaltschaft zum ersten und einzigen Mal in
diesem Verfahren eigenständig Beweise – nach einem
2354) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof vom 16.04.2010 (Dokument 52), Bl. 59, 69 (offene Ver-
sion).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 353 – Drucksache 17/7400
vorher festgelegten Zeitplan.
2355
Und entsprechend der
Vorgaben dieses Zeitplans stellte sie das Verfahren be-
reits am 16.04.2010, knapp eine Woche vor der Verneh-
mung des damaligen Bundesverteidigungsministers Gut-
tenberg im Kundus-Untersuchungsausschuss, wieder ein,
weil sie keinen hinreichenden Tatverdacht gegen Oberst
Klein oder den JTAC Hauptfeldwebel W. zu erkennen
vermochte.
2356
Zuvor hatte die Angelegenheit – niemals förmlich in den
Stand eines Ermittlungsverfahrens erhoben
2357
, sondern
u. a. auf Intervention des Leitenden Rechtsberaters beim
Einsatzführungskommando der Bundeswehr
2358
dezidiert
stets als „AR-Angelegenheit“ („Allgemeine Rechtssa-
che“) bzw. ARP-Verfahren, „Prüfvorgang“ und „Vorer-
mittlungsverfahren“ zur „Vorprüfung, ob ein strafrechtli-
cher Anfangsverdacht besteht“2359, geführt – mehrere
Staatsanwaltschaften beschäftigt, die sich jeweils, und
zum überwiegenden Teil recht schnell, durch Abgabe des
Verfahrens entledigten.
aa) Befassung der Staatsanwaltschaften Pots-
dam und Leipzig sowie der Generalstaats-
anwaltschaft Dresden
Zuständigkeitshalber zuerst mit dem Verfahren befasst
war am 07.09.2009 die Staatsanwaltschaft Potsdam als
Strafverfolgungsbehörde am Sitz des Einsatzführungs-
kommandos der Bundeswehr.
2360
Der Staatsanwaltschaft
Potsdam gelang es, die Sache innerhalb eines Tages –
noch am 07.09.2009 – an die Staatsanwaltschaft Leipzig
abzugeben, weil diese aufgrund der Stationierung von
Oberst Klein in deren Einzugsgebiet örtlich zuständig
war. Die Staatsanwaltschaft Leipzig wählte einen außer-
gewöhnlichen Ansatz, um sich ihrerseits einer Befassung
mit dem Verfahren zu entziehen: Als würden in Leipzig
niemals Ermittlungen in strafrechtlichen Umfangsverfah-
ren geführt, wurde darauf verwiesen,
„dass die Staatsanwaltschaft Leipzig den Vorgang
aus Kapazitätsgründen nicht übernehmen“2361
könne, und die Angelegenheit an die nächsthöhere Behör-
de, die Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgegeben.
Der Vorteil einer solchen Zuständigkeitsverlagerung liegt
auf der Hand: die Generalstaatsanwaltschaft Dresden
untersteht unmittelbar dem sächsischen Justizministerium.
Pikanterweise ging das Verfahren bei der Generalstaats-
anwaltschaft Dresden auch nicht etwa an ein völkerrech-
tlich, militär- oder wehrstrafrechtlich ausgewiesenes De-
zernat, sondern an die vor einigen Jahren bei der General-
staatsanwaltschaft Dresden angesiedelte sog. „Integrierte
Ermittlungseinheit Sachsen (INES)“. Ausweislich des
2355) Dokument 195.
2356) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Dokument 52).
2357) Trotzdem bei der GStA insoweit durchaus Problemsicht bestand,
vgl. Dokument 174, Bl. 46 und Dokument 172.
2358) Dokument 170, Bl. 14.
2359) Mat. 17-52, Bl. 6.
2360) Dokument 167.
2361) Dokument 170, Bl. 14.
Internetauftritts der Generalstaatsanwaltschaft Dresden ist
INES eingerichtet, um „sachsenweit gewichtige Fälle und
bedeutende Sachverhalte der Organisierten, Umwelt- und
Wirtschaftskriminalität und der Korruptionsstraftaten“ zu
ermitteln; „zur Strafverfolgung werden unter einem Dach
Staatsanwälte, Polizisten, Wirtschafts- und Buchhaltungs-
fachkräfte sowie bei Bedarf Spezialisten anderer Ressorts
gebündelt“.2362
Von einer spezifischen, völkerrechtlichen, wehrstrafrech-
tlichen oder militärischen Expertise kann hier also keine
Rede sein, INES ist explizit auf eine funktionsübergrei-
fende Ermittlungstätigkeit in Verfahren aus dem Bereich
des Wirtschaftsstrafrechts im weiteren Sinne ausgerichtet.
Auch der bei INES nunmehr mit der Bearbeitung der
Sache befasste Leitende Oberstaatsanwalt S. verstand sich
selbst nicht als Spezialisten für dieses Verfahren: In ei-
nem Telefonat mit dem zuständigen Leitenden Rechtsbe-
rater des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
teilte er diesem mit,
„dass er noch nie mit einem Bundeswehrvorgang
zu tun gehabt habe“
und „bat um Übersendung von Unterlagen zum rechtli-
chen Rahmen der ISAF“.2363
Es fällt schwer, angesichts dieser Vorbedingungen nicht
auf die Idee zu kommen, hier sei gezielt eine Strafverfol-
gungsbehörde mit Ermittlungen in einem Bereich betraut
worden, die ausdrücklich nicht auf spezifische Vorkenn-
tnisse zurückgreifen konnte (stattdessen aber bereits
strukturell eine große Nähe zum Landesjustizministerium
aufwies).
bb) Grundlegende Ermittlungsdefizite
Folgerichtig beschränkten die Ermittlungen (bzw. „Vor-
ermittlungen“) sich auch im Weiteren darauf, auf das
Eintreffen des COM ISAF-Berichts zu warten und das
Einsatzführungskommando der Bundeswehr zu bitten,
„die dort vorhandenen bzw. entstehenden Unterlagen zu
dem Sachverhalt zu übermitteln und die Rechtsgrundla-
gen der deutschen Beteiligung an ISAF sowie des verfah-
rensgegenständlichen Einsatzes mitzuteilen“.2364 Den
Strafverfolgungsbehörden wurden einzelne Berichte über-
sandt, u. a. Sofort- und Folgemeldungen der Bundeswehr,
ein Schreiben des Gouverneurs der Provinz Kundus und
der Bericht der von Präsident Karzai eingesetzten Unter-
suchungskommission.
Seitens der Rechtsabteilung des Bundesverteidigungsmi-
nisteriums und des Rechtsberaters des Einsatzführungs-
kommandos der Bundeswehr, die für die Kommunikation
mit der Generalstaatsanwaltschaft zuständig waren, wurde
auf das (ohnehin geringe) Engagement der Ermittlungs-
behörden am 16.09.2009 mit der Anweisung reagiert:
2362) http://www.justiz.sachsen.de/gensta/content/679.htm.
2363) Dokument 170, Bl. 14.
2364) Mat. 17-52, Bl. 9.
Drucksache 17/7400 – 354 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„RB2365 EinsFüKdo hat mit R I 52366 abgestimmt,
nur solche Unterlagen an die StA zu übersenden,
die den rechtlichen Handlungsrahmen beschreiben
(ROE, SOP usw.). Dokumente, die Aussagen zum
Sachverhalt enthalten, sollten nicht übermittelt
werden.“2367
So wurde den Ermittlungsbehörden z. B. der IAT-Bericht
nicht übersandt, und dies – in Widerspruch zur Tatsachen-
lage – damit begründet, der Bericht sei „lediglich eine
vorläufige erste Feststellung unmittelbar nach dem Vor-
fall“, habe „keinen offiziellen Charakter“ und werde beim
Bundesverteidigungsministerium „als bloßer ‚Reisebe-
richt„ eingestuft“.2368 Auch der Bericht von Oberst Klein
vom 05.09.2009, der Feldjägerbericht, ein Bericht des
IKRK, die UNAMA-Liste über zivile Opfer sowie zahl-
reiche weitere bereits im September 2009 entstandene
Dokumente wurden den Ermittlungsbehörden erst zu-
gänglich gemacht, nachdem der Feldjägerbericht zum
Gegenstand der Medienberichterstattung geworden war
und sich die Konstituierung eines Untersuchungsaus-
schusses abzeichnete.
2369
Weder die Generalstaatsanwalt-
schaft Dresden noch die Bundesanwaltschaft hatten aller-
dings soweit ersichtlich bis zu diesem Zeitpunkt jemals
dezidiert nachgehakt, ob ihnen alle einschlägigen Unter-
lagen vorgelegt worden waren.
Nachhaltige Versuche der Strafverfolgungsbehörden,
mögliche Tatverdächtige oder Zeugen zu vernehmen –
insbesondere Personen, die in der Nacht des
03./04.09.2009 in irgendeiner Form in das Geschehen
involviert gewesen waren – gab es nicht. Ansätze, Ermitt-
lungen bezüglich der Anzahl und des Status (Kämpfer?
Zivilpersonen?) der Opfer des Luftangriffs anzustellen,
sind nicht ersichtlich.
cc) Verteidigungsaktivitäten des Ein-
satzführungskommandos der Bundeswehr
Während sich die Verteidiger der tatnächsten Personen
(Oberst Klein und JTAC Hauptfeldwebel W.) in den staat-
sanwaltschaftlichen Verfahren nicht nennenswert hervor-
taten, übernahmen es Angehörige des Einsatzführungs-
kommandos der Bundeswehr und des Bundesverteidi-
gungsministeriums, den Kontakt zu den Ermittlungsbe-
hörden zu suchen und zu halten, dort Rechtsgespräche
über eine potentielle strafrechtliche Verantwortlichkeit
von Bundeswehrangehörigen bzw. die Herleitung von
Rechtfertigungsgründen zu führen und eine Schutz-
schrift
2370
einzureichen. Bundeswehr und Bundesverteidi-
gungsministerium agierten damit nicht, wie es staatsrech-
tlich geboten gewesen wäre, mit der Neutralität und Ob-
jektivität von Bundesbehörden, die militärische Zusam-
2365) RB = Rechtsberater.
2366) R I 5 = Referat R I 5 der Abteilung Recht des Bundesverteidi-
gungsministeriums, zuständig u. a. für die Bereiche Rechtspflege
der Bundeswehr, Wehrdisziplinarordnung, Strafrecht.
2367) Mat. 17-35a, R I 5, Hefter 1, Bl. 39.
2368) Mat. 17-52, Bl. 7; Mat 17-54a, Ordner 4, Bl. 195.
2369) Mat. 17-35a, R I 5, Hefter 2, Bl. 161, und Hefter 3, Bl. 94.
2370) Mat. 17-35a, R II 3, Ordner 5, Bl. 199 ff., 202 ff.
menhänge verdeutlichten, Rechtsauskünfte zu den Ein-
satzregeln erteilten und Amtshilfe durch Weiterleitung der
ihnen zum Luftangriff vom 04.09.2009 vorliegenden
Erkenntnisse leisteten, sondern traten auf als einseitige
Interessenvertreter zugunsten Oberst Klein (und des Afg-
hanistaneinsatzes der Bundeswehr).
Am 18.09.2009 fand bei der Generalstaatsanwaltschaft
Dresden eine Besprechung mit Vertretern des Einsatzfüh-
rungskommandos insbesondere „zu den Rechtsgrundlagen
des Einsatzes und zur Sicherheitslage in der betroffenen
Region Afghanistans“ statt. Am 08.10.2009 schloss sich
eine Zusammenkunft mit Mitarbeitern des Bundesvertei-
digungsministeriums an, in der die „Rechtsgrundlagen
zum Militäreinsatz“ in Afghanistan „erörtert“ und poten-
tielle Ansätze für eine strafrechtliche Rechtfertigung des
Luftangriffs vom 04.09.2009 angesprochen wurden.
2371
Der Dresdner Generalstaatsanwalt hatte allerdings am
06.10.2009 vermerkt, er teile nicht die Auffassung, aus
den dem ISAF-Einsatz zugrunde gelegten UN-
Resolutionen sowie dem Bundestagsmandat zur Beteili-
gung am ISAF-Einsatz ergebe sich ein „gesetzesgleicher“
strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund.
2372
In Anknüpfung an die Besprechung vom 08.10.2009
wurde in einem Vermerk der Rechtsabteilung des Bun-
desverteidigungsministeriums – adressiert an das Büro
des Staatssekretärs Dr. Wichert – festgehalten:
„Bericht (...) zu Gespräch mit GStA Dresden:
1. Hauptproblemstellung für die GStA ist die
Übersetzung einer möglichen völkerrechtli-
chen Befugnis zum Handeln in einen Rech-
tfertigungsgrund i. S. des deutschen Straf-
rechts. Auch bei wohlwollender Prüfung kann
die GStA die dogmatische Herleitung nicht
erkennen.
2. Die strafrechtl. Rechtfertigung allein aus einer
mandatierenden VN-Sicherheitsratsresolution
abzuleiten, erscheine derzeit nicht nachvoll-
ziehbar (…). Leichter herleitbar wäre die
strafrechtl. Rechtfertigung allerdings wohl
dann, wenn eine Abstützung auf Humanitäres
Völkerrecht in Betracht käme, d. h. ein be-
waffneter Konflikt anzunehmen sei. (…)
4. Aus Sicht der GStA würde in so einem rechtl.
unklaren Fall zunächst ein Ermittlungsverfah-
ren eingeleitet und dann angeklagt werden, um
dem Gericht die Klärung dieser rechtl. Unsi-
cherheit zu überlassen.
5. GStA würde versuchen, von derartigem Vor-
gehen abzusehen; sie benötige allerdings auf
Grund von erheblichem öffentlichen und
internen Druck bereits vor der Übermittlung
des NATO-Berichtes eine stichhaltige und all-
2371) Vgl. Dokument 174, Bl. 46; Mat. 17-52, Bl. 22; Mat. 17-54a,
Ordner 4, Bl. 254.
2372) Vgl. Mat. 17-54a, Ordner 4, Bl. 252.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 355 – Drucksache 17/7400
gemein akzeptierbare dogmatische Herleitung
der Rechtfertigung für mandatskonformes
Handeln (…).
Seitens Leiter Ministerbüro wurde folgender
Handlungsbedarf in Bezug auf GStA Dresden
festgestellt:
1. Abt. Recht erstellt zusammen mit Planungs-
stab ein umfassendes rechtl. Grundsatzpapier,
das die dogmatische Herleitung der strafrechtl.
Rechtfertigung für mandatskonformes militä-
risches Handeln in den Einsätzen der Bun-
deswehr (generell; unabhängig von bestimm-
ten Einsätzen) darstellt. Dabei ist sowohl die
Herleitung des Rechtfertigungsgrundes als
auch dessen rechtl. Ausgestaltung so darzus-
tellen, dass dieses Papier als tragende Grund-
lage für die Beendigung des Verfahrens K.
durch die GStA Dresden dienen kann.
2. Das Papier muss der GStA jedenfalls vor der
Übermittlung des NATO-Untersuchungs-
berichtes vorliegen. (…)“2373
In der daraufhin erstellten Schutzschrift des Bundesver-
teidigungsministeriums, die der Generalstaatsanwaltschaft
Dresden am 21.10.2009 übersandt wurde, wird dann zwar
nicht explizit formuliert, die Bundesrepublik beteilige
sich in Afghanistan an einem nicht-internationalen be-
waffneten Konflikt – zur Definition der Befugnisse von
Bundeswehrsoldaten (und damit der Konstruktion eines
strafrechtlichen Rechtfertigungsgrundes für den Luftang-
riff vom 04.09.2009) wird aber ausdrücklich und nahezu
ausschließlich auf die für den nicht-internationalen be-
waffneten Konflikt geltenden Grundsätze des humanitä-
ren Völkerrechts abgestellt.
2374
Bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden wurde dieser
Sinneswandel mit Interesse zur Kenntnis genommen, wie
sich aus einem Vermerk vom 29.10.2009 ergibt:
„Bemerkenswert erscheint, dass das BMVg die
Anwendbarkeit des Rechts bewaffneter nationaler
Konflikte bejaht, wenn auch nur im Rahmen der
Schranken eines – ohne Rückgriff auf das ius in
bello – aus den Resolutionen des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen zum ISAF-Einsatz in Afg-
hanistan in Verbindung mit Artikel 24 Absatz 2
Grundgesetz und mit den auf Anträge der Bundes-
regierung ergangenen Beschlüssen des Deutschen
Bundestages abgeleiteten Rechtfertigungsgrundes.
Wegen der daraus folgenden grundsätzlichen Be-
jahung der Anwendbarkeit des VStGB ist eine
Mitteilung an den GBA angezeigt.“2375
Ob es sich hierbei um eine Kommunikationspanne han-
delte, ließ sich nicht feststellen – am 06.11.2009 gab die
Generalstaatsanwaltschaft Dresden das Verfahren an die
2373) Mat. 17-35a, R II 3, Ordner 3, Bl. 209/210.
2374) Mat. 17-35a, R II 3, Ordner 5, Bl. 199 ff., 202 ff.
2375) Mat. 17-54a, Ordner 4, Bl. 306.
Bundesanwaltschaft mit der Begründung ab, in Afghanis-
tan könne es sich um einen bewaffneten Konflikt im Sin-
ne des Völkerrechts handeln, insoweit sei zu prüfen, ob
eine Völkerstraftat in Betracht komme und die Zuständig-
keit des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof
gemäß §§ 120 Absatz 1 Nr. 8, 142a Absatz 1 GVG eröff-
net sei.
2376
Gegenüber dem sächsischen Justizministerium
begründete der zuständige Leitende Oberstaatsanwalt S.
die Verfahrensabgabe Anfang November 2009 damit,
nach Auswertung des COM ISAF-Berichts stünden Taten
nach dem Völkerstrafgesetzbuch im Raum, da dort „von
einer ‚übereilten Eskalation„“ ausgegangen werde; es
könne für eine Rechtfertigung von Bedeutung sein, ob der
Einsatz als „kriegsähnlich“ zu qualifizieren sei.2377
dd) Zügige Verfahrensabwicklung durch die
Generalbundesanwaltschaft
Bei der Bundesanwaltschaft wurde das Verfahren bis
März 2010 weiterhin als Prüfvorgang (ARP) geführt. Und
auch die Ermittlungstätigkeit der Bundesanwaltschaft
beschränkte sich im Wesentlichen darauf, beim Einsatz-
führungskommando der Bundeswehr die Überlassung von
Berichten anzumahnen und Vermerke zur Rechtslage zu
verfassen. Mögliche Zeugen oder Tatverdächtige wurden
über Monate hinweg weder gesucht noch befragt, es gab
keine Ermittlungsaktivitäten in Hinblick auf eine Feststel-
lung der Zahl oder des Status der Opfer des Luftangriffs.
Nachdem der Kundus-Untersuchungsausschuss sich im
Dezember 2009 konstituiert und im Februar 2010 Oberst
Klein sowie den JTAC Hauptfeldwebel W. und den J2X
der Task Force 47, Hauptmann N., vernommen hatte, bat
die Bundesanwaltschaft um Übermittlung der Ausschuss-
protokolle.
Ohne dass festzustellen wäre, dass in der Zwischenzeit
weitere Ermittlungsschritte erfolgt waren, wurde ein Zeit-
plan aufgestellt, nach dem am 12.03.2010 nunmehr end-
lich ein förmliches Ermittlungsverfahren einzuleiten und
dieses fünf bis sechs Wochen später, in der 15. oder 16.
Kalenderwoche, abzuschließen war. In diesem Dokument
waren sämtliche weiteren Ermittlungsschritte, insbeson-
dere die in diesem Ermittlungsverfahren zu erhebenden
Beweise bereits vorab festgelegt worden:
„Nachdem die tatsächlichen und rechtlichen Prü-
fungen, die im Rahmen des ARP-Vorganges erfol-
gen können, vor dem Abschluss stehen, ergibt sich
folgendes Zeitgerüst für die weiteren Schritte:
- Am 3. März 2010 wird Oberst Klein nach Mit-
teilung von Rechtsanwalt Prof. Dr. M. das
Protokoll des Untersuchungsausschusses ein-
sehen und gegebenenfalls Änderungen veran-
lassen. Im Anschluss daran ist kurzfristig mit
der Übersendung durch die Ausschussvorsit-
zende an den GBA zu rechnen.
2376) Mat. 17-35a, R I 5, Hefter 2, Bl. 22.
2377) Mat. 17-52, Bl. 33, E-Mail vom 05.11.2009.
Drucksache 17/7400 – 356 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
- Am 5. März 2010 überbringt Rechtsanwalt
Prof. Dr. M. die von Oberst Klein im Aus-
schuss abgegebene Stellungnahme, die VS-
Geheim eingestuft ist.
- Am 8. März 2010 wird der Aufbau einer BJs-
Akte vorbereitet.
- Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens als
Voraussetzung für Zeugen- und Beschuldig-
tenvernehmungen soll am 12. März 2010 er-
folgen. Gleichzeitig werden der Nachrichten-
offizier und der Storyboard-Führer als Zeu-
gen, Hauptfeldwebel W. und Oberst Klein als
Beschuldigte geladen.
- Die Vernehmungen sollen in der
12. Kalenderwoche (22. bis 26. März 2010) in
den Diensträumen des GBA stattfinden.
- Für die Auswertung der Vernehmungen und
die Fertigung der Abschlussverfügung ist –
auch unter Berücksichtigung der Osterferien –
ein Zeitbedarf von zwei Wochen anzusetzen.
Bis dahin sollten auch die noch ausstehenden
Protokolle des Untersuchungsausschusses und
alle erbetenen Zulieferungen des Einsatzfüh-
rungskommandos und des Bundesministe-
riums der Verteidigung vorliegen.
- Mit der Bekanntgabe der Entscheidung ist da-
her in der 15. oder 16. Kalenderwoche (12. bis
23. April 2010) zu rechnen.“2378
Dieser Zeitplan wurde eingehalten. Hinweise auf ergän-
zende Beweiserhebungen – etwa aufgrund sich aus den
Vernehmungen oder den übersandten Dokumenten erge-
bender weiterer Ermittlungsansätze – finden sich nicht.
Beeindruckend knapp ist insbesondere der für die Aus-
wertung der erhobenen Beweise und die Formulierung der
Einstellungsverfügung angesetzte „Zeitbedarf von zwei
Wochen“.
Schon am 16.04.2010 stellte die Bundesanwaltschaft das
fünf Wochen zuvor erst eingeleitete Ermittlungsverfahren
gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. wieder ein.
b) Verletzung des Amtsermittlungsgrund-
satzes
Die gesamte Behandlung der Angelegenheit durch die
deutschen Strafverfolgungsbehörden ist bereits in forma-
ler Hinsicht bemerkenswert – wenn nicht merkwürdig.
Verfahrensgegenstand war die vorsätzliche Tötung einer
großen Zahl von Menschen. Kämen bei einer Schießerei
auf einem belebten Bahnhofsvorplatz in Deutschland 100
bis 200 Menschen ums Leben, hätte das die sofortige
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen eines Tö-
tungsdelikts, die Beantragung von Haftbefehlen und einen
enormen Ermittlungsdruck zur Folge. Für die Tötung
einer so großen Anzahl von Menschen durch Bundes-
2378) Dokument 195, Bl. 384 f.
wehrangehörige in Afghanistan galt das offensichtlich
nicht.
Erst im Frühjahr 2010 – ein halbes Jahr nach dem Luft-
angriff in Kundus – waren endlich Ermittlungsaktivitäten
der Bundesanwaltschaft zu verzeichnen. Auch dabei wur-
de aber nur ein Minimalprogramm abgearbeitet, das nicht
geeignet ist, den Eindruck zu verwischen, hier seien bloße
pro forma-Ermittlungen ohne ernsthafte Auseinanderset-
zung mit den Beweisergebnissen geführt worden.
Vernommen wurden gerade einmal vier Personen: Oberst
Klein und der JTAC Hauptfeldwebel W. als Beschuldigte,
der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., und der story-
board writer der Task Force 47, Hauptfeldwebel V., als
Zeugen. Alle vier Personen hatten sich zum Zeitpunkt des
Luftangriffs in der Operationszentrale der Task Force 47
aufgehalten, waren also immerhin – neben den Besat-
zungsmitgliedern der F15-Bomber und den vom Luftang-
riff getroffenen Personen auf der Sandbank – die tatnäch-
sten Personen.
Sie waren allerdings auch sämtlich an der Operation be-
teiligt, als solche bereits Beschuldigte oder – wie die als
Zeugen vernommenen N. und V. – jedenfalls als Teilneh-
mer selbst potentiell tatverdächtig und damit weit davon
entfernt, „neutrale Zeugen“ zu sein. Nötig gewesen wäre
es daher, diese Personen aufmerksam und kritisch zu
vernehmen, mögliche Widersprüche herauszuarbeiten und
ihre Angaben anhand aller anderen greifbaren Erkenn-
tnismittel zu überprüfen.
Das hätte auch bedeutet, weitere Personen zum (Vor-)
Tatgeschehen und Nachtatverhalten zu vernehmen (un-
geachtet der Tatsache, dass diese Beweise ohnehin so
schnell wie möglich nach dem Luftangriff hätten erhoben
werden müssen, um zu verhindern, dass die Zeugen bis zu
ihrer Vernehmung bereits wesentliche Teile ihrer Wahr-
nehmungen wieder vergessen hatten), also:
– die Mitglieder des Field HUMINT Team der
Task Force 47, die in der Operationszentrale ein- und
ausgingen und in Kontakt mit dem Informanten stan-
den;
– die in der Operationszentrale zeitweilig anwesenden
BND-Mitarbeiter zu ihren Wahrnehmungen im Vor-
feld des Bombenangriffs;
– den von der Task Force 47 einsetzten Sprachmittler,
der z. B. hätte berichten können, welche Fragen er
nach den Vorgaben aus der Operationszentrale an den
Informanten stellen sollte und welche Informationen
er von diesem erhalten und weiterkommuniziert hat-
te;
– weitere Angehörige des PRT Kundus zu ihren Wahr-
nehmungen am Abend vor dem Luftangriff und in-
sbesondere in den Stunden und Tagen danach: z. B.
wie sich die in der Operationszentrale der
Task Force 47 agierenden Personen zur Durchfüh-
rung des Luftangriffs, ihren Wahrnehmungen und ih-
ren Beweggründen geäußert hatten;
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 357 – Drucksache 17/7400
– den Feldjägerführer, der den Feldjägerbericht verfasst
hatte, zu der Frage, was er anlässlich seines Auf-
enthalts im PRT Kundus – auch von Dritten – über
die Hintergründe des Luftangriffs erfahren hatte und
wie sich die involvierten Personen nach seiner Kenn-
tnis dazu verhielten.
Ferner hätte z. B. auch versucht werden müssen, die afg-
hanischen Zeugen, hier besonders den überlebenden
Tanklastzugfahrer, sowie weitere ausländische Zeugen,
den Informanten der Task Force 47, die Besatzungsmitg-
lieder der F15-Bomber sowie des B1-Bombers, die in der
Flugleitzentrale, im OCC-P und im Headquarter RC
North eingesetzten Personen zu vernehmen, auch wenn
hierzu der Weg internationaler Rechtshilfe hätte beschrit-
ten werden müssen.
Und schließlich wäre es geboten gewesen, Ermittlungen
dazu anzustellen, wie viele Menschen durch den Luftang-
riff getötet und verletzt worden waren und wie viele Zi-
vilpersonen sich darunter befanden.
Es ist nicht ersichtlich, dass seitens der Bundesanwalt-
schaft eine angemessene Auseinandersetzung mit der
Frage der Glaubhaftigkeit der Angaben der wenigen ver-
nommenen Personen, insbesondere der Angaben von
Oberst Klein, des JTAC Hauptfeldwebel W. und des J2X
Hauptmann N., erfolgte. Dass alle vier bei der Bundesan-
waltschaft vernommenen Personen, die Beschuldigten
ebenso wie die Zeugen, ein Interesse daran hatten, ihre
eigenen (potentiellen) Tatbeiträge so harmlos wie möglich
darzustellen – und sich ggf. auch gegenseitig zu schützen
oder sich gegenseitig Verantwortung zuzuschieben –,
liegt auf der Hand und hebt sich auch nicht in einem qua-
si-mathematischen Prozess gegeneinander auf.
Dennoch wurden weder die zahlreich vorhandenen Wi-
dersprüche in den Angaben dieser vier Personen aufgear-
beitet, noch die Widersprüche, die sich zwischen diesen
Angaben und weiteren der Bundesanwaltschaft vorlie-
genden Erkenntnissen ergaben, etwa den dem
COM ISAF-Bericht beigefügten Verschriftlichungen der
Befragungen von über 30 Personen, die zu ihren Kenn-
tnissen über den Luftangriff vom 04.09.2009 angehört
worden waren. Allein aus den Angaben der Besatzungs-
mitglieder des B1-Bombers sowie der F15-
Bomberflugzeuge ergeben sich deutliche Anhaltspunkte
dafür, dass der Sachverhalt sich stark von dem unter-
schieden haben könnte, was die Beschuldigten und Zeu-
gen gegenüber der Bundesanwaltschaft schilderten.
Die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Angehörigen des
PRT Kundus und der Task Force 47 wurde seitens der
Bundesanwaltschaft scheinbar schlicht nicht hinterfragt,
was sich bereits am Fehlen kritischer oder konfrontativer
Nachfragen in den protokollierten Vernehmungen zeigt.
c) Materiellrechtliche Fehlbewertung als
Grundlage der Verfahrenseinstellung
durch die Bundesanwaltschaft
Der äußerst bedenkliche, wenn nicht bereits rechtsstaats-
widrige, strafverfahrensrechtliche Umgang mit dem Luft-
angriff vom 04.09.2009 wird flankiert von einer materiell-
strafrechtlichen Bewertung des Geschehens, die eine
adäquate Problemsicht vermissen lässt.
Materiell-strafrechtliche Kreativität und ein besonderer
Verfolgungswille lassen sich den Strafverfolgungsbehör-
den in diesem Verfahren, in dem es um die gezielte Tö-
tung einer großen Zahl von Menschen ging, nicht unters-
tellen – im Gegensatz etwa zu Ermittlungsverfahren, in
denen Beschuldigten vorgeworfen wird, Sachbeschädi-
gungen an Rüstungsgütern begangen oder dazu aufgeru-
fen zu haben.
Die Bundesanwaltschaft kommt in ihrer Einstellungsver-
fügung vom 16.04.2010 zu dem soweit ersichtlich zutref-
fenden Ergebnis, der Luftangriff vom 04.09.2009 sei
tatbestandlich als Mord mit gemeingefährlichen Mitteln
zu bewerten. Präzise Feststellungen zur absoluten Zahl
der Opfer gibt es nicht, fest steht aber, dass ein großer
Teil der Opfer Zivilisten waren.
Weiter nimmt die Bundesanwaltschaft – unzutreffend –
an, dieses den Tatbestand eines Tötungsdelikts erfüllende
Handeln der Beschuldigten sei nicht rechtswidrig, in
diesem Fall also nicht strafbar.
Die Bundesanwaltschaft legt dabei die – grundsätzlich
vertretbare – Rechtsauffassung zugrunde, ein strafrechtli-
cher Rechtfertigungsgrund, der die Rechtswidrigkeit eines
Verhaltens entfallen lasse und damit zur Straffreiheit
führe, könne sich nicht allein aus dem nationalen Recht,
also z. B. dem deutschen Strafgesetzbuch, ergeben, son-
dern auch aus übergeordneten Rechtsprinzipien abgeleitet
werden, hier: dem humanitären Völkerrecht. Dahinter
steht der Gedanke, dass ein Verhalten, das rechtlich an
sich zulässig ist, nicht strafbar sein kann.
Fehlerhaft ist aber die Anwendung dieses Prinzips auf den
konkreten Fall: Die Bundesanwaltschaft stützt ihre Ein-
stellungsverfügung nämlich auf die Annahme, der Luft-
angriff vom 04.09.2009 sei sowohl in Hinblick auf die
Tötung von Aufständischen Kämpfern als auch in Bezug
auf die Tötung und Verletzung einer Vielzahl von Perso-
nen aus der Zivilbevölkerung völkerrechtlich zulässig
gewesen. Und nur aufgrund dieser rechtlich unzutreffen-
den Bewertung gelangt sie zu ihrem Ergebnis, der Luft-
angriff sei strafrechtlich gerechtfertigt gewesen und das
Verhalten der Personen in der Operationszentrale der
Task Force 47 damit im Ergebnis nicht strafbar.
Zu dieser Einschätzung konnte die Bundesanwaltschaft
allerdings nur gelangen, indem sie die Angaben der Be-
schuldigten zum Teil ausblendete, zum Teil einseitig
wertete, und entscheidende Prinzipien des humanitären
Völkerrechts unberücksichtigt ließ. Dass der Luftangriff
in Kundus völkerrechtlich nicht erlaubt gewesen war,
wurde oben S. 335 f. (Teil 4, Abschnitt B.II.2.) ausführ-
Drucksache 17/7400 – 358 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lich begründet. In der Konsequenz liegt ein Verstoß gegen
zwingende völkerrechtliche Schutzvorschriften vor –
Durchführung eines Luftangriffs ohne wirksame War-
nung, die Zivilpersonen erlaubt hätte, sich vom Angriffs-
ort zu entfernen –, der ursächlich für die Tötung einer
Vielzahl von Zivilpersonen auf der Sandbank im Kundus-
Fluss gewesen war.
Ein völkerrechtswidriges Verhalten kann aber – entspre-
chend des gerade dargelegten Grundsatzes – nicht als
Grundlage der Ableitung eines aus dem humanitären
Völkerrecht entnommenen strafrechtlichen „Rechtferti-
gungsgrundes“ in Hinblick auf die Tötung einer Vielzahl
von Zivilisten, die gerade in Folge dieses Rechtsverstoßes
umkamen, herangezogen werden (weil das humanitäre
Völkerrecht das Vorgehen der Bundeswehrangehörigen
eben nicht erlaubte).
Die Annahme der Bundesanwaltschaft, das Verhalten der
Personen in der Operationszentrale der Task Force 47 in
der Nacht des 04.09.2009 sei nicht strafbar, weil ein
Rechtfertigungsgrund greife, lässt sich daher noch nicht
einmal auf Basis der von der Bundesanwaltschaft selbst
herausgearbeiteten Prämissen halten.
d) Einflussnahme der Bundesregierung
Eine direkte Einflussnahme der Bundesregierung auf den
Gang und das Ergebnis der Ermittlungen sowie die rech-
tliche Bewertung der Bundesanwaltschaft ist mittels der
dem Untersuchungsausschuss zugänglich gemachten
Beweismittel nicht nachweisbar.
Der Umgang mit diesem Verfahren durch einem Landes-
justizministerium und dem Bundesjustizministerium un-
mittelbar unterstellte Strafverfolgungsbehörden offenbart
aber, dass es – mindestens – eine deutliche, politisch
determinierte gesellschaftliche Stimmungslage in der
BRD gibt, die den Ermittlungsbehörden vermittelte, dass
eine allzu gründliche, den Bundeswehreinsatz in Afgha-
nistan in ein ungünstiges Licht stellende Suche nach der
strafprozessualen Wahrheit unerwünscht ist.
III. „Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode
gekommene Mensch … einer zu viel“
2379
Gegenstand des Untersuchungsauftrags ist es nicht nur,
festzustellen, ob der Luftangriff vom 04.09.2009 regel-
konform war – diese Frage wurde gerade im vorangegan-
genen Abschnitt II. verneint –, sondern auch, welche
Lehren daraus zu ziehen sind.
1. Kein effektiver Schutz der Zivilbevölkerung
im bewaffneten Konflikt
Gegenstand und Zielvorgabe des humanitären Völker-
rechts ist u. a. der Schutz der Zivilbevölkerung im Krieg.
2379) Regierungserklärung Bundeskanzlerin Dr. Merkel vom
08.09.2009, BT-PlPr. 16/233 (Dokument 6), S. 26298.
Selbst die Einsatzregeln der ISAF-Truppen schenken
allen erdenklichen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbe-
völkerung große Aufmerksamkeit. General McChrystal in
seiner damaligen Funktion als ISAF-Kommandeur hatte
im Juli 2009 eine Tactical Directive herausgegeben, in der
er – getreu dem Ziel, „die Bevölkerung zu gewinnen“, um
den Krieg zu gewinnen – spezifische Vorgaben zu einem
schonenderen Umgang mit der Bevölkerung formulierte,
um die Zahl bei Einsätzen der ISAF-Kontingente getöte-
ter Zivilisten zu senken.
Die Bundeswehrangehörigen werden vor ihrem Afghanis-
taneinsatz Schulungen unterzogen und dabei sowohl über
die Einsatzregeln unterrichtet als auch über die Regeln
des humanitären Völkerrechts. Zu Gunsten der Bundes-
wehr ist zu unterstellen, dass alles getan wird und wurde,
um die Soldaten – insbesondere Kommandeure wie
Oberst Klein – mit allen für Einsätze im Rahmen des
ISAF-Mandates voraussichtlich relevanten rechtlichen
Aspekten vertraut zu machen.
Dennoch hat Oberst Klein durch sein Verhalten gezeigt,
dass er weder damit vertraut war, dass das humanitäre
Völkerrecht unter den gegebenen Umständen – und zwar
sogar den von Oberst Klein selbst erkannten, nämlich der
Anwesenheit von „Sympathisanten“ bzw. „Unterstützern“
der Aufständischen – einen Angriff ohne Vorwarnung
klar verbot, noch, dass die ISAF-Einsatzregeln es ihm per
se schon nicht erlaubten, einen Angriff wie den von ihm
befohlenen ohne Einbindung seiner Vorgesetzten bzw.
ohne vorherige Durchführung eines Verfahrens zur dy-
namischen Zielzuweisung durch höherrangige ISAF-
Stellen anzufordern. Dass Oberst Klein bei der Anwen-
dung der relevanten Rules of Engagement (ROE) unzu-
reichende Kenntnisse der Einsatzregeln offenbarte, wurde
ihm vom ISAF Joint Investigation Board attestiert.
2380
Oberst Klein musste im Untersuchungsausschuss eben-
falls einräumen, dass er keine Ahnung von den Regeln der
dynamischen Zielzuweisung hatte.
2381
Es bleibt das traurige Fazit, dass durch die falsche und
fehlerhafte Entscheidung zur Bombardierung durch
Oberst Klein mehr als 100 Zivilisten ihr Leben, Familien
ihre Väter und Söhne verloren haben. Nicht unerwähnt
bleiben sollte, dass der Kampf der betroffenen Familien
um Entschädigungsleistungen nicht unmaßgeblich da-
durch erschwert wird, dass Oberst Klein im Anschluss an
den von ihm rechtswidrig befohlenen Luftangriff das
gebotene Battle Damage Assessment unterließ.
Es erscheint mehr als zweifelhaft, ob eine „bessere“ Aus-
bildung oder eine „klarere“ Formulierung von Regelun-
gen etwas daran hätten ändern können, dass Oberst Klein
dieses Bombardement befahl. Das humanitäre Völker-
recht und die auf seine Einhaltung gerichteten Einsatz-
vorgaben des ISAF-Regelwerks sind die offiziellen
Grundlagen der Kriegsführung in Afghanistan, und den-
noch wird immer wieder dagegen verstoßen. Das mag
2380) Vgl. hierzu Teil 2, D.II.6. a.E. sowie Mat. 17-22a, GI Schneider-
han Ordner 3, Bl. 267.
2381) Vgl. oben S. 332 (Teil 4, B.II.1.a)).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 359 – Drucksache 17/7400
auch mit menschlicher Unzulänglichkeit zu tun haben,
mehr noch aber mit der Einsatzwirklichkeit. Daher ist die
Lektion, die sich aus diesen Vorgängen erlernen lässt die,
dass es nicht möglich ist, einen „sanften“ Krieg zu führen.
Die größten Opfer beim Einsatz von Kriegswaffen bringt
stets die Zivilbevölkerung, zumal in den mehr und mehr
technisierten militärischen Engagements der Moderne.
Daher sind deutsche Beteiligungen an solchen Krieg-
seinsätzen abzulehnen.
2. Keine Wiedergutmachung für die Opfer
Die Opfer des Luftangriffs wurden – soweit bekannt – bis
heute von der Bundesregierung nicht adäquat entschädigt.
Auf großen öffentlichen Druck hin hatte die Bundesregie-
rung zunächst lediglich ein sog. „Soforthilfeprogramm“
aufgelegt, in dessen Rahmen allerdings nur Dinge des
täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Decken, Öl etc. ver-
teilt wurden. Die Hilfe wurde im Frühjahr 2010 an 1.200
Personen ausgeliefert. Grundlage für die Verteilung war-
en – unter anderem, aber nicht ausschließlich, denn die
Bundesregierung betonte ausdrücklich, diese Hilfe stehe
in keinem Zusammenhang mit dem Luftangriff vom
04.09.2009 – die von der Zeugin Dr. Erfan im Untersu-
chungsausschuss genannten Listen von Opfern aus sechs
Dörfern.
Im Sommer 2010 – kurz vor dem Jahrestag des Luft-
schlags und nachdem Verhandlungen mit Rechtsanwälten
der Opfer medienwirksam für gescheitert erklärt worden
waren – teilte die Bundesregierung mit, an 86 Familien
von Opfern des Luftangriffs vom 04.09.2009 seien je-
weils 3.800 Euro gezahlt worden. Ermittelt worden waren
die Empfänger dieser Zahlungen auf Basis einer Aufstel-
lung der afghanischen Menschenrechtskommission
AIHRC. Das Bundesverteidigungsministerium versäumte
aber nicht, sogleich wieder ausdrücklich darauf hinzuwei-
sen, es handele sich hierbei nur um eine „freiwillige hu-
manitäre Hilfsleistung“ und das Geld stelle keine „Ent-
schädigung im Rechtssinne“ für die Verletzten und die
Angehörigen der Toten des Luftangriffs dar.
Weder wurde danach differenziert, wie viele Opfer eine
einzelne Familie zu beklagen hatte, noch wer die Opfer
waren (d.h. welche Funktion sie im Familienverband
hatten und wie viel Anteil sie z. B. bis zum Luftschlag an
der Erwirtschaftung des Lebensunterhalts gehabt hatten),
noch ob die Opfer getötet oder verletzt worden waren
bzw. wie schwerwiegend ihre Verletzungen waren. Eine
Opferfamilie, die mehrere Angehörige verloren hatte,
erhielt genau so viel, wie eine Familie, die „nur“ ein ver-
letztes Opfer zu beklagten hatte. Jede Familie erhielt
„pauschal“ diese 3.800 Euro. Allerdings nicht in bar. Der
Betrag wurde bei einer afghanischen Bank hinterlegt, und
es hieß, die Angehörigen hätten jeweils Zugriff auf ein
personalisiertes Konto – was bedeutete, dass in den meis-
ten Fällen tatsächlich jeweils nur ein männliches Fami-
lienoberhaupt an das Geld gelangen konnte, was wiede-
rum bedeutete, dass nicht gewährleistet war, dass die
Witwen genug von der „freiwilligen humanitären Hilfs-
leistung“ erhielten, um ihre Familien ernähren zu können.
Eine angemessene (oder auch nur als Entschädigung be-
zeichnete) Schadensersatzleistung haben die Opfer bzw.
die Angehörigen der Opfer von der deutschen Bundesre-
gierung also nicht erhalten. Um einen Zufall dürfte es sich
dabei nicht handeln. Die Bundesregierung ist ganz offen-
bar verzweifelt bemüht, in keinem Fall eine Rechtspflicht
zur Gewährung von Entschädigungsleistungen anzuer-
kennen und damit ein Fehlverhalten von Angehörigen der
Bundeswehr oder des Bundesverteidigungsministeriums
einzuräumen.
Die Gründe dafür erschließen sich aus einem sowohl an
Verteidigungsminister Guttenberg als auch an die Staats-
sekretäre Dr. Wichert und Wolf adressierten Vermerk aus
der Rechtsabteilung des Bundesverteidigungsministe-
riums vom 24.11.2009 zu „Staatlichen Haftungsfragen im
Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ und
einer aufgehefteten handschriftlichen Notiz, die sich unter
den Akten aus dem Büro des Staatssekretärs im Bundes-
verteidigungsministerium Wolf fanden. Der Vermerk vom
24.11.2009 befasste sich mit der Frage, inwieweit sich aus
dem Luftschlag in Kundus für Geschädigte individual-
rechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Bundesre-
publik Deutschland ergeben könnten, entweder – nach
deutschem innerstaatlichen Recht – in Anknüpfung an
Amtspflichtverletzungen deutscher Soldaten oder, ent-
sprechend der Argumentation der Beschwerdeführer im
noch beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfah-
ren wegen des NATO-Luftangriffs vom 30.05.1999 auf
die Brücke von Varvarin, aus Normen des Völkerrechts.
In Ziffer 25 des Vermerks vom 24.11.2009 wird – ersich-
tlich zur Risikominimierung – dazu geraten, „eine gütli-
che Einigung mit Hilfe sog. ex gratia payments“, also
Zahlungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, anzust-
reben.
2382
Die aufgeheftete handschriftliche Anmerkung hierzu
lautete:
„1) Rechtl., auch außergerichtliche Einigung
kommt m.E. zum jetzigen Zeitpunkt nicht in
Betracht (neben den rechtl. Gründen des
Vermerks auch Schutz O. Klein im laufenden
Prüfungsverfahren Bundesanwaltschaft).
2) Daher ist zu prüfen, ob gütl. Einigung (vgl.
Ziff. 25) ohne präjudizierende Wirkung mög-
lich und auf welchem Wege dies sinnvoll er-
scheint (wie haben wir das bisher – erfolg-
reich – gemacht?)“.2383
Das Handeln im Bundesverteidigungsministerium war
also in jeder Hinsicht darauf konzentriert, alles zu ver-
meiden, was darauf hinweisen könnte, der Luftangriff von
Kundus könne unter irgendeinem Gesichtspunkt pflicht-
widrig gewesen sein – und damit sowohl Oberst Klein vor
2382) Mat. 17-42, Büro StS Wolf, Ordner 7, Bl. 140 ff., 143.
2383) Mat. 17-42, Büro StS Wolf, Ordner 7, Bl. 140 ff., 143.
Drucksache 17/7400 – 360 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Strafverfolgung zu schützen, als auch die Bundesrepublik
vor der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
Die Interessen der Opfer mussten angesichts dieser
Schwerpunktsetzung bislang zurücktreten.
Oberst Klein hingegen wurde etwa ein Jahr nach dem
Befehl zur Bombardierung der Tanklastzüge von der
Bundesregierung sogar faktisch für sein Vorgehen be-
lohnt. Er wurde in die Besoldungsstufe B3 befördert,
2384
erhält so monatlich 600 Euro mehr und wechselt in den
Führungsstab des Heeres im Bundesverteidigungsministe-
rium in Bonn. Wie sehr das Verteidigungsministerium
darum bemüht ist, negative Auswirkungen der öffentli-
chen Debatte und der (wenn auch nur oberflächlichen)
juristischen Aufarbeitung des Tanklastzugbombardements
auf die Einsatzmoral der Truppe zu vermeiden, erläuterte
Staatssekretär Christian Schmidt auf Nachfragen der
Abgeordneten Christine Buchholz in der Fragestunde des
Bundestages am 06.10.2010:
„Ihre schwierige Tätigkeit [Anm.: die Tätigkeit
von Soldaten im Auslandseinsatz] bringt auch mit
sich, dass man unter Umständen – Sie haben den
Bundesminister zitiert – nicht angemessen handelt
und doch schnell handeln muss. Wenn eine indi-
rekte Bestrafung durch Gehaltsabzug möglich wä-
re, dann würden unsere Soldaten – diesen Ein-
druck habe ich – ein hohes Maß ihrer Motivation
verlieren, den gefährlichen Dienst, in den wir sie
stellen, dann nicht nur nach Auftrag und Recht,
sondern auch mit einem inneren Engagement zu
erledigen.“2385
Der Einsatzfähigkeit oder konkret der Kampfmoral der
Truppe wird vom Bundesverteidigungsministerium also
eindeutig der Vorrang eingeräumt vor einer rechtsstaatli-
chen Aufarbeitung der Vorgänge.
3. Das Gesicht des Krieges
Der Luftschlag von Kundus ist auch eine Mahnung, ge-
nauer hinzusehen, was der Krieg in Afghanistan für die
Bevölkerung dieses Landes gebracht hat.
Die beiden Abgeordneten der Bundestagsfraktion DIE
LINKE. und Mitglieder im Untersuchungsausschuss,
Christine Buchholz und Jan van Aken, sind im Februar
2010 auf einer Reise nach Afghanistan auch mit Angehö-
rigen von Opfern des Luftangriffs von Kundus zusam-
mengekommen. Diese haben ihnen berichtet, welche
Folgen der Luftangriff für ihr Leben und das ihrer Fami-
lien hatte. Die Witwe L. z. B. hat ihre beiden 13 und 15
Jahre alten Söhne durch den Bombenangriff verloren.
Beide hatten sie dabei unterstützt, die Familie zu versor-
gen, der eine kümmerte sich um die Kuh der Familie, der
andere bestellte das Feld. L. muss jetzt auch diese Arbei-
ten allein erledigen, sie ist auf Leihgaben der Verwandten
angewiesen und kann ihre fünf weiteren kleinen Kinder
kaum ernähren. Eine alte Frau namens B. hat bei dem
2384) BT-PlPr. 17/64, S. 6738.
2385) BT-PlPr. 17/64, S. 6739.
Luftschlag drei ihrer Enkelkinder verloren. Beim Treffen
mit den Bundestagsabgeordneten weinte sie und klagte:
„Wäre ich nicht arm, hätten wir kein Benzin ge-
braucht.“
Nur 20 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Landes
in Afghanistan werden bebaut. 85 Prozent der Bevölke-
rung sind Bauern, aber 70 Prozent von ihnen haben keine
Arbeit. Die Situation der Menschen in der Hauptstadt
Kabul ist kaum besser. Die Stadt ist gezeichnet vom
Krieg. Viele Gebäude sind zerstört, nur ein Teil der Stra-
ßen ist befestigt. Eine schmutzige Dunstglocke hängt über
der Stadt. In Müllhaufen kann man Schafherden sehen,
die Unrat fressen. Auf den Straßen sind viele Kriegsver-
letzte.
Die Lage in Afghanistan spiegelt sich auch in den Aussa-
gen der von dort angereisten Zeugen Dr. Habibe Erfan
und A. M. vor dem Untersuchungsausschuss. Der Zeuge
A. M., Fahrer eines der beiden bombardierten Tanklaster,
entgegnete auf die Frage, ob er auch nach seinen trauma-
tischen Erlebnissen vom 03./04.09.2009 noch Tanklaster
durch Afghanistan fahre:
„In Afghanistan gibt es ja keinen Beruf mehr.
Entweder ist man Lastwagenfahrer, oder man ist
am Bau tätig, oder man muss ein Gewehr nehmen
und mit Gewehren sein Geld verdienen. Mehr be-
rufliche Tätigkeit gibt es nicht. Für mich gibt es al-
so diese Lastwagenfahrtätigkeit.“2386
Die Zeugin Dr. Erfan äußerte sich gegenüber den Mitg-
liedern des Untersuchungsausschusses zu den Nöten gro-
ßer Teile der Bevölkerung und erklärte, die Menschen
seien zu den später von ISAF bombardierten Tanklastern
gekommen, weil sie das Benzin aus den Tanks dringend
benötigt hätten:
„Sie sind wegen des Benzins dort hingegangen.
Die Leute sind sehr arm, und das war dann eine
gute Gelegenheit, etwas Benzin abzuzapfen.“2387
Mit ihren Recherchen zum Luftangriff von Kundus setzte
Frau Dr. Erfan sich in Widerspruch zur offiziellen Linie
der von ISAF unterstützten afghanischen Regierung:
„Wir sind also Aktivisten in diesem Land. (…)
Wir haben dann auch mit GTZ und anderen inter-
nationalen Organisationen unsere Zusammenarbeit
fortgesetzt. Wir (…) konnten in die Lage versetzt
werden, uns in den Provinzrat wählen zu lassen.
Viele Frauen in der Provinz Kunduz und viele
Menschen haben uns gewählt, sodass wir auch ins
afghanische Parlament kommen konnten.
(…)
Unsere Aktivitäten haben dazu geführt, dass nach
der Bombardierung in Kunduz einige Leute, die
durch das Bombardement betroffen waren, zu uns
gekommen waren und natürlich dann ihr Anliegen
2386) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 20.
2387) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 361 – Drucksache 17/7400
vorgetragen haben. Man hat uns erzählt, dass viele
Frauen durch dieses Bombardement Witwen ge-
worden sind und dass sie jetzt eine sehr schwierige
Lage haben.
(…)
Wir haben dann in der Zwischenzeit erfahren, dass
viele Zivilisten und auch Leute, die Kämpfer war-
en, getötet worden sind. Aber die afghanische Re-
gierung hat behauptet, auch die lokale Regierung
hat behauptet, dass in Kunduz die Zivilbevölke-
rung nicht getötet worden ist, sondern es waren
Kämpfer und Oppositionelle, die in diesem Bom-
bardement getötet worden sind. Aber die Bevölke-
rung dort war Zeuge. Die Krankenhäuser sind voll.
Sie haben als Augenzeugen gesehen, dass viele
Leute, Zivilbevölkerung, getötet worden sind und
dass sie auch in Krankenhäuser gebracht wurden
und ein Teil von ihnen auch im Krankenhaus ge-
storben ist.
(…)
Wir haben uns zusammengetan gegen die afghani-
sche Regierung, um die Wahrheit zu erfahren.
Aufgrund unserer Aktivitäten war es, dass die lo-
kale Regierung in Kunduz ihre Stellungnahme zu-
rücknahm und dann eine Version der Geschichte
erzählte. Und dann kam es zu einer anderen An-
zahl, zu einer anderen Statistik der getöteten Men-
schen. Da die Bevölkerung selber Zeuge war, wie
viele Menschen dort getötet worden sind, war sie
unzufrieden, dass die Wahrheit nicht ans Tages-
licht kommt.“2388
Frau Dr. Erfan reagierte im Untersuchungsausschuss sehr
zurückhaltend auf Fragen nach den Taliban und politi-
schen Fragen im Allgemeinen, und bestätigte, dass dies
damit zusammenhänge, dass sie sich Bedrohungen ausge-
setzt sah:
„Ja. Mehrmals sind wir bedroht worden. Wir ha-
ben diese Bedrohung angenommen. Auch jetzt
könnten uns Gefahren drohen.
(…)
Auch jetzt hier gegenwärtig habe ich Angst. Wäh-
rend der Wahlkampagnen bekam ich Drohungen.
Man sagte, ich solle meine Kinder nehmen und
weggehen. Es gab permanent Drohungen. Kann
sein, dass ich, wenn ich zurückkehre, nicht in
Kunduz lebe, sondern vielleicht in Kabul leben
werde aufgrund der Gefahren.“2389
Nicht mehr nur aufgrund ihrer politischen Aktivitäten und
ihrer Menschenrechtsarbeit für die NGO Afghan Women
and Gender Rights Protection Organisation, sondern auch
mit ihren Nachforschungen über den Luftschlag war sie
sowohl der Regierung als auch den Taliban ein Dorn im
Auge geworden. Die Situation hat sich tatsächlich in der
2388) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 3.
2389) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 18.
Zwischenzeit so verschärft, dass Frau Dr. Erfan Kundus
verlassen musste.
Für die meisten Menschen in Afghanistan bedeutet der
Krieg extreme Armut, Vertreibung, und Gefahr für Leib
und Leben. Hunderttausende befinden sich auf der Flucht.
Unter dem Krieg leiden besonders die afghanischen Frau-
en. Lediglich wohlhabende Frauen leben heute zum Teil
besser, so wie insgesamt vor allem eine kleine wohlha-
bende Schicht von der Präsenz der ISAF-Truppen profi-
tiert.
Für die Mehrheit der Menschen in Afghanistan hat sich
die soziale Lage dagegen nicht nachhaltig verbessert, sie
bleibt für Viele unerträglich. Über 80 Prozent der Bevöl-
kerung leben in absoluter Armut auf dem Land. Laut
medico international sind 50 bis 70 Prozent der erwerbs-
fähigen Afghanen ohne regelmäßiges Einkommen. Ein
Großteil der Bevölkerung hat – wenn überhaupt – nur
wenige Stunden am Tag Zugang zu elektrischem Strom,
die Situation ist damit sogar gegenüber der noch vor we-
nigen Jahren herrschenden schwieriger geworden. Selbst
in der Hauptstadt Kabul sind die Probleme mit der Trink-
wasserversorgung und Entsorgung von Abwässern drama-
tisch. Die Bevölkerung hat sich dort in den letzten Jahren
auf fünf Millionen verzehnfacht, aber die Stadt hat kein
Abwassersystem.
Dass eine nachhaltige Entwicklung nicht in Gang ge-
bracht wurde, hängt elementar damit zusammen, dass die
Wirtschaftspolitik der afghanischen Regierung unter dem
Druck der westlichen „Berater“ vor allem darauf ausge-
richtet wurde, Afghanistan dem kapitalistischen Welt-
markt zu öffnen. Die neoliberale Ideologie, wonach Glo-
balisierung und Marktöffnung per se heilsbringend seien,
wurde dem Land übergestülpt und in praktische Politik
übersetzt. Investitionsschutzabkommen garantieren aus-
ländischen Unternehmen den unbeschränkten Zugang zu
den afghanischen Märkten und begrenzen das finanzielle
Risiko durch Zollreduzierungen, Steuerbefreiungen, Pri-
vatisierungen von Staatsbetrieben bei gleichzeitigem
Verbot von Enteignungen. Der Schutz ausländischen
Kapitals ist Ziel der afghanischen Verfassung. Eine ei-
genständige wirtschaftliche Entwicklung des Landes
bleibt so auf der Strecke.
Afghanistan ist Spielball der Interessen der NATO-
Staaten. Die Afghanen bezahlen den Preis für die geostra-
tegisch bedeutsame Lage ihres Landes. Es grenzt an den
russisch dominierten Raum im Norden, an China im Os-
ten, die Erdölregion vom Kaspischen Meer über Iran bis
Saudi-Arabien im Westen und an die Konfliktzone zwi-
schen Indien und Pakistan im Süden. Wer diesen Raum
kontrolliert, der hat Verfügungsmacht über wichtige
Quellen des Reichtums, der hat auch entsprechendes
politisches Gewicht. In den zentralasiatischen Ländern
Kasachstan und Turkmenistan liegen einige der größten
Öl- und Gasfelder, die in den letzten Jahren entdeckt
wurden. Diese Energieressourcen müssen über Pipelines
in die Abnehmerländer gebracht werden. Afghanistan ist
auch in dieser Hinsicht ein wichtiges Transitland. Darüber
hinaus wollen die USA und führende NATO-Staaten
Drucksache 17/7400 – 362 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Stärke gegenüber den konkurrierenden Wirtschaftsmäch-
ten China und Indien zeigen. Die Bundesregierung hofft
zudem, als drittgrößter Truppensteller die Bedeutung
Deutschlands innerhalb der NATO, der Vereinten Natio-
nen und des Internationalen Währungsfonds zu steigern.
Auch dafür sterben Menschen am Hindukusch.
Große Teile der Bevölkerung lehnen die Regierung des
Präsidenten Karzai ab oder verachten sie sogar. Das ist
auch darauf zurückzuführen, dass es ein hohes Maß an
Korruption und ein erhebliches Demokratiedefizit gibt.
Die Lage der Bevölkerung hat sich seit Kriegsbeginn
kaum zum Positiven gewendet, und in der Regierung
sitzen Minister, die selbst in Kriegsverbrechen, Drogen-
geschäfte und Korruption involviert sind.
Von demokratischen Verhältnissen ist Afghanistan noch
meilenweit entfernt. Hamid Karzai wurde im Jahr 2001
auf einer Konferenz auf dem Bonner Petersberg zum
afghanischen Präsidenten ernannt. Unter Karzai herrschen
vielfach noch dieselben Kriegsfürsten, die die Afghanen
in den 1990er Jahren terrorisierten. ISAF wurde aufges-
tellt, um die Regierung Karzai an der Macht zu halten.
Wadir Safi, ein Professor für Internationales Recht an der
Universität Kabul, der den Aufbau des Gerichtswesens in
Afghanistan unterstützt, berichtete den Mitgliedern der
Bundestagsfraktion DIE LINKE. auf ihrer Afghanistan-
reise im Februar 2010 über die 2005 veröffentlichten
Ergebnisse der Untersuchung einer Menschenrechtskom-
mission: Diese hatte aufgezeigt, dass 96 Prozent der Afg-
hanen Opfer derjenigen sind, die jetzt in Afghanistan an
den Schalthebeln der Macht sitzen; 46 Prozent der afgha-
nischen Bevölkerung waren demnach der Auffassung, die
Täter müssten zwar nicht bestraft, aber nachhaltig von der
Macht entfernt werden.
Ohne Gerechtigkeit kein Frieden – das ist die klare Forde-
rung vieler Afghanen, die erreichen möchten, dass nicht
allein die Verbrechen der Taliban im Fokus stehen, son-
dern dass auch die Verbrechen der vorherigen Bürger-
kriegsparteien, deren Vertreter heute in der Regierung
sitzen, aufgearbeitet werden.
Die AFPAK (Afghanistan-Pakistan)-Strategie der US-
Regierung schreibt die Ausweitung des Krieges auf Pakis-
tan fest. Der sog. Counterinsurgency- (COIN-) Ansatz der
NATO, der vorsieht, etwa mit Drohnenangriffen gezielt
die „Köpfe“ des bewaffneten Kampfes zu töten, um so die
Aufständischen zu schwächen, kostet nicht nur weiterhin
viele Opfer unter der Zivilbevölkerung. Er schlägt offen-
bar auch fehl, weil es den Aufständischen bislang nicht
schwer fällt, Ersatz für die getöteten Führungspersonen zu
rekrutieren. Die Bewegung hat weiterhin ausreichend
Zulauf – anzunehmen ist, dass dies nicht zuletzt eine
Folge der Kriegsführungstaktik der NATO ist.
Bundesregierung und NATO kommunizieren die Vorga-
be, zivile Opfer zu vermeiden. Den Militärs gelingt es
aber nicht, Aufständische von Zivilisten zu unterscheiden
– ein Zivilist erscheint den Soldaten daher als potentieller
Aufständischer. Die Haltung der Bundeswehrsoldaten
gegenüber der Bevölkerung ist dementsprechend von
Angst geprägt. Sie ist keine Grundlage für eine Zusam-
menarbeit, die sich an den Bedürfnissen der Menschen in
Afghanistan orientiert. Militärische Aufstandsbekämp-
fung und Schutz der Zivilbevölkerung sind unvereinbar.
Es ist irreführend, von „Ausbildungs- und Schutztruppen“
zu sprechen. Die Schutztruppen sind Kampfsoldaten, die
die anderen in die gefährlichen Gebiete begleiten. Es gibt
kaum noch ungefährliche Gebiete. Die Entsendung von
Schutz- und Kampftruppen durch den Bundestag bedeutet
daher: Entsendung von Kampftruppen, und nichts ande-
res. Auch die überwiegend paramilitärische Polizei in
Afghanistan ist Teil des Krieges und die Mithilfe bei
deren Aufbau mehr als fragwürdig.
Die von der Bundesregierung hochgehaltene Zivilmilitäri-
sche Zusammenarbeit (CIMIC) wird für Afghanistan als
Königsweg aus der Krise dargestellt. Sie hat mit Entwick-
lungshilfe aber nichts zu tun, sondern dient dazu, den
Militäreinsatz zu flankieren.
Zum Zeitpunkt des Luftangriffs verfügte der dem Aus-
wärtigen Amt unterstellte „zivile“ Zweig des PRT Kun-
dus z. B. gerade einmal über drei Mitarbeiter.
2390
Dem
stand ein Kontingent von etwa 1.000 deutschen Soldaten
gegenüber. Der zivile Leiter des PRT, der Vortragende
Legationsrat D., gab im Untersuchungsausschuss zwar an,
sein Kontakt mit dem Kommandeur des PRT, Oberst
Klein, sei regelmäßig gewesen, er habe mit diesem ein
sehr offenes, direktes Arbeitsverhältnis gehabt und auch
an den Lagebesprechungen im PRT teilgenommen.
2391
Über geplante und durchgeführte Operationen des militä-
rischen Strangs wurde er allerdings nicht auf dem Lau-
fenden gehalten – obwohl dies, sofern zivile Wiederauf-
bauaktivitäten tatsächlich stattgefunden hätten, wesentli-
che Informationen gewesen wären, um das Gefährdungs-
potential für zivile Helfer abzuschätzen. Auch in Hinblick
auf den Luftangriff vom 04.09.2009 gab es keinerlei Ini-
tiative der militärischen Führung des PRT, D. unaufge-
fordert über das Ereignis zu informieren. D. schilderte im
Untersuchungsausschuss vielmehr, von dem Luftangriff
habe er am Morgen des 04.09.2009 bei Arbeitsbeginn
durch Medienberichte im Internet erfahren. Daraufhin
habe er Oberst Klein aufgesucht, dieser habe ihm dann „in
aller Kürze bestätigt“, dass es einen Luftangriff auf Tank-
laster gegeben habe.
2392
Von einer gleichberechtigten,
gleichgewichtigen Stellung der zivilen „Zweiglein“ der
PRTs kann also keine Rede sein.
Statt einer Stärkung ziviler Konfliktlösung bedeutet Zi-
vilmilitärische Zusammenarbeit deren Instrumentalisie-
rung für militärische Ziele. Das Militär verschlingt die
meisten Ressourcen und bestimmt immer stärker die
Rahmenbedingungen für zivile Arbeit.
2390) Vgl. Feststellungsteil S. 117 (Teil 2, C.II.2.c)aa)); ausführlicher:
D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 8.
2391) Vgl. Feststellungsteil S. 117 (Teil 2, C.II.2.c)aa)); D., Protokoll-
Nr. 33, Teil I, S. 4.
2392) Vgl. Feststellungsteil S. 117 (Teil 2, C.II.2.c)aa)); D., Protokoll-
Nr. 33, Teil I, S. 4 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 363 – Drucksache 17/7400
Unter den Vorzeichen des Konzepts der „vernetzten Si-
cherheit“ ist der Einsatz deutscher Entwicklungshilfege-
lder an eine Kooperation mit den PRTs gebunden. Die
zunehmende Vermischung von humanitärer Hilfe mit
Aufstandsbekämpfung hat zu einer gestiegenen Bedro-
hung von Hilfsorganisationen geführt. Selbst Projekte in
Taliban-Hochburgen sind nach Erfahrungen von Hilfsor-
ganisationen hingegen effektiv, wenn sie – auch unter
Berücksichtigung des spezifischen regionalen Konfliktpo-
tentials – differenziert vorbereitet, langfristig angelegt,
entsprechend der Bedürfnisse der Menschen geplant und
vor allem unabhängig vom Militär sind.
4. lessons learned
Krieg ist keine Lösung, sondern führt zu mehr Gewalt.
Frieden kann nicht von außen verordnet werden, er muss
im Land wachsen. Nur die Menschen in Afghanistan
selbst können Frieden und Versöhnung schaffen.
Drucksache 17/7400 – 364 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
C. Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
I. Einleitung
In der Nacht des 4. September 2009 ordnete Oberst Georg
Klein, Kommandeur des deutschen Regionalen Wieder-
aufbauteams Kunduz (Provincial Reconstruction Team,
kurz PRT) einen Luftschlag an. Durch den Bombenab-
wurf starben viele Menschen, darunter auch Zivilperso-
nen. In den folgenden Wochen mehrten sich die Hinweise
darauf, dass der Luftschlag auf Grundlage von Fehlein-
schätzungen der Situation vor Ort angeordnet und mit
teilweise gravierenden Verfahrensfehlern durchgeführt
worden war. Dies wurde der Öffentlichkeit aufgrund der
Informationspolitik der Bundesregierung mit erheblichen
Verzögerungen bekannt. Der Bombenabwurf geschah in
einem Zeitraum, in dem seit 2001 geführten Einsatz der
Deutschen Bundeswehr in Afghanistan innerhalb der
deutschen Bevölkerung zunehmend kritisch bewertet
wurde.
2393
Der Bombenabwurf fand darüber hinaus wäh-
rend der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs statt. In
den Wochen nach der Wahl stellten viele Beobachterin-
nen und Beobachter die Frage, ob die Bundesregierung
vor der Bundestagswahl wirklich alles getan hatte, um
den Vorfall aufzuklären oder ob möglicherweise gezielt
Informationen zurück gehalten wurden. So wurde ein
Feldjägerbericht, der sich kritisch zu dem Vorfall in Afg-
hanistan äußerte, erst im November 2009, zwei Monate
nach dem Bombenabwurf, durch die Medien bekannt.
Dies war eine der Ursachen für den Rücktritt des ehema-
ligen Verteidigungsministers Dr. Franz Josef Jung.
Schließlich stand wenige Jahre nach Abschluss des so
genannten Kurnaz-Untersuchungsausschusses
2394
erneut
die Frage nach der Beteiligung deutscher Spezialkräfte im
Raum, deren Einsätze der parlamentarischen Kontrolle
nach wie vor weitestgehend entzogen sind. Spekuliert
wurde, ob die Task Force 47 (TF 47), eine Spezialeinheit,
deren Aufgabe unter anderem darin besteht, mutmaßliche
Anführer der Taliban oder anderer aufständischer Grup-
pen festzunehmen, den Luftschlag veranlasste. Die Öf-
fentlichkeit erfuhr erst durch die Diskussion über den
Luftschlag in Kunduz von der Existenz der TF 47, obwohl
diese bereits seit 2007 in Afghanistan operiert.
2395
2393) Süddeutsche Zeitung vom 7. September 2009, „Die afghanische
Zäsur“: Der Luftschlag in Kunduz fand 19 Tage vor der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag statt. Der Bundeswehreinsatz in
Afghanistan war in der Öffentlichkeit umstritten. Nach einer Um-
frage von Infratest Dimap im Auftrag der ARD waren Anfang
September 2009 mehr als die Hälfte der Deutschen (57 Prozent)
dafür, dass sich die Bundeswehr möglichst schnell aus Afghanis-
tan zurückzieht. Nach Einschätzung von Beobachtern wollte die
große Koalition den Afghanistaneinsatz aus dem Bundestags-
wahlkampf heraushalten; siehe oben: Feststellungsteil C.IV (S.
136).
2394) Vgl.: Abschlussbericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses
vom 18. September 2008, BT-Drs. 16/10650.
2395) Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Bundes-
tagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/2757
– Informationspolitik zum Afghanistan-Einsatz vom 8. September
2010 (BT-Drs. 17/2884, Dokument 62).
Ziel der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN war es, mit Hilfe des Untersuchungsausschus-
ses die offenen Fragen aufzuklären, politische Verantwor-
tungen zu benennen und die Lehren aus den Geschehnis-
sen des 4. September 2009 und der folgenden Wochen zu
ziehen. Der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-
chungsausschuss beschäftigte sich gemäß Artikel 45a
Abs. 2 Grundgesetz zwischen dem 16. Dezember 2010
und dem 24. Februar 2011 mit der Frage, ob der Luft-
schlag mit nationalen und internationalen politischen,
rechtlichen und militärischen Vorgaben für den Einsatz in
Afghanistan vereinbar ist. Darüber hinaus untersuchte er,
ob die Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundes-
regierung in Bezug auf den Luftschlag angemessen war.
Im Mittelpunkt unseres Sondervotums steht nicht die
nachträgliche individuelle Schuldzuweisung, sondern die
Aufdeckung struktureller Missstände. Wir bewerten, ob
deutsche Soldatinnen und Soldaten auf schwierige militä-
rische Entscheidungen vorbereitet sind und wie transpa-
rent mit militärischen Entscheidungsverläufen umgegan-
gen wird. Hierdurch wollen wir einen Anstoß geben,
damit sich das Parlament auch über den Kunduz-
Untersuchungsausschuss hinaus – zum Beispiel im Rah-
men des Verteidigungsausschusses – mit der Frage be-
schäftigt, wie gewährleistet werden kann
– dass zukünftig militärische Fehlentscheidungen ver-
mieden werden, die zum Tod von Zivilisten führen;
– dass sich die Bundeswehr als Parlamentsarmee an die
Vorgaben des erteilten Mandates hält sowie konse-
quent die Prinzipen der Angemessenheit und Ver-
hältnismäßigkeit einhält;
– dass den Soldatinnen und Soldaten im Auslandsein-
satz Klarheit über die Grundlagen und Grenzen ihres
Einsatzes vermittelt wird, unter anderem durch klar
formulierte Einsatzregeln (so genannte Rules of En-
gagement);
– dass die Bundesregierung künftig transparent und
zeitig umfassend informiert und angemessen politisch
reagiert;
– dass auch bei Auslandseinsätzen die Grundsätze der
Inneren Führung umgesetzt werden.
Das vorliegende Sondervotum enthält Anmerkungen zum
Verfahren des Untersuchungsausschusses (II), bevor es
sich den Untersuchungsergebnissen zuwendet. Bewertet
werden der Luftschlag (III) und die Reaktion durch die
Bundesregierung auf den Luftschlag (V-VII). Abschlie-
ßend erfolgt eine systematische Darstellung der Erkenn-
tnisse (VIII) und etwaige Handlungsempfehlungen (les-
sons learned) (IX).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 365 – Drucksache 17/7400
II. Verfahren
Das Verfahren des Verteidigungsausschusses als 1. Un-
tersuchungsausschuss (im folgenden Untersuchungsaus-
schuss) verlief nicht reibungslos. Die Mehrheit des Unter-
suchungsausschusses (Mitglieder der FDP und
CDU/CSU-Fraktion) hat die Arbeit des Untersuchungs-
ausschusses wiederholt teilweise bis an die Grenzen sei-
ner Funktionsfähigkeit behindert. Dies zeigt, dass die
Mehrheit nicht ernsthaft an einer Aufklärung der Kunduz-
Affäre interessiert gewesen ist. Auch die Bundesregierung
hat den Untersuchungsausschuss nicht immer im erforder-
lichen Maß unterstützt
In diesem Zusammenhang sind folgende Punkte kritisch
zu benennen in der Hoffnung, dass ein solches Verhalten
in zukünftigen Untersuchungsausschüssen unterbleibt:
1. Die Öffentlichkeit der Sitzungen
Am 16. Dezember 2009, in seiner 2. Sitzung, einigte sich
der Untersuchungsausschuss darauf, bestimmte Zeugen-
gruppen grundsätzlich in öffentlicher Sitzung zu verneh-
men. Dies wurde im Verfahrensbeschluss Nr. 8 festgelegt.
Dort heißt es im dritten Absatz:
„Mitglieder der politischen Leitungsebene (Mitg-
lieder der Bundesregierung, beamtete und parla-
mentarische Staatssekretäre, Abteilungsleiter und
Pressesprecher) und der militärischen Führung
(Generalinspekteur und Stellvertreter) werden
grundsätzlich in öffentlicher Sitzung einvernom-
men. Die Vorschrift des § 14 PUAG bleibt unbe-
rührt.“
Ziel dieses Beschlusses war es, die Erkenntnisse des Un-
tersuchungsausschusses – so weit wie rechtlich zulässig –
mit der Öffentlichkeit zu teilen und transparent zu ma-
chen, aufgrund welcher Informationen der Untersu-
chungsausschuss seine Bewertung vornimmt.
Der Verfahrensbeschluss Nr. 8 stellt eine wesentliche
Bedingung dafür dar, dass die Fraktionen sich auf einen
gemeinsamen Untersuchungsauftrag geeinigt haben. Ohne
diesen Verfahrensbeschluss hätte die Untersuchungsmin-
derheit erwogen, einen zusätzlichen Untersuchungsaus-
schuss gemäß Artikel 44 Grundgesetz mit grundsätzlich
öffentlicher Beweiserhebung hinsichtlich der politischen
Verantwortlichkeit zu beantragen.
2396
Lediglich die mili-
tärisch relevanten Fragen wären dann im Rahmen des
Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss
gemäß Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz verhandelt wor-
den, bei dem die Öffentlichkeit grundsätzlich ausge-
schlossen werden darf.
Gegen Verfahrensbeschluss Nr. 8 in der ursprünglichen
Version gibt es weder verfassungsrechtliche Bedenken,
noch verstößt er gegen die Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages (GO-BT). Dies hat ein rechtliches
Gutachten durch die Wissenschaftlichen Dienste des
2396) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Dokument 176).
Deutschen Bundestages bestätigt.
2397
Neben dem im Be-
schluss Nr. 8 gefassten Grundsatz, bestimmte Zeugen-
gruppen öffentlich zu vernehmen, ist für jeden Zeugen
erwogen worden, ob er öffentlich aussagen kann oder ob
seine Aussage mittels einer nichtöffentlichen Verneh-
mung zu schützen ist. Auf Grundlage dieses Vorgehens
hat der Untersuchungsausschuss bis zur 23. Sitzung 14
Zeugen gehört, ohne dass dies Anlass gegeben hätte, an
der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens zu zweifeln.
In der 23. Sitzung, am 17. Juni 2010, hat die Mehrheit des
Untersuchungsausschusses die oben zitierte Passage im
Verfahrensbeschluss Nr. 8 einseitig aufgehoben. Gleich-
zeitig hat sie die bereits beschlossene Öffentlichkeit der
Zeugenvernehmungen vom 1. und vom 8. Juli 2010 nach-
träglich aufgehoben.
2398
Sie hat dies unzutreffend damit
begründet, dass der Beschluss Nr. 8 in seiner „pauscha-
len“ Formulierung hinsichtlich Artikel 45a Abs. 3 Grund-
gesetz bedenklich sei. Insbesondere fehle es an der nach
§ 69 Abs. 1 GO-BT bei jedem Zeugen vorzunehmenden
Einzelfallprüfung.
2399
Wie oben dargestellt, haben diese
Einzelprüfungen jedoch stattgefunden. Die Argumentati-
on der Mehrheit wird rechtlich weder von der Vorsitzen-
den des Untersuchungsausschusses, der Minderheit im
Untersuchungsausschuss, noch den Wissenschaftlichen
Diensten des Deutschen Bundestages geteilt.
2400
Darüber
hinaus hat die Mehrheit des Ausschusses ihre interfrak-
tionell gegebene Vereinbarung gebrochen, so weit wie
möglich transparent zu arbeiten, obwohl ihr klar gewesen
ist, dass dies eine wesentliche Voraussetzung für das
Zustandekommen des gemeinsamen Untersuchungsaus-
schusses darstellte.
In der Folge hat die Mehrheit durchgesetzt, dass fast alle
noch zu hörenden Zeugen in nicht öffentlichen Sitzungen
vernommen worden sind. Entgegen ihrer Ansage, dass
auch in Zukunft öffentliche Vernehmungen nach Einzel-
fallprüfung möglich blieben
2401
, hat die Mehrheit konse-
quent einzelfallbezogene und sachlich gut begründete
Anträge der Minderheit auf Durchführung öffentlicher
Sitzungen abgelehnt. Die Ablehnung ist ohne inhaltliche
Begründung und ohne sachlichen Grund erfolgt. Beispiele
sind die Vernehmungen des Zeugen Dr. Raabe zu seiner
Tätigkeit als Pressesprecher des BMVg oder die Zeugin
Dr. Erfan, ein Mitglied des Provinzrates von Kunduz.
Die politische Motivation des Mehrheitsbeschlusses wird
deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die meis-
ten Protokolle der nichtöffentlich gehörten Zeugen im
Nachhinein durch die Bundesregierung herabgestuft und
somit öffentlich zugänglich sind.
2397) Georgii/Mäde, Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als
Untersuchungsausschuss, WD 3 – 464/09, 2009 (Fn. 27, Doku-
ment 18).
2398) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Fn. 2396, Dokument 176).
2399) Beratungsunterlage 17-218 (Dokument 175).
2400) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Dokument 176).
2401) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Dokument 176).
Drucksache 17/7400 – 366 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Die Reihenfolge der Zeugen
Die Ausschussmehrheit hat versucht, die Rechte der Min-
derheit zu beschneiden, indem sie gegen den Willen der
Minderheit beschlossen hat, in welcher Reihenfolge die
Zeugen zu vernehmen sind. Sie nahm erst Abstand von
ihrem Beschluss, nachdem die Minderheit gemäß § 17
Abs. 3 Satz 2 PUAG widersprach und androhte, rechtliche
Mittel in Anspruch zu nehmen und ein Verfahren vor dem
BGH anzustrengen.
2402
Daraufhin hat sich der Untersu-
chungsausschuss am 22. April 2010 im Einklang mit § 17
Abs. 3 Satz 2 PUAG darauf geeinigt, zukünftig abwech-
selnd je einen von der Mehrheit und von der Minderheit
benannten Zeugen zu hören (so genanntes Reißver-
schlussverfahren).
2403
3. Die Begrenzung der Sitzungszeiten
Die Mehrheit des Untersuchungsausschusses hat gegen
die Stimmen der Ausschussminderheit durchgesetzt, dass
die Sitzungsdauer der Zeugenvernehmungen auf sechs
Stunden begrenzt wird.
2404
Hierdurch ist ein unnötiger
Zeitdruck bei der Vernehmung einzelner Zeugen auf
Kosten der Gründlichkeit der Befragung geschaffen wor-
den. Darüber hinaus sind einzelne geladene Zeugen in
einer Sitzung nicht oder nur teilweise gehört worden, mit
der Folge, dass sie erneut vor dem Untersuchungsaus-
schuss erscheinen mussten.
2405
4. Der Versuch einer vorschnellen Beendi-
gung der Beweiserhebung
Nach Anhörung des Zeugen zu Guttenberg am 22. April
2010 (in der 18. Sitzung) hat die Ausschussmehrheit sich
gegen die Vernehmung weiterer Zeugen ausgesprochen,
mit Ausnahme des Zeugen Braunstein, dem Adjutanten
des damaligen Verteidigungsministers. Um die Beweis-
aufnahme so schnell wie möglich zu beenden hat sie die
Minderheit wiederholt aufgefordert auf weitere Zeugen zu
verzichten. In Folge hat die Minderheit ihre Zeugenvor-
schlagsliste reduziert, um der gemeinsamen Arbeit im
Ausschuss weiterhin eine, wenn auch einseitig gewährte,
Grundlage zu geben.
2406
Sie hat jedoch in Einklang mit
ihrem Minderheitenrecht darauf beharrt, weitere Zeugen
zu laden, die für die Aufklärung unerlässlich waren, zum
Beispiel den Kommandeur Joint Force Command im
NATO Hauptquartier Brunssum, Zeugen General
Ramms, oder den einzigen Augenzeugen des Luftschlags,
Herrn A. M., sowie Zeugen, die bei der Vorbereitung und
der Aufklärung des Luftschlages beteiligt waren.
2402) Kurzprotokoll-Nr. 11.
2403) Kurzprotokoll-Nr. 12; zu der rechtlichen Begründung vgl. Bera-
tungsunterlage Nr. 17-137, Gutachten vom 4. Februar 2010 vom
Fachbereich Parlamentsrecht der Verwaltung des Deutschen Bun-
destages und die Zusammenfassung im Feststellungsteil Punkt
A.V.a) (Fn. 34, Dokument 18a).
2404) Kurzprotokoll-Nr. 3.
2405) vgl. z. B. Zeuge Dr. Vad, Protokoll-Nr. 41, S. 45.
2406) Kurzprotokoll-Nr. 19, S. 26 f.
Die Ausschussmehrheit hat sich nach diesem Zeitpunkt
weitgehend aus der Zeugenvernehmung herausgezogen.
Dagegen hat sie vermehrt Verfahrensanträge gestellt, um
die Unzulässigkeit von Fragen der Minderheit feststellen
zu lassen. Diese Anträge waren meist unbegründet, erziel-
ten aber die Wirkung die Beweiserhebung zu stören und
zu verschleppen.
2407
In Kombination der bereits genann-
ten Gesamteinschränkung der Sitzungsdauer war so eine
gründliche Beweisaufnahme nur noch unter schwierigen
Bedingungen zu leisten.
5. Die zeitlichen Rahmenbedingungen für das
Verfassen des Abschlussberichts
Nach Abschluss der Zeugenvernehmung hat die Mehrheit
durch ihre Verfahrensgestaltung die Arbeit der Minderheit
erschwert.
Am 24. Februar 2011 hat sie – gemeinsam mit den Stim-
men der SPD und gegen den Willen der Mitglieder der
Bundestagsfraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
DIE LINKE. – einen unrealistisch knappen Zeitplan für
das Verfassen des Abschlussberichtes gesetzt. Ziel war,
den Untersuchungsausschuss noch vor der Sommerpause
zu beenden. Die Bitte der Minderheit, einen angemesse-
nen Zeitrahmen für das Verfassen der Sondervoten einzu-
räumen, hat die Mehrheit ignoriert.
Dieser erste Zeitplan hat das Sekretariat des Untersu-
chungsausschusses dazu gezwungen, einen Entwurf für
den Verfahrens- und Feststellungsteil in kurzer Zeit vor-
zulegen (15. April 2011). Weiterhin hat der Zeitplan vor-
gesehen: Beschluss des Verfahrens- und Sachverhalts-
Abschnitts am 12 Mai 2011; Vorlage des Bewertungsteils
der Mehrheit am 24. Mai 2011 und Vorlage etwaiger
Sondervoten am 6. Juni 2011. Die Verabschiedung und
Beschlussempfehlung sollte am 10. Juni 2011 stattfin-
den.
2408
Am 25. Mai 2011 hat die Mehrheit einen neuen
Zeitplan vorgelegt, wiederum gegen die Stimmen der
Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE
LINKE. und ohne Zustimmung der SPD-Fraktion. Als
Begründung hat die Mehrheit angegeben, dass sie mehr
Zeit als vorgesehen benötige, um den fristgerecht vorge-
legten Entwurf des Sekretariats durchzuarbeiten. Der
zweite Zeitplan sah vor, dass die Bewertung durch die
Mehrheit am 21. Juni 2011 vorgelegt und am 29. Juni
2011 beschlossen wird; nur fünf Tage später – am 4. Juli
2011 – die Sondervoten der Minderheit vorgelegt werden.
Die Verabschiedung und Beschlussempfehlung war für
die ersten Sitzungen nach der Sommerpause terminiert.
Auch hier hat die Mehrheit ohne sachliche Begründung
den Antrag der Minderheit abgelehnt, einen realistische-
ren Zeitrahmen für die Abgabe der Sondervoten zu set-
zen.
2409
Die Mehrheit hat auch beim zweiten Zeitplan die Fristen
aufgrund eines Krankheitsfalls in der Fraktion nicht ein-
gehalten. Sie hat die von ihr selbst gesetzte fristgerechte
2407) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil II; M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II.
2408) Protokoll-Nr. 50.
2409) Protokoll-Nr. 53.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 367 – Drucksache 17/7400
Vorlage ihrer Bewertung versäumt. In der Beratungssit-
zung vom 29. Juni 2011 – anderthalb Wochen nachdem
der vorige Zeitplan geplatzt war – hat die Mehrheit einen
schriftlichen Zeitplanentwurf vorgelegt, der unter ande-
rem als Abgabetermin für die Sondervoten den 15. Au-
gust 2011 vorsah. Im Laufe der Beratungssitzung hat die
Mehrheit ihren Entwurf allerdings dahingehend abgeän-
dert, dass der 8. August 2011 als Abgabetermin für die
Sondervoten gelten sollte. Nach weiteren mündlichen
Besprechungen in einer Obleuterunde hat die Mehrheit
gegen die Stimmen der Opposition in einer Beratungssit-
zung des Untersuchungsausschusses schließlich den 11.
August 2011 für die Abgabe der Sondervoten festgelegt.
Im dritten Zeitplan, am 6. Juli 2011 beschlossen, sind
folgende Fristen festgelegt: Beschluss der Mehrheitsbe-
wertung am 6. Juli 2011, Vorlage der Sondervoten am 11.
August 2011, Einleitung des rechtlichen Gehörs am 5.
September 2011, Beschluss des Gesamtberichts am 28.
oder 29. September 2011. Vorstellen des Abschlussbe-
richts im Plenum in der Woche ab dem 17. Oktober 2011.
6. Das Verhalten der Bundesregierung
Auch der Bundesregierung ist vorzuwerfen, dass sie die
Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht in angemes-
sener Weise unterstützt hat.
So hat sie daraufhin gewirkt, die Aussagegenehmigung
bestimmter Zeugen unverhältnismäßig weit einzuschrän-
ken. Dabei hat sie sich auf das Staatswohl bzw. den Kern-
bereich exekutiver Eigenverantwortung berufen. In vielen
Fällen erwies sich die Frage als zulässig. Einige der Zeu-
gen haben sich – im Einvernehmen mit der restriktiven
Interpretation der Bundesregierung, welche Fragen zuläs-
sig sind und welche nicht – daraufhin ausgesprochen
unkooperativ gezeigt.
2410
Die Bundesregierung hat darüber hinaus beigezogene
Akten mit erheblicher Verspätung
2411
oder überhaupt
2410) vgl. z. B., Kurzprotokoll-Nr. 43. S. 3, 4; Teil I S. 22, Angehörige
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lassen über die Zuläs-
sigkeit der Frage zur Zusammenarbeit zwischen dem BND und
der militärischen Nachrichtenzentrale abstimmen. Die Zulässig-
keit der Frage wird von der Vorsitzenden bestätigt und die
Rechtmäßigkeit einer solchen Beschränkung der Aussagegeneh-
migung bezweifelt. Nach erneuter Beratung erlaubt die Regierung
dem Zeugen, die Frage zu beantworten. Dieser antwortet auswei-
chend. Vgl. weiterhin M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 67, 68:
Auf die Frage seitens BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ob es Auf-
gabe des Zeugen war, Informationen an die Task Force weiterzu-
geben, jedoch nicht an das PRT, verweigert der Zeuge seine Aus-
sage. Die Bundesregierung führt dazu aus: „die Aussagegenehmi-
gung des Zeugen umfasst Aussagen zu seinem Aufgabengebiet in
allgemeiner Form, aber nicht Aussagen zu Aufgaben des BND im
Rahmen der Task Force 47, also nur Tätigkeiten, die der Zeuge
ausgeübt hat im Zusammenhang seiner dienstlichen Tätigkeit
BND im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand
Luftschlag in Kunduz.“ Die GRÜNEN konkretisieren die Frage
dahingehend, „ob Informationen, die er [der Zeuge] hat, dem PRT
oder der Task-Force zugeleitet werden.“
2411) Dokumente, die mit erheblicher Verzögerung beim Untersu-
chungsausschuss eingingen: Cockpit Tapes und Trans-
kripte der F 15 Piloten (Dokument 60): Diese wurden mit Be-
weisbeschluss 17-167 vom 6. Mai 2010 beigezogen. In der Bera-
tungssitzung vom 28. September2010 fragte MdB Nouripour
nicht
2412
vorgelegt. Andere Akten hat sie unzureichend
aufbereitet. Zu Bemängeln waren z. B. fehlende Paginie-
rung
2413
, massive Übersetzungsfehler
2414
und weitere
Sorgfaltsfehler.
2415
Eine zügige und vollständige Vorlage
der beigezogenen Akten ist eine wesentliche Vorausset-
zung dafür, dass der Untersuchungsausschuss effizient
arbeiten kann. Insofern ist zu erwarten, dass die Bundes-
regierung diesbezüglich ihren Verpflichtungen sorgfälti-
ger nachkommt.
7. Das Nichterscheinen von Zeugen
Schließlich ist anzumerken, dass einige der geladene
Zeugen nicht erschienen, von denen relevante Informatio-
nen für die Aufarbeitung der Geschehnisse in Kunduz zu
erwarten waren: darunter die F-15-E Piloten (Beweisbe-
schluss 17-143), Admiral James G. Stravidis (Beweisbe-
schluss 17-144), General Stanley A. McChrystal (Beweis-
beschluss 17-145), und Rajiv Chandrasekaran (Beweis-
beschluss 17-146).
8. Die Geheimhaltung des COM ISAF-
Berichts
Der COM ISAF Bericht ist als geheim eingestuft. Dies ist
bedauerlich, weil er die Ergebnisse der NATO- Untersu-
chung zum Luftschlag enthält und somit ein wesentliches
Dokument für die Aufarbeitung der Geschehnisse in
Kunduz ist. Trotz mehrerer Anträge des Untersuchungs-
ausschusses konnte keine Herabstufung erwirkt werden,
auch der Antrag auf teilweise Herabstufung der Passagen,
die keine schutzbedürftigen Inhalte besitzen, wurde abge-
lehnt. Die Bundesregierung hat stets beteuert, dass die
Herabstufung eine reine NATO-Angelegenheit sei, die sie
nicht beeinflussen könne. Bei anderen Vorfällen ähnlicher
Art in Afghanistan waren jedoch andere ISAF-
nach dem Verbleib der Dokumente. Diese gingen am 8. Oktober
2010 im Sekretariat ein, einen Tag nach der geplanten Befragung
der F15 Piloten am 7. Oktober 2010 (vgl. Beratungssitzung vom
7. Oktober 2010); z. B. Mat.17-47 Diese wurden mit Beweisbe-
schluss 17-15 vom 16. Dezember 2009 beigezogen und gingen
am 21. Mai 2010, bzw. am 11. Oktober 2010 im Sekretariat ein.
2412) z. B. Beweisbeschluss 17-15. Mit Schreiben vom 16. Januar 2011
teilte Herr Birkenheier dem UA mit, dass eine der ZIP Dateien
aufgrund Beschädigung nicht zu entschlüsseln sei, dass an der
Entschlüsselung einer weiteren Datei noch gearbeitet würde
(Schreiben vom 26. Januar 2011 Beratungsunterlage 17-261).
Vgl. z. B. Beratungsunterlage 17-266 (Schreiben von Frau Gene-
ralbundesanwältin beim Bundesgerichtshof vom 17. Februar
2011).
2413) COM ISAF-Bericht Mat.17- 10/10a, Feldjägerbericht Mat. 17-
11/11a.
2414) vgl. COM ISAF-Bericht, Mat.17- 10/10a Anhang F, Anlage 32:
Liste der anwesenden Personen fehlerhaft; Anmerkung zu Beginn
fehlt in deutscher Übersetzung); vgl. COM ISAF-Bericht, Mat.17-
10/10a, Anhang G, Anlage 14, 15, Formulare zur Anforderung
von Luftunterstützung wurden unvollständig übersetzt.
2415) Diverse Kopierfehler im vom Untersuchungsausschuss beigezo-
genen Aktenmaterial des BMVg. Zum Beispiel wurden Doku-
mente mit farblichen Merkmalen nur als Schwarz-Weiß-Kopie
ausgeliefert (z. B. Mat.17-21a, Ordner 2 bis 4; Mat.17-44a, Blät-
ter 1-5), andere Akten enthielten Seitenfehler aufgrund von Fehl-
sortierungen.
Drucksache 17/7400 – 368 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Partnerstaaten sehr wohl im Stande, der Öffentlichkeit
Einblick in die Bewertungen der Vorfälle zu gewähren
Trotz der oben aufgelisteten Punkte ist eine differenzierte
und umfassende Aufarbeitung des Untersuchungsgegens-
tandes gelungen. Dies wird im Folgenden dargestellt.
III. Die Bewertung des Luftschlags
In diesem Kapitel werden der Ablauf des Geschehens
dargestellt (1) und seine politischen und militärischen
Rahmenbedingungen skizziert (2). Die Ziele (3) sowie die
Vorbereitung und Durchführung des Luftschlags werden
untersucht unter Einbeziehung von rechtlichen und militä-
rischen Rahmenbedingungen. Eingegangen wird auch auf
die strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verfahren,
die im Zusammenhang mit dem Luftschlag stattfanden
(4). Die Folgen des Luftschlags werden dargestellt (5)
und gefragt wird nach einer möglichen Einflussnahme
von Dritten (6). Das Kapitel schließt mit einer Zusam-
menfassung (7).
1. Die Entführung der Tanklaster und der
Befehl zum Luftschlag am 3. / 4. Septem-
ber 2009
Am Nachmittag des 3. September 2009 entführte eine
Gruppe von Aufständischen auf der Straße von Kunduz
nach Baghlan nahe Angor Boch (ca. 12 bis 15 km südlich
von Kunduz) zwei Tanklaster mit Treibstoff, der für einen
Logistikpartner der ISAF-Truppen bestimmt war.
2416
Die
Entführer planten wahrscheinlich die Tanklastwagen in
den ca. 25 km nordwestlich vom Feldlager Kunduz gele-
genen Ort Gor Tepa zu bringen. Bei dem Versuch den
Fluss Kunduz in Richtung Westen zu überqueren, blieben
die Tanklastwagen auf einer Sandbank stecken.
Die Nachricht von der Entführung der Tanklaster erreich-
te das PRT Kunduz unvorbereitet und erst nachdem eine
Kontaktperson die TF 47 aus eigener Initiative mehrere
Stunden nach dem Vorfall unterrichtet hatte.
Die TF 47 ist eine deutsche Spezialkräfteeinheit, die unter
deutscher Führung im Rahmen des ISAF-Mandats im
Regionalbereich Nord operiert. Sie setzt sich aus Soldaten
des Kommandos Spezialkräfte (KSK) und der Division
Spezielle Operationen (DSO) zusammen und wird durch
Kräfte des Militärischen Nachrichtenwesens sowie durch
Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes unterstützt.
2417
Ihre Aufgaben umfassen die Aufklärung, den Schutz der
eigenen Truppe, die Ausbildung afghanischer Sicher-
heitskräfte und die Ergreifung von Führungskräften der
Taliban. Angehörige der TF 47 sind im Feldlager Kunduz
stationiert und besitzen dort einen eigenen Gefechtsstand
(vgl. unten Kapitel III. 6. a).
2416) Vgl. zur der Entführung der Tanklastwagen, siehe oben: Zweiter
Teil: Feststellungen zum Sachverhalt B. II. (S. 43).
2417) http://www.tagesspiegel.de/politik/geheimtrupp-47-fast-ganz-
normale-soldaten/1902154.html; http://www.stroebele-
online.de/bundestag/anfragen/3834250.html.
Die TF 47 leitete die Meldung gegen 20 Uhr an OTL K.,
Offizier im militärischen Nachrichtenwesen (J2) im PRT
Kunduz, weiter, der wiederum den Kommandeur des PRT
Kunduz, Oberst Klein, hiervon in Kenntnis setzte.
2418
Die
TF 47 hatte bereits am Morgen des 3. September 2009
Hinweise zu einem Hinterhalt in der Nähe von Angor
Boch erhalten. Diese Nachricht, die auch an das PRT
Kunduz weitergeleitet werden sollte
2419
, wurde im PRT-
Kunduz nicht registriert.
2420
Weitere Stellen wurden im Laufe des Tages von der Ent-
führung informiert: Zum einen der Bundesnachrichten-
dienst (BND), der im Feldlager Kunduz für die TF 47
tätig ist und der gegen Abend über den afghanischen
Geheimdienst (NDS) unterrichtet worden war
2421
, zum
anderen das gemeinsam von NATO und afghanischen
Sicherheitskräften betriebene Koordinierungszentrum für
Operationen der Provinz Kunduz (OCC-P), das das PRT-
Kunduz gegen 21 Uhr unterrichtete.
2422
Als das PRT Kunduz die Nachrichten von der Entführung
erhielt, war der Aufenthaltsort der Tanklaster unklar.
2423
Gegen 22 Uhr wurde Oberst Klein in den Gefechtsstand
der TF 47 gerufen.
2424
Als er dort eintraf, waren mehrere
Angehörige der TF 47 anwesend: Der Nachrichtenoffizier
der TF 47, Hptm N., dessen Aufgabe darin bestand, In-
formationen von Kontaktpersonen auszuwerten; die
HUMINT
2425
-Operatoren OFw F. und HFw S., welche die
Gespräche mit dem Kontakt der TF 47 führen, sowie der
Storyboardwriter HFw V.
2426
Anwesend war außerdem
der Fliegerleitoffizier OFw W., der vom Gefechtsstand
der TF 47 aus – mit einer weiteren Operation des PRT
befasst – einen strategischen Langstreckenbomber (B-1B)
als Aufklärungsflugzeug führte.
2427
Es ist davon auszuge-
hen, dass sich während der Operation weitere Personen
im Gefechtsstand der TF 47 aufhielten. So nahm Oberst
Klein neben Hptm N. und OFw W. sechs weitere Soldaten
und zivile Mitarbeiter im Gefechtsstand wahr.
2428
Zeuge
OFw F. gab an, dass zeitweise zwei Geheimdienstmitar-
beiter in der Operationszentrale zugegen waren, die dort
ihren Tätigkeiten nachgingen. Auch HFw V. berichtete
von zwei weiteren Zivilpersonen, die im Laufe des
Abends kurzzeitig aus Neugierde dem Geschehen in der
Operationszentrale zugeschaut hätten. Der Name der
einen Person sei M. gewesen.
2429
Andere Zeugen haben
2418) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 62, 63; Klein, Protokoll-Nr. 6,
Teil II, S. 8.
2419) Anlage 17 zu Anhang G des COM ISAF-Berichtes (Fn. 145,
Dokument 55).
2420) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 62.
2421) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 58, 64.
2422) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (offene Version) vom 16. April 2010 (Dokument 52),
S. 23.
2423) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 63.
2424) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8.
2425) Human Intelligence. Menschliche Quelle zur operativen Aufklä-
rung.
2426) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II,S. 9; N., Protokoll-Nr. 8, Teil II,
S. 7; S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 33, 42.
2427) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.
2428) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.
2429) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 7; V., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S.
22 f. 25, 33.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 369 – Drucksache 17/7400
dagegen angegeben, es seien insgesamt nur die sechs
genannten Personen in der Operationszentrale zugegen
gewesen.
2430
Nachrichtenoffizier Hptm N. schlug Oberst Klein vor, den
B-1B sowie den von ihm geführten HUMINT-Kontakt
einzusetzen, um nach den entführten Tanklastern zu su-
chen. Der Kontakt habe bereits zuvor über die Entführung
der Tanklaster berichtet und wisse, wo sich die Tanklaster
befinden. Oberst Klein stimmte zu und bat darum, be-
nachrichtigt zu werden, sollten die Tanklaster aufgefun-
den werden. Anschließend verließ er den Gefechtstand
der TF 47.
Gegen Mitternacht ortete der B-1B die festgefahrenen
Tanklaster auf einer Sandbank und meldete, dass ungefähr
100 Menschen anwesend seien. Als Oberst Klein wieder
im TF 47 Gefechtsstand eintraf, konnte er auf einem Bild-
schirm Echtzeitaufnahmen von der Sandbank sehen, die
über die Zielerfassungssysteme des B1-B direkt in den
Gefechtsstand übertragen wurden. Seiner Aussage nach
erkannte er die Tanklaster, weitere kleinere Fahrzeuge
und eine größere Personengruppe, deren Zahl er nicht
benennen konnte. OFw W. schätzte die Personenzahl
anhand der Luftbilder auf ungefähr 70.
2431
OFw W. teilte
Oberst Klein außerdem mit, er habe die Flugzeugbesat-
zung gebeten, eine „eindeutige Identifizierung“ (Positive
Identification, kurz PID) nach Waffen durchzuführen. Die
Zeugen Oberst Klein und Hptm N. haben vor dem Unter-
suchungsausschuss angegeben, die B-1B Besatzung habe
bei den Personen auf der Sandbank Waffen erkannt, dar-
unter Handwaffen und Panzerabwehrwaffen. Allerdings
sei anhand der Videobilder nicht genau zu erkennen ge-
wesen, ob alle Personen auf der Sandbank bewaffnet
seien.
2432
Aus eingestuften (NATO/ISAF-) Unterlagen
ergibt sich allerdings ein gegenteiliges Beweisergebnis.
Hiernach kam die B-1B-Besatzung zu einer anderen Ein-
schätzung der Situation auf der Sandbank. Dieser Wider-
spruch konnte im Untersuchungsausschuss nicht aufgek-
lärt werden, weil er die Dokumentation der Kommunika-
tion zwischen der Besatzung des B1-B und der Operati-
onszentrale der TF 47 nicht einsehen konnte.
Hptm N. übermittelte auch Nachrichten seines Kontaktes
über die Situation vor Ort: dass der Tanklaster auf der
Sandbank festgefahren sei, dass nur Aufständische und
keine Zivilbevölkerung vor Ort seien und dass der Kon-
takt vier lokale Talibanführer mit ihren Gruppen sowie
ausländische Kämpfer identifiziert habe.
2433
Zu diesem Zeitpunkt stand bereits die Frage im Raum, ob
der B-1B die Sandbank bombardieren solle. Zeuge OFw
W. sagte hierzu aus, dass er sich nicht mehr erinnere, ob
er mit Hptm N. über einen Luftschlag durch den B-1B
diskutiert hatte, bevor Oberst Klein in die Operationszent-
2430) N., Protokoll Nr. 37, Teil II, S. 68; W. Protokoll-Nr. 8 Teil II,
S.38.; S. Protokoll-Nr. 33, Teil II,S. 24.
2431) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II S. 10; W. Protokoll-Nr. 8, Teil II,
S. 9.
2432) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II S. 10; N. Protokoll-Nr. 8, Teil II,
S. 64.
2433) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9 ff.
rale kam. Dies sei aber möglich.
2434
Da Oberst Klein zu
diesem Zeitpunkt weitere Informationen über die Lage
vor Ort sammeln wollte, entschied er sich vorerst gegen
einen Luftschlag.
2435
Als der B-1B zum Auftanken abge-
zogen wurde, suchte Oberst Klein nach anderen Wegen,
die Sandbank weiter zu beobachten. Er beantragte gegen
0.50 Uhr über Fliegerleitoffizier OFw W. weitere Luftun-
terstützung bei der Lufteinsatzzentrale (Air Support Ope-
ration Center, kurz ASOC). Dabei gab er wahrheitswidrig
an, es bestehe eine so genannte Troops in Contact Situati-
on (TIC), die Feindberührung oder zumindest eine unmit-
telbare Bedrohung voraussetzt (vgl. hierzu unten Punkt
III. 4.f).
Infolgedessen erreichten gegen 1.08 Uhr zwei Multifunk-
tionskampfflugzeuge (F-15-E) den Luftraum über der
Sandbank. Diese registrierten, wie bereits zuvor die B1-B,
neben den Tanklastern mehrere Kleintransporter auf bei-
den Seiten. Sie nahmen außerdem eine größere Men-
schenansammlung und ein „reges Kommen und Ge-
hen“2436 auf der Sandbank wahr. Es war erkenntlich, dass
die Personen aus den Tanklastern Treibstoff entnahmen
und abtransportierten.
2437
Die später durchgeführten mili-
tärischen Untersuchungen haben bestätigt, dass die Men-
schen aus den umliegenden Dörfern auf Weisung von
Aufständischen zur Sandbank kamen, um den Tanklastern
den Treibstoff zu nehmen. Unklar bleibt, ob der Treibstoff
den Dorfbewohnern zum eigenen Verbrauch zur Verfü-
gung gestellt wurde und ob die Zivilisten unter Zwang
zum Ort des Geschehens gebracht wurden.
2438
Nachdem der HUMINT-Kontakt versichert hatte, dass auf
der Sandbank ausschließlich Aufständische und keine
Zivilisten anwesend seien, ordnete Oberst Klein an, die
Tanklaster zu bombardieren. Die Eingriffsgrundlage (Ru-
les of Engagement, ROE) für den Luftschlag wurde der
Flugbesatzung der F-15-E nicht kommuniziert. Oberst
Klein verzichtete auf eine vorherige Warnung der am
Boden befindlichen Personen durch einen niedrigen Über-
flug über die Sandbank (show of force) (vgl. unten Kapitel
III. 4. e). Er beschränkte sich bei der Zielabgabe auf die
Tanklastzüge und die sie umgebenden Personen und lehn-
te es ab, die Fahrzeuge neben der Sandbank oder flüch-
tende Personen zu bombardieren.
2439
Den Vorschlag der
Flugbesatzung 2 000-Pfund Bomben abzuwerfen, lehnte
Oberst Klein als unverhältnismäßig ab. Er stellte gegenü-
ber dem Fliegerleitoffizier klar, dass der Waffeneinsatz
auf den geringstmöglichen Bereich, auf die Tanklastzüge
und die sie unmittelbar umgebenden Aufständischen,
begrenzt werden müsse.
2440
Um 1.49 Uhr schlugen zwei GBU-38 (Guided Bomb Unit,
gelenkte Bombe mit Laser- oder TV-Steuerung mit je-
weils 500 Pfund/227 Kilo) auf der Sandbank ein.
2434) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 26.
2435) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
2436) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 31.
2437) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15.
2438) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 123, Dokument 52).
2439) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
2440) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 19.
Drucksache 17/7400 – 370 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Einer der beiden entführten Lastkraftwagenfahrer, der
Zeuge A. M., war Augenzeuge des Luftschlags. Er hat
dem Untersuchungsausschuss die Wirkung des Luft-
schlags folgendermaßen beschrieben:
„Zum ersten Blick habe ich einen sehr starken
Knall gehört, dann habe ich einen riesigen Feuer-
ball gesehen. Dann war die Luft voll von Rauch
und Splitterstücken von Metallen von Lastwagen,
sodass sie in der Luft schwebten, und konnten wir
nicht unterscheiden, sind sie Metallteile von Last-
wagen oder sind sie auch Gewehrsalven, die in der
Luft bzw. in der Umgebung noch schwebten. […]
Ein bis zwei Personen, Verletzte, habe ich gese-
hen. Die zwei Taliban, die uns bewachten, haben
dann diese zwei Verletzten mitgenommen. Sie
waren völlig verbrannt, sodass ich ihre Gesichter
nicht sehen konnte. Also, ich habe nur diese zwei
schwerverletzten Taliban gesehen, die mit-
geschleppt wurden. Mehr habe ich nicht ge-
sehen.“2441
Der Fliegerleitoffizier, OFw W., führte anschließend ge-
meinsam mit der Besatzung der F- 15 E eine Wirkungs-
analyse (Battle Damage Assessment) aus der Luft durch.
Nach Abstimmung mit der Flugbesatzung schätzte er,
dass ungefähr 56 Personen durch die Bomben getötet
worden seien. Grundlage für die Schätzung war die An-
nahme, dass sich zur Zeit des Bombenabwurfs ca. 70
Personen vor Ort befanden und dass die Waffenwirkung
in der Regel 80 Prozent beträgt.
2442
Eine Wirkungsanalyse
am Boden erfolgte nicht, obwohl die Einsatzregeln vorsa-
hen, dass der Angriffsort zeitnah nach einem Luftangriff
mit den bestehenden Möglichkeiten abgeriegelt werden
müsse, um die Auswirkungen des Luftschlags zu begu-
tachten und um zu verhindern, dass der Tatort verändert
wird oder Spuren beseitigt werden.
2443
Oberst Klein gab
vor dem Untersuchungsausschuss an, dass dem PRT
Kunduz nach dem Luftschlag das Personal und Material
für eine Wirkungsanalyse am Boden fehlte. Außerdem
habe er eine Wirkungsanalyse zum dem Zeitpunkt für
nicht erforderlich gehalten, weil er nicht mit zivilen Op-
fern rechnete und davon ausging, dass die Aufständischen
ihre Opfer sehr schnell vom Tatort entfernen und begra-
ben werden
2444
(Vgl. Kapitel III. 4. f).
Der Fliegerleitoffizier OFw W. setzte eine Meldung über
den Luftschlag an das Hauptquartier Nord in Masar-e-
Scharif ab, mit den geschätzten Opferzahlen und mit der
Nachricht, dass nur Aufständische getroffen worden sei-
en. Die Meldung erreichte das Hauptquartier Nord um ca.
3.15 Uhr morgens. Als der Kommandeur des Regional-
kommandos Nord (RC North) und Führer des deutschen
Einsatzkontingents ISAF, Brigadegeneral Vollmer, am
Morgen des 4. Septembers 2009 gegen 7.15 Uhr von dem
Vorfall erfuhr, befahl er Oberst Klein die Wirkungsanaly-
se vor Ort durchzuführen. Der durch das PRT Kunduz
2441) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 14 f.
2442) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.
2443) Feldjägerbericht (Fn. 403, Dokument 67).
2444) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.
zusammengestellte Untersuchungstrupp – das so genannte
Battle Damage Assessment Team (kurz BDA Team)
erreichte die Einschlagstelle gegen 12.34 Uhr und fand,
seinem Bericht zufolge, „nur noch verbrannte / zerstörte
materielle Überreste, einige Tierkadaver und Fahrzeug-
wracks“.2445 Tote oder Verletze fanden die Soldaten nicht
vor. Sie konnten folglich weder die Anzahl noch die Iden-
tität der Opfer feststellen. Das Team hatte den Eindruck,
dass der Ereignisort „offensichtlich deutlich verändert“
und „stark gereinigt“ worden war.2446 Die Soldaten trafen
dort auf zahlreiche Angehörige der afghanischen Polizei
(ANP) und Armee (ANA), die den Luftschlag als Erfolg
begrüßten.
2. Militärische und politische Rahmenbedin-
gungen des Luftschlags
Die Truppen und das Material des PRT waren zu zum
Zeitpunkt der Bombardierung stark beansprucht. Es
herrschte ein hoher Erwartungsdruck, die Aufständischen
aktiver und erfolgreicher zu bekämpfen. Diese Bedingun-
gen mögen mit eine Erklärung dafür sein, dass der Luft-
schlag am 4. September 2009 unter gravierenden Verfah-
rensfehlern angeordnet wurde (vgl. unten Punkt III. 4.)
und das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)
versucht hat, ihn als Erfolg darzustellen. Rechtfertigen
können sie das Verhalten dagegen nicht.
Oberst Klein ordnete den Luftschlag am 4. September
2009 als Angehöriger der durch die NATO geführten
Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afg-
hanistan (International Security Assistance Force, kurz
ISAF) an.
2447
Am 5. April 2009, fünf Monate vor dem
Luftschlag, hatte Oberst Klein das militärische Komman-
do über das PRT Kunduz übernommen. Die Bundeswehr,
die sich seit Dezember 2001 an ISAF beteiligt, übernahm
2003 die Verantwortung für den Norden Afghanistans
und war damit auch für Leitung des PRT Kunduz zustän-
dig. Das PRT besteht sowohl aus militärischen wie aus
zivilen Kräften. Zur Aufgabe der militärischen Kräfte
gehört es, die Sicherheitslage im Norden Afghanistans zu
stabilisieren, um den Aufbau ziviler Strukturen zu ermög-
lichen. Die Truppen des PRT arbeiten mit afghanischen
Sicherheitskräften zum Schutz der Zivilbevölkerung der
Provinzen Kunduz und Takhar zusammen.
Nach eigener Aussage vor dem Untersuchungsausschuss
wurde Oberst Klein in Kunduz mit einer prekären Sicher-
heitslage konfrontiert. Die Aufständischen verwickelten
die deutschen Streitkräfte vermehrt in Gefechte, in denen
diese sowie afghanische Sicherheitskräfte Verluste erlit-
ten. In Folge blieb Oberst Klein wenig Gelegenheit die
eigentlichen Aufgaben des PRTs – die Unterstützung
2445) Feldjägerbericht (Fn. 403, Dokument 67), Bl. 4.
2446) Feldjägerbericht (Fn. 403, Dokument 67), Bl. 6.
2447) Der VN-Sicherheitsrat hatte ISAF im Dezember 2001 nach dem
Sturz der Taliban in Afghanistan ins Leben gerufen, um die neu
gewählte Regierung durch die Herstellung und Aufrechterhaltung
eines sicheren Umfeldes mit militärischen Mitteln zu unterstüt-
zen. Vgl. die VN-Resolution 1386 des Sicherheitsrates vom
20.12.2001 (Dokument 31).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 371 – Drucksache 17/7400
ziviler Aufbaumaßnahmen – wahrzunehmen, sondern er
war hauptsächlich damit beschäftigt, den Schutz der eige-
nen Truppen sowie der afghanischen Sicherheitskräfte
und ziviler Hilfsorganisationen zu gewährleisten.
2448
Ab
Mai 2009 wurden die Truppen des PRT fast täglich in
Feuerkämpfe verwickelt.
2449
Vor den Präsidentschafts-
wahlen in Afghanistan am 20. August 2009 gab es darü-
ber hinaus konkrete Warnhinweise, dass regierungsfeind-
liche Kräfte einen Anschlag auf das PRT Kunduz planten.
Ein Anschlag wurde allerdings nicht verübt. Dringende
Hinweise für Anschläge nach dem 20. August 2009 be-
standen nicht. Trotzdem blieb die Sicherheitslage anges-
pannt. Die Aufständischen setzten vermehrt Sprengfallen
ein und versuchten die Hauptverbindungsstraßen um
Kunduz zu kontrollieren. In den Tagen vor dem 4. Sep-
tember waren bei einem Anschlag mit einem als Auto-
bombe umfunktionierten Tankfahrzeug 39 Personen ge-
storben und 64 Personen verletzt worden.
Oberst Klein hat vor dem Untersuchungsausschuss ausge-
sagt, er habe aufgrund der instabilen Sicherheitslage unter
großem Handlungsdruck gestanden:
„Durch das Hauptquartier ISAF in Kabul, aber
auch durch das Regionalkommando Nord in Ma-
sar–e-Sharif wurde mir ausdrücklich befohlen, un-
verzüglich Maßnahmen zur […] Bekämpfung der
Aufständischen zu ergreifen. Auch mein unmittel-
barer Vorgesetzter, General Vollmer, machte mir
sehr deutlich, dass er einen aktiven Einsatz des
PRTs [sic] in dieser Hinsicht von mir erwarte-
te.“2450
Die Unzufriedenheit des Gouverneurs und der lokalen
Bevölkerung wuchs. Hinzu kam, dass der damalige Gou-
verneur von Kunduz, Mohammad Omar, einige Tage
zuvor bei einem Anschlag der Aufständischen seinen
Bruder verloren hatte. Die afghanischen Offiziellen be-
mängelten das Unvermögen des PRT, die wachsenden
Aktivitäten der Aufständischen einzudämmen. Auch in
der deutschen Medienlandschaft vermehrte sich die Kritik
am Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.
2451
Es wurde
gefragt, ob der Bundeswehreinsatz in Anbetracht der
steigenden Gewalt im Norden Afghanistans überhaupt
noch sinnvoll sei, ob die deutschen Soldaten und Solda-
tinnen mangelhaft ausgerüstet seien und ob ihre Einsatz-
regeln zu restriktiv seien um die sich verschlechternde
Sicherheitslage im Norden Afghanistans zu stabilisie-
ren.
2452
Vor dem Hintergrund dieser öffentlichen Diskus-
sion änderte Verteidigungsminister Dr. Jung am 24. Juli
2009 die so genannte Taschenkarte, in der festgeschrieben
2448) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 2.
2449) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 4, 6; zur Sicherheitslage vgl.
auch Aussagen der Zeugen Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14,
Teil I, S. 6; Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 2.
2450) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5.
2451) vgl. Abschlussbericht, zweiter Teil: Feststellungen zum Sachver-
halt; Berliner Zeitung vom 22. Mai 2008, „Anschlag auf Bundes-
wehr in Afghanistan vereitelt“, Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14,
Teil I, S. 3 f.
2452) vgl. zum Beispiel
http://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehreinsatz-in-
afghanistan-mehr-befugnisse-fuer-soldaten-1.105716.
ist, nach welchen Regeln die Soldatinnen und Soldaten
des deutschen Kontingents der ISAF militärische Gewalt
anwenden können. Durften die Soldatinnen und Soldaten
ihre Schusswaffen vorher nur zur Abwehr eines unmittel-
baren Angriffs einsetzen, konnten sie nachfolgend unter
bestimmten Bedingungen sowohl präventiv, also im Vor-
feld eines vermuteten Angriffs, als auch nach Beendigung
eines Angriffs auf Personen schießen.
Gleichzeitig hielt die Bundesregierung gegenüber der
Öffentlichkeit an ihrer Einschätzung fest, dass sich die
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr lediglich in
einem „Stabilisierungseinsatz“ befinden. Noch am 11.
September 2009 betonten Vertreter des BMVg öffentlich,
dass der Einsatz in Afghanistan als Friedensmission zu
werten sei und dass deshalb andere rechtliche Rahmenbe-
dingungen gälten als im Kriegszustand. Dabei war der
rechtliche und militärische Handlungsspielraum der Bun-
deswehr zu diesem Zeitpunkt längst auf einen bewaffne-
ten Konflikt im völkerrechtlichen Sinne zugeschnitten.
Aufgrund der unsicheren Sicherheitslage, verbunden mit
der kritischen Diskussion des ISAF-Einsatzes in Deutsch-
land, standen die Soldaten des PRT Kunduz im Sommer
2009 unter „immenser psychischer und physischer Belas-
tung“.2453
Eine weitere Folge der vermehrten Gefechte war nach
Aussage des Oberst Klein, dass die Truppen und das Ma-
terial des PRT zur Zeit der Entführung der Tanklaster voll
eingebunden gewesen seien. Am 3. September 2009, am
Tag der Tanklasterentführung, hätten die Truppen des
PRT schwere Gefechte ausgetragen, und hätten weitere
Kämpfe für den 4. September 2009 erwartet. Ersatz habe
aufgrund mangelnder Ausrüstungslage und aufgrund der
gebotenen Ruhezeiten für die Soldatinnen und Soldaten
nicht zur Verfügung gestanden.
2454
3. Ziele des Luftschlags
Die öffentliche Berichterstattung in den ersten Wochen
nach dem 4. September 2009 hat den Eindruck erweckt,
alleiniges Ziel des Luftschlages sei die Zerstörung der
zwei Tanklastwagen zum Zwecke der Gefahrenabwehr
gewesen (a).
2455
Erst später verbreitete sich die Informati-
on, dass der Luftschlag auch darauf abzielte, die um die
Tanklastwagen befindlichen Personen zu töten.
2456
Auch
2453) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 6; zur Kritik durch die
Medien vgl. ebenda, S. 3 f.
2454) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 7.
2455) vgl. zum Beispiel Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts
beim Bundesgerichtshof vom 16.04.2010 (Fn. 123, Doku-
ment 52), S. 25, Ziffer 6: „Gegen 01.40 Uhr gab Oberst Klein den
Befehl zum Waffeneinsatz, wie er in den nur wenige Kilometer
vor dem PRT befindlichen Tanklastern eine erhebliche Bedro-
hung sah.“
2456) vgl. zum Beispiel Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom
11.12.2009, http://www.sueddeutsche.de/politik/luftschlag-bei-
kundus-bundeswehr-wollte-taliban-toeten-1.149830: „Anders als
bislang behauptet, hatte der Angriff nicht primär zwei Tanklast-
züge zum Ziel, sondern sollte eine große Gruppe von Taliban und
ihre Anführer treffen. Der deutsche Kommandeur Oberst Klein
„wollte die Menschen angreifen, nicht die Fahrzeuge“, heißt es im
Isaf-Untersuchungsbericht.“
Drucksache 17/7400 – 372 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wenn Oberst Klein vor dem Untersuchungsausschuss die
Zerstörung der Tanklaster in den Vordergrund gestellt
hat
2457
, war die Tötung von regierungsfeindlichen Kräften
ein gewichtiger Beweggrund für den Angriff (b).
a) Abwehr einer unmittelbaren Gefahr?
Nach Aussage von Oberst Klein bestand durch die Ent-
führung der Tanklaster eine unmittelbare Bedrohung für
das PRT Kunduz und für die ihm anvertrauten Soldatin-
nen und Soldaten.
2458
Er habe befürchtet, dass die Auf-
ständischen die Tanklastwagen als „Autobombe“ (Suicide
Vehicle-Borne Improvised Explosive Device, SVBIED)
umfunktionieren und für einen „unmittelbaren Ang-
riff“2459 auf das PRT Kunduz verwenden würden. Denn
bereits zuvor hätten Aufständische Fahrzeuge für Selbst-
mordattentate gegen ISAF oder die afghanische Bevölke-
rung eingesetzt. Darüber hinaus habe es aktuelle Warnun-
gen vor einem Angriff auf das Feldlager Kunduz gegeben.
Der PRT-Nachrichtenoffizier OTL K. habe Oberst Klein
davon unterrichtet, dass die entführten Tanklastzüge nach
Westen, in den Rückzugsraum der Aufständischen, ver-
bracht und dort für Angriffe gegen die afghanischen Si-
cherheitskräfte und gegen ISAF vorbereitet werden soll-
ten.
2460
Auch nachdem sich die Tanklastwagen auf der Sandbank
festgefahren hatten, schätzte Oberst Klein nach eigenen
Angaben die Situation als akute Bedrohungslage ein:
„[Es] war […] eine wahrscheinliche Option, wenn
diese Tanklaster freikamen und sich nach Osten in
Bewegung setzen, dass diese, ohne auf großen Wi-
derstand zu stoßen oder vielleicht gar keinen Wi-
derstand anzutreffen, in wenigen Minuten an die-
sem Kontrollpunkt hätten sein können und danach
unmittelbar auch das PRT hätten erreichen kön-
nen.
“2461
Die Aussage von Oberst Klein, es habe eine unmittelbare
Bedrohung für das PRT Kunduz bestanden, ist nicht über-
zeugend. Die dem Untersuchungsausschuss vorliegenden
Dokumente weisen darauf hin, dass die Gefahr für das
PRT nicht akut war. So fehlen Anhaltspunkte dafür, dass
die Tanklaster tatsächlich als Autobombe gegen das PRT
Kunduz eingesetzt werden sollten: Der HUMINT-Kontakt
der TF 47, von dem die Nachricht von der Entführung der
Tanklaster stammte, berichtete am 3. September gegen 20
Uhr, dass die zwei Tanklaster über den Fluss in eine vom
PRT Kunduz wegführende Richtung (in Richtung des
Dorfes Gor Tepa) verbracht werden sollten. Für den Fall,
dass es nicht möglich gewesen wäre, die Laster über den
Fluss zu bringen, sollten die Fahrzeuge „vor Ort ausge-
schlachtet“ werden, um brauchbares Material zu gewin-
2457) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17, 26, 60.
2458) „Klein-Bericht“ an das BMVg 5. September 2009 (Fn. 379,
Dokument 63), Bl. 3, Ziffer 5.
2459) „Klein-Bericht“ an das BMVg 5. September 2009 (Fn. 379,
Dokument 63), Bl. 2, Ziffer 3.
2460) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8, 49.
2461) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
nen.
2462
Als die Tanklaster tatsächlich auf der Sandbank
stecken blieben, planten die Aufständischen, laut Nach-
richt des HUMINT-Kontakts, die Fahrzeuge nach Gewin-
nung des Kraftstoffs in Brand zu stecken.
2463
Danach
scheint – spätestens zu diesem Zeitpunkt – kein Anschlag
auf das PRT geplant gewesen zu sein.
Auch andere Zeugen, die zum Zeitpunkt des Luftschlags
im PRT Kunduz anwesend waren, haben ausgesagt, dass
sie am 3. September 2009 die Entführung der Tanklaster
nicht als unmittelbare Bedrohung für das PRT einstuften.
Nach Aussage des Zeugen OTL K. enthielten die Berichte
seines HUMINT-Kontakts, anders als von Oberst Klein
dargestellt, keine Informationen über die mit der Entfüh-
rung der Tanklaster verbundenen Absichten.
2464
Vor dem
Ausschuss hat er erklärt:
„Zu dem Zeitpunkt war über diese beiden Tanklas-
ter die Informationslage so dünn, dass ich da keine
Absichten hineininterpretieren konnte und auch
kein zukünftiges Verhalten da in irgendeiner Art
und Weise sehen konnte.“2465
Auch andere vor Ort tätige Zeugen fühlten sich nach
eigener Aussage durch die Entführung der Tanklaster
nicht unmittelbar bedroht.
2466 Der Zeuge General Ramms,
der 2009 operativer NATO-Befehlshaber war, hat vor
dem Untersuchungsausschuss erklärt in seiner nachträgli-
che Einschätzung der Situation sei von den Lastwagen
keine konkrete Gefahr ausgegangen.
2467
Auch die NATO-
geführte Untersuchung des Vorfalls ist zu diesem Schluss
gekommen. So heißt es zum Beispiel in einem internen
Bericht des BMVg, in dem diese Untersuchung ausgewer-
tet wird:
„Dabei wird durch den Bericht festgestellt, dass
die verfügbaren Informationen vor dem Luftangriff
und die Informationen der HUMINT Quelle keine
konkrete Bedrohung für das PRT KD aufzeig-
ten.“2468
b) Tötung von Aufständischen
Vor diesem Hintergrund rückt die Bekämpfung von Auf-
ständischen als Motiv für die Anordnung des Luftschlags
in den Vordergrund. Oberst Klein hatte aufgrund der
Nachrichten des HUMINT- Kontaktes Grund zu der An-
nahme, dass vier örtliche Talibanführer die Tanklaster
entführt hatten und auf der Sandbank zugegen waren.
2469
Nach Aussage eines Zeugens stand zumindest ein Name
der genannten Personen auf der Joint Priority Effects List,
2462) HUMINT-Meldungen Nr. 2 und 3 vom 3. und 4. September 2009,
Anlage 17 zu Anhang G des COM ISAF-Berichts (Fn. 145, Do-
kument 55).
2463) HUMINT-Meldungen Nr. 2 und 3 vom 3. und 4. September 2009,
Anlage 17 zu Anhang G des COM ISAF-Berichts (Fn.2462, Do-
kument 55).
2464) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 62.
2465) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 63.
2466) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II, S. 6.
2467) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II.
2468) Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 4-11.
2469) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 373 – Drucksache 17/7400
kurz JPEL (die Liste der Namen von Aufständischen, die
von ISAF Spezialkräften, zu denen die TF 47 gehört, mit
höchster Priorität gesucht werden).
2470
Dagegen gab die
Bundesregierung auf eine Frage des Abgeordneten
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) an, dass zum Zeitpunkt des
Luftangriffs keine der vier genannten Personen auf der
JPEL aufgeführt gewesen sei.
2471
Unabhängig davon, ob
die vermeintlich auf der Sandbank befindlichen Taliban-
führer mittels der JPEL gesucht wurden oder nicht, zielte
der Luftschlag darauf ab, sie zu bekämpfen, wie Oberst
Klein vor dem Untersuchungsausschuss angegeben hat:
„Durch die Zerstörung der Tanklastzüge und die
Tötung feindlicher Kämpfer, dabei vermutlich
Führer und die in der Vergangenheit als besonders
gefährlich erkannten ausländischen Kämpfer, wür-
de den Aufständischen ein schwerer Schlag ver-
setzt.“2472
Die ausdrückliche Zielangabe, auch die unmittelbar um
die Fahrzeuge versammelten Personen zu treffen, gab der
Fliegerleitoffizier OFw W. – entgegen seiner Aussage vor
dem Untersuchungsausschuss
2473
an die Piloten des Multi-
funktionskampfflugzeuges (F-15-E) weiter, die die Bom-
ben abwarfen.
2474
In den Transkriptionen der Funksprüche
zwischen JTAC OFw W. und den F-15-E Piloten heißt es
unter anderem:
[F-15-E] „…confirm are your trying to take out the
vehicles or are your trying to take out the pax
[=persons]?”
[JTAC]: „We‟re trying to take out the pax.2475”
Kurze Zeit vor dem Bombenabwurf meldete die Besat-
zung der F-15 E, dass sich eine größere Personengruppe
auf der Sandbank nach Norden bewegte. Daraufhin über-
mittelte der Fliegerleitoffizier den Befehl für einen
schnellen Bombenabwurf, da seiner Ansicht die Zeit nun
drängte.
2476
Allerdings wies OFw W., auf Anordnung von
Oberst Klein, die F-15-E an, nur die Tanklastwagen auf
der Sandbank und nicht die sich um die Sandbank herum
befindenden Fahrzeuge und Personen zu bombardieren.
Oberst Klein hatte zuvor den Abwurf von 2 000-Pfund
Bomben als unverhältnismäßig abgelehnt.
2477
Für die Annahme, dass es bei dem Luftschlag um die
gezielte Tötung der Personen neben den Tanklastwagen
ging, spricht auch, dass Oberst Klein vor dem Bomben-
abwurf, trotz mehrfacher eindringlicher Nachfragen der
Besatzung der F-15, auf eine show of force (ein tiefer
Überflug über dem Zielgebiet, um die dort befindlichen
Personen vor dem geplanten Bombenabwurf zu warnen)
verzichtete. Aus den Funksprüchen geht hervor, dass die
2470) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II, S. 9.
2471) BT-PlPr. 17136 (Fn. 235, Dokument 58), S. 3463.
2472) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17, 18; vgl auch „Klein-
Bericht“(Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2, Ziffer 1, Absatz 1.
2473) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 28, S. 46.
2474) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 7.
2475) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 7.
2476) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 7.
2477) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 7.
Besatzung der F-15 zögerte, die Bomben abzuwerfen,
ohne zuvor einen niedrigen Überflug durchgeführt zu
haben. Sie boten dem JTAC OFw W. mindestens fünf Mal
an, die Personen auf der Sandbank durch eine show of
force auseinanderzutreiben.
2478
Unklar bleibt, inwieweit OFw W. die Anfragen der F-15-
E an Oberst Klein weitergab. OFw W. hat vor dem Unter-
suchungsausschuss ausgesagt, er habe Oberst Klein mehr-
fach hiervon in Kenntnis gesetzt, dieser habe allerdings
nur einmal darauf reagiert und begründet weshalb er eine
show of force ablehne.
2479
Oberst Klein behauptete dage-
gen, seiner Erinnerung nach habe OFw W. ihn nur einmal
gefragt, ob eine show of force durchgeführt werden solle,
nämlich unmittelbar vor dem Abwurf gegen 1.40 Uhr.
2480
Er habe sich dagegen entschieden in der Annahme, die
Personen auf der Sandbank seien bereits durch das mehr-
stündige Kreisen der Flugzeuge über der Sandbank aus-
reichend gewarnt gewesen.
2481
Diese Begründung ist
wenig überzeugend. Sie suggeriert, dass die Warnung der
Personen mit den Interessen von Oberst Klein vereinbar
gewesen wäre. Hätte Oberst Klein die Tötung der Perso-
nen um die Lastwagen um jeden Preis verhindern wollen,
hätte er zumindest die ihm zur Verfügung stehenden
Schutzmaßnahme anordnen müssen, selbst wenn er auf-
grund eigener Erfahrung mit keiner großen Wirkung
rechnete. Die Piloten der F-15-E scheinen die show of
force jedenfalls als wirksames Mittel zur Warnung ange-
sehen zu haben. Darüber hinaus ist unklar, ob die Perso-
nen auf der Sandbank die Flugzeuge tatsächlich die ge-
samte Zeit über hören konnten und die Fluggeräusche als
Vorbereitung zu einem möglichen Luftschlag interpretier-
ten. So gibt der Augenzeuge A. M., Fahrzeugführer eines
der entführten Lastwagen an, dass die Flugzeuge auf der
Sandbank nicht die gesamte Zeit zu hören gewesen seien
und dass er etwa 20 Minuten vor dem Abwurf keine
Fluggeräusche mehr wahrgenommen habe.
2482
Deshalb ist die Annahme gerechtfertigt, dass Oberst Klein
die show of force zumindest auch deswegen unterlassen
hat, weil dies die Tötung von regierungsfeindlichen Kräf-
ten hätte vereiteln können. Zu diesem Schluss ist auch die
Bundesanwaltschaft in ihrer rechtlichen Würdigung ge-
kommen. Ihrer Ansicht nach hätte „eine Warnung das
legitime militärische Ziel der Tötung von Taliban verei-
teln können“.2483 In einem internen vorläufigen Bericht
aus dem BMVg zu der NATO-Untersuchung des Luft-
schlags wird vermutet, dass der JTAC OFw W. die F-15-E
anwies „so hoch wie möglich“ zu bleiben, um den Über-
raschungsmoment für den Angriff zu nutzen.
2484
2478) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 4, 5, 8,
9.
2479) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 6, 40.
2480) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
2481) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 6.
2482) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 7.
2483) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (offene Version) vom 16. April 2010 (Dokument 52),
S. 67.
2484) Vorläufiger Bericht für AG 85 (Fn. 321, Dokument 61), Blatt
139, 140.
Drucksache 17/7400 – 374 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Verfahrensverstöße bei der Anordnung
und Durchführung des Luftschlags
Da die Bundesregierung lange Zeit wenig transparent mit
dem Handlungs- und Gewaltanwendungsspielraum der
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan
umgegangen ist (vgl. hierzu Kapitel III. 2), wird ein kur-
zer allgemeiner Überblick über die rechtlichen Rahmen-
bedingungen gegeben, an die Oberst Klein bei der Anord-
nung des Luftschlags gebunden war. Anschließend folgt
die eigentliche Bewertung des Luftschlags.
a) Rechtliche Rahmenbedingungen für den
Luftschlag
Maßgeblich für die Bewertung des Luftschlags ist, ob und
unter welchen Bedingungen die Soldatinnen und Soldaten
der Bundeswehr im Afghanistaneinsatz gezielt Gewalt
gegen Menschen anwenden dürfen. Maßgeblich ist wei-
terhin, ob und unter welchen Umständen der Tod von
Zivilpersonen bei militärischen Operationen in Kauf ge-
nommen werden darf. Die Rahmenbedingungen hierfür
setzt das Völkerrecht. Auf dieser Basis legen das VN-
Mandat und das Mandat des Deutschen Bundestags die
Grenzen der Gewaltanwendung im Afghanistan-Einsatz
der Bundeswehr fest. Diese werden in Vorschriften der
ISAF und der Bundeswehr weiter ausgeformt. Ein kurzer
Überblick über diese Regelungen soll helfen, um die
nachfolgende Bewertung des Luftschlags besser nachzu-
vollziehen.
aa) Humanitäres Völkerrecht
Obwohl die Bundesregierung den Afghanistaneinsatz zum
Zeitpunkt des Luftschlags offiziell als „Stabilisierungs-
einsatz“ darstellte, war er im Sinne des Völkerrechts be-
reits im September 2009 als nichtinternationaler bewaff-
neter Konflikt zu bewerten.
2485
Insofern sind die am Ein-
satz Beteiligten an die Vorschriften des humanitären Völ-
kerrechts gebunden. Die Regeln des Völkerrechts wurden
auch nicht durch das VN-Mandat oder das Bundestags-
mandat eingeschränkt.
2486
In einem solchen Konflikt
werden Personen – grob gesprochen – in drei Kategorien
unterteilt.
Erstens: Mitglieder einer organisierten bewaffneten
Gruppe sind ein legitimes militärisches Ziel. Sie dürfen
angegriffen und getötet werden, auch wenn sie nicht in
konkrete Kampfhandlungen verwickelt sind oder wenn
keine konkrete Gefahrenlage besteht. Als Mitglieder ge-
lten allerdings nur Personen, die kontinuierlich an den
2485) Einstellungsvermerk, Offene Version, Pressemitteilung 8/2010
des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 19. April
2010 (Dokument 52); Mat.17-74a, GBA, Sachakten Sonderband,
Geschädigtenvertreter Band 2, Bl. 107 ff. m.w.N.
2486) Mat. 17-71, Handakte des GBA, Blatt 280 ff. (285) Schreiben
Abteilung Recht, BMVg an Generalstaatsanwalt Dresden, 21. 10.
2009.
von dieser Gruppe ausgehenden Feindseligkeiten beteiligt
sind.
2487
Zweitens: Andere Personen, die sporadisch oder unorga-
nisiert oder in einer nichtkämpfenden Funktion an Feind-
seligkeiten teilnehmen, dürfen nur dann gezielt angegrif-
fen werden, wenn und solange sie aktiv an Kampfhand-
lungen beteiligt sind.
2488
Hieran sind bestimmte Anforde-
rungen geknüpft. Das bloße Benzinabzapfen von einem
entführten Tanklaster reicht für diese Einstufung zum
Beispiel nicht aus, egal ob dies für den eigenen Nutzen
geschieht, oder um eine bewaffnete Gruppe zu unterstüt-
zen.
Drittens: Zivilpersonen genießen grundsätzlich Schutz vor
den Gefahren, die von Kampfhandlungen ausgehen (nach
Artikel 13 Absatz 1 ZP II). Dies ist ein wesentlicher
Grundsatz im humanitären Völkerrecht, der durch weitere
Bestimmungen konkretisiert wird: Sind Menschen anwe-
send, muss der Befehlshabende bei einem Angriff im
Zweifelsfall davon ausgehen, dass sie (geschützte) Zivil-
personen sind (vgl. Artikel 50 Abs. 1 Satz 2 ZP I).
2489
Er
muss weiter darauf achten, dass Zivilpersonen bei Angrif-
fen weitgehend verschont bleiben (vgl. Artikel 57 Ab-
satz 1 ZP I). Hierfür muss der Befehlshabende bestimmte
Schutzmaßnahmen treffen: er hat alles praktisch Mögliche
zu tun, um sicherzugehen, dass er keine Zivilpersonen
angreift (Artikel 57 Abs. 2 a) i) oder dass der Angriff
unverhältnismäßig im Sinne des Völkerrechts ist (Arti-
kel 57 Abs. 2 a) iii); Artikel 51 Abs. 4 und 5 b) ZP I). Es
besteht eine grundsätzliche Warnpflicht bei Angriffen,
durch welche die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft
gezogen werden kann (vgl. Artikel 57 Abs. 2 Buchst. C
ZP I). Mögliche Warnhandlungen vor Luftschlägen sind
zum Beispiel ein niedriger Überflug.
2490
Diese völkerrechtlichen Bestimmungen stellen die äußers-
ten Grenzen der erlaubten Gewaltanwendung dar. Dane-
ben bestehen weitere (konkretisierende) Vorschriften, die
im Vergleich zu den völkerrechtlichen Bestimmungen
keine weitergehenden Befugnisse enthalten.
2491
2487) Mat.17-74a, GBA, Sachakten-Sonderband, „Antrag Rechtsanwalt
Kalek” Blatt 105 mit Verweis auf IKRK/N. Melzer, Interpretive
Guidance on the Notion of Direct Participation in Hostilities un-
der International Humanitarian Law, Adopted by the Assembly of
the International Committee of the Red Cross on 26 February
2009, S. 36.
2488) Artikel 13 Abs. 3 ZP II; IKRK/N. Melzer, Interpretive Guidance
on the Notion of Direct Participation in Hostilities under Interna-
tional Humanitarian Law, Adopted by the Assembly of the Inter-
national Committee of the Red Cross on 26 February 2009, S. 20.
2489) Einstellungsvermerk, Offene Version, Pressemitteilung 8/2010
des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 19. April
2010 (Dokument 52); Mat.17-74a, GBA, Sachakten Sonderband,
Geschädigtenvertreter Band 2, Bl. 107 ff. m.w.N.
2490) Mat.17-74a, GBA, Sachakten-Sonderband, „Antrag Rechtsanwalt
Kaleck”, Blatt 105 ff.m.w.N.
2491) Peter Dreist, Rules of Engagement in multinationalen Operatio-
nen – ausgewählte Grundsatzfragen, Teil 1, NZWehrR 2007, S.
45 ff. (114).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 375 – Drucksache 17/7400
bb) ISAF Mandat und Einsatzregeln der ISAF
Das VN-Mandat ermächtigt die an ISAF teilnehmenden
Mitgliedstaaten, alle zur Erfüllung des Mandats notwen-
digen Maßnahmen zu ergreifen. Dies schließt auch die
Anwendung militärischer Gewalt mit ein. Grundlage
hierfür ist Kapitel VII der VN-Charta. Im Operationsplan
der NATO (OPLAN) wird dies näher ausgestaltet, unter
anderem in den militärischen Handlungsregelungen, „Ru-
les of Engagement“ (RoE). Diese legen die Vorausset-
zungen fest, unter denen ISAF bei einer Operation Gewalt
anwenden darf. Die RoE stellen einen generellen Hand-
lungs- und Befehlsrahmen dar, der durch den befehlsha-
benden Soldaten für den Einzelfall auszulegen ist. Ein
Soldat der eine RoE verletzt, handelt noch nicht notwen-
digerweise völkerrechtswidrig. Maßstab bleibt allein die
Regelung des Völkerrechts, bzw. die Grenzen des völker-
rechtlichen Mandats. Allerdings begründet die Verletzung
einer RoE den Verdacht, dass im Einzelfall Völkerrecht
verletzt wurde. Eine detaillierte Überprüfung des Einzel-
falls ist daher zwingend geboten.
2492
Als weitere Handlungsrichtlinie für die Soldatinnen und
Soldaten in Afghanistan erließ der oberste militärische
Befehlshaber der ISAF, Stanley McChrystal, am 6. Juli
2009 eine so genannte Tactial Directive, eine Art Hand-
lungsanleitung bei der Umsetzung militärischer Operatio-
nen. Dort räumte er den Schutz von Zivilpersonen bei
militärischen Operationen oberste Priorität ein.
2493
cc) Bundeswehrmandat und Taschenkarte
Die ISAF RoE müssen auf die jeweilige nationale Ebene
umgesetzt werden, damit sie für die nationalen Kontin-
gente gültig sind. Dabei orientieren sie sich am Inhalt der
ISAF RoE, können aber geringe Abweichungen enthalten.
In Deutschland sind die RoE darüber hinaus mit dem
Mandat des Deutschen Bundestages für den Einsatz in
Afghanistan abgestimmt. Dieses stützt sich auf Artikel 24
II Abs. 2 GG. Das im September 2009 gültige Mandat des
Deutschen Bundestag orientierte sich (wie alle nachfol-
genden Mandate des Bundestags) am VN-Mandat und
autorisiert die Bundeswehr, alle erforderlichen Maßnah-
men einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt
zu ergreifen, um das Mandat gemäß Resolution 1833 von
2008 durchzusetzen.
2494
Nationale Einschränkungen (ca-
veats) des VN-Mandats sind im Bundestagsmandat nicht
enthalten.
2495
Die Vorgaben des Mandats sowie die natio-
nalen RoE werden für die Soldatinnen und Soldaten in
einer Taschenkarte zusammengefasst. In der Taschenkar-
te, die am 24. Juli 2009 neu gefasst wurde, wird unter
2492) Zu RoE vgl. im Einzelnen: Wissenschaftlicher Dienst, Felix
Arndt: Zu den Rechtwirkungen von RoE, S. 1; Peter Dreist, Rules
of Engagement in multinationalen Operationen – ausgewählte
Grundsatzfragen, Teil 1, NZWehrR 2007, S. 150.
2493) www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf
(Dokument 49).
2494) vgl. oben, Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt, A.
2495) Mat. 17-71, Handakten des GBA, Ordner 1 (Dokument 173),
Bl. 201: Brief des Rechtsberaters, des Einsatzführungskomman-
dos der Bundeswehr an Generalstaatsanwaltschaft des Feistaates
Sachsen, 10. September 2009.
anderem beschrieben, wann eine Soldatin oder ein Soldat
militärische Gewalt anwenden darf. Der Inhalt der Ta-
schenkarte wird – soweit er ein bestimmtes Verhalten
anweist – für die Soldatinnen und Soldaten zu einem
verbindlichen Befehl.
2496
b) Verletzung der Aufklärungspflichten zur
Vermeidung ziviler Opfer
Oberst Klein war als befehlshabender Kommandeur ver-
pflichtet, alles praktisch Mögliche tun, um zu verhindern,
dass Zivilpersonen durch seinen Angriff zu Schaden
kommen. Dabei musste er abwägen zwischen dem Grad
der Gefahr, die von dem anzugreifenden Ziel ausgeht und
der Wahrscheinlichkeit, dass zu schützende Zivilpersonen
durch den Angriff zu Schaden kommen. Hierfür sind
Aufklärungsmaßnahmen notwendig. Die Zeit und Sorg-
falt, mit der die Abwägung vorzunehmen ist, hängt unter
anderem von der Einzelsituation, von der Dringlichkeit
und dem Grad der Bedrohung ab.
Oberst Klein hat in seiner Vernehmung erklärt, dass er
seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen sei. Er habe eine
ausreichende Bewertungsgrundlage besessen, um davon
ausgehen zu dürfen, dass „alle Personen, die sich zu die-
sem Zeitpunkt um die Tanklastzüge befanden, Teil der
Operation der Aufständischen waren und deswegen betei-
ligt waren.“2497 Neben den Informationen des HUMINT-
Kontaktes der TF 47 habe er sich auf die durch die Flug-
zeuge gesendeten Aufnahmen sowie auf seine „Erfah-
rungswerte aus fünf Monaten in der Region“2498 stützten
können.
Nach Auswertung des vorliegenden Materials bestehen
allerdings massive Zweifel daran, dass Oberst Klein seine
Aufklärungspflichten zur Vermeidung ziviler Opfer hin-
reichend wahrnahm. Zum einen differenzierte Oberst
Klein bei seiner Aufklärung nicht ausreichend zwischen
den Personen, die er angreifen durfte und zwischen zu
schützenden Zivilpersonen (aa). Zum anderen bot die
Quellenlage kein hinreichendes Lagebild. Hier hätte
Oberst Klein weitere Erkundigungen einziehen müssen.
Alternativ hätte er von einem Luftschlag Abstand nehmen
müssen. Beides wäre angesichts der geringen Gefahrensi-
tuation zumutbar gewesen (bb).
aa) Unpräzise Nachforschungen zu möglichen
Zivilpersonen vor Ort
In einem asymmetrischen Konflikt, wie er in Afghanistan
besteht, ist es schwierig, zwischen feindlichem Kämpfer
und zu schützender Zivilperson zu unterscheiden. Die
Grenzen sind fließend, ein Aufständischer kann jederzeit
seine Waffe verstecken und als Zivilist wieder auftau-
2496) Wissenschaftlicher Dienst, OTL i. G. Dr. U. Hartmann/ORRn
Dr. A. Schubert: Rules of Engagement und die Taschenkarten der
Bundeswehr, 2009 (Dokument 48).
2497) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
2498) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 37.
Drucksache 17/7400 – 376 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chen.
2499
Deshalb hätte Oberst Klein besondere Sorgfalt
darauf verwenden müssen, zu unterscheiden, ob sich auf
der Sandbank ausnahmslos Mitglieder einer organisierten
bewaffneten Gruppe befanden, oder ob möglicherweise
auch Zivilpersonen anwesend waren und, wenn ja, ob
diese aktiv in Kampfhandlungen verstrickt waren oder
nicht (vgl. unter I die verschiedenen völkerrechtlichen
Kategorien).
Allerdings verwendete Oberst Klein bei der Aufklärung
der Personen vor Ort – und später in seinen Berichten
über den Luftschlag – Kategorien, die ungeeignet sind,
um eine solche Unterscheidung vorzunehmen. So hat
Oberst Klein vor dem Untersuchungsausschuss betont,
dass im PRT Kunduz die Unterscheidungskategorien
„Beteiligte“ und „Unbeteiligte“ verwendet würden.2500 Er
schätzte nach seiner Aussage die Lage dahingehend ein,
dass die aufständischen Führer vor Ort Angehörige ande-
rer Gruppen und „Sympathisanten“ herangerufen hätten,
um sie bei der Freisetzung der Lastwagen zu unterstüt-
zen.
2501
Insoweit seien sie Beteiligte. In seinem offiziellen
Bericht vom 5. September an das BMVg zum Luftschlag
schreibt Oberst Klein, er sei davon ausgegangen durch
den Einsatz mit höchster Wahrscheinlichkeit nur Feinde
des Wiederaufbaus Afghanistans zu treffen.
2502
Die Be-
griffe „Beteiligte“, Sympathisanten“ und „Feinde des
Wiederaufbaus“ gehen aber über die oben genannten
völkerrechtlichen Kategorien hinaus. Denn sie erfassen
auch Personen, die weder Mitglieder einer bewaffneten
Gruppe sind, noch aktiv in Kampfhandlungen verwickelt
sind, die aber auf andere Weise Unterstützungsleistungen
durchführen, wie zum Beispiel Personen, die freiwillig
oder unter Zwang dabei halfen die entführten Tanklaster
wieder fahrtüchtig zu machen, bzw. Benzin für die Tali-
ban abzuzapfen. Trotzdem werden solche Personen nicht
zu einem legitimen militärischen Angriffsziel.
Es gab keine systematische und umfassende Kommunika-
tion mit dem HUMINT-Kontakt zur Frage von Zivilper-
sonen vor Ort: Die Angehörigen der TF 47, Hptm N.,
OFw F. und HFw S., haben angegeben, bei der Aufklä-
rung der Situation auf der Sandbank die Begriffe „Zivilis-
ten“ und „Taliban“ bzw. „Insurgenten“ (also Aufständi-
sche) verwendet zu haben.
2503
Nach Aussage des Sprach-
mittlers M. M. hat der HUMINT-Kontakt die Unterschei-
dungskriterien „Taliban“ und „Unschuldiger“ verwen-
det.
2504
Im Antrag des Rechtsanwalts Kaleck an die Gene-
ralstaatsanwaltschaft Dresden auf Fortführung des Ermitt-
lungsverfahrens, wird unter Verweis auf den Feldjägerbe-
richt darauf hingewiesen, dass der Begriff „Taliban“ oder
„Aufständischer“ im Sprachgebrauch der lokalen Bevöl-
kerung und Politiker meist weit ausgelegt wird und oft-
2499) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 25; W, Protokoll-Nr. 8,
Teil II, S. 10.
2500) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 21, 31, 45. Dies hat OTL G., der
stellvertretende Kommandeur PRT Kunduz, bestätigt: G., Proto-
koll-Nr. 39, Teil II, S. 2, 5.
2501) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.
2502) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Blatt 3, Punkt 5.
2503) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68; S., Protokoll-Nr. 33, Teil II,
S. 43, 49; F., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 4, 5.
2504) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 8, 9.
mals politische Gegner der lokalen Machthaber umfassen
kann und somit weiter geht als die humanitär-
völkerrechtliche Begrifflichkeit.
2505
So versicherte der
Provinzrats Kunduz gegenüber Angehörigen des NATO
Untersuchungsteams (IAT), dass keine „Unschuldigen“
Opfer des Luftschlags geworden seien. Gleichzeitig gaben
sie an, auch seien Kinder und Heranwachsende unter den
Verletzten gewesen.
2506
Die irreführende Verwendung dieser Begriffe erhöhte das
Risiko, die Situation vor Ort nicht korrekt zu erfassen.
Umso notwendiger wäre es gewesen, dem HUMINT-
Kontakt präzisierende Fragen nach den Personen vor Ort
zu stellen, insbesondere, welche Personengruppen er unter
der Bezeichnung „Taliban“ verstehe. Rückfragen blieben
allerdings weitgehend aus. So hat HUMINT-Operator
HFw S. vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass
es keine Verständigung zwischen ihm und dem Kontakt
darüber gab, wann Menschen als Zivilisten und wann sie
als Kombattanten einzuschätzen seien.
2507
HUMINT-
Operator OFw F. hat berichtet, dass für ihn nicht erkenn-
bar gewesen sei, anhand welcher Erkennungskriterien die
Anwesenheit von Zivilisten ausgeschlossen wurde. Er
habe auch nicht nachgefragt, woran der Kontakt erkannt
habe, dass keine Zivilisten vor Ort seien.
2508
Der Kontakt
habe allerdings auf Nachfrage gemeldet, dass fast alle
Personen bewaffnet gewesen seien.
2509
Widersprüchliche
Angaben bestehen dazu, ob der Kontakt nach Kindern
und Frauen auf der Sandbank gefragt worden ist. Wäh-
rend Hptm N. dies verneint hat
2510
, hat HFw S. angegeben,
auch direkt nach Frauen und Kindern vor Ort gefragt zu
haben. Auch die Tätigkeit der Personen vor Ort gab kei-
nen Anlass dazu, sie als Mitglieder einer bewaffneten
Gruppe oder als Personen, die in Kampfhandlungen ver-
wickelt sind, einzuordnen. Der HUMINT-Kontakt gab
Auskunft darüber, dass die Personen damit beschäftigt
waren, die Tanklastwagen mit Hilfe von Traktoren fahr-
tüchtig zu machen bzw. Benzin abzuzapfen und abzu-
transportieren.
bb) Ungeeignete Quellenlage
Oberst Klein musste vor Abwurf der Bomben klar gewe-
sen sein, dass die Personen auf der Sandbank nicht aktiv
in Kampfhandlungen verwickelt waren, sondern dass sie
sich bemühten, die Tanklaster freizubekommen, bzw. das
Benzin abzuschöpfen. Wie unter Punkt 3 näher ausge-
führt, spricht viel dafür, dass Oberst Klein es vor dem
Bombenabwurf für unwahrscheinlich hielt, dass die Per-
sonen auf der Sandbank die Tanklaster für einen baldigen
2505) Mat. 17-74a, Blatt 69 ff., 108; „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Do-
kument 67), S. 5.
2506) Gesprächsprotokoll des Feldjägerführers: Auswertegepräch IAT
mit Vertretern Provinzrat KDZ und mit Vertretern AFG Ermitt-
lungsteam aus KBL, Anlage 27 zum „Feldjägerbericht“
(Dokument 80), Bl. 63; Bericht des Deputy Chief CJ2 HQ ISAF,
Protokoll Fact Finding Mission Kunduz vom 6. September 2009
(„N.-Bericht“, Dokument 54), Bl. 6.
2507) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 49.
2508) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4, 12.
2509) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 12.
2510) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 377 – Drucksache 17/7400
Angriff auf das PRT Kunduz vorbereiten würden. Es ging
von den Tanklastern und Personen keine unmittelbare
Gefahr für das PRT Kunduz aus. Denn zum einen schien
es den Aufständischen unmöglich, die seit mehreren
Stunden feststeckenden Tanklaster von der Sandbank in
nächster Zeit befreien zu können; zum anderen besaßen
die Personen in der TF 47 die Information, dass die Auf-
ständischen die Lastwagen Richtung Westen, d. h. vom
PRT Kunduz weg fahren wollten. Abseits einer konkreten
Kampfsituation wären die Personen auf der Sandbank nur
dann ein legitimes militärisches Angriffsziel gewesen,
wenn sie Mitglieder einer organisierten bewaffneten
Gruppe gewesen wären. Aufgrund des völkerrechtlichen
Grundsatzes, dass Personen im Zweifel als zu schützende
Zivilpersonen zu werten sind, hätte Oberst Klein sie posi-
tiv als solche identifizieren müssen. Dies ist ihm aufgrund
der vorliegenden Quellenlage nicht gelungen.
aaa) Informationen zu den Tanklastwagen-
fahrern
Unklar bleibt, welche Informationen die Personen in der
Operationszentrale der TF 47 über die eindeutig als Zivil-
personen einzuschätzenden Fahrer der entführten Tank-
lastwagen besaßen. Die HUMINT-Kollektoren HFw S.
und OFw F. sowie OFw W. und Oberst Klein sagten aus,
dass der Kontakt keine spezifischen Informationen über
den Verbleib der Fahrer der beiden Tanklastwagen gehabt
habe.
2511
Oberst Klein fügte hinzu, dass die Fahrer seiner
Einschätzung nach nicht auf der Sandbank gewesen war-
en. Dabei hatte er sich auf seine Erfahrung in vergleichba-
ren Fällen gestützt und auf die wiederholten Versicherun-
gen des Kontaktes, dass nur Taliban vor Ort seien.
2512
Hptm N. gab dagegen an, dass der Kontakt sie über die
Tötung der Fahrer informiert hatte. Wörtlich sagte er aus,
„dass die LKW Fahrer an dem Abend von dem
Kontakt als nicht mehr im Spiel genannt wurden.
Sie sollten also wohl umgebracht worden sein.“2513
Der Sprachmittler, Zeuge M. M., hat wiederum angege-
ben, Informationen über die Lastwagenfahrer weitergelei-
tet zu haben.
2514
Tatsächlich hatte ein Lastwagenfahrer,
der Zeuge A. M., sowohl die Entführung als auch den
Luftschlag überlebt. Er sagte vor dem Untersuchungsaus-
schuss glaubhaft aus, dass sein Kollege nicht durch die
Taliban, sondern erst durch den Luftschlag getötet worden
war.
2515
Weiterhin hätten sich bei der Entführung ihre
Beifahrer in den Lastwagen befunden, die jedoch vor dem
Luftschlag hätten fliehen können.
2516
2511) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 5; S., Protokoll-Nr. 33, Teil II,
S. 45; Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23; W., Protokoll-Nr. 8,
Teil II, S. 48.
2512) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
2513) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62.
2514) M. M., Protokoll-Nr. 33 Teil II, S. 23.
2515) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3-5.
2516) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 13.
bbb) Glaubwürdigkeit des HUMINT-Kontaktes
Eine einzelne Person, die Nachrichten an die TF 47 wei-
tergab, informierte die TF 47 aus eigener Initiative am
Abend des 3. Septembers 2009 über die Entführung der
Tanklastwagen, die geplante Route und den Umstand,
dass die Tanklaster auf der Sandbank festgefahren waren.
Derselbe Kontakt informierte die TF 47 in der Nacht vom
3. September 2009 gegen Mitternacht auch darüber, dass
sich ausschließlich Aufständische auf der Sandbank auf-
hielten.
2517
Auch wenn der Kontakt als grundsätzlich
zuverlässig eingestuft wurde
2518
, wies Hptm N. Oberst
Klein darauf hin, dass es sich um unbestätigte Einzelmel-
dungen handele und dass nicht ausgeschlossen werden
könne, dass der Kontakt sein eigenes Spiel treibe.
2519
Insbesondere die Nachricht, dass keine Zivilpersonen auf
der Sandbank seien, könne man aufgrund der schweren
Unterscheidbarkeit zwischen Zivilpersonen und Aufstän-
dischen „nicht als absolut nehmen.“2520 Dass Hptm N. den
Einsatz seines HUMINT-Kontaktes auch als Gelegenheit
sah, dessen Glaubwürdigkeit bezüglich anderer Informa-
tionen zu prüfen, bestätigt, dass er den Kontakt nicht
einschätzen konnte und seinen Informationen nicht unein-
geschränkt traute.
2521
Bereits bei früheren ISAF Operatio-
nen war es vorgekommen, dass Kontaktpersonen bewusst
Falschinformationen lancierten um Angriffe auf Zivilper-
sonen zu provozieren. Dies alles wies darauf hin, dass den
Aussagen des Kontaktes nicht uneingeschränkt und nicht
ohne weitere Überprüfung geglaubt werden durfte. Trotz-
dem sah Oberst Klein keinen Anlass dazu, die Angaben
des Kontakts zu hinterfragen.
2522
Über die Identität des laut Aussage des HUMINT- Kol-
lektors, Zeuge F. inzwischen verstorbenen
2523
Kontaktes
haben die durch den Untersuchungsausschuss vernomme-
nen Angehörigen der TF 47 sowie der Sprachmittler,
widersprüchliche Aussagen getroffen. Die genannten
Zeugen konnten die ethnische Zugehörigkeit des Kontak-
tes nicht eindeutig festlegen
2524
und wussten nicht in wel-
cher Beziehung er zu den Entführern auf der Sandbank
stand. Selbst der Ort, von dem aus der Kontakt über die
Geschehnisse berichtete – ob er selbst mit auf der Sand-
bank war oder das Geschehnis vom Flussufer aus beo-
bachtete – blieb unklar. Dieser geringe Informationstand
wäre ein weiterer Grund gewesen, Informationen des
2517) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
2518) Der Untersuchungsausschuss konnte nicht eindeutig feststellen,
wie glaubwürdig der Kontakt offiziell eingestuft worden war. Die
HUMINT-Kollektoren und der Geheimdienstoffizier der TF 47,
Zeugen N., S. und F. haben jedoch ausgesagt, dass sie zuvor posi-
tive Erfahrungen mit dem Zeugen gesammelt haben. N., Proto-
koll-Nr. 8, Teil II, S. 68, 73; F., Protokoll-Nr.35, Teil II, S. 27; S.,
Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 45.
2519) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62, 68, 73.
2520) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68 : „Deswegen habe ich auch dem
Herrn Oberst Klein gesagt, dass der Kontakt uns dies [keine Zi-
vilbevölkerung vor Ort] mitgeteilt hat, ich diese Aussage aber
nicht als absolut annehmen kann.“
2521) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.
2522) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.
2523) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 27.
2524) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 10; N. Protokoll-Nr. 10,
Teil II, S. 76; F. Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 22.
Drucksache 17/7400 – 378 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
HUMINT-Kontaktes mit Vorbehalt zu verwenden. Trotz-
dem verließ sich Oberst Klein auf die Informationen, die
ihm von der Quelle zugetragen wurden.
2525
Unabhängig von der Frage nach der Integrität des
HUMINT- Kontaktes erscheint es unwahrscheinlich, dass
eine einzelne Person in der Lage war, mitten in der Nacht
bei schlechten Sichtverhältnissen zu erkennen, ob sich
unter den vielen Menschen auf der Sandbank, die außer-
dem in Bewegung waren, ausschließlich Aufständische
aufhielten. Dies bestätigte der Augenzeuge A. M., der sich
zum Zeitpunkt des Luftschlags auf der Sandbank befand.
Seiner Aussage nach war es zu dunkel, um das Alter aller
anwesenden Personen einschätzen zu können.
2526
ccc) Mittelbare Kommunikation mit dem
HUMINT-Kontakt
Der Aussagegehalt der HUMINT-Nachrichten hätte schon
deshalb kritisch bewertet werden müssen, weil Fragen
und Antworten nicht direkt, sondern nur mittelbar und
durch Übersetzung überbracht wurden. Oberst Klein gab
seine Fragen an Hptm N. weiter. Dieser gab sie an seine
HUMINT-Kollektoren weiter, die wiederum außerhalb
der Operationszentrale mit einem afghanischen Sprach-
mittler kommunizierten, der die Fragen telefonisch dem
HUMINT-Kontakt stellte. Auf dem umgekehrten Wege
übermittelte der Kontakt seine Informationen und beant-
wortete die Fragen.
2527
Der Sprachmittler M. M. hat vor
dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass der
HUMINT-Kontakt unmittelbar auf der Sandbank zugegen
gewesen sei und als Augenzeuge berichtet habe.
2528
Auch
Oberst Klein ging nach eigener Aussage davon aus, dass
er Informationen aus erster Hand erhielt.
2529
Dagegen
haben die Zeugen Hptm. N., und die HUMINT-
Kollektoren HFw S. und OFw F. glaubhaft berichtet, der
HUMINT-Kontakt habe seine Informationen über Telefo-
nate mit einer weitere „Subquelle“ bezogen. Der Zeuge
Hauptmann N. hat diesbezüglich in seiner Vernehmung
erklärt, dass es eine Weile gedauert habe, bis die Kon-
taktperson „damit rausgerückt hatte.“2530
Sollte tatsächlich eine weitere Subquelle eingeschaltet
gewesen sein, hieße das, dass die Informationen über
insgesamt fünf Personen liefen, bis sie zu Oberst Klein
gelangten. Bei einer solchen Informationskette über Tele-
fon, bei der zusätzlich noch Informationen übersetzt wer-
den mussten, scheint es nahezu unvermeidlich, dass In-
formationen verloren gehen oder verfälscht werden. Die
Personen in der Operationszentrale stützen sich auf die
Aussagen einer Person, deren Identität sie nicht kann-
ten.
2531
Sie konnten nicht einschätzen, wie glaubwürdig
sie war und aus welcher Motivation heraus sie den
2525) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.
2526) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 12.
2527) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.
2528) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 3, 6.
2529) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 44.
2530) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62; S. Protokoll-Nr. 33, Teil II,
S. 34, 36.
2531) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 49.
HUMINT-Kontakt mit Informationen versorgte. Der
Umstand, dass der Sprachmittler nicht sicherheitsüber-
prüft war und nicht in der Operationszentrale der TF 47
anwesend sein durfte, ist ein weiterer Faktor, der den
Nachrichtenwert des HUMINT-Kontaktes schmälert.
Nach eigener Aussage verfügte der Zeuge über keine
Dolmetscherausbildung.
2532
ddd) Luftbilder durch die B-1B bzw. F-15-E
Oberst Klein sah die Aussagen des HUMINT Kontaktes
bestätigt durch die Luftbilder, welche die B-1B Bomber
bzw. F-15-E übermittelten, sowie durch die Aussagen der
Piloten, die ihm über Fliegerleitoffizier OFw W. vermit-
telt wurden.
2533
Die in der Operationszentrale der TF 47 versammelten
Personen konnten allerdings auf den Videoaufnahmen
Aufständische und Zivilisten nicht unterscheiden. Unklar
blieb auch, welche Art von Fahrzeugen sich neben den
Tanklastwagen auf der Sandbank befand, die Anzahl der
Personen an den Tanklastern und die Frage einer even-
tuellen Bewaffnung dieser Personen.
2534
Auch die Aussagen der Piloten ergaben keinen hinrei-
chenden Aufschluss über die Situation vor Ort. So beste-
hen Zweifel, ob die Piloten der B-1B, wie von mehreren
Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss behauptet,
tatsächlich bewaffnete Personen auf der Sandbank aufklä-
ren konnten.
2535
Unbestritten ist, dass die F-15-E-Piloten
aufgrund ihrer Flughöhe keine Waffen identifizieren
konnten.
2536
Aus den Transkriptionen der Funksprüche
der F-15-E-Piloten wird deutlich, dass die Piloten sich
über die Anwesenheit von Zivilpersonen auf der Sand-
bank im Unklaren waren. Um sich abzusichern, schlugen
sie dem JTAC OFw W. vor, Rücksprache mit dem Com-
bined Air Operations Center zu halten. Dies lehnte der
JTAC aber mit dem Hinweis ab, der anwesende Kom-
mandeur PRT besitze den Freigabebefehl.
2537
Auch die
wiederholte Anfrage der F-15-E-Piloten, ob sie einen
Tiefflug durchführen sollten, zeigt, dass sie von der Mög-
lichkeit ausgingen, dass Zivilpersonen vor Ort seien (vgl.
hierzu Kapitel III.1).
eee) Hintergrundwissen
Schließlich berief sich Oberst Klein für die Lagebeurtei-
lung auf sein Erfahrungswissen. Er hielt es für unwahr-
scheinlich, dass sich die Zivilbevölkerung aus Angst vor
Aufständischen in der Nacht außerhalb ihrer Dörfer auf-
hielt, zumal es die Zeit des Ramadan war. Darüber hinaus
war die Sandbank eine „bekannte Übergangsstelle für
2532) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 10.
2533) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 47.
2534) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10; W., Protokoll-Nr. 8, Teil II,
S. F., Protokoll-Nr. 35, S. 5.
2535) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10, 56; N., Protokoll-Nr. 37,
Teil II, S. 94; W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 5; Mat.17-10/10a,
Anhang F, Anlage 23, Punkt 9, 10, 18, 31, 38, 40, 45, 48, 53.
2536) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 45.
2537) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 379 – Drucksache 17/7400
Aufständische“.2538 Auch die Anzahl der Personen auf der
Sandbank – Oberst Klein ging nach seiner Aussage von
70 Personen aus – widersprach nicht Oberst Kleins An-
nahme, dass keine Zivilpersonen anwesend seien.
2539
Mehrere Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss haben
die Situation im Nachhinein anders bewertet. Sowohl der
damalige Kommandeur des Allied Joint Force Command
in Brunssum, General Ramms, als auch Brigadegeneral
Vollmer, der als Führer des deutschen Einsatzkontingents
ISAF und Kommandeur des Regionalkommandos Nord
Oberst Klein vorgesetzt war, sowie der Leiter des Einsatz-
führungskommandos, Generalleutnant Glatz, haben vor
dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass ihrer Erfah-
rung nach bei einer solchen Anzahl von Personen grund-
sätzlich mit Zivilbevölkerung gerechnet werden müsse.
Auch General Ramms hat dies bestätigt.
2540
cc) Alternative Handlungsmöglichkeiten
Die NATO kam zu dem Schluss, dass Oberst Klein bei
einer derartig komplexen Entscheidungssituation weitere
Quellen hätte heranziehen müssen, bevor er eine Ent-
scheidung traf. Dies wird aus einem internen Bericht des
BMVg deutlich:
„Im Zusammenhang mit der positiven Identifizie-
rung der Taliban (Positive Identification PID) führt
der Bericht aus, dass eine HUMINT Quelle im Zu-
sammenhang mit der Aufklärung aus der Luft ge-
mäß den ISAF Standard Operation Procedures
(SOP) zwar die Minimalanforderungen erfüllt,
aber für ein solch komplexes Szenario durch die
Untersuchungskommission nicht als hinreichend
beurteilt wird.“2541
Wenn Oberst Klein zeitnah keine weiteren Aufklärungs-
möglichkeiten zur Verfügung standen, weil Material und
Personal gebunden waren, bzw. das Personal Ruhezeiten
benötigte
2542
, so hätte er den Luftschlag auf einen späteren
Zeitpunkt verschieben müssen, an dem bessere Sichtver-
hältnisse bzw. bessere Aufklärungsmöglichkeiten – etwa
durch die PRT-eigenen Drohnen – bestanden. Die zeitli-
che Verzögerung wäre zumutbar gewesen, weil erkennbar
keine unmittelbare Bedrohung von den Tanklastern oder
den Personen vor Ort ausging (vgl. Kapitel III. 3.). Zu-
mindest hinsichtlich der Tanklaster war auch nicht damit
zu rechnen, dass sie in nächster Zeit von der Sandbank
wegbewegt würden. Die Gefahr, die auf der Sandbank
vermuteten Mitglieder einer bewaffneten Gruppe zu ei-
nem späteren Zeitpunkt nicht mehr auf der Sandbank
angreifen zu können, hätte Oberst Klein in Kauf nehmen
müssen.
2543
Alternativ hätte er den Luftschlag aufgrund
2538) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10. 11, 37.
2539) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
2540) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 4; vgl. auch ebenda S. 18.
2541) Mat. 17-22a, Ordner 3, Blatt 5, so auch die Einschätzung des
Zeugen Ramms.
2542) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 7, 14.
2543) Mat.17-74a, GBA, Sachakten-Sonderband, „Antrag Rechtsanwalt
Kaleck” Blatt 105 ff. m.w.N.
der verbleibenden Zweifel hinsichtlich des Status der
Personen auf der Sandbank ablehnen müssen.
Festzuhalten ist, dass Oberst Klein seine Aufklärungs-
pflichten vor dem Luftschlag nicht hinreichend wahrge-
nommen hat. Nach Beurteilung der NATO verstieß die
Anordnung des Luftangriffs auf große Personenansamm-
lung und ohne dass die eigenen Truppen unmittelbar
bedroht waren auf der Basis nur einer HUMINT-Quelle,
gegen die Richtlinien des COM ISAF.
2544
Sie steht auch
nicht in Einklang mit der völkerrechtlich verankerten
Pflicht, darauf zu achten, dass Zivilpersonen bei Angrif-
fen weitgehend verschont bleiben (Artikel 57 Absatz 1
ZP I). Die Vernachlässigung der Aufklärungspflichten
führte dazu, dass Oberst Klein das Bedrohungspotential
als unangemessen hoch einschätzte, und ihm gegenüber
die Wahrscheinlichkeit die Zivilbevölkerung zu treffen,
zu gering bemaß.
dd) Flugzeuganforderung trotz mangelndem
TIC
Die ISAF-Einsatzregeln sahen vor, dass Luftnahunterstüt-
zung durch die ISAF Luftleitzentrale kurzfristig gewährt
wird, wenn aufgrund der unmittelbaren Bedrohung („im-
minent threat“) erklärt wird, dass eigene Truppen in
Feindberührung (troops in contact (TIC)) stehen.
Um weitere Luftunterstützung zu erhalten, nachdem die
B-1B abgezogen worden waren, erklärte OFw W. auf
Anweisungen von Oberst Klein gegenüber der Luftleit-
zentrale fälschlicherweise das Vorliegen eines solchen
TIC.
Oberst Klein hat vor dem Untersuchungsausschuss ausge-
sagt, er habe zwar gewusst, dass es keine unmittelbare
Feindberührung (TIC) gegeben habe, allerdings habe eine
unmittelbare Bedrohung (imminent threat) seiner Truppen
bestanden, welche die TIC-Erklärung rechtfertigt habe.
Denn
„durch eine große Gruppe Bewaffneter und Tank-
wagen nur wenige Kilometer entfernt von dem Po-
lizeikontrollposten und dem PRT [lag] eine konk-
rete Bedrohungslage vor, die sich bei erneuter In-
marschsetzung der Tankfahrzeuge oder der Auf-
ständischen in kürzester Zeit dramatisch verschär-
fen könnte.“2545
Diese Aussage steht im Widerspruch zur weiteren Aussa-
ge von Oberst Klein, es sei gängige Praxis gewesen, dass
Bodenkommandeure auch bei bloß „allgemeiner Bedro-
hungslage“2546 einen TIC erklärten, um so schnell wie
möglich Luftunterstützung zu erhalten. Diese würde meist
nur zum Zwecke der Aufklärung verwendet. Er sei auch
davon ausgegangen, dass allen Beteiligten bekannt gewe-
sen sei, dass kein TIC im eigentlichen Sinne vorliege.
2547
Diese Aussage deutet darauf hin, dass Oberst Klein eben
2544) Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 9.
2545) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.
2546) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.
2547) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.
Drucksache 17/7400 – 380 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht, wie zuvor behauptet, sicher von einem unmittelbar
bevorstehenden Angriff ausging, sondern dass er die
Situation auf der Sandbank zunächst einmal ausforschen
wollte.
Auch Fliegerleitoffizier OFw W. scheint daran gezweifelt
zu haben, dass die Situation tatsächlich als ein imminent
threat eingestuft werden konnte. So hat er ausgesagt, dass
ihm Oberst Kleins Erklärung, es handele sich um eine
akute Bedrohung, zunächst nicht einleuchtete.
2548
Den-
noch habe er Oberst Kleins Anweisungen befolgt, weil er
einen entsprechenden Befehl bekommen habe. Außerdem
habe Oberst Klein ihm erklärt, dass kurz zuvor in Kanda-
har gestohlene Lastwagen als von Selbstmordattentätern
gezündete Autobomben eingesetzt worden waren.
2549
Der
Umstand, dass JTAC W. der Anordnung von Oberst Folge
leistete und trotz eingestandener Zweifel eine TIC-
Situation meldete, deutet auf einen mangelhaft reflektier-
ten Umgang mit Befehlen hin. Als Mitglied der Bundes-
wehr war er dem Prinzip der Inneren Führung verpflichtet
und war angehalten, einen Befehl kritisch zu hinterfragen,
der offensichtlich gegen die Einsatzregeln verstieß.
Aus den Funksprüchen ergibt sich, dass die Piloten der F-
15-E zunächst annahmen, dass sie tatsächlich eine unmit-
telbare Bedrohung (imminent threat) abwehren sollten.
Insofern scheint Oberst Kleins Einschätzung falsch gewe-
sen zu sein, dass alle Beteiligten davon ausgingen, ein
TIC im eigentlichen Sinne sei nicht gegeben. Nach einer
ersten Bewertung der Lage zweifelten die F-15-E-Piloten
jedoch daran, dass es sich bei der Situation um einen
imminent threat handelte und berieten, wie sie darauf
reagieren sollten.
2550
Wie unter Kapitel III. 3. a) ausgeführt, ging von den
Tanklastern zu diesem Zeitpunkt tatsächlich keine unmit-
telbare Bedrohung im Sinne der TIC-Erklärung aus. Auch
Zeuge General Ramms hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss bestätigt, dass die von Oberst Klein geschilderte
Gefahrenlage zu allgemein für eine TIC Erklärung
war.
2551
Deshalb hätte Oberst Klein bei Einhaltung der
Regeln keine TIC-Erklärung abgeben dürfen. Die Aussa-
ge von Oberst Klein, dass die Umgehung der TIC-
Voraussetzungen gängige Praxis war, kann keine Ent-
schuldigung für sein Verhalten sein. Sie wirft vielmehr
Fragen nach den Gründen für die mangelnde Durchset-
zungsfähigkeit der RoE auf. Laut Bericht des BMVg ist
die NATO zu dem Schluss gekommen,
„dass COM PRT KDZ die F-15-E […] nur deswe-
gen zugeteilt bekommen habe, weil er ‚troops in
contact„ erklärt habe, obwohl eigene Kräfte nicht
in Nähe der Sandbank waren. […] Es wird emp-
fohlen, Kommandeure stärker in die Verantwor-
2548) Süddeutsche Zeitung vom 26.2.2010, „Ich war nicht im Kopf des
Kommandeurs“.
2549) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 4, 30.
2550) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 8.
2551) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 1, 5, 11.
tung zu nehmen, wenn TIC erklärt wird, ohne dass
die Voraussetzungen dafür vorliegen.“2552
c) Militärische Eingriffsgrundlage
In den Rules of Engagement (RoE) ist geregelt, wann und
unter welchen Voraussetzungen ein Angriff erlaubt ist.
Die Tactical Directives geben vor, dass vor dem Luft-
schlag offengelegt wird, auf Grundlage welcher RoE der
Luftschlag ausgeführt wird. Diese Vorschrift hat unter
anderem eine Kontrollfunktion: alle Beteiligten sollen die
Gelegenheit haben, sich über das Vorliegen der Einsatz-
voraussetzungen zu versichern.
Bei der Anordnung des Luftschlags wurde die RoE nicht
benannt. Dies führte dazu, dass die am Luftschlag betei-
ligten Personen von unterschiedlichen Eingriffsgrundla-
gen ausgingen und keine Möglichkeit besaßen, metho-
disch zu kontrollieren, ob die Voraussetzungen für den
Einsatz tatsächlich gegeben waren. Dieses Versäumnis
wog umso schwerer, als der Luftschlag unter keinen der
angenommenen RoE hätte angeordnet werden dürfen.
General Ramms ließ am 4. September 2009 rechtlich
prüfen, ob der Luftschlag in Einklag mit den RoE gestan-
den habe. Die Überprüfung ergab, dass die Voraussetzung
für keine der in Frage kommenden Ermächtigungsgrund-
lagen vorlag.
2553
Der Zeuge OFw W. hat vor dem Untersuchungsausschuss
ausgesagt, er sei davon ausgegangen, dass der Luftschlag
auf Grundlage der RoE ausgeführt worden sei, die Angrif-
fe gegen Personen in feindlicher Absicht erlaube. Voraus-
setzung dieser ROE ist unter anderem das Bestehen einer
unmittelbaren Bedrohung. Dieser lag allerdings nicht vor.
Der Zeuge Oberst Klein hat dagegen angegeben, er sei im
„Verlauf der weiteren Lageentwicklung“ zu dem Schluss
gekommen, dass eine andere Eingriffsgrundlage ange-
messener für die Situation gewesen sei. Diese setze unter
anderem voraus, dass Angriffe gegen afghanische Sicher-
heitskräfte oder die ISAF vorbereitet oder geplant wür-
den. Seiner Ansicht nach war er dazu ermächtigt, den
Luftschlag ohne Zustimmung seiner Vorgesetzten an-
zuordnen.
2554
Es bestehen allerdings Zweifel, ob Oberst
Klein zur Anordnung eines solchen Luftschlags befugt
war, oder ob er seinen Vorgesetzten hätte unterrichten
müssen. Darüber hinaus versäumten Oberst Klein und
Fliegerleitoffizier OFw. W., eine „Ziel-und Wirkungsana-
lyse“ (dynamische Zielzuweisung) vorzunehmen, die
Voraussetzung gewesen wäre, um nach der von Oberst
Klein im Nachhinein angegebenen RoE zu handeln.
Oberst Klein hat vor dem Untersuchungsausschuss er-
klärt, dass er mit dem erforderlichen Verfahren nicht
vertraut gewesen sei und dass OFw W. ihn auch nicht auf
die Notwendigkeit, ein solches Verfahren durchzuführen,
hingewiesen habe.
2555
2552) Mat. 17-30a, Ordn. Chronologie EinsFüStab, Teil 8, Bl. 7 f.
2553) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 11.
2554) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15, 36.
2555) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 51.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 381 – Drucksache 17/7400
Die Piloten wiederum erhielten von Fliegerleitoffizier
OFw W. widersprüchliche Angaben zum Zweck des Ein-
satzes. Sie gingen aufgrund der falschen TIC-Erklärung
von einer Situation der Selbstverteidigung aufgrund einer
unmittelbaren Bedrohung aus. Im Verlauf ihrer Lagebeo-
bachtung zweifelten sie offensichtlich daran, ob die Situa-
tion auf der Sandbank tatsächlich einen Akt der Selbstver-
teidigung rechtfertige.
2556
Sie fragten wiederholt beim
Fliegerleitoffizier nach der Anwesenheit eigener Kräfte in
der Nähe der Sandbank und nach dem Status der Personen
auf der Sandbank.
2557
Darüber hinaus schlugen sie dem
Fliegerleitoffizier vor, zur Absicherung Rücksprache mit
dem Combined Air Operations Center in Udeid, Katar, zu
halten.
2558
Auf wiederholtes Nachfragen versicherte ihnen
Fliegerleitoffizier OFw W. jedoch fälschlicherweise, dass
von den Personen auf der Sandbank eine unmittelbare
Bedrohung ausgehe. Daraufhin warfen die Piloten die
Bomben ab, ohne sich weiter nach der einschlägigen RoE
zu erkundigen.
Oberst Klein und OFw W. widersprechen sich in ihren
Angaben, ob sie sich über die anzuwendende RoE ausge-
tauscht hatten. Oberst Klein erinnerte sich, dass der Flie-
gerleitoffizier, OFw W. ihm den Wechsel der RoE vorge-
schlagen habe.
2559
Der Zeuge OFw W. erklärte dagegen,
dass es im Laufe des Abends keinen Wechsel der RoE
gegeben und dass er den Oberst auch nicht hinsichtlich
der RoE beraten habe.
2560
Nicht nachzuvollziehen ist, weshalb Oberst Klein in die-
ser wenig eindeutigen Situation und angesichts des komp-
lexen Regelwerks der RoE darauf verzichtete, seinen
Rechtsberater, oder den J3 als „Fachmann für die Anwen-
dung von RoE und SOP“ aus dem PRT Kunduz heranzu-
ziehen.
2561
Hierdurch vergab er sich eine weitere Mög-
lichkeit, die Richtigkeit seiner Anordnung überprüfen zu
lassen.
d) Show of force
Der Verzicht einer Demonstration von Stärke durch einen
niedrigen Überflug über die Sandbank (show of force) im
vorliegenden Fall kann nicht nachvollzogen werden. Ein
solcher Warnhinweis ist auch in den ISAF Einsatzregeln
vorgesehen.
2562
Diese spiegeln die im Völkerrecht veran-
kerte Warnpflicht gemäß Artikel 57 Abs. 2 c) ZP I wie-
der. Durch die Warnung sich möglicherweise vor Ort
befindender Zivilpersonen soll verhindert werden, dass es
zu unverhältnismäßigen Verlusten in der Zivilbevölke-
rung kommt. Eine Warnung unterbleibt, wenn die gege-
benen Umstände dies nicht erlauben.
Im gegebenen Fall erlaubten – und erforderten – die Um-
stände allerdings die Warnung möglicher Zivilpersonen.
2556) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 4.
2557) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 6 f.
2558) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 6 f.
2559) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15.
2560) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 30.
2561) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 70.
2562) Mat. 17-54, GBA, Bl. 142, Sonderordner Geheim, Übersicht
verschiedener Einsatzregeln.
Oberst Kleins Erklärung, dass eine show of force über-
flüssig gewesen sei, weil die Personen auf der Sandbank
bereits durch die Motorgeräusche der seit mehreren Stun-
den über der Sandbank kreisenden Flugzeuge gewarnt
worden seien, greift nicht. Oberst Klein hätte jede ihm zur
Verfügung stehende Schutzmaßnahme anordnen müssen,
selbst wenn er mit keiner großen Wirkung rechnete. Dar-
über hinaus scheinen die F-15-E-Piloten, die mehrmals
einen niedrigen Überflug anboten, von der Wirksamkeit
der Maßnahme überzeugt gewesen zu sein. Eine show of
force wäre aus den oben angegebenen Gründen angemes-
sen gewesen und hätte eventuell die Tötung von Zivilisten
vermieden.
Nach Annahme der GBA unterließ Oberst Klein eine
show of force, um das Überraschungsmoment auszunut-
zen, weil er die Personen um die Tanklastwagen treffen
wollte (unter Punkt III. 3. b). Auch in diesem Falle ist die
Unterlassung einer show of force problematisch. Denn
den Angriff auf die Personen um die Lastwagen hätte er
nur dann ausführen dürfen, wenn Oberst Klein sie positiv
als Mitglieder einer bewaffneten Gruppe identifiziert
hätte. Oberst Klein hatte die Situation auf der Sandbank
jedoch nicht hinreichend aufgeklärt. Er musste deshalb
damit rechnen, dass sich auch andere Personen auf der
Sandbank befanden (vgl. unter Punkt 4.b). Oberst Klein
nahm nach eigener Aussage tatsächlich an, dass sich nicht
nur Mitglieder einer bewaffneten Gruppe auf der Sand-
bank befanden, sondern auch deren „Sympathisanten“.
Seine Entscheidung, den Luftschlag nur auf die Personen
um die Tanklaster herum zu beschränken und nicht die
gesamte Sandbank zu bombardieren, bestätigt dies. Aller-
dings gab es keine Hinweise darauf, dass sich gerade um
die Tanklaster herum nur solche Personen befanden, die
er hätte angreifen dürfen. Aus diesen Gründen hätte
Oberst Klein auch dann eine show of force – oder andere
Warnhinweise – anordnen müssen, um zu verhindern,
dass er Zivilpersonen traf.
e) Nichteinbeziehung des PRT-Personals
Oberst Klein verließ sich bei der Entscheidung und
Durchführung des Luftschlags ausschließlich auf die oben
genannten Angehörigen der TF 47, sowie den Fliegerleit-
offizier OFw W. Das Personal des PRT bezog er dagegen
nicht in die Vorbereitung des Luftschlags ein
2563
, weder
seinen Stellvertreter, noch seinen Nachrichtenoffizier oder
seinen Rechtsberater.
2564
Hierdurch isolierte sich Oberst Klein von den ihm zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten, seine Entscheidun-
gen zu überdenken und noch einmal zu kontrollieren.
Dies wäre angesichts der komplexen Entscheidungssitua-
tion und aufgrund der Anspannung, die nach eigener
Aussage am Ende eines langen Gefechtstags auf ihm
lastete, eine wichtige Unterstützung gewesen.
2563) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
2564) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12,15, 62; K., Protokoll-Nr. 33,
Teil II, S. 20.
Drucksache 17/7400 – 382 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Für diese Entscheidung ist er später kritisiert worden. Der
stellvertretende Kommandeur des PRT, OTL G., gab vor
dem Untersuchungsausschuss an, er habe es als „unge-
wöhnlich“ empfunden, dass Oberst Klein ihn nicht hinzu-
gezogen hatte.
2565
Oberst Klein unterließ es darüber hi-
naus, vor oder unmittelbar nach dem Luftschlag seinen
Vorgesetzten, den Kommandeur Regionalkommando
Nord, Brigadegeneral Vollmer, persönlich zu unterrichten.
Stattdessen ließ er durch OFw W. eine schriftliche Nach-
richt absetzen, die das Regionalkommando Nord gegen
3.15 Uhr, d. h. mehr als eine Stunde nach Abwurf der
Bomben, erreichte. Aufgrund von Versäumnissen im Joint
Operation Center (JOC) des Regionalkommandos Nord
erfuhr Brigadegeneral Vollmer erst am Morgen des 4.
Septembers 2009, gegen 7.45 Uhr, dass 56 Aufständische
durch einen Luftschlag getötet worden seien.
2566
Brigade-
general Vollmer hat vor dem Untersuchungsausschuss
deutlich gemacht, dass er erwartet hätte, zumindest unmit-
telbar nach dem Luftschlag angerufen zu werden.
2567
Er
gab darüber hinaus an, dass er sofortige Maßnahmen zur
Erforschung des Vorgangs eingeleitet hätte, wenn er die
Nachricht früher erhalten hätte.
2568
f) Wirkungsanalyse
Die Tactical Directive des COM ISAF sieht vor, dass der
Angriffsort zeitnah nach einem Luftschlag nach den be-
stehenden Möglichkeiten abgeriegelt werden soll, um die
Auswirkungen des Luftschlags zu begutachten und um zu
verhindern, dass der Tatort verändert wird oder Spuren
beseitigt werden.
2569
Eine solche Wirkungsanalyse unter-
ließ Oberst Klein zunächst. Dies hatte gravierende Folgen.
Als Truppen des PRT Kunduz am Mittag des 4. Septem-
ber 2009 auf der Sandbank eintrafen, fanden diese einen
„offensichtlich deutlich gereinigte[n] Ereignisort, der
einen geradezu stark veränderten Eindruck hinterlässt“,
vor, wie im Feldjägerbericht festgehalten wird.
2570
Des-
halb war es unmöglich, die genauen Folgen des Luft-
schlages aufzuklären und die Anzahl und Identität von
Verletzten und Getöteten festzustellen
2571
(vgl. dazu unten
Kapitel III. 5.).
Oberst Klein hat vor dem Untersuchungsausschuss ange-
geben, er habe von einer Wirkungsanalyse am Boden
abgesehen, weil ihm hierfür das Personal und Material
gefehlt habe.
2572
Vor allem hielt er eine Wirkungsanalyse
zu dem Zeitpunkt für nicht dringlich und erforderlich,
weil er nicht mit zivilen Opfern rechnete und weil er
davon ausging, dass die Aufständischen ihre Opfer sehr
schnell vom Tatort entfernen und begraben würden.
2565) G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 3, 12.
2566) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 1.
2567) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 19.
2568) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
2569) Feldjägerbericht (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 3; Glatz, Protokoll-
Nr. 12, Teil II, S. 90; B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 41.
2570) Feldjägerbericht (Fn. 400, Dokument 67), S. 4; B. Protokoll-
Nr. 10, Teil II, S. 4.
2571) Feldjägerbericht (Fn. 400, Dokument 67), S. 4; B. Protokoll-
Nr. 10, Teil II, S. 4.
2572) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.
g) Schlussfolgerung und Bewertung der
rechtlichen Reaktion auf den Luftschlag
Bei der Anordnung des Einsatzes wurden völkerrechtliche
Aufklärungs- und Warnpflichten missachtet, die dem
Schutz von Zivilpersonen dienen. Auch gegen ISAF-
Einsatzregeln und -Richtlinien wurde verstoßen. Diese
sollen den Soldatinnen und Soldaten helfen, bei ihren
Einsätzen die völkerrechtlichen Regelungen zum Schutz
von Zivilpersonen zu beachten. Zum Beispiel durch die
Benennung der RoE und durch die Einhaltung bestimmter
Verfahren, die die gemeinsame Kontrolle und Verant-
wortlichkeit bei Operationen garantieren. Ihre Beachtung
ist daher für die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit im
Sinne von Artikel 47 Abs. 2 ZP I ein relevantes Krite-
rium.
Die nachträgliche Bewertung des Luftschlags – unter
Einbeziehung aller vorhandenen Fakten – lässt keinen
Zweifel daran, dass die Bombardierung nicht hätte an-
geordnet werden dürfen. Es spricht viel dafür, dass Oberst
Klein dies bei Einhaltung aller ihm obliegenden Sorg-
faltspflichten im Vorfeld auch hätte erkennen müssen.
Die strafrechtliche Beurteilung des Vorfalls in Kunduz
war nicht Auftrag des Untersuchungsausschusses. Die
zuständige Justiz hat darüber hinaus ihre Bewertung ab-
geschlossen. Mit Verfügung vom 12. März 2010 leitete
die Generalbundesanwaltschaft (GBA) beim Bundesge-
richtshof ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts
einer Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch und
anderer Delikte gegen Oberst Klein und OFw W. ein.
2573
Am 16. April 2010 wurde das Ermittlungsverfahren ge-
mäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Die Begründung lautete, dass eine Strafbarkeit nach Völ-
kerstrafrecht nicht in Betracht komme und dass alle in
Frage kommenden Straftatbestände nach dem Strafge-
setzbuch gerechtfertigt seien, da die Regeln des humanitä-
ren Völkerrechts eingehalten worden seien.
2574
Der Ein-
stellungsvermerk der Generalbundesanwaltschaft lässt
allerdings etliche Fragen offen. Dies deutet möglicher-
weise darauf hin, dass hier eine Entscheidung ohne hin-
reichende Beschäftigung mit der Materie getroffen wurde.
Hierfür spricht die kurze Verfahrensdauer von nur einem
Monat, die für die Befassung mit komplexen Fragen sehr
kurz bemessen ist. Bei den von der GBA genannten Er-
kenntnisquellen fehlt zum Beispiel die Vernehmung von
Augenzeugen (z. B. der Lastwagenfahrer A. M.). Auch
scheint die GBA keine unabhängige Militärs als Sachver-
ständige zu der Frage vernommen zu haben, welche Auf-
klärungsmöglichkeiten vor dem Luftschlag zur Verfügung
standen. Die Darstellung des Sachverhalts folgt weitge-
hend den Aussagen des Zeugen Klein. So fehlt zum Bei-
spiel die Beschäftigung mit der Frage, ob weitere Aufklä-
rungsmöglichkeiten bestanden hätten, bzw. ob Oberst
Klein tatsächlich von einer unmittelbaren Bedrohung
ausgehen durfte. Bedauerlich ist, dass sich die GBA bei
2573) vgl. zu den Fakten oben, Erster Teil, Verfahren, A.II.1 (S. 8).
2574) Mat.17-74a, Sonderband Geschädigtenvertreter, Band 2,
Bl. 106 ff.; Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim
Bundesgerichtshof (Dokument 52).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 383 – Drucksache 17/7400
der rechtlichen Würdigung zu wenig mit den strittigen
Fragen auseinandersetzt hat und ihre Auslegung von
Rechtsnormen zu wenig begründet. Dadurch versäumte
sie die Chance, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in
einem Strafrechtsgebiet zu schaffen, in dem noch viel
ungeklärt ist.
Am 19. August 2010 wurde ein disziplinarisches Vorer-
mittlungsverfahren gegen Oberst Klein eingestellt. Die
Begründung lautete, dass Anhaltspunkte für ein Dienst-
vergehen, d. h. die Verletzung nationaler wie internationa-
ler Einsatzregeln, nicht erkennbar waren.
2575
Die Ent-
scheidung wurde nicht näher begründet. Insbesondere
bleibt unklar, wie dieser Schluss trotz der oben beschrie-
benen RoE-Verletzungen zustande kam.
5. Die Folgen des Luftschlags
Aufgrund der verzögerten Wirkungsanalyse war es un-
möglich, vor Ort die Folgen des Luftschlags festzustellen
(vgl. Kapitel III. 4. g.). Später wurde von verschiedener
Seite versucht, die Anzahl und Identität der Opfer indirekt
zu ermitteln. Das Ergebnis bleibt unbefriedigend. Die
Untersuchungen kommen zu verschiedenen Schlüssen
bezüglich der Anzahl der getöteten und verletzten Perso-
nen. Infolgedessen bleiben die exakte Opferzahl und die
Zahl getöteter sowie verletzter Zivilpersonen unklar (a).
Unbestritten ist, dass es zahlreiche zivile Opfer gegeben
hat, insbesondere dass Minderjährige unter den Opfern
sind (b).
a) Die Untersuchungsberichte
Nachforschungen stellten unter anderem an: das PRT-
Kunduz, zwei ISAF-Untersuchungsteams, eine offizielle
afghanische Untersuchungskommission im Auftrag von
Präsident Karzai, die Vereinten Nationen (UNAMA), die
afghanische Menschenrechtsorganisation AIHRC und das
Rote Kreuz.
Das Battle Damage Assessment Team des PRT, das am
Vormittag des 4. September 2009 den Tatort untersucht
hatte, kam zu dem Schluss, dass 12 oder 14 Personen
getötet wurden.
2576
Eine weiterer vom PRT zusammen-
gestellter Untersuchungstrupp, das Tactical Psychological
Operations Team, kurz TPT, befragte am selben Tag
Offizielle eines umliegenden Dorfes und erfuhr, dass 14
Zivilpersonen aus diesem Dorf getötet und vier verletzt
worden seien. Die Dorfbewohner seien gezwungen wor-
den, zur Sandbank zu kommen. Bereits zu diesem Zeit-
punkt erfuhr das Team, dass Kinder getötet worden war-
en, die ihrem Vater auf die Sandbank gefolgt waren.
2577
Die Ergebnisse der beiden Untersuchungsteams sind im
Feldjägerbericht festgehalten.
2578
2575) s. o., Erster Teil, Verfahren, A.II. (S. 8).
2576) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 38.
2577) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24, 27,31.
2578) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), S. 4.
Das Initial Action Team, kurz IAT, das am 4. und 5. Sep-
tember 2009 auf Veranlassung des ISAF-Kommandeur,
General McChrystal, dem Verdacht nachging, dass auch
Zivilpersonen unter den Opfern seien, schätzte, dass rund
125 Personen getötet worden waren. Zur Anzahl der zivi-
len Opfer trafen sie keine Aussage, jedoch stellten sie
fest, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich-
keit“ (‚high degree of certainty„) auch Zivilisten getötet
oder verletzt worden warenwaren.
Das IAT stützte seine
Untersuchung unter anderem auf Nachforschungen im
Krankenhaus Kunduz. Dort waren nach Angaben des
Krankenhauspersonals am 4. September 2009 zwölf Ver-
letzte eingeliefert worden, von denen zwei im Laufe des
Nachmittags starben. Einer der Patienten war ein Junge
von zehn Jahren mit kleineren Schrappnellverletzungen
an den Beinen, der nach Aussagen seines Vaters aus Neu-
gierde zur Sandbank gelaufen war.
2579
Zahlreiche Zivil-
personen aus umliegenden Dörfern hätten sich aufgrund
der Nachricht, es gebe kostenlosen Treibstoff, zum Zeit-
punkt der Bombenexplosion auf dem Weg zur, oder in der
Nähe der Sandbank aufgehalten.
2580
Auf Empfehlung des
IAT fand im September und Oktober 2009 eine formelle
NATO Untersuchung durch ein Joint Investigation Board
(JIB) statt. Diese stellte fest, dass die Anzahl ziviler Opfer
nicht endgültig ermittelt werden konnte und dass die
Quellenangaben zwischen 17 und 142 Getöteten oder
Verwundeten variieren. Es sei allerdings davon auszuge-
hen, dass sich rund 100 Personen zum Zeitpunkt des Luft-
schlags in der Nähe des Flussübergangs aufhielten. Auf-
grund von Berichten und Erzählungen lokaler Führer vor
Ort seien möglicherweise 30 bis 40 Zivilisten verwundet
bzw. getötet worden.
2581
Eine afghanische Untersuchungskommission erstellte am
10. September 2009 einen Bericht für den Präsidenten der
islamischen Republik Afghanistan, Hamid Karzai.
2582
Im
Bericht wird von 69 getöteten und elf verletzten Aufstän-
dischen sowie von 30 getöteten und neun verletzten An-
wohnern ausgegangen.
2583
In einem Bericht der Vereinten Nationen (UNAMA) vom
10. September 2009 werden 109 getötete und 33 verletzte
Personen, also insgesamt 142 geschädigte Personen na-
mentlich und mit Altersangaben aufgeführt.
2584
Nach einem Bericht der afghanischen unabhängigen Men-
schenrechtskommission AIHRC vom Dezember 2009
wurden 102 Personen durch den Luftangriff getötet.
2585
Schließlich besteht ein vertraulicher Bericht des Interna-
tionalen Roten Kreuzes (IKRK) vom 5. November 2009
2579) Mat. 17-11/11a, Anlage 33.
2580) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 7.
2581) Mat. 17 - 29a, Ordn. 8 (Dokument 81), Bl. 118 [119]. Schneider-
han, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.
2582) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53).
2583) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53), Bl. 2; Schneiderhan,
Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.
2584) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 123, Dokument 52), S. 39; Annual report UNAMA
(Fn. 525, Dokument 79),S. 39.
2585) Liste mit Opfern des Luftschlags (Dokument 82).
Drucksache 17/7400 – 384 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
über Anzahl und Identität der Opfer des Luftschlags. Die
Ergebnisse des Berichts sind allerdings eingestuft.
b) Ergebnis
Durch die Untersuchungsberichte wurde deutlich, dass
vor dem Luftschlag Zivilpersonen von den Taliban ge-
zwungen wurden, ihnen bei der Freilegung der Tanklaster
zu helfen, dass aber auch Zivilpersonen aus Neugierde,
bzw. um Benzin für sich abzuschöpfen, freiwillig zur
Sandbank kamen.
Die durch die Untersuchungen festgestellten Opferzahlen
weichen zum Teil erheblich voneinander ab. Mögliche
Ursachen sind die zur Verfügung stehenden Untersu-
chungsmöglichkeiten, der Ermittlungszeitpunkt und ab-
weichende Untersuchungsinteressen sowie die verschie-
denen damit verbundenen Definitionen von „Zivilperson“
und „Aufständischem“. Wählt man die Minderjährigkeit
der ermittelten Opfer als ein Anhaltspunkt dafür, dass sie
Zivilpersonen waren und vergleicht man die Berichte
miteinander, in denen Namen und Alter der Opfer aufge-
führt wurden
2586
, so ergibt sich folgendes Bild:
– Berücksichtigt man lediglich die Namen, die auf
mindestens zwei Listen geführt wurden, so ergibt
sich, dass mindestens 36 Minderjährige verletzt und
sieben getötet wurden.
– Berücksichtigt man nur einmal gelistete Personen,
ergibt sich eine Gesamtzahl von 54 getöteten und 15
verletzten Minderjährigen.
Unterstellt man, dass alle Opfer tatsächlich in zumindest
einer Untersuchung berücksichtigt wurden, dann liegt die
Gesamtzahl der minderjährigen Opfer zwischen 43 und
2586) „Karzai-Bericht“ (Dokument 53); UNAMA-Liste vom 12.09.09
(Dokument 79); IKRK-Bericht vom 05.11.09; AIHRC-Bericht
vom Dezember 2009 (Dokument 82). Berücksichtigt wurden
möglicherweise verschiedene Schreibweise der afghanischen
Namen und Doppelzählungen sowie das Erstellungsdatum der
Berichte (weil einige der verletzten Opfer später verstorben sind).
69 Personen. Es handelt sich dabei ausschließlich um
Jungen. Ihr Alter liegt zwischen acht und 17 Jahren.
6. Mitwirkung Dritter bei der Entscheidung
für den Luftschlag
Angesichts der Zielsetzung und der großen Opferzahl gab
es Vermutungen darüber, ob Dritte Einfluss auf die Ent-
scheidung über den Luftschlag genommen haben.
2587
Insgesamt lassen sich keine endgültigen Schlussfolgerun-
gen bezüglich einer Einmischung Dritter ziehen. Die
genannten Punkte verdeutlichen allerdings noch einmal,
wie wenig transparent die Hintergründe des Luftschlages
sind. Dies erschwert die Bewertung des Luftschlages und
der daraus gezogenen lesson learned.
a) Die Rolle der Task Force 47
Die Rolle der TF 47 bei der Entscheidung über den Luft-
schlag bleibt undurchsichtig. Im Untersuchungsausschuss
konnte nicht eindeutig festgestellt werden, ob die Kräfte
der TF 47 dem Oberst Klein lediglich im Rahmen einer
gewöhnlichen Kooperation ihre – im Vergleich zum PRT
bessere – Ausrüstung und ihr Personal zur Verfügung
stellten
2588
, oder ob sie darüber hinaus Einfluss auf die
Entscheidung für den Luftschlag nahmen und dabei das
eigene Interesse verfolgten, örtliche Talibanführer zu
treffen. Für letztere Vermutung sprechen mehrere Anhalt-
spunkte. Auffällig ist insbesondere die bestehende Disk-
repanz zwischen der Aktenlage, die auf eine starke Invol-
vierung der TF 47 hinweist, und den Aussagen der Zeu-
gen, in denen dies bestritten wird. Dabei sagten viele
Zeugen zum Thema TF 47 nur zögernd und teilweise
widersprüchlich aus. Insbesondere die Aussagen des Flie-
gerleitoffiziers OFw W. und des TF 47 Nachrichtenoffi-
ziers Hptm N., die unmittelbar bei der Durchführung des
2587) vgl. zum Beispiel Der Spiegel, Die dunklen Geheimnisse der
KSK-Krieger, 10. 02. 2010,
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,676923,00.html.
2588) so z. B. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9 oder W, Protokoll-
Nr. 8, Teil II, S. 6 f.
Verfasser Datum
Gesamtzahl
Opfer
Verletzte Getötete davon Zivilisten
PRT (BDA) 04.09.2009 12-14
IAT 06.09.2009 Keine Angaben Keine Angaben 125 high degree of
certainty
Afghanische
Untersuchung
10.09.2009 119 20 99 30 Tote/
9 Verletzte
UNAMA 12.09.2009 142 33 109 Keine Angaben
JIB 26.10.2009 Zwischen 17-
142
Ca. 100 Perso-
nen vor Ort, zur
Zeit des Luft-
schlags
Keine Angaben Keine Angaben mglw. 30 bis 40
Verletzte/Tote
IKRK 05.11.2009 vertraulich vertraulich vertraulich vertraulich
AIHRC 12.2009 102
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 385 – Drucksache 17/7400
Luftschlages mitwirkten, waren in dieser Hinsicht wenig
glaubhaft. Hinzu kam das Verhalten von Vertretern der
Bundesregierung, die mehrfach versucht haben, Fragen
nach der Beteiligung der TF 47 mit Hinweis auf einen
mangelnden Bezug zum Untersuchungsgegenstand zu
unterbinden. Hptm. N. versicherte vor dem Untersu-
chungsausschuss ungefragt, dass er den an der Operation
beteiligten Angehörigen der TF 47 eingeschärft habe
2589
,
Oberst Klein nicht in seiner Entscheidung zu beeinflussen.
Auch Zeuge OFw W. hat betont, dass er sich in die Ent-
scheidungsfindung von Klein nicht eingemischt habe. Es
sei allerdings möglich, dass er und Hptm N. über einen
Waffeneinsatz durch den B-1B gesprochen hatten, bevor
Oberst Klein in den Gefechtsstand der TF 47 gekommen
sei.
2590
Folgende Anhaltspunkte sprechen in der Summe dafür,
dass die intensive Mitwirkung der TF 47 über eine bloße
Hilfestellung hinausging:
– Oberst Klein nutze den Gefechtsstand der TF 47.
Dieser war grundsätzlich nur für TF 47-Personal zu-
gänglich. Die Nutzung des Gefechtsstandes war für
Angehörige des PRT unüblich und musste eigens ge-
nehmigt werden. Es ist daher naheliegend anzuneh-
men, dass zumindest die Nutzung der HUMINT-
Akten in den Computern der TF 47 maßgeblich für
die Nutzung des Gefechtsstands durch Oberst Klein
war.
– Oberst Klein wurde beim Auffinden der Tanklaster
sowie bei der Vorbereitung und Durchführung des
Luftschlags fast ausschließlich und maßgeblich durch
Angehörige der TF 47 unterstützt. Nachrichtenoffi-
zier Hptm N. stellte seinen HUMINT-Kontakt und
einen Sprachmittler zur Verfügung. Er schlug Oberst
Klein weiterhin vor, den B-1B und den HUMINT
Kontakt einzusetzen, um die Tanklastwagen zu su-
chen.
2591
Über ihn erreichte Oberst Klein auch die
Nachricht, dass sich lokale Talibanführer auf der
Sandbank befanden.
2592
– Die beiden TF-47-HUMINT-Kollektoren OFw F.
und HFw S. führten die Gespräche mit dem Kontakt
der TF 47 (vermittelt über einen Sprachmittler der TF
47) außer Hörweite von Oberst Klein. Beteiligt war
darüber hinaus ein Storyboard Writer der TF 47,
HFw V.
2593
Auch die Flugunterstützung wurde über
einen Luftwaffenverbindungsoffizier der TF 47 (Air
Liaison Officer, ALO), OTL G., beantragt.
2594
– Unklar bleibt, ob OFw W. tatsächlich nur als Flieger-
leitoffizier des PRT Kunduz tätig war, oder ob er
(auch) der Task Force 47 angehörte. Nach eigener
2589) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II.
2590) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 26.
2591) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9, N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S.
59.
2592) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 39.
2593) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9, 11; N., Protokoll-Nr. 8,
Teil II, S. 59-64; Mat.17-22a, Akten Schneiderhan, Ordn. 4, Bl.
203: Vermerk von P. für Staatssekretär Wolf vom 7. 12. 2009.
2594) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 6 f.
Zeugenaussage war OFw W. Angehöriger des PRT
Kunduz. Auffällig ist allerdings, dass viele Zeugen
OFw W. der TF 47 zugeordneten, bzw. sich seines
Status unsicher waren.
2595
So bezeichnete HFw V.,
der als Storyboard Writer bei der Vorbereitung des
Luftschlags mitwirkte, OFw W. als SOTAC. Dieses
Kürzel steht für Special Operations Terminal Attack
Controller und bezeichnet die Fliegerleitoffiziere der
Task Force.
2596
Auch der damalige Bundesminister
der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung ging, in sei-
ner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss davon
aus, dass OFw W. Angehöriger der TF 47 gewesen
sei.
2597
. In einigen dem Untersuchungsausschuss vor-
liegenden Dokumenten wird OFw W. als Angehöri-
ger der TF 47 bezeichnet.
2598
Selbst Oberst Klein hat
OFw. W. in seinem Bericht vom 5. September 2009
als einen ihn „beratenden Kameraden der Verstärker-
kräfte“ tituliert.2599 Allerdings erklärte Oberst Klein
vor dem Untersuchungsausschuss auf Nachfrage, es
müsse sich dabei um ein Versehen gehandelt haben.
Auffällig ist weiterhin, dass OFw W. während der
Vorbereitung des Luftschlags unter einem der TF 47
zugeordneten Codenamen mit dem ALO der TF47,
OTL G., chattete. Der Zeuge OFw W. begründete
dies damit, dass er von einem bereits eingeloggten
Computer aus chattete und gegenüber OTL G. seine
Identität kenntlich machte. Der Grund mag darin lie-
gen, dass OFw W. häufiger bei Task Force Operatio-
nen mitwirkte.
2600
– Auch der Umstand, dass Oberst Klein bei seiner Vor-
bereitung weder seinen Stellvertreter noch seinen
Nachrichtenoffizier oder seinen Rechtsberater zu Ra-
te gezogen, sondern sich weitgehend auf die Arbeit
der TF 47 verlassen hat, ist ungewöhnlich und führte
dazu, dass zunächst kaum Nachrichten aus dem PRT
Kunduz zum Luftschlag abgesetzt wurden. Hingegen
unterrichteten Kräfte der TF 47 ihren Kommandeur
in Masar-e-Sharif ohne Wissen des PRT Komman-
deurs Oberst Klein telefonisch noch in derselben
Nacht vom Luftschlag.
2601
Die maßgebliche Beteiligung von Angehörigen der TF 47
und des Fliegerleitoffiziers an dem Luftschlag ist mögli-
cherweise eine Erklärung dafür, dass der Luftschlag ne-
ben der Vernichtung der Tanklaster auch auf die Tötung
von Aufständischen abzielte.
2595) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 30; V., Protokoll-Nr. 37,
Teil II, S. 41 ; M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II, S. 75; Jung, Proto-
koll-Nr. 16, Teil II, S. 13.
2596) V., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 41.
2597) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil II, S. 13
2598) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2; Mat.17-22a,
Akten Schneiderhan, Ordn. 4, S. 203, 289; Mat. 17-37 zu BB 17-
20, S. 32.
2599) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2.
2600) vgl. auch Glatz, Protokoll Nr. 12, Teil II, S. 90.
2601) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 28.
Drucksache 17/7400 – 386 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Rolle des BND
Für Mutmaßungen, dass Mitglieder des Bundesnachrich-
tendienstes (BND) an der Vorbereitung und Durchfüh-
rung des Luftschlags beteiligt waren
2602
, gibt es wenig
Anhaltspunkte.
2603
Allerdings konnte der Untersuchungs-
ausschuss keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen,
ob und wie BND Mitarbeiter vor Ort in den Luftschlag
involviert waren. Dies liegt unter anderem am unkoopera-
tiven Aussageverhalten der Zeugen M. F. und A. R, die
sich als BND-Mitarbeiter zum untersuchungsrelevanten
Zeitpunkt vor Ort aufhielten. Auf viele Fragen gaben sie
keine Antwort mit der wenig glaubhaften Begründung,
dass sie sich nicht mehr an die Geschehnisse erinnern
könnten.
2604
In anderen Fällen verwiesen sie auf einen
mangelnden Bezug zum Untersuchungsgegenstand
2605
oder antworten erst nach Rücksprache mit Vorgesetz-
ten.
2606
Die Aussagen ergaben lediglich, dass der BND über eine
Quelle im Laufe des 3. Septembers 2009 erfuhr, dass die
Tanklaster entführt worden waren. Diese Nachricht hätten
sie an das PRT Kunduz weitergeleitet. Darüber hinaus
seien sie jedoch nicht in die Suche nach den Tanklastern
involviert gewesen. Der Zeuge A. R. sagte weiter aus,
dass er am Abend des 3. September 2009 zusammen mit
seinem Kollegen M. F. in der Operationszentrale der Task
Force zwischen 19 und 21 bzw. 23 Uhr anwesend gewe-
sen sei, um eigenen TF-47-bezogenen Aufgaben nachzu-
gehen.
2607
Dabei habe er die Suche nach den Tanklastern,
die im Nachbarzelt der Zentrale stattfand, nicht mit ver-
folgt.
2608
Der Zeuge M. F. sagte aus, dass sie vom Luft-
schlag erst am Morgen des 4. September 2009 erfuh-
ren.
2609
Darüber hätten sie ihren Vorgesetzten in Masar-e-
Sharif informiert. Während der Zeuge A. R. aussagte, sie
hätten daraufhin die Weisung erhalten, Nachrichten zum
Luftschlag zu sammeln
2610
, bestreitet der Zeuge M. F.,
solche Aufträge erhalten zu haben.
2611
c) Beeinflussung durch afghanische Kräfte
Die Beurteilung, ob Dritte Oberst Kleins Entscheidung
beeinflussten, kann aus einem weiteren Grund nicht ab-
schließend vorgenommen werden. Aufgrund der undurch-
sichtigen Situation in Afghanistan ist es dem Untersu-
2602) vgl. Leipziger Volkszeitung vom 10.12.2009 (Fn. 384, Doku-
ment 64)
2603) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27; Vorbeck, Protokoll-
Nr. 47, Teil I, S. 4, 9; Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I.
2604) z. B. A. R., Protokoll-Nr. 43 Teil I S. 4, 6, auf die Frage welcher
Art Nachrichten gesammelt wurden; ebenda S. 10 auf die Frage
nach von der Task Force gesuchten Personen; ebenda S. 42 zu
nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zu der Entführung und zur
möglicher Gefahrenlage für Kundus; ebenda S. 43 zur Frage ob
der Zeuge Oberst Klein im Gefechtsstand gesehen hat; vgl. auch
F. vgl. M. F., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 69, 74.
2605) A. R., Protokoll-Nr. 43 Teil I S. 9, 20; F., Protokoll-Nr. 45, Teil I,
S. 67, 68.
2606) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 9, 40.
2607) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 3.
2608) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 7.
2609) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 70.
2610) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 23, 25.
2611) M. F., Protokoll-Nr. 45,Teil I, S. 73.
chungsausschuss nicht möglich gewesen, die vielschichti-
gen politischen und ethnischen Interessenlagen in Kunduz
zu durchdringen und festzustellen, ob möglicherweise
eine afghanische Gruppe aus ethnischen oder politischen
Motiven ein eigenes Interesse an der Bombardierung der
Tanklastwagen und der anwesenden Personen besaß.
Möglich ist, dass afghanische Kräfte bewusst Falschin-
formationen lancierten, um den Luftschlag zu provozie-
ren. Anlass hierfür könnte die große Unzufriedenheit des
damaligen Gouverneurs von Kunduz, Mohammad Omar,
mit dem aus seiner Sicht zu passiven Vorgehen der deut-
schen Soldaten gegen Omars politische Gegner gewesen
sein. Ein möglicher Hinweis hierfür findet sich in den
Umständen der Informationsbeschaffung durch den
HUMINT-Kontakt der TF 47. Hptm. N, der als Geheim-
dienstoffizier der Task Force 47 die HUMINT-Kontakte
führte und ihre Nachrichten auswertete, hatte Oberst Klein
vor dem Luftschlag gewarnt, dass der HUMINT-Kontakt,
der als einzige Quelle für die Lagebeurteilung herangezo-
gen wurde, zwar als zuverlässig eingestuft worden sei,
dass man der Quelle aber „eben nur bis zu einem be-
stimmten Grad trauen kann und die Informationen nicht
als absolut anzunehmen sind.“2612 Dieses Misstrauen
erscheint im Nachhinein gerechtfertigt. Zumindest bleibt
unklar, weshalb der HUMINT-Kontakt der TF 47 auf
Nachfrage immer wieder beteuerte, dass ausschließlich
Taliban auf der Sandbank anwesend seien, obwohl sich
später herausstellte, dass auch Dorfbevölkerung, darunter
Kinder, vor Ort waren. Dies scheint auch am Abend vor
dem Luftschlag erkennbar gewesen zu sein. So sagte der
Augenzeuge A. M., der Fahrer einer der entführten Last-
wagen, vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass er vor
dem Luftschlag nicht nur Taliban, sondern Kinder und
alte Leute auf der Sandbank gesehen habe.
Für die Möglichkeit einer versuchten Manipulation durch
afghanische Kräfte könnte sprechen, dass nach Aussage
der HUMINT-Kollektoren und des Hptm N. der Kontakt
seine Informationen über einen weiteren „Subkontakt“
bezog, dessen Identität und Interessen völlig unbekannt
sind. Nach Aussage des Zeugen N. rückte der Kontakt
„erst nach einer Weile damit raus, dass er nicht direkt vor
Ort war, sondern dass er über andere Leute wieder ein
relativ gutes Bild davon hatte.“2613
Ein weiterer möglicher Anhaltspunkt könnte sein, dass die
Provinzräte das PRT Kunduz, im Gegensatz zu früheren
Operationen mit zivilen Toten, für den Luftschlag lobte
und feierte. Die Provinzräte bezeichneten laut Feldjäger-
bericht zunächst alle Opfer aus den umliegenden Dörfern
als Aufständische, einschließlich der getöteten Kinder und
Heranwachsenden.
2614
In einem Aufsatz der Juristen Ka-
leck/Schüller/Steiger zum Luftschlag in Kunduz wird
vermutet, dass die Provinzräte den Luftschlag begrüßten,
weil er Personen in einer oppositionell eingestellten Regi-
on bei Kunduz betraf. Unter Bezugnahme auf den Feldjä-
gerbericht heißt es dort:
2612) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68.
2613) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62.
2614) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), S. 5; Klein, Proto-
koll-Nr. 6, Teil II, S. 28, 31.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 387 – Drucksache 17/7400
„Aus ihrer Sicht [der Provinzräte] wurden Perso-
nen aus Gebieten getroffen, die der Zivilverwal-
tung in Kunduz nicht nahestanden. Dies entsprach
auch der bekannten historischen Konfliktlage zwi-
schen Provinzgouverneur und paschtunischer Be-
völkerung. Jeder der vor Ort Anwesenden wurde
als Aufständischer bezeichnet, ohne jegliche Diffe-
renzierung nach Alter oder anderen Merkma-
len.“2615
7. Zusammenfassung
Die große militärische Anspannung und der politische
Druck, dem die Beteiligten Anfang September 2009 aus-
gesetzt waren, kann nicht rechtfertigen, dass und wie der
Luftschlag durchgeführt wurde, oder wie im Nachgang
mit seinen Folgen umgegangen wurde. Zwei Dinge sind
augenfällig: zum einen die Häufung von Fehlentschei-
dungen bei der Anordnung und Durchführung des Luft-
schlags, zum anderen die intransparente und lückenhafte
Informationspraxis, die sich bis in den Untersuchungsaus-
schuss fortgesetzt hat.
Der Luftschlag ist auf eine Reihe unterschiedlich gelager-
ter Fehlentscheidungen und falscher Prioritätensetzung
zurückzuführen. Jede für sich genommen hätte mögli-
cherweise korrigiert werden können, in der Summe erwie-
sen sie sich jedoch als fatal. Trotz Bedenken hinsichtlich
der Gefahreneinschätzung und der Regelverstöße hinter-
fragte keiner der beteiligten Bundeswehrsoldaten die
Befehle. Dies offenbart grundlegende Mängel in der Um-
setzung der Grundsätze der Inneren Führung bei Aus-
landseinsätzen.
Die Entscheidung war falsch, sich auf die Informationen
eines einzigen HUMINT-Kontakts zu stützen, der wahr-
scheinlich nicht aus erster Hand berichtete, sondern ledig-
lich Informationen einer unbekannten Person weiterleitete
und dessen Interesse unklar war. Oberst Klein hätte vor
der endgültigen Beurteilung der Lage weitere Informatio-
nen einholen müssen. War dies – wie von Oberst Klein
vor dem Untersuchungsausschuss angegeben – nicht
möglich, so hätte er den Luftschlag aufgrund der mangel-
haften Quellenlage nicht anordnen dürfen. Über die
Gründe für eine solche Fehleinschätzung kann nur speku-
liert werden: Der Wunsch, endlich einen erfolgreichen
Schlag gegen den militärischen Gegner zu führen, mag
dazu verleitet haben, die Lage nicht mit der gebotenen
Sorgfalt zu beurteilen.
In jedem Fall hatte die vorschnelle Lagebeurteilung und
Fehleinschätzung schwere Folgen. Vor dem Hintergrund
dieser Einschätzung verzichtete Oberst Klein auf eine
show of force, durch die möglicherweise Menschenleben
gerettet worden wären. Aus diesem Grunde verzichtete er
auch auf eine Wirkungsanalyse am Boden unmittelbar
nach dem Luftschlag. Dies hatte zur Folge, dass Anzahl
2615) Wolfgang Kaleck, Andreas Schüller, Dominik Steiger: Tarnen und
Täuschen. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden und der Fall
des Luftangriffs bei Kundus. Kritische Justiz, 2010, Heft 3,
S. 270 ff.; 279.
und Identität der Opfer bis heute nicht vollständig erfasst
werden konnten.
Zahlreiche Verfahrensverletzungen begünstigten die Ent-
scheidung für den Luftschlag. Zum Beispiel führte die
bewusst falsche Erklärung an die Luftleitzentrale, es be-
stehe eine TIC-Situation dazu, dass die Piloten der F-15-E
von einer falschen Lage am Boden ausgingen, nämlich
dass eine unmittelbare Bedrohung für das PRT Kunduz
vorlag. In diesem Eindruck wurden sie durch das unklare
Kommunikationsverhalten des JTAC noch bestärkt. An-
dere Verfahrensfehler beruhen offensichtlich auf mangel-
hafter Kenntnis der Verfahrensregeln, wie zum Beispiel
das Versäumnis einer dynamischen Zielzuweisung.
Mangelndes Informationsverhalten hat dazu geführt, dass
es nicht möglich war, Entscheidungen zu kontrollieren
und gegebenenfalls zu korrigieren. So unterließ es Oberst
Klein regelwidrig, gegenüber OFw W. beziehungsweise
gegenüber den F-15-E-Piloten, die RoE klar zu benennen,
die ihm als Grundlage für den Luftschlag diente. Infolge-
dessen konnten die Beteiligten nicht prüfen, ob die Vor-
aussetzungen der RoE tatsächlich vorlagen. Auch Oberst
Kleins Entscheidung, den Luftschlag eigenmächtig an-
zuordnen und weder seine Vorgesetzten noch sein PRT-
Personal vor oder nach dem Bombenabwurf mit einzube-
ziehen, verhinderte, dass vorgesehene Kontrollmechanis-
men in Gang gesetzt wurden und dass die Wirkungsanaly-
se am Boden früher durchgeführt wurde.
Das mangelnde Informationsverhalten – das sich bis in
den Untersuchungsausschuss fortgesetzt hat – führte dazu,
dass viele Vorgänge in der Operationszentrale der TF 47
intransparent und wenig nachvollziehbar bleiben. Insbe-
sondere deutet die Aktenlage darauf hin, dass Kräfte der
TF 47 die Vorbereitung und Durchführung des Luft-
schlags über das gewöhnliche Maß hinaus unterstützten
und auch eigene Interessen verfolgten. Aufgrund des
Aussageverhaltens einiger Zeugen im Untersuchungsaus-
schuss konnte der Grad ihrer Beteiligung nicht abschlie-
ßend geklärt werden.
IV. Die Bewertung der militärischen Untersu-
chungen zum Luftschlag
Unmittelbar nachdem sie von dem Vorfall erfahren hat-
ten, veranlassten unabhängig voneinander sowohl der
Führer des deutschen ISAF-Kontingents als auch den
Regionalkommandos Nord, Brigadegeneral Vollmer,
sowie der Kommandeur der ISAF-Schutztruppe
(COM ISAF), General McChrystal, die Untersuchung der
Umstände und Folgen des Luftschlags.
Die Ergebnisse dieser militärischen Untersuchungen so-
wie ein reger Informationsaustausch zwischen NATO,
Bundeswehr und BMVg über den Luftschlag bilden eine
wesentliche Bewertungsgrundlage für die politische Auf-
arbeitung des Vorfalls. Sie verdeutlichen, dass die einzel-
nen Untersuchungstrupps – trotz teilweise widersprüchli-
cher Nachrichten – schon ab dem 4. September 2009 ernst
zu nehmende Anhaltspunkte lieferten, die auf zahlreiche
zivile Opfer hindeuteten. Sie verdeutlichen auch, dass
Drucksache 17/7400 – 388 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
spätestens ab dem 6. September 2009 gravierende Zweifel
an der Verfahrensmäßigkeit des Luftschlags auftraten.
Das BMVg wurde über den Verlauf und über die Ergeb-
nisse der einzelnen Untersuchungen stets prompt und
ausführlich informiert. Anstatt aber eine möglichst umfas-
sende Aufklärung zu unterstützen oder sich für eine eige-
ne nationale Untersuchung zu entscheiden, wurden aus
dem BMVg heraus Schritte unternommen, die Aufarbei-
tung gezielt zu beeinflussen. So brachen Generalinspek-
teur Schneiderhan und Staatssekretar Dr. Wichert die
nationale Feldjägeruntersuchung ab. Außerdem gibt es
Hinweise darauf, dass eine durch Staatssekretär Wichert
im BMVg eingerichtete „Gruppe 85“ den Untersuchungs-
verlauf des Joint Investigation Board nicht nur zu beglei-
ten, sondern auch punktuell zu beeinflussen suchte.
Dies wird im Folgenden näher ausgeführt (zu den Tatsa-
chen vgl. Feststellungsteil, Punkt B.IV.). Zunächst wird
auf die Untersuchungen des Battle Damage Assessment
Teams (1) und die Feldjägeruntersuchung (2) eingegan-
gen. Weiterhin wird auf die durch den COM ISAF Gene-
ral McChrystal veranlassten ISAF Untersuchungen des
Initial Action Teams und des Joint Investigation Boards
(3) eingegangen. In diesem Zusammenhang wird auch die
Frage nach einer nationalen Untersuchung behandelt (4).
Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung (5).
1. Erkundungen des BDA-Teams, 4. Septem-
ber 2009
Oberst Klein hatte aus den in Kapitel III.4.g genannten
Gründen eine Wirkungsanalyse vor Ort unterlassen. Erst
am Vormittag des 4. September 2009 stellte er ein Unter-
suchungsteam (Battle Damage Assessment Team, BDA-
Team) zusammen, das durch Kräfte des Regionalkom-
mandos Nord unterstützt wurde.
2616
Aufgrund der starken
zeitlichen Verspätung, mit der Oberst Klein das BDA-
Team entsandte, konnte es vor Ort keine wesentlichen
Erkenntnisse erlangen.
2617
Tote und Verletzte waren be-
reits geborgen, der Ort offensichtlich verändert.
2618
Die Verspätung des BDA verstieß gegen die geltenden
ISAF-Einsatzregeln – entsprechend dieser muss diese
Analyse zeitnah nach einem solchen Ereignis erfolgen –
und wirkte sich tatsächlich negativ auf die Untersu-
chungsergebnisse aus.
2619
Brigadegeneral Vollmer kriti-
sierte dies vor dem Untersuchungsausschuss. Er hätte eine
frühere Untersuchung vor Ort für nötig befunden und sei
verärgert gewesen, nicht früher über den Luftschlag in-
2616) Das BDA-Team bestand aus einem Element in Kompaniestärke
unter Führung des Chefs der Schutzkompanie, Hauptmann S.,
verstärkt durch Feldjäger unter Führung von Feldjägerstabsoffi-
zier Major T., sowie Fachleuten für zivil-militärische Zusammen-
arbeit und psychologische Operationen. Klein, Protokoll-Nr. 6,
Teil II, S. 20; Feldjägerbericht (Dokument 67), Bl. 4.
2617) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35.
2618) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), Anlage 9, Debriefing
im PRT nach BDA 04. 09. 09.
2619) vgl. z. B. Feldjägerbericht (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 3,4.
formiert worden zu sein. Er hätte früher reagieren und
eine Wirkungsanalyse veranlassen können.
2620
Auch der Verlauf der Wirkungsanalyse wurde problema-
tisiert. Stimmen aus dem BDA-Team äußerten sich kri-
tisch zur Transparenz der Untersuchung und den einge-
setzten Untersuchungsmitteln. Der eingesetzte Feldjäger-
führer OTL B. monierte in seinem Bericht, der Chef der
Schutzkompanie habe vor Abfahrt kontrolliert und dafür
gesorgt, dass sich keine Kräfte des Regionalkommandos
Nord (RC N) aus Masar-e-Sharif im Konvoi befanden, die
zu dem Zeitpunkt zur Unterstützung nach Kunduz ent-
sandt worden waren. Laut Befehl von Oberst Klein waren
diese vor Ort nicht erwünscht.
2621
Vor dem Untersu-
chungsausschuss bestritt Oberst Klein diese Version aller-
dings. Die Kontrolle sei eine Schutzmaßnahme seines
Chefs der Schutzkompanie gewesen, weil vor Ort mit
Beschuss durch feindliche Kräfte zu rechnen gewesen
sei.
2622
Weiterhin bemängelte der Leiter des Einsatzkamerateams,
Hptm. G., in seinem Bericht vom 7. September an Briga-
degeneral Vollmer, dass sein Team für die Erkundungen
nicht in Anspruch genommen worden sei. Seiner Ansicht
nach hätte sein Einsatz zu einer schnelleren Informations-
verbreitung beitragen können:
„Im vorliegenden Fall wäre es bei optimaler Zuar-
beit durch das PRT möglich gewesen, bereits am
Abend des 4. September eine erste Dokumentation
nach Deutschland übertragen zu können.“2623
Trotz dieser Fehler bei der Durchführung der Wirkanalyse
lieferten die Untersuchungen im Laufe des 4. September
bereits erste Anhaltspunkte zu zivilen Opfern. Gespräche,
die das eingesetzte Tactical PsyOps Team (TPT) in einem
nahegelegenen Dorf am frühen Nachmittag des 4. Sep-
tember 2009 führte, ergaben, dass aus einem Dorf 14
Zivilpersonen getötet und vier schwer verletzt worden
seien. Diese Personen seien zuvor von Aufständischen zur
Arbeitsleistung am Ort des Luftschlags gezwungen wor-
den.
2624
Eine im TPT-Bericht enthaltene Liste mit den
Namen und Altersangaben der Opfer ergibt, dass sich
unter den Getöteten sieben Minderjährige (Alter zwischen
acht und 16 Jahren) und unter den Verletzten ein zwölf-
jähriger Junge befanden. Nach seiner Rückkehr in das
PRT Kunduz informierte der TPT-Leiter, Stabsfeldwebel
B., Oberst Klein umgehend über seine Untersuchungser-
gebnisse. Der Bericht wurde in den Feldjägerbericht auf-
genommen.
2625
Am Nachmittag des 4. September führten Teile des BDA-
Teams Erkundigungen im Krankenhaus durch, wo sie
2620) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2, 4.
2621) Gesprächsprotokoll Feldjägerführer (Fn. 395, Dokument 65),
Bl. 43.
2622) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.
2623) EKT-Bericht (Fn. 397, Dokument 66).
2624) Gesprächsprotokoll Feldjägerführer: Auswertegespräch Kom-
mandeur PRT Kunduz mit allen Mitgliedern BDA-Team PRT
Kunduz (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43.
2625) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24; Mat. 17-11/11a, Feldjägerbe-
richt, Anlage 25, Einsatzbericht TPT 2, Blatt 2.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 389 – Drucksache 17/7400
sechs Verletzte und zwei Tote vorfanden, die laut Feldjä-
gerbericht fast alle typische Brandverletzungen aufwie-
sen. Einige von ihnen seien im Alter zwischen ca. elf und
15 Jahren gewesen.
2626
2. Feldjägeruntersuchung, 4. bis 9. Septem-
ber 2009
Brigadegeneral Vollmer entsandte am 4. September 2009
Kräfte des deutschen Einsatzkontingents unter Leitung
seines Feldjägerführers Oberstleutnant B. aus Masar-e-
Scharif in das PRT Kunduz. Bis zum 6. September zogen
sie Erkundigungen ein, begleiteten die parallel laufende
ISAF-Voruntersuchung durch das Initial Action Team
(IAT) und sammelten Materialien. Die Ergebnisse der
Erkundigungen wurden in einem Bericht festgehalten,
dem so genannten Feldjägerbericht. Nach Aussage des
Feldjägerführers OTL B. schlugen seine Bemühungen
fehl, Oberst Klein und OFw W. zu den Vorfällen am 3./4.
September zu befragen. OFw W. weigerte sich Auskunft
zu geben, weil er – so seine Erklärung vor dem Untersu-
chungsausschuss – den Auftrag des Feldjägerführers nicht
kannte und keine eingestuften Informationen preisgeben
wollte. Ein Gespräch mit Oberst Klein kam nach Ein-
schätzung des Zeugen B. aus Zeitgründen nicht zustan-
de.
2627
Die Funktion der Feldjägeruntersuchung veränderte sich
im Laufe der Zeit. Ihr Zweck war zunächst – entspre-
chend des Auftrages von Brigadegeneral Vollmer –
Oberst Klein bei der Aufklärung des Bombenabwurfs
vom 4. September mit Fachexpertise zu unterstützen und
als unabhängige Kräfte alle vorhandenen Informationen
zu sammeln, um Brigadegeneral Vollmer ein möglichst
vollständiges Bild von den Geschehnissen zu ermögli-
chen.
2628
Nach dem 4. September dienten die Erkundigungen der
Feldjäger auch der Vorbereitung eines möglichen Diszip-
linarverfahrens gegen Oberst Klein. So entschloss sich
Brigadegeneral Vollmer am Abend des 4. September nach
Rücksprache mit seinem Vorgesetzten, dem Leiter des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, General-
leutnant Glatz, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, um
auch
„zu seinem [Kleins] Schutz später – disziplinar zu
ermitteln: War das alles rechtens, was er dort ge-
macht hat: Verfahren, Rules of Engagement, Ver-
halten danach und ähnliche Dinge mehr?“2629
Der Anlass für diesen „Funktionswechsel“ war der Erhalt
eines von Oberst Klein unbestätigten INTSUM (Daily
Intelligence Summary, Tagesbericht), der Angaben über
mögliche zivile Opfer enthielt. Dies widersprach den
2626) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67); Klein, Protokoll-Nr.
6, Teil II, S. 21.
2627) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 31; W., Protokoll-Nr. 10, Teil II,
S. 24.
2628) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 2 f.; Vollmer, Protokoll-Nr. 12,
Teil II, S. 7.
2629) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 5.
vorherigen mündlichen Versicherungen von Oberst
Klein.
2630
Einerseits veranlasste Brigadegeneral Vollmer in Rück-
sprache mit Generalleutnant Glatz die Entfernung dieser
Passage zu zivilen Opfern aus dem INTSUM. Im Wider-
spruch zu den Aussagen der Zeugen Glatz und Vollmer
vor dem Untersuchungsausschuss deutet einiges darauf
hin, dass diese eine zu frühe offizielle Bestätigung mögli-
cher ziviler Opfer verhindern wollten. Denn dies hätte –
so die Einschätzung von Generalleutnant Glatz – einen
Verstoß gegen die „Tactical Directive des COM ISAF“
bedeutet.
2631
Der zuständige Nachrichtenoffizier, OTL K.,
hat vor dem Untersuchungsausschuss angegeben, er habe
die Passage eigenmächtig aus dem INTSUM gestrichen,
nachdem sein Vorgesetzter, ein Nachrichtenoffizier aus
dem RC-North, ihm „eindringlich“ nahegelegt hatte, die
politischen Implikationen einer solchen Aussage zu be-
denken, etwa im Lichte der wenige Tage vor dem Luft-
schlag erlassenen Direktiven des COM ISAF zum Schutz
von Zivilpersonen.
2632
Andererseits nahm Brigadegeneral Vollmer den Inhalt des
INTSUM so ernst, dass er eine disziplinarrechtliche Un-
tersuchung gegen Oberst Klein einleitete, ohne den vor
Ort ermittelnden Feldjägerführer OTL B. vom veränder-
ten Charakter der Ermittlungen in Kenntnis zu setzen.
2633
Brigadegeneral Vollmer, für den nach eigener Aussage ab
dem 5. September 2009 feststand, dass der Luftschlag
zivile Opfer gefordert hatte
2634
, konnte das Disziplinarver-
fahren jedoch nicht mehr eröffnen. Am 7. September
veranlasste Generalleutnant Glatz auf Befehl von Gene-
ralinspekteur Schneiderhan die Einstellung der diszipli-
narrechtlichen Ermittlungen durch Brigadegeneral Voll-
mer. Zu diesem Zeitpunkt hatte Brigadegeneral Vollmer
bereits seinen Rechtsstabsoffizier mit der Einleitung des
Disziplinarverfahrens beauftragt; allerdings war Oberst
Klein noch nicht vernommen worden, wodurch das Ver-
fahren offiziell eröffnet worden wäre.
2635
Brigadegeneral Vollmer brach daraufhin die Untersu-
chungen seines Feldjägerführers ab und ließ den von OTL
B. erstellten Bericht als „Nur für Deutsche“ kennzeich-
nen. Vollmer verstand den verfassten Feldjägerbericht als
„Zuarbeit zu Ermittlungen, die anschließend angestanden
2630) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 5.
2631) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2., 49.
2632) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 60, 61, 63 und 68.
2633) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 15, 40; Glatz, Protokoll-
Nr. 12, Teil II, S. 64. Generalleutnant Glatz hat die beabsichtigte
Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Oberst Klein vor
dem Untersuchungsausschuss bestätigt: „Dies [der Inhalt des
INTSUM] war nach meiner Erinnerung auch der Grund, dass Bri-
gadegeneral Vollmer beabsichtigte, disziplinar zu ermitteln und
dieses dem COM ISAF anzuzeigen. Ein entsprechendes Ermittle-
rerheberteam der Feldjäger hatte Brigadegeneral Vollmer bereits
zuvor mit einem anderen Auftrag von Masar-i-Scharif nach Kun-
duz in Marsch gesetzt. Ich möchte hier anmerken: Der Ausfluss
daraus ist der so genannte Feldjägerbericht“.
2634) Der Anlass war, dass er Informationen dazu erhalten hatte, dass
14 Männer aus einer Moschee gezwungen worden seien, beim
Abtransport des Treibstoffes zu helfen Vollmer, Protokoll-Nr. 12,
Teil II, S. 6, 38.
2635) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 7, 8, 25, 26.
Drucksache 17/7400 – 390 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hätten“,2636, die aber auf Befehl seines Vorgesetzten dann
nicht weitergeführt wurden.
Der Feldjägerbericht, der unter anderem einen umfassen-
den Überblick über erste Erkenntnisse zu den Folgen des
Luftschlags, insbesondere Hinweise auf mögliche zivile
Opfer und kritische Fragen zum Verlauf des Luftschlags
enthält, erreichte am 14. September über Generalleutnant
Glatz den Einsatzführungsstab im BMVg. Eine weitere
Verbreitung des Feldjägerberichts wurde von Generalin-
spekteur Schneiderhan am 17. September 2009 gestoppt
mit der Konsequenz, dass der Inhalt des Feldjägerberichts
zunächst geheim blieb.
2637
Erst als der Feldjägerbericht
Ende Oktober 2009 in der Presse auftauchte, wurde sein
Inhalt öffentlich bekannt (vgl. dazu unten Punkt V.).
3. Internationale Ermittlungen durch den
COM ISAF
Der Kommandeur der ISAF (COM ISAF), General Stan-
ley McChrystal, reagierte prompt auf die Nachricht über
den Vorfall in Kunduz. Anders als das BMVg räumte er
einer schnellen transparenten Aufklärung die oberste
Priorität ein. McChrystal – gegen 7.45 Uhr am 4. Septem-
ber benachrichtigt – war besorgt, dass sich aufgrund des
Luftschlags die Spannung zwischen ISAF und der afgha-
nischen Bevölkerung erhöhen werde, insbesondere, nach-
dem der Sender Al-Jazeera am frühen Morgen des 4.
September bereits über zivile Opfer berichtet hatte. Erst
wenige Wochen vorher hatte General McChrystal eine
Weisung erlassen, die dem Schutz der Zivilbevölkerung
bei militärischen Operationen oberste Priorität einräum-
te.
2638
Aufgrund des Verdachts auf zivile Opfer leitete er im
Einklang mit den ISAF-Verfahrensregeln (Standard Ope-
ration Procedure) noch am 4. September ein zweistufiges
Untersuchungsverfahren ein: nach einer ersten Bewertung
des Vorfalls durch eine vorläufige Untersuchungskom-
mission – das Initial Action Team (IAT) – sollte ein inter-
national zusammengesetztes Komitee – das Joint Investi-
gation Board (JIB) – eine formelle Untersuchung durch-
führen.
Wie ernst General McChrystal den Vorfall nahm, wird
unter anderem daran deutlich, dass er persönlich am 5.
September den Ort des Luftschlags auf der Sandbank
besuchte. Während Oberst Klein aufgrund der angespann-
ten Sicherheitslage – er rechnete mit Beschuss durch
Aufständische – von einer Ortsbegehung abriet, bestand
General McChrystal auf der persönlichen Inspizierung der
Sandbank.
2639
General McChrystal war sichtlich darum
bemüht, öffentlich und insbesondere gegenüber der afg-
hanischen Bevölkerung zu demonstrieren, dass er einer
schnellen Aufklärung des Vorfalls die höchste Priorität
einräumte.
2636) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 23.
2637) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 72, 81.
2638) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 15, 53.
2639) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 2; Klein, Protokoll-
Nr. 6, Teil II, S. 68.
a) IAT Bericht, 4./ 5. September 2009
Der Auftrag des IAT, welches das Feldlager Kunduz am
4. September 2009 gegen 17.20 Uhr erreichte, war es,
Fakten und Hintergründe zu ermitteln, die zur Auslösung
eines Luftangriffs führten, und das Lagebild des
COM ISAF zu verbessern. Zweck des Einsatzes war es
auch, der Bevölkerung zu demonstrieren, dass sich ISAF
um eine schnelle Aufklärung bemühe und auf Schäden für
die Zivilbevölkerung reagiere. Schließlich prüfte das IAT,
ob wegen des Verdachts auf Verfahrensverletzungen eine
formale Untersuchung eingeleitet werden müsse.
2640
Das IAT befragte am 5. und 6. September 2009 die am
Luftschlag beteiligten Personen, analysierte das aufge-
zeichnete Filmmaterial der Übertragung aus den Cockpits
der Flugzeuge, zog Erkundigungen im Provinzkranken-
haus in Kunduz ein und führte Gespräche mit afghani-
schen Offiziellen. Das Team kam zu dem Schluss, dass
man von etwa 125 Toten ausgehen müsse, und dass mit
einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit („high
degree of certainty“) auch mit zivilen Opfern zu rechnen
sei. Abschließend befürwortete das IAT die Einleitung
einer formalen Untersuchung, um die Frage zu beantwor-
ten, ob die geltenden RoE und SOP befolgt wurden.
2641
Die Ergebnisse wurden im so genannten IAT-Bericht
festgehalten. Darüber hinaus verfasste Oberst N., Offizier
des Nachrichtenwesens im ISAF Hauptquartier, als
deutsches Mitglied des IAT ein Protokoll über die Unter-
suchung.
Die Untersuchungsergebnisse des IAT waren streng ver-
traulich. Allerdings veröffentlichte ein Journalist der
Washington Post, Rajiv Chandrasekaran, dem
COM ISAF General McChrystal zuvor erlaubt hatte, das
IAT als „embedded journalist“ zu begleiten, am 6. Sep-
tember in der Washington Post einen kritischen Artikel zu
dem Luftschlag, in welchem er auch einige Untersu-
chungsergebnisse des IAT wiedergab. Hierdurch erfuhr
die breite internationale Öffentlichkeit über das Ausmaß
des Luftschlags, über wahrscheinliche zivile Opfer sowie
über die Ungereimtheiten und möglichen Verfahrensfeh-
ler bei der Durchführung des Luftschlags und Behinde-
rungen einer transparenten Aufklärung.
2642
Das BMVg
nahm von diesem Artikel und seinem Inhalt Kenntnis und
kritisierte ihn heftig.
2640) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 2, Nr. 2; Mat. 17-22a,
Ordn. 2, Seiten 1a-250, Bl. 49.
2641) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35; Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II,
S. 69.
2642) Washington Post vom 5. September 2009, „NATO Probing
Deathly Airstrike” (Dokument 70); Mat. 17-21a, Presse-/Infostab,
Ordn. 1, Bl. 99 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 391 – Drucksache 17/7400
b) Die Erstellung des COM ISAF-Berichts
durch das Joint Investigation Board und
die Begleitung durch die „Gruppe 85“,
8. September bis 26. Oktober 2009
aa) Die Untersuchung des JIB
Auf Empfehlung des IAT beauftragte COM ISAF General
McChrystal am 8. September 2009 einen Gemeinsamen
Untersuchungsausschuss (Joint Investigation Board, kurz
JIB) mit der formellen Untersuchung des Luftschlags.
Wie sich aus einem Vermerk von Oberst G., dem
Leiter des Einsatzteams Afghanistan im Einsatzführungs-
stab, an den Generalinspekteur Schneiderhan vom 18.
September 2009 ergibt, veranlasste der COM ISAF zum
ersten Mal seit Bestehen der SOP 307 die formelle Unter-
suchung einer ISAF Operation durch ein JIB.
2643
Dies
verdeutlicht, dass General McChrystal nach Abschluss
der IAT-Untersuchung an der Verfahrensmäßigkeit des
Luftschlags zweifelte.
Das JIB sollte auf Grundlage verfügbarer Fakten mög-
lichst viele Einzelheiten zur Ursache von Todesfällen
oder zum Status etwaiger Opfer zusammenzutragen und
die Art und Weise der Operationsführung begutachten.
Wie durch die ISAF-Verfahrensregeln vorgesehen, nahm
das JIB keine Schuldzuweisungen oder disziplinarrechtli-
chen Bewertungen vor, sondern beschränkte sich darauf,
das gesammelte Material zu analysieren und Empfehlun-
gen abzugeben. Darüber hinaus wurde klargestellt, dass
das JIB – wie durch die ISAF-Regeln festgelegt – keine
nationale Untersuchung ersetzt.
2644
Am 26. Oktober 2009 fasste das JIB seine Untersu-
chungsergebnisse in einem Bericht zusammen – dem so
genannten COM ISAF-Bericht. Wie in Kapitel II darges-
tellt, ist der Inhalt des Berichtes GEHEIM und kann des-
halb nicht dargestellt werden.
bb) Begleitung durch die „Gruppe 85“
Von Anfang an begleitete das BMVg die JIB-
Untersuchungen. Hierfür hatte Staatssekretär Dr. Wichert
bereits am 9. September 2009 im BMVg eine Arbeits-
gruppe eingesetzt, die sich aufgrund von Aktennummerie-
rungen „Gruppe 85“ nannte.2645 Anders als nach Darstel-
lung des Zeugen Dr. Jung diente die „Gruppe 85“ aller-
dings nicht vorrangig dazu, die NATO Untersuchungen
zu unterstützen – als Ersatz einer eigenen nationalen Un-
tersuchung
2646
– sondern um allzu kritische Ergebnisse zu
antizipieren und zu entschärfen. So lautete ihr interner
Auftrag, die Untersuchung in Afghanistan zu begleiten
und zu bewerten, damit die Leitung des BMVg auf den
NATO-Abschlussbericht mit einer eigenen Position rea-
2643) Mat.17-22a, Ordner 1, Blatt 94 f.: „Vermerk für Herrn Generalin-
spekteur der Bundeswehr, 18. September 2009.“
2644) Mat.17-22a, Ordn. 1, Blatt 94 f.: „Vermerk für Herrn Generalin-
spekteur der Bundeswehr, 18. September 2009.“
2645) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 5.
2646) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 13.
gieren könne.
2647
Dies beinhaltete auch die „Antizipation
der Ergebnisse des Untersuchungsberichts und [die] Vor-
bereitung von Argumentationslinien, um Schwachstellen,
Vorwürfe und Kritikpunkte zu entkräften“.2648 In einer
ersten Besprechung der „Gruppe 85“ am 9. September
2009 wurde festgehalten, dass die grundsätzliche Zielrich-
tung der Arbeitsgruppe darin liegen könne, ein „positives
Bild auch des Erfolges mit möglichen Verfahrensfehlern“
zu zeichnen.
2649
Die Ablaufprotokolle der „Gruppe 85“ zeigen, dass die
Gruppe sich regelmäßig mit dem deutschen Mitglied des
JIB, OTL V., über den Untersuchungsverlauf des JIB und
dessen Einschätzung/Bewertung des Vorfalls austauschte.
OTL V. unterrichtete sie detailliert über die Untersu-
chungsergebnisse und über die kritischen Diskussionen,
die innerhalb des JIB zur Bewertung des Luftschlags
geführt wurden. So telefonierte OTL V. am 14., 16., 18.
und 20. September sowie am 6. und 23. Oktober 2009 mit
einzelnen Angehörigen der Arbeitsgruppe. OTL V. infor-
mierte die Gruppe unter anderem über folgende Punkte:
– Ziel des Luftschlags seien nicht die Tanklaster, son-
dern die Personen vor Ort gewesen;
– die Verhältnismäßigkeit des Luftschlags sei zu hin-
terfragen;
– es sei davon auszugehen, dass keine Bedrohungslage
durch die Tanklaster bestanden habe, und auch kein
imminent threat (unmittelbare Bedrohung) zum Zeit-
punkt des Luftschlags;
– es bestehe der Eindruck, dass die F-15-E-Piloten sich
– anders als nach Oberst Kleins Darstellung – für ein
geringeres Waffenmittel eingesetzt hätten;
– die Befragung der Piloten habe ergeben, dass diese
keine Möglichkeit zu einer positiven Identifikation
von Personen am Boden besaßen und es ihnen also
nicht möglich gewesen sei, ein eigenes ausreichendes
Lagebild zu gewinnen;
– Oberst Klein sei im Gespräch „nicht sicher mit den
Begrifflichkeiten, Prozessabläufen, und RoE umge-
gangen“, zum Beispiel bei der Verwendung der Un-
terscheidung „involved/uninvolved persons“.2650
Im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen V. vor dem
Untersuchungsausschuss
2651
zeigt das Ablaufprotokoll
deutlich, dass die „Gruppe 85“ OTL V. nicht nur in seiner
Funktion als JIB Mitglied unterstützte, sondern darüber
hinaus sogar Anweisungen erteilte, wie er bestimmte
Bewertungen des JIB lenken solle. So heißt es beispiels-
weise im Protokoll vom 6. Oktober 2009, als die Ermitt-
lungen bereits abgeschlossen waren und der Abschlussbe-
richt verfasst wurde:
2647) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 241; Krause,
Protokoll Nr. 22, Teil I, S. 5.
2648) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 241.
2649) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 241.
2650) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 246, 267.
2651) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 22.
Drucksache 17/7400 – 392 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„OTL V. wurde von RDir B. höchstvorsorglich
darauf hingewiesen, dass bei der Frage, ob Zivil-
personen zu regierungsfeindlichen Kräften zu
rechnen sind, das Lebensalter im landestypischen
Kontext zu sehen ist und dass – falls möglich – ein
ermessenfehlerfreies Handeln herausgestellt wer-
den sollte.“2652
Das BMVg hat das JIB nicht in vollem Umfang mit dem
ihm zur Verfügung stehenden Material versorgt. So wurde
der Feldjägerbericht – anders als von Generalinspekteur
Schneiderhan vor dem Untersuchungsausschuss angege-
ben – nicht aus eigener Initiative zugeleitet, sondern erst
nach Anforderung durch das JIB.
2653
Zeuge V. erwies sich
in seinen weiteren Aussagen als insgesamt unglaubwürdi-
ger Zeuge. Zum Beispiel behauptete er vor dem Untersu-
chungsausschuss zunächst, den Begriff „Gruppe 85“ nicht
zu kennen.
2654
Erst nach Vorhalt schriftlicher Dokumente
korrigierte er sich. Fragen, ob und wie häufig er mit dem
Einsatzführungsstab telefonierte, beantwortete der Zeuge
zögerlich und uneinheitlich.
2655
Dieses Aussageveralten
deutet darauf hin, dass V. seine Art der Zusammenarbeit
zunächst verheimlichen wollte, weil ihm klar war, dass
seine Kooperation mit der „Gruppe 85“ mit seinen Pflich-
ten als Angehöriger des JIB, den Vorfall objektiv aufzu-
klären, nicht zu vereinbaren war.
Das BMVg unterließ es, die Einstufung des Berichts als
„Nur für Deutsche“ aufzuheben. Infolgedessen war OTL
V. das einzige Mitglied des JIB, das den Feldjägerbericht
auswerten konnte. OTL V. kam zu dem Schluss, dass der
Bericht keine neuen Erkenntnisse für die NATO-
Untersuchung enthalte und deshalb im Abschlussbericht
keine Berücksichtigung finden müsse. Problematisch ist
dieser Vorgang, weil OTL V., wie oben beschrieben, kein
unabhängiges JIB-Mitglied war, sondern die Interessen
des BMVg in der Untersuchung vertrat und Einfluss auf
die Untersuchungsmaterialien nahm.
2656
Die Öffentlichkeit wurde unzureichend über die „Gruppe
85“ informiert. Zwar wurde auf die Einrichtung der
Gruppe in der Regierungspressekonferenz am 11. Sep-
tember 2009 hingewiesen, allerdings wurde ihr Zweck –
gegebenenfalls auch „gegenzusteuern“ – nicht transparent
gemacht, sondern vorgegeben, der alleinige Zweck sei es,
die Untersuchungen des JIB zu unterstützen. Der damali-
ge Sprecher des Bundesverteidigungsministers Dr. Raabe
beschränkte sich auf den Hinweis, dass es darum gehe,
der NATO Hilfestellung bieten zu können, indem die
Faktenlage zusammengestellt werde.
2657
2652) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 268.
2653) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 6 f.
2654) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 21.
2655) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 25 ff.
2656) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 21 f., 28f.
2657) Regierungspressekonferenz vom 11. September 2009 (Fn. 444,
Dokument 74), Bl. 74.
4. Ablehnung einer nationalen Untersuchung
durch das BMVg
Der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Jung, ent-
schied sich bereits am 8. September 2009 – auf Anraten
von Staatssekretär Dr. Wichert und Generalinspekteur
Schneiderhan – gegen eine nationale, d. h. disziplinar-
rechtliche, Untersuchung des Vorfalls mit dem Hinweis
darauf, erst die Ergebnisse der NATO-Untersuchungen
abwarten zu wollen. Allerdings hatte ihm der Generalin-
spekteur zu diesem Zeitpunkt verschwiegen, dass bereits
Feldjägeruntersuchungen in Vorbereitung eines Diszipli-
narverfahrens durchgeführt worden waren. Insofern traf
der Minister seine Entscheidung, ohne ausreichend über
den Stand der Dinge informiert worden zu sein. Jedoch ist
den Aussagen des Zeugen Dr. Jung vor dem Untersu-
chungsausschusses zu entnehmen, dass er sich auch in
Kenntnis der Feldjägeruntersuchung gegen eine nationale
Untersuchung ausgesprochen hätte, weil er nach eigener
Aussage den Anschein einer „parteilichen“ Untersuchung
vermeiden wollte und es deshalb vorzog, die internationa-
le NATO-Untersuchung zu begleiten.
2658
Das BMVg schlug einen defensiven, passiven Kurs ein,
den es auch in den nachfolgenden Wochen beibehielt.
Vor dem Untersuchungsausschuss gab Staatssekretär
Dr. Wichert an, gegen eine nationale Untersuchung habe
gesprochen, dass ab dem 5. September 2009 die offizielle
NATO-Untersuchung des JIB bereits empfohlen worden
war und der Luftschlag eine Operation der NATO und
nicht der Bundeswehr war.
2659
Allerdings scheinen noch
andere Motive eine Rolle gespielt zu haben, nämlich der
Bundeswehr zu signalisieren, dass das BMVg seiner Für-
sorgepflicht gegenüber Oberst Klein mehr als gerecht
wird. So gab Generalinspekteur Schneiderhan dem Unter-
suchungsausschuss gegenüber an, dass es für die Trup-
penmoral „die Katastrophe geworden wäre“, sofort Dis-
ziplinarermittlungen einzuleiten. „Von hochgestellten
Persönlichkeiten“ sei es Schneiderhan „ans Herz gelegt“
worden, alles zu tun, um Oberst Klein zu schützen, um
nicht die gesamte Einsatzmoral der Truppe zu schädi-
gen.
2660
Aus diesem Grund sah es der Generalinspekteur
auch als gerechtfertigt an, die Feldjägeruntersuchung –
ohne Rücksprache mit Bundesminister Dr. Jung zu stop-
pen und den daraus resultierenden kritischen Feldjägerbe-
richt zunächst unter Verschluss zu halten, auch wenn er
damit wichtige Informationen vorenthielt. Eine solche
Argumentation kann jedoch nicht den Verzicht auf eine
Überprüfung der Vorgänge rechtfertigen, zu der die mili-
tärische Führung verpflichtet gewesen ist.
Nach Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfah-
rens gegen Oberst Klein am 16. April 2010 prüfte der
Inspekteur des Heeres als zuständige Einleitungsbehörde
in einer disziplinarischen Vorermittlung, ob Oberst Klein
die geltenden nationalen wie internationalen Einsatzre-
geln verletzt habe. Am 19. August 2010 wurde das Vor-
2658) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 13, 19.
2659) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 52.
2660) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 20 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 393 – Drucksache 17/7400
ermittlungsverfahren mit der Begründung eingestellt,
Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen seien nicht erkenn-
bar.
2661
5. Zusammenfassung
Aufgrund der militärischen Untersuchungen sowie inter-
nationaler Pressemeldungen bestanden schon ab dem 4.
September 2009 ernstzunehmende Hinweise auf zivile
Opfer. Diese verdichteten sich ab dem 5. September 2009.
Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die Verfahrensmäßigkeit
des Luftschlags in Zweifel gezogen. Im Laufe der ISAF-
Untersuchungen wurde bestätigt, dass der Luftschlag
unter gravierenden Verfahrensfehlern entschieden und
durchgeführt wurde.
Der Prozess der militärischen Untersuchungen verdeut-
licht darüber hinaus, dass NATO und BMVg verschiede-
ne Prioritäten beim Umgang mit dem Luftschlag setzten.
COM ISAF General McChrystal bemühte sich um Scha-
densbegrenzung für das Ansehen der ISAF-Truppen,
indem er die Umstände und Folgen des Luftschlags zügig
und transparent aufzuklären suchte. Dies tat er offensiv
und demonstrativ, zum Beispiel indem er persönlich die
Sandbank besuchte oder bereits am 4. September 2009
auf einer Presseerklärung auf die Möglichkeit ziviler
Opfer hinwies. Hierdurch signalisierte er der Öffentlich-
keit, dass ISAF die Tragweite des Vorfalls erkannt hatte
und für die Folgen einstand.
Bundesminister Dr. Jung, beraten von Generalinspekteur
Schneiderhan und Staatsekretär Dr. Wichert, schlug da-
gegen den entgegengesetzten Weg ein. Statt auf offensive
Aufklärung wurde auf Stillhalten und Abwiegeln gesetzt.
Minister Dr. Jung entschied sich gegen eine eigene natio-
nale Untersuchung der Umstände des Luftschlags. Die
Bemühungen von Brigadegeneral Vollmer, den Vorfall in
Kunduz aufzuklären und ein disziplinarrechtliches Ver-
fahren einzuleiten, wurden seitens des Generalinspekteurs
Schneiderhan nicht nur unterbunden, sondern verheim-
licht. Erst am 5. Oktober 2009, nachdem das JIB den
Bericht aus eigener Initiative angefordert hatte, sah sich
der Generalinspekteur gezwungen, Bundesminister
Dr. Jung über den Feldjägerbericht zu informieren und
ihn an das deutsche Mitglied des JIB zu senden. Dieser
war jedoch nur scheinbar unabhängig und verschwieg
dem restlichen JIB die Erkenntnisse des Feldjägerberichts
mit der Begründung, diese seien irrelevant.
Die „Gruppe 85“, unter Leitung von Staatsekretär
Dr. Wichert, begleitete die NATO-Untersuchungen. Aber
anders als gegenüber der Öffentlichkeit behauptet, zielte
die Begleitung nicht vorrangig darauf ab, die NATO-
Untersuchung zu unterstützen, sondern darauf, kritische
Ergebnisse zu antizipieren und deren Aussagekraft wenn
möglich strategisch herunterzuspielen.
Insbesondere Minister Dr. Jung und Generalinspekteur
Schneiderhan stellten sich schützend vor Oberst Klein
2661) Presseerklärung des Presse- und Informationszentrums des Heeres
vom 19. August 2010 (Dokument 17).
und versuchten, auf eine fälschlich undifferenzierte Weise
ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr demonstrativ gerecht zu wer-
den. Dies war die oberste Handlungspriorität des BMVg
in den ersten Wochen nach dem Luftschlag– und vor der
Bundestagswahl – und wurde auf Kosten von Transparenz
und dem gebotenen Maß an Aufklärung durchgesetzt.
Generalinspekteur Schneiderhan ging dabei so weit, dass
er seinem Minister und dem Führungskreis des BMVg
verschwieg, dass er eine Feldjägeruntersuchung gestoppt
hatte und die hieraus gewonnen Ergebnisse unter Ver-
schluss hielt. Insgesamt versäumte es Bundesminister
Dr. Jung, seinen weiteren Verpflichtungen nachzukom-
men, durch eine offene und transparente Aufklärung des
Vorgangs für das Handeln der deutschen Bundeswehr
einzustehen – insbesondere gegenüber der afghanischen
Bevölkerung; oder durch schnelle Untersuchungen, den
Soldatinnen und Soldaten in zukünftigen Situationen
Handlungssicherheit zu geben. Wichtige Chancen wurden
hierdurch vertan. Die Opferzahl ist bis heute unklar. Erst
mehr als ein Jahr nach dem Vorfall, nachdem Journalisten
bereits eigene Nachforschungen angestellt hatten, ver-
suchte das BMVg, von offizieller Seite die Opferzahl zu
ermitteln. Dabei wäre eine umgehende Untersuchung
schon alleine aus Respekt vor den Opfern geboten gewe-
sen.
Das Ziel, Oberst Klein um jeden Preis zu schützen, auch
auf Kosten von Transparenz und Aufklärungspflichten,
bestimmte die Informationspolitik des BMVg, wie im
nächsten Kapitel dargestellt wird.
V. Die Bewertung der Informationspolitik und
der Reaktion des BMVg unter Bundesmi-
nister der Verteidigung Dr. Jung und Bun-
desminister der Verteidigung zu Gutten-
berg
Die Informationspolitik des BMVg war sowohl unter dem
Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung als auch unter
dem Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg
mangelhaft.
Ab dem 4. September wurde der Einsatzführungsstab im
BMVg über den jeweiligen Erkenntnisstand der einzelnen
militärischen Untersuchungen zum Luftschlag umfassend
unterrichtet. Allerdings verzögerte Generalinspekteur
Schneiderhan, bei dem die wesentlichen Informationen
zusammenliefen, intern die Weitergabe von Erkenntnis-
sen, die negativ für die Beurteilung von Oberst Klein
ausfielen (1). Bundesminister Dr. Jung und der Presse-
und Informationsstab hielten – trotz besseren Wissens –
noch bis zum 6. September 2009 daran fest, dass Zivilper-
sonen bei dem Luftschlag nicht zu Schaden gekommen
seien. Mögliche Verfahrensfehler wurden nicht erwähnt.
Auch spätere Presserklärungen fielen einseitig und be-
schönigend aus (2). Die Informationsweitergabe an den
Bundestag verlief schleppend. (3) Auf Weisung des
Staatssekretärs Dr. Wichert übermittelte das BMVg dem
Bundeskanzleramt und dem Auswärtigen Amt angefor-
derte Informationen verspätet (4). Der Informationsfluss
Drucksache 17/7400 – 394 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
innerhalb des BMVg und gegenüber der Öffentlichkeit
verbesserte sich auch nicht nach dem Regierungswechsel
unter dem neuen Bundesminister der Verteidigung, zu
Guttenberg. General Schneiderhan stellte gegenüber der
Öffentlichkeit die kritischen Ergebnisse der formalen
ISAF-Untersuchung (COM-ISAF-Bericht) einseitig und
unangemessen dar. Der Bundesminister der Verteidigung
zu Guttenberg ließ sich trotz Kenntnis des COM ISAF-
Berichts zunächst dazu hinreißen, den Luftschlag gegenü-
ber der Öffentlichkeit als militärisch angemessen und
trotz Verfahrensfehlern als notwendig und zwingend
darzustellen. Erst nach dem Teile des kritischen Feldjä-
gerberichts durch die Presse in der Öffentlichkeit bekannt
wurden, revidierte er seine Beurteilung des Luftschlags,
ohne seinen Bewertungswechsel glaubhaft begründen zu
können (5). Die personellen Konsequenzen, die der Bun-
desminister der Verteidigung zu Guttenberg zog, nämlich
die Entlassung von Generalinspekteur Schneiderhan und
Staatssekretär Dr. Wichert, sind – zumindest auch – als
Versuch zu werten, die Verantwortung für die Fehlbeur-
teilung des Luftschlags auf andere abzuwälzen (6). Das
Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung (7).
1. Informationsstand von Bundeswehr und
BMVg vor dem Regierungswechsel, Sep-
tember und Oktober 2009
a) Informationsstand, 4. September
Laut Erstinformation, die das BMVg über den Presse-
strang des Ministeriums am Morgen des 4. September
2009 erreichte, waren durch den Luftschlag 56 Aufständi-
sche getötet worden, Zivilpersonen aber nicht zu Schaden
gekommen. Die Analyse beruhte auf der Folgenschät-
zung, welche die F-15-E unmittelbar nach dem Luftschlag
durchgeführt hatten.
Allerdings erhielt die Führungsebene des BMVg schon
bald gegenteilige Informationen, die an dem Wahrheits-
gehalt der Erstinformation zweifeln ließen. Festzuhalten
ist, dass der gesamte Führungskreis des BMVg, ein-
schließlich des Bundesministers der Verteidigung
Dr. Jung, bereits im Laufe des 4. September 2009 über
Hinweise verfügte, dass der Luftschlag möglicherweise
zivile Opfer gefordert hatte:
Der Einsatzführungsstab und Generalinspekteur Schnei-
derhan (bzw. sein Vertreter Generalleutnant Dora) erhiel-
ten über den Leiter des Einsatzführungskommandos,
Generalleutnant Glatz, und über NATO-General Ramms
ausführliche und aktuelle Nachrichten aus Afghanistan
über die Erkenntnisse der militärischen Untersuchungen
vor Ort sowie Einschätzungen über den Luftschlag. Wie
unter III. beschrieben gab es bereits am Nachmittag des 4.
September 2009 ernstzunehmende Hinweise auf zivile
Opfer, die durch Einschätzungen erfahrender Militärs, wie
Brigadegeneral Vollmer, Generalleutnant Glatz, General
McChrystal, NATO-General Ramms gestützt wurden. Der
Leiter des Einsatzführungsstabes, Konteradmiral Krause,
erklärte vor dem Untersuchungsausschuss ausdrücklich,
er habe bereits am 4. September 2009 an der offiziellen
Darstellung gezweifelt, es habe keine zivilen Opfer gege-
ben.
2662
Unter anderem erhielt der Einsatzführungsstab folgende
Informationen zu möglichen zivilen Opfern:
– Um 8 Uhr morgens gab Generalleutnant Glatz in
einer Videokonferenz mit Generalleutnant Dora die
Einschätzung des Brigadegeneral Vollmer weiter,
dass im Gegensatz zum Inhalt der Erstinformation zi-
vile Opfer nicht ausgeschlossen werden könnten. Ge-
neralleutnant Glatz teilte – so seine Aussage vor dem
Untersuchungsausschuss – seine Zweifel an der Erst-
information gegenüber Generalleutnant Dora mit.
2663
– Der Leiter des Einsatzführungskommandos, General-
leutnant Glatz, leitete Telefonprotokolle zwischen
Brigadegeneral Vollmer und Angehörigen der afgha-
nischen Nationalarmee, Polizei und des Geheim-
dienstes weiter, welche – so die Aussage von Briga-
degeneral Vollmer – Hinweise auf zivile Opfer
enthielten.
2664
– Generalleutnant Glatz übermittelte Protokolle von
drei Videokonferenzen, die im Laufe des 4. Septem-
ber 2009 zwischen Generalleutnant Vollmer und dem
ISAF-Hauptquartier in Kabul abgehalten wurden. In
einer Videokonferenz nahmen auch ISAF-
Kommandeur General McChrystal sowie dessen
Vorgesetzter, der NATO-General Ramms, Komman-
deur des Allied Joint Force Command (JFC) in
Brunssum, teil. Aus den Protokollen wird deutlich,
dass alle Beteiligten aufgrund ihrer militärischen Er-
fahrung befürchteten, dass bei einem solchen Vorfall
mit zivilen Opfern gerechnet werden müsse. Dieser
Verdacht erhärtete sich als der Polizeichef der Pro-
vinz Kunduz sie darüber informierte, dass auch Zivi-
listen bei dem Luftschlag ums Leben gekommen sei-
en; unter anderem befinde sich im Krankenhaus von
Kunduz ein zehn Jahre altes Kind.
2665
– NATO-General Ramms informierte den Leiter des
Einsatzführungsstabs, Konteradmiral Krause, sowie
Generalleutnant Dora telefonisch, dass nach Mel-
dungen im Krankenhaus Personen in der Altersgrup-
pe zwischen 10 und 14 Jahren mit bombentypischen
Verletzungen lägen und daher seiner Einschätzung
nach zivile Opfer nicht mehr auszuschließen sei-
en.
2666
Auch den Presse- und Informationsstab des BMVg unter
Leitung von Dr. Raabe erreichte bereits am Morgen des
4. September 2009 gegen 9.13 Uhr die Pressemeldung des
ISAF-Hauptquartiers, nach welcher mit möglichen zivilen
2662) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 5.
2663) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62 f.
2664) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
2665) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2; Glatz, Protokoll-Nr. 12,
Teil II, S. 63 f.
2666) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 395 – Drucksache 17/7400
Opfern als Folge des Luftschlags gerechnet werden müs-
se.
2667
Staatsekretär Dr. Wichert ließ sich am 4. September 2009
vor seiner ersten Obleuteunterrichtung um 12 Uhr durch
den Einsatzführungsstab die Materialien zum Luftschlag
vorlegen, weil er sich nicht allein auf die unbestätigten
Pressemeldungen durch die Bundeswehr stützten wollte.
In der Obleuteunterrichtung verzichtete er dann aufgrund
des „nicht gesicherten Meldeaufkommens“ darauf, eine
Zahl der getöteten Personen als Folge des Luftschlags
anzugeben. Er verzichtete „vor allem auch auf die Aussa-
ge, es seien keine Zivilpersonen oder Unbeteiligte zu
Schaden gekommen.“2668 Hieraus ist zu schließen, dass
auch Staatsekretär Dr. Wichert zu diesem Zeitpunkt die
Möglichkeit ziviler Opfer nicht ausschloss.
Der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Jung, erhielt
Informationen zu möglichen zivilen Opfern unter ande-
rem über den Leiter seines Planungsstabs, Dr. Schlie.
Dieser schlug ihm nach eigener Aussage vor, dass Aussa-
gen des BMVg ausschließlich auf der Linie des beigefüg-
ten ISAF-Pressestatements erfolgen sollten. Dort wurde
ausdrücklich von der Möglichkeit ziviler Opfer ausgegan-
gen. Außerdem teilte Dr. Schlie dem Minister seine Zwei-
fel an der offiziellen Meldung zum Luftschlag in einer
SMS mit.
2669
b) Informationsstand des BMVg im Septem-
ber 2009
Im Laufe des September 2009 erreichten den Einsatzfüh-
rungsstab sowie Generalinspekteur Schneiderhan umfang-
reiche und differenzierte Informationen und Berichte über
den Luftschlag, nach denen „mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit“2670 mit zivilen Opfern zu rechnen sei
und die auf Verfahrensfehler bei der Vorbereitung und
Durchführung des Luftschlags aufmerksam machten. So
gingen zum Beispiel ein: der „Klein-Bericht“, der „N.-
Bericht“, der IAT-Bericht, eine Liste der UNAMA mit
möglichen Opfern des Luftschlages, sowie der Feldjäger-
bericht.
2671
Die Berichte liefen im Einsatzführungsstab, d. h. dem
Arbeitsstab des Generalinspekteurs, und beim Generalin-
spekteur Schneiderhan selber zusammen. Ab dort stockte
der Informationsfluss. Die Arbeiten des Untersuchungs-
ausschusses haben ergeben, dass Generalinspekteur
Schneiderhan die für Oberst Klein negativ ausfallenden
Berichte und Informationen aus Kunduz so restriktiv wie
möglich handhabte und sie nur einem möglichst kleinen
Kreis zukommen ließ. Generalinspekteur Schneiderhan
leitete sowohl dem Presse-und Informationsstab als auch
2667) ISAF, Pressemitteilung Nr. 2009-664 (Dokument 85),vgl. Fest-
stellungsteil Punkt II.C. 1. d) cc).
2668) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68; Jung, Protokoll-Nr. 16,
Teil I, S. 3.
2669) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18. (vgl. Feststellungsteil Punkt
C.II.1.d)bb), S. 102).
2670) Mat. 17-30, Ordn. 1, Bl. 28 f, Tgb.-Nr. 30/10 - GEHEIM.
2671) vgl. im einzelnen Feststellungsteil C.II.1.d)aa)bbb), S. 101;
Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10.
dem Planungsstab sowie in Einzelfällen Bundesminister
Dr. Jung und Staatssekretär Dr. Wichert relevante Infor-
mationen, wie den IAT-Bericht, den Feldjägerbericht und
den N.-Bericht überhaupt nicht bzw. nur mit Verzögerung
weiter: So wurde der offizielle Bericht von Oberst Klein
zum Luftschlag, den der Generalinspekteur am 5. Sep-
tember 2009 erhielt, zwar Bundesminister Dr. Jung und
Staatssekretär Dr. Wichert zur Kenntnis gegeben, aller-
dings nicht dem Leiter des Planungsstabs Dr. Schlie und
dem Leiter des Presse und Informationsstabs,
Dr. Raabe.
2672
Der „Klein-Bericht“ enthielt zwar keine
Angaben zu möglichen zivilen Opfern, jedoch machte er
deutlich, dass Ziel des Luftschlags auch die Aufständi-
schen waren.
– Den IAT-Bericht, von dem Generalinspekteur
Schneiderhan am 7. September 2009 Kenntnis nahm,
erhielten Staatsekretär Dr. Wichert und Bundesminis-
ter der Verteidigung Dr. Jung erst zwei Tage nach
Eingang in den Einsatzführungsstab, am 8. Septem-
ber 2009, kurz vor der Obleuteunterrichtung, so dass
Minister Dr. Jung – so die Einschätzung des Leiters
des Planungsstabs, Dr. Schlie, – keine Gelegenheit
hatte, den IAT-Bericht vor Obleuteunterrichtung ein-
zusehen. Bundesminister Dr. Jung kritisierte die spä-
te Informationsübermittlung gegenüber Staatsekretär
Dr. Wichert.
2673
– General Schneiderhan unterließ es darüber hinaus
dem Leiter des Planungsstabs, Dr. Schlie, den „N.-
Bericht“ und IAT-Bericht weiterzuleiten, obwohl er
laut Geschäftsordnung verpflichtet war, alle Unterla-
gen an den Minister auch dem Planungsstab zukom-
men zu lassen. Vor dem Untersuchungsausschuss hat
Dr. Schlie die zurückhaltende Informationspolitik des
Generalinspekteurs Schneiderhan kritisiert.
2674
– Ebenso hat der Leiter des Presse-und Informations-
stabes, Dr. Raabe beanstandet, den IAT-Bericht nicht
erhalten zu haben.
2675
– Generalinspekteur Schneiderhan unterrichtete seinen
Minister erst am 5. Oktober 2009 über die Feldjäger-
untersuchung und den existierenden Feldjägerbericht,
nachdem das JIB den Bericht für ihre Untersuchung
angefordert hatte. Dabei wusste Generalinspekteur
Schneiderhan von der Feldjägeruntersuchung bereits
seit dem 7. September 2009 und kannte den Bericht
seit dem 14. September 2009. Nach einer Auswer-
tung durch den Einsatzführungsstab hatte er am 17.
September 2009 gegenüber Generalleutnant Glatz
angeordnet, den Feldjägerbericht unter Verschluss zu
halten. Auch am 5. Oktober 2009 legte Generalin-
spekteur Schneiderhan den Bericht nicht vor, sondern
trug seinem Minister hierzu lediglich vor, dass er
2672) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 28; Raabe, Protokoll-Nr. 29,
Teil I, S. 6, 42; Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.
2673) Vermerk auf Vorlage einer Presseverwertbaren Stellungnahme
(Dokument 137); Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19.
2674) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 32; Schlie, Protokoll-
Nr. 27, Teil I, S. 19, 27.
2675) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 6, 42.
Drucksache 17/7400 – 396 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht positiv für die Bundeswehr sei.
2676
Staatssekre-
tär Dr. Wichert erhielt erst am 25. November 2009
Kenntnis vom Feldjägerbericht.
2677
2. Änderung der Meldungen zum Luftschlag
der Internetseite der Bundeswehr am
4. September
Die Berichterstattung auf der Internetseite der Bundes-
wehr über den Luftschlag am 4. September 2009 zeigt,
dass schon wenige Stunden nach Eintreffen der Erstmel-
dung aus dem PRT-Kunduz Zweifel innerhalb des Ein-
satzführungskommandos bestanden, dass in Folge des
Luftschlag keine Zivilpersonen zu Schaden gekommen
waren:
2678
Die erste Meldung wurde um 00.42 Uhr auf der Internet-
seite www.bundeswehr.de eingestellt, nachdem sie der
Leiter des Einsatzführungsstabes im BMVg, Konteradmi-
ral Krause, gebilligt hatte. Sie lautete:
„Erfolgreicher Einsatz gegen Aufständische im
Raum Kunduz
In der Nacht zum Freitag den 04.09.2009 wurden
durch Aufständische an einem vorgetäuschten
Checkpoint, ungefähr 7 km süd-westlich vom Pro-
vincial Reconstruction Team (PRT) KUNDUZ,
gegen 1.50 Uhr Ortszeit zwei beladene Tanklast-
züge gekapert, um den Treibstoff für eigene Zwe-
cke in den Distrikt Chahar Darah zu verbringen.
Dabei wurden sie aufgeklärt und um 2.30 Uhr
Ortszeit erfolgreich bekämpft. 56 Aufständische
wurden getötet, Zivilpersonen kamen nicht zu
Schaden. Deutsche Kräfte verzeichneten keine
Schäden.“
Um 8.34 Uhr wurde die Meldung dahingehend geändert,
dass der Satz im zweiten Absatz „Zivilpersonen kamen
nicht zu Schaden.“ gestrichen wurde. Bereits um 8.39 Uhr
erfuhr sie eine erneute Änderung: Der zweite Absatz
lautete nunmehr:
„…56 Aufständische wurden getötet. Zivilisten
kamen vermutlich nicht zu Schaden. Deutsche
Kräfte verzeichneten keine Schäden. Der Vorfall
wird derzeit untersucht.“
Zwei Tage später, am 6. September 2009, wurde die Mel-
dung wiederum geändert. Der zweite Absatz lautete nun:
„…Nach derzeitigen Erkenntnissen wurden über
50 Aufständische getötet, Unbeteiligte kamen
vermutlich nicht zu Schaden. Deutsche Kräfte
verzeichneten keine Schäden. Das Headquarter
ISAF hat die Ermittlungen zum Vorfall aufge-
nommen.“
2676) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 22; Schneiderhan, Protokoll-
Nr. 14, Teil I, S. 11.
2677) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 38; Glatz, Protokoll-
Nr. 12, Teil II, S. 72, 81; Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 7.
2678) vgl. Feststellungsteil, S. 95 und S. 101.
Wer die Verantwortung für diese Meldungen trug, war
von den vernommenen Zeugen nicht widerspruchsfrei zu
erfahren. Der formal zuständige Leiter des Presse- und
Informationszentrums des BMVg (PIZ) Dr. Raabe wies
die Verantwortung mit der Begründung von sich, dass er
an diesem Morgen im PIZ nicht physisch präsent war und
auf seinem dienstlichem Mobiltelefon nur Kurzmitteilun-
gen habe empfangen können, jedoch keinen Internetzu-
gang habe. Deshalb habe er die Meldung nicht ge-
kannt.
2679
3. Einseitige Presseberichterstattung durch
das BMVg vor dem Regierungswechsel
Der schleppende Informationsfluss innerhalb des BMVg –
der auf ein Organisations- und Führungsproblem hindeu-
tet – erklärt allerdings nicht die schleppende und fehler-
hafte Informationspolitik des Ministeriums gegenüber der
Öffentlichkeit. Die Pressemeldungen des BMVg zwischen
dem 4. und 7. September 2009 entsprachen nicht dem
aktuellen Informationsstand von Bundesminister Dr. Jung
und seinem Presse- und Informationsstab. Daraus ist zu
schließen, dass die verbreiteten Informationen bewusst
einseitig dargestellt wurden.
a) Presseerklärung des BMVg am 4. Septem-
ber 2009
Am 4. September 2009 gegen 11.30 Uhr teilte der Spre-
cher des Presse- und Informationsstabes des BMVg, Ka-
pitän zur See Dienst, der Presse mit, dass durch den Luft-
schlag „Unbeteiligte […] nach derzeitigem Kenntnisstand
nicht zu Schaden gekommen“ seien.2680 Diese Pressemel-
dung basierte auf der Erstinformation zum Luftschlag, die
der Sprecher vom Dienst des Presse- und Informations-
stabes vom Sprecher vom Dienst des Einsatzführungs-
kommandos der Bundeswehr (EinsFüKdoBw) gegen 6.42
Uhr erhalten hatte.
2681
Für die Pressemeldung gab es nach
Aussage des Zeugen Dr. Raabe keine offizielle Sprachre-
gelung; sie beruhte vielmehr auf einer Besprechung unter
anderem mit dem Leiter des Einsatzführungsstabes und
dem stellvertretenden Leiter des Presse- und Informati-
onsstabes, in dem „grob eine Linie besprochen wur-
de“.2682 Diese Pressemeldung scheint mit den weiteren
Führungspersonen des BMVg nicht abgesprochen worden
zu sein und wurde innerhalb des Führungskreises des
BMVg als vorschnell kritisiert.
Der Presse- und Informationsstaab erhielt offensichtlich
insgesamt unzureichende Informationen über den aktuel-
len Stand der Dinge.
2683
Dies deutet auf eine mangelnde
2679) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 17.
2680) Pressekonferenz vom 4. September 2009 (Fn. 720, Doku-
ment 115), Bl. 30.
2681) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 3.
2682) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7.
2683) Während Dr. Raabe vor dem Untersuchungsausschuss angegeben
hat, dass er trotz Bitte vor seiner ersten Presseerklärung am 4.
September 2009 keine Sprachregelung durch das Büro Wichert
erhalten habe, obwohl dies Usus gewesen sei, haben Dr. Wichert
und Schneiderhan dagegen angemerkt, dass die Pressearbeit im
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 397 – Drucksache 17/7400
Bereitschaft zu einer transparenten und offenen Kommu-
nikation innerhalb des BMVg hin. Trotzdem erklärt dies
nicht, weshalb der Pressestab als sichere Erkenntnis an-
gab, dass bei dem Luftschlag keine Zivilpersonen zu
Schaden gekommen seien, obwohl er zu diesem Zeitpunkt
bereits die erste Presseerklärung aus dem ISAF Haupt-
quartier kannte, nach der als Folgen des Luftschlags mit
Verletzten und Toten unter der Zivilbevölkerung zu rech-
nen sei. Auch Bundesminister Dr. Jung, der nach Aussage
des Zeugen Dr. Raabe regelmäßig über die jeweilige
Presselinie unterrichtet wurde, wusste bereits zu diesem
Zeitpunkt, dass es Zweifel an der Erstmeldung gegeben
hatte, unternahm jedoch nichts, um sie zu korrigieren.
2684
b) Bundespressekonferenz, 7. September
2009
Auch in der Bundespressekonferenz vom 7. September
2009 blieben die Informationen hinter dem damaligen
Kenntnisstand des BMVg zurück. So äußerte der Sprecher
Dr. Raabe, dass „bis zum jetzigen Zeitpunkt keine konso-
lidierten Erkenntnisse über getötete zivile Personen“
vorlägen.
2685
Dabei besaß das BMVg zu diesem Zeitpunkt
schon die Erkenntnisse der IAT-Untersuchung, nach der
der Luftschlag „mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-
lichkeit“ zivile Opfer gefordert habe. Zwar konnte
Dr. Raabe nach eigener Aussage erst nach der Pressekon-
ferenz Einsicht in den IAT-Bericht nehmen.
2686
Allerdings
ging ihm ca. 10 Minuten vor der Pressekonferenz eine
presseverwertbare Stellungnahme aus dem Büro des
Staatssekretärs zu, in welcher der IAT-Bericht erwähnt
und die wesentlichen Erkenntnisse eingearbeitet wur-
den.
2687
Unter anderem heißt es dort:
„Im Laufe des 4. September 2009 wurden 12
männliche Verletzte, darunter ein zehnjähriger
Junge, in das Krankenhaus in der Stadt Kunduz
zumeist mit Brandverletzungen eingeliefert.“2688
In der Stellungnahme wird weiter erwähnt, dass ein ISAF-
Team Voruntersuchungen in Kunduz durchgeführt und
einen Bericht gefertigt habe. Demnach gehe das Team
davon aus, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahr-
scheinlichkeit“ (‚high degree of certainty„) auch Zivilisten
getötet oder verletzt worden seien.
2689
Unklar bleibt, ob
Dr. Raabe es versäumte, von dieser Stellungnahme Kenn-
tnis zu nehmen, oder ob er sich bewusst für eine andere
Version entschied.
BMVg direkt beim Minister angesiedelt gewesen sei. Raabe, Pro-
tokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7; Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 72.
2684) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 21.
2685) Mat. 17-30a, Teil 3, Bl. 37 f.
2686) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 63.
2687) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 76; Mat.17-22a, Ordn. 1, Bl.
20.
2688) Mat. 17,30, Ordn. 1, Bl. 28.
2689) Mat. 17-30, Ordn. 1, Bl. 28.
c) Öffentliche Äußerungen des damaligen
Bundesministers der Verteidigung,
Dr. Jung
Auch Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung hielt
öffentlich noch bis zum 6. September 2009 an der durch
die Erstmeldung vorgegebenen Linie fest, dass mit zivilen
Opfern nicht zu rechnen sei, bzw. dass der Luftschlag als
Erfolg zu werten sei. Anstatt das Ende der Untersuchun-
gen vor Ort abzuwarten, verteidigte er bereits am Abend
des 4. September 2009 in einem Interview der ARD den
Luftangriff und begründete diesen damit, dass durch den
Raub der Tanklastzüge eine „sehr konkrete Gefahrenlage“
für die deutschen Soldatinnen und Soldaten in Kunduz
vorgelegen habe.
2690
Am 5. September 2009 gab Bundes-
minister Dr. Jung der Bild am Sonntag ein Interview, das
im wesentlichen der Sprecher des BMVg Dr. Raabe vor-
bereitet hatte. Dieses wurde in der Ausgabe am 6. Sep-
tember 2009 veröffentlicht. In dem Interview erklärte
Bundesminister Jung unter anderem:
„Nach allen mir zurzeit vorliegenden Informatio-
nen sind bei dem durch ein US-Flugzeug durchge-
führten Einsatz ausschließlich terroristische Tali-
ban getötet worden.“2691
Im Widerspruch zu seiner Erklärung vor dem Untersu-
chungsausschuss, die Aussage habe seinem Kenntnisstand
am 5. September 2009 entsprochen, wusste Bundesminis-
ter Dr. Jung zu diesem Zeitpunkt bereits von der Mög-
lichkeit, dass es zivile Opfer gegeben hatte, und war von
seinem Leiter des Planungsstabs ausdrücklich hierauf
hingewiesen worden.
2692
Trotz dieser Informationen hielt
Minister Dr. Jung an den Aussagen von Oberst Klein
bzw. dem Bericht der zehn afghanische Offiziellen aus
Region Kunduz fest, die zivile Opfer ausschlossen.
Bundesminister Dr. Jung räumte öffentlich die Möglich-
keit ziviler Opfer erst ab dem 6. September 2009 ein.
Zuvor hatte General McChrystal am 6. September 2009
dem Verteidigungsminister Dr. Jung telefonisch noch
einmal eindringlich dargestellt, weshalb er die offizielle
Linie des BMVg für falsch halte.
2693
Jedoch blieben die
öffentlichen Äußerungen des Bundesministers Dr. Jung
auch anschließend verhalten.
4. Unzureichende Berichterstattung ge-
genüber dem Bundestag
Das BMVg kam seiner Informationspflicht gegenüber
dem Verteidigungsausschuss und dem Auswärtigen Aus-
schuss nur zögerlich und unvollständig nach. Am 4. Sep-
tember 2009 gegen 12.17 Uhr erhielten die Obleute des
Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Aus-
schusses schriftlich eine Erstinformation über den Luft-
2690) Feststellungsteil; Spiegel Online vom 5. September 2009, 20:14
Uhr, „Tanklastzug-Attacke zwingt Minister Jung in die Defensi-
ve“ (Dokument 3).
2691) Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift, wird
bekämpft“ (Dokument 4).
2692) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 37.
2693) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.
Drucksache 17/7400 – 398 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schlag. Auf die Möglichkeit ziviler Opfer wurde nicht
eingegangen, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits öf-
fentliche Berichterstattungen hierzu gab, z. B. die Pres-
semitteilung des NATO-Hauptquartiers. Darüber hinaus
hatte der Einsatzführungsstab bereits erste Einschätzun-
gen und Informationen zu möglichen zivilen Opfern über
das Einsatzführungskommando erhalten. Diese hätten den
Obleuten kommuniziert werden müssen.
In der schriftlichen Obleuteunterrichtung vom 5. Septem-
ber 2009 unterrichtete Staatssekretär Dr. Wichert zwar
über die eingeleitete ISAF-Untersuchung, nicht aber über
den bereits vorliegenden Bericht des PsyOps-Teams vom
Nachmittag des 4. September 2009 oder über bestehende
Hinweise auf die Verletzten im Krankenhaus von Kun-
duz. Er wies auch nicht auf Erkenntnisse zu möglichen
Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit dem Luftang-
riff hin.
Erst am 7. September 2009 informierte Dr. Wichert die
Obleute über Details zum Luftschlag und über das Vor-
liegen konkreter Anhaltspunkte, dass Zivilpersonen bei
dem Luftschlag zu Schaden gekommen seien. Obwohl der
IAT-Bericht zu diesem Zeitpunkt dem BMVg vorlag,
erwähnte Dr. Wichert nur, dass ISAF Voruntersuchungen
eingeleitet habe, nicht aber, dass sie bereits abgeschlossen
und die Ergebnisse in einem Bericht festgehalten wurden.
Auch der Inhalt des IAT-Berichtes wurde nicht ausdrück-
lich kenntlich gemacht: so wurde nicht erwähnt, dass im
Bericht Verfahrensmängel aufgezeigt wurden.
2694
Erst in
den Unterrichtungen am 11. September 2009 – nachdem
der Inhalt des IAT-Berichts durch mehrere Presseberichte
einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden
war – erhielten die Obleute detaillierte Kenntnisse über
den Inhalt des IAT-Berichts. Einsicht durften sie jedoch
nicht nehmen.
Dem Verteidigungsausschuss wurde am 8. September
2009 – unmittelbar vor der Regierungserklärung der Bun-
deskanzlerin – Bericht erstattet.2695 Generalinspekteur
Schneiderhan und Bundesminister Dr. Jung erwähnten
den IAT-Bericht und gaben seinen Inhalt teilweise wie-
der.
2696
Auf die im Bericht erwähnten möglichen Verfah-
rensfehler wurde nicht eingegangen. Dagegen nahmen
sowohl Bundesminister Dr. Jung als auch Generalinspek-
teur Schneiderhan das Verhalten von Oberst Klein in
Schutz, unter Bezugnahme auf einseitige und zweifelhafte
Informationen. So merkte Dr. Jung u. a. an, dass die Vi-
deoaufnahmen der Flugzeuge am 4. September 2009 im
Gefechtsstand der TF 47 eindeutig bewaffnete Personen
gezeigt hätten. Dies kann allerdings als widerlegt betrach-
tet werden (vgl. Punkt Kapitel III). Weiterhin zitierte
Dr. Jung einseitig, Gespräche mit Dorfbewohnern und
Augenzeugen hätten ergeben, dass alle Getöteten zu den
2694) Obleuteunterrichtung (Fn. 996, Dokument 139), Bl. 10 ff.; Wi-
chert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 71; Jung, Protokoll-Nr. 16,
Teil I, S. 6.
2695) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 5; Schneiderhan, Protokoll-
Nr. 14, Teil I, S. 8, 10.
2696) Kurzprotokoll Unterrichtung des Verteidigungsausschusses
(Fn. 520, Dokument 77), Bl. 8 ff. Vgl. auch die Zeugenaussage:
Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10 f.
Taliban und ihren Verbündeten gehören würden. Er unter-
ließ es, von den Gesprächen zu berichten, nach denen sich
zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs auf der Sandbank
auch Zivilpersonen befunden hatten.
2697
5. Verzögerte Informationsweitergabe an das
Bundeskanzleramt und das Auswärtige
Amt
a) Bundeskanzleramt
Der Informationsfluss aus dem BMVg in das Bundes-
kanzleramt in den ersten Tagen nach dem Luftschlag war
mangelhaft. Auf Anweisungen des Staatssekretärs
Dr. Wichert hielt das BMVg wesentliche Dokumente,
nämlich den IAT-Bericht und den „Klein-Bericht“, zu-
nächst zurück. Erst auf wiederholte Anfrage und nach
Druck aus dem Bundeskanzleramt leitete es die Doku-
mente am 10. September 2009 zu.
2698
Dies führte unter
anderem dazu, dass Bundeskanzlerin Dr. Merkel vor ihrer
Pressekonferenz am 8. September 2009 weder der IAT-
Bericht, noch der „Klein-Bericht“ zur Verfügung standen.
Auch andere Dokumente, wie den „N.-Bericht“2699 und
den Bericht afghanischer Offizieller an Präsident Kar-
zai
2700
stellte das BMVg nicht zur Verfügung. Das Bun-
deskanzleramt musste sich diese Dokumente über das
NATO-Hauptquartier in Brunssum beschaffen.
2701
Darüber hinaus konnten sich das BMVg und das Bundes-
kanzleramt in den ersten Tagen nach dem Luftschlag auf
keine gemeinsame Sprachregelung bezüglich der Folgen
des Luftschlags einigen. Nach Aussage der Zeugen
Dr. Vad und Dr. Heusgen teilten sie die offizielle Darstel-
lung des BMVg zum Luftschlag nicht, dass zivile Tote
auszuschließen seien. Ihrer Aussage nach wiesen sie das
BMVg, darunter den Sprecher des Verteidigungsministe-
riums Dr. Raabe, auch auf diese Diskrepanz hin. Darüber
hinausgehende Versuche, eine einheitliche und vorsichti-
ge Presselinie zu erarbeiten, scheint es jedoch nicht gege-
ben zu haben.
Dass die Bundeskanzlerin in solch einem schwerwiegen-
den Fall ein derartig unzureichendes Informationsverhal-
ten zuließ und nicht dafür sorgte, einen vollständigen
Überblick zu erhalten, offenbart ihre fehlende Führungs-
kompetenz in einer kritischen Situation. Damit hat sie ihre
Richtlinienkompetenz sträflich vernachlässigt
b) Auswärtiges Amt
Auch dem Auswärtigen Amt übermittelte das BMVg die
relevanten Informationen mit erheblicher Verspätung.
Zum Beispiel erhielt das Auswärtige Amt den IAT-
2697) Feststellungsteil C. III. 4 (S. 133).
2698) E-Mail Vad an Baumann und Beemelmans vom 21. 9. 2009
(Dokument 130), Bl. 140; Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30 f.;
E-Mail von Heusgen vom 7. September 2009 (Dokument 131),
Bl. 24.
2699) Mat. 17-29a, Ordn 6, Bl. 51 ff.
2700) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30.
2701) Vermerk für AL 2 (Fn. 919, Dokument 126).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 399 – Drucksache 17/7400
Bericht erst am 11. September 2009.
2702
Stimmen aus dem
Auswärtigen Amt kritisierten darüber hinaus die Informa-
tionspolitik des BMVg gegenüber Bundestag und Öffent-
lichkeit.
6. Intransparente Informationspolitik nach
dem Regierungswechsel, Oktober bis De-
zember 2009
a) Pressestatement des Generalinspekteurs
Schneiderhan zum COM ISAF Bericht,
29. Oktober 2009
Der am 26. Oktober 2009 fertiggestellte NATO-Bericht
(COM ISAF-Bericht) erreichte das BMVg am 28. Okto-
ber 2009 (vgl. oben IV.3.b). Damit lagen der Bundesre-
gierung die wesentlichen Fakten vor, um das gegenüber
der Öffentlichkeit gegebene Versprechen einzulösen, den
Vorfall in Kunduz lückenlos aufzuklären und die Ver-
säumnisse und Fehler „schonungslos und rückhaltlos
aufzuarbeiten“.2703 Anstatt aber nun die ungeklärten Fra-
gen im Zusammenhang mit dem Luftschlag gegenüber
der Öffentlichkeit zu beantworten, hielt das BMVg an
seiner intransparenten Informationspolitik fest.
In seiner Presseerklärung am 29. Oktober 2009, in der
keine Fragen durch Journalisten zugelassen waren, stellte
Generalinspekteur Schneiderhan die Untersuchungser-
gebnisse verkürzt dar. Die wesentlichen Aussagen waren:
– Der Bericht enthalte Empfehlungen, um Verfahren
und Vorschriften zu verbessern. Nicht erwähnt wur-
den die im COM ISAF-Bericht aufgeführten Verfah-
rensfehler.
– In Kenntnis der Untersuchungsergebnisse gebe es
keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Luftangriff
zum damaligen Zeitpunkt militärisch angemessen
war.
– Schließlich ergebe der Bericht, dass die Anzahl der
getöteten und verletzten Personen nicht mehr ermit-
telbar sei und bestätige daher nicht, dass durch den
Luftschlag unbeteiligte Personen getötet wurden.
– Für Generalinspekteur Schneiderhan sei insgesamt
nachvollziehbar, dass Oberst Klein in der Nacht zum
4. September 2009 annehmen konnte, dass keine Zi-
vilisten vor Ort waren.
2704
Generalinspekteur Schneiderhan vermied es, auf heikle
Fragen einzugehen, die zuvor in der Presse aufgeworfen
worden waren, obwohl diese im COM ISAF-Bericht
behandelt wurden. Weder erwähnte er, dass durch den
Luftangriff gegen ISAF-Regeln verstoßen wurde, noch
äußerte er sich dazu, ob Oberst Klein tatsächlich aufgrund
einer „unmittelbaren Bedrohungslage“ gehandelt hatte,
bzw. aufgrund welcher Quellenlage er agierte und wes-
halb Oberst Klein keine weiteren Aufklärungsmittel, z. B.
2702) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 27.
2703) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 38.
2704) Pressestatement Generalinspekteur (Fn. 119, Dokument 51).
die ihm grundsätzlich zur Verfügung stehende Drohne
verwendet hatte. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf,
dass die Presseerklärung nicht dazu diente, über die Er-
kenntnisse der NATO zu berichten, sondern dazu, der
Generalstaatsanwaltschaft kein weiteres Material zu lie-
fern, um gegen Oberst Klein zu ermitteln.
Die NATO bewerte die Presseberichterstattung durch das
BMVg kritisch. Der zuständige NATO-Befehlshaber des
JFC Brunssum, General Ramms, hat vor dem Untersu-
chungsausschuss deutlich gemacht, dass der Bericht „wei-
taus kritischer“ gewesen sei und dass Generalinspekteur
Schneiderhan „den Inhalt des Berichtes nicht richtig wie-
dergegeben“ habe.2705 Denn nach General Ramms Auffas-
sung war aus dem Bericht der Schluss zu ziehen, dass der
Luftschlag militärisch nicht angemessen war. Seiner An-
sicht nach müsse man sogar in Erwägung ziehen, dass das
Kriegsvölkerrecht verletzt worden sei.
2706
Vor dem Untersuchungsausschuss hat General Ramms
darüber hinaus angegeben, dass der COM ISAF-Bericht
nicht, wie es der Dienstweg verlangt hätte, über das
NATO-Hauptquartier in Brunssum nach Berlin weiterge-
leitet worden sei. Vielmehr sei der Bericht unmittelbar
von Kunduz nach Berlin gelangt. Deshalb habe er keine
Gelegenheit gehabt, gegenüber dem BMVg zum Bericht
Stellung zu nehmen. Diese hätte gelautet, dass auf Grund-
lage der Erkenntnisse des COM ISAF-Berichts „eine
gerichtliche und disziplinare Untersuchung dieses Vor-
falls“ durchzuführen sei.2707
b) Unterschiedliche Bewertung des Luft-
schlags durch Bundesminister zu Gutten-
berg
Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg stellte
trotz Kenntnis des COM ISAF-Berichts den Luftschlag
gegenüber den Obleuten der Fraktionen und anschließend
in einem Pressestatement am 6. November 2009 als mili-
tärisch angemessen und trotz Verfahrensfehlern notwen-
dig und zwingend dar. Erst nachdem Teile des kritischen
Feldjägerberichts durch die Presse bekannt wurden, revi-
dierte er am 3. Dezember 2009 seine Beurteilung und
bewertete den Luftschlag als „militärisch nicht angemes-
sen“. Seinen Meinungsumschwung begründete er damit,
dass ihm Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekre-
tär Dr. Wichert wesentliche Informationen vorenthalten
hätten, ohne die er nicht in der Lage gewesen sei, den
Luftschlag korrekt einzuordnen.
Im Folgenden wird dargestellt, dass diese Begründung
nicht plausibel ist. Minister zu Guttenberg verantwortete
seine Fehleinschätzung am 6. November 2009 selber.
Zwar wurde Minister zu Guttenberg tatsächlich unzurei-
chend beraten. Aber ihm lagen bis zum 6. November
2009 ausreichende Materialien vor, aufgrund derer er
2705) vgl. Feststellungsteil Punkt D.II.3.c), S. 142: „Überraschung“ auf
Seiten der NATO; Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5.
2706) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 22, 27.
2707) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 15.
Drucksache 17/7400 – 400 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
erkennen musste, dass er den Luftschlag nicht ohne weite-
res als militärisch angemessen hätte bewerten können.
2708
aa) Gegenüberstellung der Äußerungen am
6. November und am 3. Dezember 2009
Am 6. November 2009 bewertete zu Guttenberg öffent-
lich den Luftschlag in Kunduz. Nach Einschätzung des
Zeugen Dr. Wichert wäre eine öffentliche Äußerung des
neuen Bundesministers so kurze Zeit nach der Presserklä-
rung des Generalinspekteurs nicht notwendig gewesen.
2709
In seinem Pressestatement
2710
äußerte sich Minister zu
Guttenberg dahingehend, dass der COM ISAF-Bericht im
Zusammenhang mit dem Luftschlag „Verfahrensfehler
und Ausbildungsmängel“ zu Tage gefördert habe. Zu
Guttenberg gehe davon aus, dass dem Luftschlag Unbe-
teiligte zum Opfer gefallen seien. Dies werde insbesonde-
re durch den ihm vorliegenden IKRK-Bericht verdeut-
licht. Dennoch teile er die Einschätzung seines Generalin-
spekteurs, „dass die Militärschläge und die Luftschläge
vor dem Gesamtbedrohungshintergrund als militärisch
angemessen zu sehen sind.“ Anschließend ging Minister
zu Guttenberg noch einen Schritt weiter, indem er fest-
stellte: „Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben
hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müssen.“
Vor dem Untersuchungsausschuss erklärte der Zeuge zu
Guttenberg, dass er mit dieser Formulierung zum Aus-
druck bringen wollte,
„dass bei der Anordnung des Luftschlages zwar
Verfahrensfehler erfolgten, diese aber für den
Luftschlag nicht zwingend ursächlich gewesen
sind. Anders gesagt: Auch wenn Oberst Klein alle
Regularien beachtet hätte, wäre er unter militäri-
schen Gesichtspunkten zur gleichen Entscheidung
gekommen.“2711
Er habe sich eigeninitiativ zu dieser Bewertung entschlos-
sen, allerdings sei sie zuvor telefonisch mit Generalin-
spekteur Schneiderhan abgestimmt gewesen. Dem hat der
Zeuge Schneiderhan widersprochen. Auch der Zeuge Dr.
Wichert hat angegeben, diese weitergehende Aussage vor
dem Pressestatement nicht gekannt zu haben, ansonsten
hätte er sie in dieser Form nicht gebilligt.
2712
Am 3. Dezember 2009 revidierte Bundesminister zu Gut-
tenberg vor dem Deutschen Bundestag seine Äußerung:
Nach Auswertung weiterer Materialien, die ihm vor seiner
Presseerklärung am 6. November 2009 nicht zur Verfü-
gung gestanden hätten, sei er zu dem Schluss gekommen,
dass der Luftschlag militärisch nicht angemessen gewesen
sei. Denn die neuen Dokumente und Bewertungen wiesen
„im Gesamtbild gegenüber dem gerade benannten
COM ISAF-Bericht deutlicher auf die Erheblichkeit von
2708) siehe hierzu auch Feststellungsteil D. (S. 138 ff.).
2709) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74 f., Protokoll-Nr. 33, Teil I,
S. 61 f.
2710) Pressestatement zu Guttenberg (Fn. 1146, Dokument 155),
Bl. 62 ff.
2711) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.
2712) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 75.
Fehlern und insbesondere von Alternativen hin.“2713 Vor
dem Untersuchungsausschuss hat er ausgeführt:
„Die pauschale Aussage, dass der Luftangriff
gleichwohl angemessen gewesen sei bzw. in jedem
Fall hätte erfolgen müssen, konnte ich so nicht auf-
rechterhalten. Es steht außer Frage, dass der Ang-
riff nicht hätte erfolgen müssen. Ja, er hätte nicht
erfolgen dürfen, wenn von Anfang an klar gewe-
sen wäre, dass er mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit in einem größeren Umfang
Unbeteiligte töte oder verletze.“2714
Dennoch blieb der Bundesminister der Verteidigung da-
bei, dass „Oberst Klein aus seiner Sicht nach bestem Wis-
sen und Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten
gehandelt hat“.2715
Der Zeuge zu Guttenberg hat betont, dass Generalinspek-
teur Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Wichert maß-
geblich verantwortlich für seine Fehlbewertung vom 6.
November 2009 waren. Diese hätten ihm unter Vorhalt
wesentlicher Dokumente vorgespiegelt, der Luftschlag sei
ohne Zweifel als militärisch angemessen zu bewerten.
Erst nachdem Minister zu Guttenberg am 25. November
2009 – aufgeschreckt durch die Ankündigung der BILD-
Zeitung ein bis dahin vertrauliches und kritisches Doku-
ment zu veröffentlichen – weitere Materialien zu dem
Luftschlag anforderte, seien ihm diese zur Verfügung
gestellt worden. Erst anschließend sei ihm ein umfassen-
des und differenziertes Gesamtbild des Luftschlages mög-
lich gewesen.
Ein Blick auf die Informationen, die dem Zeugen zu Gut-
tenberg jeweils vor dem 6. November 2009 und nach dem
25. November 2009 zur Verfügung standen, zeigt aller-
dings, dass die Begründung des Zeugen zu Guttenberg
nicht standhält.
bb) Informationsstand vor dem 6. November
2009
Nach eigener Aussage stützte sich Minister zu Guttenberg
maßgeblich auf die Bewertungen des Luftschlags durch
sein Haus, die sich im Nachhinein als einseitig und un-
vollständig herausstellten. Andererseits standen ihm der
COM ISAF-Bericht nebst Anlagen und der IKRK-Bericht
zur Verfügung, in denen alle die für die Bewertung rele-
vanten Informationen enthalten waren. Diese hatte Minis-
ter zu Guttenberg nach eigenen Angaben mehrfach und
intensiv gelesen.
aaa) Beratung durch den Führungskreis des
BMVg
Tatsächlich wurde Bundesminister zu Guttenberg von
seinem Ministerium unzureichend beraten. So unterrichte-
2713) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/9 (Dokument 166) S. 682.
2714) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.
2715) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8; zu Guttenberg, BT-
PlPr. 17/9 (Dokument 166), S. 682.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 401 – Drucksache 17/7400
ten Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär
Dr. Wichert den neuen Bundesminister der Verteidigung
während einer kurzen Besprechung am 29. Oktober 2009
einseitig und unvollständig über den Luftschlag und den
am Vortag eingetroffenen COM ISAF-Bericht. In Anwe-
senheit des Leiters des Planungsstabs, Dr. Schlie, versi-
cherten Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekre-
tär Dr. Wichert, dass der Luftschlag insgesamt – auch
nach Bewertung des COM ISAF-Berichts – als militärisch
angemessen zu bewerten sei.
2716
Zu diesem Ergebnis kam
auch die Kurzauswertung des am Vortag eingetroffenen
COM ISAF-Berichts durch den Einsatzführungsstab und
die Rechtsabteilung.
2717
Auch in der anschließenden
Presserklärung ließ Generalinspekteur Schneiderhan
keinen Zweifel daran, dass nach den Ergebnissen des
COM ISAF-Berichts der Luftschlag als angemessen zu
beurteilen sei. Schließlich riet Ministerialdirektor
Dr. Schlie dem Bundesminister am 2. November 2009
davon ab, sich von Schneiderhans Presselinie zu distan-
zieren. Weil „jedes Abrücken von der bisherigen Linie –
‚militärisch angemessen„ – erhebliche Probleme bereiten
würde.“2718
bbb) Auswertungsbericht des Ein-
satzführungsstabs
Minister zu Guttenberg lag darüber hinaus auch die Aus-
wertung des COM ISAF-Berichts durch den Einsatzfüh-
rungsstab vor. Im Auswertungsbericht wird folgendes
Fazit gezogen:
„[T]rotz einiger Verfahrensfehler ist festzuhalten,
dass der Kommandeur PRT Kunduz auf der
Grundlage der ihm zum damaligen Zeitpunkt zur
Verfügung stehenden Informationen und vor dem
vorliegenden Bedrohungshintergrund militärisch
angemessen gehandelt hat.“2719
Allerdings ist der Auswertungsbericht des Einsatzfüh-
rungsstabs an einigen Stellen unstimmig, unvollständig
und wirft gravierende Fragen auf. Diese hätte Minister zu
Guttenberg klären und weitere Nachforschungen anstellen
müssen, bevor er sich die Meinung des Auswertungsbe-
richtes zu eigen machte.
So wird in dem Auswertungsbericht nicht plausibel darge-
legt, wie der Einsatzführungsstab auf Grundlage des kriti-
schen COM ISAF-Berichts zu einer derart positiven Ge-
samtbewertung gelangen konnte. Vielmehr wird den Ein-
zelbewertungen des COM ISAF ohne Begründung wider-
sprochen.
Zum Beispiel wird festgestellt, dass laut COM ISAF-
Bericht „die verfügbaren Informationen vor dem Luftang-
riff und die Informationen der HUMINT-Quelle keine
2716) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 31.
2717) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 4f.
2718) Ministervorlage (Fn. 1127, Dokument 153) Bl. 82 f.
2719) Mat. 17-30a, Ordn. Chronologie EinsFüStab, Teil 8, Bl. 3, Aus-
wertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luftangriff am 4. Sep-
tember 2009.
konkrete Bedrohung für das PRT KDZ aufzeigten.“2720
Darüber hinaus seien zum Zeitpunkt der Entscheidung
verfügbaren INTEL-Informationen „unzureichend für ein
solch komplexes Szenario“ gewesen. Diesen Erkenntnis-
sen wird die Behauptung gegenübergestellt, es stehe
gleichwohl „außer Frage, dass das Verhalten des COM
PRT KDZ auf Grundlage seines Gesamtlagebildes militä-
risch angemessen war“. Eine Begründung folgt nicht. Es
wird nicht erklärt, auf welcher Basis der Schluss zulässig
ist, dass Oberst Klein ex ante nicht zu erkennen vermocht
hätte, dass ihm zu wenige Informationen für ein solch
komplexes Szenario zur Verfügung standen.
ccc) COM ISAF Bericht und Anlagen
Minister zu Guttenberg befasste sich, so seine Angaben
vor dem Untersuchungsausschuss, während eines Kurzur-
laubs zwischen dem 30. Oktober und dem 3. November
2009 „sehr intensiv“2721 mit dem COM ISAF-Bericht, der
das Ergebnis der ausführlichsten Untersuchung der Ge-
schehnisse in Kunduz ist und der ein umfassendes Bild
der Geschehnisse in Kunduz vermittelt. In diesem Bericht
sind die Kenntnisse des IAT und weiterer militärischer
Voruntersuchungen eingeflossen. Zusätzlich beschäftigte
er sich auch mit den Anlagen des COM ISAF-Berichts
„zwischen dem 03. und 06. [November] sehr, sehr inten-
siv“.2722 Diese enthalten, unter anderem, ausführliche
Vernehmungsprotokolle aller am Luftschlag Beteiligten
und erlauben somit ein differenziertes Gesamtbild der
Geschehnisse.
Der Inhalt des Berichts samt seiner Anlagen hätte Minis-
ter zu Guttenberg Anlass geben müssen, an der Richtig-
keit der Bewertung durch das BMVg „militärisch ange-
messen“ zu zweifeln. In Folge hätte er eine detailliertere
Begründung bzw. weitere Materialien anfordern müssen,
bzw. Beratung Dritter – zum Beispiel bei Generalleutnant
Glatz – einholen können, bevor er öffentlich Stellung
bezog, so wie er es auch tatsächlich nach dem 25. No-
vember tat.
ddd) IKRK-Bericht
Zusätzlich konnte sich zu Guttenberg auf den IKRK-
Bericht stützen. Dieser Bericht, der differenzierte Aussa-
gen zu zivilen Opfern trifft, ergänzte den COM ISAF-
Bericht.
Insofern besaß Minister zu Guttenberg auch vor dem 6.
November 2009 – trotz einseitiger Beratung durch sein
Haus – ausreichend kritische Informationen über den
Luftschlag, auf Grund derer er hätte erkennen müssen,
dass die Bewertung „militärisch angemessen“ grundle-
gend zu hinterfragen war. Vor einer öffentlichen Positio-
nierung hätte er weitere Informationen und Bewertungen
einholen müssen.
2720) Mat. 17-30a, Ordn. Chronologie EinsFüStab, Teil 8, Bl. 3.
2721) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6.
2722) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.
Drucksache 17/7400 – 402 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
cc) Informationsstand nach dem 25. November
2009
Im Gegensatz dazu drängt sich der Eindruck auf, dass
Minister zu Guttenbergs Neubewertung am 3. Dezember
2009, der Luftschlag sei militärisch nicht angemessen, vor
allem eine Reaktion auf mediale Berichterstattung und
den (einseitig und irreführend geschriebenen) BILD-
Zeitungsartikel zum Feldjägerbericht war. Denn die Do-
kumente zum Luftschlag, die Minister zu Guttenberg nach
dem 25. November 2009 zur Verfügung gestellt wurden,
besitzen so gut wie keinen neuen Erkenntniswert im Ver-
gleich zum COM ISAF-Bericht und zum IKRK-Bericht.
Sie hätten Minister zu Guttenberg höchstens dazu veran-
lassen können, seine Bewertung hinsichtlich des Verhal-
tens von Oberst Klein noch einmal zu überdenken.
Folgende Berichte erhielt Minister zu Guttenberg nach
dem 25. November 2009: Den Feldjägerbericht samt
Anlagen und Bewertung durch den Einsatzführungsstab,
nach welcher der Feldjägerbericht ohne weitere Kommen-
tierung möglicherweise negative Auswirkungen auch in
rechtlicher Hinsicht haben könnte, den „Klein-Bericht“,
den „N.-Bericht“, den IAT-Bericht, die Liste von
UNAMA über zivile Opfer sowie Protokolle über Obleu-
teunterrichtungen und Ähnliches.
2723
Die Berichte wurden
in den Tagen nach dem Luftschlag verfasst und flossen in
die Untersuchungsergebnisse des COM ISAF mit ein.
Die Dokumente enthielten – im Gegensatz zur Aussage
des Zeugen zu Guttenberg
2724
– kaum zusätzliche Erkenn-
tnisse:
– Zeuge zu Guttenberg hat erklärt, dass der IAT-
Bericht und der Feldjägerbericht – anders als der
COM ISAF-Bericht, der sich bei der Anzahl ziviler
Opfer nicht festlege – die Schlussfolgerung nahe leg-
ten, dass von Anfang an in größerem Umfang von zi-
vilen Opfern ausgegangen wurde. Diese Einschät-
zung des Zeugen zu Guttenberg ist korrekt. Aller-
dings hätte er eine ähnliche Schlussfolgerung auch
auf Grundlage des ihm bereits vor dem 6. November
2009 vorliegenden IKRK-Berichts ziehen können.
Insofern lieferten diese beiden vorläufigen Berichte
keine wesentlich neuen Erkenntnisse hinsichtlich der
höheren Zahl ziviler Opfer.
– Aus den Anlagen des Feldjägerberichts ergäben sich
neue Einzelheiten, „wie etwa Hinweise auf ein mög-
licherweise beabsichtigtes Ausschlachten der Tank-
lastwagen durch die OMF, welches die von ihnen
ausgehende Gefährdung hätte reduzieren können und
den Luftschlag damit gegebenenfalls hätte obsolet
machen können, mit Blick auf Alternativen.“2725 Die-
se Information, dass die Aufständischen vorhatten,
die stecken gebliebenen Tanklaster „auszuschlach-
ten“ ist auch im COM ISAF-Bericht enthalten, der zu
2723) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11.
2724) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
2725) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
Guttenberg vor dem 6. November 2009 nach eigener
Aussage bekannt war.
2726
– Der Zeuge zu Guttenberg hat angegeben, dass für ihn
folgendes Zitat aus dem Feldjägerbericht für die
Neubewertung von Bedeutung gewesen ist: „Die Klä-
rung der offenen Punkte bzw. möglichen Versäum-
nisse hat besondere Bedeutung, da aufgrund der im
PRT Kunduz vorhandenen Aufklärungsergebnisse of-
fensichtlich war, dass der Bombenabwurf zu zahlrei-
chen Toten und Verletzten führen wird bzw. geführt
hat, ohne dass unmittelbar vor und nach dem Vorfall
adäquat gehandelt wurde.“2727 Allerdings enthält auch
der COM ISAF-Bericht das deutliche Fazit, dass vor
und nach dem Luftschlag inadäquat gehandelt wur-
de.
2728
– Die Information, nach der der Leiter des Einsatzfüh-
rungskommandos, Generalleutnant Glatz, den Luft-
schlag bereits ab dem 4. September 2009 als einen
„Riesenfehler“ des Oberst Klein“2729 gehalten hatte,
mag tatsächlich neu für Minister zu Guttenberg ge-
wesen sein. Allerdings war diese Aussage vor allen
Dingen geeignet, die Bewertung, dass Oberst Klein
„nach bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt habe,
neu zu überdenken. Genau diese Bewertung änderte
Minister zu Guttenberg in seiner Erklärung am 3. De-
zember 2009 nicht und kam selber zu dem Schluss,
dass die Informationen „im Ergebnis gar keine Fak-
ten enthielten, die für die Rekonstruktion der Ent-
scheidungsabläufe und für das Handeln von Oberst
Klein an jenem 4. September 2009 von entscheidend-
er Bedeutung sind.“2730
Es hat sich gezeigt, dass Minister zu Guttenberg auf
Grundlage dieser neuen Dokumente keineswegs besser
bewerten konnte, ob der Luftschlag „militärisch angemes-
sen“ war. Diesen Begriff, der weder ein juristischer noch
ein militärischer Fachbegriff ist, erläuterte der Zeuge zu
Guttenberg vor dem Untersuchungsausschuss folgender-
maßen: Im Gegensatz zur rein militärisch-operativen
Betrachtung gehe es um die „ganzheitliche Betrachtung
im Nachgang zu einem Einsatz”. Diese sei für die politi-
sche Führung von Bedeutung. Folgende Faktoren spielten
eine Rolle:
„Dazu zählt die Angemessenheit von Handlungen
im Verhältnis zur politischen Zielsetzung des Ge-
samtauftrags; die Vorgaben des Bundestags und
des einschlägigen UN-Mandats; die NATO-/ISAF-
internen Vorgaben und Regularien unter Einbezie-
hung der Absicht COM ISAF; die konkreten Aus-
wirkungen des Einsatzes, ob beabsichtigt oder un-
beabsichtigt, für das deutsche – nicht nur militäri-
sche – Engagement in Afghanistan; die allgemei-
nen politischen und diplomatischen Folgen, nicht
2726) Mat.17-10/10a, GEHEIM.
2727) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
2728) Mat.17-10/10a, GEHEIM.
2729) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67; zu Guttenberg, Protokoll-
Nr. 18, Teil I, S. 12.
2730) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 7, 11.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 403 – Drucksache 17/7400
zuletzt die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit,
wie die Bundeswehr bei ihren Einsätzen vor-
geht.“2731
Zu allen diesen Bewertungsmaßstäben lagen Minister zu
Guttenberg aber bereits vor dem 6. November 2009 die
entscheidenden Informationen vor. Durch den
COM ISAF- und IKRK-Bericht kannte er auch die kriti-
schen Punkte des Luftschlags, nämlich, dass er unter
Verfahrensfehlern angeordnet worden war und dass es zu
zivilen Opfern gekommen war. Insofern hätte er bereits
zu diesem Zeitpunkt eine Abwägung vornehmen können,
zwischen dem Grad der „Verfahrensfehler“ und der „zivi-
len Opfer“ einerseits und den politischen Zielsetzungen
von ISAF, militärischen und juristischen Vorgaben sowie
politischen Konsequenzen im weiteren Sinne andererseits.
7. Trennung von Generalinspekteur Schnei-
derhan und Staatsekretär Dr. Wichert
Im Lichte dieser Analyse ist Generalinspekteur Schnei-
derhan und Staatssekretär Dr. Wichert zwar vorzuwerfen,
ihren Minister einseitig und unvollständig beraten zu
haben. Trotz dieses Fehlverhaltens hatte Minister zu Gut-
tenberg seine Fehleinschätzung im Wesentlichen selber
zu verantworten. Minister zu Guttenberg positionierte
sich zwei Wochen nach Amtsantritt öffentlich, ohne die
Materie durchdrungen zu haben. Seinen unvollständigen
Wissenstand hätte er erkennen können und müssen. Den-
noch sprach er sich in markigen Worten für die Notwen-
digkeit des Luftschlags aus und ging dabei aus eigner
Initiative über die bis dahin offizielle Position des BMVg
hinaus. Dabei hätten die politischen Umstände es keines-
wegs erfordert, dass er sich als Bundesminister zu diesem
Zeitpunkt überhaupt äußerte.
Der Umstand, dass Minister zu Guttenberg sich von sei-
nem Staatssekretär und seinem Generalinspekteur auf-
grund eines gestörten Vertrauensverhältnisses getrennt
hat, soll und kann hier nicht beurteilt werden. Dies ist eine
Entscheidung, die der Bundesminister der Verteidigung
ohne Begründung treffen kann. Die Art und Weise je-
doch, wie die Trennung (öffentlich) inszeniert wurde,
deutet darauf hin, dass Minister zu Guttenberg sie dazu
nutzte, um die alleinige Verantwortung für seine anfängli-
che Fehleinschätzung auf Generalinspekteur Schneider-
han und Staatssekretär Dr. Wichert abzuwälzen. Der
Bundesminister hätte seine Mitverantwortung für die
anfängliche Fehleinschätzung transparent machen und
sich hierzu bekennen müssen.
8. Zusammenfassung
Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr infor-
mierte den Einsatzführungsstab des BMVg und General-
inspekteur Schneiderhan ausführlich über den jeweiligen
Kenntnisstand der ISAF zum Luftschlag in Kunduz. So
erhielt das BMVg bereits am 4. September 2009 ernstzu-
nehmende Hinweise auf zivile Opfer, die sich im Verlauf
2731) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.
des 5. und 6. September 2009 verdichteten. Spätestens ab
dem 6. September 2009, mit Erhalt des IAT-Berichts,
erreichten das BMVg Anhaltspunkte, dass Oberst Klein
den Luftschlag regelwidrig durchgeführt hatte. Ranghohe
und fachkundige Militärs von Bundeswehr, NATO und
ISAF – namentlich Brigadegeneral Vollmer, General
McChrystal, Generalleutnant Glatz und General Ramms –
wiesen darüber hinaus gegenüber dem BMVg nachdrück-
lich darauf hin, dass sie aufgrund ihrer militärischen Er-
fahrung und aufgrund der konkreten Fallumstände zivile
Opfer für wahrscheinlich hielten.
Auch wenn Generalinspekteur Schneiderhan bewusst
wichtige Informationen zurückhielt, so lagen doch dem
gesamten Führungskreis des BMVg, einschließlich des
Bundesministers der Verteidigung Dr. Jung, im Laufe des
4. September 2009 Hinweise darauf vor, dass der Luft-
schlag möglicherweise zivile Opfer gefordert hatte.
Anstatt aber eine schnelle und transparente Aufklärung
des Vorfalls im Vorfeld einer Bewertung zu veranlassen –
Bundesminister Dr. Jung entschied sich auf Anraten von
Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär
Dr. Wichert gegen eine nationale Untersuchung des Vor-
falls – stellte das BMVg den Luftschlag der Öffentlichkeit
zunächst als militärischen Erfolg gegen Aufständische
dar, bei dem keine Zivilpersonen zu Schaden gekommen
seien. Erst als diese Bewertung nach zahlreichen Medien-
berichten über zivile Opfer und verstärktem parlamentari-
schen Druck politisch nicht mehr tragbar war, veränderte
das BMVg am 6. September 2009 reaktiv seine Informa-
tionslinie. Noch bis zum 3. Dezember 2009 hielt das
BMVg allerdings daran fest, dass der Luftschlag militä-
risch angemessen war.
Über die Gründe, weshalb der Führungskreis, insbesonde-
re Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär
Dr. Wichert, innerhalb der Regierung und gegenüber der
Öffentlichkeit Informationen verzögerte und unterdrückte,
können nur Vermutungen angestellt werden. Ein Grund
mag die Befürchtung gewesen sein, dass ein transparenter
Umgang mit dem Vorfall den zu dieser Zeit ohnehin
schon unpopulären Afghanistaneinsatz vollends hätte
diskreditieren können. Desweiteren diente die verschlep-
pende Informationspolitik des BMVg dem Schutz von
Oberst Klein, dem eine strafrechtliche Ermittlung drohte
und dessen ganzes Handeln auf der Annahme basiert
hatte, dass es keine zivilen Opfer geben würde. Außerdem
wurde befürchtet, dass die Soldatinnen und Soldaten der
Bundeswehr ein offensives Vorgehen als Illoyalität sei-
tens des BMVg auslegen würden und dass dies sich nega-
tiv auf ihre „Einsatzmoral“ in Afghanistan auswirken
könnte. Schließlich ist davon auszugehen, dass auch der
Ruf des BMVg und damit der damaligen Bundesregie-
rung geschützt werden sollte, insbesondere angesichts der
bevorstehenden Wahlen.
Auch Minister zu Guttenberg hat seine Informationspoli-
tik nicht transparenter gestaltet. Aufgrund seines Kenn-
tnisstandes vor dem 6. November 2009 hätte er – trotz der
unzureichenden und unverantwortlichen Beratung durch
sein Haus – erkennen müssen, dass die Darstellung des
Drucksache 17/7400 – 404 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Luftschlags als „militärisch angemessen“ nach Eingang
des COM ISAF-Berichts problematisch wurde. Dennoch
stellte er öffentlich fest, dass es auch ohne Verfahrensfeh-
ler zum Luftschlag hätte kommen müssen. Schwerer
wiegt allerdings, dass Minister zu Guttenberg seine Mit-
verantwortung nicht offen darlegte und anschließend
versuchte, die alleinige Verantwortung für seine anfängli-
che Fehleinschätzung auf Generalinspekteur Schneider-
han und Staatssekretär Dr. Wichert abzuwälzen.
Die Bilanz ist katastrophal: Das BMVg begab sich durch
seine Informationspolitik der Möglichkeit, transparent mit
dem Vorfall umzugehen und den Sachverhalt aufzuklären.
Damit schadete es neben Öffentlichkeit und Parlament
aus falsch verstandener Fürsorgepflicht letztendlich genau
den Personen, die sie schützen wollte: Die intransparente
Informationspolitik – die im Gegensatz zu den Ermitt-
lungsergebnissen und Bewertungen von NATO und ISAF
standen – führte unweigerlich zu Spekulationen und Ver-
schwörungstheorien bezüglich des Vorfalls in Kunduz,
was den Truppen der Bundeswehr in Afghanistan weitere
Kritik einbrachte. Der Luftschlag wurde in der Presse
immer hochprominent diskutiert, sobald die vom BMVg
zurückgehaltenen Informationen auf anderem Wege in die
Öffentlichkeit gelangten. Hierdurch geriet das BMVg
zunehmend in die Kritik und Oberst Klein wiederholt in
den Blick der Öffentlichkeit.
Für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hätte
eine offene Aufklärung des Vorfalls und die klare Benen-
nung der Fehler es ermöglicht, für die Zukunft Hand-
lungssicherheit zu gewinnen. Dies ist in Anbetracht der
schwierigen Situation, in denen sich Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr in Auslandseinsätzen und in-
sbesondere in Afghanistan befinden, dringend geboten.
Generalinspekteur Schneiderhan, Staatsekretär
Dr. Wichert und Bundesminister Dr. Jung, der zwischen-
zeitlich die Position des Ministers für Arbeit und Soziales
innehatte, traten als Konsequenz der Informationspolitik
des BMVg im November 2009 von ihren Posten zurück.
VI. Die Bewertung der Informationspolitik und
der Reaktion des Auswärtigen Amtes und
des Bundesministers des Auswärtigen
Dr. Steinmeier
Das Auswärtige Amt, unter Leitung des damaligen Au-
ßenministers Dr. Steinmeier, war aufgrund seiner politi-
schen Federführung für den Afghanistaneinsatz auf be-
sondere Weise mit den Folgen des Luftschlags befasst. Es
besaß über die Botschaft in Kabul und den zivilen Leiter
des PRT Kunduz, Legationsrat D., einen unmittelbaren
Zugang zu dem Geschehen vor Ort.
2732
Legationsrat D.
war allerdings minimal in die Aufklärungsarbeit vor Ort
eingebunden und konnte dem Auswärtigen Amt deshalb
nur wenige Erkenntnisse aus erster Hand übermitteln.
Infolgedessen blieb das Auswärtige Amt auf Informatio-
nen durch Medien und durch das BMVg angewiesen (1).
Die Informationslage reichte insgesamt dazu aus, dass im
2732) siehe zu den Fakten Feststellungsteil C.II.2. (S. 115 ff.).
Auswärtigen Amt bereits am 4. September 2009 von der
Möglichkeit ziviler Opfer durch den Luftschlag ausge-
gangen wurde (2). Dementsprechend äußerte sich Au-
ßenminister Dr. Steinmeier in seinen öffentlichen Stel-
lungnahmen vorsichtiger als Verteidigungsminister
Dr. Jung und räumte die Möglichkeit ziviler Opfer zu
diesem Zeitpunkt ein. Insgesamt blieb das Auswärtige
Amt allerdings zu passiv. So hielt sich Außenminister
Dr. Steinmeier in seinen Reaktionen auf den Luftschlag
zurück und überließ den Dingen weitgehend seinen Lauf.
Obwohl im Auswärtigen Amt interne Kritik gegenüber
der Presselinie des BMVg geübt wurde, bemühte sich der
Außenminister nicht, Verteidigungsminister Dr. Jung
davon zu überzeugen, diese zu korrigieren. Auch mit dem
Bundeskanzleramt gab es keine gemeinsamen Bemühun-
gen, sich für ein transparentes Vorgehen im Falle Kunduz
einzusetzen (3).
1. Informationsfluss in das Auswärtige Amt
a) Ziviler Strang PRT Kunduz
Legationsrat D., der Leiter des zivilen Strangs des PRT
Kunduz, war im Feldlager anwesend, als Oberst Klein den
Luftschlag anordnete. Auch während der militärischen
Untersuchungen befand er sich vor Ort. Trotzdem war es
Legationsrat D. nicht möglich, Informationen aus erster
Hand an seine Dienststelle, das Auswärtige Amt, weiter-
zuleiten.
Legationsrat D. war auf die Informationen des militäri-
schen Strangs angewiesen. Zum einen fehlten dem zivilen
Strang die Ressourcen, um eigene Aufklärungen zu be-
treiben: Ihm gehörten zu diesem Zeitpunkt neben Legati-
onsrat D. lediglich zwei weitere Mitarbeiter an.
2733
Zum
anderen fehlten Legationsrat D. aufgrund der angespann-
ten Sicherheitslage die notwendigen Verbindungen in die
Region, um Informationen von außerhalb des Feldlagers
zu beziehen.
2734
Der militärische Strang des PRT unterrichtete Legations-
rat D. nur mangelhaft über den Luftschlag. So erfuhr
dieser erst am Morgen des 4. September 2009 aus einem
Ticker im Internet von dem Vorfall. Auf Nachfrage bestä-
tigte Oberst Klein ihm zwar diese Nachricht, allerdings
wurde er in die nachfolgenden Untersuchungen des PRT
nicht mit einbezogen.
2735
So durfte er an der ersten Orts-
begehung des PRT Kunduz am 4. September 2009 nicht
teilnehmen, aus Platzmangel wie es hieß. Vor dem Unter-
suchungsausschuss gab Zeuge D. an:
„Aber ich hatte längst kein umfassendes Bild und
bin auch selber nicht rausgekommen aus dem
PRT, habe mir also auch vor Ort keinen eigenen
Eindruck verschaffen können. Insofern habe ich
2733) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 10.
2734) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 15.
2735) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 14.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 405 – Drucksache 17/7400
keine Möglichkeit gehabt, dort zu einer umfassen-
den Einschätzung zu kommen.“2736
[…]
„Ich habe nur stückweise hier und da von Dingen
Kenntnis bekommen. Ich wurde in alle Bespre-
chungen, die rein militärisch ausgerichtet waren,
nicht mit einbezogen.“2737
Nach Angaben des Zeugen Dr. Steinmeier wäre eine
„dichtere Kommunikation zwischen dem militärischen
und zivilen Teil des PRT“ wünschenswert gewesen „weil
von der Spitze des PRTs die jeweilig zuständigen Minis-
terien informiert werden.“2738
Auch wenn die Aufgaben zwischen militärischem und
zivilem Strang streng getrennt sind, ist es nicht nachvoll-
ziehbar, weshalb der Kommandeur des PRT Kunduz,
Oberst Klein, seinen zivilen Kollegen, Legationsrat D.,
der ihm formal gleichgestellt ist, am 4. September 2009
nicht früher und umfassender über den Luftschlag infor-
mierte. Insgesamt ist die Nichteinbeziehung des Leiters
des zivilen Strangs ein weiterer Aspekt des intransparen-
ten Informationsverhaltens des PRT Kunduz. Es steht in
einer Reihe mit der unterlassenen mündlichen Meldungen
der Vorgesetzten unmittelbar nach dem Luftschlag sowie
mit den Versuchen des Untersuchungstrupps des PRT
Kunduz Personen von außerhalb von den ersten Aufklä-
rungen fernzuhalten (vgl. oben Punkt III, IV).
Aus diesen Gründen bezog Legationsrat D. am 4. Sep-
tember 2009 seine Informationen hauptsächlich aus dem
Internet. Dort erfuhr er – nach eigenen Angaben – in einer
lokalen Pressemitteilung, dass Aufständische angegeben
hatten, durch den Luftschlag seien auch Zivilpersonen
getroffen worden, die sich zu diesem Zeitpunkt auf der
Sandbank aufhielten, um Benzin abzuzapfen. Den Inhalt
dieser Nachricht leitete Legationsrat D. an das zuständige
Referat 343 im Auswärtigen Amt weiter, das die Nach-
richt gegen 6 Uhr MEZ erhielt. Gegen Mittag nahm er
Kenntnis von dem TPT-Bericht des belgischen Aufklärers
(vgl. oben Punkt IV.). Dort fand er erste Hinweise darauf,
dass die Aufständischen Zivilpersonen zu Unterstützung
auf der Sandbank gezwungen hätten und dass unter den
Opfern des Luftschlages auch 14 Zivilpersonen seien.
Nach Angabe des Zeugen D. ging diese Nachricht dem
Auswärtige Amt gegen 14 Uhr MEZ zu.
2739
Am 12. September 2009 erhielt Legationsrat D. darüber
hinaus auch die von UNAMA erstellte Liste mit zivilen
Opfern und leitete diese dem Auswärtigen Amt weiter.
b) Weitere Informationsquellen
Aus dem E-Mail-Verkehr des zuständigen Referats 343
am 4. September 2009 und an den nachfolgenden Tagen
wird ersichtlich, dass das Auswärtige Amt auch aus wei-
2736) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 10.
2737) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 14.
2738) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, S. 21.
2739) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I S. 5.
teren Quellen Informationen und Einschätzungen zu den
Umständen und Folgen des Luftschlags, insbesondere zu
möglichen zivilen Opfern, erhielt: unter anderem von
Mitarbeitern des Auswärtigen Amts in Masar-e-Sharif
und Faizabad, über die Botschaft in Kabul, über den US-
Botschafter bei der NATO, der die Angehörigen des
Auswärtigen Amts bereits am 4. September 2009 davor
warnte, sich die Presselinie des BMVg, zivile Opfer seien
auszuschließen, zu eigen zu machen.
2740
Unter der Hand
erhielt er auch Informationen aus dem Militär: das Ge-
sprächsprotokoll mit Vertretern der afghanischen Sicher-
heitsbehörden unter General Yarmand, in dem über einen
zehnjährigen verletzten Jungen als Opfer des Luftschlages
gesprochen wurde.
2741
Informationen aus dem BMVg, wie
der IAT-Bericht, erreichten das Auswärtige Amt nach
Aussage des Zeugen Dr. Steinmeier dagegen erst auf
Anforderung und mit Verzögerung.
2. Kenntnisstand des Auswärtigen Amtes
und des Bundesministers des Auswärti-
gen, Dr. Steinmeier
Vor dem Hintergrund dieser Informationslage wurde im
Auswärtigen Amt ab dem 4. September 2009 mit zivilen
Opfern gerechnet. Es wurde diskutiert welche Auswir-
kungen dieses Ereignis haben könnte, zum Beispiel für
den bevorstehenden Wahlkampf. So heißt es in einer E-
Mail zwischen Mitarbeitern des Auswärtigen Amts vom
4. September 2009: „Hier Sorge, dass diese Welle in
deutscher Öffentlichkeit „Tsunami-Qualität“ im Wahl-
kampf erreichen könnte.“2742
Aus einem Sachstandsbericht der Referate 343, 201 vom
4. September 2009 für das Pressereferat 013 ergibt sich
weiterhin, dass bereits am 4. September 2009 an der vom
BMVg verbreiteten Version einer unmittelbaren Bedro-
hungslage für das PRT gezweifelt wurde. Dort heißt es
unter anderem:
„Äußerungen von BMVg ParlStS. K., mit den
Tanklastzügen seien Anschläge geplant gewesen
(Luftschlag somit Notwehr), können nicht betätigt
werden. Die entführten Tanklastzüge hatten sich
bereits vom PRT weg bewegt.
2743
In einer internen E-Mail wird davon ausgegangen, dass es
„dem BMVg auf die Füße fallen“ werde, die Inkaufnahme
ziviler Opfer nun durch eine vermeintliche Anschlagspla-
nung erklären zu wollen, für die es bislang in der Kom-
munikation keine Hinweise gab.
2744
Der Minister des Auswärtigen Dr. Steinmeier erhielt ab
dem 4. September 2009 Informationen zum Luftschlag.
Unter anderem wurde er darüber informiert, dass die
2740) Mat. 17-25a, Referat 343, Bl. 1 ff.
2741) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 12; Mat.17-25 a, Referat 343,
Bl. 160 f. Gespräch mit Vertretern der afghanischen Sicherheits-
behörden unter General Yarmand, u. a. über einen zehnjährigen
verletzten Jungen, der angeblich Opfer dieses Luftschlages wurde.
2742) Mat. 17-25a, Referat 343, Bl. 9; Mat. 17-25a, Referat 343, Bl. 43.
2743) Mat 17-25a, Refereat 343, Bl. 49.
2744) E-Mail Referatsleiter 011 (Dokument 122), Bl. 5.
Drucksache 17/7400 – 406 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Opferzahl noch unklar sei und dass das Auswärtige Amt
noch nicht wisse ob „auch unschuldige Zivilisten“ betrof-
fen waren. Laut seiner Aussage vor dem Untersuchungs-
ausschuss war die Informationslage in den ersten Tagen
nach dem 4. September 2009 unklar, diffus und teilweise
widersprüchlich. Es sei ihm aber bewusst gewesen, dass
nach Informationen aus Afghanistan und auch aus
NATO-Kreisen mögliche zivile Opfer erwähnten.
3. Öffentliche Stellungnahme aus dem Aus-
wärtigem Amt und von Minister
Dr. Steinmeier
Außenminister Dr. Steinmeier äußerte sich gegenüber der
Presse bereits am 4. September 2009 vorsichtig hinsich-
tlich der Folgen des Luftschlags. Gegenüber der Ostsee-
zeitung am 4. September 2009 und gegenüber Bild am
Sonntag am 6. September schloss er zivile Opfer nicht
aus. Auch am 8. September 2009 äußerte er sich anläss-
lich der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zu
möglichen zivilen Opfern. Ansonsten lag der Schwer-
punkt von Dr. Steinmeiers Aktivitäten darin, sich gegenü-
ber seinen europäischen Kollegen vor „Vorverurteilun-
gen“ zu verwahren.2745
Insgesamt verhielten sich Außenminister und Kanzler-
kandidat der SPD Dr. Steinmeier und sein Pressereferat
allzu zurückhaltend, sowohl in seinen öffentlichen Äuße-
rungen als auch intern. Abgesehen von dem Bemühen
sich den kritischen Stimmen aus dem Ausland zum Luft-
schlag zu erwehren, die ab dem 4. September 2009 laut
wurden, ging von dem Auswärtigen Amt keinerlei Initia-
tive aus, um die Folgen und Umstände des Luftschlags
aufzuklären. Besonders schwer wiegt, dass er nichts un-
ternahm, um die falsche Presselinie zu korrigieren, die das
BMVg noch bis zum 6. September 2009 beibehielt. Er
suchte weder das Gespräch mit Verteidigungsminister
Dr. Jung, noch veranlasste er seine Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter etwas zu unternehmen, um das BMVg davon
zu überzeugen, seine unangemessene Presselinie zu än-
dern. Minister Dr. Steinmeier unterließ es auch, sich in
der Öffentlichkeit von der Linie des BMVg zu distanzie-
ren. Ebenso wenig bemühte er sich um ein Gespräch mit
dem Bundeskanzleramt oder der Bundeskanzlerin, um
eine gemeinsame Presselinie abzustimmen und dem
BMVg zu unterbreiten.
Dabei wurde das Auswärtige Amt bereits am 4. Septem-
ber 2009 von der NATO darauf hingewiesen, dass die
Linie des BMVg problematisch sei.
2746
Auch innerhalb
des Auswärtigen Amtes wurde die Argumentationslinie
des BMVg als „verworren“ kritisiert, und Unmut über die
unterbliebene Obleuteunterrichtung und das Stillschwei-
gen von Minister Dr. Jung geäußert.
Zeuge Dr. Steinmeier räumte darüber hinaus vor dem
Unter-suchungsausschuss ein, dass:
2745) vgl. Feststellungsteil C.II.2. (S. 115 f.).
2746) E-Mail (Dokument 119), Bl. 2.
„es sehr gewagt ist, in diesem Zeitpunkt davon
auszugehen, dass es bei der Größenordnung an
Opferzahlen klug ist, vorauszusagen, dass darunter
keine zivilen sind. Insofern ja, es war, wenn Sie so
wollen, ein von Erfahrung geprägter Umgang mit
einer unklaren Informationssituation.“2747
Der Eindruck entsteht, dass Außenminister Dr. Steinmeier
darum bemüht war, mit der Aufarbeitung des Vorfalls in
Kunduz so wenig wie möglich in Kontakt zu kommen.
VII. Die Bewertung der Informationspolitik und
der Reaktion von Bundeskanzlerin
Dr. Merkel
Bundeskanzlerin Dr. Merkel schätzte den Luftschlag
bereits ab dem 4. September 2009 als „einen der schwer-
wiegendsten Vorfälle seit Bestehen der Bundeswehr“
ein.
2748
In ihrer Regierungserklärung vom 8. September
2009 versprach sie eine „lückenlose Aufklärung“ der
Luftschläge in Kunduz. Wörtlich sagte sie:
„Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls vom letz-
ten Freitag und seiner Folgen ist für mich und die
ganze Bundesregierung ein Gebot der Selbstver-
ständlichkeit. Die Bundeswehr wird mit allen zur
Verfügung stehenden Kräften genau dazu beitra-
gen.“2749
Die Bundeskanzlerin hat sich darüber hinaus für „eine
schonungslose und rückhaltlose Aufarbeitung von Ver-
säumnissen und möglichen Fehlern, auch schweren Feh-
lern“, sowie für „öffentliche Bewertungen“ ausgespro-
chen. Diese blieben unverzichtbar, im Interesse aller Be-
troffenen, um auch für die Zukunft ähnliche Zwischenfäl-
le nach bestem Wissen und Gewissen vermeiden zu kön-
nen.
2750
Im Gegensatz zu dieser klaren Ankündigung steht das
passive Verhalten der Bundeskanzlerin in den Monaten
nach dem Luftangriff. Weder das Bemühen um eine
transparente Aufklärung noch der Versuch Lehren aus
dem Vorfall zu ziehen, waren handlungsleitend für die
Entscheidungen der Bundeskanzlerin im Falle Kunduz.
Vielmehr hielt sie sich weitgehend aus dem Geschehen
heraus und ließ dabei das BMVg mit seiner intransparen-
ten Informationspolitik gewähren:
Das Bundeskanzleramt und die Bundeskanzlerin waren ab
dem 4. September 2009 ausreichend informiert, um die
Tragweite der Folgen des Luftschlags, insbesondere die
Möglichkeit ziviler Opfer zu erkennen. Dennoch unter-
nahm die Bundeskanzlerin zu wenig, um die ungenügende
Unterrichtung der Öffentlichkeit und des Bundestags
durch das BMVg in den ersten Tagen nach dem Luft-
schlag zu unterbinden (1). Eine Regierungserklärung zum
Luftschlag gab Bundeskanzlerin Dr. Merkel erst am
8. September 2009, vier Tage nach dem Luftschlag, auf
2747) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, S. 9,10.
2748) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.
2749) Merkel, BT-PlPr. 16/233 (Dokument 6), S. 26298.
2750) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 38.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 407 – Drucksache 17/7400
Bitten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (2).
Anschließend hielt sich die Bundeskanzlerin weitgehend
aus dem Geschehen heraus. Sie vermied es Position zu
beziehen, als das BMVg das Versprechen einer lückenlo-
sen Aufklärung missachtete und im November 2009 die
Ergebnisse des COM ISAF-Berichts gegenüber der Öf-
fentlichkeit beschönigend darstellte sowie wesentliche
Erkenntnisse aussparte (3). Durch dieses Verhalten ver-
säumte es die Bundeskanzlerin ihre politische Verant-
wortlichkeit innerhalb der Regierung und gegenüber dem
Parlament wahrzunehmen. In der Konsequenz schadete
sie nicht nur dem Ansehen der eigenen Regierung. Sie
ließ vor allen Dingen die von ihr selber proklamierte
Chance verstreichen, Luftschlags für eine offene Diskus-
sion über Probleme des Afghanistaneinsatzes zu nutzen
um für die Zukunft ähnliche Zwischenfälle zu vermeiden
(4).
1. Reaktion auf die Informationspolitik des
BMVg, 4. bis 8. September 2009
Im Bundeskanzleramt sammelte die zuständige Gruppe 22
in der Abteilung 2 ab dem 4. September 2009 Informatio-
nen über den Luftschlag und leitete sie umgehend an die
Leitung des Bundeskanzleramts weiter.
2751
Der Leiter der
Abteilung 2, Dr. Heusgen, war sich seiner Aussage nach
von Anfang an der Tragweite des Zwischenfalls be-
wusst.
2752
Für den Leiter der Gruppe 22, Dr. Vad, stand
am 4. September 2009 fest, dass mit zivilen Opfern zu
rechnen sei.
2753
Auf Grundlage dieser Einschätzung stellte
die Gruppe 22 in den folgenden Tagen alle zugänglichen
Informationen zusammen, um die Bundeskanzlerin auf
eine öffentliche Stellungnahme vorzubereiten
2754
(vgl. im
einzelnen Feststellungsteil C.II.3.b und c.). Die angefor-
derten Dokumente aus dem BMVg trafen dabei gar nicht
bzw. mit erheblicher Verzögerung ein (vgl. oben IV.).
Innerhalb des Bundeskanzleramts wurde dieses Verhalten
des BMVg massiv kritisiert. Kritisch gesehen wurde auch
die offizielle Linie des BMVg gegenüber Bundestag und
Öffentlichkeit, mit zivilen Opfern sei nicht zu rechnen.
Zum Beispiel bewertete Zeuge Dr. Vad vor dem Untersu-
chungsausschuss die Obleuteunterrichtung durch das
BMVg, die ihm am 5. September 2009 zugeleitet wurde,
kritisch:
„Genaue Angaben zu eventuellen zivilen Opfern
enthielt diese Unterrichtung nicht. Mögliche Ver-
luste unter der Zivilbevölkerung wurden in dieser
Obleuteunterrichtung noch in das Feld der – Zitat
– „Spekulationen“ verwiesen. Den Medien – so-
weit ich mich erinnere – war hingegen bereits zu
entnehmen, dass General McChrystal während des
2751) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 3.
2752) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 3.
2753) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 8, 29.
2754) Unter anderem erhielt das Bundeskanzleramt am 7. September
2009 aus dem NATO-Hauptquartier in Brunssum den „N.-
Bericht“ sowie den Bericht afghanischer Offizieller an Präsident
Karzai: Mat. 17-29a, Ordn 6, Bl. 51 ff., Bl. 209; Vad, Protokoll-
Nr. 41, Teil II, S. 30.; Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 3;
Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.
Besuchs in Kunduz sich dahin gehend äußerte, für
ihn sei es klar, dass es einige zivile Opfer gegeben
habe.“2755
In einer E-Mail vom 8. September 2009 an den Büroleiter
des Kanzleramtschef fasste Dr. Vad seine Kritik am
BMVg folgendermaßen zusammen: „nicht nur die Infor-
mationspolitik des BMVg nach außen ist verbesserungs-
fähig, sondern auch zu uns.“2756
Auch Bundeskanzlerin Dr. Merkel, die nach eigener Aus-
sage ab dem Morgen des 4. September 2009 die Entwick-
lungen zum Luftschlag durch ihr Haus und über die Me-
dien verfolgt hatte, kannte die einseitige Informationspoli-
tik des BMVg. Sie war sich insbesondere im Klaren darü-
ber, dass die offizielle Linie des BMVg, zivile Opfer
könnten ausgeschlossen werden, bereits seit dem 4. Sep-
tember 2009 nicht mehr haltbar war.
2757
Dennoch unternahm die Bundeskanzlerin nicht die nöti-
gen Schritte, um das BMVg schnellstmöglich zu einer
differenzierten Berichterstattung zu bewegen. Zwar nah-
men Bundeskanzleramt
2758
und Bundeskanzlerin
Dr. Merkel mehrmals Kontakt mit dem Verteidigungsmi-
nisterium und Minister Dr. Jung auf. Allerdings blieb es
bis zum 6. September 2009 bei Telefonaten und Gesprä-
chen, die sich als unzureichend erwiesen.
So telefonierte die Bundeskanzlerin – nach ihrer Erinne-
rung –am 4. und am 5. September 2009 mit Dr. Jung. Sie
bat ihn in seinen offiziellen Äußerungen hinsichtlich der
Möglichkeit ziviler Opfer zurückhaltender zu sein und
„alle Informationen, insbesondere auch die über den Be-
such von General McChrystal“ in einem Interview gege-
nüber der Presse einzubeziehen.
2759
Dessen ungeachtet
erschien am 6. September 2009 in der Presse ein Inter-
view mit Minister Dr. Jung, in welchem er angab, dass
nach allen ihm zurzeit vorliegenden Informationen aus-
schließlich terroristische Taliban getötet worden seien.
2760
Erst anschließend – am 6. September 2009 – bewegte die
Bundeskanzlerin ihren Verteidigungsminister dazu, sich
vorsichtiger in der Presse zu äußern (vgl. oben IV).
2761
Insgesamt behielt das BMVg seine unzureichende Infor-
mationspolitik dennoch bei. So entsprach das Pressesta-
tement des BMVg auf der Bundespressekonferenz vom 7.
September 2009 nicht dem Informationsstand des BMVg
zu möglichen zivilen Opfern
2762
(vgl. dazu oben IV).
2755) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 29.
2756) Mat. 17-29a, Ordn.6, Bl. 76.
2757) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 34.
2758) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 15; Heusgen, Protokoll-Nr. 45,
Teil I, S. 8 f.: So bemühte sich die Abteilung 2 des Bundeskanz-
leramts am 6. September 2009 vergeblich mit dem Leiter des
Presse- und Informationsstrang Dr. Raabe eine einheitliche
Sprachregelung zu finden, insbesondere in Bezug auf die Frage
ziviler Opfer. Dieser beharrte auf seine Presselinie, weil es keine
Beweise für zivile Opfer gebe. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I,
S. 35: Auch der Pressesprecher des Bundeskanzleramt telefonierte
mit dem Presseprecher des BMVg Dr. Raabe.
2759) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.
2760) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.
2761) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.
2762) unter anderem sagte Herr Dr. Raabe aus: „Bezüglich der zivilen
Opfer gilt weiterhin das, was wir auch am Wochenende gesagt
Drucksache 17/7400 – 408 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Auch die Obleute wurden nicht umfassend unterrichtet
(vgl. dazu oben IV). Hier hätte es in der Verantwortung
der Bundeskanzlerin gelegen, früher und effektiver einzu-
schreiten.
2. Öffentliche Stellungnahmen der Bundes-
kanzlerin, 4. bis 8. September 2009
In ihrer ersten offiziellen Stellungnahme zu dem Luft-
schlag in Kunduz am 6. September 2009 ließ Bundes-
kanzlerin Dr. Merkel die Möglichkeit ziviler Opfer weit-
gehend offen. Während einer Pressekonferenz im An-
schluss an den Empfang des britischen Premierministers
Gordon Brown im Bundeskanzleramt äußerte sie: „Wenn
es zivile Opfer gegeben hat, dann werde ich das natürlich
zutiefst bedauern.“2763 In ihrer Regierungserklärung am 7.
September 2009 räumte sie indirekt die Möglichkeit zivi-
ler Opfer ein. Wie eingangs beschrieben, kündigte sie
darüber hinaus eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls
an.
3. Reaktion auf die Ergebnisse des
COM ISAF-Berichts und die Informations-
politik des BMVg, November und Dezem-
ber 2009
Vor dem Untersuchungsausschuss hat Zeugin Dr. Merkel
erklärt, mit Abschluss der NATO-Untersuchung und
Vorlage des COM ISAF-Berichts sei die von ihr ange-
kündigte lückenlose Aufklärung des Luftschlags er-
folgt.
2764
Die Tatsache, dass der Bericht geheim eingestuft
ist und deshalb die Ergebnisse der Untersuchung der
Öffentlichkeit vorenthalten werden, stehe ihrer Auffas-
sung nicht entgegen. Denn was an Bewertung darüber zu
erfolgen hatte, sei in der Öffentlichkeit diskutiert wor-
den.
2765
Unberücksichtigt bleibt dabei, dass die NATO sich darauf
beschränkte, die Umstände und Folgen des Luftschlags zu
untersuchen, gegebenenfalls Verstöße gegen ISAF-interne
Regelungen festzustellen. Wie durch die NATO-Regeln
vorgeschrieben, ersetzte sie keine Untersuchung von
nationaler Seite. Konsequenterweise enthält der
COM ISAF-Bericht keine Gesamtbewertung des Vorfalls
und auch keine Verantwortungszurechnung. Diese Bewer-
tungen muss – auf politischer Ebene – die Bundesregie-
rung leisten.
2766
Ebendiese Bewertung nahm die Bundesregierung jedoch
zunächst fehlerhaft und intransparent vor und blieb damit
die versprochene „lückenlose Aufklärung“ schuldig. So
gaben Generalinspekteur Schneiderhan und Verteidi-
gungsminister zu Guttenberg in ihren Pressestatements
haben: Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt keine konsolidierten
Erkenntnisse über getötete zivile Personen.“ Pressekonferenz 7.
September (Dokument 57).
2763) Mitschrift Pressekonferenz (Dokument 132), Bl. 17; Merkel,
Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 36.
2764) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37, 49.
2765) Merkel, Protokoll- Nr. 49, Teil I, S. 49.
2766) Zur rechtlichen Bewertung siehe Punkt VII.
am 29. Oktober bzw. 6. November 2009 vor, der
COM ISAF-Bericht lasse keinen Zweifel daran, dass der
Luftschlag „militärisch angemessen“ zu bewerten sei.
Dabei unterließen sie es unter anderem, darüber aufzuklä-
ren, dass der COM ISAF-Bericht kritische Einschätzun-
gen enthält, insbesondere, dass ausdrücklich Kritik am
Verhalten von Oberst Klein und dem unterstützenden
Personal geübt wird.
2767
Eine solche Darstellung wäre in
allgemeiner Form möglich gewesen, ohne die militärisch
notwendige Geheimhaltungspflicht zu verletzen. Später –
am 3. Dezember – musste der Bundesminister zu Gutten-
berg zugeben, dass die vorherige Einschätzung des
BMVg fehlerhaft gewesen war. Wiederum klärte er unzu-
reichend darüber auf, wie seine neuerliche Bewertung
zustande gekommen war. Er ließ auch offen, ob diese
Neubewertung irgendwelche Konsequenzen nach sich
ziehen würde. (vgl. dazu ausführlich oben IV)
Bundeskanzlerin Dr. Merkel erhielt am 30. Oktober 2009
eine präzise Kurzauswertung des COM ISAF-Berichts, in
dem die wesentlichen kritischen Erkenntnisse zusammen-
gefasst sind. Unter anderem heißt es dort: Der Bericht
„äußert jedoch Kritik am PRT Kdz und – abgestuft – auch
an dem ihn unterstützenden Personal sowie den Luftfahrt-
besatzungen.“2768 Weiter wird in der Kurzauswertung
dargestellt, dass der Bericht die Anforderung der Luftun-
terstützung, die Frage „show of force“, die Quellenlage
und die komplexe Situation am Boden und auf der Sand-
bank kritisch thematisiert.
2769
Vor dem Hintergrund dieser Informationen hätte Bundes-
kanzlerin Dr. Merkel erkennen müssen, dass die offizielle
Bewertung des COM ISAF-Berichts durch das BMVg
beschönigend und unzureichend war. Aufgrund ihrer
Position als Bundeskanzlerin und aufgrund ihres Verspre-
chens, eine lückenlose Aufklärung zu gewährleisten, hätte
sie darauf dringen müssen, dass das BMVg eine ausge-
wogenere und vollständige Darstellung und Bewertung
auf Grundlage dieses Berichts vornimmt.
Die Bundeskanzlerin versäumte es auf das Informations-
verhalten des BMVg einzuwirken. Auch in ihren öffentli-
chen Äußerungen blieb Bundeskanzlerin Dr. Merkel un-
konkret. So wies sie in einer Pressekonferenz am 1. De-
zember 2009 eine Frage nach Bewertung des Luftschlags
lediglich darauf hin, „dass wir jetzt durch den Bundesver-
teidigungsminister eine Phase haben, in der noch einmal
eine Neubewertung erfolgt.“ Ansonsten verwies sie auf
ihre Regierungserklärung vom 8. September 2009.
2770
Auch nachdem Minister zu Guttenberg am 3. Dezember
2009 den Luftschlag neu bewertete, vermied es Bundes-
kanzlerin Dr. Merkel Position zu beziehen.
2767) Zusammenfassende Auswertung des COM ISAF-Berichts für die
Bundeskanzlerin, 30. Oktober 2009 (Fn. 1104, Dokument 152),
Bl. 183.
2768) Zusammenfassende Auswertung des COM ISAF-Berichts für die
Bundeskanzlerin, 30. Oktober 2009 (Fn. 2763, Dokument 152).
2769) Feststellungsteil Punkt D.II.5.a) (S. 144).
2770) Mitschrift Pressekonferenz; Pressestatements der Bundeskanzle-
rin und des pakistanischen Premierministers Syed Yousuf Raza
Gilani, Di, 01.12.2009, http://www.bundesregierung.de.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 409 – Drucksache 17/7400
Die Gründe, die die Zeugin Dr. Merkel dem Untersu-
chungsausschuss für ihr passives Verhalten genannt hat,
überzeugen nicht. Zum einen hat sie sich auf das Ressort-
prinzip berufen: Dem Fachressort und nicht dem Bundes-
kanzleramt obliege es die Bewertung des COM ISAF-
Berichtes vorzunehmen.
2771
Zum anderen hat Zeugin
Dr. Merkel angegeben, aufgrund der ihr vorgelegten
Kurzauswertung habe man sowohl zu dem Schluss „mili-
tärisch angemessen“ als auch „militärisch unangemessen“
kommen können.
2772
Wörtlich sagte die Zeugin:
„Das heißt, durch das, was vom Kanzleramt als
Möglichkeit der Bewertung genannt wurde, ohne
eine eigene vorzulegen, weil das wirklich dem
Fachressort obliegt, ist das abgedeckt gewesen,
was der Generalinspekteur gesagt hat und der
Bundesverteidigungsminister. Und im Übrigen ist
dann auch die spätere Revidierung der Bewertung
genauso abgedeckt.“2773
Das Ressortprinzip, d. h. die selbstständige Leitung der
Geschäftsbereiche durch die Minister, stößt allerdings
dann an seine Grenze, wenn ein Ministerium seine Auf-
gaben unzureichend wahrnimmt. Wie unter Punkt IV.
ausgeführt, vernachlässigte das BMVg bis in den Dezem-
ber 2009 hinein seine Verpflichtung, den Luftschlag aus-
gewogen zu bewerten und offene Fragen zu beantworten.
Dies tat es unter anderem aufgrund einer falsch verstan-
denen Fürsorgepflicht gegenüber Oberst Klein. Das ent-
scheidende Problem ist, dass das BMVg die Untersu-
chungsergebnisse aus dem COM ISAF-Bericht und ande-
ren Berichten zu den Verfahrensfehlern (und ihrer Ver-
meidbarkeit) und zur Anzahl ziviler Opfer bewusst herun-
terspielte. Aus diesem Grund hätte Bundeskanzlerin
Dr. Merkel ihre Richtlinienkompetenz, insbesondere ihre
politische Verantwortlichkeit innerhalb der Regierung
und gegenüber dem Parlament, wahrnehmen müssen, um
die Informationspolitik des BMVg zu korrigieren.
4. Zusammenfassung
Bei der Aufarbeitung des Luftschlags in Kunduz nahm
Bundeskanzlerin Dr. Merkel ihre Richtlinienkompetenz
nicht wahr. Trotz ausreichender Kenntnis der Sachlage,
duldete sie weitgehend die intransparente Informationspo-
litik durch Vertreter des BMVg. Dies stellt ihre Füh-
rungskompetenz in Frage. Trotz ausreichender Kenntnis
der Sachlage, duldete sie weitgehend die intransparente
Informationspolitik durch Vertreter des BMVg. Dadurch
brach sie ihr Versprechen einer lückenlosen Aufklärung.
Schwerer wiegt allerdings, dass Bundeskanzlerin
Dr. Merkel die Chance einer öffentlichen Auseinanderset-
zung mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan auf-
grund der Wahlkampfsituation verstreichen ließ. Durch
die intransparente Informationspolitik der Regierung sind
viele Fragen zu den rechtlichen Grenzen und Möglichkei-
ten der Bundeswehr in Afghanistan, die anlässlich des
2771) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 57, 61.
2772) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.
2773) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 57.
Luftschlags in der Öffentlichkeit auftraten, unbeantwortet
geblieben. Schließlich schadete sie dem Ansehen der
eigenen Regierung: zwei hohe Staatsbeamte und ein Mi-
nister traten infolge des intransparenten Informationsver-
haltens des BMVg zurück. In der Öffentlichkeit wurde
der Zustand des Verteidigungsministeriums sowie der
Bundeswehr kritisch bewertet.
VIII. Schlussbetrachtungen
Auf Grundlage der obigen Ausführungen können die im
Untersuchungsauftrag formulierten Fragen beantwortet
werden. Diese werden der Bewertung der Untersuchung-
sausschussmehrheit gegenübergestellt.
1. Punkte 1 und 2 des Untersuchungsauftra-
ges: Kenntnisstand und Informationsfluss
zum Luftschlag
Der Untersuchungsausschuss hat sich mit dem Kenntnis-
stand und Informationsfluss innerhalb der zuständigen
Stellen der Bundeswehr und der Bundesregierung be-
schäftigt.
2774
a) Defizitäres Meldeverhalten durch Oberst
Klein
Das Meldeverhalten der Bundeswehr im PRT Kunduz
war anfangs defizitär: Die Erstmeldung über den Luft-
schlag erreichte das Einsatzführungskommando der Bun-
deswehr sowie die Bundesregierung mit mehreren Stun-
den Verspätung. Denn Oberst Klein hatte es unterlassen
seinen Vorgesetzten, Brigadegeneral Vollmer, unmittelbar
nach dem Luftschlag (1.49 Uhr Ortszeit) telefonisch zu
unterrichten, so dass dieser die schriftlich abgesetzte
Meldung aufgrund von Verfahrensfehlern über den Luft-
schlag erst am 4. September 2009 um 7.45 Uhr erhielt.
Infolgedessen war es Brigadegeneral Vollmer unmöglich
eine zügige Wirkungsanalyse vor Ort zu veranlassen, um
weitere relevante Informationen zum Luftschlag zu sam-
meln und diese nach Deutschland weiterzuleiten.
Hierdurch erhielten auch Einsatzführungskommando der
Bundeswehr und die Bundesregierung die Erstmeldung
über den Luftschlag zu einem Zeitpunkt, als bereits die
ersten Pressemeldungen über den Vorfall existierten, die
inhaltlich von der Erstmeldung des PRT Kunduz abwi-
chen. Diese wichen inhaltlich von der Erstmeldung des
PRT Kunduz ab und sprachen die Wahrscheinlichkeit von
zivilen Opfern an.
2774) Nr. 1: Wer im Verantwortungsbereich der Bundeswehr und der
Bundesregierung hatte zu welchem Zeitpunkt von wem welche
Kenntnisse über die Aufklärung, Beweggründe und Durchführung
sowie über die Folgen des Luftangriffs? / Nr. 2: Welche dieser In-
formationen wurden wann und durch wen auf welchen Meldewe-
gen und mithilfe welcher Meldeverfahren an das Bundesministe-
rium der Verteidigung, seine militärische Führung und seine poli-
tische Leitung oder an sonstige Stellen im Verantwortungsbereich
der Bundesregierung sowie an inländische und ausländische dritte
Stellen weitergegeben?
Drucksache 17/7400 – 410 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Insofern ist die Bewertung der Mehrheit nicht nachvoll-
ziehbar, dass Oberst Kleins Meldeverhalten „völlig kor-
rekt“ gewesen sei, weil eine mündliche und unmittelbare
Unterrichtung seines Vorgesetzten nicht vorgesehen ge-
wesen sei.
2775
Wie der Zeuge Vollmer vor dem Untersu-
chungsausschuss betont hat, hätte Oberst Klein erkennen
müssen, dass es nach einer so folgeschweren militärischen
Operation notwendig war, den Vorgesetzen zu benach-
richtigen und für eine schnelle Abschätzung der Folgen
einzubinden. Auch unter dem Aspekt der gemeinsamen
Verantwortlichkeit und zum eigenen Schutz wäre eine
persönliche Meldung sinnvoll gewesen (Vgl. im einzelnen
Kapitel III).
b) Informationsfluss innerhalb des BMVg
Auch der Einsatzführungsstab des BMVg bzw. General-
inspekteur Schneiderhan erhielt die aktuellen Informatio-
nen ohne Verzögerung über das Einsatzführungskom-
mando der Bundeswehr. Wie in Kapitel IV ausführlich
dargestellt, lagen dem gesamten Führungskreis des
BMVg, einschließlich des Bundesministers der Verteidi-
gung Dr. Jung, im Laufe des 4. September 2009 Hinweise
darauf vor, dass der Luftschlag möglicherweise zivile
Opfer gefordert hatte. Die Hinweise verdichteten sich im
Verlauf des 5. und 6. September 2009. Spätestens ab dem
6. September 2009, mit Erhalt des IAT-Berichts, erreich-
ten das BMVg Anhaltspunkte, dass Oberst Klein den
Luftschlag unter Verstoß von Verfahrensregeln durchge-
führt hatte (Vgl. im einzelnen Kapitel IV. und V. 1.).
Der Informationsfluss innerhalb des BMVg und gegenü-
ber den anderen Häusern verlief schleppend und chaotisch
und war insgesamt unzureichend. Insbesondere Staatsek-
retär Dr. Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan
hielten Informationen und Berichte aus Kunduz über den
Luftschlag gegenüber Pressestelle und Leitungsstab zu-
rück (vgl. Kapitel V.1.).
In den ersten Tagen nach dem Regierungswechsel erhielt
der neue Bundesminister der Verteidigung, zu Gutten-
berg, von seinem Stab eine falsche Einschätzung über die
Angemessenheit des Luftschlags. Allerdings besaß Minis-
ter zu Guttenberg, der nach seiner Aussage den
COM ISAF-Bericht samt seiner Anlagen sowie den
IKRK-Bericht studiert hatte, eine ausreichende Informati-
onsgrundlage, um die Umstände und Folgen des Luft-
schlags differenziert und korrekt bewerten zu können.
(vgl. Kapitel IV, Punkt 5 b)
2. Punkte 3 bis 5 des Untersuchungsauftra-
ges: Die Bewertung des Luftschlag durch
die Bundesregierung, sowohl intern als
auch gegenüber Öffentlichkeit und dem
Bundestag
Der Untersuchungssausschuss hat sich mit der Frage
beschäftigt, aufgrund welcher Berichte und weiterer Er-
kenntnisse die Bundesregierung den Luftschlag bewertet
2775) Bewertung der Mehrheit, Punkt B.II.1. (S. 179)
hat und ob die Bewertung fachlich und sachlich angemes-
sen (lege Artis) war.
2776
Im Zusammenhang hiermit ste-
hen die Fragen, ob die Bundesregierung den Bundestag
und die Öffentlichkeit angemessen über den Luftschlag
aufgeklärt hat und gegebenenfalls worin die Motive für
eine unvollständige oder falsche öffentliche Berichterstat-
tung liegen?
2777
a) BMVg
Vertreter des BMVg bewerteten den Luftschlag unsach-
gemäß und unangemessen. Sowohl in internen Berichten
als auch gegenüber der Öffentlichkeit wurden die Um-
stände des Luftschlags zu nicht vollständig dargestellt und
seine verheerenden Folgen verharmlost.
In den ersten Tagen nach dem Luftschlag dienten der
Bundesregierung verschiedene Untersuchungsberichte
und weitere Informationen als politische Bewertungs-
grundlage. Die Mehrzahl dieser Informationsquellen
enthielt Anhaltspunkte, dass es zivile Opfer als Folge des
Luftschlags gegeben hatte. Der IAT-Bericht erwähnte
auch die Möglichkeit, dass der Luftschlag unter Verfah-
rensverletzungen angeordnet worden war. Eine solche
Bewertungsgrundlage hätte verlangt, dass der Bundesmi-
nister der Verteidigung schnelle Aufklärungsschritte ein-
leitet und nach außen hin die Umstände und Folgen des
Luftschlags transparent kommuniziert. Dagegen stellten
Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung, sowie weitere
Vertreter des BMVg den Luftschlag zunächst als militäri-
schen Erfolg gegen Aufständische dar, bei dem keine
Zivilpersonen zu Schaden gekommen seien. Erst als diese
Bewertung politisch nicht mehr tragbar war, veränderte
das BMVg am 6. September 2009 seine Informationslinie.
Noch bis zum 3. Dezember 2009 hielt das BMVg aller-
dings daran fest, dass der Luftschlag militärisch angemes-
sen gewesen sei. (Vgl. im einzelnen Kapitel IV.1.)
Der Eingang des COM ISAF-Berichts am 28.Oktober
2009, in dem die Problematik des Vorfalls ausführlich
und differenziert dargestellt wird, führte zu keiner ange-
messenen Bewertung des Luftschlags. In einem internen
Memorandum verharmloste der Einsatzführungsstab des
BMVg die im COM ISAF-Bericht aufgeführten Kritik-
punkte (vgl. Kapitel V. 5 b). Gegenüber der Öffentlichkeit
2776) 3. Welche Berichte, Informationen und Erkenntnisse waren zu
welchem Zeitpunkt Grundlage für die tatsächliche, rechtliche und
politische Bewertung dieses Luftangriffs durch Mitglieder und
Mitarbeiter der damaligen sowie der heutigen Bundesregierung
und wurden diese Bewertungen jeweils auf bestmöglicher Infor-
mationsgrundlage sowie fachlich und sachlich angemessen (lege
artis) vorgenommen?
2777) 4. Welche der im Bereich der Bundeswehr bzw. der Bundesregie-
rung vorliegenden Informationen zum Luftangriff haben Mitglie-
der oder Mitarbeiter der Bundesregierung wann an den Deutschen
Bundestag und seine Fachausschüsse, an inländische oder auslän-
dische dritte Stellen sowie an die Öffentlichkeit weitergegeben?
5. Für den Fall, dass Informationen falsch, unvollständig oder
überhaupt nicht weitergegeben worden sind: Welche der beteilig-
ten Personen hat innerhalb des Bereichs der Bundesregierung, ge-
genüber Dritten wie, warum, auf wessen Veranlassung, mit wes-
sen Hilfe und mit wessen Kenntnis falsch, unvollständig oder
überhaupt nicht informiert und welche Vereinbarungen und Be-
weggründe lagen dem gegebenenfalls zugrunde?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 411 – Drucksache 17/7400
gab Generalinspekteur Schneiderhan vor, die Aussagen
des COM ISAF-Berichts ließen keinen Zweifel daran dass
der Luftschlag „militärisch angemessen“ gewesen sei
(Vgl. Kapitel IV.3.b, V. 5 a).
Auch Minister zu Guttenberg hat nicht transparent über
den Fall informiert. Am 6. November 2009 hielt er öffent-
lich an der offiziellen Linie des BMVg fest, dass „die
Militärschläge und die Luftschläge vor dem Gesamtbe-
drohungshintergrund als militärisch angemessen zu sehen
sind.“ Er ging noch einen Schritt weiter, indem er fest-
stellte: „Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben
hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müssen.“ Erst am
3. Dezember 2009 revidierte Minister zu Guttenberg seine
Bewertung und kam zu dem Schluss, der Luftschlag sei
„militärisch nicht angemessen“ gewesen. Allerdings hielt
er daran fest, dass Oberst Klein nach bestem Wissen und
Gewissen gehandelt habe, ohne dies zu begründen. An-
zumerken ist, dass die Umschreibung „militärisch ange-
messen / unangemessen“ kein militärischer oder juristi-
scher Fachbegriff ist. Sie stellt eine rein politische Bewer-
tung dar, von der unklar ist, ob sie überhaupt praktische
Konsequenzen hat.
Die Behauptung der Ausschussmehrheit, dass die Ver-
antwortung für Minister zu Guttenbergs Fehlbewertung
allein Staatssekretär Dr. Wichert und Generalinspekteur
Schneiderhan anzulasten sei, ist nicht haltbar.
2778
Auf-
grund der Kenntnis des COM ISAF-Berichts hätte Minis-
ter zu Guttenberg bereits vor seiner öffentlichen Erklä-
rung erkennen müssen, dass die Darstellung des Luft-
schlags als „militärisch angemessen“ nicht haltbar war.
Auch wenn Minister zu Guttenberg später seine öffentli-
che Bewertung revidierte, bleibt sein Verhalten wenig
nachvollziehbar. Denn er versuchte, die alleinige Verant-
wortung für seine anfängliche Fehleinschätzung auf Ge-
neralinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär
Dr. Wichert abzuwälzen und legte seine Mitverantwor-
tung nicht offen dar (Vgl. im einzelnen Kapitel 5. b).
Über die Gründe, weshalb der Führungskreis, insbesonde-
re Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär
Dr. Wichert, innerhalb der Regierung und gegenüber der
Öffentlichkeit Informationen verzögerte und unterdrückte,
können nur Vermutungen angestellt werden. Ein Grund
mag die Befürchtung gewesen sein, dass ein transparenter
Umgang mit dem Vorfall den zu dieser Zeit ohnehin
schon unpopulären Afghanistaneinsatz vollends diskredi-
tieren könnte. Der Schutz des Oberst Klein könnte ein
zweites Motiv gewesen sein: Ihm drohte in Folge seiner
Handlungen, die auf der Annahme beruht hatten, es werde
keine zivilen Opfer geben, eine strafrechtliche Ermittlung.
Zudem stand die Vermutung im Raum, dass die Soldatin-
nen und Soldaten der Bundeswehr eine offensivere In-
formationspolitik als Verletzung der Illoyalität seitens des
BMVg auslegen würden und dass dies sich negativ auf
ihre „Einsatzmoral“ in Afghanistan auswirken könnte.
Schließlich ist davon auszugehen, dass auch der Ruf des
BMVg und damit der damaligen Bundesregierung ge-
2778) siehe Mehrheitsbewertung, Punkt III.2. (S. 187).
schützt werden sollte, insbesondere angesichts der bevors-
tehenden Wahlen.
b) Bundeskanzleramt und Bundeskanzlerin
Dr. Merkel
Anders als im Bewertungsteil der Mehrheit behauptet
2779
,
hat Bundeskanzlerin Dr. Merkel gravierende Bewertungs-
fehler begangen. Insbesondere hat sie ihre Richtlinien-
kompetenz nicht wahrgenommen. In ihrer Regierungser-
klärung vom 8. September 2009 versprach sie öffentlich,
dass die Bundesregierung den Luftschlag lückenlos auf-
klären werde. Allerdings stand sie für dieses Versprechen
nicht ein. Sie unternahm nichts, damit die lückenlose
Aufklärung – worunter auch ein transparenter Umgang
mit dem Luftangriff gehörte – auch tatsächlich erfolgte.
Bundeskanzlerin Dr. Merkel hätte das unangemessene
Informationsverhalten des BMVg korrigieren müssen.
Hierzu wäre sie aufgrund ihrer Richtlinienkompetenz
verpflichtet gewesen. Dies hat die Bundeskanzlerin ver-
säumt. In Hinblick auf die anstehenden Wahlen zog Bun-
deskanzlerin Dr. Merkel es vor, nicht mit dem für die
Bundesregierung unvorteilhaften Themen „Afghanistan-
einsatz“ und „Fehlentscheidungen durch die Bundeswehr“
in Verbindung gebracht zu werden (Vgl. im einzelnen
Kapitel VII).
c) Auswärtiges Amt
Das Auswärtige Amt, unter Leitung des damaligen Au-
ßenministers Dr. Steinmeier, war als federführendes Mi-
nisterium für den Afghanistaneinsatz auf besondere Weise
mit den Folgen des Luftschlags befasst. Es besaß über die
Botschaft in Kabul und den zivilen Leiter des PRT Kun-
duz, Legationsrat D., einen unmittelbaren Zugang zu dem
Geschehen vor Ort. Legationsrat D. war allerdings mini-
mal in die Aufklärungsarbeit vor Ort eingebunden und
konnte dem Auswärtigen Amt deshalb nur wenige Er-
kenntnisse aus erster Hand übermitteln. Infolgedessen
blieb das Auswärtige Amt auf Informationen durch Me-
dien und durch das BMVg angewiesen. Die Informations-
lage reichte insgesamt dazu aus, dass im Auswärtige Amt
bereits am 4. September 2009 von der Möglichkeit ziviler
Opfer durch den Luftschlag ausgegangen wurde.
Insgesamt blieb Außenminister und damaliger Kanzler-
kandidat der SPD, Dr. Steinmeier, zu passiv und nahm
seine Verpflichtungen als Minister des Auswärtigen nur
ungenügend wahr. Obwohl im Auswärtigen Amt interne
Kritik gegenüber der Presselinie des BMVg geübt wurde,
bemühte sich der Außenminister nicht, Verteidigungsmi-
nister Dr. Jung davon zu überzeugen, diese zu korrigie-
ren.
2779) vgl. Mehrheitsbewertung, Punkt IV.3.b. (S. 200).
Drucksache 17/7400 – 412 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Die Informationsweitergabe an den Bun-
destag
Wie in Kapitel V.3. ausführlich dargestellt wird, unter-
richteten Vertreter des BMVg den Auswärtigen Aus-
schuss und den Verteidigungsausschuss sowie deren Ob-
leute unangemessen über die Umstände und Folgen des
Luftschlags. Relevante Informationen wurden verspätet
oder gar nicht weitergegeben.
3. Punkt 6 des Untersuchungsauftrags: Ein-
flussnahme durch die Regierung?
Der Ausschuss hat untersucht, ob die Bundesregierung
versucht hat, auf Berichte oder Dokumente, die im Zu-
sammenhang mit dem Luftschlag in Kunduz erstellt wur-
den, Einfluss zu nehmen.
2780
Anders als in der Bewertung
der Mehrheit des Untersuchungsausschusses darges-
tellt
2781
, haben Vertreter von Bundeswehr und Bundesre-
gierung in mehreren Fällen Schritte unternommen, um
den Inhalt von Berichten zu verändern.
a) INTSUM
Der Leiter des Regionalkommandos Nord, Brigadegeneral
Vollmer, wirkte darauf hin, dass eine Passage aus einem
Daily Intelligence Summary des PRT Kunduz (INTSUM,
Tagesbericht) vom 4. September 2009 gestrichen wurde.
Dies geschah in Rücksprache mit dem Leiter des Einsatz-
führungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant
Glatz. Die Passage enthielt Angaben darüber, dass in
Folge des Luftschlags Zivilpersonen zu Schaden gekom-
men seien.
Im Widerspruch zu den Aussagen der Zeugen Glatz und
Vollmer vor dem Untersuchungsausschuss, sie hätten die
Passage nur vorläufig entfernen lassen, bis diese durch
Oberst Klein genehmigt worden sei, deutet einiges darauf
hin, dass Brigadegeneral Vollmer und Generalleutnant
Glatz – angesichts der unklaren Informationslage zu die-
sem Zeitpunkt – eine zu frühe offizielle Bestätigung mög-
licher ziviler Opfer verhindern wollten. So hat der zustän-
dige Nachrichtenoffizier, OTL K., vor dem Untersu-
chungsausschuss glaubhaft angegeben, er habe die Passa-
ge eigenmächtig wieder aus dem INTSUM gestrichen,
weil sein Vorgesetzter, ein Nachrichtenoffizier aus dem
HQ North, ihm „eindringlich“ nahegelegt hatte, die politi-
schen Komplikationen einer solchen Aussage zu beden-
ken, etwa im Lichte der wenige Tage vor dem Luftschlag
erlassenen Direktiven des COM ISAF zum Schutz von
Zivilpersonen (vgl. Kapitel IV. 2).
2780) 6. Gab es – und falls ja: wann, wie, durch wen, auf wessen Veran-
lassung und mit wessen Kenntnis – aus dem Bereich der Bundes-
regierung Bemühungen, Einfluss zu nehmen auf die Erstellung
von Verlautbarungen, Berichten oder sonstigen Dokumenten in-
nerhalb oder außerhalb der Bundesregierung, die die Ereignisse
vom 3./4. September 2009 selbst oder den nachträglichen Um-
gang mit diesen zum Gegenstand hatten oder hätten haben sollen?
2781) vgl. Mehrheitsbewertung V. (S. 202).
b) Feldjägerbericht
Generalinspekteur Schneiderhan nahm – ohne vorherige
Abstimmung mit Bundesminister Dr. Jung – Einfluss auf
die Feldjägeruntersuchungen in Kunduz und verhinderte
die von Brigadegeneral Vollmer geplante Eröffnung eines
Disziplinarverfahrens gegen Oberst Klein. Das Ergebnis
der Feldjägeruntersuchung hielt der Generalinspekteur
unter Verschluss, weil es die Verfahrensmäßigkeit des
Luftschlags bezweifelte. Aus den Aussagen des Zeugen
Schneiderhan wird deutlich, dass er ein Disziplinarverfah-
ren gegen Oberst Klein zu diesem Zeitpunkt um jeden
Preis verhindern wollte, weil dies für die Truppenmoral
„die Katastrophe geworden wäre“, sofort Disziplinarer-
mittlungen einzuleiten. „Von hochgestellten Persönlich-
keiten“ sei es Schneiderhan „ans Herz gelegt“ worden,
alles zu tun, um Oberst Klein zu schützen, um nicht die
gesamte Einsatzmoral der Truppe zu schädigen.
2782
Aus
diesem Grund sah es der Generalinspekteur als gerech-
tfertigt an, die Feldjägeruntersuchung – ohne Rückspra-
che mit Bundesminister Dr. Jung oder mit Staatsekretär
Dr. Wichert – zu stoppen und den daraus resultierenden
kritischen Feldjägerbericht zunächst unter Verschluss zu
halten, auch wenn er damit wichtige Informationen unter-
schlug (Vgl. Kapitel IV. 2, 4).
c) COM ISAF-Bericht
Staatsekretär Dr. Wichert setzte im September 2009 einen
inoffiziellen Arbeitskreis im BMVg ein: Die „Gruppe
85“. Gegenüber der Öffentlichkeit wurde vorgegeben, die
Gruppe solle die Untersuchungen des JIB unterstützen.
Ihr interner Auftrag lautete allerdings, die NATO-
Untersuchung durch das Joint Investigation Board (JIB)
in Kunduz zu begleiten, damit die Leitung des BMVg auf
den NATO-Abschlussbericht mit einer eigenen Position
reagieren könne. Dies beinhaltete auch die „Antizipation
der Ergebnisse des Untersuchungsberichts und [die] Vor-
bereitung von Argumentationslinien, um Schwachstellen,
Vorwürfe und Kritikpunkte zu entkräften“.2783 In einer
ersten Besprechung der „Gruppe 85“ am 9. September
2009 wurde festgehalten, dass die grundsätzliche Zielrich-
tung der Arbeitsgruppe darin liegen könne, ein „positives
Bild auch des Erfolges mit möglichen Verfahrensfehlern“
zu zeichnen. Die Ablaufprotokolle der „Gruppe 85“ zei-
gen, dass die Gruppe sich regelmäßig mit dem deutschen
Mitglied des JIB, OTL V., über den Untersuchungsverlauf
des JIB und deren Einschätzung des Vorfalls austauschte.
OTL V. unterrichtete sie detailliert über die Untersu-
chungsergebnisse und über die Kritik, die innerhalb des
JIB zum Luftschlag geäußert wurde. Dabei haben die
Gesprächsprotokolle ergeben, dass Vertreter der „Gruppe
85“ OTL V. anwiesen, bestimmte Bewertungen des JIB zu
lenken (Vgl. Kapitel VII. 3 b) bb).
2782) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 20f.
2783) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 241.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 413 – Drucksache 17/7400
4. Punkt 7 des Untersuchungsauftrags:
Rechtmäßigkeit des Luftschlags?
Schließlich hat der Untersuchungsausschuss bewertet, ob
der Einsatzes des PRT Kunduz im Einklang mit den poli-
tischen Mandaten, der operativen Planung sowie den
Befehlen und Einsatzrichtlinien des COM ISAF und der
Bundeswehr durchgeführt worden ist.
2784
Die Bewertung der Untersuchungsausschussmehrheit in
diesem Punkt ist ungenügend. Anders als dort festgehal-
ten, bestehen Zweifel daran, dass Oberst Klein auf Grund-
lage der ihm damals zu Verfügung stehenden Informatio-
nen nach Einhaltung der ihm obliegenden Sorgfaltspflich-
ten handelte, als er den Luftschlag anordnete.
2785
Denn bei der Anordnung des Einsatzes hat Oberst Klein
völkerrechtliche Aufklärungs- und Warnpflichten mis-
sachtet, die dem Schutz von Zivilpersonen dienen. Auch
gegen ISAF-Einsatzregeln und Richtlinien wurde versto-
ßen. Diese stellen zwar kein geltendes Recht dar, sie sol-
len den Soldatinnen und Soldaten jedoch helfen, bei ihren
Einsätzen die völkerrechtlichen Regelungen zum Schutz
von Zivilpersonen zu beachten. Zum einen differenzierte
Oberst Klein bei der militärischen Aufklärung nicht aus-
reichend zwischen zu schützenden Zivilpersonen und den
Personen, die er angreifen durfte. Zum anderen bot die
Quellenlage kein hinreichendes Lagebild. Hier hätte
Oberst Klein weitere Erkundigungen einziehen müssen,
was aufgrund der geringen Gefahr zumutbar gewesen
wäre. Alternativ hätte er von einem Luftschlag Abstand
nehmen müssen, auch wenn dies bedeutet hätte, die Tali-
ban-Anführer auf der Sandbank aus den Augen zu verlie-
ren. Es ist anzunehmen, dass Oberst Klein als den Angriff
befehlender Soldat durch die Regelverstöße das im Völ-
kerrecht verankerte Verhältnismäßigkeitsgebot verletzte.
Dass trotz Bedenken hinsichtlich der Gefahreneinschät-
zung und Verfahrensmäßigkeit Befehle nicht hinterfragt
wurden, offenbart grundlegende Mängel in der Umset-
zung der Grundsätze der Inneren Führung bei Auslands-
einsätzen. Zudem hätte bei einer so schwerwiegenden
Entscheidung vor dem Luftschlag eine Rücksprache mit
den Vorgesetzten und eine Rechtsberatung stattfinden
sollen.
Die nachträgliche Bewertung des Luftschlags – unter
Einbeziehung aller vorhandenen Fakten – lässt keinen
Zweifel daran, dass die Bombardierung nicht hätte an-
geordnet werden dürfen. Die Frage bleibt, ob auch Oberst
Klein dies bei Einhaltung aller ihm obliegenden Sorg-
faltspflichten im Vorfeld hätte erkennen müssen, dass der
Luftschlag keinen unmittelbaren militärischen Vorteil
bringen würde, dass aber mit einer Vielzahl von zivilen
Opfern zu rechnen war. Diese strafrechtliche Bewertung
soll und kann im Rahmen dieses Sondervotums nicht
2784) 7. Wurde der Einsatz in Übereinstimmung mit den politischen
Mandaten, der operativen Planung sowie den Befehlen und Ein-
satzrichtlinien des COM ISAF und der Bundeswehr durchge-
führt? Hat die Bundesregierung diese Einsatzrichtlinien in Ein-
satzbefehle umgesetzt – und wenn ja: wann?
2785) Vgl. Mehrheitsbewertung Punkt VI. (S. 204).
vorgenommen werden. Es ist Aufgabe der zuständigen
Justiz, dies zu bewerten. Die Generalbundesanwaltschaft,
die sich für die Ermittlung zuständig erklärt hat, hat in
ihrem Einstellungsvermerk etliche Fragen offengelassen.
Eine ausführlichere und gründlichere Beschäftigung mit
der Materie wäre wünschenswert gewesen, nicht zuletzt
für die Soldatinnen und Soldaten um Handlungssicherheit
im Hinblick auf zukünftige, ähnlich gelagerte Entschei-
dungssituationen zu schaffen.
IX. Handlungsempfehlungen (lessons learned)
Der Untersuchungsausschuss soll feststellen, welche
Nachsteuerungen vorgenommen werden müssen, damit
die Bundeswehr in Zukunft ähnlich gelagerte Fehlent-
scheidungen vermeidet.
2786
Die Mehrheit des Untersu-
chungsausschusses hat sich weitgehend darauf be-
schränkt, eine verbesserte technische Ausrüstung der
Bundeswehr zu fordern. Dies ist ein Aspekt, reicht jedoch
nicht aus.
2787
Gleichwohl dürfen die technischen Defizite, die der Un-
tersuchungsausschuss festgestellt hat, nicht ungenannt
bleiben. Die Einschätzung der Lage auf der Sandbank
wurde aufgrund einer mangelhaften Ausrüstung des PRT
Kunduz erschwert. Folgende Ausrüstungsverbesserungen
sind demnach zu empfehlen:
– Die Verbesserung der technischen Ausstattung des
PRT- Gefechtsstandes, so dass der Befehlshabende
vor Ort von seinem eigenen Gefechtsstand operati-
onsfähig ist, und nicht auf den Gefechtsstand der
Spezialkräfte zurückgreifen muss.
– Die Verbesserung von Aufklärungsmitteln, unter
anderem besser ausgebildete Übersetzer und verläss-
lichere Kommunikationswege.
– Die Aufstockung von Bedienern der unbemannten
Luftfahrzeuge (UVA), um ihre Schichtfähigkeit zu
garantieren.
– Die Verbesserung von Kommunikationsmitteln, z. B.
die Bereitstellung von Mobiltelefonen mit Internet-
zugang, das gilt vor allem auch für die Mitarbeiter
des Presse- und Informationsstabes des BMVg.
Die Untersuchung hat ergeben, dass die Einsatzregeln
teilweise veraltet und unklar formuliert waren. Diese
sollten – wenn nicht bereits vorgenommen – optimiert
werden. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die Angabe
der RoE in die Meldewege aufgenommen wird.
Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Soldaten der
Bundeswehr, die bei der Vorbereitung des Luftschlags
beteiligt waren, ungenügende Kenntnis über die ISAF-
Einsatzregeln besaßen. Deshalb ist eine Verbesserung von
Ausbildung und Training anzustreben, um die Soldatin-
nen und Soldaten der Bundeswehr auf schwierige Ent-
2786) Welche Nachsteuerungen wurden gegebenenfalls in nationaler
Verantwortung mit Blick auf die Zukunft vorgenommen oder
müssen noch vorgenommen werden?
2787) Mehrheitsbewertung, Punkt VII. (S. 210).
Drucksache 17/7400 – 414 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
scheidungssituationen im Einsatz vorzubereiten. Dazu
gehört unter anderem:
– Die Verbesserung der Kenntnis der rechtlichen Rah-
menbedingungen des Einsatzes, insbesondere der
ISAF-Einsatzregeln, die zum Schutze der Zivilbevöl-
kerung zu beachten sind.
– Die Schulung im Umgang mit HUMINT-Quellen.
– Die Schulung um die Fähigkeit der Lagebeurteilung
in komplexen Situationen zu optimieren.
Die Ereignisse um das Bombardement machten auch
deutlich, dass die Prinzipien der Inneren Führung im
Kontext von Auslandseinsätzen der Bundeswehr und im
Rahmen von multilateralen Operationen weit stärker bei
den Soldatinnen und Soldaten verankert werden müssen.
Dabei muss der Schutz der Menschenrechte im Vorder-
grund stehen. Das bedeutet, dass in einem bewaffneten
Konflikt alle Möglichkeiten, Leben zu schonen, insbeson-
dere das von Zivilisten, auszuschöpfen sind. Offensich-
tlich bestehen Mängel bei der Fähigkeit, die Prinzipien in
einer unüberschaubaren Stresssituation erheblichen Aus-
maßes zur Anwendung zu bringen. Es besteht daher gro-
ßer Handlungsbedarf, die Grundsätze der „Inneren Füh-
rung“ in Hinblick auf die besonderen Bedingungen im
Auslandseinsatz weiterzuentwickeln:
– Die Ausbildungsinhalte zur „Inneren Führung“ müs-
sen hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Praxistaug-
lichkeit unter den Bedingungen von Auslandseinsät-
zen hinterfragt und gegebenenfalls überarbeitet wer-
den.
– Es bedarf eines speziellen Trainingsangebotes, bei
dem vermittelt wird, was mitdenkender Gehorsam
bedeutet, wie Soldatinnen und Soldaten von ihrem
Recht, Befehle infrage zu stellen, Gebrauch machen
können und wie die Grundsätze der Inneren Führung
in kritischen Situationen umgesetzt werden.
Die dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Akten
haben Hinweise ergeben, dass Kräfte der TF 47 die Vor-
bereitung und Durchführung des Luftschlags über das
gewöhnliche Maß hinaus unterstützten und dabei eigene
Interessen verfolgten. Als Konsequenz wird eine Verbes-
serung der parlamentarischen Kontrolle von Spezialkräf-
ten gefordert (vgl. zu den einzelnen Schritten: Bundes-
tagsdrucksache 17/5099 Antrag Bündnis 90/ die Grünen:
„Prüfkriterien für Auslandseinsätze der Bundeswehr ent-
wickeln – Unterrichtung und Evaluation verbessern.“).
Auch auf politischer Ebene besteht Handlungsbedarf:
– Es bedarf einer transparentere Informationspolitik zu
Auslandseinsätzen der Bundeswehr: Die Öffentlich-
keit muss darüber unterrichtet werden, was die Auf-
gaben der Soldatinnen und Soldaten sind und wo ihre
rechtlichen und militärischen Handlungsgrenzen lie-
gen. Nur dann besteht die Möglichkeit, dass sich die
Bevölkerung adäquat mit der Fragen und Problemen
von Auslandseinsätzen auseinandersetzen kann.
– Das BMVg ist verpflichtet, auf militärische Opera-
tionen der Bundeswehr mit Todesfolge angemessen
zu reagieren: Sie muss transparent aufklären und
Verantwortung benennen. Nur so kann sie den Solda-
tinnen und Soldaten der Bundeswehr klare Orientie-
rungshilfen für ihr Verhalten in Auslandseinsätzen
geben. Es darf nicht sein, dass zivile Opfer im Zwei-
felsfalle ausgeschlossen werden. Hier muss, zumin-
dest so lange eine Untersuchung läuft, eine „in dubios
silens“-Politik eingeführt werden.
– Dies kann nur gelingen, wenn die Kommunikation
zwischen Bundeswehr und dem BMVg bzw. die
Kommunikation innerhalb des BMVg und gegenüber
den weiteren Ministerien reibungslos verläuft. Dies
muss durch strukturelle Verbesserung und Versteti-
gung der Kommunikationswege verhindert werden.
– Auch die Bundeskanzlerin muss im Rahmen ihrer
Richtlinienkompetenz für Auslandseinsätze Verant-
wortung wahrnehmen.
– Das Auswärtige Amt hat die Aufarbeitung des Vor-
falls vom 4. September 2009 trotz seiner Position als
federführendes Ministerium dem BMVg überlassen.
Dies lag auch an dem unausgewogenen Verhältnis
zwischen der zivilen und militärischen Präsenz vor
Ort. Obwohl der zivile Leiter eines PRT formal
gleichberechtigt mit dem militärischen Leiter ist,
wird er nur von wenigen Personen unterstützt. (So
besaß der zivile Leiter des PRT Kunduz im Septem-
ber lediglich zwei Mitarbeiter). Das Auswärtige Amt
muss deshalb den Anspruch, bei Auslandseinsätzen
der Bundeswehr federführend zu sein, mit Leben, al-
so auch mit ausreichend Personal vor Ort, füllen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 415 – Drucksache 17/7400
Fünfter Teil:
Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs
A. Stellungnahmen der betroffenen Personen
Der Untersuchungsausschuss hat Personen, die durch die
Veröffentlichung des Abschlussberichtes in ihren Rechten
erheblich beeinträchtigt werden können, Gelegenheit
gegeben, zu den sie betreffenden Ausführungen im Ent-
wurf des Abschlussberichtes Stellung zunehmen, soweit
diese Ausführungen nicht mit ihnen in einer Sitzung zur
Beweisaufnahme erörtert worden sind (siehe oben: Ver-
fahrensteil, B.VI.1.c), S. 26).
Folgende Stellungnahmen sind abgegeben worden:
I. Oberst Klein
1. Zum Feststellungsteil
1. Zum Punkt B.III.7.b)cc)ccc) – Interne Bedenken der
Flugzeugbesatzungen
2788
Ich unterstreiche nochmals, dass an mich zu keinem
Zeitpunkt Bedenken der Luftfahrzeugbesatzungen
herangetragen wurden. Im Gegenteil ließen mich die
Vorschläge der F-15 Besatzungen zu einem wesent-
lich massiveren Waffeneinsatz (Anzahl/Größe einge-
setzter Wirkmittel, Radius, Einsatz gegen Umste-
hende und Fliehende) sowie deren Nachfragen zum
Ziel und der Präsenz eigener Kräfte vor Ort in der
Gewissheit, dass die Piloten unser Lagebild uneinge-
schränkt teilten. Es entsprach zudem meiner Erfah-
rung, dass Piloten, wenn sie tatsächlich Bedenken
hatten, einen Waffeneinsatz ablehnten.
2. Zum Punkt B.III.7.b)dd) – Begründung der Ent-
scheidung
2789
Ich habe die Beweggründe und Entscheidungspro-
zesse in meiner Aussage am 10.02.2010 ausführlich
und umfassend dargestellt. Diese werden in den mir
übersandten Seiten 181/182 in kurzen Auszügen
wiedergegeben. Ich habe hierzu keine Ergänzungen.
Hinsichtlich der Anwendung der ROE möchte ich
ergänzend darauf hinweisen, dass ich als „Task For-
ce Commander“ im Dienstgrad Oberst sowohl nach
ROE 421 wie auch 429 befugt war, den Waffenein-
satz in dieser Situation freizugeben; entsprechend bin
ich auch ausgebildet worden. Die Einhaltung der
zum Einsatzpunkt gültigen nationalen und interna-
tionalen Einsatzregeln war ferner Gegenstand der
disziplinaren Prüfung, deren Ergebnis Ihnen mitge-
teilt wurde.
2788) S. 65.
2789) S. 65.
3. Zum Punkt B.III.7.c) – Ablehnung eines Überfluges
im Rahmen der „Show of Force“2790
Ich habe auch hierzu in meiner Aussage am
10.02.2010 umfangreich Stellung genommen. Ob
diese Aufnahme in den Abschlussbericht gefunden
hat, vermag ich aus den mir übermittelten Unterlagen
nicht nachzuvollziehen.
Ich halte daher erneut fest:
Grundlage meiner Entscheidung war das Lagebild
und die darauf begründete feste Überzeugung, dass
zum Zeitpunkt des Waffeneinsatzes ausschließlich
Aufständische und keine Zivilisten vor Ort waren.
Wie bereits im Ausschuss dargestellt, hatten wir zu-
dem im PRT KUNDUZ die Erfahrung gemacht –
und der JTAC hat dies in seiner Anhörung durch das
ISAF JIB bestätigt – dass die Aufständischen im
Norden bei einer Vielzahl von Situationen trotz tie-
fem Überflug und Einsatz von Täuschkörpern/ „Fla-
res“ keine bis wenige Reaktionen gezeigt hatten. Ich
verweise hier erneut auf die dem Ausschuss geschil-
derten Gefechte des PRT am 07.05.2009, der QRF
im Juni 2009 und der US-Kräfte am 27.08.2009. Ich
ging zudem von einer ausreichenden Warnung der
aufständischen Kämpfer durch den mehr als einein-
halbstündigen Überflug aus.
4. Zum Punkt C.II1.a)aa)iii) – Veränderung des Daily
Intelligence Summary vom 04.09.2009
2791
Ich habe mich im Laufe des 04.09.2009 mehrfach
mit meinem J2 ausgetauscht. Dabei gab ich ihm so-
wohl Erkenntnisse aus den vielfältigen Telefonaten
mit den afghanischen Sicherheitskräften wie auch
Meldungen der eigenen Kräfte (Schutzkompanie
PRT KUNDUZ ab 12:30 Uhr vor Ort) weiter. Der
INTSUM wurde durch die J2 Abteilung erstellt, rou-
tinemäßig durch den Abteilungsleiter gebilligt und
an den Stab RC North versandt. Sowohl von der
Endfassung des Berichtes als auch von einem Hin-
weis auf Veränderungen habe ich erst später – nach
meiner Erinnerung durch den Chef des Stabes oder
den J2 am 05.09.2009 – Kenntnis erhalten.
Zur gesamten Nachbereitung des Luftwaffeneinsatzes
möchte ich noch einmal unterstreichen, dass ich diese
vollumfänglich unterstützt habe. Die im so genannten
„Feldjägerbericht“ enthaltenen Behauptungen, ich hätte
Ermittlungen behindert, weise ich erneut nachdrücklich
zurück.
2790) S. 66.
2791) S. 91.
Drucksache 17/7400 – 416 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Zu den Sondervoten
1. Militärisches Lagebild
2792
Ein solches Missverständnis scheint mir hinsichtlich
der Qualität und der Faktoren einer militärischen La-
gebeurteilung in einer Entscheidungssituation vorzu-
liegen. Eine militärische Lagebeurteilung beinhaltet
im Kern die komplexe Ermittlung, Gewichtung und
Abwägung verschiedener Handlungsoptionen des
Gegners und der eigenen Kräfte in einer aktuellen Si-
tuation. Passagen der mir übersandten Auszüge der
Sondervoten
2793
konstruieren daraus das nachträgli-
che Nachschieben scheinbar in sich widersprüchli-
cher Rechtfertigungsszenarien für zuvor angewende-
te militärische Gewalt. Militärische Lagebeurteilung
erfolgt jedoch regelmäßig unter Zeitdruck in einer
sich fortentwickelnden Entscheidungssituation und
damit immer in einer – bis zu einem gewissen Grad
hinzunehmenden – Ungewissheit; ein maßgeblicher
Bestandteil der Lagebeurteilung ist daher die (Be-
rufs- und Einsatz-) Erfahrung des militärischen Füh-
rers.
a) Meine Entscheidung in der Nacht des 04. Sep-
tember 2009 war – wie mir bewusst war – ein
schwerwiegender Entschluss mit weitreichen-
den Folgen als Ergebnis einer mehr als 90-
minütigen militärischen Lagebeurteilung.
Grundlage der Lagebeurteilung waren zum ei-
nen die Kamerabilder der Luftfahrzeuge – ob-
jektive Beweismittel, die auch heute noch zur
Verfügung stehen – und die damit deckungs-
gleichen aktuellen Informationen einer Quelle,
die mit der für örtliche Quellen höchsten Quali-
fizierung („Bravo“) eingestuft worden war und
deren Zuverlässigkeit sich erst jüngst zuvor in
einem mir bekannten Einsatz bestätigt hatte.
Nach den Luftbildern befanden sich in der
Nacht zum 4. September 2009 – nach einem
Tag der bisher heftigsten Gefechte überhaupt –
auf der Sandbank fernab von den Dörfern ca. 70
Personen, die nach den Informationen der Quel-
le von vier namentlich bekannten lokalen auf-
ständischen Führern vor Ort befehligt wurden.
Struktur und Umfang der Gruppe vor Ort ent-
sprachen unserer Erfahrung.
Basis meiner Entscheidung war damit ein für al-
le Beteiligten im Gefechtsstand schlüssiges und
unstrittiges Lagebild, nach dem zunächst eine
Gruppe von Aufständischen zwei Tanklastzüge
entführt hatte, um diese für ihre Operationen
nutzen zu können. Nach Festfahren der Tank-
lastzüge auf einer im Einflussbereich der Auf-
ständischen gelegenen Sandbank im KUNDUZ
– Fluss im Unruhedistrikt CHARA DARREH
wurde nun gemeinsam von vier lokalen Führern
mit ihren Gruppen – insgesamt ca. 70 Kämpfer
2792) Sondervotum (SV) SPD, S. 241 f.; SV B90/GRÜNE, S. 379 ff.
2793) SV SPD, S. 241 ff.
– versucht, diese durch Schleppfahrzeuge sowie
Entladung wieder beweglich zu machen. Dazu
befanden sich nach unserer Erkenntnis überwie-
gende Teile der Kämpfer auf der Sandbank, an-
dere luden Treibstoff um, während durch weite-
re Aufständische unter Nutzung der herange-
führten Kleinfahrzeuge ein Sicherungsring ge-
bildet wurde.
Mit fortschreitender Entladung mussten wir da-
von ausgehen, dass das Ziel der Operation – die
Mobilität der Tanklastzüge entweder schon er-
reicht worden war oder zeitnah erreicht werden
würde. Damit war die Situation in unserer Be-
wertung eindeutig zeitkritisch („hasty“).
b) Für die aufständischen Kämpfer bestanden nach
diesem Lagebild objektiv verschiedene Hand-
lungsoptionen, die je nach aktueller Wahr-
scheinlichkeit und Gefährlichkeit zu gewichten
und bewerten waren. Eine wahrscheinliche
Möglichkeit
.
des Handelns der Aufständischen
war die Weiterfahrt in das westliche CHARA
DARREH um die Tanklastzüge wie auch den
Treibstoff für Folgeoperationen – einschließlich
der Möglichkeit eines späteren Selbstmordan-
schlages auf das PRT, vor dem noch wenige
Wochen zuvor eindeutig und belastbar gewarnt
worden war – zu nutzen. Eine weitere wahr-
scheinliche und aktuell gefährlichere Option
war ein unmittelbarer nächtlicher Angriff auf
das PRT oder die afghanischen Sicherheitskräf-
te mit Hilfe der Tanklastzüge bzw. unter Nut-
zung der erkannten Pick-Up Fahrzeuge. Ich un-
terstreiche nochmals, dass niemand der an der
Entscheidung Beteiligten daran zweifelte, dass
hier – d. h. in ca. 6,5 km Luftlinie zum deut-
schen Feldlager und in unmittelbarer Nähe zu
den afghanischen Sicherheitskräften – aus-
schließlich aufständische Kämpfer operierten.
Alle anderen Auslegungen entbehren jeder
Grundlage.
c) Vor diesem Lagebild war die Frage einer zu-
sätzlichen Warnung durch tiefen Überflug/
„Show Of Force“ keine der rechtlichen. Ver-
pflichtung, sondern eine der Effektivität; diese
hatte sich aber in der Vergangenheit als nutzlos
erwiesen.
d) Nach langer Abwägung standen verantwortbare
Alternativen zum Luftwaffeneinsatz nicht zur
Verfügung. Eigene Kräfte des PRT waren mit
Masse in der Operation ARAGORN gebunden
und daher in KUNDUZ nicht in taktisch ausrei-
chendem Umfang vorhanden, um eine erfolg-
versprechende und verantwortbare Operation
mit Bodentruppen durchzuführen. An weitrei-
chenden Wirkmitteln standen außer Mörsern
120 mm (keine Präzisionswirkung und hohes
Risiko von Kollateralschäden) nur hierfür ge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 417 – Drucksache 17/7400
sondert anzufordernde ISAF-Luftfahrzeuge zur
Verfügung.
Die alleinige Alternative zum erfolgten Waffen-
einsatz war Nichthandeln mit der Konsequenz
des Verlusts des Lagebildes nach Abzug der
Luftfahrzeuge und eines nach meiner Bewer-
tung untragbaren Risikos für meine Soldaten
und die afghanischen Sicherheitskräfte.
In den Sondervoten wird bezweifelt
2794
, dass
von den Tanklastzügen eine Gefahr ausging,
Selbstmordanschläge mit Nutzfahrzeugen
(Lastwagen/Tankfahrzeuge) gegen Einrichtun-
gen der ISAF und der afghanischen Sicherheits-
kräfte waren jedoch ab 2008 regelmäßig eine
übliche Art der Angriffsführung durch die Auf-
ständischen. Der letzte Anschlag dieser Art vor
dem 4. September 2009 ereignete sich ca. 10
Tage vorher am 25. August. 2009 im Zentrum
der Stadt KANDAHAR, bei dem 47 Menschen
getötet und 70 verletzt worden
.
waren. Der mir
zuletzt bekannt gewordene Anschlag erfolgte
am 11. September 2011 in der Provinz
WARDAK mit zwei Toten und mehr als hun-
dert Verletzten.
2. Ziel des Waffeneinsatzes
2795
Der Abwurf erfolgte in tiefer Nacht, unter ausdrück-
lich angeordnetem reduziertem bzw. begrenztem
Waffeneinsatz bei gleichfalls angeordneter Be-
schränkung auf die Tanklastzüge und die sie unmit-
telbar umgebenden Personen. Weitergehenden Emp-
fehlungen der Piloten bin ich sehr bewusst nicht ge-
folgt. Der Zweck dieses Angriffs – auf ein legitimes
militärisches Ziel – war die Ausschaltung der von
den Tanklastzügen sowie den aufständischen Kämp-
fern ausgehenden unmittelbaren und dauerhaften Ge-
fahr einschließlich der Folge einer Schwächung der
Strukturen und damit der Handlungsfähigkeit der
Aufständischen. Alle Spekulationen, es sei dabei um
eine gezielte Operation zur Tötung einzelner nament-
lich erkannter Führer der Aufständischen – ohne
Rücksicht auf zivile Opfer gegangen, entbehren jeder
Grundlage.
3. Folgenabschätzung und Feststellung der durch den
Angriff Betroffenen
2796
Auch nach den Vorgaben der TACTICAL
DIRECTIVE bestand keine Notwendigkeit zur
Durchführung eines zusätzlichen BDA am Boden,
weil nach unserem Lagebild weder zivile Opfer an-
genommen wurden noch bewohnte Strukturen ge-
schädigt worden waren. Auf Grundlage des durch die
F-15 aus der Luft nach dem Einsatz, durchgeführten
BDA ergab sich, dass ca. 50 bis 60 Personen durch
den Einsatz getroffen – d.h. verletzt oder getötet –
2794) SV DIE LINKE, S. 334.
2795) SV SPD, S. 241 ff., SV B90/Grüne, S. 372 f.
2796) SV DIE LINKE, S. 335 f., SV B90/GRÜNE, S. 382 f.
worden waren. Diese Zahl korreliert mit den Aus-
wertungen der Luftbilder durch ISAF und den Gene-
ralbundesanwalt, die beide jeweils von einer wahr-
scheinlichen Geschädigtenzahl von ca. 50 Personen
ausgehen. Bei diesen Luftbildern handelt es sich um
die einzigen objektiven und belastbaren Beweismit-
tel, an denen sich schließlich alle abweichenden Be-
richte und Zahlen zu Betroffenen des Angriffs mes-
sen lassen müssen. Auf Grundlage dieser Aufzeich-
nungen aus der Luft ist belegt, dass sich nach dem
Einsatz sowohl Personen von der Sandbank entfer-
nen konnten als auch die an den Ufern befindlichen
Personen und Fahrzeuge, wie im Rahmen der CDE
beabsichtigt, nicht durch die Waffenwirkung betrof-
fen waren. Aufgrund der eng begrenzten Waffenwir-
kung wurden zudem keine Gebäude beschädigt.
Auch der COM ISAF-Bericht bestätigt, dass für ein
– hier nicht erforderliches – BDA am Boden zudem
nicht ausreichend Bodentruppen zur Verfügung ge-
standen hätten.
Auch ein Einsatz von Drohnen durch das PRT hätte
hier keine anderen Ergebnisse gebracht, jedoch die
Verfügbarkeit der Drohnen am Folgetag erheblich
eingeschränkt. In meiner Gesamtbewertung war es
wichtiger, durch den Einsatz von Drohnen am Folge-
tag die Sicherheit meiner Soldaten in der Operation
ARAGORN zu gewährleisten.
4. Auftrag des PRT
2797
Es wird in den Sondervoten bezweifelt, ob das aktive
Vorgehen gegen Aufständische Teil des Auftrages
war. Neben den hierzu eindeutigen Befehlen von
ISAF und meiner nationalen Kommandeure verweise
ich auf die für mich grundlegende Weisung
2798
des
BMVg wonach der Schutz eigener Kräfte unverän-
dert Priorität hatte. Dabei käme es neben Maßnah-
men zum passiven Schutz besonders darauf an, Be-
drohungen frühzeitig erkennen und aktiv gegen die-
sen vorzugehen. Auch habe ich mich unmittelbar vor
dem Befehl zum Waffeneinsatz noch einmal der
Vorgaben der nationalen Taschenkarte ISAF
2799
ver-
gewissert. Nach dieser durfte ich insbesondere Maß-
nahmen zur Verhinderung und Abwehr von Angrif-
fen ergreifen. Nach Taschenkarte konnten Angriffe
zum Beispiel dadurch verhindert werden, dass gegen
Personen vorgegangen wird, die Angriffe planen,
vorbereiten, unterstützen oder ein sonstiges feindse-
liges Verhalten zeigen. Militärische Gewalt zur Ver-
hinderung von Angriffen dürfe jedoch nur auf Befehl
des militärischen Führers vor Ort erfolgen.
Zur Erläuterung meiner Befugnisse
2800
sei allerdings
nochmals ergänzt, dass es sich bei einem Komman-
2797) SV SPD, S. 262 ff.; SV DIE LINKE, S. 334.
2798) BMVg – LtrEinsFüStab – Az. 31-70-00 vom 08.05.2009 „Jah-
resweisung 2009 zur Ausplanung und für den Einsatz DEU Kräfte
im Rahmen der Beteiligung an der NATO Operation ISAF“.
2799) Taschenkarte ISAF, Stand: Juni 2009, S. 3.
2800) SV SPD S. 247 ff.; SV DIE LINKE, S. 331 ff.
Drucksache 17/7400 – 418 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
deur einer „Task Force“ um den Führer eines Ge-
fechtsverbandes
2801
handelt. Dies sind in der Regel
Stabsoffiziere, also ab Major aufwärts. Als Oberst
und Führer eines Verbandes auf der Regimentsebene
trifft dies für mich zu. Die im Operationsplan ISAF
angelegte Trennung in „Task Force“ und PRT galt
2009 vor allem im RC (E) und (S) und wurde im
deutschen Verantwortungsbereich RC (N) erst 2010
durch Schaffung der „Ausbildungs- und Schutzba-
taillone“ (ASB, z. B. „Task Force KUNDUZ“) voll-
zogen.
5. Einsatzregeln
2802
Hinsichtlich der Anwendung der zum Zeitpunkt der
Ereignisse gültigen nationalen und internationalen
Einsatzregeln kann ich nur – mangels Einblick in den
Feststellungsteil – auf das eindeutige Ergebnis der
disziplinaren Prüfungen des Inspekteurs des Heeres
verweisen. Ich unterstreiche zudem, dass ich zu kei-
ner Zeit falsche Lagedarstellungen an die Flugzeug-
besatzungen getätigt, angewiesen oder gebilligt habe.
Es war und ist für mich eindeutig, dass zum Zeit-
punkt des Waffeneinsatzes eine TIC-Erklärung auf-
grund einer unmittelbaren Bedrohung („imminent
threat“) – die nach unserer Lagebeurteilung vorlag –
ein zulässiges und übliches Verfahren war, um Luft-
unterstützung insbesondere zunächst zur Aufklärung
der Lage zu erhalten.
6. Keine Behinderung der Ermittlungen
2803
Zur gesamten Nachbereitung des Luftwaffeneinsat-
zes möchte ich noch einmal unterstreichen, dass ich
diese vollumfänglich unterstützt habe. Alle Behaup-
tungen, ich hätte Ermittlungen behindert, kann ich
hier – wiederum mangels Einblick in den
.
Feststellungsteil – nur pauschal nachdrücklich zu-
rückweisen.
Abschließend möchte ich auch auf die eindeutigen Be-
wertungen und Berichte afghanischer Amtsträger (Pro-
vinzregierung, Sicherheitskräfte, Provinzrat, Distriktma-
nager), der Vertreter der Ethnien und der afghanischen
Untersuchungskommission hinweisen. Da mir der Fest-
stellungsteil des Abschlussberichtes in Gänze nicht be-
kannt ist, unterstelle ich, dass diese dort eingeflossen sind.
Das Urteil der unmittelbaren Repräsentanten der afghani-
schen Bevölkerung, die wir nach unserem Auftrag zu
unterstützen und zu schützen hatten, gehört zu den unver-
zichtbaren Bestandteilen einer wahrhaftigen Auseinander-
setzung mit der Lageentwicklung im Jahr 2009, den
Ereignissen des 03./04.09.2009 sowie deren Nachwirkun-
gen.
2801) Heeresdienstvorschrift (HDv) 100/1900 Führungsbegriffe Ge-
fechtsverband: Aus Teilen verschiedener Truppengattungen meist
im Umfang eines verstärkten Bataillons gebildeter Truppenteil,
der einen Auftrag selbstständig ausführt. Seine Bezeichnung rich-
tet sich nach seiner Zweckbestimmung.
2802) SV SPD, S. 244 ff.; SV DIE LINKE, S. 331 ff.; SV B90/GRÜNE,
S. 374 ff.
2803) SV SPD, S. 279 f.
Gleichwohl und auch mit Blick auf unseren Schutzauftrag
habe ich mit tiefer Betroffenheit im Nachhinein zur Kenn-
tnis nehmen müssen, dass durch meine Entscheidung zum
Waffeneinsatz Zivilisten getötet und verletzt wurden. Ich
hielt dies zum Zeitpunkt der Entscheidung für sicher
ausgeschlossen. Ich habe den Entschluss damals nach
langem Ringen im Wissen um die Konsequenz des Todes
von Menschen getroffen; vor dem Hintergrund der heuti-
gen Kenntnisse muss ich die Folgen meiner Entscheidung
als verhängnisvoll bezeichnen. Ich handelte jedoch in der
festen Überzeugung, nur so Gefahren von den mir zum
Schutz Anvertrauten abwenden zu können. Ich habe be-
reits im Ausschuss erklärt, dass ich die alleinige Verant-
wortung hierfür trage. Ich wiederhole hier noch einmal:
Die zivilen Opfer meines Entschlusses zum Waffenein-
satz bedauere ich zutiefst. Ihnen gilt unverändert meine
Anteilnahme.
II. General Vollmer
1. Zum Sondervotum der Fraktion der SPD
Den Vorwurf, „noch im Ausschuss die wahren Fakten zu
verschleiern“ versucht zu haben (S. 282) weise ich zu-
rück. Ebenso die Vorwürfe „Desinformation“ und „Mani-
pulation“ (S. 280).
Vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung vorn Luftschlag in
Kunduz bis zur Beendigung meiner Verantwortung als
COM RC NORTH hat es meinerseits keine Veranlassung
gegeben, Informationen und Sachstände nicht sofort um-
gehend über den Dienstweg nach Potsdam bzw. nach
Kabul zu melden.
In drei Videokonferenzen im Verlauf des ersten Tages
wurde der jeweils bekannte Zwischenstand an das ISAF
FIQ in Kabul gemeldet und besprochen. Die Videokonfe-
renzen wurden seitens ISAF protokolliert und durch das
RC NORTH jeweils unmittelbar im Anschluss nach Pots-
dam übersandt. Sie lagen jeweils noch am selben Tag dort
vor.
Der noch am Vormittag nach Kunduz entsandte Provost
Marshall des RC NORTH, der deutsche Feldjägerführer
im Einsatz, hatte von mir den Auftrag erhalten, die eige-
nen Ermittlungen zu unterstützen und zur Aufklärung des
Sachverhalts in Kunduz beizutragen. Noch am selben Tag
ist ein unabhängiges Team aus dem ISAF HQ in Kunduz
eingetroffen. Parallel hat das afghanische Innenministe-
rium seine Ermittlungen aufgenommen. Jeder jeweils
bekannte Zwischenstand wurde – sowie er dem RC
NORTH bekannt war – umgehend nach Deutschland
gemeldet.
Der Auftrag des Feldjägerführers endete mit der Einset-
zung des Untersuchungsausschusses ISAF. Durch meinen
deutschen Vorgesetzten wurde ich angewiesen die Unter-
suchung einzustellen, da das Ergebnis des ISAF Untersu-
chungsberichts zunächst abgewartet werden sollte. Der
bis zu diesem Zeitpunkt ermittelte Sachstand des Feldjä-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 419 – Drucksache 17/7400
gerführers wurde an das Einsatzführungskommando
übergeben.
Der verantwortliche PRT Kommandeur hat die Möglich-
keit ausgeschlossen, dass es zivile Opfer gegeben haben
könnte. Dies war durch das RC NORTH zunächst nicht
anzuzweifeln und ist so als Grundlage der eigenen Mel-
dungen akzeptiert worden.
Das INTSUM wurde auf Grund meiner persönlichen
Entscheidung zunächst aus dem Netz herausgenommen
und zur Billigung an den PRT Kommandeur zurück über-
geben. Diese Entscheidung habe ich im Anschluss dem
Befehlshaber Einsatzführungskommando unmittelbar
gemeldet.
Der Bericht war durch einen Untergebenen im Stab des
Kommandeurs PRT Kunduz erstellt worden. Er stand im
Widerspruch zu dessen persönlichen Aussagen und war
nicht durch ihn gebilligt worden. Die Rückgabe erfolgte,
damit der PRT Kommandeur diese Meldung aus seinem
Verantwortungsbereich zur Kenntnis bekam und ab-
schließend billigen konnte.
Von Beginn an wurde jede Lageentwicklung nach Kenn-
tniserlangung vom Luftschlag sofort an das Einsatzfüh-
rungskommando in Potsdam und das SAF HQ in Kabul
übermittelt. In diese Kommunikation waren alle Verant-
wortlichen im Regionalkommando Nord mit eingeschlos-
sen.
Die Vorwürfe der Verschleierung, Desinformation und
Manipulation weise ich zurück. Dazu gab es weder in der
Zeit meiner Verantwortung als COM RC NORTH noch
danach jegliche Veranlassung.
2. Zum Sondervotum der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Es trifft nicht zu, dass „eine zu frühe offizielle Bestäti-
gung möglicher ziviler Opfer verhindert“ werden sollte
(S. 412).
Vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Luftschlag in
Kunduz bis zur Beendigung meiner Verantwortung als
COM RC NORTH hat es meinerseits keine Veranlassung
gegeben, Informationen und Sachstände nicht sofort um-
gehend über den Dienstweg nach Potsdam bzw. nach
Kabul zu melden. Vorrangiges Ziel war es, so rasch wie
möglich, die tatsächlichen Folgen des Luftschlags zu
ermitteln und wahrheitsgemäß zu melden.
Das INTSUM wurde auf Grund meiner persönlichen
Entscheidung zunächst aus dem Netz herausgenommen
und zur Billigung an den PRT Kommandeur zurück über-
geben. Diese Entscheidung habe ich im Anschluss dem
Befehlshaber Einsatzführungskommando unmittelbar
gemeldet.
Der Bericht war durch einen Untergebenen im Stab des
Kommandeurs PRT Kunduz erstellt worden. Er stand im
Widerspruch zu dessen persönlichen Aussagen und war
nicht durch ihn gebilligt worden. Die Rückgabe erfolgte,
damit der PRT Kommandeur diese Meldung aus seinem
Verantwortungsbereich zur Kenntnis bekam und ab-
schließend billigen konnte.
Die Rückgabe an den PRT Kommandeur war ausschließ-
lich meine eigene Entscheidung. Eine Einflussnahme des
Befehlshabers Einsatzführungskommando, Generalleut-
nant Glatz, hat es nicht gegeben.
In drei Videokonferenzen im Verlauf des ersten Tages
wurde der jeweils bekannte Zwischenstand an das ISAF
FIQ in Kabul gemeldet und besprochen. Die Videokonfe-
renzen wurden seitens ISAF protokolliert und durch das
RC NORTH jeweils unmittelbar im Anschluss nach Pots-
dam übersandt. Sie lagen jeweils noch am selben Tag dort
vor.
Der noch am Vormittag nach Kunduz entsandte Provost
Marshall des RC NORTH, der deutsche Feldjägerführer
im Einsatz, hatte von mir den Auftrag erhalten, die eige-
nen Ermittlungen zu unterstützen und zur Aufklärung des
Sachverhalts in Kunduz beizutragen. Noch am selben Tag
ist ein unabhängiges Team aus dem ISAF LIQ in Kunduz
eingetroffen. Parallel hat das afghanische Innenministe-
rium seine Ermittlungen aufgenommen. Jeder jeweils
bekannte Zwischenstand wurde - sowie er dem RC
NORTH bekannt war - umgehend nach Deutschland ge-
meldet.
Alle Maßnahmen dienten ausschließlich einer möglichst
raschen und objektiven Sachstandfeststellung.
III. General Glatz
Zu den Sondervoten der SPD-Fraktion und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Die Behauptung im Sondervotum der Fraktion der SPD
(S. 280 ff.) hinsichtlich „gezieltester Desinformation“
durch „Manipulation“ eines Tagesberichts des PRT Kun-
duz (INTSUM) beruht lediglich auf der Wiedergabe
von Meldungen des Nachrichtenmagazins DER
SPIEGEL vom 4./5. März.2010.
Der Behauptung und den damit einhergehenden Bewertun-
gen bin ich bei meiner zeugenschaftlichen Einvernahme
durch den Untersuchungsausschuss am 15.03.2010 mit
Nachdruck entgegengetreten. In gleicher Weise habe ich
die damit verbundene Unterstellung, alles daran gesetzt zu
haben, keine disziplinaren Ermittlungen aufnehmen zu müs-
sen, zurückgewiesen.
Die nunmehr erneut getätigten Ausführungen der Fraktion
der SPD, die bereits damals durch die im Untersuchungsaus-
schuss getätigten Zeugenaussagen und die vorgelegten,
aktenkundigen Meldungen widerlegt wurden, sind nach
Abschluss der Untersuchungen des Ausschusses erst recht
nicht nachvollziehbar und daher abwegig.
Dies gilt ebenso für die Behauptung im Sondervotum der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass Brigadegeneral
Vollmer und ich eine zu frühe offizielle Bestätigung mög-
licher ziviler Opfer hätten verhindern wollen, die ebenfalls so
aus der Berichterstattung des Nachrichtenmagazins DER
SPIEGEL übernommen wurde.
Drucksache 17/7400 – 420 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
IV. Kapitän zur See Dienst
Zum Feststellungsteil zu
– Punkt B.III.3.e) – Existenz einer möglichen weiteren,
„dritten“ Quelle – Seiten 52 bis 52 – sowie
– Punkt C.II.1.d)cc)eee) – Eigene Nachforschungen des
Presse- und Informationsstabes – Seiten 105 bis 106
–:
Die Passagen vermitteln den Eindruck, dass das Einführen
einer „dritten Quelle“ einzig auf meine ganz persönliche
Wahrnehmung zurückzuführen sei, weil sich OTL G.
nicht im Geringsten daran erinnern könne
2804
.
Des Weiteren wird Dr. Raabe mit der Aussage zitiert,
dass OTL G. in dem besagten Telefonat mit mir die „drit-
te Quelle“ im Zusammenhang mit der Anwesenheit von
vier hochrangigen Taliban erwähnt habe
2805
Zu dem Telefonat vom 04.09.2009 verweise ich nach-
drücklich auf den genauen Wortlaut meines Vermerkes,
der sich bei den Unterlagen des 1. Untersuchungs-
ausschusses befindet. Auf diesen Vermerk wird hier im
Entwurf des Berichtes aber nur oberflächlich
2806
und in
einem nicht korrekten Kontext eingegangen.
Ich hatte das besagte Telefonat mit OTL G. vornehmlich
mit dem Ziel geführt, Auskunft darüber zu erhalten, ob
vor Ort ausgeschlossen werden könne, dass es zivile Op-
fer bzw. Opfer unter Unbeteiligten gegeben habe.
Auf die Antwort, dass die Entscheidungsgrundlage für
Oberst Klein zum Zeitpunkt des Abwurfbefehls war, dass
sich auf der Sandbank ausschließlich Taliban bzw. Tali-
banunterstützer aufgehalten haben sollen, fragte ich nach
der Identifizierungsgrundlage.
Diese erläuterte mir OTL G. entsprechend meinem Ver-
merk über das Telefonat. Daraus geht hervor, dass die
Identifizierungsgrundlage aus drei Anteilen bestand. Der
dritte Anteil (Afghanischer Geheimdienst NDS) wurde
durch Dr. Raabe der Presse gegenüber als „dritte Quelle“
eingeführt und anschließend durch die Medien mystifi-
ziert.
Zu keiner Zeit wurde in dem Telefonat eine Verbindung
zwischen 4 hohen Taliban und einer „dritten Quelle“
hergestellt. In dem Telefonat wurde der dritte Anteil der
ldentifizierungsgrundlage auch nicht expressis verbis als
„dritte Quelle“ beschrieben.
Ich bitte, die mich betreffenden Textpassagen entspre-
chend meiner Darlegung zu präzisieren.
2804) Seite 297, Zeilen 24 bis 28.
2805) Seite 141, Zeilen 17 bis 20.
2806) Seite 141, Zeilen 21 bis 24 (GEHEIM).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 421 – Drucksache 17/7400
B. Gegenäußerungen der Fraktionen
I. Fraktion der SPD
Der Untersuchungsausschuss hat in Erfüllung seiner Ver-
pflichtung aus § 32 Abs. 1 PUAG bestimmten Personen
die Gelegenheit gegeben, zu den sie betreffenden Ausfüh-
rungen im Entwurf des Abschlussberichts Stellung zu
nehmen. Einige dieser Personen haben von dieser Mög-
lichkeit Gebrauch gemacht.
Sowohl das durch die Mehrheit im Ausschuss erzwunge-
ne zweifelhafte Verfahren der Gewährung rechtlichen
Gehörs (1.) als auch die eingegangenen Antwortschreiben
(2.) bedürfen jeweils einer kurzen Stellungnahme.
1. Zum Verfahren der Gewährung rechtlichen
Gehörs
Gegen die ausdrückliche Aufforderung der Oppositions-
fraktionen hat es die Mehrheit abgelehnt, den betroffenen
Personen – insbesondere dem durch den Ausschussbericht
in besonderem Maße betroffenen Zeugen Oberst Klein –
sämtliche Passagen des Berichtsentwurfs, die ihre jewei-
lige Person betreffen, vor der Veröffentlichung zur Ver-
fügung zu stellen.
Nach unklaren Kriterien wurden Oberst Klein beispiels-
weise nur einige wenige Abschnitte des Feststellungsteils,
kein einziges Wort der Mehrheitsbewertung, dafür aber
mehr oder weniger große Auszüge aus den Sondervoten
der Minderheit zur Stellungnahme übermittelt, obwohl
der Zeuge mehrfach persönlich und durch seinen Rechts-
beistand darum gebeten hatte, dass ihm sämtliche ihn
betreffenden Teile des Berichtsentwurfs zur Kenntnis
gegeben werden.
Die Minderheit hat sich im Ausschuss vehement dafür
ausgesprochen, der Bitte von Oberst Klein vollumfänglich
zu entsprechen, um diesem vor einer möglichen Stellung-
nahme einen umfassenden Überblick über die Inhalte des
Ausschussberichts zu verschaffen. CDU/CSU und FDP
haben dieses gemeinsam von allen Oppositionsfraktionen
im Ausschuss vorgetragene Anliegen mit ihrer Verfah-
rensmehrheit hingegen einfach ignoriert.
Die von Oberst Klein in seiner schriftlichen Stellungnah-
me vom 20. September 2011 geäußerte Kritik an dieser
Vorgehensweise ist sehr nachvollziehbar und wird von
Seiten der SPD-Bundestagsfraktion im Ausschuss geteilt.
Weiterhin ist die offenkundige Willkürlichkeit zu kritisie-
ren, mit der die Mehrheit im Ausschuss die Auswahl der
Personen, denen rechtliches Gehör gewährt werden sollte,
vorgenommen hat:
Nach den gesetzlichen Vorgaben des § 32 Abs. 1 PUAG
wäre es zwingend erforderlich gewesen, General a. D.
Schneiderhan und Staatssekretär a. D. Dr. Wichert eben-
falls Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, weil die
Vorwürfe, die gegen diese beiden Personen durch die
Koalition im Rahmen der Mehrheitsbewertung erhoben
worden sind, weit über das hinausgehen, was mit den
Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmungen im Ausschuss
besprochen worden war. Insbesondere wurden durch die
Mehrheit neue Vorwürfe erhoben, die in dieser Form auch
öffentlich zuvor noch nicht kommuniziert worden waren.
Damit wurden beide Personen durch die Mehrheit in
ihrem verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Per-
sönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 1
Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt.
Ein entsprechender förmlicher Antrag auf Gewährung
rechtlichen Gehörs auch gegenüber diesen beiden Perso-
nen wurde durch die Mehrheit im Ausschuss sachwidrig
niedergestimmt.
Einmal mehr hat sich hier gezeigt, dass sich die Mehrheit
in diesem Untersuchungsausschuss sich allein von takti-
schen Erwägungen treiben lässt, indem sie ausschließlich
solchen Personen, die durch die Sondervoten der Minder-
heit betroffen sein könnten, die Möglichkeit zur Stellung-
nahme einräumte, aber bei ihrem eigenen Text willkürlich
einen völlig anderen Maßstab anlegte.
2. Zu den einzelnen Stellungnahmen
Schriftliche Stellungnahmen zu den ihnen vorab übermit-
telten Teilen des Abschlussberichts wurden letztlich von
den Zeugen Oberst Klein, Generalleutnant Glatz, Briga-
degeneral Vollmer und Kapitän zur See Dienst einge-
reicht, die im vorangegangenen Abschnitt auch vollum-
fänglich abgedruckt worden sind.
Nach intensiver Prüfung dieser Stellungnahmen kann
festgestellt werden, dass es keinerlei Änderungen des
Sondervotums der SPD-Bundestagsfraktion bedarf, weil
sämtliche der von den Zeugen übermittelten Informatio-
nen bereits umfassend im Sondervotum Berücksichtigung
gefunden haben.
Die einzig neue, zusätzliche Information, die im Sonder-
votum nur erschlossen, aber noch nicht mit Sicherheit
festgestellt werden konnte, war der Hinweis von Oberst
Klein, dass er persönlich von der Manipulation des
INTSUM vom 4. September 2009 im Auftrag von Briga-
degeneral Vollmer
2807
erst im Nachhinein am
5. September 2009 erfahren haben will.
2808
Damit konnte
er die Veränderung des INTSUM am 4. September 2009
sachlogisch auch nicht im Sinne der Aussage des Zeugen
Vollmer gebilligt haben.
Die Aussagen der beiden Zeugen widersprechen sich
damit. Eine abschließende Klärung konnte im Ausschuss
nicht herbeigeführt werden. Es liegt allerdings die An-
nahme nahe, dass es sich bei der Aussage des Zeugen
Vollmer um eine Schutzbehauptung gehandelt hat, um zu
2807) Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt VI.3.b) des Sondervotums der
SPD-Bundestagsfraktion, oben ab S. 280.
2808) Vgl. Schreiben von Oberst Klein vom 5. August 2011, Nr. 4
(S. 415).
Drucksache 17/7400 – 422 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
erklären, warum er selbst darauf verzichtet hatte, diszipli-
narische Ermittlungen einzuleiten.
Dass der Zeuge Vollmer vor diesem Hintergrund noch in
seiner schriftlichen Stellungnahme vom 20. September
2011 gegenüber dem Ausschuss behauptet hat, das
INTSUM sei „zur Billigung an den PRT-Kommandeur
zurück übergeben“ worden, erfüllt mit Sorge.
Im Hinblick auf die sonstigen Ausführungen von Oberst
Klein in seinen schriftlichen Stellungnahmen vom 5.
August und 20. September 2011 ist festzustellen, dass
keinerlei Tatsachen oder Fakten vorgetragen wurden, die
nicht bereits umfassend im Rahmen des Sondervotums
der SPD-Bundestagsfraktion berücksichtigt worden sind.
Insofern bedarf es keiner Änderungen oder Ergänzungen
dieses Sondervotums.
Es soll aber an dieser Stelle die Gelegenheit genutzt wer-
den, Oberst Klein noch einmal für seine Bereitschaft zur
Kooperation mit dem Untersuchungsausschuss zu danken.
Er hat sowohl in seiner Aussage vor dem Ausschuss als
auch in seinen schriftlichen Stellungnahmen die beson-
ders schwierige Entscheidungssituation, in der er sich in
jener Nacht befand, deutlich gemacht.
Es ist zudem in keiner Weise zu bestreiten, dass Oberst
Klein aus seiner persönlichen subjektiven Sicht vor allem
gehandelt haben mag, um in seinen Augen bestehende
Gefahren für die ihm anvertrauten Soldatinnen und Solda-
ten abzuwenden. Dass Oberst Klein an dem Tag vor dem
Bombeneinsatz unter höchster Anspannung stand, steht
fest. Weiterhin verspürte Oberst Klein augenscheinlich
einen gewissen Druck von Seiten seiner Vorgesetzten und
von Seiten der regionalen Repräsentanten, die von ihm
nach seiner Wahrnehmung einen „aktiveren Einsatz“
erwarteten.
Es ist in der Beweisaufnahme des Ausschusses auch deut-
lich geworden, dass sich Oberst Klein seine folgenschwe-
re Entscheidung in dieser Nacht nicht leicht gemacht hat,
sondern im Wissen um die Konsequenz des Todes einer
Vielzahl von Menschen als Folge seiner Entscheidung
zum Waffeneinsatz lange mit sich gerungen hat.
Oberst Klein hat zu Recht darauf hingewiesen, dass mili-
tärische Lagebeurteilungen in solchen Situationen unter
enormem Zeitdruck und in sich ständig fortentwickelnden
und sich verändernden Entscheidungssituationen erfolgen
müssen. Es ist Oberst Klein auch ohne weiteres darin
zuzustimmen, dass es niemals ein umfassendes Lagebild
gibt und dass sich der militärische Führer immer mehr
Informationen wünscht, es aber immer einen Punkt gibt,
an dem entschieden werden muss.
Insofern ist es durchaus zutreffend, dass militärische
Führer häufig ins Ungewisse hinein entscheiden müssen
und dass Unterlassen und Versäumnis Soldatinnen und
Soldaten häufig auch stärker belasten können als Fehler
im Handeln.
2809
2809) Vgl. Klein, Protokoll Nr. 6, Teil II, S. 3.
All dies kann jedoch letztlich nicht dazu führen, die Au-
gen davor zu verschließen, dass die von Oberst Klein
getroffene Entscheidung zum Waffeneinsatz nicht nur aus
heutiger Sicht im Lichte der sicheren Erkenntnis über die
Vielzahl ziviler Opfer, sondern leider auch aus ex-ante-
Sicht der damaligen objektiv vorhandenen Entschei-
dungssituation nur als schwerer Fehler bezeichnet werden
kann.
In der vorliegenden Situation wäre ein Unterlassen des
Waffeneinsatzes, zumindest aber die Durchführung einer
effektiven „show of force“ und ein stärkeres Bemühen um
Erlangung eines belastbareren Lagebildes, eben doch die
einzig richtige Entscheidung gewesen. Die fehlerhafte
Annahme von Oberst Klein, dass sich Personen allein
durch ihre körperliche Anwesenheit in unmittelbarer Nähe
der Tanklaster als legitime militärische Ziele im Sinne des
Konfliktvölkerrechts qualifizieren würden, ist dabei als
der zentrale Bewertungsfehler anzusehen, der letztlich zu
diesem fatalen Bombenabwurf geführt hat.
In Erwiderung auf dieses eigentlich unbestreitbare Ergeb-
nis der Beweisaufnahme des Ausschusses wird von der
Ausschussmehrheit immer wieder vorgebracht, dass die
Kommunikation einer solchen Feststellung bei den Solda-
tinnen und Soldaten im Einsatz Hemmnisse aufbauen
könnte, in kritischen Situationen überhaupt notwendige
Entscheidungen zu treffen, wenn diese erkennbar
schwerwiegende Folgen nach sich ziehen und später „am
grünen Tisch“ von „Sofa-Experten“ seziert würden.
Eine solche Gefahr ist in der Tat nicht völlig von der
Hand zu weisen, aber der Versuch der Mehrheit, die un-
bestreitbaren Fehler und Versäumnisse deshalb nach wie
vor zu verschleiern, um sich diesem möglichen Vorwurf
nicht aussetzen zu müssen, kann nicht der richtige Weg
sein.
Soldatinnen und Soldaten dürfen aus dem hier untersuch-
ten Vorfall keinesfalls die Lehre ziehen, in Zukunft mög-
lichst keine folgenreichen Entscheidungen mehr zu tref-
fen. Die richtige Erkenntnis für alle militärischen Führer
muss vielmehr sein, dass auch der Verzicht auf einen
Waffeneinsatz eine richtige Entscheidung in einer konkre-
ten Situation sein kann, wenn das Lagebild keine ausrei-
chende Sicherheit gibt und nationale und internationale
Einsatzregeln eine bestimmte Vorgehensweise vorgeben,
die mit dem geplanten Waffeneinsatz nicht in Einklang zu
bringen sind.
Anzuerkennen ist, dass Oberst Klein selbst ausdrücklich
eingeräumt hat, dass es zu diesem Fehler nicht gekommen
wäre, wenn er ein vollständiges Lagebild gehabt, also
gewusst hätte, dass seine Entscheidung zum Waffenein-
satz den Tod einer Vielzahl von Zivilisten zur Folge ha-
ben würde. Er selbst bezeichnet die Folgen seiner Ent-
scheidung vor diesem Hintergrund zu Recht als „ver-
hängnisvoll“.
Die konsequente und für die beteiligten Soldaten viel-
leicht an einigen Stellen schmerzliche Aufarbeitung des
Vorgangs von Kunduz in der Nacht vom 3. auf den 4.
September 2009 im Sondervotum der SPD-Bundestags-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 423 – Drucksache 17/7400
fraktion zielte keineswegs darauf ab, Oberst Klein oder
die anderen beteiligten Soldaten nachträglich bloßzustel-
len, anzuprangern oder öffentlich zu verurteilen, sondern
es ging allein darum, den Vorgang so, wie er sich nach
der intensiven Beweisaufnahme des Ausschusses darstellt,
offen zu beschreiben.
Es durften keine zur Beurteilung des Sachverhalts wesent-
lichen Aspekte verschwiegen werden. Nur durch exakte
Benennung der Fakten konnten wirklich Lehren aus die-
sem Vorfall gezogen werden, die sich nicht nur in
Scheinmaßnahmen oder reiner Symbolpolitik erschöpfen.
Die Oppositionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen haben hierzu einen gemeinsamen Forderungskata-
log vorgelegt und darauf gedrängt, dass über diese „les-
sons learned“ im Untersuchungsausschuss - unter Beteili-
gung des Generalinspekteurs der Bundeswehr - verhandelt
wird.
2810
Hierbei hat sich gezeigt, dass die Bundesregierung sach-
widrig nach wie vor die alleinige Ursache des Vorfalls am
Kunduz-Fluss in angeblichen Unklarheiten von NATO-
Einsatzregeln und Ausstattungsdefiziten sieht und auch
die Ausschussmehrheit bis heute nicht die Kraft findet,
die in der Beweisaufnahme des Ausschusses offenkundig
gewordenen eklatanten Defizite in Bundeswehr und Bun-
desregierung anzuerkennen.
Es bedarf daher keiner hellseherischen Fähigkeiten, um zu
erkennen, dass die notwendigen Reformen in den Berei-
chen des militärischen Nachrichtenwesens, der „Inneren
Führung“ der Bundeswehr, der Aus- und Fortbildung der
Soldatinnen und Soldaten im Hinblick auf die völkerrech-
tlichen Vorgaben, die Klarstellung und Verbesserung der
rechtlichen Rahmenbedingung soldatischen Handelns und
die Verbesserung der Kontrollrechte des Parlaments in
diesem Bereich erst mit einem überfälligen Regierungs-
wechsel umgesetzt werden können.
II. Fraktion DIE LINKE.
Der Untersuchungsausschuss hat mehreren Zeugen recht-
liches Gehör gemäß § 32 PUAG gewährt. Die in diesem
Zusammenhang eingegangenen, im vorangegangenen
Abschnitt A. dokumentierten Stellungnahmen geben
keinen Anlass, das Sondervotum der Fraktion
DIE LINKE. zu korrigieren oder zu überarbeiten.
Die Zeugen, die zum Feststellungsteil der Ausschuss-
mehrheit sowie zu den Sondervoten Stellung genommen
haben, haben ein weiteres Mal Teile ihrer in der Beweis-
aufnahme des Untersuchungsausschusses abgegebenen
und bei der Abfassung des Sondervotums der Fraktion
DIE LINKE. bereits berücksichtigten Erklärungen wie-
derholt. Die im Zuge der Beweisaufnahme getätigten
Angaben der Zeugen zu würdigen, an anderen Beweismit-
teln zu messen und sie diesen entgegen zu setzen, blieb
dem Untersuchungsausschuss und insbesondere auch den
Fraktionen, die Sondervoten zum Abschlussbericht der
2810) Dokumentiert im nachfolgenden Sechsten Teil dieses Abschluss-
berichts.
Ausschussmehrheit vorgelegt haben, vorbehalten. Die
Fraktion DIE LINKE. hat diese Möglichkeit daher bereits
im Sondervotum genutzt.
Von den Zeugen, denen rechtliches Gehör gewährt wurde,
äußert sich lediglich der Zeuge Oberst Klein zur Bewer-
tung der Linksfraktion. Wurden dem Zeugen – aufgrund
eines Beschlusses der Ausschussmehrheit – vom Feststel-
lungsteil der Ausschussmehrheit nur wenige Seiten und
von der Bewertung der Mehrheit überhaupt nichts zur
Kenntnis gebracht, so hat er das Sondervotum der Frakti-
on DIE LINKE., soweit es die Vorfälle vor Ort, in Kun-
dus, betraf, vollständig erhalten. Dennoch lässt seine
Stellungnahme bedauerlicherweise keine inhaltliche Aus-
einandersetzung mit den im Sondervotum der Linksfrak-
tion dargestellten Erkenntnissen des Untersuchungsaus-
schusses und der auf diesen basierenden Bewertung der
Fraktion DIE LINKE. erkennen. Angesichts dessen über-
rascht es wenig, dass sich sämtliche von diesem Zeugen
im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs monierten
Punkte auf Aspekte beziehen, die bereits im Sondervotum
dezidiert und differenziert aufgearbeitet wurden.
Soweit Darlegungen von Oberst Klein in seiner Stellung-
nahme vom 20.09.2011 im Widerspruch zu seiner Aussa-
ge im Untersuchungsausschuss stehen,
2811
wird hier zu-
gunsten von Oberst Klein unterstellt, dass er insoweit
nicht einräumen wollte, im Untersuchungsausschuss fal-
sche Angaben gemacht zu haben, sondern dass in sein
Schreiben vom 20.09.2011 versehentlich unpräzise For-
mulierungen Eingang gefunden haben.
Auf die Stellungnahme von Oberst Klein ist aus den ge-
nannten Gründen nur zu einzelnen Punkten und in aller
Kürze zu entgegnen:
1. Dass Oberst Klein sogar die von ihm selbst ange-
nommene Situation auf der Sandbank im Kundus-
Fluss – wer hielt sich dort zu welchem Zweck auf2812
– in der Nacht des 03./04.09.2009 unter Außeracht-
lassung der Regeln des humanitären Völkerrechts
und damit rechtlich untragbar interpretierte und be-
wertete, wurde im Sondervotum der Fraktion DIE
LINKE. ausführlich erläutert.
2813
Oberst Klein wie-
derholt in seiner Stellungnahme vom 20.09.2011 in-
soweit lediglich das, was er als Zeuge im Untersu-
chungsausschuss dargelegt hatte. Diese Angaben
wurden der rechtlichen und tatsächlichen Bewertung
im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE. bereits
zugrunde gelegt.
2814
Das Gleiche gilt für die Frage,
2811) Vgl. Punkt 1.a) in der Stellungnahme vom 20.09.2011 zu ver-
meintlichen Aufständischen jenseits der Sandbank und Punkt 1.b)
dieser Stellungnahme zur vermeintlich geplanten Nutzung der
Pick-Up Fahrzeuge.
2812) Vgl. insoweit in der Stellungnahme von Oberst Klein vom
20.09.2011 Punkt 1.a), 1.b) und 1.c).
2813) Vgl. z.B. S. 349 - 352 (Teil 4, B.II.2.b)bb)).
2814) Vgl. S. 349 - 352 (Teil 4, B.II.2.b)bb)).
Drucksache 17/7400 – 424 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
weshalb die Durchführung einer sog. show of force
geboten war.
2815
Die Personen auf der Sandbank waren gerade kein
legitimes militärisches Ziel,
2816
denn unter ihnen be-
fanden sich vom humanitären Völkerrecht geschützte
Zivilisten – und dies sogar nach der Vorstellung von
Oberst Klein dazu, wer sich auf der Sandbank aufge-
halten habe; Oberst Klein wertete seine Erkenntnisse
zu diesem Aspekt rechtlich unzutreffend.
2817
2. Ebenfalls im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.
dargelegt wurde, dass es keinerlei Hinweis auf das
Vorliegen einer von Oberst Klein in seiner Stellung-
nahme vom 20.09.2011
2818
unterstellten konkreten
und gegenwärtigen Bedrohungslage gab, die es er-
laubt hätte, die auf der Sandbank um die Tanklaster
herum befindlichen Menschen als Angriffsziele zu
behandeln, anstatt – allenfalls – ausschließlich gegen
die Tanklaster vorzugehen.
2819
3. Wenn Oberst Klein sich bemüht, den Eindruck zu
erwecken, nach den ISAF-Regeln sei es nicht not-
wendig gewesen, rechtzeitig ein sog. Battle Damage
Assessment (BDA) durchzuführen,
2820
und auch
sonstige ISAF-Einsatzregeln habe er nicht ver-
letzt,
2821
so kann an dieser Stelle – angesichts der
Tatsache, dass aus dem COM ISAF-Bericht nicht zi-
tiert werden darf, weil dieser weiterhin als Ver-
schlusssache eingestuft ist – nur nachdrücklich dar-
auf hingewiesen werden, dass dies unzutreffend ist.
Ergänzend wird auf die ausführlicheren Darlegungen
im Sondervotum der Linksfraktion
2822
verwiesen, die
Oberst Klein als Gegenstand seiner Stellungnahme
vorlagen.
4. Schließlich bleibt festzuhalten, dass Oberst Klein
nach den ISAF-Regularien nicht legitimiert war, oh-
ne Konsultation von (u.a.) ranghöheren ISAF-
Kommandeuren den Luftangriff vom 04.09.2009 an-
zuordnen. Im Sondervotum der Fraktion DIE
LINKE. wurde dies bereits ausführlich begründet.
2823
Die von Oberst Klein in der Stellungnahme vom
20.09.2011
2824
in Bezug genommene Heeresdienst-
vorschrift 100/900 gibt nichts her für die von Oberst
Klein aufgestellte Behauptung, als Kommandeur des
PRT und Führer eines Gefechtsverbandes sei er den
Kommandeuren von ISAF-Task Forces deshalb
gleichgestellt gewesen, weil diese ebenfalls Führer
2815) S. 333 f., 349 - 352 (Teil 4, B.II.1.b) und B.II.2.b)bb)); vgl.
insoweit in der Stellungnahme von Oberst Klein vom 20.09.2011
Punkt 1.c).
2816) Dies entgegen der Darstellung von Oberst Klein unter Punkt 2.
seiner Stellungnahme vom 20.09.2011.
2817) S. 349 - 352 (Teil 4, B.II.2.b)bb)).
2818) Dort Punkt 1.d).
2819) Vgl. S. 312 - 314 (Teil 4, B.I.3.b)), S 333, 334 (Teil 4, B.II.1.a),
c)) und S. 350 f. (Teil 4, B.II.2.b)bb)aaa)(1)).
2820) Punkt 3. der Stellungnahme vom 20.09.2009.
2821) Punkt 5. der Stellungnahme vom 20.09.2009.
2822) S. 331 - 335 (Teil 4, B.II.1.).
2823) S. 331 f. (Teil 4, B.II.1.a)).
2824) Punkt 4. der Stellungnahme vom 20.09.2009.
von Gefechtsverbänden seien. Und die von Oberst
Klein behauptete
2825
regional spezifische Anwen-
dung des ISAF-Operationsplans steht in klarem Wi-
derspruch zu den ausdrücklichen Vorgaben dieses
Operationsplans und auch, wie im Sondervotum
2826
bereits festgestellt, zur Auslegung der ISAF-Regeln
durch NATO-Untersuchungskommissionen.
Auch dass die Bundeswehr in Afghanistan statt zum
Brückenbau zur aktiven Aufstandsbekämpfung ein-
gesetzt wurde
2827
, wirkte sich auf die (fehlende)
Kompetenz von Oberst Klein zur Anordnung des
Luftangriffs von Kundus aufgrund der entgegenste-
henden ISAF-Vorgaben zur spezifischen Befehlshie-
rarchie bei sog. Close Air Support nicht aus.
Oberst Klein ist aber dafür zu danken, dass er nochmals
betont,
2828
dass die Bundeswehr in Afghanistan auf
Grundlage eines offensiven Einsatzauftrags agierte. Das
bislang von allen Bundesregierungen seit Beginn des
Afghanistaneinsatzes im Jahr 2001 vorgespiegelte „defen-
sive Mandat“ der Bundeswehr in Afghanistan gab es
nicht. Tatsächlich ist und war die Bundeswehr in der
Provinz Kundus mit einem Auftrag eingesetzt, der nicht
weniger offensiv ausgerichtet war und ist, als der aller
anderen ISAF-Kräfte.
2829
III. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kritisch anzumerken ist, dass die Mehrheit des Untersu-
chungsausschusses das Bestreben der Ausschussminder-
heit unterbunden hat, weiteres rechtliches Gehörs zu ge-
währen. Insbesondere hat sie verhindert, dass die Zeugen
Schneiderhan und Dr. Wichert rechtliches Gehör erhal-
ten.
2830
Auch wenn der Untersuchungsausschuss hierzu
rechtlich nicht verpflichtet war, wäre es in diesem Fall aus
Gründen des Anstands und der Transparenz wünschens-
wert gewesen.
1. Erwiderung zur Stellungnahme des Zeu-
gen Oberst Klein im Rahmen seines recht-
lichen Gehörs
Oberst i. G. Klein bezieht sich in seiner Stellungnahme im
Rahmen seines rechtlichen Gehörs weitgehend nicht auf
das Sondervotum von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die
Ausführungen und Schlussfolgerungen im Sondervotum
erhalten damit eine weitere indirekte Bestätigung.
Eine gesonderte Anmerkung verlangt lediglich der fol-
gende Abschnitt aus Oberst i. G. Kleins Stellungnahme:
„Auch der COM ISAF-Bericht bestätigt, dass für
ein – hier nicht erforderliches – BDA [Wirkungs-
analyse, Anm.d.Verf.] am Boden zudem nicht aus-
2825) Punkt 4. der Stellungnahme vom 20.09.2009.
2826) S. 331 f. (Teil 4, B.II.1.a)).
2827) Punkt 4. der Stellungnahme vom 20.09.2011.
2828) Punkt 4. der Stellungnahme vom 20.09.2011.
2829) Vgl. S. 324 f. (Teil 4, B.I.3.e)).
2830) UA-Beratungssitzung, Protokoll-Nr. 56, S. 8 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 425 – Drucksache 17/7400
reichend Bodentruppen zur Verfügung gestanden
hätten.“2831
Diese Darstellung ist inkorrekt. Mit dem Einschub „hier
nicht erforderliches – BDA“ entsteht der Eindruck, dass
die zur Untersuchung des Luftschlags in Kunduz einberu-
fene NATO-Untersuchungskommission zu dem Schluss
gekommen sei, eine Wirkungsanalyse vor Ort sei nicht
notwendig gewesen. Das Gegenteil ist der Fall. Im
COM ISAF-Bericht wird das Unterlassen der – verpflich-
tend vorgeschriebenen – zeitnahen Wirkungsanalyse am
Boden höchst kritisch bewertet. Es wird als Ursache dafür
gesehen, dass Personen den Ort des Geschehens ungese-
hen betreten und verändern konnten und dass u. a. auch
deshalb die genaue Anzahl der Opfer des Luftschlages
nicht mehr ermittelt werden konnte. Zwar wird festges-
tellt, dass Oberst i. G. Klein über keine ausreichenden
Bodentruppen für eine unmittelbare Wirkungsanalyse vor
Ort verfügte. Allerdings wird beanstandet, dass Oberst
i. G. Klein die Möglichkeit ungenutzt ließ, die ihm zur
Verfügung stehenden unbemannten Drohnen einzusetzen,
um den Angriffsort mit Bewegtbildvideos überwachen zu
lassen, bis Bodentruppen bei Tageslicht eintrafen (vgl. im
Einzelnen Sondervotum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
Kapitel III.4.b), S. 379 und f., S. 382).
2. Erwiderung zu den Stellungnahmen der
Zeugen Generalleutnant Glatz und Briga-
degeneral Vollmer
Die Zeugen Generalleutnant Glatz und Brigadegeneral
Vollmer haben Stellung genommen zu dem Thema: Ver-
änderung des Tagesberichts (Daily Intelligence Summary,
INTSUM) vom 4. September 2009 aus dem PRT Kunduz,
der Angaben über mögliche zivile Opfer enthielt.
2832
Die Zeugen Generalleutnant Glatz und Brigadegeneral
Vollmer beschränken sich auf ihre Äußerungen vor dem
Untersuchungsausschuss vom 12. März 2010 zu diesem
Thema, nach denen sie das INTSUM zunächst aus dem
Netz herausgenommen und es zur Billigung an den PRT
Kommandeur zurückgesandt hätten.
2833
Diese Aussagen
sind im Sondervotum von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
durchaus berücksichtigt worden und enthalten keine In-
formationen, die Anlass zu einer Neubewertung gäben.
Die Ausführungen und Schlussfolgerungen im Sondervo-
tum behalten somit ihre volle Gültigkeit.
Die Behauptung von Generalleutnant Glatz, dass die
Bewertung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „so aus der
Berichterstattung des Nachrichtenmagazins DER
SPIEGEL“ übernommen worden sei, ist schlicht unwahr.
Wie aus dem Sondervotum ersichtlich wird, wurden der
Bewertung weitere Quellen zugrundegelegt, wie die Aus-
sage des Zeugen OTL K., der für die Verfassung des
2831) Stellungnahme Punkt 3 (S. 417).
2832) Sondervotum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kapitel IV.2. S. 389.
2833) vgl. z. B. Vollmer, Protokoll-Nr. 12, S. 2 ff., 11 ff.; 34 ff.; Glatz,
Protokoll-Nr. 12, S. 63 ff.
INTSUM zuständig war.
2834
Hinzuweisen ist auch darauf,
dass Oberst i. G. Klein in seiner Stellungnahme vom
5. August 2011 beschreibt, dass er das INTSUM erst nach
Veränderung am 5. September 2009 erhalten habe.
2835
Dies stützt die im Sondervotum von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN enthaltene Bewertung.
2834) Sondervotum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kapitel IV.2.,
S. 389, Fn. 2632.
2835) 17-293, Stellungnahme Oberst i. G. Klein zum Feststellungsteil
5.08.2011, Punkt 4 (S. 415).
Drucksache 17/7400 – 426 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
C. Anmerkungen der Koalition zu Gegenäußerungen der Opposition in Sachen Gewährung recht-
lichen Gehörs
Die Ausschussmehrheit ist bei der Gewährung rechtlichen
Gehörs dem Vorschlag der Ausschussvorsitzenden, Frau
Dr. h. c. Susanne Kastner, MdB (SPD), sowie dem Aus-
schusssekretariat auf Beratungsunterlage 17-305 gefolgt.
Insofern nehmen wir die Vorwürfe der SPD mit Verwun-
derung zur Kenntnis und weisen sie als unzutreffend
zurück. Die Richtigkeit der durch CDU/CSU und FDP
gewählten Vorgehensweise wurde sowohl durch Entwurf
der Ausschussvorsitzenden auf Beratungsunterlage 17-
305 als auch durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen
Dienstes (Beratungsunterlage 17-306)
2836
bestätigt. Ent-
gegen dem von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in
ihren Gegenäußerungen vertretenen Standpunkten (vgl.
B.I.1. und B.III.) ließ sich die Ausschussmehrheit in der
Entscheidung über rechtliches Gehör ausschließlich von
der Frage leiten, ob ein solches rechtlich geboten ist.
Bezüglich der dabei einzuhaltenden Kriterien verweisen
die Koalitionsfraktionen auf die Ausarbeitung des Wis-
senschaftlichen Dienstes auf Beratungsunterlage 17-306.
Die einseitige Argumentation der Oppositionsfraktionen,
die auch die Vorsitzende des Ausschusses Kastner (SPD)
explizit nicht teilt, entlarvt, dass die Oppositionsfraktio-
nen nicht rechtliche, sondern parteipolitische Motive zur
Grundlage ihrer Entscheidung macht.
2836) Dokument 20 Giesecke, Umfang und Grenzen des rechtlichen
Gehörs gemäß § 32 PUAG, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen
Dienste des Deutschen Bundestages vom 31. August 2011, WD 3
– 3000 – 271/11..
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 427 – Drucksache 17/7400
D. Erwiderung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Anmerkungen der Aus-
schussmehrheit unter Punkt C
In ihrer Anmerkung lässt die Ausschussmehrheit eine
sachliche Auseinandersetzung mit der Stellungnahme von
SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vermissen.
Sie beschränkt sich auf pauschale Vorwürfe, ohne inhalt-
lich auf den Wunsch von SPD und von BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN nach einem anständigen und transpa-
renten Umgang mit Zeugen einzugehen. Das ist bedauer-
lich, passt allerdings zur sonstigen Vorgehensweise der
Ausschussmehrheit im Untersuchungsausschuss.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 429 – Drucksache 17/7400
Sechster Teil:
„Lessons Learned“
A. Lessons Learned der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP im Verteidigungsaus-
schuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 GG
I. Allgemein
Die Untersuchungen haben deutlich gemacht, dass im
Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Luft-Boden-
Einsatzes am 4. November 2009 in Kunduz den Mitglie-
dern der Bundesregierung kein Vorwurf gemacht werden
kann. Insbesondere Bundeskanzlerin Dr. Merkel sowie
die Bundesminister Dr. Jung und Frhr. zu Guttenberg
haben sachgerecht gehandelt und Parlament und Öffent-
lichkeit entsprechend ihres jeweiligen Informationsstan-
des umfassend informiert. Die von der Opposition erho-
benen Vorwürfe haben sich allesamt als haltlos erwiesen.
Insbesondere hat die Beweisaufnahme eindeutig ergeben,
dass der Luftangriff keine Operation der Task Force 47
und der BND in keiner Form an dem Vorfall beteiligt
war. Somit ist festzustellen, dass das Parlament von der
Regierung zu jeder Zeit in den entsprechenden Gremien
vollumfänglich und korrekt über den Einsatz des KSK
und des BND informiert wurde. Die Informationsverfah-
ren haben sich hier bewährt und es besteht aus Sicht der
Regierungskoalition kein Nachsteuerungsbedarf. Das
zweifelsohne vorhandene Problem der unklaren ministe-
riellen Zuständigkeit ist durch die Aufhebung der redun-
danten Strukturen im BMVg im Zuge der Bundeswehrre-
form inzwischen behoben.
Die Kommandolinie wird zukünftig stringent aus dem
Einsatz auf den Generalinspekteur zulaufen, der gegenü-
ber dem Minister verantwortlich ist. Durch die Eingliede-
rung des Einsatzführungsstabes in die reguläre Ministeri-
alstruktur wurde auch im Bereich der Führung die Redun-
danz zum Einsatzführungskommando (EFK) aufgehoben.
Das EFK ist dadurch in seiner Bedeutung klar aufgewertet
und näher an die politischen Entscheidungsträger heran-
gerückt. Dem wird durch die Teilnahme des Befehlsha-
bers EFK an den Sitzungen des VgA offenkundig auch
optisch Rechnung getragen.
II. Im Einsatz
Im Hinblick auf den Luftangriff kann festgestellt werden,
dass der Luftangriff „militärisch nicht angemessen“ war,
aber zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen erfolg-
te. Oberst i. G. Klein hätte nach eigenem Bekunden bei
einem umfassenderen Wissen um die tatsächliche Situati-
on auf der Sandbank einen anderen Entschluss getroffen.
Im Zusammenhang mit dieser Feststellung muss der Blick
auf die Führungs-, Aufklärungs- und Wirkmittel gelenkt
werden.
1. Führungsmittel
Oberst i. G. Klein führte seine Operation aus dem beeng-
ten Gefechtsstand der TF 47, weil dieser über eine mo-
dernere Gefechtsstandtechnik verfügte als der originäre
PRT Gefechtsstand. Dies hatte zur Folge, dass der Kom-
mandeur nicht über den vollen Beraterstab verfügte (die-
ser führte die Operation des PRT aus dem PRT-
Gefechtsstand), sondern ihm lediglich einige Angehörige
seines Stabes zur Verfügung standen. Die erprobten und
eingespielten Verfahren des PRT Stabes, insbesondere die
Beratung des Kommandeurs durch seine Stabsoffiziere,
konnten unter diesen Umständen nicht ablaufen. Die
schlechtere technische Ausstattung des PRT Gefechts-
standes hat den militärischen Führer vor Ort somit in
seiner Führungsfähigkeit entscheidend eingeschränkt.
Künftig ist deshalb aus Sicht der Regierungskoalition
darauf zu achten, dass der für einen Einsatzraum verant-
wortliche Kommandeur in seinem Gefechtsstand über
mindestens die gleichen technischen Fähigkeiten verfügt
wie die dort eingesetzten Spezialkräfte, da er die folgen-
reicheren Entscheidungen trifft.
2. Aufklärungsmittel
Zur Herstellung eines umfassenden Lagebildes bedarf es
des Rückgriffs auf unterschiedliche Aufklärungsmittel. Im
Fall des Luftangriffs war die Nutzung der HUMINT Kräf-
te die wesentliche Informationsquelle des Kommandeurs.
Zwar hätte die Informationsübermittlung von der
HUMINT Quelle vor Ort über den Operator bis hin zum
Kommandeur technisch noch besser gestaltet werden
können, jedoch hat sich das Verfahren insgesamt bewährt
und wurde optimal genutzt.
Bemängelt werden muss jedoch, dass Oberst i. G. Klein
nach eigenem Bekunden nicht auf ausreichend redundante
Aufklärungsmittel zurückgreifen konnte. So benötigte er
für den eigenen visuellen Eindruck die Aufklärungsleis-
tung der ISAF Luftfahrzeuge und war gezwungen, diese
vor Ort zu halten, um ggf. bei einer sich verschärfenden
Lage einen Entschluss treffen zu können.
Durch die unmittelbare Abhängigkeit von nicht nationalen
Aufklärungsmitteln in einer für das PRT bedrohlichen
Lage musste der Kommandeur aus der operativen Not-
wendigkeit heraus die ständige Verfügbarkeit der ISAF
Aufklärungsmittel (Strahlflugzeuge) sicherstellen, was
auch zu seinem Entschluss beitrug, einen TIC zu erklären.
Nationale Aufklärungsmittel standen nicht zur Verfügung
oder waren für einen (Nacht-)Einsatz ungeeignet. Die im
PRT vorhandenen Drohnen hatten entweder keine ausrei-
Drucksache 17/7400 – 430 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chende Reichweite (LUNA, ALADIN) oder konnten nicht
schnell genug in den Einsatz gebracht werden, bzw. ver-
fügten nicht über die notwendige Stehzeit im Einsatzge-
biet (KZO).
Das Verbringen von eigenen Soldaten verbat sich auf-
grund der angespannten Lage des PRT und war aufgrund
der fehlenden Lufttransportfähigkeit nicht möglich. Dies
verdeutlicht, warum Oberst i. G. Klein zwingend auf die
Luftfahrzeuge angewiesen war.
Das BMVg hat aus Sicht der Regierungskoalition die
richtigen Schlüsse aus den Ereignissen gezogen und an-
gemessen gehandelt. Mit Einführung des Unbemannten
Aufklärungssystems HERON-1 ab März 2010 verfügt das
Deutsche Einsatzkontingent nun endlich über eine deut-
lich gesteigerte nationale Aufklärungsfähigkeit bei Tag
und Nacht, welche zusätzlich mit der entsprechenden
Verweildauer über einem Einsatzgebiet versehen ist.
3. Wirkmittel
Bei der Ausstattung mit Wirk- und Aufklärungsmitteln
sind gewisse Parallelen zu erkennen. Wie bei den Aufklä-
rungsmitteln verfügte Oberst i. G. Klein nicht über adä-
quate nationale Wirkmittel. Er war auch unter diesem
Aspekt gezwungen, die ISAF Flugzeuge vor Ort zu hal-
ten, um bei Lageverschärfung einen entsprechenden Ent-
schluss zum Waffeneinsatz fassen. Die mangelnde Aus-
stattung mit geeigneten nationalen Wirkmitteln verwehrte
dem Kommandeur zudem eine differenzierte Reaktion auf
aktuelle Lageentwicklungen.
Oberst i. G. Klein hatte lediglich die Alternative zwischen
Untätigkeit und Luftangriff (wenn auch mit den kleinsten
zur Verfügung stehenden Bomben). Eine frühzeitige Ein-
flussnahme und ggf. deeskalierende Wirkung auf die Lage
durch mildereMittel (Einsatz der Artillerie, Einsatz
Kampfhubschrauber) war ihm verwehrt. Um zukünftig
ähnliche Situationen zu vermeiden, sollten die Einsatz-
kontingente aus Sicht der Regierungskoalition über alle
für den Einsatz erforderlichen Wirkmittel vor Ort verfü-
gen. Dies beinhaltet natürlich auch weiterhin den Close
Air Support Einsatz. Nur durch ein breites Repertoire an
Wirkmitteln ist der militärische Führer vor Ort in der
Lage, angemessen und lagegerecht mit dem mildesten
Mittel zu reagieren.
Der bewusste Verzicht der militärischen Führung auf
Eskalationspotential führte nicht zu einer Entspannung
der Lage, sondern zu einer sich ständig zuspitzenden
Bedrohung des Kontingents und der Feldlager. Durch den
Einsatz der Panzerhaubitze 2000 und des Schützenpanzers
Marder ab Frühjahr 2010 konnte das Eskalationspotenzial
des deutschen Einsatzkontingents gesteigert und der ope-
rative Handlungsspielraum zurückgewonnen werden. Der
vom BMVg beschrittene Weg wird von der Regierungs-
koalition begrüßt.
III. Ausbildung
Es konnte festgestellt werden, dass im Nachgang des
Luftangriffs von Kunduz bereits einige Maßnahmen zur
Verbesserung der Ausbildung veranlasst wurden. So ent-
sandte das BMVg bereits unmittelbar nach dem Luftang-
riff im September 2009 ein Ausbildungsteam nach Afg-
hanistan, um erkannte Mängel im Bereich der Zusam-
menarbeit mit Luftfahrzeugen zu beheben. Die Ausbil-
dung umfasste auch die nochmalige intensive Einweisung
in die einschlägigen RoE .
Gleichzeitig wurde überprüft, wie Verfahren und RoE an
die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort angepasst wer-
den können. Diese Vorschläge fanden Eingang in die
ISAF Verfahren. Einhergehend mit der Ausbildungsinten-
sivierung in Afghanistan, hat die Bundeswehr die Ausbil-
dung der JTAC in Deutschland verbessert. Damit wird
deutlich, dass der Wissens- und Erfahrungsfluss aus dem
Einsatz in die unmittelbare Ausbildung des Nachfolge-
kontingents sichergestellt sein muss. Dieses Handlungs-
prinzip hat für alle Bereiche Gültigkeit.
IV. Themenkomplex Informationsarbeit
Gegenstand des Untersuchungsauftrages war auch die
Informationspolitik des BMVg. Seit September 2009 hat
das BMVg aus Sicht der Regierungskoalition entschei-
dende Schritte in Richtung einer umfassenden und trans-
parenten Informationspolitik gemacht. Dabei wurde ein
gutes Gleichgewicht zwischen den bestimmenden Größen
„Belastbarkeit der bereitgestellten Informationen“ und
„größtmögliche Schnelligkeit“ erlangt.
V. Information des Parlaments
Die Information des Parlaments wurde in den letzten
Monaten deutlich verbessert. Neben regelmäßigen Infor-
mationen wird das Parlament auch anlassbezogen unter-
richtet. Als Beispiel seien hier die wöchentlichen Unter-
richtungen des Parlaments, die Obleuteunterrichtungen,
die Unterrichtungen des Verteidigungsausschusses und
die Berichte der Bundesregierung in den Einsatzgebieten
genannt.
Hinzu treten weitere Verbesserungen. So wurde z.B. die
Zuständigkeit für die Herausgabe der schriftlichen Obleu-
teunterrichtung über Ereignisse in den Einsatzgebieten
vom BMVg an das EFK delegiert. Seitdem ist festzustel-
len, dass die Schnelligkeit der Informationsbereitstellung,
aber auch der Detaillierungsgrad der Informationen, deut-
lich verbessert wurde. Weiterhin wirkt sich positiv aus,
dass der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos
wie bereits erwähnt an den Sitzungen des Verteidigungs-
ausschusses sowie an den mündlichen Obleuteunterrich-
tungen teilnimmt. Dadurch werden der Informationsgehalt
und die Detailschärfe gesteigert.
Mit diesem nun weiterentwickelten, flexibleren Informa-
tionssystem wird das Parlament aus Sicht der Regie-
rungskoalition besser unterrichtet.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 431 – Drucksache 17/7400
VI. Information der Öffentlichkeit
Die Bundeswehr informiert seit einiger Zeit in einschlägi-
gen zeitgemäßen Medien (www.bundeswehr.de,
www.bmvg.de, www.youtube.combundeswehr,
www.flickr.com) über die Geschehnisse in den Einsatz-
gebieten. Seit Anfang 2011 wird auch die auf der Unter-
richtung für das Parlament aufbauende Unterrichtung der
Öffentlichkeit wöchentlich bereit gestellt. Somit werden
die Ereignisse in den Einsatzgebieten im Gesamtkontext
dargestellt und bewertet.
Die Bereitstellung der Informationen über besondere
bundeswehrrelevante Ereignisse in den Einsatzgebieten
erfolgt über ein Online-Meldeformat. Dadurch kann die
Bundeswehr nun grundsätzlich Informationen schneller
übermitteln und bereitstellen als internationale Nachrich-
tenagenturen. Insgesamt hat sich das Informationsangebot
für die Öffentlichkeit und die Transparenz der Arbeit des
BMVg aus Sicht der Regierungskoalition signifikant
verbessert.
VII. Zusammenfassung
Festzuhalten ist, dass aus den Ereignissen in Kunduz im
Wesentlichen richtige Schlüsse gezogen wurden. Sinnvol-
le Maßnahmen wurden insbesondere im Bereich der
Strukturen, Zuständigkeiten und Kommunikation getrof-
fen.
Hinsichtlich der Ausstattung und Ausrüstung der Truppe
im Einsatz bleibt festzuhalten: Der militärische Ratschlag
an die politische Leitung hat sich an den Einsatzrealitäten
auszurichten und nicht an dem, was aus Sicht der Berater
politisch angebracht scheint. Nur auf diesen Grundlagen
lassen sich poltische Schlussfolgerungen korrekt ableiten
und Verantwortungen klar verorten. Für die Truppe im
Einsatz sind die erforderlichen Mittel in jeder Hinsicht
bereit zu stellen. Alles, was nicht unmittelbar dem Einsatz
dient, hat zurückzustehen. So lässt sich der erforderliche
finanzielle Spielraum schaffen.
Drucksache 17/7400 – 432 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
B. Gemeinsames Positionspapier „lessons learned“ der SPD-Bundestagsfraktion und der Frakti-
on Bündnis 90/Die Grünen vom 23. September 2011.
Auf der Grundlage der in der Beweisaufnahme gewonne-
nen Erkenntnisse sind Schlussfolgerungen für die Zukunft
zu ziehen („lessons learned“). Hier bestehen zum einen
Nachsteuerungsnotwendigkeiten auf Seiten der Bundesre-
gierung (I.), zum anderen aber auch möglicher gesetzge-
berischer Handlungsbedarf (II.).
I. Handlungsbedarf auf der Ebene der Bun-
desregierung
1. Im Bereich der nationalen Einsatzvorgaben
des ISAF-Mandats
Die Bundesregierung wird aufgefordert zu erklären, ob
die von ihr immer wieder betonte Geltung des Grundsat-
zes der Verhältnismäßigkeit bei der militärischen Gewalt-
anwendung durch deutsche Soldatinnen und Soldaten und
das dadurch bedingte nationale Verbot „gezielter Tötun-
gen“ weiterhin Geltung hat oder ob die Bundesregierung
das ISAF-Mandat des Bundestages inzwischen so ver-
steht, dass sich die Bundeswehr auch verstärkt an geziel-
ten offensiven Vernichtungsangriffen gegenüber vermute-
ten Taliban außerhalb konkreter Selbstverteidigungs- oder
Nothilfesituationen im Sinne einer präventiven „Liquidie-
rung“ beteiligen soll.
2. Im Bereich der „Task Force 47“
Die Beweisaufnahme hat eine problematische Vermen-
gung der Aufgaben von Task Force 47 und PRT erkenn-
bar werden lassen. Die Bundesregierung wird deshalb
aufgefordert,
– Maßnahmen zu ergreifen, um eine klare Trennung
zwischen den Aktivitäten der Task Force 47 und den
Aufgaben der PRTs zu bewirken und eine den Vor-
gaben des NATO-Operationsplans widersprechende
Vermengung der Aufgaben und Befugnisse der Task
Force mit denen des PRT zukünftig zu vermeiden.
Dabei ist der neuen PRT-Struktur Rechnung zu tra-
gen.
– dauerhaft sicherzustellen, dass die PRTs über eine
aufgabengerechte technische Ausstattung verfügen,
so dass keinesfalls mehr ein Rückgriff auf Gefechts-
stände und Personal der Task Force für PRT-Einsätze
erfolgt.
3. Im Bereich der technischen Ausstattung
der Bundeswehr in Auslandseinsätzen
Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, das Perso-
nal für die Bedienung der unbemannten Luftfahrzeuge
(UVA) aufzustocken, um deren Schichtfähigkeit zu ga-
rantieren.
4. Im Bereich des Militärischen Nachrichten-
wesens der Bundeswehr
Die Beweisaufnahme hat eine Vielzahl von Defiziten im
Umgang der beteiligten Soldaten mit der zentralen men-
schlichen „Kontaktperson“ erkennbar werden lassen.
Die Bundesregierung wird deshalb – unabhängig von der
aktuellen Debatte über die mögliche Auflösung des MAD
– aufgefordert,
– Maßnahmen zu ergreifen, um die bestehenden Ver-
fahren der Führung menschlicher Kontakte im Be-
reich des Militärischen Nachrichtenwesens der Bun-
deswehr grundlegend zu überprüfen.
– Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbildung und
Kontrolle der Feldnachrichtenkräfte im Bereich der
Führung von HUMINT-Kontakten, insbesondere in
Bezug auf die Verfahren der Informationsübermitt-
lung an den militärischen Entscheider im Rahmen
operativer Unterstützungshandlungen, die Verfahren
der zielgerichteten Gesprächsführung und die Vorga-
ben zur Analyse und Bewertung von Informationen
von HUMINT-Quellen zu verbessern. Hierzu gehört
auch die Bereitstellung ausreichend qualifizierter und
zuverlässiger Sprachmittler.
– Maßnahmen zu ergreifen, um die Koordinierung
innerhalb des Militärischen Nachrichtenwesens sowie
seine fachaufsichtliche Kontrolle einer umfassenden
Überprüfung durch das Bundesministerium der Ver-
teidigung und – soweit der BND betroffen ist – das
Bundeskanzleramt zu unterziehen.
– Vorschläge zu erarbeiten, wie die parlamentarische
Kontrolle des Militärischen Nachrichtenwesens der
Bundeswehr zukünftig ohne Beeinträchtigung der
Einsatzfähigkeit der Bundeswehr verbessert werden
kann.
5. Im Bereich der Aus- und Fortbildung
Die Beweisaufnahme hat eine Vielzahl von Verstößen
gegen die ISAF-Einsatzregeln und gegen nationale Vor-
gaben im Zusammenhang mit dem konkreten Waffenein-
satz sowie hinsichtlich der richtigen völkerrechtlichen
Bewertung von Konfliktlagen im Einsatz erkennbar wer-
den lassen. Die Bundesregierung wird deshalb aufgefor-
dert,
– Maßnahmen zu ergreifen, um im Rahmen des
Rechtsunterrichts eine nachhaltige Verbesserung von
Aus- und Fortbildung der Soldatinnen und Soldaten
hinsichtlich des Verstehens und der korrekten An-
wendung der bindenden Rules of Engagement der
NATO sowie der nationalen Einsatzvorgaben zu er-
wirken.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 433 – Drucksache 17/7400
– Maßnahmen zu ergreifen, um den Soldatinnen und
Soldaten die wichtigsten verfassungs- und völker-
rechtlichen Rahmenbedingungen so verständlich zu
machen, dass sie sich mühelos im täglichen Einsatz
daran orientieren können.
– Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass
alle an einer militärischen Operation beteiligten Sol-
datinnen und Soldaten in Kenntnis der zur Anwen-
dung kommenden Einsatzregeln handeln.
– Maßnahmen zu ergreifen, um die zwingende Not-
wendigkeit der Einbeziehung des Rechtsberaters in
Fällen des geplanten Einsatzes militärischer Gewalt
wirksam zu vermitteln.
– sicherzustellen, dass ein solcher ausgebildeter
Rechtsberater jederzeit als Ansprechpartner verfüg-
bar ist.
6. Im Bereich der „Inneren Führung“
Die Beweisaufnahme hat verdeutlicht, dass die Prinzipien
der „Inneren Führung“ im Kontext von Auslandseinsätzen
der Bundeswehr und im Rahmen von multilateralen Ope-
rationen der Nachbesserung bedürfen. Die Bundesregie-
rung wird deshalb aufgefordert,
– Maßnahmen zu ergreifen, um den Prinzipien der
„Inneren Führung“ wieder mehr Geltung zu verschaf-
fen und „Zivilcourage“ im Umgang mit Vorgesetzten
zu befördern.
– die Grundsätze der „Inneren Führung“ in Hinblick
auf die besonderen Bedingungen im Auslandseinsatz
weiterzuentwickeln: Die Ausbildungsinhalte zur „In-
neren Führung“ müssen hinsichtlich ihres Umfangs
und ihrer Praxistauglichkeit unter den Bedingungen
von Auslandseinsätzen hinterfragt und gegebenen-
falls überarbeitet werden.
– sicherzustellen, dass den Soldatinnen und Soldaten
der Bundeswehr im Rahmen eines speziellen Trai-
ningsangebotes vermittelt wird, was mitdenkender
Gehorsam bedeutet, wie Soldatinnen und Soldaten
von ihrem Recht, Befehle infrage zu stellen, Ge-
brauch machen können, und wie die Grundsätze der
Inneren Führung in kritischen Situationen umgesetzt
werden.
7. Im Bereich der Zusammenarbeit zwischen
militärischem und zivilem Teil der PRTs
Die Beweisaufnahme hat erhebliche Defizite in der Zu-
sammenarbeit zwischen zivilem und militärischem Teil
der PRTs erkennbar werden lassen. Ein Grund ist das
unausgewogene Verhältnis zwischen der zivilen und
militärischen Präsenz vor Ort. Obwohl der zivile Leiter
eines PRT formal gleichberechtigt mit dem militärischen
Leiter ist, wird er nur von wenigen Personen unterstützt.
Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert,
– den zivilen Strang personell zu stärken.
– sicherzustellen, dass der Informationsaustausch zwi-
schen ziviler und militärischer Leitung der PRTs zu-
künftig so verbessert wird, dass der zivile Leiter nicht
mehr auf Informationserlangung aus öffentlichen
Quellen angewiesen ist, um von wesentlichen militä-
rischen Vorgängen im PRT Kenntnis zu erlangen.
8. Im Bereich der Verwaltung des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung
Die Bundesregierung wird aufgefordert,
– die Koordinierung und die Kommunikationswege im
Rahmen des Krisenmanagements im Bundesverteidi-
gungsministerium im Hinblick auf die hohe Belas-
tung der Bundeswehr durch Auslandseinsätze zu ver-
bessern.
– sicherzustellen, dass Pressestab und militärischen
Fachabteilungen zukünftig nicht weiter planlos nebe-
neinander agieren, sondern koordiniert und abge-
stimmt die Öffentlichkeit zeitnah und wahrheitsge-
treu informieren.
– sicherzustellen, dass den Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern des Presse- und Informationsstabes des
BMVg ausreichende Kommunikationsmittel zur Ver-
fügung gestellt werden, wie zum Beispiel Mobiltele-
fone mit Internetzugang.
– einen verbesserten, ehrlicheren Umgang des Bun-
desministeriums der Verteidigung bei Unterrichtun-
gen des Parlaments - nicht nur in Bezug auf Quanti-
tät, sondern vor allem auch bezüglich der Qualität der
Informationen - sicherzustellen und dabei insbeson-
dere auch die Unterrichtung über die Einsätze von
Spezialkräften zu verbessern.
– sicherzustellen, dass schwere Verstöße gegen natio-
nale und internationale Einsatzvorgaben durch Solda-
tinnen und Soldaten angemessen disziplinarisch un-
tersucht werden und vergleichbare dienstrechtliche
Konsequenzen nach sich ziehen wie andere Dienst-
pflichtverstöße.
9. Im Bereich des Bundesministeriums der
Justiz
Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Bundesminis-
terium der Justiz zu prüfen, inwiefern die im Untersu-
chungsausschuss gewonnenen Erkenntnisse es notwendig
machen, beim Generalbundesanwalt darauf hinzuwirken,
dass dessen Verfahren gerade in Fällen mit derartig offen-
sichtlicher Präzedenzwirkung zukünftig den Ansprüchen
an gründliche, wirksame und effektive Ermittlungen bes-
ser entsprechen als es die Einstellungsverfügung des Ge-
neralbundesanwalts im vorliegenden Fall erkennen lässt.
10. Im Bereich des Bundeskanzleramtes
Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Mängel in der
Koordination zwischen der für Außen- und Sicherheitspo-
Drucksache 17/7400 – 434 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
litik zuständigen Abteilung 2 und der für die Aufsicht
über die Nachrichtendienste zuständigen Abteilung 6 des
Bundeskanzleramtes aufzuarbeiten und zu beseitigen.
Die Bundeskanzlerin wird aufgefordert, zukünftig ihrer
Führungsverantwortung als Regierungschefin bei derart
schwerwiegenden und folgenreichen Vorfällen von inter-
nationaler Bedeutung besser gerecht zu werden und den
von ihr öffentlich in Aussicht gestellten Maßnahmen zur
Aufklärung und zur Übernahme von Verantwortung für
deutsche Fehler auch Taten folgen zu lassen.
II. Handlungsbedarf auf der Ebene des Ge-
setzgebers
Neben den Nachsteuerungsnotwendigkeiten bei Bundes-
wehr und Bundesregierung hat sich im Rahmen der Be-
weisaufnahme auch Handlungsbedarf auf der Ebene des
Gesetzgebers gezeigt:
– Die erkannte Lücke im System der parlamentarischen
Kontrolle des Bereichs des Militärischen Nachrich-
tenwesens der Bundeswehr muss geschlossen wer-
den.
– In diesem Zusammenhang sollte durch den Gesetz-
geber erwogen werden, das Militärische Nachrich-
tenwesen unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicher-
heit auf eine eigene gesetzliche Grundlage zu stellen.
– Auch im Bereich der Strafverfolgung von Bundes-
wehrangehörigen im Zusammenhang mit Auslands-
einsätzen der Bundeswehr besteht gesetzgeberischer
Diskussionsbedarf: Aus Gründen der Rechtssicher-
heit sollte die Frage der Verfolgungszuständigkeit
des Generalbundesanwalts auch für die Verfolgung
von Straftaten nach allgemeinem Strafrecht im Zu-
sammenhang mit völkerstrafrechtlichen Sachverhal-
ten einer gesetzlichen Klärung zugeführt werden.
– Zudem sollte – auch zur Klarstellung für die Solda-
tinnen und Soldaten der Bundeswehr – geprüft wer-
den, wie das militärische Handeln deutscher Solda-
tinnen und Soldaten, insbesondere auch im Rahmen
von Auslandseinsätzen, auf eine klarere rechtliche
Grundlage, eventuell auch im Rahmen eines Bun-
deswehraufgaben- bzw. Streitkräfteeinsatzgesetzes,
gestellt werden kann.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 435 – Drucksache 17/7400
C. „Lessons Learned“ der Fraktion DIE LINKE.
Die Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen der
Fraktion DIE LINKE. sind Teil ihres Sondervotums (sie-
he oben S. 358 ff.).
Drucksache 17/7400 – 436 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
D. Protokoll über die 57. Sitzung des Untersuchungsausschusses
Auszug aus dem Kurzprotokoll der 57. Sitzung des Ver-
teidigungsausschusses als 1. Unterdsuchungsausschuss
gem. Art. 45a Abs. 2 GG – zugleich 100. Sitzung des
Verteidigungsausschusses – am Mittwoch, dem
28. September 2011, Punkt 1 der Tagesordnung „Lessons
Learned“:
Die Vorsitzende erinnert daran, dass in der Sitzung am
6. Juli 2011 beschlossen worden sei, die gewonnenen
Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der umfangrei-
chen Untersuchungsarbeit in den vergangenen fast zwei
Jahren zusammenzutragen und deren Umsetzungsmög-
lichkeiten zu evaluieren. In der heutigen Beratung solle
herausgearbeitet werden, wie das Ergebnis der Untersu-
chung in die weitere Arbeit des Verteidigungsausschusses
einfließen bzw. umgesetzt werden könne.
Hierzu lägen die Bewertungen der Mehrheit sowie die
Sondervoten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Für die heutige Sit-
zung sei den Mitgliedern des Ausschusses ein gemeinsa-
mes „Diskussionspapier“ der Fraktionen der SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Beratungsunterlage 17-
315 zugegangen. Ein entsprechendes Papier der Koaliti-
onsfraktionen liege als Tischvorlage (Beratungsunterlage
17-316) vor. Weiter stehe der Generalinspekteur der Bun-
deswehr, General Wieker, zur Verfügung. Dieser sei heute
nicht als Zeuge oder Sachverständige geladen, sondern als
Vertreter der Bundesregierung anwesend. Sie habe ihn
gebeten, aus seiner Sicht darzustellen, was seitens des
Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundes-
wehr aus dem Luftangriff von Kunduz am 4. September
2009 für Schlüsse gezogen worden seien, welche Miss-
stände identifiziert und welche davon gegebenenfalls
bereits abgestellt worden seien. Schließlich sei Abg.
Siegfried Kauder eingeladen, seine Vorschläge zu einem
zielführenden Umgang mit Geheimnissen in Untersu-
chungsausschüssen vorzustellen.
Die Vorsitzende stellt Einvernehmen her, dass zunächst
die Fraktionen der Stärke nach darstellen, welche Lehren
aus ihrer Sicht aus den Untersuchungen zu ziehen seien
und dann der Generalinspekteur der Bundeswehr das
Wort erhalte. Anschließend werde der Umgang mit Ge-
heimnissen behandelt.
Die Vorsitzende stellt des weiteren Einvernehmen her,
das Kurzprotokoll über die heutige Sitzung auszugsweise
dem Bericht als Anhang beizufügen.
I. Bericht der Fraktionen
Abg. Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU) erklärt, dass im
Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Luft-Boden-
Einsatzes am 4. September 2009 in Kunduz den Mitglie-
dern der Bundesregierung kein Vorwurf gemacht werden
könne. Insbesondere Bundeskanzlerin Dr. Merkel sowie
die Bundesminister Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg
hätten sachgerecht gehandelt und Parlament und Öffent-
lichkeit entsprechend ihres jeweiligen Informations-
standes umfassend informiert. Die von der Opposition
erhobenen Vorwürfe hätten sich allesamt als haltlos er-
wiesen. Auch etwaige Verschwörungstheorien im Zu-
sammenhang mit einer vermeintlichen Beteiligung der
Task Force 47, des Bundesnachrichtendienstes oder ande-
rer Geheimdienste hätten sich nicht bestätigt. Der Bun-
desnachrichtendienst habe nicht gegen geltendes Recht
verstoßen.
Unklarheiten bei ministeriellen Zuständigkeiten seien
durch Aufhebung redundanter Strukturen im Bundesmi-
nisterium der Verteidigung im Zuge der Bundeswehrre-
form beseitigt worden. Künftig werde die Kommandolinie
aus dem Einsatz stringent auf den Generalinspekteur der
Bundeswehr zulaufen, der gegenüber dem Minister ver-
antwortlich sei. Durch die Eingliederung des Einsatzfüh-
rungsstabes in die reguläre Ministerialstruktur sei auch im
Bereich der Führung die Redundanz zum Einsatzfüh-
rungskommando aufgehoben worden.
Der Luftangriff vom 4. September 2009 sei militärisch
nicht angemessen gewesen, was dem Wissensstand des
Kommandeurs über das Geschehen auf der Sandbank
geschuldet sei. Den Einsatzes habe Oberst Klein aus dem
beengten Gefechtsstand der Task Force 47 geführt, weil
dieser über eine modernere Gefechtstechnik verfügte als
der originäre PRT-Gefechtsstand. Dies habe zur Folge
gehabt, dass der Kommandeur nicht über den vollen Bera-
terstab verfügt habe, sondern ihm lediglich einige Ange-
hörige seines Stabes zur Verfügung gestanden hätten. Die
erprobten und eingespielten Verfahren des PRT-Stabs,
insbesondere die Beratung des Kommandeurs durch seine
Stabsoffiziere, hätten unter diesen Umständen nicht ab-
laufen können. Die schlechtere technische Ausstattung
des PRT-Gefechtstandes habe den militärischen Führer
vor Ort somit in seiner Führungsfähigkeit entscheidend
eingeschränkt. Künftig sei deshalb aus Sicht der Regie-
rungskoalition darauf zu achten, dass der für einen Ein-
satzraum verantwortliche Kommandeur in seinem Ge-
fechtstand über mindestens die gleichen technischen Fä-
higkeiten verfügt, wie die eingesetzten Spezialkräfte.
Zur Herstellung eines umfassenden Lagebildes bedürfe es
des Rückgriffs auf unterschiedliche Aufklärungsmittel. Im
Fall des Luftangriffs sei die Nutzung der HUMINT-
Kräfte die wesentliche Informationsquelle des Komman-
deurs gewesen. Zwar hätte die Informationsübermittlung
von der HUMINT-Quelle vor Ort über den Operator bis
hin zum Kommandeur technisch besser gestaltet werden
können, jedoch habe sich das Verfahren insgesamt be-
währt und auf menschliche Quellen könne nicht verzichtet
werden. Die Bundeswehr sei abhängig von nicht-
nationalen Aufklärungsmitteln vor Ort. Nationale Ausklä-
rungsmittel hätten nicht zur Verfügung gestanden oder
seien für einen Nachteinsatz ungeeignet gewesen. Das
Bundesministerium der Verteidigung habe inzwischen mit
der Einführung des unbemannten Ausklärungssystems
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 437 – Drucksache 17/7400
HERON-1 diese Fähigkeitslücke geschlossen und somit
das deutsche Einsatzkontingent mit einer deutlich gestei-
gerten nationalen Ausklärungsfähigkeit bei Tag und
Nacht versehen.
Oberst Klein habe nicht über adäquate nationale Wirkmit-
tel verfügt. Er sei gezwungen gewesen, die ISAF-
Flugzeuge vor Ort zu halten, um bei Lageverschärfung
einen Waffeneinsatz befehlen zu können. Eine frühzeitige
Einflussnahme oder eine Deeskalation durch mildere
Mittel, z.B. Einsatz von Artillerie oder Kampfhubschrau-
bern, sei ihm verwehrt gewesen. Er habe lediglich die
Alternative zwischen Untätigkeit und Luftangriff gehabt.
Der Mangel an Eskalationspotential habe nicht zu einer
Entspannung der Lage, sondern zu einer sich ständig
zuspitzenden Bedrohung des Kontingents und des Feldla-
gers geführt. Durch den Einsatz der Panzerhaubitze 2000
und des Schützenpanzers MARDER ab Frühjahr 2010
habe das Eskalationspotenzial des deutschen Einsatzkon-
tingents gesteigert und der operative Handlungsspielraum
zurückgewonnen werden können.
Insgesamt sei die Ausbildung zu verbessern. Die Bun-
deswehr habe bereits die Ausbildung der JTAC in
Deutschland umgestaltet.
Pannen habe es im Bundesministerium der Verteidigung
bei der Informationsarbeit gegeben. Auch hier seien die
notwendigen Schlussfolgerungen gezogen worden. Erfor-
derlich sei jeweils die richtige Mischung aus „Belastbar-
keit der bereitgestellten Informationen“ und „größtmögli-
cher Schnelligkeit“. Die Information des Parlaments sei in
den letzen Monaten deutlich verbessert worden. Zukünf-
tig vorstellbar sei, dass die Obleute über Operationen der
KSK nach deren Beendigung unterrichtet werden. Die
Information der Öffentlichkeit sei im konkreten Fall ver-
besserungswürdig gewesen.
Zum Papier der Oppositionsfraktionen sei anzumerken,
dass Begriffe, wie „präventive Liquidierung“ oder „offen-
sive Vernichtungswaffen“ in aller Schärfe zurückzuwei-
sen seien. Es stelle sich die Frage, welchen Charakter die
Oppositionsfraktionen dem Einsatz zuzubilligen gedäch-
ten. Wer sich zu dem Einsatz bekenne, könne nicht so tun,
als handle es sich um einen Hilfseinsatz eines grünangest-
richenen technischen Hilfswerks.
Auf der anderen Seite gebe es eine Reihe gemeinsamer
Forderungen von Koalition und Opposition. Seine Frakti-
on strebe an, diese Gemeinsamkeiten in einem Lessons
Learned-Papier zusammenzufassen.
Unterstützenswert sei die Forderung der Oppositionsfrak-
tionen sicherzustellen, dass die PRTs über eine aufgaben-
gerechte technische Ausstattung verfügen, sodass ein
Rückgriff auf Gefechtsstände und Personal der Task For-
ce für PRT-Einsätze nicht mehr erfolge. Dies gelte unab-
hängig von dem Umstand, dass eine Vermischung der
Aufgaben von PRT und Task Force 47 im konkreten Fall
nicht stattgefunden habe. Auch die Forderung, das Perso-
nal für die Bedienung der unbemannten Luftfahrzeuge
aufzustocken, um deren Schichtfähigkeit zu gewährleis-
ten, werde von seiner Fraktion unterstützt.
Im Bereich des militärischen Nachrichtenwesens der
Bundeswehr teile seine Fraktion die Auffassung, dass die
Bereitstellung ausreichend qualifizierter und zuverlässiger
Sprachmittler sichergestellt sein müsse.
Zum Abschnitt Aus- und Fortbildung im Oppositionspa-
pier sei anzumerken, dass die Verstöße gegen die Einsatz-
regeln bereits im COM ISAF-Bericht aufgeführt gewesen
seien und die militärische Führung daraufhin entspre-
chende Maßnahmen getroffen habe. Der Forderung, die
Aus- und Fortbildung der Soldaten hinsichtlich des Ver-
stehens und der korrekten Anwendung der bindenden
Rules of Engagement der NATO sowie der nationalen
Einsatzregeln zu verbessern, stehe man ebenfalls aufge-
schlossen gegenüber. Insbesondere der Rechtskundeunter-
richt und die Staatsbürgerkunde seien zu intensivieren.
Allerdings verallgemeinere die Opposition zu sehr, ent-
sprechende Schulungen seien auch in der Vergangenheit
durchgeführt worden.
Das gelte im Prinzip auch für den Bereich der Inneren
Führung. Es sei immer zu begrüßen, den Prinzipien der
Inneren Führung Geltung zu verschaffen, den mitdenken-
den Gehorsam und die Zivilcourage im Umgang mit Vor-
gesetzten zu befördern. Eine Überprüfung der Grundsätze
der Inneren Führung am konkreten Fall, hier: des Luft-
schlages von Kunduz, sei allerdings wenig hilfreich. Letz-
tlich müsse für eine Überprüfung ein positiver Ansatz
gefunden werden.
Die Forderung im Oppositionspapier nach einer verbes-
serten Zusammenarbeit zwischen dem militärischen und
dem zivilen Teil der PRTs sei zuzustimmen. Mit dem
Bundesministeriums der Verteidigung sei eine gemeinsa-
me Position zur Verbesserung der Kommunikationswege
möglich.
Überflüssig sei der Tadel an der Bundesanwaltschaft.
Fragwürdig hingegen sei der mangelnde Ermittlungswil-
len der Staatsanwaltschaft in Bezug auf den begangenen
Geheimnisverrat.
Falsch sei die Aufforderung an die Bundeskanzlerin, ihrer
Führungsverantwortung als Regierungschefin gerecht zu
werden. Sie nehme ihre Führungsverantwortung wahr.
In Bezug auf die parlamentarische Kontrolle sei gesetzge-
berischer Handlungsbedarf nicht erkennbar. Handlungs-
bedarf gebe es für den Gesetzgeber jedoch bei der Set-
zung des rechtlichen Rahmens für die Einsätze, insbeson-
dere für die Strafverfolgung. Die Handlungs- und Rechts-
sicherheit der Soldaten im Einsatz müsse gestärkt werden.
Abg. Rainer Arnold (SPD) plädiert dafür, die für die
heutige Sitzung erstellten Positionspapiere von Koalition
und Opposition in ihrer derzeitigen Fassung gemeinsam
mit dem Protokoll über diese Sitzung zu veröffentlichen.
Ungeachtet dessen gebe es eine Reihe von Punkten, bei
denen seine Fraktion mit den Koalitionsfraktionen über-
einstimme.
Den Ausführungen des Abg. Ernst-Reinhard Beck zur
Task Force 47 und den entsprechenden Verschwörungs-
theorien sei zuzustimmen. Schon das Ausräumen dieser
Drucksache 17/7400 – 438 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Vorwürfe hätten dem Untersuchungsausschuss seine
Berechtigung gegeben.
Unschlüssig sei die Behauptung, Bundesminister Dr.
Jung und Freiherr zu Guttenberg hätten sachgerecht ge-
handelt. Wäre dem so, stellte sich die Frage, warum die
Bundeskanzlerin intervenieren musste, damit Dr. Jungs
öffentliche Äußerungen korrigiert wurden, und warum zu
Guttenberg seine Bewertung des Luftschlages änderte
ohne dies begründen zu können.
Die Feststellung der Koalitionsfraktionen, die entspre-
chenden Gremien seien voll umfänglich und korrekt in-
formiert worden, treffe nicht zu. Auch habe sich die Pra-
xis zur Unterrichtung des Parlaments nicht verbessert,
weder zum Positiven noch zum Negativen. Zutreffend sei,
dass es bei der Unterrichtung des Parlaments einen Ziel-
konflikt zwischen der Schnelligkeit der Unterrichtung und
der Belastbarkeit der übermittelten Informationen gebe.
Inzwischen erhalte der Ausschuss zwar unmittelbar E-
Mails aus dem Einsatzführungskommando. Dafür sei jetzt
der Staatssekretär nicht mehr eingebunden. Wichtig sei
seiner Fraktion, dass spätestens nach Abschluss einer
Operation der Spezialkräfte der gesamte Verteidigungs-
ausschuss über das Wesentliche unterrichtet werde.
Die Nutzung einer fremden Operationszentrale durch
Oberst Klein sei kein hinreichender Grund gewesen, auf
die Beteiligung seiner gesamten Berater zu verzichten.
Jedenfalls der Rechtsberater hätte hinzugezogen werden
müssen. Erfreulich sei die Verbesserung der Zuständig-
keiten im Bundesministerium der Verteidigung und die
klare Trennung der Verantwortlichkeiten der Task Force
47 einerseits und der PRT-Führung andererseits. Damit
entfalle auch ein Bedürfnis für eine gemeinsame Operati-
onszentrale. Schon aus mentalen Gründen sei es zweck-
mäßig, wenn jemand, dessen Auftrag der Wiederaufbau
sei, nicht auch gleichzeitig Gefechte führen müsse.
Nicht richtig sei, dass Oberst Klein keine Aufklärungsmit-
tel zur Verfügung gestanden hätten. Vielmehr sei dieser
der Auffassung gewesen, dass das Bedienpersonal über-
nächtigt gewesen sei und er dieses nicht habe wecken
wollen. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Mast, von
dem aus der Luftschlag aufgenommen wurde, nicht auch
als Aufklärungsmittel genutzt worden sei.
HUMINT-Quellen seien unverzichtbar. Allerdings bewe-
ge sich die Führung menschlicher Quellen durch die Bun-
dewehr in einer „Grauzone“. Im Gegensatz zu den Mitar-
beitern des Bundesnachrichtendienstes seien Bundes-
wehrsoldaten nicht entsprechend ausgebildet, es fehle
eine rechtliche Grundlage und die parlamentarische Kont-
rolle sei nicht gewährleistet.
Zum Thema Innere Führung: Als Ergebnis des Luftschla-
ges von Kunduz müsse untersucht werden, was der „ro-
buste“ Einsatz in Afghanistan in den Köpfen der Soldaten
verändere. Von jungen Soldaten könne nicht erwartet
werden, dass sie sich ohne Probleme zurecht finden in
dem Spannungsverhältnis zwischen Wut auf den angrei-
fenden Gegner und dem Erfordernis, Einsatzregeln, inter-
nationales Recht und das Gebot der Verhältnismäßigkeit
einzuhalten. Politisch geklärt werden müsse, wie offensiv
die Bundeswehr in Afghanistan auftreten solle, etwa ob
die Bundewehr Gegner nur gefangen nehmen oder auch
töten solle. Was die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan
erlebten, passe kaum zusammen mit der Art und Weise,
wie der Einsatz im parlamentarischen Raum in Deutsch-
land diskutiert werde. Vor dieser Frage dürfe sich die
Politik nicht drücken.
Abg. Joachim Spatz (FDP) bestätigt das vom Abg. Rai-
ner Arnold angesprochene Spannungsfeld für die Bun-
deswehrsoldaten. Daraus ergebe sich Handlungsbedarf für
den Umgang mit Soldaten und Veteranen, insbesondere in
Bezug auf Posttraumatische Belastungsstörungen und
andere körperliche und geistige Schädigungen durch den
Einsatz. Der „Kriegseinsatz“ verändere aber auch das
innere Gefüge der Bundeswehr. Inzwischen müsse die
Frage gestellt werden, ob man sich zu Beginn des Einsat-
zes in Bezug auf die formulierte Zielstellung des Einsat-
zes nicht erheblich übernommen habe. Auch dies erkläre
die jetzt zutage getretenen Defizite.
Zu loben seien SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dafür, dass sie in ihrem Papier die „Auftragstaktik“ nicht
in Frage gestellt haben. Im Nachhinein bei Vorliegen aller
Informationen wüssten stets viele sehr genau, was und
wie alles hätte richtig gemacht werden müssen. Im Falle
Kunduz habe daher die Versuchung bestanden, mehr
Fernsteuerung und Kontrolle zu fordern. Dieser Versu-
chung sei der Ausschuss nicht erlegen. Die „Auftragstak-
tik“ habe sich bewährt.
Anders als von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
unterstellt, habe die Beweisaufnahme keine Anhaltspunk-
te dafür ergeben, dass sich deutsche Soldaten an geplan-
ten, gezielten Tötungsoperationen beteiligten.
Im Übrigen verweist der Abg. Joachim Spatz (FDP)
bezüglich der getroffenen Feststellungen sowohl auf den
gemeinsamen Bewertungsteil von CDU/CSU und FDP als
auch auf die dazu getätigten Ausführungen des Obmanns
der CDU/CSU-Fraktion, Abg. Ernst-Reinhard Beck.
Abg. Paul Schäfer (DIE LINKE.) begründet, warum sich
seine Fraktion dem Papier der anderen Oppositionsfrak-
tionen nicht angeschlossen habe. Seine Fraktion wolle die
Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht optimieren, son-
dern beenden. Die Schlussfolgerungen der Fraktion
DIE LINKE. aus dem Luftschlag seien in ihrem Sonder-
votum nachzulesen.
Nach Lektüre des Papiers der Koalitionsfraktionen frage
er sich, was die Umstrukturierung des Einsatzführungs-
kommandos und des Einsatzführungsstabes mit den Vor-
gängen in Kunduz zu tun habe. Der Einsatzführungsstab
habe seinerzeit eine sehr oberflächliche Bewertung des
COM ISAF-Berichts vorgenommen. Ursächlich hierfür
seien keine strukturellen Gründe, sondern politische ge-
wesen. Wenn man zum Ergebnis komme, dass der Minis-
ter falsch beraten worden sei, bedeutet das auf der ande-
ren Seite aber auch, dass er sich habe falsch beraten las-
sen. Nach seiner eigenen Aussage habe er den gesamten
COM ISAF-Bericht gelesen; er hätte also die Möglichkeit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 439 – Drucksache 17/7400
gehabt, entsprechende Defizite in der Beratung zu erken-
nen. Auch eine Verbesserung der Organisationsstrukturen
würde grundsätzliche Defizite nicht beseitigen.
Wichtig sei, inwieweit es eine rechtliche Aufarbeitung
gegeben habe. Beim Luftschlag von Kunduz habe es
eklatante Verstöße gegen das Völkerrecht gegeben. Die
Bundesanwaltschaft sei ihrer Pflicht zur Aufklärung nur
unzureichend nachgekommen. Gleiches gelte für die
disziplinarrechtliche Aufarbeitung durch die Bundeswehr.
Wichtig sei seiner Fraktion der Bereich der Inneren Füh-
rung. Diese sei ein wesentliches Instrument, um in derar-
tigen Szenarien die Einhaltung rechtlicher Vorschriften zu
gewährleisten. Interessant sei, dass die US-
Amerikanischen Piloten vor dem Bombenabwurf Skrupel
gehabt und mehrfach nachgefragt hätten, ob sie eine
Show-Of-Force fliegen sollten, um Opfer unter der Zivil-
bevölkerung zu vermeiden. Dies hätte auch der Maßstab
für die Soldaten der Bundeswehr sein müssen. Die Hal-
tung von Oberst Klein, auf einen Rechtsberater verzichten
zu können, lasse Defizite erkennen.
Die Untersuchung habe gezeigt, dass das militärische
Nachrichtenwesen intensiver parlamentarisch kontrolliert
werden müsse. Die Informationspolitik der Bundeswehr
habe sich strukturell nicht verbessert. Über die Operatio-
nen von Spezialkräften werde das Parlament weiterhin
nur ungenügend unterrichtet; selbst im Nachhinein werde
nur bruchstückhaft informiert.
Nicht entscheidend gewesen sei für die Information der
Öffentlichkeit, ob das Auswärtige Amt oder das Bundes-
verteidigungsministerium für den Afghanistaneinsatz
federführend gewesen sei oder ob es einen Konflikt zwi-
schen dem Kanzlerprinzip und dem Ressortprinzip gege-
ben habe. Ursache für die verfehlte Unterrichtung der
Öffentlichkeit sei vielmehr der Bundestagswahlkampf
gewesen. Gewisse Informationen habe man damals nicht
bekannt werden lassen wollen.
Für die Fraktion DIE LINKE. stehe fest, dass Oberst
Klein einen Riesenfehler begangen habe. Aber die Haupt-
lehre von Kunduz sei es, dass dieser Fehler der gesamten
Einsatzsituation geschuldet sei: Wer Soldaten zur Auf-
standsbekämpfung entsende, müsse mit derartigen Folgen
rechnen. Die Lösung könne daher nur die Beendigung der
Auslandseinsätze und Abzug der Bundeswehr aus Afgha-
nistan sein.
Abg. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
erklärt, unter der Fragestellung „Lessons learned“ gehe es
nicht um die Bewertung der persönlichen Schuld von
Oberst Klein. Entscheidend sei, welcher Handlungsbedarf
sich aus dem Untersuchten ableite. Darauf hätten sich
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Papier
konzentriert.
Unverständlich sei, dass die Koalition den Verzicht von
Oberst Klein auf Beteiligung seines Beraterstabes mit der
Enge in der Operationszentrale erkläre. Das habe Oberst
Klein selbst anders dargestellt. Dieser habe bekundet, er
habe seinen Stab nicht wecken wollen. Beim Thema
Wirkmittel und Deeskalation gehe die Koalition nicht auf
die unterlassene „show of force“ ein. Unschlüssig sei,
dass die Koalition einerseits behaupte, die Bundeskanzle-
rin und Bundesminister Dr. Jung hätten das Parlament
stets entsprechen ihres jeweiligen Informationsstandes
umfassend informiert, andererseits werde behauptet, die
Information des Parlaments sei in den letzten Monaten
deutlich verbessert worden.
Er freue sich, dass es gelungen sei, mit der SPD-Fraktion
ein gemeinsames „Lessons Learned“-Papier zu verfassen.
Unterschiedlicher Auffassung seien diese beiden Fraktio-
nen lediglich in Bezug auf die Task Force 47. Wün-
schenswert wäre es, wenn dieses auch mit den übrigen
Fraktionen gelänge. Das Herausstreichen von Gemein-
samkeiten durch Abg. Ernst-Reinhard Beck lasse Eini-
gungsmöglichkeiten erhoffen. So könnten gemeinsame
Forderungen zur Inneren Führung und zur Ausstattung
der PRTs formuliert werden.
Besonders wichtig seien aus seiner Sicht die vier Punkte
im Papier von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zum gesetzgeberischen Handlungsbedarf, insbesondere
zur Kontrolle des militärischen Nachrichtenwesens und
der Prüfung eines Bundeswehraufgaben- bzw. Streitkräf-
teeinsatzgesetzes.
Abg. Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU) erwidert auf die
Bemerkung von Abg. Omid Nouripour zu der Anführung
des beengten Gefechtsstandes im Koalitionspapier, es sei
ein Unterschied, ob in einem vertrauten Umfeld mit ei-
nem eingespielten Team oder in einem Provisorium gear-
beitet werde. Es sei gegenüber Oberst Klein unfair, diesen
Umstand abzutun. Von Abg. Rainer Arnold erwarte er ein
größeres Verständnis für die Bundeswehrsoldaten in einer
Kriegssituation. Für diese dürfe der Waffeneinsatz nicht
auf Selbstverteidigung oder Nothilfe beschränkt werden.
Das Mandat für die Bundeswehr sei hier sehr eindeutig:
Militärische Gewalt dürfe eingesetzt werden zur Durch-
setzung des Auftrages. Die SPD verfahre nach dem Mot-
to: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Zu
Abg. Paul Schäfer erwidert er, der Generalbundesanwalt
habe für die Bewertung des Verhaltens von Oberst Klein
das Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten
Konflikts angenommen. Auf dieser Grundlage habe er
geprüft, ob ein Kriegsverbrechen in Betracht komme.
Ergebnis sei gewesen, es bestehe kein Anfangsverdacht
für ein Kriegsverbrechen. Damit seien Ermittlungen nicht
erforderlich gewesen. Das sei hinzunehmen. Zu der
Schaffung klarer Verantwortungs- und Zuständigkeitsbe-
reiche erklärt er, für die Unterrichtung der politischen
Ebene sei es von Bedeutung, dass eindeutig sei, ob die
politische Führung über das Einsatzführungskommando
oder über den Einsatzführungsstab unterrichtet werde.
Zum Vorschlag des Abg. Omid Nouripour eines gemein-
samen „lessons learned“-Papiers erklärt er, er sei bereit,
an der Erstellung eines gemeinsamen Forderungskatalo-
ges aller Fraktionen mitzuarbeiten. Hierzu solle sich die
Arbeitsebene ein weiteres Mal zusammensetzen.
Abg. Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) erwidert zu Abg.
Ernst-Reinhard Beck, der Deutsche Bundestag habe kein
Drucksache 17/7400 – 440 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Mandat zu Kriegsführung erteilt, sondern zur Hilfe in
einer besonderen Situation, in der die Bundeswehr weder
Kriegs- noch Bürgerkriegspartei sei. Der Formulierung
einer gemeinsamen abschließenden Bewertung gegenüber
sei er skeptisch, solange die Koalition an der Position
festhalte: Der Bombenabwurf war falsch, aber alles was
dazu geführt hat, war richtig. Dieses Fazit funktioniere
nicht.
Der Nutzen dieses Untersuchungsausschusses sei daran zu
messen, ob auch in der Bundeswehr gesehen werde, dass
man durch die Untersuchung klüger geworden ist. Oberst
Klein habe mit seiner Aussage erheblich dazu beigetra-
gen, aus dem Vorfall lernen zu können. Beruhigend sei,
dass auch er der Auffassung sei, im Ergebnis sei der Luft-
angriff ein Fehler gewesen. Dass die militärische Rationa-
lität und die politische Bewertung am Ende nicht ausei-
nanderfielen, sei die notwendige Voraussetzung dafür,
dass die Erfahrungen aus dem Luftschlag für die Zukunft
handlungsleitend werden könnten.
Klar müsse sein, dass jedes militärische Handeln Gegens-
tand einer parlamentarischen Kontrolle sein könne und
einer Bewertung zugänglich sei. Vermieden werden
müssten im Ergebnis jedoch zwei Signale: Weder dürfe
der Eindruck entstehen, dass die Politik der Bundeswehr
den Rücken freihielte, ganz gleich was diese in Afghanis-
tan tue, noch dass sich am Ende keiner mehr traue, militä-
rische Entscheidungen zu treffen.
Abg. Paul Schäfer (DIE LINKE.) bedauert rückblickend,
dass die Ausschussmehrheit die Zulassung der Öffent-
lichkeit bei den Vernehmungen weitgehend verhindert
und damit die größtmögliche Transparenz konterkariert
habe. Es sei anzustreben, die Minderheitsrechte in parla-
mentarischen Untersuchungsausschüssen insgesamt zu
erweitern.
II. Bericht des Generalinspekteurs der Bun-
deswehr
Die Vorsitzende bittet den Generalinspekteur der Bun-
deswehr darzustellen, welche Mängel das Bundesministe-
rium der Verteidigung anlässlich des Luftangriffs von
Kunduz erkannt und gegebenenfalls bereits abgestellt hat.
General Volker Wieker erklärt vorab, er selbst habe sich
zur Zeit des Luftangriffs nicht in Afghanistan befunden.
Den Posten des Chefs des Stabes der ISAF habe er im
Oktober 2009 übernommen. Mit der Begleitung des Un-
tersuchungsausschusses und der Erstellung des Berichtes
sei er nicht befasst gewesen. Der Bericht sei ihm zur
Vermeidung einer Rollenverquickung nicht vorgelegt
worden.
Im Juni 2009 habe General McChrystal das Kommando in
Afghanistan übernommen. Dieser habe eine gründliche
Lagefeststellung veranlasst, die in das „Initial Assess-
ment“ gemündet sei. Dieses „Initial Assessment“ habe
eine Fülle von Unzulänglichkeiten in Struktur und Orga-
nisation sowie in der strategischen Aufstellung von ISAF
zu Tage befördert und Handlungsempfehlungen beinhal-
tet. Der Vorfall in Kunduz habe diesen Prozess seinem
Eindruck nach beschleunigt. Eine wichtige Erkenntnis sei
gewesen, dass das Hauptquartier der ISAF in seiner be-
stehenden Konfiguration überfordert gewesen sei mit der
Führung des täglichen taktisch-operativen Geschäfts.
Daraufhin sei das taktisch-operative ISAF Joint Com-
mand eingeführt worden. Das Combined Strategic Transi-
tion Command unter der Führung der Amerikaner sei in
die NATO-Führung unter der Bezeichnung Nato Training
Mission Afghanistan (NTM-A) eingegliedert worden;
zusätzlich seien unter dem ISAF Headquarter ein Special
Operations Command sowie die so genannte Task Force
435 eingerichtet worden. Letztere habe sich mit der Straf-
verfolgung und dem Strafvollzug in Afghanistan zu be-
schäftigen.
Am 14. November 2009 habe COM ISAF McChrystal die
Überarbeitung der kompletten ISAF-Verfahren und Vor-
schriften angeordnet, um eine verbesserte Handlungssi-
cherheit bei der Anforderung, der Genehmigung und dem
Einsatz von Wirkmitteln aus der Luft zu geben. In diesem
Zusammenhang seien auch Übersetzungsungenauigkeiten
vom Englischen ins Deutsche geprüft worden. Daraufhin
seien in erster Linie die Standard Operating Procedures
(SOP) mit dem Ziel von mehr Eindeutigkeit neu gestaltet
und formuliert worden. Die neuen Vorschriften seien
noch im Dezember 2009 in Kraft getreten. Die im Fall
Kunduz relevanten Einsatzregeln, insbesondere die ROE
421 bis 424 und 429 seien nicht geändert worden. Jedoch
seien die Regelungen zur Anwendung dieser ROE in den
entsprechenden Handlungsrichtlinien (SOP) so angepasst
worden, dass die Vermeidung von Kollateralschäden in
den Vordergrund gestellt worden sei.
Entsprechendes sei in der Region Nord erfolgt. Dort sei
eine unübersichtliche, nicht den militärischen Anforde-
rungen genügende Führungsstruktur, die nicht vorhandene
24/7-Fähigkeit im taktisch-operativen Sinne des Regio-
nalkommandos Nord, die Vermengung operativer Aufga-
ben mit den originären Aufgaben der PRTs im Gesamtan-
satz der Kräfte festgestellt worden. Daraufhin seien die
operativen Kräfte komplett dem Regionalkommando
Nord unterstellt worden. Der gesamte Stab des Regional-
kommandos sei so ausgestattet worden, dass eine voll-
ständige 24/7-Fähigkeit mit redundanten Fernmeldever-
bindungen sichergestellt worden sei. Die PRTs seien auf
ihre originären Aufgaben zurückgeführt worden mit un-
terstellten Sicherungskräften, die nur noch der Eigensi-
cherung dienen. Im Rahmen dieser Neuausrichtung sei es
zur Umsetzung des Konzeptes Joint Fires gekommen,
welches neue Ansätze zur Führung und Leitung von indi-
rektem Feuer und Luftnahunterstützung auf taktischer
Ebene vorsehe.
Die Ausstattung mit Führungsmitteln des Gefechtsstandes
der Task Force 47 sei im September 2009 deutlich besser
gewesen als die des Gefechtsstandes des PRT. Dies habe
sich mittlerweile grundlegend geändert. Inzwischen ver-
fügten alle taktischen Gefechtsstände des deutschen Ein-
satzkontingentes ISAF ab Verbandsebene über eine annä-
hernd gleiche Ausstattung. Eine Anbindung dieser Ge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 441 – Drucksache 17/7400
fechtsstände sei an alle notwendigen Führungsmittel mög-
lich (z. B. full motion video über ROVER). Die Ausstat-
tung mit zusätzlichen Funkgeräten habe sich verbessert.
Inzwischen seien in Afghanistan acht Tactical Air Control
Parties (mobile Elemente zur taktischen Feuerunter-
stützung) personell und materiell einsatzbereit.
Das deutsche Einsatzkontingent habe im September 2009
über taktische luftgestützte Aufklärungsmittel verfügt, die
in Reichweite und Stehzeit deutlich beschränkt gewesen
seien. Das habe insbesondere für die Auflösungs- und
Diskriminierungsfähigkeit sowie für den Einsatz bei
Nacht gegolten. Eine 24/7-Aufklärungsfähigkeit sei da-
mals mit Mitteln des deutschen Einsatzkontingentes nicht
gegeben gewesen. Seit März 2010 sei HERON 1 im Ein-
satzgeschwader stationiert, mit dem eine großflächige
Auflösungsfähigkeit und Aufklärungsfähigkeit bei Tag
und Nacht gegeben sei.
Im September 2009 hätten dem deutschen Kontingent nur
vier Schützenpanzer Marder und drei Mörser als durch-
setzungsfähige Wirkmittel und Mittel zur Feuerunterstüt-
zung zur Verfügung gestanden. Diese seien in den Quick
Reaction Forces gebunden gewesen und hätten dem PRT
Kunduz nicht zur Verfügung gestanden. Inzwischen sei
die Anzahl der Schützenpanzer auf 34 erhöht worden und
es seien fünf Panzerhaubitzen 2000 nach Afghanistan
verlegt worden. Zwei kampfkräftige Ausbildungs- und
Schutzbataillone würden mittlerweise im Raum Kunduz-
Baghlan eingesetzt und stünden auch für operative Hand-
lungen zum Schutze der PRTs – allerdings im operativen
Chain of Command – zur Verfügung.
Bereits nach Auswertung des COM ISAF-Unter-
suchungsberichtes sei als kurzfristige Maßnahme ein
Ausbildungsteam in das Einsatzgebiet entsandt worden.
Auftrag sei die Weiterbildung der betroffenen Führer im
Regionalkommando Nord sowie der ihnen zugeteilten
JTACs in den relevanten Einsatzregeln und Verfahrens-
vorschriften gewesen. Die Ausbildung im Targeting Pro-
cess und die Ausbildung Joint Fire Support sei fester
Bestandteil der einsatzvorbereitenden Ausbildung. Die
entsprechenden ISAF-Dokumente, die den Einsatz von
direktem und indirektem Feuer regelten, seien schon
damals allen Großverbänden zur Verfügung gestellt wor-
den und könnten auch für die allgemeine Truppenausbil-
dung genutzt werden. Um Luftwaffenexpertise sicherzus-
tellen, sei ein so genannter ALO-Pool mit erfahrenen
Stabsoffizieren eingerichtet worden. Diese Stabsoffiziere
stellten als Berater Luftwaffe bei den beiden Manöver-
elementen die fachliche Beratung des Führungspersonals
im Einsatzland sicher. Zum 1. August 2010 sei eine Än-
derung des Tactical Combat Training Programms erfolgt.
Zielsetzung sei die Verbesserung von Verfahren und
Abläufen zur Sicherstellung einer soliden Einsatzausbil-
dung sowie für die Fliegerleitfeldwebel.
Eine Schlussfolgerung aus den Ereignissen des 4. Sep-
tember 2009 sei, dass der parlamentarische Bereich bei
allen bedeutsamen lagerelevanten Ereignissen in den
Einsatzgebieten verzuglos und umfassend zu informieren
sei. Hier habe es eine qualitative Verbesserung gegeben.
Durch die Delegation der Informationsaufgabe an das
Einsatzführungskommando in Potsdam hätte erreicht
werden können, dass die Daten und Fakten zu einem
solchen Ereignis unverzüglich an den Verteidigungsaus-
schuss weitergeben würden. Früher sei eine so genannte
vorläufige Bewertung vorgenommen worden. Ihre Erstel-
lung hätte Zeit in Anspruch genommen und zu Verzöge-
rungen geführt. Eine solche vorläufige Bewertung sei
nach seiner Einschätzung grundsätzlich zweifelhaft, weil
es bei komplexen Gefechtshandlungen außerordentlich
schwierig sei, bereits wenige Stunden oder Tage nach
dem Ereignis ein geschlossenes Bild, das eine vorläufige
Bewertung erlaube, zu erhalten. Daher beschränke sich
das BMVg inzwischen darauf, zunächst ohne eigene
Interpretation Daten und Fakten eines Ereignisses so
verzuglos wie möglich zur Verfügung zu stellen, um
anschließend auf der Grundlage aller Erkenntnisse, die in
der Zeit aufwüchsen, eine eigene Bewertung nachzurei-
chen. Dies erfolge in Form von schriftlichen Unterrich-
tungen.
Bei der Medienarbeit sei auf die Angehörigen besonders
Rücksicht zu nehmen. Versucht worden sei, alle Redun-
danzen und parallelen „Kriechströme“ in der Medienar-
beit, etwa zwischen BMVg und Einsatzführungskomman-
do bzw. innerhalb des BMVg zwischen Leitung und Ge-
neralinspekteur, zu beseitigen.
Auf die Nachfrage des Abg. Ernst-Reinhard Beck nach
Konsequenzen für die Bundeswehrreform erklärt General
Wieker, Deutschland sei im Norden Afghanistans „Rah-
mennation“, die eine Fülle von Verpflichtungen sowohl
für kleinere Truppensteller wie auch für die Amerikaner
übernähme, welche diese nicht wahrnehmen könnten.
Dies reiche von der Bereitstellung eines Hospitals bis zu
der kompletten Führungsorganisation eines Hauptquar-
tiers, die auch zukünftig vorzuhalten sei. Dies erfordere
ein erhebliches Maß an Gefechtsstandinfrastruktur und
die Fähigkeit, internationale Großverbände aufzunehmen,
sowie die Fähigkeit des Stabes zur Aufnahme anderer
Stabselemente.
Abg. Rainer Arnold (SPD) fragt, was mit den Forderun-
gen der Koalition und denen der Opposition aus dem
Ausschuss heraus geschehe. Er erwarte, dass sich die
Bundesregierung mit diesen Punkten auseinandersetze.
Der Ausschuss bittet die Arbeitsebene, bis zur nächsten
Sitzung die von allen Fraktionen erhobenen Forderungen
in einem gemeinsamen Papier zusammenzutragen.
2837
2837) Gesamter Tagesordnungspunkt 1 des Protokolls über die 57.
Sitzung siehe: Dokument 196.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 443 – Drucksache 17/7400
Anhang:
Übersichten und Verzeichnisse
I. Abkürzungsverzeichnis
AA Auswärtiges Amt.
a.a.O. am angegebenen Ort.
ACCE Air Component Coordination Element.
a. D. außer Dienst.
Adm Admiral. Dienstgradgruppe der Bundeswehr.
AFB Air Force Base.
AFCENT U.S. Air Forces Central.
AFG Afghanistan.
AFP Agence France-Presse. Französische Nachrichtenagentur.
ai amnesty international.
AIHRC Afghanistan Independent Human Rights Commission.
AIRMEDEVAC Rettungssystem der Bundeswehr, mit dem verletzte Personen durch Luftfahrzeuge abtranspor-
tiert und medizinisch betreut werden können.
AK-47 Awtomat Kalaschnikowa, obrasza 47. Sturmgewehr.
AL Abteilungsleiter.
ALO Air Liaison Officer. Luftwaffenverbindungsoffizier.
AMC Allied Military Command.
AMIB Allied Military Intelligence Bataillon. Nachrichtendienstliche Einheit der NATO.
ANA Afghan National Army.
ANBw Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (Vorläuferorganisation des Zentrums für Nachrich-
tenwesen der Bundeswehr – ZNBw).
ANP Afghan National Police.
ANSF Afghan National Security Forces.
Anso Afghan NGO Safety Office. Sicherheitsagentur afghanischer und internationaler Nichtregie-
rungsorganisationen in Kabul.
AOI Area of Interest. Über den eigenen Verantwortungsbereich hinausgehender Raum, in dem Infor-
mationen für die eigenen laufenden und künftigen Operationen von Bedeutung sind oder in dem
Ereignisse den Ausgang der laufenden oder künftigen Operationen beeinflussen können.
AOO Area of Operations. Von einem NATO-Commander festgelegter geographischer Raum
(Land/See), der einem (Component) Commander zur Durchführung seines Auftrages zugewiesen
wurde. Die Area of Operations ist ein Teilbereich der Joint Operations Area (JOA) bzw. der
Area of Responsibility (AOR).
AOR Area of Responsibility. Der geographische Raum, der jedem Strategic Command der NATO und
jedem Regional Command des Strategic Command Europe zur Durchführung der Aufgaben zu-
gewiesen ist. Allen anderen NATO Befehlshabern werden für den Einsatz entweder eine Joint
Operations Area oder eine Area of Operations zugewiesen.
ARAGON ISAF-Operation im Raum Kunduz v. September 2009.
ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutsch-
Drucksache 17/7400 – 444 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
land. Verbund öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Deutschland.
ARP Allgemeines Register für politische Sachen. Aktenzeichen der Justiz.
ASOC Air Support Operations Center, Lufteinsatzzentrale. Leitstelle des Red Baron.
Az. Aktenzeichen.
B-1B Lancer Strategic Bomber. Schwerer strategischer Langstreckenbomber. Reichweite: 6,478 nm.
BBC British Broadcasting Corporation. Britische Rundfunkanstalt.
BDA Battle Damage Assessment. Wirkungsanalyse (z. B. Ziel getroffen, Kollateralschäden).
BE22 Bone 22. B1B-Besatzung.
Befh Befehlshaber.
BG Brigadegeneral. Dienstgrad der Bundeswehr (B6, OF-6).
BGBl. Bundesgesetzblatt.
BK Bundeskanzleramt.
BKA Bundeskriminalamt.
BM Bundesminister.
BMVg Bundesministerium der Verteidigung.
BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
BND Bundesnachrichtendienst.
BNDG Bundesnachrichtendienstgesetz. Gesetz über den Bundesnachrichtendienst.
BReg Bundesregierung.
BT Deutscher Bundestag.
BT-Drs. Bundestagsdrucksache.
BT-PlPr. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht.
BVerfSchG Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfas-
sungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Bw Bundeswehr.
CAS Close Air Support. Luftnahunterstützung. Taktischer Einsatz eines Kampfflugzeuges zur direk-
ten Unterstützung eigener oder verbündeter Bodenstreitkräfte.
CAOC Combined Air Operations Centre at Al Udeid (IATA: XJD, ICAO: OTBH).
CCIR Commander‟s Critical Information Requirements.
CDE Collateral Damage Estimate.
CENTCOM US Central Command. Einsatzführungskommando der US Streitkräfte für die Regionen Naher
und Mittlerer Osten, Ostafrika und Zentralasien. Hauptsitz auf der McDill AFB nahe Tampa,
Florida.
CENTCOM/FWD Außenstelle des CENTCOM im Camp As Sayliyah bei Doha, Qatar.
CFC-A Combined Forces Command – Afghanistan. Hauptquartier für die OEF in Afghanistan seit 2003.
Frühere Bezeichnung: CTJF-180.
CHBK Chef des Bundeskanzleramtes. Diese Abkürzung wird auch für das Bundeskanzleramt verwen-
det.
ChdSt Chef des Stabes.
civ. civil.
CIVCAS Civilian Casualties. zivile Opfer.
CJ2X Geheimdienstoffizier der Task Force 47 in Kunduz, Hptm. N.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 445 – Drucksache 17/7400
CJOC Coalition Joint Operations Command.
CJTF Combined Joint Task Force. Bezeichnung für multinationale Kräfte, die teilstreitkraftübergrei-
fend für festumrissene oder auch zeitlich begrenzte Aufgaben zusammengestellt werden, z. B.
„Operation Enduring Freedom”.
CNN Cable News Network. US-amerikanischer Fernsehsender.
COE Course of Action Approval.
COM ISAF Kommandeur der ISAF. 2009: Gen Stanley McChrystal.
COM JFC B Kommandeur Allied Joint Force Command Brunssum. Operativer NATO-Befehlshaber. 2009:
Gen Egon Ramms.
COM RC-N Kommandeur des Regional Kommandos Nord.
COM PRT KDZ Kommandeur des Provincial Reconstruction Team Kunduz, im September 2009: Oberst Klein.
DAND Deutscher Auslandsnachrichtendienst. Bundesnachrichtendienst.
DB Drahtbericht. Schriftlicher Bericht einer deutschen Auslandsvertretung an das Auswärtige Amt,
der verschlüsselt übermittelt wird.
DCG Deputy Commanding General.
DEU Deutschland/deutsch.
Dir Director.
DMPI Designated mean point of impact.
DoD Department of Defence. US-Verteidigungsministerium.
DT Dynamic Targeting.
dt. deutsch.
ECOLOG Militärdienstleister zw. Truppenversorgung in Afghanistian.
EinsFüKdoBw Einsatzführungskommando der Bundeswehr
EFS Einsatzführungsstab.
EKT Einsatzkamerateam.
EMRK Europäische Menschenrechtskonvention.
EOD Explosive Ordnance Disposal. Kampfmittelbeseitigung.
EU Europäische Union.
F-15E McDonnell Douglas F-15E Strike Eagle. Zweisitziges Multifunktionskampfflugzeug.
FAC Forward Air Controller. Fliegerleitoffizier.
FFT Fact Finding Team. Untersuchung unter der Leitung von RAdm Smith 5. und 6. September
2009.
FHT Field HUMINT Team. Feldnachrichtentrupp.
FJg Feldjäger.
FL210 Flight level 21 000 ft. Flugfläche ca. 6 400 m.
FmElo Fernmelde- und Elektronik Aufklärung.
Fm/EloAufkl Fernmelde- und Elektronik Aufklärung.
Fn. Fußnote.
FOB Forward Operating Base.
FODU For Official Use Only. Nur für den Dienstgebrauch.
FOSK Kommando Führung Operationen von Spezialkräften
Drucksache 17/7400 – 446 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
FüS Führungsstab der Streitkräfte.
G 10 Artikel 10-Gesetz.
G/Gen General. Dienstgradgruppe der Bundeswehr.
GBA Generalbundesanwalt/Generalbundesanwaltschaft.
GBU Guided Bomb Unit. Gelenkte Bombe mit Laser- oder TV-Steuerung.
GENIC German National Intelligence Cell.
GG Grundgesetz
GI/GenInsp Generalinspekteur der Bundeswehr
GIRoA Government of the Islamic Republic of Afghanistan.
GK Generalkonsulat.
GMT Greenich Mean Time. Mittlere Sonnenzeit am Nullmeridian. Siehe auch UTC.
GO Geschäftsordnung.
GSB Geheimschutzbeauftragter.
GStA Generalstaatsanwalt/Generalstaatsanwaltschaft.
HNS Host Nation Support. Umfasst alle zivilen und militärischen Unterstützungsleistungen, die ein
Gastgeberstaat (host nation) verbündeten/befreundeten Streitkräften, der NATO, WEU/EU und
ggf. anderen supranationalen oder Non-Governmental-Organisationen (NGO) in Frieden, Krise
und Krieg zur Verfügung stellt, wenn sich diese auf dem Hoheitsgebiet des Gastgeberstaates
aufhalten oder sich im Transit durch diesen befinden. HNS-Leistungen basieren auf NATO-
Bündnisverpflichtungen oder auf bi- bzw. multinationalen Vereinbarungen zwischen Aufnahme-
staat (Gastgeberstaat), Entsendestaat und betroffenen Organisationen.
HQ Headquarter. Hauptquartier.
Hptm Hauptmann. Dienstgrad der Bundeswehr (A11/A12, OF-2).
HptFw Hauptfeldwebel.
HUMINT Human Intelligence. Operative Aufklärung eines Nachrichtendienstes mit menschlichen Quellen.
IAT Initial Action Team (auch: Incident Action Team). Vorgesehen nach SOP 307. Eingesetzt vom
COM ISAF zur Aufklärung des Luftschlags vom 4. September 2009.
IBuK Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt
i.E. im Einsatzland.
IED Improvised Explosive Device.
i. G. im Generalstabsdienst. (Zusatz zu der Dienstgradbezeichnung von Stabsoffizieren in bestimmten
Verwendungen.)
IKRK Internationales Komitee des Roten Kreuzes.
imminent threat unmittelbare Bedrohung.
INCSPOTREP Incident Spot Report.
Ines Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen. Sondereinheit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden.
INF Informant (BND).
INFIL Einschleusen.
INS Insurgents. Aufständische.
IntCom Intelligence Community. Zusammenschluss der 16 Nachrichtendienste der USA.
INTEL Intelligence.
INTSUM Intelligence Summary.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 447 – Drucksache 17/7400
IP-Stab Informations- und Pressestab im Bundesministerium der Verteidigung
IR Infrared Radiation.
IRF Immediate Reaction Force.
ISAF International Security Assistance Force (Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in Afg-
hanistan). Militäreinsatz in Afghanistan zur Unterstützung der gewählten Regierung Afghanis-
tans und zu Herstellung und Aufrechterhaltung eines sicheren Umfeldes in Afghanistan entspre-
chend der Resolution 1386 des Sicherheitsrates vom 20. Dezember 2001 unter Führung der
NATO.
ISAF TOC ISAF Target Operations Cell. Einheit im JOC.
ISR Intelligence, surveillance and reconnaissance. Koordinierte Aktivitäten der US-Streitkräfte im
Bereich Nachrichtendienst, Überwachung und Aufklärung.
ISSN International Standard Serial Number.
i. V. m. in Verbindung mit.
J2 Abteilung für das Militärische Nachrichtenwesen.
J2X Geheimdienstoffizier der Task Force 47 in Kunduz.
J3-Personal Personal zur Führung, Organisation und Ausbildung. Fachleute für die Operationsführung.
JCHAT Joint CHAT.
JFC Brunssum Allied Joint Force Command Brunssum. Eines der drei operativen Hauptkommandos des Allied
Command Operations der NATO mit Sitz in Brunssum, NL. Kommandeur im September 2009:
Egon Ramms.
JIB Joint Investigation Board. NATO-Untersuchungsteam auf der Grundlage von ISAF SOP 302
vom 13. 12. 2008.
JIB-K JIB-Kunduz unter der Leitung von Major-General C. S. „Duff“ Sullivan, das auf Anordnung von
COM ISAF McChrystal vom 8. 9. 2009 bis zum 20. 10. 2009 den NATO-Luftangriff in der Nä-
he der Stadt Kunduz am 4. September 2009 untersuchte.
JOA Joint Operations Area. Definierter geographischer Raum, der einem Joint Force Commander zur
Durchführung des Verbundenen Einsatzes der Streitkräfte zugewiesen wird. Er ist zeitlich be-
grenzt, wird für einen bestimmten Auftrag von einem NATO SC oder RC festgelegt und ist mit
den Nationen und mit dem Nordatlantikrat (NAC) oder dem Militärausschuss (MC) abgestimmt.
Die JOA kann Land-, Luft- oder Seeräume umfassen. In der JOA trägt ein militärischer Führer
die Verantwortung für die Planung und Durchführung eines Einsatzes auf operativer Ebene.
JOC Joint Operations Center. (Kommunikationszentrale des CENTCOM für den Irakkrieg im Camp
As Sayliyah bei Doha, Qatar.) (Synonym für TOC/OpZ).
JPEL Joint Priority Effects List.
JTAC Joint Technical Air Controller. Fliegerleitoffizier. Im PRT KDZ war das OFw W. („Red Baron
20“). Auch: Joint Terminal Attack Controller.
JTAR Joint Tactical Air Strike Requests.
JTF Joint Task Force. Militärische Einheit der US-Streitkräfte.
JTM Joint Targeting Message.
KBL IATA-Code für den Internationalen Flughafen Kabul, Afghanistan.
KDZ Kunduz.
KdoStratAufkl Kommando Strategische Aufklärung (Nachfolgeeinrichtung des Zentrums für Nachrichtenwesen
der Bundeswehr, ZNBw). Dienstelle des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), gehört
zum Streitkräfteunterstützungskommando der Streitkräftebasis (SKB). Zentrale, streitkräftege-
meinsame Kommandobehörde für das Militärische Nachrichtenwesen.
Kdr Kommandeur.
Drucksache 17/7400 – 448 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Kfz Kraftfahrzeug.
KIA Killed in Action. Status eines Soldaten, der für tot erklärt worden ist.
Kp Kompanie.
KRZ Krisenreaktionszentrum Auswärtiges Amt.
KSK Kommando Spezialkräfte. Truppenteil des Heeres für die Durchführung militärischer Operatio-
nen im Rahmen der Krisenvorbeugung und -bewältigung sowie im Rahmen der Landes- und
Bündnisverteidigung. Am 20. 9. 1996 in Dienst gestellt.
KtgtFhr Kontingentführer.
KZO Kleinfluggerät Zielortung. Mit einem Propeller angetriebene unbemannte Aufklärungsdrohne,
welche die Artillerie- und Heeresaufklärungstruppe des Deutschen Heeres zur zeitnahen Zielor-
tung unterstützt.
LEGAD Legal Advisor.
lfd. laufende/n.
Lfg. Lieferung.
LFz Luftfahrzeug.
LKW Lastkraftwagen.
LoC Line of Communication. Hauptverbindungsstraße.
LOStA Leitender Oberstaatsanwalt.
LRB Leitenden Rechtsberater.
MAD Militärischer Abschirmdienst.
MD Ministerialdirektor (B9).
MDg Ministerialdirigent (B6).
Metar Meteorological Aviation Routine Weather Report.
MEZ Mitteleuropäische Zeit.
Mgl. Mitglied.
MGRS Military Grid Reference System.
MilNWBw Militärisches Nachrichtenwesen der Bundeswehr.
MiS Masar-i-Scharif.
MN Meldungsnummer (BND).
MoD Ministry of Defence.
MP Military Police.
MSR Main Security Route.
Mtng Meeting.
NAA National Approval Authority.
NATO North Atlantic Treaty Organization.
NBC National Broadcasting Company. US-Rundfunk- und Fernsehsender.
ND-Lage Nachrichtendienstliche Lage. Wöchentlich stattfindendes Treffen vor der Pr-Runde. Regelmäßi-
ge Teilnehmer: CHBK, StS von AA, BMI, BMJ u BMVg, Präs von BND, MAD, BfV und BKA,
teilweise GBA sowie Beamte aus dem BK.
NDS Afghanischer Geheimdienst.
NGO Non Governmental Organization. Nichtregierungsorganisation.
Nr. Nummer.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 449 – Drucksache 17/7400
NSTR Nothing significant to report.
NVG Night vision goggles. Nachtsichtbrille.
O Oberst. Dienstgrad der Bundeswehr, Stabsoffizier, hD (A16/B3, OF-5).
OCC-P Operations Coordination Centre Provincial. Operationszentrum der Sicherheitsbehörden von
NATO und Afghanen, Kunduz.
OCC-R Operations Coordination Center-Region.
OEF Operation Enduring Freedom. Die Operation hat zum Ziel, Führungs- und Ausbildungseinrich-
tungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor
Gericht zu stellen sowie Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abzu-
halten.
OF-5 NATO Rangcode. Entspricht: Oberst (DEU), Colonel (BE, FRA, UK, USA).
OFw Oberfeldwebel. Dienstgrad der Bundeswehr, Unteroffizier (A7, OR-6).
o. g. oben genannt.
OMF Opposing Military Force.
Op Operation.
OpCen Operationszentrale.
OPCON Operational Control.
Ops Operations.
Opz/OPZ Operationszentrale (Synonym zu JOC/TOC).
Ordn. Ordner.
ORF Operational Reserve Force. Bataillon der operativen Reserve der NATO.
OrgStab Organisationsstab.
OTL Oberstleutnant. Dienstgrad der Bundeswehr, Stabsoffizier, hD (A14/A15, OF-4).
OTS Office of Technical Services.
PAX „persons approximately“ – ungefähre Personenanzahl.
PID Positive Identification.
PIDROF Positive Identification of ROE defined opposing forces.
PKGr Parlamentarisches Kontrollgremium.
PKGrG Parlamentarisches Kontrollgremium Gesetz. Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nach-
richtendienstlicher Tätigkeit des Bundes.
PKW Personenkraftwagen.
PoL Pattern of Life. Lebensgewohnheiten.
PRO COY Protection coy.
Präs Präsident.
PRT Provincial Reconstruction Team. Feldlager.
PRT KDZ Provinzielles Wiederaufbauteam Kunduz. Deutsches Feldlager am Flughafen Kunduz
(OAUZ/UND).
PSt Parlamentarischer Staatssekretär.
PsyOps Psychological Operations.
QRF Quick Reaction Force. Eingreifverband, die taktische Reserve des Kommandeurs einer regiona-
len Verantwortungszone (Regional Area Command, RAC) der ISAF in Afghanistan.
QTR Qatar.
Drucksache 17/7400 – 450 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
RAdm Rear Admiral. Konteradmiral.
RAOCC Regional Air Operation and Coordination Center.
RBStOffz Rechtsberaterstabsoffizier.
RC North Regionalkommando Nord unter der Führung von BG Vollmer, Sitz in Masar-i-Scharif.
RL Referatsleiter.
Rn. Randnummer.
ROE Rules of Engagement. Einsatzregeln. National, multinational oder international für einen be-
stimmten Einsatz festgelegte und zwischen den beteiligten Nationen abgestimmte Richtlinien
und Vorgaben, die das Verhalten der Truppe und die Anwendung von Gewalt sowie von
Zwangsmaßnahmen einschließlich des Waffengebrauchs im Einsatzgebiet regeln. Im gleichen
Einsatzgebiet können Streitkräfte unterschiedlicher Nationen unterschiedlichen ROE unterliegen.
Diese Unterschiedlichkeiten leiten sich aus teils deutlich voneinander abweichenden Rechtsver-
ständnissen ab, die sich in nationalen Vorbehalten niederschlagen können. ROE bezeichnen kei-
ne Aufgaben und geben keine taktischen Anweisungen.
ROVR Remotely Operated Video Enhanced Receiver.
ROZ Restricted Operating Zone. Gefechtszone. Ein großer zylindrischer Luftraum, der von der Erd-
oberfläche bis deutlich über das operierende Luftfahrzeug reicht, von dem alle anderen Luftfahr-
zeuge ausgeschlossen werden.
RPG-7 Rutschnoi Protiwotankowy Granatomjot. Panzerabwehrwaffe.
RTB Return to base.
S. Seite.
SACEUR Supreme Allied Commander Europe. Oberkommandierender des NATO-Hauptquartiers Europa
(SHAPE), gleichzeitig der Kommandeur des US European Command (USEUCOM) und damit
immer ein US-amerikanischer General.
SBU Sensitive But Unclassified Information.
SHAPE Supreme Headquarters Allied Powers Europe. Das Oberstes Hauptquartier der Alliierten Streit-
kräfte in Europa ist eines der beiden militärischen strategischen Hauptquartiere der NATO, wel-
ches als Allied Command Operations (ACO) für alle Einsätze bzw. Operationen der NATO-
Streitkräfte zuständig ist. Geführt wird das Hauptquartier vom Supreme Allied Commander Eu-
rope (SACEUR).
SIAC Single Intelligence Analysis Capacity.
Sigact Significant activities.
SIGINT Signal Intelligence. Nachrichtendienstliche Bezeichnung für Aufklärung mit modernen elektro-
nischen Anlagen zur Erfassung des Fernmeldeverkehrs im Ausland.
SIT-Center Situation-Center (SitCenter), Lagezentrum Joint Force Command Brunssum.
SITCEN Joint Situation Center der EU. Zentrum in Brüssel mit 130 Mitarbeitern zur Unterstützung des
EU-Außenbeauftragten.
SOCOM Special Operations Command. A.k.a. USSOCOM. Teilstreitkräfteübergreifendes Kommando
sämtlicher US-Spezialeinheiten. Hat sein Hauptquartier auf der MacDill Air Force Base nahe
Tampa, Florida (IATA: MCF, ICAO: KMCF).
SOF Show of Force. Demonstration von Stärke (z. B. durch niedrigen Überflug).
sog. so genannt.
SOP Show of Presence. Demonstration militärischer Präsenz.
SOP Standard Operating Procedures. Standard-Einsatzverfahren.
SOP 307 Verfahren und Maßnahmen für den Fall von CIVCAS durch ISAF oder OMF.
SOTAC Special Operations Terminal Attack Controller.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 451 – Drucksache 17/7400
StGB Strafgesetzbuch.
StM Staatsminister.
StPO Strafprozessordnung.
Sts Staatssekretär.
stv stellvertretend.
SVBIED Suicide Vehicle-Borne Improvised Explosive Device. Autobombe.
TB Taliban.
TB Tagesbericht.
TEA Target Engagement Authority.
TF Task Force.
TIC Troops in contact. Feindberührung.
TOC Tactical Operations Center. Taktische Operationszentrale.
TPT Tactical PsyOps Team.
TSK Teilstreitkräfte.
TST Time-sensitive targeting.
u. a. unter anderem.
UN United Nations. Vereinte Nationen.
UNAMA United Nations Assistance Mission in Afghanistan.
US/U.S. United States. Vereinigte Staaten von Amerika.
USCENTCOM US Central Command. Einsatzführungskommando der US Streitkräfte für die Regionen Naher
und Mittlerer Osten, Ostafrika und Zentralasien. Hauptsitz auf der MacDill AFB nahe Tampa,
Florida. Außenstelle im Camp As Sayliyah bei Doha, Qatar.
USEUCOM United States European Command.
UTC Universal Time Coordinated. Koordinierte Weltzeit. Siehe auch GMT.
u. U. unter Umständen.
VerstKr Verstärkerkräfte. Militärjargon für die Task Force 47.
vgl. vergleiche.
VLR I Vortragender Legationsrat Erster Klasse. Dienstgrad im AA (A16/B3).
VN Vereinte Nationen.
Vors Vorsitzende/r.
VS-NfD Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch.
VStGB Völkerstrafgesetzbuch
VTC Video Tele Conference
WDO Wehrdisziplinarordnung.
WIA Wounded in Action.
WSV Weapon System Video.
z. B. zum Beispiel.
ZDF Zweites Deutsches Fernsehen. Öffentlich-rechtliche Sendeanstalt.
ZDv Dienstvorschrift der Bundeswehr.
ZINA Zelle für Informations- und Nachrichtenaufklärung.
Drucksache 17/7400 – 452 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ZNBw Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (Nachfolgeeinrichtung des Amtes für Nachrich-
tenwesen der Bundeswehr – ANBw). Dienststelle des Bundesministeriums der Verteidigung
(BMVg), gehört zur Streitkräftebasis (SKB) der Bundeswehr, deren Inspekteur das ZNBw un-
mittelbar führt, und dient der Zusammenfassung der Aufklärungskapazitäten aller Teilstreitkräfte
der Bundeswehr. Zum 31. 12. 2007 außer Dienst gestellt. Die bis dahin beim ZNBw konzentrier-
ten Aufgaben werden seitdem durch mehrere Dienststellen innerhalb der Streitkräfte weiterge-
führt. Zentrale, streitkräftegemeinsame Kommandobehörde für das Militärische Nachrichtenwe-
sen ist seitdem das Kommando Strategische Aufklärung (KdoStratAufkl).
ZP I Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer
internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II S. 1551).
ZP II Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer
nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II) vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II
S. 1637).
zw zwischen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 453 – Drucksache 17/7400
II. Personenverzeichnis
2838
Amanullah Taliban-Subkommandant von Abdul Rahman.
Antoni, Hans-Erich Generalmajor Bw. Stellv. Chef des Stabs ISAF HQ in Kabul
(DCoS Logistic) vom Oktober 2008 bis zum Dezember 2009.
Atrafi, Mohammed Ka-
rim
Vizechef des NDS im Raum Kunduz.
Bastek, Sabine BMVg. Leiterin Ministerbüro zur Zeit von Bundesminister zu Guttenberg.
Batash, Dr. Mohammadu Vertreter der unabhängigen Behörde für Örtliche Organe, Mitglied der
AFG-Untersuchungskommission.
Baumann, Beate BK. Leiterin Kanzlerbüro.
Bechtold Oberst US. Mitglied des Initial Action Team von BG Teakle.
Beemelmans, Stéphane BK. BüroL ChBK.
B., F. Stabsfeldwebel, Leiter des belgischen Tactical PsyOps Teams (TPT) 2.
Bone 22 Besatzungsmitglieder des am 3. September 2009 durch den JTAC W.
angeforderten B1-Bombers.
Bornemann, Jürgen Generalleutnant, Militärischer Vertreter (DMV) bei der NATO.
Brandenburg, Ulrich Botschafter Bundesrepublik Deutschland bei der NATO.
B., G. Oberst Bw. Kommandeur Kommandoführung Operationen von Spezial-
kräften.
Braunstein, Peter Brigadegeneral. Vormaliger Leiter der Adjutantur BMVg.
B., G. OTL Bw, Feldjägerführer i.E. des 20. Deutschen Einsatzkontingentes,
Militärpolizei in Masar-i-Scharif.
Erstellte am 9. 9. 2009 den sog. Feldjägerbericht.
Buck, Dr. Christian Botschaftsrat, Geschäftsträger a.i. der Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland in Afghanistan.
Bühler, Erhard Generalmajor Bw, ehemaliger Leiter Einsatzführungsstab BMVg.
B., L. OTL US. Kommandeur des 335. Kampfgeschwaders.
2838) Die Dienstbezeichnungen und Funktionen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben ist, auf den Zeitraum des Untersuchungsgegenstandes.
Drucksache 17/7400 – 454 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
B., W. BMVg, R II 2.
Chandrasekaran, Rajiv Mitherausgeber der Washington Post.
C., A. BMVg, Referat R II 3.
Dienst, Christan KzS Bw. Stellv. Leiter Presse- und Informationsstab BMVg und stellv.
Sprecher BMVg.
Dora, Johann-Georg Generalleutnant Bw. Stv. GI.
D., B. Vortragender Legationsrat. Ziviler Leiter des PRT KDZ.
Dude 15 US F-15-Pilot bei der 335. Jagdfliegerstaffel in Bagram AB.
Dude 16 US F-15-Pilot bei der 335. Jagdfliegerstaffel in Bagram AB.
Erfan, Dr. Habibe Mitglied im Provinzrat (Schura) von Kunduz.
Ernst, Thomas KzS, vormaliger Leiter des Sts a. D. Dr. Wichert BMVg
F., S. OFw, HUMINT Operator TF 47.
F., M. HFw BND.
Fritsche, Klaus-Dieter Staatssekretär BMI, davor AL 6 im BK („Bundesnachrichtendienst, Koor-
dinierung der Nachrichtendienste des Bundes“). 1996 bis 2005 VizePräs
BfV.
G., H. Oberst i. G., Leiter Einsatzteam Afghanistan im Einsatzführungsstab des
BMVg.
G., D. OTL, ALO der TF 47, Sitz in Masar-i-Scharif.
G., T. OTL Bw. In Nebenfunktion Rechtsberater des PRT.
Glatz, Rainer Generalleutnant Bw. Leiter Einsatzführungskommando Geltow (bei Pots-
dam).
Gloser, Günter Staatsminister AA bis Oktober 2009.
G., R. OTL Bw. stellv. Kommandeur PRT Kunduz (z. Z. des Luftangriffs
3./4. 9. 2009).
G., M. Oberst i. G., Leiter Referat 222 BK
Guttenberg, Karl-
Theodor Freiherr zu
Bundesminister der Verteidigung von 29. Oktober 2009 bis 3. März 2011.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 455 – Drucksache 17/7400
Hannemann, Andreas
Helmut
BMVg, Planungsstab, Abteilung 4.
Hanning, Dr. August Staatssekretär im BMI von Dezember 2005 bis zum 10. November 2009.
Hartmann, Manfred Flottillenadmiral, Chef des Stabes im Einsatzführungskommando der
Bundeswehr
Heusgen, Christoph Ministerialdirektor. AL 2, BK.
H., A. vormaliger Rechtsberater-Stabsoffizier i.E. 20. DEU EinsKtgt ISAF
J2 PRT Kunduz siehe U. K.
J3 PRT Kunduz siehe K. U.
J2 TF47 siehe T. N.
Jung, Dr. Franz Josef Von 2005 bis 28. 10. 2009 Bundesminister der Verteidigung, danach bis
zum 30. 11. 2009 Bundesminister für Arbeit und Soziales.
Klein, Georg Oberst i. G. Bw.
Kossendey, Thomas Parlamentarischer Staatssekretär BMVg.
K., U. OTL Bw. Abteilungsleiter J2.
Krause, Andreas Konteradmiral. Leiter Einsatzführungsstab im BMVg.
Krause, Malte Leiter des Leitungsstabes und Ministerbüros BMVg.
Kühn, Wofram Vizeadmiral, Stellv. Generalinspekteur und Inspekteur Streitkräftebasis.
Kujat, Harald Ehemaliger Generalinspekteur der Bw.
Lather, Karl-Heinz General, Chef des Stabes SHAPE.
Lauk, Werner Hans Damaliger Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Afghanistan.
McChrystal, Stanley US General. Kommandeur der ISAF (COM ISAF) vom 15. Juni 2009 bis
zum 23. Juni 2010.
M., A. Lastwagenfahrer der Fa. Mir Bacha Kot. Wird am 3. September 2009 auf
der Fahrt von Tadschikistan nach Kabul bei Angor Bagh von Taliban ent-
führt.
de Maizière, Dr. Thomas Bundesminister. Von November 2005 bis 28. Oktober 2009 Chef des
Bundeskanzleramtes. Vom 28. Oktober 2009 bis 3. März 2011 Bundesmi-
nister des Innern, seither Bundesminister der Verteidigung.
Drucksache 17/7400 – 456 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Merkel, Dr. Angela Bundeskanzlerin seit Oktober 2005.
M., M. Sprachermittler, der in der Nacht vom 3./4. September 2009 in der bzw.
für die Operationszentrale der Task Force 47 eingesetzt wurde.
Moritz, Steffen Leiter Presse- und Informationsstab BMVg und Sprecher des BMVg.
Mullen, Michael Glenn
„Mike“
US-Admiral. Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs (JCS) seit Oktober
2007.
Nabi, Qari Gefährder. Plante einen VBIED-Anschlag auf das PRT KDZ im Ju-
li/August 2009.
Naibi, Gul Aqa Generalmajor, Vertreter des AFG MoD, Mitglied der AFG-
Untersuchungskommission.
Naim, Maulawi Mullah. Talibankommandeur.
Naqshbad, Ghulam Brigadegeneral des AFG Geheimdienstes NDS, Mitglied der AFG-
Untersuchungskommission.
Nasruddin Mullah. Talibankommandeur.
Nasser Taliban-Subkommandant von Abdul Rahman.
N., T. für Operationen zuständiger Offizier des PRT Kunduz.
N., L. Oberst Bw. Mitglied des Initial Action Team von BG Teakle (Air Cdre).
Verfasser des „N.-Berichts“.
Nielson, Manfred Konteradmiral. Chef des Stabes Führungsstabes der Streitkräfte.
Nikel, Rolf Leiter Gruppe 21 BK.
N., O. Hptm Bw. Geheimdienstoffizier der Task Force 47 in Kunduz (CJ2X).
Omar, Mohammed Gouverneur von Kunduz.
Petraeus, David Howell US General. Kommandeur aller US-Streitkräfte im Nahen und Mittleren
Osten (CENTCOM) seit 31. Oktober 2008. Seit 25. Juni 2010 Komman-
deur der ISAF.
Pofalla, Ronald Chef Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben.
Popal, Karim Opferanwalt.
P., T. Oberst i. G., BMVg, Einsatzführungsstab 5.
Q OTL. Dolmetscher von O Klein.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 457 – Drucksache 17/7400
Qadir, Qari Sog. Gefährder.
Raabe, Dr. Thomas BMVg. Sprecher des BMVg im September 2009.
Rahman, Abdul Mullah. Wohnhaft in Omar Kehl. Taliban-Kommandeur von Aliabad, hat
30 bis 50 Leute unter seinem Befehl.
R., A. HFw BND. Benannt unter Mat. 17-28, Ziffer 82.
Ramms, Egon Deutscher NATO-General. Kommandeur des Allied Joint Force Command
(JFC) in Brunssum.
Razeq, Abdul Taliban-Kommandeur der Provinz Badakhshan. Am 7. Mai 2009 von dem
KSK in Badakhshan (District Vardouj) festgenommen und an afghanische
Behörden in Kabul übergeben.
Red Baron 20 OFw M. W. Deutscher Fliegerleitoffizier (JTAC). Sitz: PRT Kunduz.
R., H. Oberst Bw. Adjutant des G Schneiderhan.
Sahidi Taliban-Subkommandant von Abdul Rahman.
Salam, Mullah Abdul Sog. Gefährder.
Samar, Samia Vorsitzende der Afghanistan Independent Human Rights Commission
(AIHRC).
S., C. HFw, HUMINT Operator TF 47.
Sch., Dr. J. Rechtsberater.
Schlie, Dr. Ulrich Leiter Planungsstab BMVg.
Schmidt, Christian Seit 2005 Parlamentarischer Staatssekretär im BMVg.
Schneiderhan, Wolfgang General Bw. Von 2002 bis 26. November 2009 Generalinspekteur der
Bundeswehr.
Schnell, Eric Persönlicher Referent von Bundesminister Dr. Jung.
Sch., A. Mitarbeiter im Büro des Staatssekretärs Dr. Walther Otremba BMVg.
Setzer, Jürgen Ehemaliger Kommandeur HQ RC North.
Shamsuddin Mullah. Taliban-Kommandeur. Vorgesetzter von Abdul Rahman. War
offenbar auf der so genannten JPEL-Liste aufgeführt.
Siah Mullah. Taliban-Kommandeur. Soll nach Angaben der Quelle bei den
Tanklastern gestanden haben.
Drucksache 17/7400 – 458 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Silberberg, Reinhard Staatssekretär a. D. AA.
Smith, Gregory Konteradmiral, stv. ChdSt Kommunikation ISAF. Mitglied des Teakle-
Teams („Smith-Bericht“).
Spanta, Rangin Dadfar Afghanischer Außenminister.
Sprachermittler TF 47 siehe M.-A. M.
Stather, Erich Staatssekretär a. D. BMZ.
Stavridis, James G. Admiral. Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) der NATO
sowie kommandierender General des US European Command.
Steinmeier, Dr. Frank
Walter
Bundesminister des Auswärtigen (Oktober 2005 bis 28. Oktober 2009).
1999 bis 2005 CHBK und 1998 bis 2005 Beauftragter für die Nachrich-
tendienste.
S. Htm. Bw. Chef der Schutzkompanie PRT KDZ.
Sullivan, Charles S.
„Duff“
Generalmajor CAN. Leiter des von McChrystal zusammengestellten Un-
tersuchungsteams JIB. Dazu 2 US-Offiziere und deutscher OTL B. V.
Teakle, Paddy Air Cdre UK. Stv. Chefkoordinator der ISAF-Luftoperationen. Leiter des
NATO-Untersuchungsteams Kunduz („Initial Action Team“).
T. Mj Bw. Feldjägerstabsoffizier.
Uhrlau, Ernst BND-Präsident (seit Dezember 2005).
U., K. Major, Vormaliger J3 PRT Kunduz.
Vad, Dr. Erich Oberst i. G., Leiter der Gruppe 22 BK.
V., R. HFw, Storyboard ISR/TF 47.
V., B. OTL Bw. Rechtsberater. Mitglied des Untersuchungsteams (JIB) von GM
Sullivan.
V., C. AA, Referat 312, Sonderstab Afghanistan.
Vollmer, Jörg Brigadegeneral Bw. Kommandeur des Regionalkommandos Nord (RC
North) und Führer des deutschen Einsatzkontingents ISAF.
Vorbeck, Hans-Josef Ministerialdirigent. BK, Leiter der Gruppe 62 (Lageinformation und Auf-
tragssteuerung, Controlling; Außenbeziehungen).
Wardak, Mohamadullah Vorsitzender des Provinzrates in Kunduz.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 459 – Drucksache 17/7400
Weingärtner, Dr. Dieter Ministerialdirektor BMVg. AL Recht .
Westerwelle, Dr. Guido Bundesminister des Auswärtigen.
Wichert, Dr. Peter Staatssekretär a. D. BMVg.
Wieker, Volker General Bw. Ab 9. Oktober 2009 Chef des Stabes ISAF HQ in Kabul. Seit
Januar 2010 Generalinspekteur der Bundeswehr.
W., M. OFw. Rufzeichen: Red Baron 20. Deutscher Fliegerleitoffizier (JTAC-
Bediener/Auswerte-FW)
Wilhelm, Ulrich Chef des Presse- und Informationsamtes der BReg.
Wolf, Rüdiger Staatssekretär BMVg.
Yarmand, Mirza Mo-
hammad
Generalleutnant, Vertreter des AFG MoD, Leiter der AFG-
Untersuchungskommission.
Zaka, Korshid Mitglied im Provinzrat (Schura) in Kunduz.
Drucksache 17/7400 – 460 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
III. Dokumentenverzeichnis
Die nachstehenden Dokumente befinden sich auch im Internet. Sie werden durch Anklicken der Zeilen im Verzeichnis
oder der jeweiligen Dokumentangabe in den Fußnoten geöffnet.
Dokument 1 Spiegel Online vom 5. September 2009, „US-Talibanjäger rücken in Bun-
deswehr-Sektor ein“.
Dokument 2 Bild-Zeitung vom 5. September 2009, „Bundeswehr befiehlt Luftangriff auf
Taliban – bis zu 90 Tote“.
Dokument 3 Spiegel Online vom 5. September 2009, „Tanklastzug-Attacke zwingt Minis-
ter Jung in die Defensive“.
Dokument 4 Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift, wird be-
kämpft“.
Dokument 5 Spiegel Online vom 7. September 2009, „Jung relativiert Aussage zu zivilen
Opfern“.
Dokument 6 Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin zu den aktuellen Ereig-
nissen in Afghanistan, Plenarprotokoll 16/233 vom 8. September 2009,
S. 26297 f.
Dokument 7 Financial Times Deutschland vom 18. September 2009, „Neue Vorwürfe
gegen deutschen Kommandeur“.
Dokument 8 Der Spiegel vom 21. September 2009, „Schießbefehl vom Roten Baron“.
Dokument 9 Süddeutsche Zeitung vom 30. Oktober 2009, „Gegen Einsatzregeln versto-
ßen“.
Dokument 10 Der Tagesspiegel vom 4. November 2009, „Regelverstöße bei Angriff in
Kunduz“.
Dokument 11 Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009, „Wir brauchen Rechtssicher-
heit für unsere Soldaten“.
Dokument 12 Bildzeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime Bomben-Video
der Bundeswehr“ und „Hat Minister Jung die Wahrheit verschwiegen?“.
Dokument 13 zu Guttenberg, Plenarprotokoll 17/7 vom 26. November 2009, S. 388 ff.
Dokument 14 Tagesbefehl des Ministers zu Guttenberg vom 26. November 2009.
Dokument 15 Spiegel Online vom 27. November 2009, „Opposition jubelt, Regierung zollt
Respekt“.
Dokument 16 Pressemitteilung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 19.
April 2010.
Dokument 17 Pressemitteilung des Heeres vom 19. August 2010.
Dokument 18 Georgii/Mäde, Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als Untersuchungs-
ausschuss, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bun-
destages vom 15. Januar 2010, WD 3 – 464/09.
Dokument 18a Borowy, Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständi-
gen gemäß § 17 Abs. 3 PUAG, Vermerk PD 2 – 5023-44 vom 28. Januar
2010.
Dokument 19 BGH, Beschluss vom 17. August 2010 – 3 ARs 23/10.
Dokument 20 Giesecke, Umfang und Grenzen des rechtlichen Gehörs gemäß § 32 PUAG,
Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages
vom 31. August 2011, WD 3 – 3000 – 271/11.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 461 – Drucksache 17/7400
Dokument 21 Bilanzierender Gesamtbericht der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter
deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf
terroristische Angriffe gegen die USA, Unterrichtung des Bundestages vom
8. Mai 2002, BT-Drs. 14/8990.
Dokument 22 Resolution des Sicherheitsrates 1368 (2001) vom 12. September 2001.
Dokument 23 Resolution des Sicherheitsrates 1373 (2001) vom 28. September 2001.
Dokument 24 Presseerklärung des Generalsekretärs der NATO, Lord Robertson, vom 4.
Oktober 2001.
Dokument 25 Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte
bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe
gegen die USA vom 7. November 2001, BT-Drs. 14/7296.
Dokument 26 Plenarprotokoll 14/202 vom 16. November 2001, S. 19893.
Dokument 27 Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter
deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf
terroristische Angriffe gegen die USA vom 29. Oktober 2008, BT-Drs.
16/10720.
Dokument 28 Unterrichtung des Sicherheitsrats durch den Sonderbeauftragten des General-
sekretärs für Afghanistan vom 13. November 2001.
Dokument 29 Agreement on Provisional Arrangements in Afghanistan pending the re-
establishment of Permanent Government Institutions.
Dokument 30 Resolution 1383 (2001) vom 6. Dezember 2001.
Dokument 31 Resolution 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001.
Dokument 32 Frisch, Inhaltliche Schwerpunkte der Beschlüsse des Deutschen Bundestages
zu ISAF, Infobrief der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages vom
23. April 2010, WD 2 – 3010 – 077/10.
Dokument 33 Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streit-
kräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe
in Afghanistan vom 21. Dezember 2001, BT-Drs. 14/7930.
Dokument 34 Plenarprotokoll 14/210 vom 22. Dezember 2001.
Dokument 35 Resolution 1413 (2002) vom 23. Mai 2002.
Dokument 36 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an ISAF vom 5. Juni 2002, BT-Drs. 14/9246.
Dokument 37 Plenarprotokoll 14/243 vom 14. Juni 2002.
Dokument 38 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an ISAF vom 3. Dezember 2002, BT-Drs. 15/128.
Dokument 39 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung und Erweiterung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 15. Oktober 2003, BT-
Drs. 15/1700.
Dokument 40 Antwort der Bundesregierung bezüglich des Bundeswehreinsatzes in Kunduz
und Faisabad vom 12. Oktober 2004, BT-Drs. 15/3908.
Dokument 41 Resolution 1563 (2004) vom 17. September 2004.
Dokument 42 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an ISAF vom 22. September 2004, BT-Drs. 15/3710.
Dokument 43 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an ISAF vom 21. September 2005, BT-Drs. 15/5996.
Dokument 44 Resolution 1776 (2007) vom 19. September 2007.
Dokument 45 Resolution 1833 (2008) vom 22. September 2008.
Drucksache 17/7400 – 462 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dokument 46 Antrag der Bundesregierung vom 7. Oktober 2008, BT-Drs. 16/10473.
Dokument 47 Entwurf einer Stellungnahme des BMVg zu den Rechtlichen Rahmenbedin-
gungen des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr.
Dokument 48 Hartmann/Schubert, „Rules of Engagement“ und die Taschenkarte der Bun-
deswehr, Aktueller Begriff Nr. 100/09, Wissenschaftliche Dienste des Deut-
schen Bundestages vom 19. November 2009.
Dokument 49 Nato/ISAF HQ, Kabul, Tactical Directive vom 6. Juli 2009 (Auszüge).
Dokument 50 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 22. Juni 2008, „Erst lesen,
dann warnen, dann schießen“.
Dokument 51 Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-Untersuchungsbericht
am 29. Oktober 2009.
Dokument 52 Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof
vom 16. April 2010.
Dokument 53 Untersuchungsbericht der Afghanischen Regierung im Fall der Bombardie-
rung der Tanklastzüge der Transportfirma Mirbacha Kot im Distrikt Char
Darah der Provinz Kunduz vom 10. September 2009 („Karzai-Bericht“).
Dokument 54 Bericht des Deputy Chief CJ2 HQ ISAF, Protokoll Fact Finding Mission
Kunduz vom 6. September 2009 („N.-Bericht“).
Dokument 55 HUMINT-Meldungen Nr. 2 und 3 vom 3. und 4. September 2009.
Dokument 56 Vorfall-Sofortmeldung des PRT KDZ vom 4. September 2009.
Dokument 57 Bundespressekonferenz vom 7. September 2009.
Dokument 58 Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Abg. Dr. Bartels, Plenar-
protokoll 17/36 vom 21. April 2010.
Dokument 59 Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Abg. Ströbele, Plenarproto-
koll 17/45 vom 9. Juni 2010.
Dokument 60 Redigiertes Transkript der Cockpit-Tapes der F-15E Kampfflugzeuge.
Dokument 61 Vorläufiger Bericht für AG 85.
Dokument 62 Antwort der Bundesregierung vom 8. September 2010, Drs. 17/2884, zu
Frage 12.
Dokument 63 Bericht von Oberst Klein für GI vom 5. September 2009 („Klein-Bericht“).
Dokument 64 Leipziger Volkszeitung vom 10. Dezember 2009, „BND-Experte und KSK-
Kräfte stimmten Bombardierung bei Kunduz mit Oberst Klein ab“.
Dokument 65 Gesprächsprotokoll Feldjägerführer: Auswertegespräch Kommandeur PRT
Kunduz mit allen Mitgliedern BDA-Team PRT Kunduz vom 4. September
2009 .
Dokument 66 Bericht des Einsatzkamerateams vom 4. September 2009.
Dokument 67 „Feldjäger-Bericht“ vom 9. September 2009.
Dokument 68 Vermerk des Einsatzführungsstabes vom 18. September 2009 für den Gene-
ralinspekteur.
Dokument 69 Sprechempfehlung für den Generalinspekteur für die Obleuteunterrichtung
am 10. September 2009.
Dokument 70 Rajiv Chandrasekaran, Washington Post vom 5. September 2009, „NATO
Probing Deathly Airstrike“.
Dokument 71 COM ISAF, Appointment of Joint Investigation Board (J.I.B.), Weisung zur
Einberufung des gemeinsamen Untersuchungsausschusses vom 8. September
2009.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 463 – Drucksache 17/7400
Dokument 72 Deutsche Übersetzung (BMVg) der Weisung zur Einberufung des gemein-
samen Untersuchungsausschusses.
Dokument 73 Schreiben HQ ISAF an Leiter Einsatzführungsstab BMVg vom 4. November
2009.
Dokument 74 Regierungspressekonferenz vom 11. September 2009.
Dokument 75 Schreiben Befehlshaber Einsatzführungskomando an Generalinspekteur vom
25. November 2009.
Dokument 76 EinsFüKdo, Rechtliche Bewertung des FJg-Einsatzes, Vermerk vom
5.10.2009
Dokument 77 BTags-Verteidigungsausschuss, Kurzprotokoll über die Sitzung vom 8. Sep-
tember 2009.
Dokument 78 E-Mail des zivilen Leiters PRT KDZ an AA-Referat 343 vom 12. September
2009 mit UNAMA-Bericht über die Folgen des Angriffs.
Dokument 79 UNAMA, Human Rights Kabul, Annual report on Protection of Civilians in
armed conflict, 2009 aus dem Januar 2010.
Dokument 80 Gesprächsprotokoll des Feldjägerführers: Auswertegepräch IAT mit Vertre-
tern Provinzrat KDZ und mit Vertretern AFG Ermittlungsteam aus KBL.
Dokument 81 Regierungspressekonferenz vom 30. Oktober 2009.
Dokument 82 AIHRC-Liste mit Opfern des Luftschlages.
Dokument 83 Amnesty International, „Document – Afghanistan: Background to the Kun-
duz airstrike of 4 september 2009” vom 30. Oktober 2009.
Dokument 84 BK-interne E-Mail G. an H. einschließlich BBC-Meldung vom 4. September
2009.
Dokument 85 ISAF HQ, Pressemitteilung vom 4. September 2009.
Dokument 86 BBC News vom 5. September 2009, „US general sees strike aftermath“.
Dokument 87 New York Times vom 5. September 2009, „NATO Strike Magnifies Divide
on Afghan War“.
Dokument 88 Der Spiegel vom 4. September 2009, „Uno fordert Ermittlungen zu Luftang-
riff auf Tanklaster“.
Dokument 89 Frankfurter Rundschau vom 5. September 2009, „Viele Tote, viele Fragen“.
Dokument 90 Süddeutsche Zeitung vom 5. September 2009, „Bundeswehr befiehlt Luftang-
riff – viele Tote“.
Dokument 91 The Guardian vom 4. September 2009, 13.47 Uhr BST, „Nato air strike in
Afghanistan kills scores“.
Dokument 92 Der Tagesspiegel vom 5. September 2009, „Unklare Lage“.
Dokument 93 BBC News vom 4. September 2009, 20 Uhr (GMT), „Nato pledges Afghan
strike probe“.
Dokument 94 The Independent vom 4. September 2009, „Nato airstrike kills 90 in Afgha-
nistan“.
Dokument 95 E-Mail vom 7. September 2009 mit Weisung zur Demarche.
Dokument 96 Gesprächsprotokoll COM PRT KDZ/Dep Chief Police KDZ.
Dokument 97 Schreiben CJ2 MeS an Kdr RC North vom 4. September 2009.
Dokument 98 Deckblatt für die Übertragung von Dateien via Scotty vom 4. September
2009.
Dokument 99 Information JOCWatch, RC N CAS.
Drucksache 17/7400 – 464 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dokument 100 www.bundeswehr.de, Meldungen 4./6. September 2009
Dokument 101 www.bundeswehr.de; 2. Änderung Online-Auftritt 15:47 Uhr
Dokument 102 Vermerk Glatz vom 4. September 2009.
Dokument 103 DEU EinsKtgt ISAF, Erste rechtliche Bewertung Vorfall KDZ.
Dokument 104 DEU EinsKtgt ISAF, Erste Stellungnahme COM RC N.
Dokument 105 Gesprächsprotokoll PRT KDZ.
Dokument 106 Übersendung Gesprächsprotokolle PRT KDZ an GI und Leiter EFS am 7.
September 2009
Dokument 107 Pressestatement ISAF vom 4. September 2009.
Dokument 108 Vorlage einer Presseverwertbaren Stellungnahme zum Luftangriff vom Ein-
satzführungsstab an Sts Dr. Wichert vom 7. September 2009.
Dokument 109 EinsFüStab, Kurzauswertung Vorläufiger Feldjägerbericht für Gespräch mit
GI.
Dokument 110 Ministerweisung zur Aufklärung des Sachverhalts.
Dokument 111 Vermerk Dr. Wichert auf Ministerweisung.
Dokument 112 Verteidigungsministerium, Aufbau und Funktion: Der Leitungsbe-
reich/Presse- und Informationsstab.
Dokument 113 Presseerklärung HQ ISAF.
Dokument 114 SMS von Krause an Dienst.
Dokument 115 Pressekonferenz vom 4. September 2009.
Dokument 116 Rajiv Chandrasekaran, Washington Post vom 6. September 2009, „Sole
Informant Guided Decision On Afghan Strike“.
Dokument 117 EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes zum Luftangriff auf Opposing
Militant Forces (OMF) am 4. September 2009.
Dokument 118 AA, Email 1 vom 4. September 2009.
Dokument 119 AA, Email 2 vom 4. September 2009.
Dokument 120 AA, Email 3 vom 4. September 2009.
Dokument 121 AA, Email 4 vom 4. September 2009.
Dokument 122 AA, E-Mail Referatsleiter 011.
Dokument 123 Organisationsplan Bundeskanzleramt.
Dokument 124 Obleuteunterrichtung durch StS Dr. Wichert vom 4. September 2009.
Dokument 125 E-Mail AA an BK.
Dokument 126 Vermerk für AL 2, BK, vom 26. November 2009.
Dokument 127 Vermerk für Bundeskanzerin vom 10. September 2009.
Dokument 128 E-Mail Referat 222, BK an BMVg vom 9. Dezember 2009.
Dokument 129 E-Mail Vad an Bemelmanns vom 8. September 2009.
Dokument 130 E-Mail Vad an Baumann und Beemelmans vom 21. September 2009.
Dokument 131 E-Mail von Heusgen vom 7. September 2009.
Dokument 132 Pressestatements von Bundeskanzlerin Dr. Merkel und vom britischen Pre-
mierminister Gordon Brown am 6. September 2009 in Berlin.
Dokument 133 E-Mail BK an Büro Sts Dr. Wichert vom 10. September 2009.
Dokument 134 E-Mail Heusgen an Baumann.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 465 – Drucksache 17/7400
Dokument 135 Obleuteunterrichtung StS Dr. Wichert vom 7. September 2009
Dokument 136 Frankfurter Allgemeine vom 8. September 2009, „Isaf-Einsatzregeln offenbar
nicht eingehalten“.
Dokument 137 Vermerk BM Dr. Jung auf Volage einer Presseverwertbaren Stellungnahme.
Dokument 138 Der Tagesspiegel vom 9. September 2009, „Es gab zivile Opfer“.
Dokument 139 Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 9. September 2009.
Dokument 140 Süddeutsche Zeitung vom 10. September 2009, „Deutscher Oberst durfte
Angriff nicht befehlen“.
Dokument 141 Frankfurter Rundschau vom 10. September 2009, „Gegen alle Regeln“.
Dokument 142 Der Tagesspiegel vom 7. September 2009, „Afghanistan wird zum Wahl-
kampfthema“.
Dokument 143 AA, 2 E-Mails.
Dokument 144 Vermerk Glatz vom 2. Dezember 2009.
Dokument 145 Süddeutsche Zeitung vom 6. November 2009, „Piloten schlugen Drohgeste
vor“.
Dokument 146 Neue Züricher Zeitung vom 6. November 2009, „Guttenberg hält Angriff in
Kunduz für angemessen“.
Dokument 147 Berliner Zeitung vom 7. November 2009, „Entlastungsschlag für Oberst
Klein“.
Dokument 148 Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009, „Luftschlag war in jedem Fall
angemessen”.
Dokument 149 Focus vom 6. November 2009, „US-Piloten zögerten mit Bombardierung“.
Dokument 150 Frankfurter Allgemeine vom 7. November 2009, „Guttenberg: Luftschlag bei
Kunduz war militärisch angemessen“.
Dokument 151 Der Tagesspiegel vom 7. November 2009, „Eine Prüfung für alle“.
Dokument 152 Vorlage für die Bundeskanzlerin zum COM ISAF-Untersuchungsbericht vom
29. Oktober 2009.
Dokument 153 Ministervorlage vom 2. November 2009 zum COM ISAF-Bericht.
Dokument 154 EinsFüSt: Vorlage für GI vom 16. Dezember 2009, Chronologie über die
Informationsbereitstellung BMVg im Zusammenhang mit dem Luftangriff
vom 4. September 2009 in Kunduz.
Dokument 155 Pressestatement des Bundesministers zu Guttenberg zum COM ISAF-Bericht
vom 6. November 2009.
Dokument 156 Bild-Zeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime Bomben-
Video der Bundeswehr“.
Dokument 157 Frankfurter Allgemeine vom 14. Dezember 2009, „Was sagten Schneiderhan
und Wichert dem Minister wirklich?“.
Dokument 158 Die Zeit vom 17. Dezember 2009, „Da sagt er die Unwahrheit“.
Dokument 159 Der Spiegel vom 1. Februar 2010, „Ein deutsches Verbrechen“.
Dokument 160 Der Spiegel vom 30. November 2009, „Die Schweigespirale“.
Dokument 161 Handschriftliche Notizen der Büroleiterin von Bundesminister zu Guttenberg.
Dokument 162 Pressestatement von Bundesminister Dr. Franz Josef Jung vom 27. Novem-
ber 2009.
Dokument 163 Verteidigungsausschuss vom 27. November 2009, Protokoll-Nr. 3.
Dokument 164 E-Mail Braunstein vom 30. November 2009.
Drucksache 17/7400 – 466 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dokument 165 Rede Bundesminister zu Guttenberg vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
vom 1. Dezember 2009.
Dokument 166 Bundesminister zu Guttenberg, Plenarprotokoll 17/9 vom 3. Dezember 2009.
Dokument 167 Schreiben des GStA des Landes Brandenburg an mehrere Staatsanwaltschaf-
ten vom 2. Januar 2002.
Dokument 168 Vermerk BMVg vom 7. September 2009 zu Gespräch mit StA Potsdam.
Dokument 169 EinsFüKdo, Schreiben an StA Potsdam vom 7. September 2009.
Dokument 170 Vermerk BMVg vom 8. September 2009 zu Telefonat mit LOStA Dresden.
Dokument 171 GStA Dresden, Telefonvermerk vom 9. September 2009.
Dokument 172 E-Mail Bw an BMVg vom 9. September 2009 über Telefonat mit GStA
Dresden.
Dokument 173 EinsFüKdo Bw an GStA Dresden vom 10. September 2009.
Dokument 174 EinsFüKdo Bw, Vermerk über Gespräch mit an GStA Dresden am 18. Sep-
tember 2009.
Dokument 175 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP im Ausschuss vom 9. Juni
2011 zur Abänderung des Verfahrensbeschlusses Nr. 8 (Öffentliche Verneh-
mung von Mitgliedern der politischen Leitungsebene).
Dokument 176 Untersuchungsausschuss, Beratungssitzung vom 17. Juni 2010, Protokoll-Nr.
23.
Dokument 177 E-Mail BMZ vom 7. September 2009.
Dokument 178 BMVg, Unterrichtung des Parlaments 37/09 vom 9. September 2009.
Dokument 179 BMVg, Unterrichtung des Parlaments 39/09 vom 23. September 2009.
Dokument 180 Übersicht über den Informationsfluss hinsichlich der Berichte zum Kunduz-
Vorfall.
Dokument 181 E-Mail BK an Büro Wichert vom 7. September 2009.
Dokument 182 E-Mail Büro Wichert an GI vom 3. November 2009: Anfrage an die NATO
wegen einer offenen Version des COM ISAF-Berichts.
Dokument 183 BMVg Fü H I 3: Bericht über Dienstreise nach Masar-e-Sharif und Kunduz
vom 18. November 2009.
Dokument 184 Stuttgarter Zeitung vom 5. Juli 2011: „Ein Persilschein soll Guttenberg Türen
offen halten“.
Dokument 185 Frankfurter Allgemeine vom 4. Juli 2011, „Koalition entlastet Guttenberg in
der Kunduz-Affäre“.
Dokument 186 dpa vom 5. Juli 2011: „Struck attackiert Kundus-Bericht“.
Dokument 187 Universität Bayreuth, Bericht aus Anlass der Untersuchung des Verdachts
wissenschaftlichen Fehlverhaltens von Herrn Karl-Theodor Freiherr zu Gut-
tenberg vom 5. Mai 2011.
Dokument 188 Süddeutsche Zeitung vom 2. Juli 2011: „Persilschein für Guttenberg“.
Dokument 189 Financial Times Deutschland vom 4. Juli 2011, „Koalition erklärt Kundus-
Affäre für ungeschehen“.
Dokument 190 Regierungserklärung zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, Plenar-
protokoll 17/37 vom 22. April 2010.
Dokument 191 Schreiben Dr. Wichert an Bundesminister zu Guttenberg vom 30. November
2009
Dokument 192 Schreiben Bundesminister zu Guttenberg an Dr. Wichert vom 2. Dezember
2009.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 467 – Drucksache 17/7400
Dokument 193 Schreiben Bundesminister zu Guttenberg an Dr. Wichert vom 18. Dezember
2009.
Dokument 194 Erklärungen der Bundesregierung zu der Übertragung der Befehlgewalt auf
die ISAF (Transfer of Authority, Clarifying Remarks), konkretisierende An-
merkungen zum ISAF-Operationsplan.
Dokument 195 GBA, Handaktenvermerk vom 3. März 2010.
Dokument 196 Untersuchungsausschuss, Beratungssitzung vom 28. September 2011, Proto-
koll-Nr. 57, Tagesordnungspunkt 1 „Lessons Learned“.
Drucksache 17/7400 – 468 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
IV. Verzeichnis Stenographische Protokolle
Die nachstehenden Stenographischen Protokolle befinden sich auch im Internet. Sie werden durch Anklicken der Zeilen
im Verzeichnis geöffnet.
Protokoll Nr. 6, Teil II Vernehmung des Zeugen Oberst i. G. Klein am 10. Februar 2010.
Protokoll Nr. 14,Teil I Öffentliche Vernehmung der Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert
und General a. D. Schneiderhan am 18. März 2010.
Protokoll Nr. 14,Teil II Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen Staatssekretär a. D.
Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan am 18. März 2010.
Protokoll Nr. 16, Teil I Öffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister a. D. Dr. Jung
am 25. März 2010.
Protokoll Nr. 16, Teil II Nichtöffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister a. D.
Dr. Jung am 25. März 2010.
Protokoll Nr. 18, Teil I Öffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister zu Guttenberg
am 22. April 2010.
Protokoll Nr. 18, Teil II Nichtöffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister zu Gutten-
berg am 22. April 2010.
Protokoll Nr. 31 Öffentliche Vernehmung der Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert
und General a. D. Schneiderhan am 29. September 2010.
Protokoll Nr. 49 Öffentliche Vernehmung der Zeugin Bundeskanzlerin Dr. Merkel und
des Zeugen Bundesminister a. D. Dr. Steinmeier am 10. Februar 2011.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 469 – Drucksache 17/7400
V. Beratungsunterlagen
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
1 Untersuchungsauftrag der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE.. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
16.12.2009 16.12.2009 -
2 Beschlussvorschlag
Zutritt von Fraktionsmitarbeitern
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 1
zum Verfahren
3 Beschlussvorschlag
Einsetzung eines interfraktionellen Gremiums
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 2
zum Verfahren
4 Beschlussvorschlag
Protokollierung der Ausschusssitzungen
16.12.2009 21.01.2010 Beschluss 3
zum Verfahren
5 Beschlussvorschlag
Behandlung der Ausschussprotokolle
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 4
zum Verfahren
6 Beschlussvorschlag
Verteilung von Beratungs-unterlagen, Beweis-
beschlüssen und Ausschussmaterialien
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 5
zum Verfahren
7 Beschlussvorschlag
Verteilung von Verschlusssachen
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 6
zum Verfahren
8 Beschlussvorschlag
Behandlung von Beweisanträgen
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 7 zu
Verfahren
9 Beschlussvorschlag
Öffentlichkeit der Sitzungen
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 8
zum Verfahren
10 Beschlussvorschlag
Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 9
zum Verfahren
11 Beschlussvorschlag
Verpflichtung zur Geheimhaltung
16.12.2009 21.01.2010 Beschluss 10
zum Verfahren
12 Beschlussvorschlag
Fragerecht bei der Beweiserhebung
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 11
zum Verfahren
13 Beschlussvorschlag
Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen
16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 12
zum Verfahren
14 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des COMISAF-Berichts der NATO
vom 28.10.09 zum Vorfall vom 4. September
2009 im Original und in deutscher Übersetzung
nebst allen Anlagen beim Bundesministerium
der Verteidigung
16.12.2009 16.12.2009 1
15 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung desUntersuchungsbericht zum
„Close Air Support KUNDUZ“ des Feldjäger-
führers im Einsatz vom 09.09.09 nebst allen
Anlagen beim Bundesministerium der Verteidi-
gung
16.12.2009 16.12.2009 2
16 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des Berichts des „Incident Action
16.12.2009 16.12.2009 3
Drucksache 17/7400 – 470 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Team“ (IAT) / NATO HQ ISAF zum Vorfall
vom 4. September 2009 („Smith-Bericht“) im
Original und in deutscher Übersetzung nebst
allen Anlagen beim Bundesministerium der
Verteidigung
17 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des ISAF-Berichts einer „Fact Fin-
ding Mission“ vom 6. September 2009 zum
Vorfall vom 4. September 2009 im Original und
ggf. in deutscher Übersetzung nebst allen Anla-
gen beim Bundesministerium der Verteidigung.
16.12.2009 16.12.2009 4
18 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des Berichts von Oberstleutnant N.
zum Vorfall vom 4. September 2009 nebst allen
Anlagen beim Bundesministerium der Verteidi-
gung
16.12.2009 16.12.2009 5
19 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des „ISAF Appointment“-
Protokolls vom 8. September 2009 zum Vorfall
vom 4. September 2009, im Original und ggf. in
deutscher Übersetzung nebst allen Anlagen
beim Bundesministerium der Verteidigung
16.12.2009 16.12.2009 6
20 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des Untersuchungsberichts für Prä-
sident Karsai vom 10. September 2009 zum
Vorfall vom 4. September 2009 im Original und
ggf. in deutscher Übersetzung, nebst allen An-
lagen beim Bundesministerium der Verteidi-
gung
16.12.2009 16.12.2009 7
21 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des „Berichts über die möglichen
Folgen des Angriffs“ für das Auswärtige Amt
zum Vorfall vom 4. September 2009 nebst allen
Anlagen beim Bundesministerium der Verteidi-
gung und beim Auswärtigen Amt
16.12.2009 16.12.2009 8
22 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des Berichts von Oberst Georg
Klein (COM PRT KDZ) vom 5. September
2009 nebst allen Anlagen beim Bundesministe-
16.12.2009 16.12.2009 9
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 471 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
rium der Verteidigung
23 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung der vorhandenen Berichte des Inter-
nationalen Roten Kreuzes zum Vorfall vom
4. September 2009 im Original und ggf. in
deutscher Übersetzung nebst allen Anlagen
beim Bundesministerium der Verteidigung.
16.12.2009 16.12.2009 10
24 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des Berichts für die UN-Mission
UNAMA vom 14. September 2009 zum Vorfall
vom 4. September 2009 im Original und ggf. in
deutscher Übersetzung nebst allen Anlagen
beim Bundesministerium der Verteidigung
16.12.2009 16.12.2009 11
25 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung des Berichts des damaligen Kom-
mandeurs des Regional Command North (RC
North) in Mazar-e-Sharif, Brigadegeneral Jür-
gen Setzer vom 6. November 2009 nebst allen
Anlagen beim Bundesministerium der Verteidi-
gung
16.12.2009 16.12.2009 12
26 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Organigramme über
Befehls- und Meldewege innerhalb der NATO
für ISAF sowie zwischen dem deutschen Kon-
tingent in Afghanistan und weiteren Dienststel-
len der Bundeswehr beim Bundesministerium
der Verteidigung
16.12.2009 16.12.2009 13
27 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherte
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen, und die
sich befinden im Bereich des 20. DEUEinsKtgt
ISAF – PRT in Kunduz, beim Bundesministe-
rium der Verteidigung.
16.12.2009 16.12.2009 14
28 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
16.12.2009 16.12.2009 15
Drucksache 17/7400 – 472 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen, und die
sich befinden im Bereich des HQ RC North in
Mazar-e-Sharif, beim Bundesministerium der
Verteidigung
29 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich des COMISAF HQ in
Kabul, beim Bundesministerium der Verteidi-
gung
16.12.2009 16.12.2009 16
30 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich des Einsatzführungs-
kommandos der Bundeswehr (EinsFüKdoBw)
und des Kommandos Führung Operationen von
Spezialkräften (Kdo FOSK), beim Bundesmi-
nisterium der Verteidigung
16.12.2009 16.12.2009 17
31 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich des Einsatzführungs-
stabes im Bundesministerium der Verteidigung,
beim Bundesministerium der Verteidigung
16.12.2009 16.12.2009 18
32 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden in den Büros des Generalinspek-
teurs der Bundeswehr sowie seiner Stellvertre-
ter, insbesondere eventuelle schriftliche Unter-
lagen („Sprechzettel“ o. ä.) für die Einweisung
16.12.2009 16.12.2009 19
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 473 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
von Bundesminister Freiherr zu Guttenberg in
sein neues Amt, beim Bundesministerium der
Verteidigung
33 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im gesamten Bereich des Füh-
rungsstabes der Streitkräfte mit Ausnahme der
Büros des Generalinspekteurs sowie seiner
Stellvertreter, beim Bundesministerium der
Verteidigung
16.12.2009 16.12.2009 20
34 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich der Abteilung Recht
des BMVg, beim Bundesministerium der Ver-
teidigung
16.12.2009 16.12.2009 21
35 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich des Presse- und In-
formationsstabes des BMVg, insbesondere
eventuelle schriftliche Unterlagen („Sprechzet-
tel“ o. ä.) zur Vorbereitung der Äußerungen der
Pressesprecher des BMVg zum Untersuchungs-
gegenstand, beim Bundesministerium der Ver-
teidigung
16.12.2009 16.12.2009 22
36 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden in den Büros der Staatssekretäre
im BMVg, insbesondere eventuelle schriftliche
Unterlagen („Sprechzettel“ o. ä.) für die Ein-
16.12.2009 16.12.2009 23
Drucksache 17/7400 – 474 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
weisung von Bundesminister Freiherr zu Gut-
tenberg in sein neues Amt, beim Bundesminis-
terium der Verteidigung
37 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden in den Büros der Parlamentari-
schen Staatssekretäre beim BMVg, beim Bun-
desministerium der Verteidigung
16.12.2009 16.12.2009 24
38 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich des Leitungsstabes des
BMVg, beim Bundesministerium der Verteidi-
gung.
16.12.2009 16.12.2009 25
39 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE.und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich des Planungsstabes
des BMVg, beim Bundesministerium der Ver-
teidigung
16.12.2009 16.12.2009 26
40 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Büro des Bundesministers der
Verteidigung, beim Bundesministerium der
Verteidigung.
16.12.2009 16.12.2009 27
41 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
16.12.2009 16.12.2009 28
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 475 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung und diesem nachgeord-
neten Stellen, soweit durch die Beweisanträge
Nrn. 13 bis 27 nicht bereits abgedeckt, insbe-
sondere auch eventuelle Protokolle zur Amts-
übergabe von BM a.D. Dr. Jung an BM Freiherr
zu Guttenberg und eventuelle Unterlagen zur
Beteiligung des Bundeskanzleramts an der
Entlassung von GI General Schneiderhahn und
von Sts Dr. Wichert, beim Bundesministerium
der Verteidigung
42 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich der Gruppe 21 des
Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzleramt
16.12.2009 16.12.2009 29
43 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich der Gruppe 22 des
Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzleramt
16.12.2009 16.12.2009 30
44 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Büro des Abteilungsleiters 2
des Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzler-
amt
16.12.2009 16.12.2009 31
45 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
16.12.2009 16.12.2009 32
Drucksache 17/7400 – 476 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich der Gruppe 61 des
Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzleramt
46 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich der Gruppe 62 des
Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzleramt
16.12.2009 16.12.2009 33
47 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Büro des Abteilungsleiters 6
des Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzler-
amt
16.12.2009 16.12.2009 34
48 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Büro des Chefs des Bundes-
kanzleramtes, beim Bundeskanzleramt
16.12.2009 16.12.2009 35
49 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Kanzlerbüro beim Bundes-
kanzleramt
16.12.2009 16.12.2009 36
50 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
16.12.2009 16.12.2009 37
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 477 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
sich befinden im gesamten Bereich des Bundes-
nachrichtendienstes, beim Bundeskanzleramt
51 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im gesamten Bereich des Presse-
und Informationsamtes der Bundesregierung,
insbesondere eventuelle schriftliche Unterlagen
(„Sprechzettel“ o. ä.) zur Vorbereitung von
Äußerungen der Regierungssprecher zum Un-
tersuchungsgegenstand beim Bundeskanzleramt
16.12.2009 16.12.2009 38
52 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die
sich befinden im Bereich des Bundeskanzleram-
tes und diesem nachgeordneten Stellen, soweit
durch die Beweisanträge Nrn. 29 bis 38 noch
nicht abgedeckt, insbesondere auch eventuelle
Unterlagen zur Beteiligung des Bundeskanzler-
amtes an der Entlassung von Generalinspekteur
General Schneiderhan und von Staatssekretär
Dr. Wichert beim Bundesministerium der Ver-
teidigung
16.12.2009 16.12.2009 39
53 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-
rekt, konkret oder abstrakt betreffen, und die
sich befinden im Bereich des Auswärtigen Am-
tes, insbesondere auch die Aufgabenbeschrei-
bung des Vertreters des AA in Kundus, beim
Auswärtigen Amt
16.12.2009 16.12.2009 40
54 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung der Terminkalender der Bundes-
kanzlerin Dr. Angela Merkel, des ehemaligen
Chefs des Bundeskanzleramtes, Bundesminister
16.12.2009 - -
Drucksache 17/7400 – 478 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Dr. Thomas de Maizière, des Chefs des Bun-
deskanzleramtes, Bundesminister Ronald Pofal-
la, des Abteilungsleiters 2 im Bundeskanzler-
amt, MD Dr. Christoph Heusgen, des damaligen
Abteilungsleiters 6 im Bundeskanzleramt, Sts
Klaus-Dieter Fritsche und des Leiters der Grup-
pe 62 im Bundeskanzleramt, MDgt Hans-Josef
Vorbeck, soweit diese Termine (persönlich,
telefonisch oder in sonstiger Form) betreffen,
die in direktem o. indirektem, konkreten o.
abstrakten Zusammenhang mit dem Untersu-
chungsauftrag standen, beim Bundeskanzleramt
54 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Beiziehung der Terminkalender der Bundes-
kanzlerin Dr. Angela Merkel, des ehemaligen
Chefs des Bundeskanzleramtes, Bundesminister
Dr. Thomas de Maizière, des Chefs des Bun-
deskanzleramtes, Bundesminister Ronald Pofal-
la, des Abteilungsleiters 2 im Bundeskanzler-
amt, MD Dr. Christoph Heusgen, des damaligen
Abteilungsleiters 6 im Bundeskanzleramt, Sts
Klaus-Dieter Fritsche und des Leiters der Grup-
pe 62 im Bundeskanzleramt, MDgt Hans-Josef
Vorbeck, soweit diese Termine (persönlich,
telefonisch oder in sonstiger Form) betreffen,
die in direktem o. indirektem, konkreten o.
abstrakten Zusammenhang mit dem Untersu-
chungsauftrag, insbesondere mit den Ziffern 1
bis 4 des Auftrags, standen, beim Bundeskanz-
leramt
26.01.2010 28.01.2010 113
55 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung der Terminkalender des Bundesmi-
nisters a. D. Dr. Franz Josef Jung, des Bundes-
ministers Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
des Parlamentarischen Staatssekretärs beim
BMVg Thomas Kossendey, des Parlamentari-
schen Staatssekretärs beim BMVg Christian
Schmidt, des Staatssekretärs a. D. Dr. Peter
Wichert und des Generalinspekteurs der Bun-
deswehr a. D. General Wolfgang Schneiderhan,
soweit diese Termine (persönlich, telefonisch
oder in sonstiger Form) betreffen, die in direk-
tem o. indirektem, konkreten o. abstrakten Zu-
sammenhang mit dem Untersuchungsauftrag
standen, beim Bundesministerium der Verteidi-
gung
21.12.2009 - -
55 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Beiziehung der Terminkalender des Bundesmi-
26.01.2010 28.01.2010 114
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 479 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
nisters a. D. Dr. Franz Josef Jung, des Bundes-
ministers Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
des Parlamentarischen Staatssekretärs beim
BMVg Thomas Kossendey, des Parlamentari-
schen Staatssekretärs beim BMVg Christian
Schmidt, des Staatssekretärs a. D. Dr. Peter
Wichert, und des Generalinspekteurs der Bun-
deswehr a. D. General Wolfgang Schneiderhan,
soweit diese Termine (persönlich, telefonisch
oder in sonstiger Form) betreffen, die in direk-
tem o. indirektem, konkreten o. abstrakten Zu-
sammenhang mit dem Untersuchungsauftrag,
insbesondere mit den Ziffern 1 bis 4 des Auf-
trags, standen, beim Bundesministerium der
Verteidigung
56 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten in den Verfahren
bzw. Prüfvorgängen der Generalstaatsanwalt-
schaft Dresden, die in direktem oder indirektem,
konkreten oder abstrakten Zusammenhang mit
den Untersuchungsauftrag bezeichneten Sach-
verhalten und Fragestellungen stehen, bei der
Generalstaatsanwaltschaft Dresden
21.12.2009 -
56 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Es soll im gestuften Verfahren, die General-
staatsanwaltschaft Dresden zunächst darum
ersucht werden mitzuteilen, welche Verfahren
oder Prüfvorgänge in ihrem Verantwortungsbe-
reich in direktem oder indirektem, konkreten
oder abstrakten Zusammenhang mit den im
Untersuchungsauftrag bezeichneten Sachverhal-
ten und Fragestellungen – anknüpfend an den
untersuchten Vorgang am 3./4. September 2009
in Kunduz – stehen, und im Anschluss daran
sämtliche Akten in den konkret bezeichneten
Verfahren, soweit sie den Untersuchungsge-
genstand betreffen und ohne Gefährdung der
Ermittlungen vorgelegt werden können, beige-
zogen werden bei der Generalstaatsanwaltschaft
Dresden
26.01.2010 28.01.2010 115
57 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung sämtlicher Akten in dem oder den
Verfahren bzw. Prüfvorgängen der Bundesan-
waltschaft, die in direktem oder indirektem,
konkreten oder abstrakten Zusammenhang mit
den im Untersuchungsauftrag bezeichneten
Sachverhalten und Fragestellungen stehen, beim
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
21.12.2009 - -
Drucksache 17/7400 – 480 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
57 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Es soll im gestuften Verfahren der Generalbun-
desanwalt beim Bundesgerichtshof zunächst
darum ersucht werden mitzuteilen, welche Ver-
fahren oder Prüfvorgänge in seinem Verantwor-
tungsbereich in direktem oder indirektem, konk-
reten oder abstrakten Zusammenhang mit den
im Untersuchungsauftrag bezeichneten Sach-
verhalten und Fragestellungen – anknüpfend an
den untersuchten Vorgang am 3./4. September
2009 in Kunduz – stehen, und im Anschluss
daran sämtliche Akten in den konkret bezeich-
neten Verfahren, soweit sie den Untersuchungs-
gegenstand betreffen und ohne Gefährdung der
Ermittlungen vorgelegt werden können, beige-
zogen werden beim Generalbundesanwalt beim
Bundesgerichtshof
26.01.2010 28.01.2010 116
58 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung der Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel als Zeugin
16.12.2009 16.12.2009 45
59 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Chefs des Bundeskanzleram-
tes Bundesminister Ronald Pofalla als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 46
60 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des ehemaligen, bis zum 27. Ok-
tober 2009 amtierenden, Chefs des Bundeskanz-
leramtes und heutigen Bundesminister des In-
nern, Dr. Thomas de Maizière als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 47
61 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des ehemaligen Leiters der Abtei-
lung 6 im Bundeskanzleramt und heutigen
Staatssekretärs im Bundesministerium des In-
nern, Klaus-Dieter Fritsche als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 48
62 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Leiters der Gruppe 62 im
Bundeskanzleramt, Ministerialdirigent Hans-
Josef Vorbeck als Zeugen
16.12.2009 - -
62 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
26.01.2010 28.01.2010 117
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 481 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Zeugenvernehmung des Leiters der Gruppe 62
im Bundeskanzleramt, Ministerialdirigent Hans-
Josef Vorbeck als Zeugen
63 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Leiters der Abteilung 2 im
Bundeskanzleramt Ministerialdirektor, Dr.
Christoph Heusgen als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 50
64 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Leiters der Gruppe 21 im
Bundeskanzleramt, Ministerialdirigent Nikel als
Zeugen
16.12.2009 - -
64 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Zeugenvernehmung des Leiters der Gruppe 21
im Bundeskanzleramt, Ministerialdirigent Nikel
als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 118
65 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Leiters der Gruppe 22 im
Bundeskanzleramt, O. i. G. Dr. Erich Vad als
Zeugen
16.12.2009 - -
65 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des Leiters der Gruppe 22 im
Bundeskanzleramt, O. i. G. Dr. Erich Vad als
Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 118
66 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Leiters des Referats 222 im
Bundeskanzleramt, O. i. G. G. als Zeugen
16.12.2009 - -
66 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des Leiters des Referats 222 im
Bundeskanzleramt, O. i. G. G. als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 120
67 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der 16.12.2009 16.12.2009 54
Drucksache 17/7400 – 482 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Chefs des Presse- und Infor-
mationsamtes der Bundesregierung und Regie-
rungssprechers, Ulrich Wilhelm als Zeugen
68 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Bundesministers des Auswär-
tigen, Dr. Guido Westerwelle als Zeugen.
16.12.2009 16.12.2009 55
69 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Bundesministers des Auswär-
tigen a. D., Dr. Frank-Walter Steinmeier als
Zeugen.
16.12.2009 16.12.2009 56
70 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Staatssekretärs a. D. im Bun-
desministerium des Äußeren, Reinhard Silber-
berg als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 57
71 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Bundesministers der Verteidi-
gung a. D., Dr. Franz Josef Jung als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 58
72 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Bundesministers der Verteidi-
gung, Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg als
Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 59
73 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Parlamentarischen Staatssek-
retärs beim Bundesministerium der Verteidi-
gung, Thomas Kossendey, MdB, als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 60
74 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Parlamentarischen Staatssek-
retärs beim Bundesministerium der Verteidi-
gung, Christian Schmidt, MdB, als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 61
75 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
16.12.2009 16.12.2009 62
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 483 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des seit dem 1. Januar 2008 amtie-
renden Staatssekretärs im Bundesministerium
der Verteidigung, Rüdiger Wolf als Zeugen
76 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des bis zum 26. November 2009
amtierenden Staatssekretärs a. D. im Bundes-
ministerium der Verteidigung, Dr. Peter Wi-
chert als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 63
77 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des ehemaligen Leiters des Lei-
tungsstabes und Ministerbüros im Bundesminis-
terium der Verteidigung, Ministerialdirigent
Malte Krause, als Zeugen
16.12.2009 - -
77 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des ehemaligen Leiters des Lei-
tungsstabes und Ministerbüros im Bundesminis-
terium der Verteidigung Ministerialdirigent,
Malte Krause als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 121
78 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des damaligen Leiters des Pla-
nungsstabs im Bundesministerium der Verteidi-
gung, Ministerialdirektor Dr. Ulrich Schlie als
Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 65
79 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des ehemaligen Persönlichen
Referenten von Bundesminister a. D. Dr. Jung,
Ministerialrat Eric Schnell als Zeugen
16.12.2009 - -
79 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des ehemaligen Persönlichen
Referenten von Bundesminister a. D. Dr. Jung,
Ministerialrat Eric Schnell als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 122
80 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des damaligen Leiters des Büros
des Staatssekretärs a. D. Dr. Wichert im Bun-
16.12.2009 - -
Drucksache 17/7400 – 484 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
desministerium der Verteidigung, Kapitän zur
See Thomas Ernst, als Zeugen
80 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des damaligen Leiters des Büros
des Staatssekretärs a. D. Dr. Wichert im Bun-
desministerium der Verteidigung, Kapitän zur
See Thomas Ernst, als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 123
81 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Leiters der Adjutantur im
Bundesministerium der Verteidigung, Oberst i.
G. Braunstein, als Zeugen
16.12.2009 - -
81 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des Leiters der Adjutantur im
Bundesministerium der Verteidigung, Oberst i.
G. Braunstein als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 124
82 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009 Verneh-
mung des Leiters der Adjutantur des Generalin-
spekteurs der Bundeswehr im Bundesministe-
rium der Verteidigung, Oberst i. G. Hartmut
Renk als Zeugen
16.12.2009 - -
82 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des Leiters der Adjutantur des
Generalinspekteurs der Bundeswehr im Bun-
desministerium der Verteidigung, Oberst i. G.
Hartmut Renk als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 125
83 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Leiters des Presse- und Infor-
mationsstabs des Bundesministeriums der Ver-
teidigung und Sprecher des Verteidigungsminis-
teriums, Steffen Moritz als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 70
84 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des ehemaligen Leiters des Pres-
se- und Informationsstabs des Bundesministe-
riums der Verteidigung und Sprecher des Ver-
teidigungsministeriums, Dr. Thomas Raabe als
16.12.2009 16.12.2009 71
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 485 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Zeugen
85 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Stellvertretenden Leiters des
Presse- und Informationsstabs des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung und Stellvertreten-
den Sprechers des Verteidigungsministeriums,
Kapitän zur See Christian Dienst als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 72
86 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des bis zum 26. November 2009
amtierenden, ehemaligen Generalinspekteurs
der Bundeswehr General a. D. Wolfgang
Schneiderhan als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 73
87 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Stellvertreters des Generalin-
spekteurs der Bundeswehr, Generalleutnant
Johann-Georg Dora,als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 74
88 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Leiters des Einsatzführungs-
stabs im Bundesministerium der Verteidigung,
Konteradmiral Andreas Krause als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 75
89 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Befehlshabers des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr, General-
leutnant Rainer Glatz als Zeugen
16.12.2009 - -
89 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des Befehlshabers des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr, General-
leutnant Rainer Glatz als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 126
90 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Kommandeurs des Allied
Joint Force Command in Brunssum, General
Egon Ramms als Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 77
91 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
16.12.2009 16.12.2009 78
Drucksache 17/7400 – 486 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Vernehmung des damals ranghöchsten deut-
schen Offiziers im ISAF HQ in Kabul, des
Stellvertretenden Chefs des Stabes Unterstüt-
zung, Generalmajor Hans-Erich Antoni als
Zeugen
92 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des seit dem 9. Oktober 2009
amtierenden Chef des Stabes im ISAF HQ in
Kabul, Generalleutnant Volker Wieker, als
Zeugen
16.12.2009 16.12.2009 79
93 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des ehemaligen Kommandeurs des
HQ RC North, Brigadegeneral Jürgen Setzer als
Zeugen
16.12.2009 - -
93 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des ehemaligen Kommandeurs des
HQ RC North, Brigadegeneral Jürgen Setzer als
Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 127
94 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des bis zum 3. Oktober 2009 am-
tierenden Kommandeurs des 20. DEU EinsKtgt
ISAF, Brigadegeneral Jörg Vollmer als Zeugen
16.12.2009 - -
94 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des bis zum 3. Oktober 2009 am-
tierenden Kommandeurs des 20. DEU EinsKtgt
ISAF, Brigadegeneral Jörg Vollmer als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 128
95 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des damaligen Kommandeurs
PRT KDZ, Oberst Georg Klein als Zeugen
16.12.2009 - -
95 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des damaligen Kommandeurs
PRT KDZ, Oberst Georg Klein als Zeugen
26.01.201 28.01.2010 109
96 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
16.12.2009 - -
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 487 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung von Oberfeldwebel W. (JTAC-
Bediener/Auswerte-Fw) als Zeugen
96 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung von Oberfeldwebel W. (JTAC-
Bediener/Auswerte-Fw) als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 129
97 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung von Hauptfeldwebel V. (Story-
board ISR / TF47) als Zeugen
16.12.2009 - -
97 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung von Hauptfeldwebel V. (Story-
board ISR / TF47) als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 130
98 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung von Hauptmann N. (J2X /HCO
TF47) als Zeugen
16.12.2009 - -
98 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung von Hauptmann N. (J2X /HCO
TF47) als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 131
99 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung von Hauptfeldwebel Sch.
(HUMINT Operator TF47) als Zeugen
21.12.2009 - -
99 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung von Hauptfeldwebel Sch.
(HUMINT Operator TF47) als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 132
100 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung von Oberfeldwebel F. (HUMINT
Operator TF47) als Zeugen
16.12.2009 - -
100 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
26.01.2010 28.01.2010 133
Drucksache 17/7400 – 488 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Vernehmung von Oberfeldwebel F. (HUMINT
Operator TF47) als Zeugen
101 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung von Oberstleutnant H. (Rechtsbe-
rater-Stabsoffizier i.E. 20. DEU EinsKtgt ISAF)
als Zeugen
16.12.2009 - -
101 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung von H. (Rechtsberater-
Stabsoffizier i.E. 20. DEU EinsKtgt ISAF) als
Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 134
102 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung des Verfassers des Untersu-
chungsberichts vom 9. September 2009, Oberst-
leutnant B. (FJgFhr i. E. DEU EinsKtgt ISAF)
als Zeugen
16.12.2009 - -
102 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des Verfassers des Untersu-
chungsberichts vom 9. September 2009, Oberst-
leutnant B. (FJgFhr i. E. DEU EinsKtgt ISAF)
als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 112
103 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Vernehmung von Oberstleutnant N. (IAT) als
Zeugen
16.12.2009 - -
103 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung von Oberstleutnant N. (IAT) als
Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 135
103 (neu-1) Korrektur des Antrags der Mitglieder der Frak-
tion der SPD, der Fraktion DIE LINKE. und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im
1.UA gem. Art. 45a Abs. 2 GG vom 07.07.2010
Namensverwechslung - Vernehmung von
Oberst i. G. K. N. (IAT) als Zeugen
07.07.2010 08.07.2010 135 (neu)
104 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Im gestuften Verfahren 1. Das Bundesministe-
rium der Verteidigung wird zunächst darum
16.12.2009 - -
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 489 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
gebeten, die Namen nebst Dienstgraden, Funk-
tionsbezeichnungen, Einsatzorten, Aufgaben
und Berührungspunkten mit dem Untersu-
chungsauftrag derjenigen Personen aus dem
Geschäftsbereich des BMVg und der ihm nach-
geordneten Dienststellen zu benennen, die über
Tatsachen, die in Zusammenhang mit den im
Untersuchungsauftrag bezeichneten Sachverhal-
ten und Fragestellungen stehen, Auskunft geben
können oder von ihrer Stellung/Funktion her
können sollten und sodann 2. Diese Personen
als Zeugen beschlossen warden.
104 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Das Bundesministerium der Verteidigung wird
darum gebeten, die Namen nebst Dienstgraden,
Funktionsbezeichnungen, Einsatzorten, Aufga-
ben und Berührungspunkten mit dem Untersu-
chungsauftrag derjenigen Personen aus dem
Geschäftsbereich des BMVg und der ihm nach-
geordneten Dienststellen zu benennen, die über
Tatsachen, die in Zusammenhang mit den im
Untersuchungsauftrag bezeichneten Sachverhal-
ten und Fragestellungen stehen, Auskunft geben
können oder von ihrer Stellung/Funktion her
können sollten.
26.01.2010 - -
104 (neu-1) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.02.2010
Das Bundesministerium der Verteidigung wird
darum gebeten, die Namen nebst Dienstgraden,
Funktionsbezeichnungen, Einsatzorten, Aufga-
ben und Berührungspunkten mit dem Untersu-
chungsauftrag derjenigen Personen aus dem
Geschäftsbereich des BMVg und der ihm nach-
geordneten Dienststellen zu benennen, die über
Tatsachen, die in Zusammenhang mit den im
Untersuchungsauftrag bezeichneten Sachverhal-
ten und Fragestellungen stehen, Auskunft geben
können oder von ihrer Stellung/Funktion her
können sollten.
04.02.2010 10.02.2010 140
105 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Im gestuften Verfahren 1. Das Bundeskanzler-
amt wird zunächst darum gebeten, die Namen
nebst Dienstgraden, Funktionsbezeichnungen,
Einsatzorten, Aufgaben und Berührungspunkten
mit dem Untersuchungsauftrag derjenigen Per-
sonen aus dem Geschäftsbereich des BK und
der ihm nachgeordneten Dienststellen, ein-
schließlich des BND und des Presse- und In-
formationsamtes des Bundesregierung zu be-
21.12.2009 - -
Drucksache 17/7400 – 490 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
nennen, die über Tatsachen, die in Zusammen-
hang mit den im Untersuchungsauftrag be-
zeichneten Sachverhalten und Fragestellungen
stehen, Auskunft geben können oder von ihrer
Stellung/Funktion her können sollten und so-
dann 2. Diese Personen als Zeugen beschlossen
werden.
105 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Das Bundeskanzleramt wird darum gebeten, die
Namen nebst Dienstgraden, Funktionsbezeich-
nungen, Einsatzorten, Aufgaben und Berüh-
rungspunkten mit dem Untersuchungsauftrag
derjenigen Personen aus dem Geschäftsbereich
des BK und der ihm nachgeordneten Dienststel-
len, einschließlich des BND und des Presse-
und Informationsamtes des Bundesregierung zu
benennen, die über Tatsachen, die in Zusam-
menhang mit den im Untersuchungsauftrag
bezeichneten Sachverhalten und Fragestellun-
gen stehen, Auskunft geben können oder von
ihrer Stellung/Funktion her können sollten.
26.01.2010 - -
105 (neu-1) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.02.2010
Das Bundeskanzleramt wird darum gebeten, die
Namen nebst Dienstgraden, Funktionsbezeich-
nungen, Einsatzorten, Aufgaben und Berüh-
rungspunkten mit dem Untersuchungsauftrag
derjenigen Personen aus dem Geschäftsbereich
des BK und der ihm nachgeordneten Dienststel-
len, einschließlich des BND und des Presse-
und Informationsamtes des Bundesregierung zu
benennen, die über Tatsachen, die in Zusam-
menhang mit den im Untersuchungsauftrag
bezeichneten Sachverhalten und Fragestellun-
gen stehen, Auskunft geben können oder von
ihrer Stellung/Funktion her können sollten.
04.02.2010 10.02.2010 141
106 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Im gestuften Verfahren 1. Das Auswärtige Amt
wird zunächst darum gebeten, die Namen nebst
Dienstgraden, Funktionsbezeichnungen, Ein-
satzorten, Aufgaben und Berührungspunkten
mit dem Untersuchungsauftrag derjenigen Per-
sonen aus dem Geschäftsbereich des AA zu
benennen, die über Tatsachen, die in Zusam-
menhang mit den im Untersuchungsauftrag
bezeichneten Sachverhalten und Fragestellun-
gen stehen, Auskunft geben können oder von
ihrer Stellung/Funktion her können sollten und
sodann 2. Diese Personen als Zeugen beschlos-
16.12.2009 - -
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 491 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
sen werden.
106 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Das Auswärtige Amt wird darum gebeten, die
Namen nebst Dienstgraden, Funktionsbezeich-
nungen, Einsatzorten, Aufgaben und Berüh-
rungspunkten mit dem Untersuchungsauftrag
derjenigen Personen aus dem Geschäftsbereich
des AA zu benennen, die über Tatsachen, die in
Zusammenhang mit den im Untersuchungsauf-
trag bezeichneten Sachverhalten und Fragestel-
lungen stehen, Auskunft geben können oder von
ihrer Stellung/Funktion her können sollten.
26.01.2010 - -
106 (neu-1) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.02.2010
Das Auswärtige Amt wird darum gebeten, die
Namen nebst Dienstgraden, Funktionsbezeich-
nungen, Einsatzorten, Aufgaben und Berüh-
rungspunkten mit dem Untersuchungsauftrag
derjenigen Personen aus dem Geschäftsbereich
des AA zu benennen, die über Tatsachen, die in
Zusammenhang mit den im Untersuchungsauf-
trag bezeichneten Sachverhalten und Fragestel-
lungen stehen, Auskunft geben können oder von
ihrer Stellung/Funktion her können sollten.
04.02.2010 10.02.2010 142
107 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung von Unterlagen des Bundesministe-
riums der Verteidigung und der nachgeordneten
Dienststellen
16.12.2009 16.12.2009 94
108 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung von Unterlagen des Auswärtigen
Amtes und der nachgeordneten Dienststellen
16.12.2009 16.12.2009 95
109 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung von Unterlagen des Bundesministe-
riums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung und der nachgeordneten Dienst-
stellen
16.12.2009 16.12.2009 96
110 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 14.12.2009
Beiziehung der Ausschussprotokolle des Ver-
teidigungsausschusses des Deutschen Bundes-
tages mit Bezug zum Luftschlag am 04. Sep-
tember 2009.
16.12.2009 16.12.2009 97
111 Beschlussvorschlag
Behandlung der Ausschussprotokolle
14.01.10 21.01.2010 Beschluss 4
zum Verfahren
112 Antrag der Mitglieder der Fraktion der 14.01.2010 21.01.2010 98
Drucksache 17/7400 – 492 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des Deutschen Militärischen Ver-
treters (DMV) bei der NATO Generalleutnant
Jürgen Bornemann als Zeugen
113 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des Leiters der Rechtabteilung im
BMVg Ministerialdirektor Dieter Weingärtner
als Zeugen
14.01.2010 21.01.2010 99
114 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des Chef des Stabes des Füh-
rungsstabes der Streitkräfte Konteradmiral
Manfred Nielson als Zeugen
14.01.2010 21.01.2010 100
115 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des Kommandeurs 10. Panzerdivi-
sion in seiner Funktion als ehemaliger Leiter
Einsatzführungsstab im Bundesministerium der
Verteidigung Generalmajor Erhard Bühler als
Zeugen
14.01.2010 21.01.2010 101
116 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des Botschafters der Bundesre-
publik Deutschland in Afghanistan Botschafter
Werner Hans Lauk als Zeugen
14.01.2010 vertagt
117 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des Ständigen Vertreters der Bun-
desrepublik Deutschlands bei der NATO Bot-
schafter Ulrich Brandenburg als Zeugen
14.01.2010 21.01.2010 102
118 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des zum Untersuchungszeitraums
verantwortlichen zivilen Leiters des PRT (Pro-
vincial Reconstruction Team) Kunduz B. D. als
Zeugen
14.01.2010 21.01.2010 103
119 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Im gestuften Verfahren 1. Die Bundesregierung
gebeten wird, den Leiter Lagezentrum im Aus-
wärtigen Amt im Untersuchungszeitraum zu
benennen und sodann 2. diese Person als Zeuge
vernommen wird.
14.01.2010 21.01.2010 104
120 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Im gestuften Verfahren 1. Die Bundesregierung
gebeten wird, den Leiter Planungsstab im Aus-
14.01.2010 21.01.2010 105
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 493 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
wärtigen Amt im Untersuchungszeitraum zu
benennen und sodann 2. diese Person als Zeuge
vernommen wird.
121 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des zum Untersuchungszeitraum
im Amt befindlichen Staatssekretär im BMZ
Erich Stather als Zeugen
14.01.2010 21.01.2010 107
122 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des Chef des Stabes bei SHAPE
General Karl-Heinz Lather als Zeugen
14.01.2010
21.01.2010 108
123 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 13.01.2010
Vernehmung des Chef des Stabes im Einsatz-
führungskommando Bundeswehr Flottillenad-
miral Manfred Hartmann als Zeugen
14.01.2010 21.01.2010 106
124 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 18.01.2010
Vernehmung des zum Untersuchungszeitraum
im Amt befindlichen Staatssekretär im BMZ
Erich Stather als Zeugen
19.01.2010 21.01.2010 107
125 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 18.01.2010
Vernehmung des Chef des Stabes bei SHAPE
General Karl-Heinz Lather als Zeugen
19.01.2010 21.01.2010 108
126 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 18.01.2010
Thematische Vorgehensweise im
1. Untersuchungsausschuss „Kunduz“ nach
Themenblöcken
19.01.2010
127 Beschlussvorschlag
Behandlung der Ausschussprotokolle (überar-
beitete Fassung)
19.01.2010 21.01.2010 Beschluss 4
zum Verfahren
128 Fachbereich WD 3
Stellungnahme zur rechtlichen Zulässigkeit des
Verfahrensbeschlusses 8
19.01.2010 -- -
129 nicht vergeben
130 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 21.01.2010
Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-
ten J 3 des PRT RC North als Zeugen
22.01.2010 - -
130 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-
ten J 3 des PRT RC North als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 110
131 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der 22.01.2010 - -
Drucksache 17/7400 – 494 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 21.01.2010
Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-
ten J 2 des PRT RC North als Zeugen
131 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-
ten J 2 des PRT RC North als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 136
132 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 21.01.2010
Vernehmung von OTL G. als Zeugen
22.01.2010 - -
132 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Zeugenvernehmung OTL G. als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 137
133 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010
Vernehmung des Geschäftsträger a.i. der Bot-
schaft der Bundesrepublik Deutschland in Afg-
hanistan Botschaftsrat Dr. Christian Buck als
Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 138
134 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 26.01.2010
Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-
ten J 2 des PRT Kunduz als Zeugen
27.01.2010 28.01.2010 111
135 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 03.02.2010
Vernehmung des Kommandeurs Kommando
Führung Operationen von Spezialkräften (Kdo
FOSK) Oberst i. G. G. B. als Zeugen
04.02.2010 10.02.2010 139
136
Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.02.2010
Vernehmung des Kommandeurs Kommando
Führung Operationen von Spezialkräften
(FOSK) Oberst i. G. G. B. als Zeugen.
04.02.2010 10.02.2010 139
137 Fachbereich Parlamentsrecht PD2 mit Schrei-
ben v. 04.02.2010
Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und
Sachverständigen gemäß § 17 Abs. 3 PUAG
08.02.2010
138 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Luftangriff vom 4. September 2009 auf von
Taliban entführte Tanklastzüge; Zeugenschaft-
liche Vernehmung von Oberst Klein durch den
Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungs-
17.02.2010 - -
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 495 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
ausschuss gem. Art. 45 a Abs. 2 GG mit Schrei-
ben des BMJ vom 16. Februar 2010
139 Rechtsanwalt Prof. Dr. Müssig
Anwesenheit des rechtlichen Beistands von
Oberst Klein im Untersuchungsausschuss mit
Schreiben des RA Dr. Müssig v. 22. Februar
2011
23.02.2010 - -
140 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 23.02.2010
Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen zum
Themenblock 3 am 18. und 25. März 2010
23.02.2010 - -
141 Internationales Komitee vom Roten Kreuz
Schreiben IKRK vom 15. Februar 2010 mit
Schreiben des AA vom 22. Februar 2010
23.02.2010 - -
142 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der Fraktion der FDP im 1.UA
gem. Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.02.2010
Vorschlag zur Reihenfolge der Zeugenverneh-
mung am 18. März 2010
25.02.2010 - -
143 Widerspruch der Mitglieder der Fraktion der
SPD, der Fraktion DIE LINKE. und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 02.03.2010
Widerspruch gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG
gegen den gefassten Beschluss der Beratungs-
unterlage 17-142
03.03.2010 - -
144 Referat ZR 4 – Geheimschutz, datenschutz
Individuelle Kennzeichnung aller Seiten der im
Auftrag des VA als 1. UA hergestellten Ausfer-
tigungen von VS-Material
03.03.2010 - -
145 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Schreiben des Generalbundesanwalts vom 1.
März 2010; Bitte um Einsichtnahme in das
Protokoll der Ausschusssitzung vom 25. Fe-
bruar 2010 mit Schreiben des BMJ vom 3. März
2010
03.03.2010 - -
146 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.03.2010
Es wird festgestellt, dass nach Widerspruch der
Fraktionen von SPD, DIE LINKE.. und
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN gegen den von
der Mehrheit auf Grundlage der Beratungsun-
terlage Nr. 17-142 gegen die Stimmen der Min-
derheit in der 7. Sitzung des VA als 1. UA am
25.02.2010 beschlossenen Reihenfolge der
Zeugen die Rechtsfolge der gesetzlichen Rege-
lung des § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG zur Anwen-
dung kommt, wonach bei Widerspruch eines
Viertels der Mitglieder des UA die Vorschriften
der Geschäftsordnung des Deutschen Bundesta-
ges zur Reihenfolge der Reden entsprechend
gelten, so dass die Vorsitzende verpflichtet ist,
die Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen in
03.03.2010 - -
Drucksache 17/7400 – 496 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
diesem Sinne festzulegen.
147 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 04.03.2010
Widerspruch der Einsetzungsminderheit (BU
17-143) wird zur Kenntnis genommen, Antrag
der Einsetzungsminderheit (BU 17-146) wird
zurückgewiesen, Zeugen sind in der Reihenfol-
ge und zu dem Datum zu laden, wie gemäß BU
17-142 in der Sitzung vom 25.02.2010 be-
schlossen.
04.03.2010 - -
148 Bundesministerium der Verteidigung
Schreiben des Bundesministers der Verteidi-
gung Karl-Theodor zu Guttenberg an den Präsi-
denten des Deutschen Bundestages Prof. Dr.
Norbert Lammert vom 02. März 2010
05.03.2010 - -
149 Dr. h. c. Susanne Kastner, Vorsitzende des Ver-
teidigungsausschusses als 1.UA
Schreiben Vorsitzenden an den Präsidenten des
Deutschen Bundestages vom 5. März 2010;
hier: Veröffentlichter Spiegel-Online Bericht
mit Zitaten aus einer als VS-GEHEIM einges-
tuften Unterlage
09.03.2010 - -
150 Ersuchen der Mitglieder der Fraktion der SPD,
der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 09.03.2010
Eiliges Ersuchen der Oppositionsfraktionen um
Herabstufung eingestufter Dokumente
11.03.2010
151 Bundesministerium der Verteidigung
Schreiben des Bundesministers der Verteidi-
gung zur Übersendung der noch ausstehenden
Unterlagen für den 1. Untersuchungsausschuss
vom 11. März 2010
15.03.2010
152 Bundesministerium der Verteidigung
Schreiben des Bundesministeriums der Vertei-
digung über die Herabstufung von Unterlagen
vom 15. März 2010
15.03.2010 - -
153 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 15.03.2010
Eilige Beiziehung sämtlicher Schreiben von
General a. D. Schneiderhan, Brigadegeneral a.
D. Henning Hars und Staatssekretär a. D. Dr.
Wichert an den Bundesminister der Verteidi-
gung beim Bundesministerium der Verteidigung
15.03.2010 - -
154 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Die Bundesanwaltschaft unterrichtet, dass sie
mit Verfügung vom 12.3.2010 ein Ermittlungs-
verfahren gegen den damaligen Kommandeur
des PRT Kunduz, Oberst Klein und gegen den
am Luftangriff beteiligten Flugleitoffizier,
Hauptfeldwebel W. wegen des Verdachts eines
Verbrechens nach dem Völkerstrafgesetzbuch
16.03.2010 - -
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 497 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
bzw. einer Beteiligung daran im Zusammen-
hang mit dem Luftangriff vom 4. September
2009 eingeleitet hat, mit Schreiben des Bun-
desministeriums der Justiz vom 16. März 2010
155 Bundesministerium der Verteidigung
Herabstufung von Unterlagen
17.03.2010 - -
156 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU sowie der FDP im 1.UA gem. Art.
45a Abs. 2 GG vom 18.03.2010
Antrag zur Verfahrensordnung in den nach
Beschluss 8 zum Verfahren in öffentlicher Sit-
zung durchzuführenden Zeugeneinvernahmen
18.03.2010 - -
157 Bundesministerium der Justiz
Mitteilung, dass die Vorlage der Akten zu BB
116 erst nach Abschluss des Ermittlungsverfah-
rens übersandt werden können, mit Schreiben
vom 31. März 2010
01.04.2010
158 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.04.2010
Beiziehung
1. des gesamten mit dem untersuchten Vorgang
vom 03.104.09.2009 in Zusammenhang
stehenden Schriftverkehrs zwischen dem
Bundesministerium der Verteidigung, dem
Ministerium der Justiz des Landes Sachsen,
dem Generalbundesanwalt beim
Bundesgerichtshof, der Generalstaats-
anwaltschaft Dresden einschließlich aller
Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten im
Bezirk des Oberlandesgerichts Dresden und der
Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen (INES),
der Staatsanwaltschaft Potsdam, 2. aller in
diesem Zusammenhang bei den genannten
Stellen entstandenen Vermerke und
Verfügungen, insbesondere der Verfügung, mit
der die Ermittlungszuständigkeit zunächst auf
die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen
(INES) übertragen worden war, bei den
genannten Stellen
15.04.2010 - -
159 Schreiben der Mitglieder der Fraktion der SPD,
der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 16.04.2010
Antwortschreiben zum Schreiben des BMJ v.
31.03.2010 (BU 157), Bezug: Verweigerung der
Überlassung von Beweismitteln für den Vertei-
digungsausschuss als 1. Untersuchung-
sausschuss (BB 116)
19.04.2010 - -
160 Bundesministerium der Justiz
Pressemitteilung des GBA: Einstellung des
Ermittlungsverfahrens gegen Oberst Klein und
Hauptfeldwebel W.
19.04.2010 - -
161 Bundesministerium der Verteidigung
Zuordnung eines Dokuments zum Kernbereich
exekutiver Eigenverantwortung mit Schreiben
21.04.2010 - -
Drucksache 17/7400 – 498 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
vom 20. April 2010
162 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-
suchungsauftrag durch Anhörung des F 15
Echo-Piloten, „Dude 15“
28.04.2010 20.05.2010 abgelehnt
163 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-
suchungsauftrag durch Anhörung des F 15
Echo-Piloten, „Dude 16“
28.04.2010 06.05.2010 143
164 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-
suchungsauftrag durch Anhörung des Supreme
Allied Commander Europe der NATO sowie
kommandierenden Generals des US European
Command, Admiral James G. Stavridis.
28.04.2010 06.05.2010 144
165 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-
suchungsauftrag durch Anhörung des Kom-
mandeurs der Internationalen Sicherheitsunter-
stützungstruppe (ISAF), General Stanley A.
McChrystal.
28.04.2010 06.05.2010 145
166 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-
suchungsauftrag durch Anhörung des Mithe-
rausgebers der Washington Post, Rajiv Chand-
rasekaran.
28.04.2010 06.05.2010 146
167 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung des Staatssekretärs im Bundesin-
nenministerium a. D. Dr. August Hanning als
Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 147
168 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung des OTL Björn Voigt, Rechtsbera-
ter, Einsatzführungskommando der Bundes-
wehr, als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 148
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 499 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
169 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung des Leiters des Einsatzführungs-
stabes Einsatzteam Afghanistan im Bundesmi-
nisterium der Verteidigung, O.i.G. H. G.
28.04.2010 06.05.2010 149
170 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung von A. C., Bundesministerium
der Verteidigung, Abteilung R II 3,
als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 150
171 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung von A. S., Mitarbeiter
im Büro des Staatssekretärs Dr. Walther Ot-
remba im Bundesministerium der Verteidigung,
als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 151
172 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung des O.i.G. T. P.,
Bundesministerium der Verteidigung, Einsatz-
führungsstab 5, als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 152
173 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung von Dr. J. S., Bundesministerium
der Verteidigung, Abteilung R II 3,
als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 153
174 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung von A. H. H. ,
Bundesministerium der Verteidigung,
Planungsstab, Abteilung 4, als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 154
175 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung des RDir W. B., Bundesministerium
der Verteidigung, Einsatzführungsstab 2,
als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 155
176 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-
ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-
28.04.2010 06.05.2010 erledigt
als Zeugen
Drucksache 17/7400 – 500 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen
dem Bundesministerium der Verteidigung so-
wie dem Bundesministerium der Justiz, dem
Ministerium der Justiz des Landes Sachsen,
dem Generalsbundesanwalt beim Bundesge-
richtshof, der Generalbundesanwaltschaft Dres-
den einschließlich aller Staatsanwaltschaften bei
den Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-
richts Dresden und der Integrierten Ermitt-
lungseinheit Sachsen (INES), der Staatsanwalt-
schaft Potsdam und 2. aller in diesem Zusam-
menhang entstandenen oder dem BMVg über-
lassenen Vermerke u. Verfügungen , insbes.
Der Verfügung, mit der die Ermittlungszustän-
digkeit zunächst auf die INES übertragen wor-
den war, beim Bundesministerium der Verteidi-
gung.
177 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung der Besatzungsmitglieder des am
03.09.2009 von dem JTAC M. W. angeforder-
ten B1-Bombers „Bone 22“ als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 156
178 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung des Vorsitzenden des ISAF Joint
Investigation Board zum Luftangriff vom
03./04.09.2009 in der Provinz Kundus, Major
General C.S. „Duff“ Sullivan, als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 157
179 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung des Kommandeurs der Task Force
47 (zum Stichtag 03./04.09.2009) als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 158
180 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung des in der Nacht vom
03./04.09.2009 in der bzw. für die Operations-
zentrale der Task Force 47 eingesetzten
Sprachmittlers (N.N.) als Zeugen
28.04.2010 06.05.2010 159
181 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Im gestuften Verfahren 1. zunächst das Bun-
desministerium der Verteidigung ersucht wird,
die in der Nacht vom 03./04.2009 für die Task
Force 47 tätig gewordene HUMINT-Quelle zu
benennen, 2. und im Anschluss daran diese
Person zeugenschaftlich vernommen wird.
28.04.2010 06.05.2010 zurückge-
zogen
182 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der 28.04.2010 06.05.2010 zurückge-stellt
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 501 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Im gestuften Verfahren 1. a) das Bundesminis-
terium der Verteidigung sowie b) der Bundes-
nachrichtendienst ersucht werden, die in der
Nacht vom 03./04.09.2009 zweitweise oder
durchgängig in der Operationszentrale der Task
Force 47 anwesenden und für den BND ver-
pflichteten oder tätigen Personen zu benennen
2. und im Anschluss daran diese Personen als
Zeugen vernommen werden.
182 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 11.05.2010
Vernehmung der Angehörigen des Bundesnach-
richtendienstes HFw M.F. und HFw A.R. als
Zeugen
11.05.2010 20.05.2010 175
183 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung von Herrn A. M.
28.04.2010 06.05.2010 160
184 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Vernehmung der beiden Mitglieder im Provinz-
rat (Schura) von Kundus 1. Dr. Habibe Erfan
und 2. K. Z. als Zeuginnen
28.04.2010 06.05.2010 161
185 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-
ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-
menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen
dem Bundesministerium der Justiz sowie dem
Bundesministerium der Verteidigung, dem
Ministerium der Justiz des Landes Sachsen,
dem Generalsbundesanwalt beim Bundesge-
richtshof, der Generalbundesanwaltschaft Dres-
den einschließlich aller Staatsanwaltschaften bei
den Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-
richts Dresden und der Integrierten Ermitt-
lungseinheit Sachsen (INES), der Staatsanwalt-
schaft Potsdam und 2. aller in diesem Zusam-
menhang entstandenen oder dem BMJ überlas-
senen Vermerke u. Verfügungen , insbes. der
Verfügung, mit der die Ermittlungszuständig-
keit zunächst auf die INES übertragen worden
war, beim Bundesministerium der Justiz.
28.04.2010 06.05.2010 162
186 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
28.04.2010 06.05.2010 163
Drucksache 17/7400 – 502 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-
ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-
menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen
dem Ministerium der Justiz des Landes Sachsen
sowie dem Bundesministerium der Verteidi-
gung, dem Generalsbundesanwalt beim Bun-
desgerichtshof, der Generalbundesanwaltschaft
Dresden einschließlich aller Staatsanwaltschaf-
ten bei den Landgerichten im Bezirk des Ober-
landesgerichts Dresden und der Integrierten
Ermittlungseinheit Sachsen (INES), der Staats-
anwaltschaft Potsdam und 2. aller in diesem
Zusammenhang entstandenen oder dem Justiz-
ministerium des Landes Sachsen überlassenen
Vermerke u. Verfügungen , insbes. der Verfü-
gung, mit der die Ermittlungszuständigkeit
zunächst auf die INES übertragen worden war,
beim Ministerium der Justiz des Landes Sach-
sen.
187 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-
ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-
menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen
dem Generalbundesanwalt beim Bundesge-
richtshof sowie dem Bundesministerium der
Verteidigung, dem Bundesministerium der
Justiz, dem Ministerium der Justiz des Landes
Sachsen, der Generalbundesanwaltschaft Dres-
den einschließlich aller Staatsanwaltschaften bei
den Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-
richts Dresden und der Integrierten Ermitt-
lungseinheit Sachsen (INES), der Staatsanwalt-
schaft Potsdam und 2. aller in diesem Zusam-
menhang entstandenen oder dem GBA überlas-
senen Vermerke u. Verfügungen , insbes. der
Verfügung, mit der die Ermittlungszuständig-
keit zunächst auf die INES übertragen worden
war, bei der Bundesanwaltschaft.
28.04.2010 06.05.2010 164
188 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-
ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-
menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen
der Generalbundesanwaltschaft Dresden ein-
schließlich aller Staatsanwaltschaften bei den
Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-
richts Dresden und der Integrierten Ermitt-
lungseinheit Sachsen (INES) sowie dem Bun-
desministerium der Verteidigung, dem Ministe-
rium der Justiz des Landes Sachsen, dem Gene-
ralsbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, der
28.04.2010 06.05.2010 165
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 503 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Staatsanwaltschaft Potsdam und 2. aller in die-
sem Zusammenhang entstandenen oder der
Generalbundesanwaltschaft Dresden einschließ-
lich aller Staatsanwaltschaften bei den Landge-
richten im Bezirk des Oberlandesgerichts Dres-
den und der Integrierten Ermittlungseinheit
Sachsen (INES) überlassenen Vermerke u.
Verfügungen , insbes. der Verfügung, mit der
die Ermittlungszuständigkeit zunächst auf die
INES übertragen worden war, bei der General-
bundesanwaltschaft Dresden einschließlich aller
Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten im
Bezirk des Oberlandesgerichts Dresden und der
Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen (INES).
189 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-
ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-
menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen
der Staatsanwaltschaft Potsdam sowie dem
Bundesministerium der Verteidigung, dem
Ministerium der Justiz des Landes Sachsen,
dem Generalsbundesanwalt beim Bundesge-
richtshof, Generalbundesanwaltschaft Dresden
einschließlich aller Staatsanwaltschaften bei den
Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-
richts Dresden und der Integrierten Ermitt-
lungseinheit Sachsen (INES) und 2. aller in
diesem Zusammenhang entstandenen oder der
Staatsanwaltschaft Potsdam überlassenen Ver-
merke u. Verfügungen , insbes. der Verfügung,
mit der die Ermittlungszuständigkeit zunächst
auf die INES übertragen worden war, bei der
Staatsanwaltschaft Potsdam.
28.04.2010 06.05.2010 166
190 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung der beim Einsatz vom
03./04.09.2009 entstandenen Cockpit tapes der
bei und vor dem Luftangriff in Kundus einge-
setzten F 15 Echo und des B1-Bombers sowie
der erstellten Transkripte dieser Cockpit tapes
28.04.2010 06.05.2010 167
191 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung der dem deutschen Einsatzkontin-
gent im Rahmen des ISAF-Mandates mitgege-
benen Taschenkarten mit dem Veröffentli-
chungsstand 01.01.2008 bis 31.12.2009 beim
Bundesministerium der Verteidigung.
28.04.2010 06.05.2010 168
192 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
28.04.2010 06.05.2010 169
Drucksache 17/7400 – 504 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung der folgenden Einsatzregeln:
-OPLAN 10302 (Rev. 1)
- OPLAN 10303 (Änderung 2 zur überarbeite-
ten Fassung 1)
- Tac Directive (TD) COM ISAF vom
02.09.2008 beim Verteidigungsausschuss des
Deutschen Bundestages
193 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung aller für das ISAF-Mandat formu-
lierter Rules of Engagement sowie hierzu vor-
liegender Kommentierungen /Erläuterungen /
Handreichungen und aller Vorbehalte zu den
Rules of Engagement beim Bundesministerium
der Verteidigung
28.04.2010 06.05.2010 170
194 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beziehung sämtlicher Einsatzkonzeptionen zum
ISAF-Mandat seit Beginn des Mandates im Jahr
2002 beim Bundesministerium der Verteidigung
, hilfsweise über das Bundesministerium der
Verteidigung bei ISAF.
28.04.2010 06.05.2010 zurückge-
zogen
195 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung der ständigen Dienstanweisung
ISAF SOP 302, Operational Reports an Return
vom 13.12.2009 beim Bundesministerium der
Verteidigung
28.04.2010 06.05.2010 171
196 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Das BMVg wird gebeten dem UA ein Organig-
ramm über die Organisationseinheiten von der
Ebene PRT-Kunduz über ISAF – Regional
Command North bis ISAF-Hauptquartier in
Kabul, aus den Dienststellen, ihre Kompeten-
zen, Aufgaben und Funktionsbezeichnungen
sowie ein ebenso aufgebautes Organigramm
über die Organisationseinheiten der TF 47 bis
hin zur Ebene Special Operations Forces ISAF
Kabul zur Verfügung zu stellen.
28.04.2010 06.05.2010 zurückge-
zogen
197 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung aller seit dem 01.07.2009 vom BND
herausgegebenen, mit Bundeswehreinsätzen in
der Region Kunduz zusammenhängenden, Mit-
teilungen und Bedrohungswarnungen beim
28.04.2010 06.05.2010 172
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 505 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Bundesministerium der Verteidigung sowie
beim Bundesnachrichtendienst
198 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung aller zwischen der Bundeswehr,
dem BMVg oder der Bundesregierung und der
afghanischen Regierung bzw. deren Sicher-
heitsdiensten - ANSF, ANP, ANA und ggf.
weiteren - getroffenen Vereinbarungen und
Verfahrensregelungen im Raum Kundus bei der
Bundesregierung und dem Bundesministerium
der Verteidigung
28.04.2010 06.05.2010 zurückge-
zogen
199 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung sämtlicher im Bereich der Bundes-
wehr, des BMVg und des multinationalen HQ
ISAF seit dem 07.10.2008 erstellter Unterlagen,
die maßgeblich waren für die Operationspla-
nung und Operationsführung der TF 47 im
Zeitraum September 2009 beim Bundesministe-
rium der Verteidigung bzw. über das Bundes-
ministerium der Verteidigung bei ISAF
28.04.2010 06.05.2010 zurückge-
zogen
200 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung sämtlicher im Bereich der Bundes-
wehr, des BMVg und des multinationalen HQ
ISAF seit dem 07.10.2008 erstellter Unterlagen,
die maßgeblich waren für die Operationspla-
nung und Operationsführung des deutschen
Einsatzkontingents PRT KDZ im Zeitraum
September 2009 beim Bundesministerium der
Verteidigung bzw. über das Bundesministerium
der Verteidigung bei ISAF
28.04.2010 06.05.2010 zurückge-
zogen
201 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein und
Hauptfeldwebel W. wegen des Verdachts einer
Strafbarkeit nach dem VStGB und anderer
Delikte; hier: Einstellung des Verfahrens gem. §
170 Abs. 2 Satz 1 StPO, mit Schreiben des
GBA vom 16. April 2010
30.04.2010 - -
202 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.05.2010
Anhörung des Leiters des belgischen Tactical
PsyOps Teams (TPT) 2, Stabsfeldwebel F. B.
03.05.2010 06.05.2010 173
203 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.05.2010
Vernehmung des Stellvertreters des Generalin-
04.05.2010 06.05.2010 174
Drucksache 17/7400 – 506 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
spekteurs und Inspekteurs Streitkräftebasis,
Vizeadmiral Wolfram Kühn als Zeugen.
204 Bundesministerium der Justiz
Schreiben der Ministerin: Aktenvorlage der
vom Beweisbeschluss erfassten Vorgänge wird
der Generalbundesanwalt dem VA als 1. UA
zeitnah über das BMJ vorlegen.
05.05.2010
205 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 07.05.2010
Anhörung des F 15 Echo-Piloten, Dude 15
07.05.2010 20.05.2010 abgelehnt
206 Sekretariat des Verteidigungsausschusses
Schreiben zum BB 17-169 (Beiziehung OPLAN
10302 und OPLAN 10303)
11.05.2010 - -
207 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 17.05.2010
Beiziehung der folgenden Einsatzregeln:
- OPLAN 10302 (rev. 1)
- OPLAN 10303
- Tac Directive (TD) COM ISAF vom
02.09.2008 beim Bundesministerium der Ver-
teidigung bzw. Über das Bundesministerium der
Verteidigung bei ISAF
17.05.2010 09.06.2010 176
208 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 18.05.2010
Beiziehung aller von RC North, HQ Kabul und
der NATO geschlossenen Vereinbarungen
- zum Informationsaustausch über Notfälle und
Gefahrenlagen und
- zu Maßnahmen zur Sicherung von Transpor-
ten im Raum Kunduz, die Gültigkeit besaßen
für Transporte der Firma Mir Bacha Kot im
Zeitraum Juli bis September 2009 beim Bun-
desministerium der Verteidigung bzw. über das
Bundesministerium der Verteidigung bei ISAF
sowie der NATO
18.05.2010 09.06.2010 177
209 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 17.05.2010
Vernehmungsgegenüberstellung der Zeugen
General a. D. Wolfgang Schneiderhan, Sts a. D.
Dr. Peter Wichert und Bundesminister Karl-
Theodor Freiherr zu Guttenberg, MdB, zur
Klärung der in Teil III der Begründung in Ein-
zelnen dargestellten Widersprüche in den Aus-
sagen dieser Zeugen vor dem Ausschuss
18.05.2010 09.06.2010 zurückge-stellt
210 Bundesministerium der Verteidigung
Benennung des als Zeugen benannten Sprach-
mittlers Feldwebel der Reserve M.-A. M.
20.05.2010 - -
211 Ersuchen der Mitglieder der Fraktion der SPD,
der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
25.05.2010 - -
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 507 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 21.05.2010
Ersuchen der Oppositionsfraktionen um Erstel-
lung weiterer Organigramme beim Bundesmi-
nisterium der Verteidigung
212 Staatsministerium der Justiz und für Europa des
Freistaates Sachsen
Rechts- und Amtshilfeersuchen an das Sächsi-
sche Staatsministerium der Justiz und für Euro-
pa; hier: zu BB 163 und 165
26.05.2010 - -
213 Bundesministerium der Verteidigung
Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-
kolle
27.05.2010 09.06.2010 -
214 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.06.2010
Anhörung des F 15 Echo-Piloten, Dude 15
03.06.2010 09.06.2010 178
215 Ministerium der Justiz Brandenburg
Mitteilung über Weiterleitung unseres Schrei-
bens an den Leitenden Oberstaatsanwalt in
Potsdam, zwecks Weiterleitung der beweiser-
heblichen Unterlagen mit Schreiben vom 31.
Mai 2010
08.06.2010 - -
216 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Änderung des Antrages zur BU 17-209 - Ver-
nehmungsgegenüberstellung
08.06.2010 09.06.2010 zurückge-stellt
217 Schreiben der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 09.06.2010
Ablehnung der Vernehmungsgegenüberstellung
(BU 209) durch die Koalition
09.06.2010
218 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 09.06.2010
Abänderung des Beschlusses zum Verfahren
Nr. 8
10.06.2010 17.06.2010 abgelehnt
219 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Ablehnung des Antrages zur Abänderung des
Beschlusses zum Verfahren Nr. 8 (BU 218)
15.06.2010 17.06.2010 abgelehnt
220 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.06.2010
Vernehmungsgegenüberstellung am 8. Juli 2010
der Zeugen General a.D. Wolfgang Schneider-
han, Sts a. D. Dr. Peter Wichert, und Bundes-
minister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
MdB zur Klärung der in Teil III der Begrün-
dung im Einzelnen dargestellten Widersprüche
in den Aussagen dieser Zeugen vor dem Aus-
15.06.2010 17.06.2010 abgelehnt
Drucksache 17/7400 – 508 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
schuss durchzuführen
221 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 15.06.2010
Beiziehung handschriftlicher Notizen sowie des
Notizblockes, Heftes oder Gebindes, dessen
Bestandteil die eingescannt übermittelten Seiten
sind in seiner Gesamtheit, jeweils im Original
beim Bundesministerium der Verteidigung
15.06.2010 01.07.2010 179
222 Bundesministerium der Verteidigung
Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-
kolle der 10., 12. und 14. Sitzung mit Schreiben
vom 10. Juni 2010
16.06.2010 01.07.2010 -
223 Bundesministerium der Verteidigung
Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-
kolle der 10., 12. und 14. Sitzung mit Anlagen
mit Schreiben vom 10. Juni 2010
18.06.2010 01.07.2010 -
224 NATO (General Egon Ramms)
Entlassungsersuchen für die am 01.07.2010
stattfindende Vernehmung vor dem 1. Untersu-
chungsausschuss
29.06.2010 01.07.2010 -
225 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 30.06.2010
zur Vernehmung des Zeugen Staatssekretär
Wolf in Einzelfallentscheidung gemäß § 69
Abs. 1 Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter
Berücksichtigung von § 14 PUAG zuzulassen
30.06.2010 01.07.2010 abgelehnt
226 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 30.06.2010
zur Vernehmung des Zeugen Dr. Thomas Raabe
in Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1
Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter Berück-
sichtigung von § 14 PUAG zuzulassen
30.06.2010 01.07.2010 abgelehnt
227 Bundesministerium der Verteidigung
Mitteilung, dass die im Original angeforderten
Notizen der Leiterin des Ministerbüros zur
Sitzung des 1.UA zum Zwecke der Inaugen-
scheinnahme zur Verfügung gestellt werden,
mit Schreiben vom 6. Juli 2010
06.07.2010 - -
228 Bundesministerium der Verteidigung
Antwort zu BB 17-177: weder im BMVg noch
bei ISAF und/oder der NATO sind Vereinba-
rungen bekannt, die Fragen des Informations-
austausches über Notfälle und Gefahrenlagen
und/oder Maßnahmen zur Sicherung von
Transporten betreffen und die auf Transporte
der Firma Mir Bacha Kot im Zeitraum Juli bis
September 2009 anzuwenden gewesen wären.
07.07.2010 - -
229 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.06.2010
08.07.2010 08.07.2010 abgelehnt
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 509 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
zur Vernehmung des Zeugen Rajiv Chandrase-
karan, in einer Einzelfallentscheidung gemäß
§ 69 Abs. 1 Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit
unter strikter Berücksichtigung von § 14 PUAG
zuzulassen
230 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.07.2010
Zur Vernehmung des Zeugen Dr. Habibe Erfan,
in einer Einzelfallentscheidung gemäß § 69
Abs. 1 Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter
strikter Berücksichtigung von § 14 PUAG zuzu-
lassen
08.07.2010 08.07.2010 abgelehnt
231 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.07.2010
zur Vernehmung des Zeugen Korshid Zaka, in
einer Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1
Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter strikter
Berücksichtigung von § 14 PUAG zuzulassen
08.07.2010 16.09.2010 zurückge-
zogen
232 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.07.2010
zur Vernehmung des Zeugen A. M., in einer
Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1 Satz
2 GO-BT die Öffentlichkeit unter strikter Be-
rücksichtigung von § 14 PUAG zuzulassen
08.07.2010 16.09.2010 abgelehnt
233 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.07.2010.2010
Benennung des Prozessbevollmächtigten Prof.
Dr. Christian Waldhoff, für den anstehenden
Rechtsstreit der Ausschussminderheit gegen den
Ausschuss, wegen der Frage einer Gegenübers-
tellung von Zeugen
08.07.2010 08.07.2010 -
234 Bundesministerium der Verteidigung
Bitte der Oppositionsfraktionen vom 9. März
2010 auf Beratungsunterlage 17-150
14.07.2010 - -
235 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 29.06.2010
Schreiben an das BMVg betreffend die Vorlage
von Beweismitteln
29.07.2010 - -
236 Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
Washington
Weiterleitung des Antwortschreibens der Un-
der-secretary of Defense Michele A. Flournoy
zur Anhörung von Admiral Stavridis
02.08.2010 - -
237 Bundesministerium der Verteidigung
Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-
kolle Nr. 16 und 18
03.08.2010 16.09.2010 -
238 Antrag der Mitglieder der Fraktion der 03.08.2010 - -
Drucksache 17/7400 – 510 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.08.2010
Nochmalige Vernehmung der Zeugen Sts. a. D.
Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan
239 Bundesministerium der Verteidigung
Schreiben zur Vorlage von Beweismitteln zu
BB 235 mit Schreiben vom 7. September 2010
08.09.210 16.09.2010 zurückge-stellt
240 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.09.2010
Beiziehung der Verfahrensakten des Landge-
richts Bonn – insbesondere der Klageschrift
sowie der Klageerwiderung - in der Zivilsache
A. M../. Bundeswehr (Az.1 O 334/10) beim
Landgericht Bonn
09.09.2010 16.09.2010 180
241 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010
Beiziehung des vom Bundesminister der Ver-
teidigung im November 2009 in Auftrag gege-
benen, im Zeitraum zwischen dem 30. Novem-
ber 2009 und dem 25. Februar 2010 erarbeiteten
und dem Bundesminister am 30. März 2010
vorgestellten Untersuchungsberichts, beim
Bundesministerium der Verteidigung
09.09.2010 16.09.2010 181
242 Bundesministerium der Verteidigung
Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-
kolle der 22. Sitzung
20.09.2010 29.09.2010 -
243 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 22.09.2010
Vernehmung des zur Zeit des Luftangriffs am
03./04. September 2009 stellvertretenden
Kommandeurs des PRT Kunduz, Oberstleutnant
G. als Zeugen
22.09.2010 29.09.2010 182
244 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 22.09.2010
Beiziehung des sog. Non-Paper des BMVg
(Befugnis- und Rechtfertigungsnorm für die
Anwendung militärischer Gewalt in Auslands-
einsätzen der Bundeswehr) und der in diesem
Zusammenhang am 20.11.2009 zwischen dem
BMJ und der Bundesanwaltschaft ausgetausch-
ten E-Mails beim Bundesministerium der Justiz
23.09.2010 29.09.2010 abgelehnt
245 Schreiben der Mitglieder der Fraktion der SPD,
der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 22.09.2010
Schreiben an das Bundesministerium der Justiz
zur Unvollständigkeit der Aktenlieferung
27.09.2010 - -
246 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der 21.10.2010 28.10.2010 zurückge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 511 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 20.10.2010
Beiziehung sämtlicher – dem deutschen ISAF-
Kontingent sowie der Task Force 47 zugängli-
cher – im Kontext einer Erhebung, Protokollie-
rung oder Auswertung durch deutsche Stellen,
afghanische Stellen oder ISAF-Kräfte entstan-
dener, durch Einsatz technischer Mittel, elekt-
ronisch oder in Papierform dokumentierter
Erkenntnisse aus einer möglichen „Dritten
Quelle“ (vgl. Bundespressekonferenz vom
07.09.2009),
- die mit dem Luftangriff von 04.09.2009 in
Zusammenhang stehen und
- vor diesem Luftangriff (ab dem Morgen des
03.9.2009) entstanden sind, beim Bundesminis-
terium der Verteidigung
zogen
247 Bundesministerium der Verteidigung
Schreiben zu BB 130 und 136, hier: Verfah-
rensvorschlag zum Umgang mit der Identität
der Zeugen bzw. Verwendung von Tarnnamen
während der Vernehmung, mit Schreiben vom
20. Oktober 2010
20.10.2010 - -
248 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 27.10.2010
Beiziehung einer lesbaren Ausfertigung der
dem zivilen Leiter des PRT Kunduz, B. D.,
am 12.09.2009 von der UNAMA
überlassenen Opferliste, welche zuletzt am
10.09.2009 aktualisiert worden war beim Bun-
desministerium der Verteidigung und beim
Auswärtigen Amt
27.10.2010 28.10.2010 vertagt
249 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 27.10.2010
Vernehmung des Präsidenten des Bundesnach-
richtendienstes (BND), Ernst Uhrlau als Zeugen
27.10.2010 11.11.2010 184
250 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 27.10.2010
Beiziehung der Opferliste des Luftschlags vom
03./04.09.2009 bei Kunduz vom August 2010
beim Bundesministerium der Verteidigung
27.10.2010 11.11.2010 185
251 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 11.11.2010
Beiziehung der Meldung des Luftwaffenverbin-
dungsoffiziers (ALO) der Task Force 47, OTL
G., vom 5. Januar 2010 einschließlich der Ver-
bindungsprotokolle über Datenkommunikation
im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur
11.11.2010 25.11.2010 186
Drucksache 17/7400 – 512 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Koordinierung des Luftraums sowie der hierauf
bezogenen Meldungen des Kdr Kdo FOSK vom
08./06. Januar 2010 und des Chefs des Stabes
EinsFüKdo der Bundeswehr vom 07. Januar
2010 beim Bundesministerium der Verteidigung
252 Bundesministerium der Verteidigung
Antwort zu BU 246 (Beweisvorbereitungsbe-
schluss 183) vom 28.10.2010 mit Schreiben
vom 24. November 2010
24.11.2010 25.11.2010 -
253 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.11.2010
zur Vernehmung des Zeugen Dr. Erich Vad,
Leiter der Gruppe 22 im Bundeskanzleramt, in
einer Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1
Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter strikter
Berücksichtigung von § 14 PUAG zuzulassen.
25.11.2010 25.11.2010 vertagt
254 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.11.2010
zur Vernehmung des Zeugen Dr. Christoph
Heusgen, Leiter der Abteilung 2 im Bundes-
kanzleramt, in einer Einzelfallentscheidung
gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 GO-BT die Öffent-
lichkeit unter strikter Berücksichtigung von
§ 14 PUAG zuzulassen
25.11.2010 25.11.2010 vertagt
255 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.11.2010
zur Vernehmung des Zeugen General a. D.
Egon Ramms, Kommandeur des Joint Force
Command Hauptquartier, in einer Einzelfallent-
scheidung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 GO-BT die
Öffentlichkeit unter strikter Berücksichtigung
von § 14 PUAG zuzulassen
25.11.2010 25.11.2010 vertagt
256 Bundesministerium der Verteidigung
Schreiben mit Bezug zum TAZ-Artikel vom
11.11.2010 - Prüfung zur eventuellen Strafver-
folgung wegen Verletzung der Geheimhal-
tungspflicht
26.11.2010 02.12.2010 -
257 Auswärtiges Amt
Herabstufung Vernehmungsprotokoll vom 7.
Oktober 2010, 33. Sitzung.
13.12.2010 16.12.2010 -
258 Bundesministerium der Verteidigung
Herabstufung Vernehmungsprotokoll vom 16.
September 2010, 29. Sitzung
13.12.2010 16.12.2010 -
259 Bundesministerium der Justiz
Weiterleitung der Bitte um Abschriften von
Vernehmungsprotokollen des 1. UA durch den
GBA
04.01.2011 20.01.2010 116
260 National Defence Headquarters
Absage des Zeugen Major-General a. D. Sulli-
van zur Aussage vor dem Untersuchungsaus-
schuss.
10.01.2011 - -
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 513 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
261 Bundesministerium der Verteidigung
Schreiben betreffend der Einstellung des Versu-
ches der Öffnung der ZIP-Dateien aufgrund
einer vollständigen Beschädigung des Datenpa-
ketes vom 26. Januar 2011
26.01.2011 - -
262 Bundesministerium der Verteidigung
Herabstufung Vernehmungsprotokolle der 33.,
35., 37., 39. und 41. Sitzung
07.02.2011 15.03.2010 -
263 Bundeskanzleramt
Herabstufung Vernehmungsprotokoll der 41.
Sitzung
16.02.2011 15.03.2010 -
264 Beschlussvorschlag
Ende der Beweisaufnahme und Abschluss von
Zeugenvernehmungen
17.02.2011 - -
264 neu Beschlussvorschlag
Ende der Beweisaufnahme und Abschluss von
Zeugenvernehmungen
22.02.2011 24.02.2011 Beschluss 13
zum Verfahren
265 Beschlussvorschlag
Abfassung von Berichtsteilen/ Aufhebung von
Einstufungen
17.02.2011 - -
265 neu Beschlussvorschlag
Abfassung von Berichtsteilen/ Aufhebung von
Einstufungen
22.02.2011 24.02.2011 Beschluss 14
zum Verfahren
266 Bundesministerium der Justiz
Schreiben von Frau Generalbundesanwältin
beim Bundesgerichtshof vom 17. Februar 2011,
hier: Ermittlungsverfahren gegen Oberst i. G:
Klein - Übersendung der Sachakten mit Schrei-
ben des BMJ vom 22. Februar 2011
22.02.2011 - -
267 Sekretariat des 1. UA
Entwurf eines Zeitplanes für die Erstellung und
Verabschiedung des Abschlussberichts
24.02.2011 24.02.2011 -
268 Antrag der Mitglieder der Fraktion der Fraktion
DIE LINKE. und der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem. Art. 45a Abs.
2 GG vom 24.02.2011
Entwurf eines Zeitplanes für die Erstellung und
Verabschiedung des Abschlussberichts
24.02.2011 24.02.2011 -
269 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU im 1.UA gem. Art. 45a Abs. 2 GG
vom 24.02.2011
Entwurf eines Zeitplanes für die Erstellung und
Verabschiedung des Abschlussberichts
24.02.2011 24.02.2011 -
270 Schreiben Abg. Siegfried Kauder
Geheimnisverrat, hier: Bitte an den Rechtsaus-
schuss um Lösungsvorschläge die Preisgabe
von Dienstgeheimnissen zu ahnden
24.02.2011 - -
271 Bundeskanzleramt
Herabstufungsvorschläge zu Vernehmungs-
protokollen der 43., 45. und 47. Sitzung
25.03.2011
272 Bundeskanzleramt
Nicht-Herabstufung der 45 Sitzung; hier Proto-
kollteil Heusgen
28.03.2011
273 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
31.03.2011 13.04.2011 187
Drucksache 17/7400 – 514 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 30.03.2011
Beiziehung der Verfahrensakte in dem Rechts-
streit Dr. Peter Wichert ./. Spiegel-Verlag Ru-
dolph Augstein GmbH & Co. KG u.a. (Az. 9 O
396/10) beim Landgericht Bonn
274 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der
Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 30.03.2011
Beiziehung der Verfahrensakte in dem Verwal-
tungsrechtstreit A. M. ./. Bundesrepublik
Deutschland (Az. Vermutlich: 25 K 5534/10;
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
Goldbach, Berlin) beim Verwaltungsgericht
Köln
31.03.2011 13.04.2011 188
275 Schreiben des Abg. Nouripour
Geheimnisverrat, hier: Antwort auf das Schrei-
ben des Abg. Kauder (BU 270)
13.04.2011
276 Bundesministerium des Innern
Nicht-Herabstufung eingestufter Vernehmungs-
protokolle, hier: Sts Klaus-Dieter Fritsche
11.05.2011
277 Ersuchen der Mitglieder der Fraktion der SPD,
der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 18.04.2011
Ersuchen um Herabstufung von Beweismitteln
für den Abschlussbericht des Verteidigungsaus-
schusses als 1.UA gem. Art. 45a Abs. 2 GG der
17. WP des Deutschen Bundestages an die
Bundesministerien der Verteidigung, des Bun-
deskanzleramts, der Justiz und des Auswärtigen
19.04.2011 11.05.2011
278 Schreiben der Mitglieder der Fraktion der SPD,
der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.
Art. 45a Abs. 2 GG vom 18.04.2011
Schreiben zum Schreiben des BMI (BU 276) –
Nicht-Herabstufung eingestufter Vernehmungs-
protokolle, hier: Sts Klaus-Dieter Fritsche
20.04.2011 11.05.2011
279 Schreiben des Obmanns Beck, Antwort auf BU
17-277,Vorschlag zur Beantragung eines Be-
schlusses
29.04.11 11.05.2011
280 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 19.05.2011
Erstellung der Beschlussempfehlung und des
Berichts (Zeitplan)
19.05.2011 25.05.2011
281 Schreiben des Präsidenten v. 3. Juni 2011, hier:
Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen
Unbekannt wegen Verdachts der Verletzung des
Dienstgeheimnisses und einer besonderen Ge-
heimhaltungspflicht (Geschäftszeichen ZR
4/GS-54-PA 12-1.UA-17,WP) mit Schreiben
des Leitenden Oberstaatsanwalts in Berlin (Ge-
schäftszeichen 74 Js 183/10) v. 18. März 2011
08.06.2011 29.06.2011
282 Entwurf eines Abschlussberichts (Verfahrens- 16.06.2011 29.05.2011
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 515 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
und Feststellungsteil) der Berichterstatter;
Stand: 16.06.2011
283 Antwortschreiben des Vorsitzenden des Rechts-
ausschusses zur BU 270; hier: Geheimnisverrat
bei Untersuchungsausschüssen vom 28. Juni
2011
30.06.2011 06.07.2011
284 Antrag der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU und FDP im 1.UA gem. Art. 45a
Abs. 2 GG vom 30.06.2011
Zeitplan
01.07.2011 06.07.2011
285 Bewertungsteil der Mehrheitsfraktionen, Stand:
30.06.2011
01.07.2011 06.07.2011
286 Ergebnis der Herabstufungsprüfung durch das
BK des Verfahrens- und Feststellungsteils
19.07.2011 05.09.2011
287 Aufhebung der Einstufungen durch BMVg des
Verfahrens- und Feststellungsteils
19.07.2011 05.09.2011
288 Empfehlung einer Aufhebung der Einstufung
eines Dokumentes des Verteidigungsausschus-
ses durch BMVg
22.07.2011 05.09.2011
289 Ergebnis der Herabstufungsprüfung durch BMJ
des Verfahrens- und Feststellungsteils
22.07.2011 05.09.2011
290 Herabstufung von NATO-Dokumenten durch
BMVg
26.07.2011 05.09.2011
291 Schreiben des RA Müssig Antrag auf Gewäh-
rung umfassenden rechtl. Gehörs und Stellung-
nahmerecht
27.07.2011 05.09.2011
292 Eingangsbestätigung der Schreiben und Bitte
Terminverlängerung bezügl. Gewährung rech-
tlichen Gehörs für Kapitän zur See Christian
Dienst und Frau Sabine Bastek
09.08.2011
293 Antwortschreiben von Oberst i.G. Klein zum
rechtlichen Gehör vom 5. August 2011
09.08.2011 05.09.2011
294 Schreiben des RA Müssig – Zeugenverneh-
mung von Herrn Oberst i.G. Klein, hier: rechtli-
ches Gehör und Stellungnahmerecht vom
10. August 2011
12.08.2011
295 Antwortschreiben des Kapitäns zur See Chris-
tan Dienst zur Gewährung rechtlichen Gehörs
vom 10. August 2011
15.08.2011 05.09.2011
296 Sondervotum der SPD-Fraktion; Stand: 11.
August 2011
15.08.2011 20.10.2011
297 Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.; Stand:
11. August 2011
15.08.2011 20.10.2011
298 Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN; Stand: 11. August 2011
15.08.2011 20.10.2011
299 Ergebnis der Herabstufungsprüfung durch
BMVg des Sondervotums der SPD-Bundestags-
fraktion
26.08.2011 05.09.2011
300 Ergebnis der Herabstufungsprüfung des Son-
dervotums der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN durch BMVg
26.08.2011 05.09.2011
301 Ergebnis der Herabstufungsprüfung des Son-
dervotums der Fraktion DIE LINKE. durch
BMVg
26.08.2011 05.09.2011
302 Einstufung der Entwürfe der Sondervoten der
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE
29.08.2011 05.09.2011
Drucksache 17/7400 – 516 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
LINKE.
303 Aufhebung der Einstufung in Sondervoten
durch AA
29.08.2011 20.10.2011
304 Einstufung der Sondervoten der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE
LINKE. durch BK
30.08.2011 20.10.2011
305 Beschlussvorschlag
Gewährung rechtlichen Gehörs zum Abschluss-
bericht gemäß § 32 PUAG
02.09.2011 05.09.2011 Beschluss 16
zum Verfahren
306 Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes
– Umfang und Grenzen des rechtlichen Gehörs
gemäß § 32 PUAG -
02.09.2011 05.09.2011
307 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD im
Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungs-
ausschuss gem. Art. 45a Abs. 2 GG vom
5. September 2011 Gewährung
rechtlichen Gehörs für die Zeugen Schneider-
hahn und Dr. Wichert
05.09.2011 05.09.2011
308 Schreiben der Fraktion DIE LINKE. vom
1. September 2011 m. d. B., die in dem Schrei-
ben benannten Dokumente als Anlagen dem
Bericht beizufügen
06.09.2011 28.09.2011
309 Schreiben der Fraktion DIE LINKE. vom
5. September 2011 zur Herabstufung der Anla-
gen des Sondervotums durch die Bundesregie-
rung
06.09.2011 28.09.2011
310 Schreiben der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN vom 6. September 2011 zur
Aufnahme von Anlagen im Sondervotum der
Fraktion DIE LINKE.
06.09.2011 28.09.2011
311 Schreiben BMJ vom 6. September 2011; Ein-
stufung des Abschlussberichts
06.09.2011 28.09.2011
312 Antwortschreiben von Generalleutnant Rainer
Glatz: Gewährung rechtlichen Gehörs zu den
Sondervoten; hier: Stellungnahme vom 8. Sep-
tember 2011
09.09.2011 28.09.2011
313 Antwortschreiben von Oberst i. G. Klein: Ge-
währung rechtlichen Gehörs zu den Sondervo-
ten; hier: Stellungnahme vom 20. September
2011
20.09.2011 28.09.2011
314 Antwortschreiben von Brigadegeneral Vollmer:
Gewährung rechtlichen Gehörs zu den Sonder-
voten; hier: Stellungnahme vom 22. September
2011
22.09.2011 28.09.2011
315 Gemeinsames Diskussionspapier der Fraktionen
SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 23. Sep-
tember 2011
23.09.2011 28.09.2011
316 Gemeinsames Diskussionspapier der Fraktionen
CDU/CSU und FDP vom 28. September 2011
28.09.2011 28.09.2011
317 Bericht des Untersuchungsausschusses, komp-
lett, Stand: 11.10.2011
11.10.2011 20.10.2011
318 Beschlussvorschlag
Herabstufung Protokolle und Anfügung an den
14.10.2011 20.11.2011 Beschluss 17
zum Verfahren
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 517 – Drucksache 17/7400
Beratungs-
unterlage
17/…
Art, Datum, Inhalt
verteilt
am:
beschlossen/
behandelt am
Verfahrens-/
Beweis-
beschluss 17-
Bericht gem. § 33 PUAG
319 Beschlussvorschlag
Feststellung der Teile des Berichts nach § 33
PUAG undVorlage an den Bundestag
14.10.2011 20.10.2011 Beschuss 18
zum Verfahren
320 Bechlussvorschlag
Rückgabe von Beweismaterialien und Mehraus-
fertigungen von Protokollen
14.10.2011 20.10.2011 Beschluss 19
zum Verfahren
321 Beschlussvorschlag
Behandlung der Protokolle und Materialien
nach Kenntnisnahme des Abschlussberichtes
durch den Deutschen Bundestag
14.10.2011 20.10.2011 Beschluss 20
zum Verfahren
322 Anmerkungen des Koalition zu Gegenäußerun-
gen der Opposition in Sachen Gewährung rech-
tlichen Gehörs
19.10.2011 20.10.2011
323 Ergänzungen zum Bericht des Untersuchungs-
ausschusses, Stand: 18.10.2011
19.10.2011 20.10.2011
324 Schreiben des BMVg zur Vernichtung nicht
mehr benötigter Beweismaterialien, Protokolle
und Berichtsteile vom 14. Oktober 2011
19.10.2011 20.10.2011
325 Erwiderung der Opposition zu den Anmerkun-
gen der Koalition zum Abschlussbericht unter
Punkt C
19.10.2011 20.10.2011
Drucksache 17/7400 – 518 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
VI. Beschlüsse zu Beweisanträgen
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
1 14 Beiziehung des
COMISAF-Bereich der
NATO vom 28.10.2009
beim Bundesministerium
der Verteidigung
(BMVg).
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 10/10a
BMVg
09.02.2010
MAT 17
2 15 Beiziehung des Untersu-
chungsberichts zum „Clo-
se AIR Support
KUNDUZ“ vom 9.9.2009
beim BMVg
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 2
BMVg
19.01.2010
MAT 11/11a
3 16 Beiziehung des Berichts
des „Incident Action
Team“ (IAT)/ NATO HQ
ISAF („Smith-Bericht“)
beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 12/12a
4 17 Beiziehung des ISAF-
Berichts einer „Fact Fin-
ding Mission vom
6.9.2009 beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 13/13a
5 18 Beiziehung des Berichts
von Oberstleutnant N.
beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 3
6 19 Beiziehung des „ISAF
Appointment“ des Proto-
kolls vom 8.9.2009 beim
BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 4/4a
7 20 Beiziehung des Untersu-
chungsberichts für Präsi-
dent Karsai vom
10.09.2009 beim BMVg
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 5/5a
8 21 Beiziehung des „Berichts
über die möglichen Fol-
gen des Angriffs“ für das
Auswärtige Amt (AA)
beim BMVg und AA.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 6
AA
10.3.2010
MAT 25/25a
9 22 Beiziehung des Berichts
von Oberst Georg Klein
(COM PRT KDZ) vom
05.09.2009 beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 7
10 23 Beiziehung der vorhan-
denen Berichte des Inter-
nationalen Roten Kreuzes
beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 14/14a
11 24 Beiziehung des Berichts
für die UN-Mission
UNAMA vom 14.9.2009
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 8
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 519 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
beim BMVg.
12 25 Beiziehung des Berichts
des damaligen Komman-
deurs des Regional
Command North (RC
North) in Mazar-e-Sharif,
Brigadegeneral Jürgen
Setzer vom 6.11.2009
beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.01.2010
MAT 9
13 26 Beiziehung sämtlicher
Organigramme über Be-
fehls- und Meldewege
innerhalb der NATO für
ISAF sowie zwischen
dem deutschen Kontin-
gent in Afghanistan und
weiterer Dienststellen der
Bundeswehr beim
BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.3.2010
MAT 30/30a
BMZ
23.03.2010
MAT 31a
14 27 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich des 20.
DEUEinsKtgt ISAF –
PRT in Kunduz beim
BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
27.5.2010
MAT 48/48a
BMVg
27.10.2010
MAT 63
BMVg
24.11.2010
MAT 67
15 28 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sachli-
cher Beweismittel im
Bereich des HQ RC
North in Mazar-e-Sharif
beim BMVg
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
21.5.2010
MAT 47/47a
BMVg
14.6.2010
MAT 51
BMVg
11.10.2010
MAT 61
BMVg
11.04.2011
MAT 61a
BMVg
13.12.10
MAT 69
BMVg
14.12.10
MAT 72
16 29 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich des COM ISAF
HQ in Kabul beim
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
21.5.2010
MAT 47/47a
Drucksache 17/7400 – 520 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
BMVg.
17 30 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich des Einsatzfüh-
rungskom-mandos der
Bundeswehr (EinsFüK-
doBw) und des Kom-
mandos Führung Opera-
tionen von Spezialkräften
(Kdo FOSK) beim
BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
11.03.2010
MAT 26
18 31 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich des Einsatzfüh-
rungsstabes im Bundes-
ministerium der Verteidi-
gung beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.3.2010
MAT 30/30a
19 32 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten u. sonstiger sächlicher
Beweismittel in den Bü-
ros des GIs der Bundes-
wehr sowie seiner Stell-
vertreter, insbes. even-
tuelle schriftliche Unter-
lagen („Sprechzettel“
o.ä.) für die Einweisung
von BM Freiherr zu Gut-
tenberg in sein neues Amt
beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
25.2.2010
MAT 22/22a
BMVg
01.04.2010
MAT 36/36a
20 33 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
gesamten Bereich des
Führungsstabs der Streit-
kräfte mit Ausnahme des
Büros des GIs sowie
seiner Stellvertreter beim
BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
01.04.2010
MAT 36/36a
BMVg
09.04.2010
MAT 37/37a
BMVg
14.04.2010
MAT 39/39a
BMVg
28.04.2010
MAT 44/44a
BMVg
07.05.2010
MAT 45
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 521 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
BMVg
12.05.2010
MAT 46/46a
21 34 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich der Abteilung
Recht des Bundesministe-
riums der Verteidigung
beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
26.3.2010
MAT 35/35a
22 35 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich im Bereich des
Presse- und Informations-
stabes des BMVg, insbe-
sondere eventl. schriftli-
che Unterlagen („Sprech-
zettel“ o. Ä) z. Vorberei-
tung der Äußerungen der
Pressesprecher des
BMVg zum Untersu-
chungsgegenstand beim
BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
18.02.2010
MAT 21/21a
23 36 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel in den
Büros der Staatssekretäre
im BMVg, insbesondere
eventuelle schriftliche
Unterlagen („Sprechzet-
tel“ o. ä) für die Einwei-
sung von Bundesminister
Freiherr zu Guttenberg in
sein neues Amt beim
BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
25.2.2010
MAT 22/22a
BMVg
22.04.2010
MAT 42/42a
24 37 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel, in den
Büros der Parlamentari-
schen Staatssekretäre
beim Bundesministerium
der Verteidigung, beim
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
18.2.2010
MAT 21/21a
Drucksache 17/7400 – 522 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
BMVg.
25 38 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich des Leitungssta-
bes des Bundesministe-
rium der Verteidigung
beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
17.3.2010
MAT
27/27a/27b
26 39 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich des Planungssta-
bes des Bundesministe-
rium der Verteidigung
beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
24.3.2010
MAT 32/32a
27 40 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Büro des Bundesministers
der Verteidigung beim
BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
17.3.2010
MAT 27/27a/
27b
28 41 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich im Bereich des
BMVgs und diesem
nachgeordneten Stellen,
soweit durch die Beweis-
beschlüsse Nrn. 13 bis 27
nicht bereits abgedeckt
beim BMVg.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
19.02.2010
MAT 21/21a
BMVg
01.04.2010
MAT 36/36a
BMVg
28.04.2010
MAT 44/44a
BMVg
07.05.2010
MAT 45
BMVg
12.05.2010
MAT 46/46a
29 42 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
16.12.2009 18.12.2009 BK
18.3.2010
MAT 29/29a
BK
23.02.2011
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 523 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
Bereich der Gruppe 21
des Bundeskanzleramts
(BK) beim BK.
MAT 73
30 43 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich der Gruppe 22
des BKs beim BK.
16.12.2009 18.12.2009 BK
18.3.2010
MAT 29/29a
BK
23.02.2011
MAT 73
31 44 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Büro des Abteilungslei-
ters 2 des BKs beim BK.
16.12.2009 18.12.2009 BK
18.3.2010
MAT 29/29a
BK
23.02.2011
MAT 73
32 45 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich der Gruppe 61
des BKs beim BK.
16.12.2009 18.12.2009 BK
18.3.2010
MAT 29/29a
BK
23.02.2011
MAT 73
33 46 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich der Gruppe 62
des BKs beim BK.
16.12.2009 18.12.2009 BK
18.3.2010
MAT 29/29a
BK
23.02.2011
MAT 73
34 47 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Büro des Abteilungslei-
ters 6 des BKs beim BK.
16.12.2009 18.12.2009 BK
18.3.2010
MAT 29/29a
BK
23.02.2011
MAT 73
35 48 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Büro des Chefs des BKs
beim BK.
16.12.2009 18.12.2009 BK
18.3.2010
MAT 29a
BK
23.02.2011
MAT 73
36 49 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
16.12.2009 18.12.2009 BK
23.02.2011
MAT 73
Drucksache 17/7400 – 524 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Kanzlerbüro beim BK.
37 50 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
gesamten Bereich des
BND beim BK.
16.12.2009 18.12.2009 BK
24.3.2010
MAT 34/34a
BK
23.02.2011
MAT 73
38 51 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
gesamten Bereich des
Presse- und Informations-
amtes der Bundesregie-
rung, insbesondere even-
tuelle schriftliche Unter-
lagen („Sprechzettel“
o. ä.) zur Vorbereitung
von Äußerungen der
Regierungssprecher zum
Untersuchungsgegen-
standbeim BK.
16.12.2009 18.12.2009 BK
18.3.2010
MAT 29a
BK
23.02.2011
MAT 73
39 52 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich des BKs und
diesen nachgeordneten
Stellen, soweit durch die
Beweisbeschlüsse Nrn.
29 bis 38 noch nicht ab-
gedeckt, insbesondere
auch eventuelle Unterla-
gen zur Beteiligung des
BKs an der Entlassung
von GI General Schnei-
derhan und von Sts Dr.
Wichert beim BMVg und
BK.
16.12.2009 18.12.2009
(BMVg)
13.01.2010
(BK)
BK
18.3.2010
MAT 29/29a
BK
23.02.2011
MAT 73
40 53 Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächli-
cher Beweismittel im
Bereich des Auswärtigen
Amtes, insbesondere auch
16.12.2009 18.12.2009 AA
10.3.2010
MAT 25/25a
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 525 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
die Aufgabenbeschrei-
bung des Vertreters des
AA in Kundus beim AA
41 nicht vergeben
42 nicht vergeben
43 nicht vergeben
44 nicht vergeben
45 58 Vernehmung der Bundes-
kanzlerin Dr. Angela
Merkel als Zeugin.
16.12.2009 17.12.2010 10.02.2011
46 59 Vernehmung des Chefs
des BKs, BM Ronald
Pofalla, als Zeugen.
16.12.2009
47 60 Vernehmung des ehema-
ligen, bis zum 27. Okto-
ber 2009 amtierenden,
Chefs des BKs und heuti-
gen Bundesministers des
Innern, Dr. Thomas de
Maiziére, als Zeugen.
16.12.2009
48 61 Vernehmung des ehema-
ligen Leiters der Abtei-
lung 6 im BK und heuti-
gen Sts im BMI, Klaus-
Dieter Fritsche, als Zeu-
gen.
16.12.2009
15.11.2010
29.11.2010
21.12.2010
27.01.2011
49 nicht vergeben
50 63 Vernehmung des Leiters
der Abteilung 2 im BK
Ministerialdirektor Dr.
Chrisoph Heusgen als
Zeugen.
16.12.2009
12.11.2010
21.12.2010
20.01.2011
51 nicht vergeben
52 nicht vergeben
53 nicht vergeben
54 67 Vernehmung des Chefs
des Presse- und Informa-
tionsamtes der Bundesre-
gierung und Regierungs-
sprechers, Ulrich Wil-
helm, als Zeugen
16.12.2009
55 68 Vernehmung des Bun-
desministers des Auswär-
tigen, Dr. Guido Wester-
welle, als Zeugen.
16.12.2009
56 69 Vernehmung des Bun-
desministers des Auswär-
tigen a.D., Dr. Frank-
Walter Steinmeier, als
Zeugen.
16.12.2009 17.12.2010 10.02.2011
57 70 Vernehmung damaligen
Sts a. D. im AA, Rein-
hard Silberberg, als Zeu-
gen.
16.12.2009
58 71 Vernehmung des Bun- 16.12.2009 05.03.2010 25.03.2010
Drucksache 17/7400 – 526 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
desministers der Vertei-
digung a. D., Dr. Franz
Josef Jung, als Zeugen.
59 72 Vernehmung des Bun-
desministers der Vertei-
digung, Karl-Theodor
Freiherr zu Guttenberg,
als Zeugen.
16.12.2009 5.3.2010 22.04.2010
60 73 Vernehmung des PSts
beim BMVg, Thomas
Kossendey, MdB, als
Zeugen.
16.12.2009
61 74 Vernehmung des PSts
beim BMVg, Christian
Schmidt, MdB, als Zeu-
gen.
16.12.2009
62 75 Vernehmung des seit dem
1. Januar 2008 amtieren-
den Sts im BMVg, Rüdi-
ger Wolf, als Zeugen.
16.12.2009
21.05.2010
18.06.2010
08.07.2010
63 76 Vernehmung des bis zum
26. November 2009 am-
tierenden Sts a. D. im
BMVg, Dr. Peter Wi-
chert, als Zeugen.
16.12.2009 02.03.2010
17.09.2010
18.03.2010
29.09.2010
64 nicht vergeben
65 78 Vernehmung des damali-
gen Leiters des Planungs-
stabs im BMVg, MD Dr.
Ulrich Schlie, als Zeugen.
16.12.2009
21.05.2010
18.06.2010
8. 7. 2010
66 nicht vergeben
67 nicht vergeben
68 nicht vergeben
69 nicht vergeben
70 83 Vernehmung des Leiters
des Presse- und Informa-
tionsstabs des BMVg und
Sprecher des Verteidi-
gungsministeriums, Stef-
fen Moritz als Zeugen
16.12.2009
71 84 Vernehmung des ehema-
ligen Leiters des Presse-
und Informationsstabs des
BMVg und Sprecher des
Verteidigungsministe-
riums, Dr. Thomas Raa-
be, als Zeugen.
16.12.2009
21.05.2010
18.06.2010
13.07.2010
16.09.2010
72 85 Vernehmung des Stell-
vertretenden Leiters des
Presse- und Informations-
stabs des BMVg und
Stellvertretenden Spre-
chers des Verteidigungs-
ministeriums, Kapitän zur
See Christian Dienst, als
16.12.2009
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 527 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
Zeugen.
73 86 Vernehmung des bis zum
26. November 2009 am-
tierenden, ehemaligen GIs
der Bundeswehr, General
A. D. Wolfgang Schnei-
derhan als
Zeugen.
16.12.2009 02.03.2010
17.09.2010
18.03.2010
29.09.2010
74 87 Vernehmung des Stell-
vertreters des GIs der
Bundeswehr, General-
leutnant Johann-Georg
Dora, als Zeugen.
16.12.2009
75 88 Vernehmung des Leiters
des Einsatzführungsstabs
im BMVg, Konteradmiral
Andreas Krause, als Zeu-
gen.
16.12.2009
07.05.2010
21.05.2010
09.06.2010
76 nicht vergeben
77 90 Vernehmung des Kom-
mandeurs des Allied Joint
Force Command in
Brunssum, General Egon
Ramms, als Zeugen.
16.12.2009 28.01.2010
21.05.2010
18.06.2010
29.10.2010
12.11.2010
02.12.2010
78 91 Vernehmung des damals
ranghöchsten deutschen
Offiziers im ISAF HQ in
Kabul, des Stellvertreten-
den Chefs des Stabes
Unterstützung, General-
major Hans-Erich Antoni,
als Zeugen.
16.12.2009
79 92 Vernehmung des seit dem
9. Oktober 2009 amtie-
renden Chef des Stabes
im ISAF HQ in Kabul,
Generalleutnant Volker
Wieker, als Zeugen.
16.12.2009
80 nicht vergeben
81 nicht vergeben
82 nicht vergeben
83 nicht vergeben
84 nicht vergeben
85 nicht vergeben
86 nicht vergeben
87 nicht vergeben
88 nicht vergeben
89 nicht vergeben
90 nicht vergeben
91 nicht vergeben
92 nicht vergeben
93 nicht vergeben
94 107 Beiziehung folgender
Unterlagen des BMVg
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
17.3.2010
Drucksache 17/7400 – 528 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
und der nachgeordneten
Dienststellen, zu den
Nummern 1 bis 5 des
Untersuchungsauftrages.
MAT 27/27a/
27b
BMVg
19.3.2010
MAT 30/30a
BMVg
25.3.2010
MAT 22/22a
BMVg
19.2.2010
MAT 21/21a
BMVg
12.05.2010
MAT 46/46a
BMVg
27.5.2010
MAT 48/48a
95 108 Beiziehung folgender
Unterlagen des AA und
der nachgeordneten
Dienststellen.
16.12.2009 18.12.2009 BMVg
10.03.2010
MAT 25/25a
96 109 Beiziehung folgender
Unterlagen des Bundes-
ministeriums für Wirt-
schaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung
(BMZ) und der nach-
geordneten Dienststellen,
zu den Nr. 1 bis 6 des
Untersuchungsauftrages.
16.12.2009 18.12.2009 BMZ
23.3.2010
MAT 31a
BMZ
24.3.2020
MAT 33
97 110 Beiziehung der Aus-
schussprotokolle des
Verteidigungsausschusses
des Deutschen Bundesta-
ges mit Bezug zum Luft-
schlag am 04. September
2009, zu den Nr. 1 bis 6
des Untersuchungsauf-
trages.
16.12.2009 18.12.2009 PA 12
14.01.2010
MAT 1
PA 12
25.01.2010
MAT 15
98 112 Vernehmung des Deut-
schen Militärischen Ver-
treters (DMV) bei der
NATO Generalleutnant
Jürgen Bornemann als
Zeugen.
21.01.2010
99 113 Vernehmung des Leiters
der Rechtsabteilung im
BMVg MD Dieter Wein-
gärtner als Zeugen.
21.01.2010
100 114 Vernehmung des Chef 21.01.2010
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 529 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
des Stabes des Führungs-
stabes der Streitkräfte
Konteradmiral Manfred
Nielson als Zeugen.
101 115 Vernehmung des Kom-
mandeurs 10. Panzerdivi-
sion in seiner Funktion
als ehemaliger Leiter
Einsatzführungsstab im
BMVg Generalmajor
Erhard Bühler als Zeu-
gen.
21.01.2010
102 117 Vernehmung des Ständi-
gen Vertreters der Bun-
desrepublik Deutschlands
bei der NATO Botschaf-
ter Ulrich Brandenburg
als Zeugen.
21.01.2010
103 118 Vernehmung des zum
Untersuchungs-zeitraums
verantwortlichen zivilen
Leiters des PRT (Provin-
cial Reconstruction
Team) Kunduz B. D. als
Zeugen.
21.01.2010
30.09.2010 07.10.2010
104 119 Es soll Beweis erhoben
werden zum gesamten
Untersuchungsauftrag,
indem gestuft
1. die Bundesregierung
gebeten wird, den Leiter
Lagezentrum im AA im
Untersuchungszeitraum
zu benennen und sodann
2. diese Person als Zeuge
vernommen wird.
21.1.2010 26.01.2010 AA
02.02.2010
MAT 16
105 120 Es soll Beweis erhoben
werden zum gesamten
Untersuchungsauftrag,
indem gestuft
1. die Bundesregierung
gebeten wird, den Leiter
Planungsstab im AA im
Untersuchungszeitraum
zu benennen und sodann
2. diese Person als Zeuge
vernommen wird.
21.01.2010 26.1.2010 AA
02.02.2010
MAT 16
106 123 Vernehmung des Chef
des Stabes im Einsatzfüh-
rungskommando Bun-
deswehr Flottillenadmiral
Manfred Hartmann als
Zeugen.
21.01.2010
107 121
124
Vernehmung des zum
Untersuchungs-zeitraum
21.01.2010
Drucksache 17/7400 – 530 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
im Amt befindlichen Sts
im BMZ Erich Stather als
Zeugen.
108 122
125
Es soll Beweis erhoben
werden zum gesamten
Untersuchungsauftrag
durch Vernehmung des
Chef des Stabes bei
SHAPE General Karl-
Heinz Lather als Zeugen.
21.01.2010
109 95 Vernehmung des damali-
gen Kommandeurs PRT
KDZ, Oberst Georg
Klein, als Zeugen.
28.01.2010 28.01.2010 10.02.2010
110 130 Vernehmung des am
03./04.09.2009 eingesetz-
ten J 3 PRT Kunduz als
Zeugen.
28.01.2010
111 134 Vernehmung des am
03./04.09.2009 eingesetz-
ten J 2 des PRT Kunduz
als Zeugen.
28.01.2010
28.01.2010
17.09.2010
07.10.2010
112 102 Vernehmung des Verfas-
sers des Untersuchungsbe-
richts vom 9. September
2009, Oberstleutnant G. B.
(FJgFhr i.E. DEU EinsKtgt
ISAF), als Zeugen.
28.1.2010 28.1.2010
11.2.2010
26.2.2010
04.03.2010
113 54 Beiziehung der Termin-
kalender der Bundeskanz-
lerin Dr. Angela Merkel,
des ehemaligen Chefs des
BKs, BM Dr. Thomas de
Maiziere, des Chefs des
BKs, BM Ronald Pofalla,
des Abteilungsleiters 2 im
BK, MD Dr. Christoph
Heusgen, des damaligen
Abteilungsleiters 6 im
BK, Sts Klaus-Dieter
Fritzsche, und des Leiters
der Gruppe 62 im BK,
MDgt Hans-Josef Vor-
beck beim BK.
28.1.2010: 17.12.2010 BK
15.04.2010
MAT 40
BK
21.04.2010
MAT 41
BK
23.02.2011
MAT 73
114 55 Beiziehung der Termin-
kalender des BM a. D.
Dr. Franz Josef Jung, des
BM Karl-Theodor Frei-
herr zu Guttenberg, des
PSts beim BMVg Tho-
mas Kossendey, des PST
beim BMVg Christian
Schmidt, des Sts a.D. Dr.
Peter Wichert, des Gene-
ralleutnants Rainer Glatz
28.1.2010 29.1.2010 BMVg
17.03.2010
MAT 27/27a
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 531 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
und des GIs der Bundes-
wehr a.D. General Wolf-
gang Schneiderhan.
115 56 Es wird Beweis erhoben
zum gesamten Untersu-
chungsauftrag dadurch,
dass im gestuften Verfah-
ren, die Generalstaatsan-
waltschaft Dresden zu-
nächst darum ersucht
wird mitzuteilen, welche
Verfahren oder Prüfvor-
gänge in ihrem Verant-
wortungsbereich in direk-
tem oder indirektem,
konkreten oder abstrakten
Zusammenhang mit den
im Untersuchungsauftrag
bezeichneten Sachverhal-
ten u. Fragestellungen –
anknüpfend an den unter-
suchten Vorgang am 3./4.
September 2009 in Kun-
duz – stehen, und im
Anschluss daran sämtli-
che Akten in den konkret
bezeichneten Verfahren,
soweit sie den Untersu-
chungs-gegenstand be-
treffen und ohne Gefähr-
dung der Ermittlungen
vorgelegt werden können,
beigezogen werden bei
der Generalstaatsanwalt-
schaft Dresden.
28.01.2010 29.01.2010 General-
staatsanwalt
Sachsen
18.02.2010
MAT 19
116 57 Es wird Beweis erhoben
zum gesamten Untersuchungs-
auftrag dadurch,
dass im gestuften Ver-
fahren, der GBA
beim Bundesgerichtshof
zunächst darum ersucht
wird mitzuteilen, welche Vor-
gänge in ihrem Ver-
antwortungsbereich im
Zusammenhang mit den
im Untersuchungsauftrag be-
zeichneten Sachver-
halten und Fragestell-
ungen – anknüpfend an
den untersuchten Vor-
gang am 3./4. September
2009 in Kunduz – stehen, und im
Anschluss daran sämtliche Akten
in den
28.1.2010 28.1.2010 GBA
29.04.2010
MAT 43
BMJ
30.06.2010
MAT 54/54
BMJ
28.10.2010
MAT 64
BMJ
23.11.2010
MAT 66
BMJ
14.03.2011
MAT 74/74a
Drucksache 17/7400 – 532 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
konkret bezeichneten
Verfahren, soweit sie
den Untersuchungs-
gegenstand betreffen und
ohne Gefährdung der
Ermittlungen vorgelegt
werden können, beige-
zogen werden beim GBA
beim Bundesgerichtshof.
117 62 Vernehmung des
Leiters der Gruppe 62 im
BK, Ministerialdirigent
Hans-Josef Vorbeck, als
Zeugen.
28.1.2010
15.11.2010
21.12.2010
27.12.2010
27.1.2011
118 64 Vernehmung des Leiters
der Gruppe 21 im BK,
MDg Rolf Nikel, als
Zeugen.
28.1.2010
119 65 Vernehmung des
Leiters der Gruppe 21 im
BK, O. i. G. Dr. Erich
Vad als Zeugen.
28.1.2010
12.11.2010
21.12.2010
02.12.2010
20.1.2011
120 66 Vernehmung des Leiters
der Gruppe 21 im BK, i-
O. i. G. M. G. als Zeugen.
28.1.2010
121 77 Vernehmung des
ehemaligen Leiters des
Leitungsstabes und
Ministerbüros im BMVg,
MDg Malte Krause, als
Zeugen.
28.01.2010
122 79 Vernehmung des ehe-
maligen persönlichen
Referenten von Bundes-
minister a. D. Dr. Jung,
Ministerialrat E. S.
als Zeugen.
28.01.2010
123 80 Vernehmung des
damaligen Leiters des
Büros des Sts a. D. Dr.
Wichert, im BMVg,
Kapitän zur See T. E.,
als Zeugen.
28.01.2010
124 81 Vernehmung des Leiters
der Adjutantur im BMVg, i-
Brigadegeneral Peter
Braunstein, als Zeugen.
28.1.2010
07.05.2010
21.05.2010
09.06.2010
125 82 Vernehmung des
Leiters der Adjutantur
des GIs der Bundeswehr
im BMVg, Oberst i. G.
H. R., als Zeugen.
28.01.2010
126 89 Vernehmung des
Befehlshabers des
28.01.2010
28.01.2010
05.03.2010
15.03.2010
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 533 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
Einsatzführungskom-
mandos der Bundeswehr,
Generalleutnant Rainer
Glatz, als Zeugen.
127 93 Vernehmung des
ehemaligen Komman-
deurs des HQ RC North
Brigadegeneral Jürgen
Setzer, als Zeugen.
28.1.2010
128 94 Vernehmung des bis
zum 3. Oktober 2009
amtierenden Komman-
deurs des 20. DEU
EinsKtgt ISAF, Brigade-
general Jörg Vollmer, als
Zeugen.
28.01.2010 28.01.2010
26.02.2010
05.03.2010
15.03.2010
129 96 Vernehmung von, Oberfeldwe-
bel W. (JTAC-
Bediener/Auswerte-Fw)
als Zeugen.
28.01.2010 28.01.2010 25.02.2010
130 97 Vernehmung von,
Hauptfeldwebel V. (Sto-
ryboard ISR/ TF47) als
Zeugen.
28.01.2010
28.01.2010
08.10.2010
11.11.2010
131 98 Vernehmung von
Hauptmann N. (J2X /
HCO TF47) als Zeugen.
28.01.2010 28.01.2010
08.10.2010
25.02.2010
11.11.2010
132 99 Vernehmung von
Hauptfeldwebel Sch.
(HUMINT Operator
TF47) als Zeugen.
28.01.2010 17.09.2010 07.10.2010
133 100 Vernehmung von
Oberfeldwebel F.
(HUMINT Operator
TF47)als Zeugen.
28.01.2010 17.09.2010
30.09.2010
28.10.2010
134 101 Vernehmung von
ORR A. H. (Oberstleut-
nant und Rechtsberater-
Stabsoffizier i. E. 20.
DEU EinsKtgt ISAF) als
Zeugen.
28.01.2010
135 103 Vernehmung von
Oberstleutnant N. (IAT)
als Zeugen.
in BU 103 (neu): Korrek-
tur von Vornamen und
Rang – richtig muss hei-
ßen Oberst i. G. K. N.
28.01.2010
136 131 Vernehmung des am
03./04.09.2009 eingesetz-
ten J 2 des PRT RC North
als Zeugen.
28.01.2010
28.01.2010
08.10.2010
11.11.2010
137 132 Vernehmung von OTL G.
als Zeugen.
28.01.2010 28.01.2010
08.10.2010
11.11.2010
138 133 Vernehmung des Ge- 28.01.2010
Drucksache 17/7400 – 534 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
schäftsträger a.i. der Bot-
schaft der Bundes- Re-
publik Deutschland in
Afghanistan Botschaftsrat
Dr. Christian Buck
139 135
136
Vernehmung des Kom-
mandeurs Kommando
Führung Operation des
Spezialkräften (Kdo
FOSK) Oberst i. G. G. B.
als Zeugen.
10.02.2010 11.02.2010 04.03.2010
140 104 Zur Vorbereitung der
Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungs-
auftrag wird das BMVg
gebeten, die Namen nebst
Dienstgraden, Funktions-
bezeichnungen, Einsatz-
orten, Aufgaben u. Berüh-
rungspunkten mit dem
Untersuchungsauftrag
derjenigen Personen aus
dem Geschäftsbereich des
BMVg und der ihm nach-
geordneten Dienststellen,
einschließlich des Militä-
rischen Abschirmdienstes
(MAD) zu benennen.
10.02.2010 11.02.2010 BMVg
13.04.2010
MAT 38
141 105 Zur Vorbereitung der
Beweise zum gesamten
Untersuchungsauftrag
wird das BK gebeten, die
Namen nebst Dienstgra-
den, Funktionsbezeich-
nungen, Einsatzorten,
Aufgaben und Berüh-
rungspunkten mit dem
Untersuchungsauftrag
derjenigen Personen aus
dem Geschäftsbereich des
BKs und der ihm nach-
geordneten Dienststellen,
einschließlich des BND
und des Presse- und In-
formationsamtes Bundes-
regierung zu benennen.
10.02.2010 11.02.2010 BK
18.03.2010
MAT 28/28a
BK
23.02.2011
MAT 73
142 106 Zur Vorbereitung der
Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungs-
auftrag wird das AA
gebeten, die Namen nebst
Dienstgraden, Funktions-
bezeichnungen, Einsatz-
orten, Aufgaben und
10.02.2010 11.02.2010 AA
01.03.2010
MAT 23
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 535 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
Berührungspunkten mit
dem Untersuchungsauf-
trag derjenigen Personen
aus dem Geschäftsbereich
des AA zu benennen.
143 163 Anhörung des F15 Echo-
Piloten, „Dude 16“.
06.05.2010
21.09.2010 abgesagt
144 164 Anhörung des Supreme
Allied Commander Euro-
pe der NATO sowie
kommandierenden Gene-
rals des US European
Command, Admiral Ja-
mes G. Stavridis.
06.05.2010 25.05.2010
01.07.2010
01.10.2010
abgesagt
145 165 Anhörung des Komman-
deurs der Internationalen
Sicherheitsunterstüt-
zungs-truppe (ISAF),
General Stanley A.
McChrystal.
06.05.2010 01.10.2010 abgesagt
146 166 Anhörung des Mitheraus-
gebers der Washington
Post, Rajiv Chandraseka-
ran.
06.05.2010 13.07.2010 abgesagt
147 167 Vernehmung des Sts im
Bundesministerium des
Innern (BMI) a. D., Dr.
August Hanning, als
Zeugen
06.05.2010
148 168 Vernehmung des OTL
B. V., Rechtsbera-
ter, Einsatzführungs-
kommando der Bundes-
wehr, als Zeugen.
06.05.2010 07.05.2010
21.05.2010
09.06.2010
149 169 Vernehmung des Leiters
des Einsatzführungssta-
bes Einsatzteam Afgha-
nistan im BMVg, O. i. G.
H. G., als Zeugen.
06.05.2010 07.05.2010
21.05.2010
09.06.2010
150 170 Vernehmung von MR
A. C., BMVg,
Abt. R II 3, als Zeugen
06.05.2010
151 171 Vernehmung von RDir
A. S., Mitarbeiter
im Büro des Sts Dr.
Walther Otremba im
BMVg, als Zeugen
06.05.2010
152 172 Vernehmung des O. i. G.
T. P.,
BMVg, Einsatzführungs-
stab als Zeugen
06.05.2010
153 173 Vernehmung von Dr. J. S.,
BMVg,
Abt. R II 3, als Zeugen.
06.05.2010
154 174 Vernehmung von 06.05.2010
Drucksache 17/7400 – 536 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
A. H. H.,
BMVg, Planungsstab,
Abt. 4, als Zeugen.
155 175 Vernehmung des RDir
W. B., BMVg,
Einsatzführungsstab 2, als
Zeugen
06.05.2010
156 177 Vernehmung der Besat-
zungsmitglieder des am
03.09.2009 von dem
JTAC M.W.
angeforderten B1-
Bombers „Bone 22“ als
Zeugen
06.05.2010
21.09.2010 abgesagt
157 178 Vernehmung des Vorsit-
zenden des ISAF Joint
Investigation Board zum
Luftangriff vom
03./04.09.2009 in der
Provinz Kundus, Major
General C.S. „Duff“
Sullivan, als Zeugen
06.05.2010 1.11.2010 abgesagt
BU 260
158 179 Vernehmung des Kom-
mandeurs der Task Force
47 (zum Stichtag
03./04.09.2009) als Zeu-
gen
06.05.2010
159 180 Vernehmung des in der
Nacht vom
03./04.09.2009 in der
bzw. für die Operations-
zentrale der Task Force
47 eingesetzten Sprach-
mittlers als Zeugen
06.05.2010 17.09.2010 07.10.2010 BMVg
20.05.2010
BU 210
160 183 Vernehmung von Herrn
A. M.
06.05.2010 14.10.2010
29.10.2010
25.11.2010
161 184 Vernehmung der beiden
Mitglieder im Provinzrat
(Schura) von Kundus
1. Dr. Habibe Erfan
2. K. Z.
als Zeugen
06.05.2010 30.09.2010 28.10.2010
162 185 Beiziehung
1. des gesamten mit dem
untersuchten Vorgang
vom 03./04.09.2009 in
Zusammenhang stehen-
den Schriftverkehrs zwi-
schen den BMJ sowie
dem BMVg, dem Min.
der Justiz des Landes
Sachsen usw. beim BMJ.
06.05.2010 10.05.2010 BMJ
30.06.2010
MAT 54/54a
BMJ
14.03.2011
MAT 74/74a
163 186 Beiziehung
1. des gesamten mit dem
untersuchten Vorgang
06.05.2010 10.05.2010 SMJ Sachsen
24.06.2010
MAT 52
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 537 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
vom 03./04.09.2009 in
Zusammenhang stehen-
den Schriftverkehrs zwi-
schen dem Ministerium
der Justiz des Landes
Sachsen sowie dem
BMVg, dem GBA beim
Bundesgerichtshof, der
Generalstaatsanwaltschaft
Dresden usw. beim Mi-
nisterium der Justiz des
Landes Sachsen.
164 187 Beiziehung
1. des gesamten mit dem
untersuchten Vorgang
vom 03./04.09.2009 in
Zusammenhang stehen-
den Schriftverkehrs zwi-
schen dem GBA beim
Bundesgerichtshof sowie
dem BMVg, dem BMJ
usw. bei der Bundesan-
waltschaft
06.05.2010 10.05.2010 BMJ
30.06.2010
MAT 54/54a
BMJ
23.11.2010
MAT 66
BMJ
14.03.2011
MAT 74/74a
165 188 Beiziehung
1. des gesamten mit dem
untersuchten Vorgang
vom 03./04.09.2009 in
Zusammenhang stehen-
den Schriftverkehrs zwi-
schen der Generalstaats-
anwaltschaft Dresden
sowie dem BMVg, dem
Ministerium der Justiz
des Landes Sachsen usw.
bei der Generalstaatsan-
waltschaft Dresden
06.05.2010 10.05.2010 SMJ Sachsen
24.06.2010
MAT 52
166 189 Beiziehung
1. des gesamten mit dem
untersuchten Vorgang
vom 03./04.09.2009 in
Zusammenhang stehen-
den Schriftverkehrs zwi-
schen der Staatsanwalt-
schaft Potsdam sowie
dem BMVg, dem Minis-
terium der Justiz des
Landes Sachsen usw. bei
der Staatsanwaltschaft
Potsdam
06.05.2010 10.05.2010 Ministerium
der Justiz
Land Bran-
denburg
05.07.2010
MAT 55
167 190 Es wird Beweis erhoben
zum gesamten Untersu-
chungsauftrag durch 1.
Beiziehung der beim
Einsatz vom
03./04.09.2009 entstan-
06.05.2010 07.05.2010 BMVg
08.10.2010
MAT 60
Drucksache 17/7400 – 538 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
denen Cockpit tapes der
bei und vor dem Luftang-
riff in Kundus eingesetz-
ten F15 Echo und des B1-
Bombers sowie
2. der erstellten Trans-
kripte dieser Cockpit
tapes beim BMVg.
168 191 Beiziehung der dem deut-
schen Einsatzkontingent
im Rahmen des ISAF-
Mandates mitgegebenen
Taschenkarten mit dem
Veröffentlichungsstand
01.01.2008 bis
31.12.2009 beim BMVg
06.05.2010 07.05.2010 BMVG
04.06.2010
MAT 49/49a
169 192 Es wird Beweis erhoben
zu Punkt 7 des Untersu-
chungsauftrages durch
Beiziehung der folgenden
Einsatzregeln:
- OPLAN 10302 (Rev.1)
- OPLAN 10303 (Ände-
rung 2 zur überarbeiteten
Fassung 1)
- Tac Directive (TD)
COM ISAF vom
02.09.2008 beim Vertei-
digungsausschuss des
Deutschen Bundestages.
06.05.2010 07.05.2010 PA 12
11.05.2010
BU 206
170 193 Es wird Beweis erhoben
zu Punkt 7 des Untersu-
chungsauftrages durch
Beiziehung aller für das
ISAF-Mandat formulier-
ter Rules of Engagement
sowie hierzu vorliegender
Kommentierun-
gen/Erläuterungen/Handr
eichungen und aller Vor-
behalte zu den Rules of
Engagement beim
BMVg.
06.05.2010 07.05.2010 BMVg
04.06.2010
MAT 49/49a
171 195 Es wird Beweis erhoben
zu Punkt 7 des Untersu-
chungsauftrages durch
Beiziehung der ständigen
Dienstanweisung ISAF
SOP 302, Operational
Reports and Return vom
13.12.2008 beim BMVg
06.05.2010 07.05.2010 BMVg
14.06.2010
MAT 51
172 197 Beiziehung aller seit dem
01.07.2009 vom BND
herausgegebenen, mit
Bundeswehreinsätzen in
06.05.2010 10.05.2010 BK
07.07.2010
MAT 56
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 539 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
der Region Kunduz zu-
sammenhängenden, Mit-
teilungen und Bedro-
hungswarnungen, beim
BMVg sowie beim BND
BMVg
12.07.2010
MAT 57
173 202 Anhörung des Leiters des
belgischen Tactical
PsyOps Teams (TPT) 2,
Stabsfeldwebel F. B. als
Zeugen
06.05.2010
01.11.2010 25.11.2010
174 203 Vernehmung des Stell-
vertreters des GIs und
Inspekteurs Streitkräfte-
basis Vizeadmiral Wolf-
ram Kühn, als Zeugen
06.05.2010
21.05.2010 01.07.2010
175 182 Es wird Beweis erhoben
zum gesamten Untersu-
chungsauftrag, indem im
gestuften Verfahren
1. a) das BMVG sowie
b) der BND ersucht
werden, die in der Nacht
vom 03./04.09.2009 zeit-
weise oder durchgängig
in der Operationszentrale
der Task Force 47 (auf
dem Gelände des PRT
Kundus) anwesenden und
für den BND verpflichte-
ten oder tätigen Personen
zu benennen,
2. und im Anschluss
daran diese Personen als
Zeugen vernommen wer-
den.
BU 182 (neu): Verneh-
mung der Angehörigen
des BND
- HFw Maik F.
- HFw Alexander R.
als Zeugen.
20.05.2010
21.12.2010
29.11.2010
20.01.2011
16.12.2010
176 207 Es wird Beweis erhoben
zu Punkt 7 des Untersu-
chungsauftrags durch
Beiziehung der folgenden
Einsatzregeln:
- OPLAN 10302
(Rev.1))OPLAN 10303
(Änderung 2 zur überar-
beiteten Fassung 1) – Tac
Directive (TD) COM
ISAF vom 02.09.2008
beim BMVg
siehe BB 169
09.06.2010 10.06.2010 BMVg
28.06.2010
MAT 53/53a
Drucksache 17/7400 – 540 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
177 208 Beiziehung aller von RC
North, HQ Kabul und der
NATO geschlossenen
Vereinbarungen zum
Infoaustausch über Not-
fälle und Gefahrenanla-
gen und zur Maßnahmen
zur Sicherung von Trans-
porten im Raum Kundus
siehe BU 228
09.06.2010
178 214 Anhörung des F15 Echo-
Piloten, „Dude 15“. Es
wird gebeten, den Piloten
mit dem Rufnamen „Du-
de 15“ höflichst einzula-
den, dem Untersuchungs-
ausschuss Auskunft über
seine Erkenntnisse zu den
Umständen des Vorfalls
vom 04.09.2009 zu ertei-
len.
09.06.2010 21.09.2010 abgesagt
179 221 Beiziehung der dem UA
in faksimilierter Fassung
übermittelten, als MAT
50a in den UA eingeführ-
ten, der Leiterin Minis-
terbüro, Frau Sabine
Bastek zugeschriebenen
handschriftlichen Notizen
sowie des Notizblockes,
Heftes oder Gebindes,
dessen Bestandteil die
eingescannt übermittelten
Seiten sind, in seiner
Gesamtheit jeweils im
Original bei BMVg zum
Zwecke der Inaugen-
scheinnahme (§ 19
PUAG) dieser Notizen
sowie der unmittelbar
vorangehenden und fol-
genden Seiten.
01.07.2010 02.07.2010
180 240 Beiziehung der Verfah-
rensakten des Landge-
richts Bonn – insbesonde-
re der Klageschrift sowie
der Klageerwiderung – in
de Zivilsache A. M. ./.
Bundeswehr (Az. 1 0
334/10) beim Landgericht
Bonn.
16.09.2010 JM NRW
12.10.2010
MAT 62
JM NRW
29.03.2011
MAT 62a
181 241 Beiziehung des vom
Bundesminister der Ver-
teidigung Freiherr zu
Guttenberg, nach Anga-
16.09.2010 08.10.2010 BMVg
04.11.2010
MAT 65
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 541 – Drucksache 17/7400
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
ben des Zeugen Wolf im
November 2009 in Auf-
trag gegebenen, im Zeit-
raum zwischen dem
30.11.2009 und dem
25.2.2010 erarbeiteten
und dem Bundesminister
am 30.3.2010 vorgestell-
ten Untersuchungsbericht
beim BMVg
182 243 Vernehmung des zur Zeit
des Luftangriffs am
03./04. September 2009
stellvertretenden Kom-
mandeurs des PRT Kun-
duz, Oberstleutnant G. als
Zeugen.
29.09.2010 12.11.2010 25.11.2010
183 nicht vergeben
184 249 Vernehmung des Präsi-
denten des BND als Zeu-
gen.
11.11.2010 15.11.2010 16.12.2010
185 250 Beiziehung der Opferliste
des Luftschlages vom
03./04.09.2009 bei Kun-
duz vom August 2010
beim BMVg.
11.11.2010 12.11.2010 BMVg
07.12.2010
MAT 68
186 251 Umgehende Beiziehung
der Meldung des Luftwaf-
fenverbindungsoffiziers
(ALO) der Task Force 47,
OTL G., vom 5.1.2010
einschließlich der Ver-
bindungsprotokolle über
die Datenkommunikation
im Zusammenhang mit
den Maßnahmen zur
Koordinierung des Luft-
raums sowie der hierauf
bezogenen Meldungen
des Kdr Kdo FOSK vom
8./06. 1.2010 und des
Chefs des Stabes Ein-
sFüKdo der Bundeswehr
vom 07.1.2010 beim
BMVg.
25.11.2010 26.11.2010
BMVg
14.12.2010
MAT 70/70a
187 273 Beiziehung der Verfah-
rensakte in dem Rechts-
streit Dr. Peter Wichert
gegen den Spiegel-Verlag
Rudolph Augstein GmbH
& Co. KG u.a. (Az 9 O
396/10).
13.04.2011 18.04.2011 Ministerium
der Justiz
NRW
10.05.2011
MAT 75
Ministerium
der Justiz
NRW
17.05.2011
Drucksache 17/7400 – 542 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB
17-
zu
BU
17/
Inhalt beschlossen
Anhörungen Zeugen Akten/Berichte
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung/
Anhörung
Anforderung
Eingang/
MAT-Nr. 17-
MAT 75b
188 274 Beiziehung der Verfah-
rensakte in dem Verwal-
tungsstreit A. M. gegen
die Bundesrepublik
Deutschlang (Az vermut-
lich 25 K 5534/10; Ver-
fahrensteil: Rechtsanwalt
Goldbach, Berlin)
13.04.2011 18.04.2011 Ministerium
der Justiz
NRW
10.05.2011
MAT 75
Ministerium
der Justiz
NRW
16.05.2011
MAT 75a
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 543 – Drucksache 17/7400
VII. Verzeichnis der Materialien
MAT-
Nr.
zu BB
Nr. 17-
Inhalt
Eingang
Sekretariat
Umfang
1 97
Übersendung der Ausschussprotokolle des VA mit Bezug zum Luft-
schlag am 4. September 2009 durch VA mit Schreiben vom 25.
Januar 2010
14.1.2010 129 Seiten
2 2
Übersendung des Untersuchungsbericht zum Close Air Support
Kunduz des Feldjägerführers („Feldjägerbericht“) durch BMVg
19.1.2010 1 Ordner
3 5
Übersendung des Berichts OTL N. zum Vorfall vom 4. September
2009 durch BMVg
19.1.2010 6 Seiten
4 6
Übersendung des ISAF-Appointment-Protokolls vom 8. September
2009 (engl.) durch BMVg
19.1.2010 5 Seiten
4a 6
Übersendung des ISAF-Appointment-Protokolls vom 8. September
2009 (dt.) durch BMVg
19.1.2010 5 Seiten
5 7
Übersendung des Untersuchungsberichts für Präsident Karzai vom
10. September 2009 (pashtu) durch BMVg
19.1.2010 10 Seiten
5a 7
Übersendung des Untersuchungsberichts für Präsident Karzai vom
10. September 2009 (dt.) durch BMVg
19.1.2010 13 Seiten
6 8
Übersendung des Bericht über die möglichen Folgen des Angriffs
für das Auswärtige Amt zum Vorfall vom 4. September 2009 durch
BMVg
19.1.2010 7 Seiten
7 9
Übersendung des Berichts von Oberst Klein an des GI der Bundes-
wehr General Schneiderhan vom 5.9.2009 durch BMVg
19.1.2010 3 Seiten
8 11
Übersendung des Berichts für die UN-Mission UNAMA vom
BMVg
19.1.2010 7 Seiten
9 12
Übersendung eines Schreibens des damaligen Kommandeurs des
COM RC North in Masar-i-Scharif, Brigadegeneral Setzer vom
6.11.2009 zum ICRC-Bericht durch BMVg
19.1.2010 3 Seiten
10 1
Übersendung des COMISAF-Bericht der NATO vom 28.10.2009
(engl.) durch BMVg (Tgb.-Nr. 08/10 Geheim)
19.1.2010 2 Ordner
10a 1
Übersendung des COMISAF-Bericht der NATO vom 28.10.2009
(dt.) durch BMVg (Tgb.-Nr. 08/10 Geheim)
19.1.2010 2 Ordner
11 2
Übersendung des Untersuchungsbericht zum Close Air Support
Kunduz des Feldjägerführers („Feldjägerbericht“) nebst allen Anla-
gen (engl.) durch BMVg (Tgb.-Nr. 09/10 Geheim)
19.1.2010 1 Ordner
11a 2
Übersendung des Untersuchungsberichts zum Close Air Support
Kunduz des Feldjägerführers („Feldjägerbericht“) nebst allen Anla-
gen (dt.) durch BMVg (Tgb.-Nr. 09/10 Geheim)
19.1.2010 1 Ordner
12 3
Übersendung des Berichts des Incident Action Teams (engl.) durch
BMVg (Tgb.-Nr. 10/10 Geheim)
19.1.2010 1 Hefter
12a 3
Übersendung des Berichts des Incident Action Teams (dt.) durch
BMVg (Tgb.-Nr. 10/10 Geheim)
19.1.2010 1 Hefter
13 4
Übersendung des ISAF-Berichts einer Fact Finding Mission (engl.)
durch BMVg (Tgb.-Nr. 11/10 Geheim)
19.1.2010 1 Hefter
13a 4
Übersendung des ISAF-Berichts einer Fact Finding Mission (dt.)
durch BMVg (Tgb.-Nr. 11/10 Geheim)
19.1.2010 1 Hefter
14 10
Übersendung des Berichts des ICRC (engl.) durch BMVg (Tgb.-Nr.
01/10 VS-Vertraulich)
19.1.2010 1 Hefter
14a 10
Übersendung des Berichts des IKRK (dt.) durch BMVg (Tgb.-Nr.
01/10 VS-Vertraulich)
19.1.2010 1 Hefter
15 97
Übersendung des Ausschussprotokolls Nr. 6 des VA mit Bezug zum
Luftschlag am 4. September 2009 durch VA mit Schreiben vom 25.
Januar 2010
25.1.2010 55 Seiten
16
104
105
Benennung des Leiters des Planungsstab (PlStab) und Leiter LZ im
Auswärtigen Amt durch das AA mit Schreiben vom 2. Februar 2010
02.2.2010 1 Seite
Drucksache 17/7400 – 544 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
MAT-
Nr.
zu BB
Nr. 17-
Inhalt
Eingang
Sekretariat
Umfang
17 1
Übersendung der fehlenden Seite COMISAF-Bericht (dt.) durch
BMVg mit Schreiben des BMVg vom 9. Februar 2010 (Tgb.-Nr.
08/10 Geheim)
09.2.2010 2 Seiten
18 -
„Stern“ Artikel vom 11.2.2010: „Geheimkrieg“ über Deutscher
Bundestag, Pressdokumentation
11.2.2010 5 Seiten
19 115
Übersendung von Sachakten des Generalstaatsanwalts Dresden, die
im Zusammenhang mit den im Untersuchungsauftrag bezeichneten
Sachverhalten stehen, mit Schreiben vom 12. Februar 2010
18.2.2010 1 Band
20 -
Übersendung eines Vorgangs des Generalbundesanwalt beim Bun-
desgerichtshof (Az. 9003/I-geh.) durch das BMJ mit Schreiben vom
12. Februar 2010 (Tgb.-Nr. 15/10 Geheim)
19.2.2010 1 Hefter
21
22
24
28
94
Übersendung von Akten der Büros PSt Schmidt, PSt Kossendey, der
Stellvertreter des Inspekteurs und Chef des Stabes des Führungssta-
bes des Sanitätsdienstes durch das BMVg mit Schreiben vom 18.
Februar 2010 (Tgb.-Nr. 03/10 VS-Vertraulich, Tgb.-Nr. 16/10 und
17/10 Geheim)
19.2.2010
4 Ordner /
1 Hefter
21a
22
24
28
94
Übersendung von Akten der Büros ParlStS Schmidt / Kossendey PSt
Schmidt, PSt Kossendey, der Stellvertreter des Inspekteurs und Chef
des Stabes des Führungsstabes des Sanitätsdienstes, Presse-/Infostab
und eines Organigramms BMVg sowie einer Übersicht der Aufga-
benverteilung im BMVg durch das BMVg mit Schreiben vom
18. Februar 2010
19.2.2010 9 Ordner
22
19
23
94
Übersendung von Akten der Büros StS a. D. Wichert und GI a. D.
Schneiderhan durch das BMVg mit Schreiben vom 25. Februar 2010
(Tgb.-Nr. 19/10 und 20/10 Geheim)
25.2.2010 11 Ordner
22a
19
23
94
Herabstufung von Unterlagen innerhalb der Akten von MAT 22
durch das BMVg mit Schreiben vom 26. März 2010
06.04.2010 3 Blätter
23 142
Ausführung des BB: Benennung von Personen des Auswärtigen
Amtes, die über Tatsachen im Zusammenhang mit dem Untersu-
chungsauftrag Auskunft geben können, mit Schreiben des AA vom
1. März 2010
01.3.2010 4 Seiten
24 -
„Spiegel“-Artikel vom 4.3.2010: „Offiziere änderten Meldungen
über zivile Opfer“
04.3.2010 1 Seite
25
40
95
8
Übersendung von Akten der Deutschen NATO-Vertretung Brüssel,
des Leitungsstabs Referat 040: Berichterstattung des BND, des Re-
ferates 201: Drahtbericht, IAT-Bericht, JIB-Bericht mit Schreiben
des AA vom 10. März 2010
(Tgb.-Nr. 24/10 Geheim)
10.3.2010 1 Ordner
25a
40
95
8
Übersendung von Akten der Botschaft Kabul, der Botschaft Was-
hington, der St. Vertretung bei der NATO, des Referates 200 (zu-
ständiges Länderreferat für die USA, des Referates 201 (zuständig
für Grundsatzfragen der internationalen Verteidigungs- und Sicher-
heitspolitik, NATO), des Referates 343 (zuständiges Länderreferat
für Afghanistan), des Referates 500 (zuständig für Allgemeines
Völkerrecht), des Leitungsstabs (Referates 010, 011, 013, 030), des
Büros von StM a. D. Erler, von 2-MB (Militärischer Berater) sowie
ein Organigramm des AA (Stand: 16.10.1008) und die Aufgabenbe-
schreibung des Vertreters des AA im PRT Kunduz mit Schreiben
des AA vom 10. März 2010.
10.3.2010 10 Ordner
26 17
Übersendung von Akten des Einsatzführungskommandos der Bun-
deswehr (EinsFüKdoBW) und des Kommandos Führung Operatio-
nen von Spezialkräften (Kdo FOSK) mit Schreiben des BMVg vom
10. März 2010 (Tgb.-Nr. 26/10 Geheim)
11.3.2010 3 Ordner
27
25
27
94
114
Übersendung von Akten des Leitungsstab des BMVg und des Minis-
terbüros (u. a. Terminkalender) mit Schreiben des BMVg vom 17.
März 2010
(Tgb.-Nr. 27/10 Geheim)
17.3.2010 2 Ordner
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 545 – Drucksache 17/7400
MAT-
Nr.
zu BB
Nr. 17-
Inhalt
Eingang
Sekretariat
Umfang
27a
25
27
94
114
Übersendung von Akten des Leitungsstab des BMVg und des Minis-
terbüros mit Schreiben des BMVg vom 17. März 2010
17.3.2010 5 Ordner
27b
25
27
94
Nachlieferung von Akten: Entlassungsgesuche Dr. Wichert /
Schneiderhan mit Schreiben des BMVg vom 17. März 2010
17.3.2010 15 Seiten
28 141
Übersendung der Personenliste des Bundesnachrichtendienstes im
Rahmen des BB mit Schreiben des BK vom 17. März 2010
(Tgb.-Nr. 04/10 VS-Vertraulich)
18.3.2010 1 Hefter
28a 141
Übersendung der Personenliste des Bundeskanzleramts im Rahmen
des BB mit Schreiben des BK vom 17. März 2010
18.3.2010 2 Seiten
29
29 bis
34
39
Übersendung von Akten der Gruppe 21, 22, des Büros des Abtei-
lungsleiters 2, Gruppe 61 (Referat 612), 62 (Referat 621, 622 und
623) inkl. Unterlagen aus dem Büro des Abteilungsleiters 6 des
Bundeskanzleramts mit Schreiben des BK vom 18. März 2010.
(Tgb.-Nr. 29/10 Geheim)
18.3.2010 1 Ordner
29a
29 bis
35
38
39
Übersendung von Akten der Gruppe 21, 22, des Büros des Abtei-
lungsleiters 2, Gruppe 61, 62, des Büros des Abteilungsleiters 6,
dem Büro Chef des Bundeskanzleramts, Presse- und Informations-
amt der Bundesregierung und Sammelbeschluss des Bundeskanzler-
amts mit Schreiben des BK vom 17. März 2010
18.3.2010 9 Ordner
30
13
18
94
Übersendung von Akten des Einsatzführungsstabes im Bundesmi-
nisterium der Verteidigung (EinsFüStab) mit Schreiben des BMVg
vom 19. März 2010
(Tgb.-Nr. 30/10 Geheim)
19.3.2010 3 Ordner
30a
13
18
94
Übersendung von Akten des EinsFüStab mit Schreiben des BMVg
vom 19. März 2010
19.3.2010 17 Ordner
31a 96
Übersendung eines Organigramms, der Aufgabenbeschreibung des
Vertreters des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung im PRT Kunduz und Unterlagen des Referates
204, des Referates 210, des Büro Unterabteilungsleitung 20, der
Abteilungsleitung 2, des Referates 01: Ministerbüro, des persönli-
chen Referenten des Parlamentarischen Staatssekretärs, des Refera-
tes 02: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und des Referates 03: Par-
laments- und Kabinettsangelegenheiten mit Schreiben des BMZ vom
22. März 2010
23.3.2010 1 Ordner
32 26
Übersendung von Akten des Planungsstabes im BMVg (PlStab) mit
Schreiben des BMVg vom 24. März 2010
(Tgb.-Nr. 34/10 Geheim)
24.3.2010 1 Ordner
32a 26
Übersendung von Akten des Planungsstabes im BMVg (PlStab) mit
Schreiben des BMVg vom 24. März 2010
24.3.2010 15 Ordner
33 96
Übersendung von Akten des Referates 102 mit Schreiben des BMZ
vom 23. März 2010
(Tgb.-Nr. 35/10 Geheim)
24.3.2010 1 Hefter
34 37
Übersendung von Akten des Bundesnachrichtendienstes mit Schrei-
ben des BK vom 24. März 2010
(Tgb.-Nr. 36/10 Geheim)
24.3.2010 1 Ordner
34a 37
Übersendung von Akten und 2 Datenträgern mit Videodateien mit
Schreiben des BK vom 24. März 2010
24.3.2010
1 Ordner +
2 CDs
35 21
Übersendung von Akten der Abteilung Recht mit Schreiben des
BMVg vom 26. März 2010
(Tgb.-Nr. 37/10 Geheim)
26.3.2010 1 Ordner
35a 21
Übersendung von Akten der Abteilung Recht mit Schreiben des
BMVg vom 26. März 2010
26.3.2010
16 Ordner
+ 2 Hefter
Drucksache 17/7400 – 546 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
MAT-
Nr.
zu BB
Nr. 17-
Inhalt
Eingang
Sekretariat
Umfang
36
19
20
28
Übersendung von Akten des Stellvertretenden Generalinspekteurs
der Bundeswehr (StvGenInsp), des Inspekteurs der Streitkräftebasis
(InspSKB), des Führungsstabs der Streitkräfte (FüS) mit Schreiben
vom 1. April 2010
(Tgb.-Nr. 39/10 Geheim)
01.4.2010 2 Ordner
36a
19
20
28
Übersendung von Akten des Stellvertretenden Generalinspekteurs
der Bundeswehr (StvGenInsp), des Inspekteurs der Streitkräftebasis
(InspSKB), des Führungsstabs der Streitkräfte (FüS) mit Schreiben
vom 1. April 2010
01.4.2010 41 Ordner
37 20
Übersendung von Akten des FüS, der Streitkräftebasis (SKA);
Streitkräfteunterstützungskommando (SKUKdo) mit Schreiben des
BMVg vom 8. April 2010
(Tgb.-Nr. 40/10 Geheim)
09.4.2010 1 Ordner
37a 20
Übersendung von Akten des FüS, der Streitkräftebasis (SKA);
Streitkräfteunterstützungskommando (SKUKdo) mit Schreiben des
BMVg vom 8. April 2010
09.4.2010 8 Ordner
38 140
Übersendung einer Liste mit 179 aufgeführten Personen aus dem
BMVg sowie dem Geschäftsbereich des BMVg mit Schreiben des
BMVg vom 12. April 2010
13.4.2010 12 Seiten
39 20
Übersendung von Akten des FüS mit Schreiben des BMVg vom 14.
April 2010
(Tgb.-Nr. 41/10 Geheim)
14.4.2010 1 Ordner
39a 20
Übersendung von Akten des FüS II 3 mit Schreiben des BMVg vom
14. April 2010
14.4.2010 8 Ordner
40 113
Übersendung von Terminkalenderauszügen der Bundeskanzlerin,
des Chef BK und des ehemaligen Chef BK mit Schreiben des BK
vom 15. April 2010
15.4.2010 5 Seiten
41 113
Übersendung von Terminkalenderauszügen des Abteilungsleiter 2,
des Leiters Gruppe 62 und des damaligen Abteilungsleiters 6 mit
Schreiben des BK vom 20. April 2010
21.04.2010 5 Seiten
42 23
Übersendung von Akten aus dem Büro Staatssekretärs Wolf mit
Schreiben des BMVg vom 22. April 2010
(Tgb.-Nr. 44/10 Geheim)
22.04.2010 1 Ordner
42a 23
Übersendung von Akten aus dem Büro Staatssekretärs Wolf mit
Schreiben des BMVg vom 22. April 2010
22.04.2010 12 Ordner
43 116
Vermerk des Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof vom
16.4.2010 betreffend die Einstellung des Verfahrens gegen Oberst
Klein und Hauptfeldwebel W.
(Tgb.-Nr. 46/10 Geheim)
29.04.2010 75 Seiten
44
20
28
Übersendung von Akten des FüS, des Führungsstabs Luftwaffe
(FüL), des Führungsstabs Marine (FüM) und des Führungsstab des
Heeres (FüH) mit Schreiben des BMVg vom 28. April 2010
(Tgb.-Nr. 47/10 Geheim)
04.05.2010 1 Ordner
44a
20
28
Übersendung von Akten des FüS, des Führungsstabs Luftwaffe
(FüL), des Führungsstabs Marine (FüM) und des Führungsstab des
Heeres (FüH) mit Schreiben des BMVg vom 28. April 2010
30.04.2010 26 Ordner
45
20
28
Nachlieferung von Unterlagen des FüL III 3 mit Schreiben des
BMVg vom 7. Mai 2010
(Tgb.-Nr. 49/10 Geheim)
07.05.2010 13 Seiten
46
20
28
94
Übersendung von Akten des Kommando Strategische Aufklärung,
des Fernmeldebereichs 93 und des Einsatzführungsstabs mit Schrei-
ben des BMVg vom 12. Mai 2010
(Tgb.-Nr. 50/10 Geheim)
12.05.2010 7 Ordner
46a
20
28
94
Übersendung von Akten des Kommando Strategische Aufklärung,
des Fernmeldebereichs 93 und des Einsatzführungsstabs mit Schrei-
ben des BMVg vom 12. Mai 2010
12.05.2010 3 Ordner
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 547 – Drucksache 17/7400
MAT-
Nr.
zu BB
Nr. 17-
Inhalt
Eingang
Sekretariat
Umfang
47
15
16
Übersendung von Akten zu Masar-i-Scharif und COMISAF
KABUL mit Schreiben des BMVg vom 21. Mai 2010
(Tgb.-Nr. 51/10 Geheim)
21.05.2010 17 Ordner
47a
15
16
Übersendung von Akten zu Masar-i-Scharif und COMISAF
KABUL mit Schreiben des BMVg vom 21. Mai 2010
21.05.210 17 Ordner
48
14
94
Übersendung von Akten des Einsatzführungsstabs mit Schreiben des
BMVg vom 27. Mai 2010 (Tgb.-Nr. 52/10 Geheim)
27.05.2010 14 Ordner
48a
14
94
Übersendung von Akten des Einsatzführungsstabs mit Schreiben des
BMVg vom 27. Mai 2010
27.05.2010 16 Ordner
49
168
170
Übersendung von Akten, hier: Transfer of Authority (Kommandoü-
bergabeprotokoll), Rules of Engagement. (Einsatzregeln - ROEs)
und ROE Matrix mit Schreiben des BMVg vom 4. Juni 2010
(Tgb.-Nr. 53/10 Geheim)
04.06.2010 1 Ordner
49a
168
170
Übersendung von Akten, hier: 2 Taschenkarten (2006/2009), Be-
schlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zum
Afghanistan-Einsatz mit Schreiben des BMVg vom 4. Juni 2010
04.06.2010 2 Ordner
50a -
Übersendung der Handschriftlichen Aufzeichnungen der Büroleite-
rin des Ministerbüros Sabine Bastek vom 25.11.2009 mit Schreiben
des BMVg vom 9. Juni 2010
09.06.2010 4 Blatt
51
171
15
Übersendung von Akten des Einsatzführungsstabs, hier: Vermerke
von Rechtsberatern und SAG Kunduz mit Schreiben des BMVg vom
14. Juni 2010
14.06.2010 2 Ordner
52
163
165
Übersendung von Akten zum Vorgang 4110E-III2-3201/09 des
Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa und Aus-
züge aus verschiedenen Hand- und Berichtsakten mit Schreiben des
SMJ vom 21. Juni 2010
24.6.2010 1 Ordner
53 176
Beiziehung der Einsatzregeln zu OPLAN 10302 (Rev. 1),
J5PLANS/7340-001/06-106635 zu OPLAN, Tac Directive (TD)
COM ISAF und OPLAN 10302 (Amendment 2 to Rev.1) mit
Schreiben des BMVg vom 28. Juni 2010
(Tgb.-Nr. 60/10 Geheim)
28.06.2010 1 Ordner
53a 176
Beiziehung der Einsatzregeln zu Strategic Assessment for OPLAN
10302 (Rev. 1) mit Schreiben des BMVg vom 28. Juni 2010
28.06.2010 1 Ordner
54
116
162
164
Übersendung von Unterlagen des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof und des Bundesministeriums der Justiz; hier: 23
Anzeigenvorgänge mit Schreiben des BMJ vom 29. Juni 2010 (Tgb.-
Nr. 61/10 Geheim)
30.06.2010 2 Ordner
54a
116,
162,
164
Übersendung von Unterlagen des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof und des Bundesministeriums der Justiz; hier: 23
Anzeigenvorgänge mit Schreiben des BMJ vom 29. Juni 2010
30.06.2010 5 Ordner
55 166
Übersendung von Unterlagen des Leitenden Oberstaatsanwaltes in
Potsdam (Meldungen und Berichte, die der Staatsanwaltschaft Pots-
dam durch den Leitenden Rechtsberater im EFK der Bundeswehr bis
zur Abgabe des Prüfvorgangs an die Staatsanwaltschaft Leipzig am
7.9.2009 übergeben worden sind.) mit Schreiben des Ministeriums
der Justiz vom 29. Juni 2010
05.07.2010 24 Seiten
56 172
Übersendung von vom BND seit dem 1. Juli 2009 herausgegebene
Unterlagen, die mit Bundeswehreinsätzen in der Region Kunduz
zusammenhängen mit Schreiben des BK vom 7. Juli 2010 (Tgb.-Nr.
62/10 Geheim)
07.7.2010 1 Ordner
57 172
Übersendung von Akten mit den vom BND im Zeitraum vom 1. Juli
bis 4. September 2009 herausgegebenen und den Bundeswehreinsät-
zen in der Region Kunduz zusammenhängenden Mitteilungen und
Bedrohungswarnungen mit Schreiben des BMVg vom 9. Juli 2010
(Tgb.-Nr. 63/10 Geheim)
12.07.2010 2 Ordner
Drucksache 17/7400 – 548 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
MAT-
Nr.
zu BB
Nr. 17-
Inhalt
Eingang
Sekretariat
Umfang
58 -
Übersendung weiterer Organigramme über die Organisationseinhei-
ten von der Ebene PRT-Kunduz über ISAF-Regional Command
North bis ISAF-Hauptquartier in Kabul vom 21. Mai 2010 mit
Schreiben des BMVg vom 7. Juli 2010
12.07.2010 5 Seiten
59 -
Mitteilung des BMVg: unter Bezugnahme auf die disziplinären
Vorermittlungen gegen Oberst Klein haben sich keine Anhaltspunk-
te für ein Dienstvergehen ergeben, mit Schreiben des BMVg vom
19. August 2010
19.08.2010 2 Seiten
60 167
Übersendung der Cockpit-Tapes und des redigierten Transkripts mit
Schreiben des BMVg vom 8. Oktober 2010
08.10.2010
1 CD
1 Hefter
61 15
Übersendung von aus geschützten ZIP-Dateien gewonnenen Unter-
lagen mit Schreiben des BMVg vom 11. Oktober 2010
(Tgb.-Nr. 72/10 Geheim)
11.10.2010 1 Ordner
61a 15
Mitteilung des BMVg, dass keine weiteren Unterlagen geschickt
werden können, da die Bemühungen um die Entschlüsselung der
ZIP-Dateien keine weiteren Ergebnisse hervorgebracht haben, mit
Schreiben des BMVg vom 11. April 2011.
11.04.2011 1 Seite
62 180
Übersendung der Verfahrensakte des Landgerichts Bonn (AZ: 1 O
334/10) Zivilsache A. M. ./. Bundesrepublik Deutschland mit
Schreiben des JM des Landes NRW vom 5. Oktober 2010
(teilw. Geheim - Tgb.-Nr. 73/10)
12.10.2010 1 Hefter
62a 180
Übersendung eines weiteren Teils der Verfahrensakte des Landge-
richts Bonn (AZ: 1 O 334/10) Zivilsache A. M:./. Bundesrepublik
Deutschland mit Schreiben des JM des Landes NRW vom 23. März
2010
29.03.2010 1 Hefter
63 14
Nachlieferung zur Aktenübersendung vom 26. Mai 2010 zu BB 14
(MAT 48) mit Schreiben des BMVg vom 27. Oktober 2010
(Tgb.-Nr. 75/10 Geheim)
27.10.2010 1 Seite
64 116
Übersendung der Offenen Fassung des Einstellungsvermerks des
Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof im Ermittlungsver-
fahren gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. mit Schreiben
des BMJ vom 27. Oktober 2010
28.10.2010 1 Hefter
65 181
Übersendung des Untersuchungsberichts zur Frage der Informati-
onspraxis und der Informationsflüsse im BMVg von StS Rüdiger
Wolf mit Schreiben des BMVg vom 3. November 2010
(Tgb.-Nr. 12/10 Geheim)
4.11.2010 1 Ordner
66
116
164
Übersendung von Niederschriften der Vernehmungen der zwei Zeu-
gen sowie Oberst Klein und HFw W. durch die Bundesanwaltschaft
mit Schreiben des BMJ vom 22. November 2010
(Tgb.-Nr. 80/10 Geheim)
23.11.2010 1 Hefter
67 14
Übersendung von Erläuterungen der Videosequenzen der nachgelie-
ferten Festplatte vom 27.10.2010 zu BB 14
(Nachlieferung zu Tgb.-Nr. 75/10 Geheim – hier Tgb.-Nr. 81/10)
24.11.2010 1 Hefter
68 185
Beiziehung der Opferliste des Luftschlags vom 3./4. September
2009 zu BB 185 mit Schreiben des BMVg vom 7. Dezember 2010
(Tgb.-Nr. 68/10 Geheim)
7.12.2010
69 15
Nachlieferung zur Aktenübersendung vom 11.10 2010 zu BB 15
(MAT 61), weitere aus geschützten ZIP-Dateien gewonnene Unter-
lagen mit Schreiben des BMVg vom13. Dezember 2010
(Tgb.-Nr. 85/10 Geheim)
13.12.2010 1 Ordner
70a 186
Übersendung der Meldungen des Kommandeurs Kommando Füh-
rung Operationen von Spezialkräften und des Chefs des Stabes des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr mit Schreiben des
BMVg vom 14. Dezember 2010
14.12.2010 1 Hefter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 549 – Drucksache 17/7400
MAT-
Nr.
zu BB
Nr. 17-
Inhalt
Eingang
Sekretariat
Umfang
70 186
Übersendung der Meldungen des Kommandeurs Kommando Füh-
rung Operationen von Spezialkräften, des Chefs des Stabes des Ein-
satzführungskommandos der Bundeswehr und des Luftwaffenver-
bindungsoffiziers der Task Force 47 mit Schreiben des BMVg vom
14. Dezember 2010
(Tgb.-Nr. 86/10 Geheim)
14.12.2010 1 Hefter
71
BU
245
Übersendung der Handakten des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshofs (zu BU 245 - Unvollständigkeit der Aktenlieferung)
mit Schreiben des BMJ vom 27. Dezember 2010
30.12.2010 3 Ordner
72 15
Nachlieferung zur Aktenübersendung vom 11.10 2010 zu BB 15
(MAT 61), weitere aus geschützten ZIP-Dateien gewonnene Unter-
lagen mit Schreiben des BMVg vom 25. Januar 2011
25.01.2011 3 Seiten
73
29 – 39
113
141
Vollständigkeitserklärung zu angeforderten Unterlagen mit Schrei-
ben des BK vom 22. Februar 2011
23.02.2011 1 Seite
74
116
162
164
Ergänzende Vorlage von Akten der Bundesanwaltschaft mit Schrei-
ben des BMJ vom 14. März 2010
(Tgb.-Nr. 96/10 Geheim)
14.03.2011
14 Ordner
2 Hefte
74a
116
162
164
Ergänzende Vorlage von Akten der Bundesanwaltschaft mit Schrei-
ben des BMJ vom 14. März 2010
14.03.2011
11 Ordner
1
Festplatte
75
187
188
Eingangsbestätigung des Schreibens der Vorsitzenden zur Aktenan-
forderung bezüglich der BB 187 und 188 mit Schreiben des Bun-
desministeriums der Justiz NRW vom 2. Mai 2011
10.05.2011 1 Blatt
75a 188
Übersendung der Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts Köln in
dem Verwaltungsrechtsstreit A. M. gegen die Bundesrepublik
Deutschland (Az. 26 (25) K 5534/10), mit Schreiben des Justizmi-
nisteriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2011.
16.05.2011 1 Hefter
75b 187
Übersendung der Verfahrensakten des Landgerichts Bonn in dem
Zivilverfahren Dr. Peter Wichert gegen den Spiegel-Verlag Rudolph
Augstein GmbH & Co. KG u.a. (9 O 396/10), mit Schreiben des
Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom ?. Mai
2011
17.05.2011 1 Hefter
Drucksache 17/7400 – 550 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
VIII. Verzeichnis der Sitzungen
Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer
(in Minuten)
Protokoll-
umfang
1 16.12.09 nichtöffentlich Konstituierung 30 9
2 16.12.09 nichtöffentlich Beratungssitzung 120 21
3 21.01.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 294 34
4 28.01.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 145 35
5 10.02.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 55 28
6 10.02.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
- Oberst i. G. Georg Klein
308 83
7 25.02.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 70 20
8 25.02.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
gem. der Beweisbeschlüsse 17-129 und 17-
131
364 88
9 04.03.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 96 28
10 04.03.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
gem. der Beweisbeschlüsse 17-112 und 17-
139
401 99
11 15.03.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 31 16
12 15.03.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
- General Rainer Glatz
- Brigadegeneral Jörg Vollmer
398 99
13 18.03.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 54 21
14 18.03.10 öffentlich/ Ge-
heim
Zeugenvernehmung
- General a.D. Wolfgang Schneiderhan
- Staatssekretär a.D. Dr. Peter Wichert
655 157
15 25.03.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 56 19
16 25.03.10 öffentlich/ Ge-
heim
Zeugenvernehmung
- Bundesminister a. D. Dr. Franz Josef Jung,
MdB
288 73
17 22.04.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 52 18
18 22.04.10 öffentlich/ Ge-
heim
Zeugenvernehmung
- Bundesminister Frh. Karl-Theodor zu Gut-
tenberg, MdB
476 104
19 06.05.10 nichtöffentlich Beratungssitzung
179 31
20 20.05.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 27 13
21 09.06.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 66 22
22 09.06.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
gem. den Beweisbeschlüssen 17-148, 17-149
sowie
- Brigadegeneral Peter Braunstein
- Konteradmiral Andreas Krause
330 84
23 17.06.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 114 26
24 01.07.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 64 23
25 01.07.10 nichtöffentlich Zeugenvernehmung
- Vizeadmiral Wolfram Kühn
135 27
26 08.07.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 106 24
27 08.07.10 nichtöffentlich Zeugenvernehmung
- Staatssekretär Rüdiger Wolf
- Dr. Ulrich Schlie
302 70
28 16.09.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 83 21
29 16.09.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
- Dr. Thomas Raabe
184 55
30 29.9.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 27 12
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 551 – Drucksache 17/7400
Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer
(in Minuten)
Protokoll-
umfang
31 29.9.10 öffentlich Zeugenvernehmung
- General a. D. Wolfgang Schneiderhan
- Staatssekretär a. D. Dr. Wichert
346 84
32 7.10.10 nichtöffentlich/
VS-Vertraulich
Beratungssitzung* 44 18
33 7.10.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
gem. der Beweisbeschlüsse 17-159, 17-132,
17-103 und 17-111
323 90
34 28.10.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 94 26
35 28.10.10 nichtöffentlich Zeugenvernehmung
gem. Beweisbeschluss 17-161 und 17-133
363 50
36 11.11.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 30 15
37 11.11.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
gem. der Beweisbeschlüsse 17-136, 17-130,
17-137, 17-131
320 94
38 25.11.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 53 20
39 25.11.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
gem. der Beweisbeschlüsse 17-160, 17-173
und 17-182
259 51
40 02.12.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 55 18
41 02.12.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
- General Egon Ramms
- Oberst i. G. Dr. Erich Vad
212 59
42 16.12.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 51 19
43 16.12.10 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
gem. des Beweisbeschlusses 17-175 und
- Präsident des BND Ernst Uhrlau
339 73
44 20.01.11 nichtöffentlich Beratungssitzung* 39 16
45 20.01.11 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
gem. des Beweisbeschlusses 17-175 sowie
- Dr. Christoph Heusgen
- Oberst i. G. Dr. Erich Vad
346 85
46 27.01.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 6 8
47 27.01.11 nichtöffentlich/
Geheim
Zeugenvernehmung
- Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche
- Hans Josef Vorbeck
240 59
48 10.02.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 7 1
49 10.02.11 öffentlich Zeugenvernehmung
- Bundesaußenminister a. D. Dr. Frank-
Walter Steinmeier, MdB
- Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, MdB
356 89
50 24.02.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 82 19
51 13.04.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 27 14
52 11.05.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 12 10
53 25.05.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 23 12
54 29.06.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 73 18
55 06.07.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 10 12
56 05.09.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 123 28
57 28.09.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 123 29
58 20.10.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 39 18
* beinhaltet auch den Beratungsteil, der während der Zeugenvernehmung stattgefunden hat.
Beschlussempfehlung und Bericht
Beschlussempfehlung
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil: Einsetzung des Untersuchungsausschusses und Verlauf des Untersuchungsverfahrens
Einsetzung, Auftrag und Konstituierung des Untersuchungsausschusses
Konstituierung des Untersuchungsausschusses und Untersuchungsauftrag
Untersuchungsauftrag
Mitglieder des Untersuchungsausschusses
Vorsitz, stellvertretender Vorsitz sowie Sprecher, Berichterstatter und Vertreter im Interfraktionellen Gremium
Benannte und ermächtigte Mitarbeiter der Fraktionen
Fraktion der CDU/CSU:
Fraktion der SPD:
Fraktion der FDP:
Fraktion DIE LINKE.:
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages
Beauftragte der Bundesregierung
Bundeskanzleramt:
Bundesministerium der Verteidigung:
Auswärtiges Amt:
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung:
Bundesministerium der Justiz:
Sekretariat des Untersuchungsausschusses
Verfahren und Untersuchungen mit sachlichem Bezug zum Untersuchungsauftrag
Strafrechtliche Ermittlungen
Disziplinarrechtliche Ermittlungen
Untersuchung der Dokumentenflüsse im Bundesministerium der Verteidigung zum Close Air Support am 4. September 2009 bei Kunduz durch Staatssekretär Rüdiger Wolf
Zivilrechtliches Entschädigungsverfahren
Gang der Untersuchung
Rechtsgrundlagen für die Arbeit des Untersuchungsausschusses
Beschlüsse und Absprachen zum Verfahren
Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen
Einsetzung eines interfraktionellen Gremiums
Protokollierung der Ausschusssitzungen
Behandlung der Ausschussprotokolle
Änderung des Beschlusses 4 zum Verfahren vor dem Hintergrund einer möglichen öffentlichen Zeugenvereinnahmung
Einstufung der Sitzungsprotokolle und Beweisbeschlüsse als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD)
Aufhebung der Einstufung „VS-NfD“ bei Protokollen von öffentlichen Sitzungen
Verteilung von Beratungsunterlagen, Beweisbeschlüssen und Ausschussmaterialien
Verteilung von Verschlusssachen
Behandlung von Beweisanträgen
Nichtöffentlichkeit der Sitzungen
Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zur Frage der „Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss“
Änderung des Beschlusses 8 zum Verfahren
Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken
Verpflichtung zur Geheimhaltung
Fragerecht bei der Beweiserhebung
Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen
Vorbereitung der Beweiserhebung
Beratungen des interfraktionellen Gremiums
Obleutebesprechungen
Strukturierung der Untersuchung
Terminierung
Beweiserhebung durch Beiziehung von Akten, Berichten, Protokollen und sonstiger Unterlagen
Art, Herkunft und Umfang des Beweismaterials
Anforderung von Beweismaterialien über die Bundesregierung bei internationalen Dienststellen
Bitten um Aktenvorlage und Vollständigkeitserklärung gemäß § 18 Abs. 2 PUAG
Vorlage von Originalmaterialien
Verwendung von Unterlagen ohne formelle Beiziehung
Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht
Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen
Behandlung von Beweisanträgen
Entscheidung über die Beweisanträge
Reihenfolge der Vernehmungen
Durchführung der Zeugenvernehmungen
Anzahl der Zeugenvernehmungen
Ort der Zeugenvernehmungen
Einstufung der Vernehmungen in öffentliche und nichtöffentliche Sitzungen
Vernehmungen in öffentlicher Sitzung
Ablehnung weiterer Vernehmungen in öffentlicher Sitzung
Keine Live-Übertragung öffentlicher Sitzungen
Gegenüberstellung von Zeugen
Antrag der Oppositionsfraktionen auf Durchführung einer Vernehmungsgegenüberstellung der Zeugen General a. D. Schneiderhan, Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und Bundesminister der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg
Entscheidung des Bundesgerichtshofes
Aussagegenehmigungen
Rechtsbeistand von Zeugen
Vernehmung von ausländischen Zeugen
Beschlossene, aber nicht terminierte Zeugen
Formeller Abschluss der Vernehmungen
Abschlussbericht
Erstellung des Abschlussberichts
Zeitplan
Abfassung von Berichtsteilen und Aufhebung von Einstufungen
Gewährung rechtlichen Gehörs zum Abschlussbericht
Feststellung des Abschlussberichtes
Gang des Verfahrens und ermittelte Tatsachen
Ergebnis der Untersuchung
Sondervoten
Geheimnisse im Abschlussbericht
Feststellung der Teile des Berichts und Vorlage an den Bundestag
„Lessons Learned“
Umgang mit Akten nach Abschluss der Untersuchung
Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt
Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE
OPERATION ENDURING FREEDOM in Abgrenzung zur INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE
INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE
Das Afghanistanmandat der Vereinten Nationen
Petersberger Konferenz
Rechtsgrundlage: Kapitel VII der UN-Charta
Zielsetzung
Zeitliche Begrenzung
Beschluss des Deutschen Bundestages zu ISAF
Verlängerung und Ausweitung von ISAF
UN-Mandatsverlängerungen
Ausdehnung des Bundeswehreinsatzes über Kabul hinaus
Ausbau der Provincial Reconstruction Teams
Abschluss des „Bonner-Prozesses“
Übernahme der Verantwortung für die gesamte Nordregion
NATO-Gipfel in Bukarest und Pariser Afghanistan-Konferenz
Befugnis zur Anwendung militärischer Gewalt im Rahmen des ISAF-Mandats (Rules of Engagement, Standard Operating Procedures, Tactical Directives)
Der Luftschlag am 4. September 2009
Lageentwicklung im Raum Kunduz bis zum 4. September 2009
Militärische Lage zum Zeitpunkt der Übernahme des Kommandos über das Provincial Reconstruction Team Kunduz durch Oberst Georg Klein
Änderung der militärischen Vorgehensweise der regierungsfeindlichen Kräfte
Änderung der taktischen Richtlinien durch den Kommandeur der ISAF
Änderung der ISAF-Taschenkarte
Die Lage zwischen den Wahlen am 20. August 2009 und dem 4. September 2009
Konkrete Anschlagswarnungen für den Bereich des PRT Kunduz
Schwere Gefechte am Vorabend des Luftangriffs
Entführung zweier Tanklastwagen am 3. September 2009
Überfall auf die Lastwagenfahrer
Das Geschehen auf der Sandbank
Personen auf der Sandbank nach Aussage des Zeugen A. M.
Vorbereitung und Durchführung militärischer Maßnahmen als Reaktion auf die Entführung der Tanklastwagen
Kenntniserlangung von der Entführung
Hinweise durch einen Informanten der Task Force 47
Unterrichtung des Kommandeurs des PRT Kunduz, Oberst Klein
Information:
Information:
Unterrichtung durch afghanische Stellen
Suche nach den Tanklastzügen
Ursprünglicher Auftrag: Suche nach einem ausgefallenen deutschen Fahrzeug zwecks Zerstörung
Änderung des Suchauftrages für den B-1B Lancer Strategic Bomber
Hilfe bei der Suche durch Hinweise eines Informanten
Die Tanklaster wurden gefunden
Der Informant
Zuverlässigkeit des Informanten
Frage der „Bezahlung“ des Informanten
Kommunikation mit dem Informanten über einen Sprachmittler
Standort der Kontaktperson
Existenz einer möglichen weiteren, „dritten“ Quelle
Das Geschehen auf der Sandbank aus Sicht von Oberst Klein
Anzahl der Personen auf der Sandbank
Einschätzung des JTAC anhand der Video-Bilder
Einschätzung des Informanten
Anwesenheit von Taliban-Führern
Zur Frage der Anwesenheit von Zivilpersonen auf der Sandbank
Informationsstand in der Operationszentrale der Task Force 47
Anwesenheit weiterer Zivilpersonen
Problem der Unterscheidbarkeit zwischen Aufständischen und Zivilpersonen
Das Tragen von Waffen als mögliches Kriterium zur Unterscheidung von Aufständischen und Zivilisten
Darstellung der Zahl der Bewaffneten durch die HUMINT-Kontaktperson
Aufklärung von Handwaffen und Panzerabwehrwaffen durch das B-1B Luftfahrzeug
Mehrfache Nachfrage beim Informanten, ob Zivilpersonen anwesend sind
Lagebild des Oberst Klein über das Geschehen auf der Sandbank und Schlussfolgerungen
Schlussfolgerung über das weitere Vorgehen der Aufständischen
Annahme, dass sich keine Zivilisten auf der Sandbank befanden
Prüfung verschiedener Handlungsoptionen seitens des PRT Kunduz
Durchführung des Weaponeering und Targeting durch die Flugzeugbesatzung
Von der Besatzung des Luftfahrzeuges vom Typ B-1B vorgeschlagenes Wirkmittel
Beschränkung eines etwaigen Luftangriffs auf die beiden Tanklastwagen?
Ablehnung eines Luftangriff in dieser Phase
Einsatz von Bodentruppen
Einsatz von Drohnen
Abdrehen des B-1B und Anforderung zweier F-15 Luftfahrzeuge
Anforderung von Close Air Support
Meldung von „Truppen mit Feindberührung“ durch das PRT Kunduz
Begründung mit dem Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr
Zur Frage der unmittelbaren Feindberührung
Bestätigung des TIC durch den Air Liaison Officer in Masar-i-Scharif
Erscheinen zweier F-15 Luftfahrzeuge im Luftraum
Der Luftschlag
Durchführung des Weaponeering und Targeting
Entschlussfassung zur Durchführung eines Luftschlages
Lagebild zu diesem Zeitpunkt in der Operationszentrale
Mehrfaches Nachfragen beim Informanten hinsichtlich der Anwesenheit etwaiger Zivilisten auf der Sandbank
Entschlussfassung
Wahl des Wirkmittels
Ziel des Luftschlages
Interne Bedenken der Luftfahrzeugbesatzungen
Begründung des Entschlusses
Ablehnung eines Überfluges im Rahmen der „show of force“
Mehrfaches Nachfragen durch die Luftfahrzeugbesatzungen
Begründung der Ablehnung eines „show of force“
Der Luftschlag
Durchführung einer Wirkungsanalyse
Prüfung einer Beteiligung der TF 47
Die Task Force 47 und ihr Verhältnis zum PRT Kunduz
Operation des PRT Kunduz
Gründe für die Nutzung der OPZ der TF 47
Kein Unterstellungsverhältnis zwischen der Task Force 47 und dem Kommandeur des PRT Kunduz
Abwesenheit großer Teile der Task Force 47
Keine Kommunikation zwischen Oberst Klein und dem Kommando FOSK in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009
Frage der Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an der Vorbereitung und Durchführung des Luftangriffs
Erkenntnisse des Ausschusses zu einer etwaigen Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes
Keine eigenen Quellen des BND?
Bemühungen um Aufklärung zur Erlangung von Erkenntnissen über den Luftangriff
Untersuchungen seitens des PRT Kunduz
Battle Damage Assessment, 4. September 2009
Untersuchung des Tactical Psycological Operations Teams PRT Kunduz, 4. September 2009
Untersuchungen seitens ISAF
Untersuchung des Initial Action Teams, 4./5. September 2009
Anlass und Einleitung der Untersuchung
Eintreffen des Teams in Kunduz
Besuch von COM ISAF McChrystal in Kunduz
Abschlussbericht des IAT
„N.-Bericht“
Begleitung des IAT durch einen Journalisten der Washington Post
Untersuchung Joint Investigation Board, 8. September bis 20. Oktober 2009
Begleitung der ISAF-Untersuchung durch das Bundesministerium der Verteidigung, 9. September bis 26. Oktober 2009
Untersuchungsbericht zum „Close Air Support Kunduz“ des Feldjägerführers, 4. bis 9. September 2009
Einleitung einer nationalen Untersuchung
Verlegung des Feldjägerführers durch den Kommandeur RC North
Kenntnis des INTSUM-Berichtes durch den Kommandeur RC North
Absicht des Kommandeurs RC North, disziplinarrechtliche Ermittlungen einzuleiten
Einstellung der Ermittlungen
Befehl aus dem Bundesministerium der Verteidigung
Dissens im Ministerium
Begründung des Einstellungsbefehls seitens des Bundesministeriums der Verteidigung
Keine Kenntnis des Befehls seitens des Feldjägerführers
Abweichende Ansicht des Befehlshabers Einsatzführungskommando der Bundeswehr
Unterscheidung zwischen Ermittlungen des Feldjägerführers und nationaler Untersuchung
Sonstige Untersuchungen
Untersuchung der afghanischen Regierung, 4. September 2009
Untersuchung der Vereinten Nationen, 10. September 2009
Untersuchung des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes
Unmittelbare Folgen des Luftangriffs
Erkenntnisse des PRT Kunduz
Battle Damage Assessment Team
Tactical Psychological Operations Team des PRT Kunduz
Erkenntnisse ISAF
Initial Action Team
Erkenntnisse des Joint Investigation Board
Erkenntnisse der afghanischen Untersuchungskommission
Erkenntnisse der Vereinten Nationen
Erkenntnisse der afghanischen unabhängigen Menschenrechtskommission AIHRC
Erkenntnisse des Internationalen Roten Kreuzes
Sonstige Erkenntnisse
HUMINT-Kontakt
Zeugin Dr. Habibe Erfan
Amnesty International
Darstellung des Lastwagenfahrers
Erste Entwicklungen und Reaktionen bis zur Regierungsbildung am 27. Oktober 2009
Erste Reaktionen der internationalen Öffentlichkeit
Presse und Rundfunk
ISAF-Hauptquartier und NATO-Generalsekretär
Äußerungen am Rande des Außenminister-Treffens
Kenntniserlangung durch die Bundesregierung und interne Berichterstattung
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
Regionalkommando Nord in Masar-i-Scharif
Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009
Erstmeldung über den Luftschlag gegen 3 Uhr
Unterrichtung von Brigadegeneral Vollmer um 7.45 Uhr
Telefonat von Brigadegeneral Vollmer mit Oberst Klein
Zusammenstellung eines Ermittlungsteams
Videokonferenzen mit dem Hauptquartier ISAF
Telefonate mit afghanischen Dienststellen
Gespräch mit dem Deputy Chief of Police Kunduz
Meldung über den Verbleib der beiden Tanklastwagenfahrer
Veränderung des Daily Intelligence Summary vom 4. September 2009
Meldungen und Informationserlangung am 5. September 2009
Meldung über einen ins Krankenhaus Kunduz eingelieferten verletzten Jungen
Pressekonferenz des Kommandeurs der ISAF
Fertigstellung und Übergabe des so genannten Feldjägerberichtes am 9. September 2009
Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Schwielowsee bei Potsdam
Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009
Meldung an die Operationszentrale des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
Informationsweitergabe auf dem Fachstrang Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Um 6.42 Uhr eingestellte Meldung
Erste um 8.34 Uhr vorgenommene Änderung der Meldung
Zweite um 8.39 Uhr vorgenommene Änderung der Meldung
Meldung am 6. September 2009, 15.47 Uhr
Unterrichtung des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr über den Luftschlag
Telefonat mit dem Leiter des Einsatzführungsstabes
Morgendliche Videokonferenz mit dem Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr
„Erste rechtliche Bewertung“
Mögliche zivile Opfer laut einer ISAF-Presseerklärung
Unterschiedliche Einschätzung von Oberst Klein und Brigadegeneral Vollmer bezüglich möglicher ziviler Opfer
Eingang eines Protokolls einer Videokonferenz mit weiteren Hinweisen auf mögliche zivile Opfer
Erste Stellungnahme aus Sicht des Kommandeurs des Regionalkommandos Nord
Meldungen und Informationserlangung bis zum 13. September 2009
Eintreffen des Berichts von Oberst Klein am 5. September 2009
Eintreffen des Protokolls Fact Finding Mission („N.-Bericht“) am 6. September 2009
Eintreffen des Berichts des Initial Action Teams
Gespräch des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr am 7. September 2009
Eintreffen von Gesprächsprotokollen aus dem PRT Kunduz am 7. September 2009
Videokonferenz am 11. September 2009
Eintreffen des so genannten Feldjägerberichtes am 13. September 2009
Untersuchungsbericht der afghanischen Untersuchungskommission
Kommando Führung Operationen von Spezialkräften
Unterrichtung des Kommandeurs des Kommandos FOSK
Gespräch zwischen dem Kommandeur des Kommandos FOSK und dem Kommandeur der Task Force 47
Meldungen in das Bundesministerium der Verteidigung
Einsatzführungsstab
Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009
Erstinformation über den Luftschlag
Freigabe des Inhaltes der ersten Pressemeldung
Erste Zweifel in der morgendlichen Videokonferenz
Änderung der Online-Meldung auf der Internetseite www.bundeswehr.de
Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul mit möglichen zivilen Opfern
Telefonat mit General Ramms am 4. September 2009
Meldungen und Informationserlangung bis zum 30. September 2009
Eintreffen weiterer Berichte und Meldungen bis zum 30. September 2009
Vorlage einer „presseverwertbaren Stellungnahme“ des Einsatzführungsstabes am 7. September 2009
Kurzauswertung des so genannten Feldjägerberichts durch den Einsatzführungsstab
Planungsstab
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
Zweifel an der Darstellung, dass Opfer unter der Zivilbevölkerung ausgeschlossen werden können
Vorschlag einer Untersuchung des Vorfalls durch eine Bundeswehrkommission
Presse- und Informationsstab
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul mit möglichen zivilen Opfern
Keine Sprachregelung durch Staatssekretär Dr. Wichert
Bundespressekonferenz am 4. September 2009
Eigene Nachforschungen des Presse- und Informationsstabes
Bundespressekonferenz am 7. September 2009
Informationsweitergabe innerhalb des BMVg
Generalinspekteur der Bundeswehr
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
„Frühe Festlegungen“ des BMVg in der ersten Pressekonferenz am 4. September 2009
Eintreffen des Berichts von Oberst Klein am 5. September 2009
Erste Telefonate mit dem Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung
Eintreffen weiterer Berichte am 6. September 2009
Vorlage an das Bundeskanzleramt am 7. September 2009
Einrichtung des Joint Investigation Teams durch den COM ISAF
Kritik an der Zurückhaltung des Generalinspekteurs der Bundeswehr mit öffentlichen Äußerungen
Afghanistan-Reise des Generalinspekteurs der Bundeswehr
Bewertung und Behandlung des so genannten Feldjägerberichtes
Staatsekretär Dr. Peter Wichert
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
Online-Meldung auf www.bundeswehr.de
Unklares Lagebild bezüglich möglicher ziviler Opfer am 4. September 2009
Eintreffen des Berichts von Oberst Klein sowie weiterer Berichte
Bundesminister der Verteidigung
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
Erste öffentliche Äußerung
Interview in der Bild am Sonntag
Gespräch mit der Bundeskanzlerin am 5. September 2009
Telefonat mit Oberst Klein am 5. September 2009
Presseerklärung am 6. September 2009, dass zivile Opfer nicht mehr auszuschließen sind
Telefonat mit General McChrystal am 6. September 2009
Eingang weiterer Berichte
Rede des Bundesministers der Verteidigung im Deutschen Bundestag am 8. September 2009
Auswärtiges Amt
Erste öffentliche Äußerungen des Bundesaußenministers
Gegenüber der Presse
Rede vor dem Deutschen Bundestag
Informationslage des Auswärtigen Amtes in den ersten Tagen
Informationsgewinnung seitens des Auswärtigen Amtes
Informationserlangung durch die zivile Leitung des PRT Kunduz
Erste Hinweise auf zivile Opfer
Die Liste der Vereinten Nationen
Kritik an der Kommunikation innerhalb des PRT
Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung
Informationserlangung auf Arbeitsebene
Abstimmung auf Ministerebene
Bundeskanzleramt sowie Bundesnachrichtendienst
Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes und Bundesnachrichtendienst
Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes vor Ort
Zur Frage eigener Aufklärungsmaßnahmen des BND
Erkenntnisaufkommen des BND
Eigene Einschätzung des BND-Präsidenten
Meldeaufkommen des Bundesnachrichtendienstes
Informationsweg innerhalb des BND und Unterrichtung des BND-Präsidenten Uhrlau
Koordination des Aufkommens nachrichtendienstlicher Informationen innerhalb der Bundesregierung
Weitergabe von Informationen des BND an die Abteilung 6 im Bundeskanzleramt
Zur Frage von Einzelmeldungen an das Bundeskanzleramt
Überprüfung der Rolle des BND
Weitere Befassung der Abteilung 6 mit dem Luftangriff
Kommunikation zwischen den Abteilungen 6 und 2
Unterrichtung des Chefs des Bundeskanzleramtes durch die Abteilung 6
ND-Lage am 8. September 2009
Abteilung 2 des Bundeskanzleramtes
Erste Kenntniserlangung der Abteilung 2 von dem Luftangriff
Kommunikation zwischen der Abteilung 2 im Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium der Verteidigung
Weitergabe von Berichten durch das BMVg an die Abteilung 2
Kritik der Gruppe 22 an der Informationsweitergabe des BMVg
Bestreben der Abteilung 2 nach gemeinsamer Sprachregelung mit dem BMVg
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Kenntniserlangung der Bundeskanzlerin über den Luftangriff und erste Kommunikation mit anderen Ressorts
Erste öffentliche Äußerungen der Bundeskanzlerin zum Luftangriff
Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am 8. September 2009
Zustandekommen und Inhalt
Unterrichtung der Bundeskanzlerin vor der Regierungserklärung
Weiteres Vorgehen der Bundeskanzlerin
Keine Bewertung des Luftangriffs durch das Bundeskanzleramt
Unterrichtung des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses
Erstunterrichtung der Obleute am Freitag, dem 4. September 2009
Obleuteunterrichtung am 5. September 2009: Untersuchungsteam der NATO
Obleuteunterrichtung am 7. September 2009: Zivile Opfer möglich
Ausschussunterrichtung am Dienstag, dem 8. September 2009
Obleuteunterrichtung am Mittwoch, dem 9. September 2009: Eingang des IAT-Berichts
Obleuteunterrichtung am Freitag, dem 11. September 2009
Obleuteunterrichtung durch Generalinspekteur nach Rückkehr aus Kunduz
Der Luftangriff im Bundestagswahlkampf
Zur Frage der Einflussnahme auf die Aufklärung
Unterrichtung der Politik durch die Bundeswehr
„Militärisch angemessen“
Regierungswechsel, Amtsübernahme durch Bundesminister zu Guttenberg
Eingang und Bewertung des COM ISAF-Berichts durch Bedienstete des Bundesministeriums der Verteidigung
Übermittlung des Berichts von ISAF an Deutschland
Eingang des COM ISAF-Berichts im Bundesministerium der Verteidigung
Öffentliche Stellungnahme von General Wolfgang Schneiderhan
Der Wortlaut der Erklärung
Erläuterung der Stellungnahme vor dem Ausschuss
„Überraschung“ über die Erklärung des Generalinspekteurs auf Seiten der NATO
Gespräch des Bundesministers mit General Schneiderhan
Weitergabe des COM ISAF-Berichts
Bundeskanzleramt
Obleuteunterrichtung am 29. Oktober 2009
Auswertung des COM ISAF-Berichts durch den Einsatzführungsstab
EMPFEHLUNG ISAF:
Öffentliche Festlegung des Ministers am 6. November 2009
Empfehlung zur Presselinie
Telefonat mit Generalinspekteur Schneiderhan
Vorbereitung des Ministers
Öffentliche Stellungnahme des Ministers
Bekanntwerden des „Feldjägerberichts“ und Neubewertung des Luftangriffs
Bekanntwerden des „Feldjägerberichts”
Personelle Konsequenzen
Gespräch im Ministerbüro am 25. November 2009
Darstellung General a. D. Schneiderhan
Aufzeichnungen der Leiterin Ministerbüro
BM
Pause
St W
GI
BM
Gibt es einen nationalen U-Bericht?
St W
BM
St W
BM
Gab es keine mündl. od. schriftl. Berichte?
GI
BM
GI
BM
Wer hat Kenntnis vom Feldjägerbericht?
GI
BM
GI
GI
BM
Darstellung Staatssekretär a. D. Dr. Wichert
Darstellung Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg
Darstellung Brigadegeneral Braunstein
Berichterstattung über das Gespräch im Ministerbüro
Unterrichtung des Deutschen Bundestages über Entlassung und Ankündigung einer Neubewertung
Rücktritt Bundesminister für Arbeit und Soziales Dr. Jung
Neue Erkenntnisse aus der Dokumentenlage nach dem 25. November 2009
Erkenntnisse aus dem IAT-Bericht
Erkenntnisse aus dem „Feldjägerbericht“
Erkenntnisse seitens des Befehlshabers Einsatzführungskommando
Erkenntnisse aus dem Bericht von Oberst Klein
Militärischer Ratschlag für die politische Leitung zur Vorbereitung einer Neubewertung
Untersuchung des Informationsflusses innerhalb des Ministeriums
Neubewertung als „militärisch nicht angemessen“
Neubewertung gegenüber dem Deutschen Bundestag
Weitergabe von Erkenntnissen an weitere Stellen (auch unter Berücksichtigung von Punkt 4 des Untersuchungsauftrages)
Staatsanwaltschaft Potsdam
Generalstaatsanwaltschaft Dresden
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Dritter Teil: Bewertungen des Untersuchungsausschusses
Verfahren
Verfahrensbeschlüsse
Gegenüberstellung/Rechtsstreit BGH
Die Reihenfolge von Zeugen (§ 17 PUAG i. V. m. § 28 GO-BT) Exkurs: zur Misslichkeit des Begriffs vom so genannten „Reißverschluss“
Zum Umgang mit Zeugen und mit Vorhalten aus Akten
Bewertungen der Untersuchungsergebnisse
Allgemeine Feststellungen
Zusammenfassung
Verlauf der Ausschussarbeit
Unsichere Sicherheitslage im PRT Kunduz vor dem 4. September 2009
Ablauf des Luftangriffs
Entführung der Tanklastzüge
Volle Kontrolle durch PRT Kunduz – technische Unterstützung der Task Force 47 im gebotenen Rahmen
Keinerlei Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes
Der Luftschlag
Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 1 und 2 des Untersuchungsauftrages
Völlig korrektes Meldeverhalten innerhalb der Bundeswehr
Unterrichtung des Bundesministeriums der Verteidigung
Meldungen von außerhalb in das Bundesministerium der Verteidigung
Informationsfluss innerhalb des Bundesministeriums der Verteidigung
Ordnungsgemäßer Informationsfluss bis zur Ebene von Generalinspekteur und Staatsekretär Dr. Wichert
Weitergabe relevanter Informationen durch Generalinspekteur und Staatssekretär
Keine Weitergabe von Informationen an den Presse-/Informationsstab
Unterrichtung des Planungsstabes
Defizite bei der Unterrichtung des Verteidigungsministers nach dem Luftschlag
Information nach Bildung der Koalition aus CDU/CSU und FDP
Unterrichtung des Auswärtigen Amtes
Unterrichtung durch das Bundeskanzleramt
Nicht belastbare, „unverbindliche Erstmeldung“ des BND
Keine eigenen Erkenntnisse des Bundekanzleramtes durch den Bundesnachrichtendienst
Zurückhalten von Nachrichtenübermittlung an BK, AA und BMZ durch Staatssekretär BMVg
Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 3 des Untersuchungsauftrages
Einseitige Bewertung des damaligen Generals Schneiderhan
Bewertung durch Verteidigungsminister zu Guttenberg
Erste Bewertung des Ministers vom 6. November 2009 auf Grundlage der Beratung durch den Generalinspekteur
Hintergrund der zusätzlichen Formulierung des Ministers, es hätte zum Luftschlag „kommen müssen“
Beratung durch Generalinspekteur und Staatssekretär
Einweisung des Ministers zum Amtsantritt am 29. Oktober 2009
Informationsweitergabe auf dem Flug nach Nörvenich
Nicht vorgelegte Berichte und Unterlagen
Neubewertung am 3. Dezember 2009
Bekanntwerden des Feldjägerberichts erst durch Presse
Minister-Gespräch zu nicht vorgelegten Dokumenten am 25. November 2009
Anzahl der anwesenden Personen am 25. November 2009
Mehrfaches Nachfragen des Ministers am 25. November 2009 zur Vorlage der Berichte
Personelle Konsequenzen durch den Minister
Sichtung der vollständigen Aktenlage und Überprüfung
Erörterung sämtlicher Fakten vor der Neubewertung
Lagebild nach erstmals vollständiger Dokumentenlage
Neubewertung nach umfassender militärfachlicher Beratung
Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 4 und 5 des Untersuchungsauftrages
Unterrichtung des Parlamentes
Unterrichtung des Parlamentes vom 9. September 2009
Unterrichtung des Parlamentes vom 23. September 2009
Unterrichtung der Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses
Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009
Obleuteunterrichtung vom 7. September 2009
Falsche Angabe in der Obleuteunterrichtung vom 9. September 2009
Unterrichtung der Öffentlichkeit
Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das BMVg
Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Bundeskanzleramt
Pressestatement am 6. September 2009
Regierungserklärung am 8. September 2009
Umfassendes Lagebild der Bundeskanzlerin
Lückenlose Aufklärung
Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Auswärtige Amt
Unterrichtungen nach dem Koalitionswechsel
Offene transparente Unterrichtungspraxis
Öffentliche Berichterstattung über das Gespräch am 25. November 2009
Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 6 des Untersuchungsauftrages
Keine Einflussnahme auf die Erstellung des COM ISAF-Berichtes
Einflussnahme auf die Untersuchung des Feldjägers durch Generalinspekteur Schneiderhan
Keine unzulässige Einflussnahme auf den Daily Intelligence Summary des PRT Kunduz vom 4. September 2009 (INTSUM)
Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 7 des Untersuchungsauftrages
Verfahrensfehler durch Oberst Klein
Erklären eines TIC (Troops in Contact)
Ablehnung von „show of force“
Battle Damage Assessment (BDA)
Vermeiden ziviler Opfer
Keine genaue Feststellung über die Personen vor Ort möglich
Mögliche Anzahl der Personen auf der Sandbank
Mögliche Anzahl der Geschädigten
Lagebild von Oberst Klein – ausschließlich Taliban vor Ort
Problem der Unterscheidbarkeit zwischen Aufständischen und Zivilisten
Bestehende Zuverlässigkeit des Informanten
Grundsätzliche Zuverlässigkeit des Informanten
Keine Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit durch Art der Kommunikation
Zuverlässigkeit durch Standort des Informanten
Aufständische als legitimes Ziel
Mangelnde Handlungsalternativen
Kein Einsatz von Bodentruppen möglich
Kein Einsatz von Drohnen möglich
Unterlassen als mögliche Alternative
Im Nachgang zum Luftschlag ergriffene Maßnahmen
Ergebnis der Beweisaufnahme
Führungsmittel
Aufklärungsmittel
Wirkmittel
Ausbildung
Themenkomplex Informationsarbeit
Information des Parlaments
Information der Öffentlichkeit
Vierter Teil Sondervoten
Sondervotum der Fraktion der SPD
Der Untersuchungsausschuss war notwendig und erfolgreich
Erforderlichkeit eines Sondervotums
Der Luft-Boden-Angriff von Kunduz: Was ist wirklich geschehen?
Kein Zweifel an zivilen Opfern des Luftangriffs
Politisch-taktisches Mäandern der Bundesregierung und der Mehrheit im Ausschuss
Unzureichendes „Battle Damage Assessment“ durch die Bundeswehr
Erkenntnisse der verschiedenen Untersuchungskommissionen
Ergebnis zu den zivilen Opfern
Die Fehler und Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Luft-Boden-Angriff von Kunduz in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009
Ort des Geschehens und handelnde Personen
Sorgloser Umgang mit der Warnmeldung im Vorfeld
Die problematische Agenda des Hauptmann N. – „Der Schwanz wedelt mit dem Hund“
Drängen auf schnellen Bombenabwurf durch Hauptmann N. und Hauptfeldwebel W.
Keine Bestätigung durch die Aufklärungsmittel des B1-Bombers
Fehlerhafter Umgang mit dem afghanischen HUMINT-Kontakt
Der militärische Führer verfügte nicht über sämtliche Informationen der Quelle
Informationen zum „Ausschlachten“ und „In-Brand-Setzen“ der Tanklaster durch die Taliban erreichten Oberst Klein nicht
Informationen zu den zivilen Fahrern erreichten Oberst Klein nicht
Standort der Quelle wurde gegenüber Oberst Klein verschwiegen
Zwischenergebnis
Problem der mittelbaren Kommunikation („Stille-Post-Routine“)
Probleme beim Inhalt der Kommunikation: Unzureichende Gesprächsführung
Probleme bei der Bewertung der Informationen
Strukturelle Probleme im Zusammenhang mit dem Militärischen Nachrichtenwesen der Bundeswehr
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen zum fehlerhaften Umgang mit dem HUMINT-Kontakt
Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten Durchführung des Waffeneinsatzes
Vorfrage: Was war das Ziel des Waffeneinsatzes?
Regelwidriger Einsatz des B1-Bombers zur Suche nach den Tanklastern
Regelwidrige Erklärung eines „TIC“: Die F15-Bomber hätten nicht angefordert werden dürfen
Unzureichende Abklärung der Anwesenheit befreundeter Kräfte
Unklarheiten zwischen Oberst Klein, dem JTAC und den Piloten über die angewandte Einsatzregel („Rule of Engangement“)
Vorgaben der dem Waffeneinsatz zu Grunde gelegten ROE 429 wurden sämtlich nicht erfüllt
RC North hätte bei Waffenfreigabe nach ROE 429 beteiligt werden müssen
Keine Einbindung des vorhandenen Rechtsberaters in den Prozess der Waffenfreigabe
Unzureichende Durchführung der PID anhand einer einzigen HUMINT-Information ohne sonstige Bestätigung
Fehlende Anwendung der für offensiven Waffeneinsatz zwingenden Zielzuweisungsverfahren
Regelwidrige Untersagung der Durchführung einer „Show of Force“
Regelwidriger Verzicht auf die Durchführung eines angemessenen „Battle Damage Assessment“
Keine Warnung des vermeintlich an der Sandbank befindlichen Informanten durch Oberst Klein
Zusammenfassung der Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten Durchführung des Waffeneinsatzes
Zur straf- und dienstrechtlichen Verantwortlichkeit von Oberst Klein
Kritik an der Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts
Kein Verstoß gegen Bestimmungen des Völkerstrafrechts
Strafbarkeit nach allgemeinem deutschem Strafrecht
Zuständigkeit des GBA: Klarstellungsbedarf
Rechtfertigung auf Grundlage des UN-Mandats?
Bedarf es einer eigenen gesetzlichen Regelung?
Völkerrechtliche Rechtfertigung des Handelns von Oberst Klein?
Legitimes militärisches Ziel?
Beachtung des völkerrechtlichen „Exzessverbots“?
Konkreter und unmittelbarer militärischer Vorteil?
Richtiger Blickwinkel für die Beurteilung?
Praktikable Aufklärungs- und Vorsichtsmaßnahmen („feasible precautions“)?
Die Abwägungsentscheidung
Mögliche Bedeutung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
Kritik am Verzicht auf die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens
Eklatante Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln
Verletzung nationaler Einsatzvorgaben durch gezielte Tötung außerhalb einer Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituation
Zusammenfassende Gesamtbewertung zum Luft-Boden-Angriff von Kunduz
Fehler und Versäumnisse in der Amtszeit des Verteidigungsministers Dr. Jung
Strukturelle Defizite im BMVg beim Umgang mit derartigen Vorfällen
Öffentlichkeitsarbeit im Blindflug: Alleingang des Pressestabes ohne jede Koordinierung
Mängel im Bereich der „Unternehmenskultur“
Strukturelle Mängel beim Umgang mit den entscheidenden Informationen im Ministerium
Persönliches Fehlverhalten des damaligen Bundesministers der Verteidigung Dr. Jung
Der Wahlkampf hatte Priorität
Bedenken innerhalb des Ministeriums und von der Bundeskanzlerin wurden ignoriert
Abweichende öffentliche Stellungnahme des damaligen Bundesministers des Äußeren
Mögliche Beweggründe für die Haltung von Bundesminister Dr. Jung
Unverantwortlicher „Tunnelblick“ des Ministers
Desinformation der Öffentlichkeit durch einen Pressestab im Verfolgungswahn
Eigenmächtiges Abwiegeln durch den Pressestab in den ersten Stellungnahmen ohne Beteiligung der Fachabteilungen
Falsche Darstellung der zeitlichen Abläufe („Chronologie“)
Angebliche unmittelbare Bedrohung für das PRT Kunduz durch „rollende Bomben“
Erfinden einer „dritten Quelle“
Diffamierung des IAT-Berichts
Ergebnis zum Pressestab
Gesamtbewertung des Handelns von Dr. Jung
Verschleierungsaktivitäten auf allen Ebenen
Verschleierung vor Ort im PRT Kunduz selbst
Verschleierung in Masar-e Sharif und im Einsatzführungskommando in Potsdam: Manipulation des INTSUM
Verschleierung im Pressestab gegenüber der Öffentlichkeit
Sonstige Verschleierungsaktivitäten im Ministerium
Einflussnahme auf die NATO-Untersuchung
Verschleierung der Beteiligung von Personen der „Task Force 47“
Verweigerung einer nationalen Untersuchung nach Eingang des COM ISAF-Berichts
Verschleierung gegenüber dem Parlament
Freiherr zu Guttenberg: Illusion und Inszenierung
Zur Bewertung des Luftangriffs als „zwingend“
Die angeblich „vorenthaltenen“ wichtigen Dokumente
Die angebliche „Neubewertung“ vom 3. Dezember 2009
Bundeskanzlerin Dr. Merkel: Fehlende politische Führung
Informationsquellen des BND bleiben ungenutzt
Bundeskanzlerin lässt Verteidigungsminister „dahindilettieren“
Zusage vollständiger Aufklärung bleibt Lippenbekenntnis
Verständnis für jede Bewertung des Luftangriffs
Mitspielerin beim „Bauernopfer“
Einsatz für Entschädigung: Fehlanzeige
Koordinierungsprobleme im Bundeskanzleramt
Ergebnis
Zum Verfahren im Untersuchungsausschuss
Ausschluss der Öffentlichkeit durch die Mehrheit
Die Verweigerung der Durchführung einer Gegenüberstellung
Zur Reihenfolge der Zeugenvernehmungen: das Reißverschlussverfahren
„Mehrheit bleibt Mehrheit“
Lehren aus den festgestellten Fehlern und Defiziten: Handlungsbedarf
Klare Aussagen der Bundesregierung zu den nationalen Einsatzvorgaben des ISAF-Mandats sind zwingend erforderlich
Folgerungen aus den Defiziten auf der Ebene des PRT
Folgerungen aus den festgestellten Defiziten auf der Ebene der Bundesregierung
Gesetzgeberischer Handlungsbedarf
Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.
„Lückenlose Aufklärung … ein Gebot der Selbstverständlichkeit“
Behinderung der Arbeit des Untersuchungsausschusses
Eindimensionalität der Bewertung der Mehrheitsfraktionen
Mangelndes Aufklärungsinteresse
Umdeutung der Beweisergebnisse des Untersuchungsausschusses
Einseitige Schuldzuweisung für Vertuschungsbemühungen
Vertuschung der Folgen und näheren Umstände des Luftangriffs durch die Bundesregierung
Vertuschung der Tötung einer großen Zahl von Zivilpersonen
Erkenntnisse zur Zahl ziviler Opfer nach der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss
Der Bundesregierung im September 2009 zugängliche Erkenntnisse und Anhaltspunkte zu zivilen Opfern des Luftangriffs
Öffentliche Darstellungen der Bundesregierung zur Frage ziviler Opfer
Vortäuschen einer unmittelbaren Bedrohung für das PRT Kundus
Hinweise auf eine Bedrohungswarnung
Kein Vorliegen des behaupteten Warnhinweises
Keinerlei Hinweis auf eine direkte Gefährdung des PRT Kundus
Vertuschung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board
Gruppe 85 im Bundesverteidigungsministerium
Kontakt zum ISAF-Joint Investigation Board
Kontakt zu den Ermittlungsbehörden
Verhinderung einer Bewertung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board durch die NATO
Umdeutung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board gegenüber der Öffentlichkeit
Bundesverteidigungsministerium
Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt
Verhinderung einer Herabstufung des COM ISAF-Berichts
Angemessenheit – Unangemessenheit des Luftangriffs
„Militärisch angemessen“ und „selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müssen“
„… militärisch nicht angemessen“
Täuschung der Bevölkerung über die Art der deutschen Kriegsbeteiligung
ISAF-Mandat der Bundeswehr
Spezifische nationale Beschränkungen des ISAF-Mandats (national caveats)
Taschenkarten
Ziel der Vertuschung
Bundestagswahlkampf und Kriegsbeteiligung
Counterinsurgency – Teilnahme an offensiver Kriegsführung
„Das … Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. … ist … einzustellen.“
Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln
Fehlende Befugnis zur Anordnung eines Luftangriffs
Unterlassen einer show of force
Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens
Verstoß gegen geltende Rules of Engagement (ROE)
Vorspiegeln einer Gefechtssituation (troops in contact, TIC) bzw. einer akuten Bedrohungslage (imminent threat)
Unzureichende Aufklärung vor dem Luftangriff als Verstoß gegen spezifische Vorgaben des COM ISAF
Verzicht auf Battle Damage Assessment (BDA)
Verstoß gegen grundlegende völkerrechtliche Schutzvorschriften
Völkerrechtliche Verpflichtung, festzustellen, ob sich am Angriffsort Zivilpersonen aufhalten
Ignorieren der Anhaltspunkte für die Anwesenheit von Zivilisten am Angriffsort
Nächtliche Aktivitäten während des Ramadan
Kommen und Gehen auf der Sandbank
Vermutete Anwesenheit mehrerer Gruppen und deren Anführer
Verbleib der Fahrer
Angriff allein aufgrund der Angaben eines Informanten
Widersprüche der Lagebewertung durch Oberst Klein
Völkerrechtlich gebotene Aktivitäten zur Aufklärung, ob sich Zivilpersonen am Angriffsort befanden
Differenzierte Fragen an den Informanten
Erkennbarkeit von Zivilpersonen
Standort des Informanten
Identität der Kontaktpersonen des Informanten
Tragen von Waffen
Schicksal der Fahrer
Anwesenheit von Kindern
Unzulängliche Erkundigungen beim Informanten
Nutzung weiterer erreichbarer Erkenntnismöglichkeiten
Weitere Informanten
Weitere Mittel der Luftaufklärung
Drohne
ISR
Geringere Flughöhe
Unzulängliche Aufklärung
Völkerrechtliche Verpflichtung zur wirksamen Warnung vor einem geplanten Angriff
Offensive Aufstandsbekämpfung als Grund für den Verzicht auf eine show of force
Rechtspflicht zur effektiven Vorwarnung
Unzulässiger Überraschungsangriff
Rückfahrt nach Osten und Angriff auf das PRT Kundus
Weiterfahrt und Verbringung der Tanklaster nach Westen
Völkerrechtswidrigkeit des Verzichts auf eine wirksame Vorwarnung
Nachweis der Völkerrechtswidrigkeit des Vorgehens von Oberst Klein
Keine adäquate rechtliche Aufarbeitung des Luftangriffs durch deutsche Behörden
Durchreichen eines unwillkommenen Verfahrens
Befassung der Staatsanwaltschaften Potsdam und Leipzig sowie der Generalstaatsanwaltschaft Dresden
Grundlegende Ermittlungsdefizite
Verteidigungsaktivitäten des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
Zügige Verfahrensabwicklung durch die Generalbundesanwaltschaft
Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes
Materiellrechtliche Fehlbewertung als Grundlage der Verfahrenseinstellung durch die Bundesanwaltschaft
Einflussnahme der Bundesregierung
„Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode gekommene Mensch … einer zu viel“
Kein effektiver Schutz der Zivilbevölkerung im bewaffneten Konflikt
Keine Wiedergutmachung für die Opfer
Das Gesicht des Krieges
lessons learned
Sondervotum der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Einleitung
Verfahren
Die Öffentlichkeit der Sitzungen
Die Reihenfolge der Zeugen
Die Begrenzung der Sitzungszeiten
Der Versuch einer vorschnellen Beendigung der Beweiserhebung
Die zeitlichen Rahmenbedingungen für das Verfassen des Abschlussberichts
Das Verhalten der Bundesregierung
Das Nichterscheinen von Zeugen
Die Geheimhaltung des COM ISAF-Berichts
Die Bewertung des Luftschlags
Die Entführung der Tanklaster und der Befehl zum Luftschlag am 3. / 4. September 2009
Militärische und politische Rahmenbedingungen des Luftschlags
Ziele des Luftschlags
Abwehr einer unmittelbaren Gefahr?
Tötung von Aufständischen
Verfahrensverstöße bei der Anordnung und Durchführung des Luftschlags
Rechtliche Rahmenbedingungen für den Luftschlag
Humanitäres Völkerrecht
ISAF Mandat und Einsatzregeln der ISAF
Bundeswehrmandat und Taschenkarte
Verletzung der Aufklärungspflichten zur Vermeidung ziviler Opfer
Unpräzise Nachforschungen zu möglichen Zivilpersonen vor Ort
Ungeeignete Quellenlage
Informationen zu den Tanklastwagenfahrern
Glaubwürdigkeit des HUMINT-Kontaktes
Mittelbare Kommunikation mit dem HUMINT-Kontakt
Luftbilder durch die B-1B bzw. F-15-E
Hintergrundwissen
Alternative Handlungsmöglichkeiten
Flugzeuganforderung trotz mangelndem TIC
Militärische Eingriffsgrundlage
Show of force
Nichteinbeziehung des PRT-Personals
Wirkungsanalyse
Schlussfolgerung und Bewertung der rechtlichen Reaktion auf den Luftschlag
Die Folgen des Luftschlags
Die Untersuchungsberichte
Ergebnis
Mitwirkung Dritter bei der Entscheidung für den Luftschlag
Die Rolle der Task Force 47
Rolle des BND
Beeinflussung durch afghanische Kräfte
Zusammenfassung
Die Bewertung der militärischen Untersuchungen zum Luftschlag
Erkundungen des BDA-Teams, 4. September 2009
Feldjägeruntersuchung, 4. bis 9. September 2009
Internationale Ermittlungen durch den COM ISAF
IAT Bericht, 4./ 5. September 2009
Die Erstellung des COM ISAF-Berichts durch das Joint Investigation Board und die Begleitung durch die „Gruppe 85“, 8. September bis 26. Oktober 2009
Die Untersuchung des JIB
Begleitung durch die „Gruppe 85“
Ablehnung einer nationalen Untersuchung durch das BMVg
Zusammenfassung
Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion des BMVg unter Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung und Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg
Informationsstand von Bundeswehr und BMVg vor dem Regierungswechsel, September und Oktober 2009
Informationsstand, 4. September
Informationsstand des BMVg im September 2009
Änderung der Meldungen zum Luftschlag der Internetseite der Bundeswehr am 4. September
Einseitige Presseberichterstattung durch das BMVg vor dem Regierungswechsel
Presseerklärung des BMVg am 4. September 2009
Bundespressekonferenz, 7. September 2009
Öffentliche Äußerungen des damaligen Bundesministers der Verteidigung, Dr. Jung
Unzureichende Berichterstattung gegenüber dem Bundestag
Verzögerte Informationsweitergabe an das Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt
Bundeskanzleramt
Auswärtiges Amt
Intransparente Informationspolitik nach dem Regierungswechsel, Oktober bis Dezember 2009
Pressestatement des Generalinspekteurs Schneiderhan zum COM ISAF Bericht, 29. Oktober 2009
Unterschiedliche Bewertung des Luftschlags durch Bundesminister zu Guttenberg
Gegenüberstellung der Äußerungen am 6. November und am 3. Dezember 2009
Informationsstand vor dem 6. November 2009
Beratung durch den Führungskreis des BMVg
Auswertungsbericht des Einsatzführungsstabs
COM ISAF Bericht und Anlagen
IKRK-Bericht
Informationsstand nach dem 25. November 2009
Trennung von Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär Dr. Wichert
Zusammenfassung
Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion des Auswärtigen Amtes und des Bundesministers des Auswärtigen Dr. Steinmeier
Informationsfluss in das Auswärtige Amt
Ziviler Strang PRT Kunduz
Weitere Informationsquellen
Kenntnisstand des Auswärtigen Amtes und des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Steinmeier
Öffentliche Stellungnahme aus dem Auswärtigem Amt und von Minister Dr. Steinmeier
Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion von Bundeskanzlerin Dr. Merkel
Reaktion auf die Informationspolitik des BMVg, 4. bis 8. September 2009
Öffentliche Stellungnahmen der Bundeskanzlerin, 4. bis 8. September 2009
Reaktion auf die Ergebnisse des COM ISAF-Berichts und die Informationspolitik des BMVg, November und Dezember 2009
Zusammenfassung
Schlussbetrachtungen
Punkte 1 und 2 des Untersuchungsauftrages: Kenntnisstand und Informationsfluss zum Luftschlag
Defizitäres Meldeverhalten durch Oberst Klein
Informationsfluss innerhalb des BMVg
Punkte 3 bis 5 des Untersuchungsauftrages: Die Bewertung des Luftschlag durch die Bundesregierung, sowohl intern als auch gegenüber Öffentlichkeit und dem Bundestag
BMVg
Bundeskanzleramt und Bundeskanzlerin Dr. Merkel
Auswärtiges Amt
Die Informationsweitergabe an den Bundestag
Punkt 6 des Untersuchungsauftrags: Einflussnahme durch die Regierung?
INTSUM
Feldjägerbericht
COM ISAF-Bericht
Punkt 7 des Untersuchungsauftrags: Rechtmäßigkeit des Luftschlags?
Handlungsempfehlungen (lessons learned)
Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs
Stellungnahmen der betroffenen Personen
Oberst Klein
Zum Feststellungsteil
Zu den Sondervoten
General Vollmer
Zum Sondervotum der Fraktion der SPD
Zum Sondervotum der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
General Glatz
Kapitän zur See Dienst
Gegenäußerungen der Fraktionen
Fraktion der SPD
Zum Verfahren der Gewährung rechtlichen Gehörs
Zu den einzelnen Stellungnahmen
Fraktion DIE LINKE.
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Erwiderung zur Stellungnahme des Zeugen Oberst Klein im Rahmen seines rechtlichen Gehörs
Erwiderung zu den Stellungnahmen der Zeugen Generalleutnant Glatz und Brigadegeneral Vollmer
Anmerkungen der Koalition zu Gegenäußerungen der Opposition in Sachen Gewährung rechtlichen Gehörs
Erwiderung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Anmerkungen der Ausschussmehrheit unter Punkt C
Sechster Teil: „Lessons Learned“
Lessons Learned der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP im Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 GG
Allgemein
Im Einsatz
Führungsmittel
Aufklärungsmittel
Wirkmittel
Ausbildung
Themenkomplex Informationsarbeit
Information des Parlaments
Information der Öffentlichkeit
Zusammenfassung
Gemeinsames Positionspapier „lessons learned“ der SPD-Bundestagsfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23. September 2011.
Handlungsbedarf auf der Ebene der Bundesregierung
Im Bereich der nationalen Einsatzvorgaben des ISAF-Mandats
Im Bereich der „Task Force 47“
Im Bereich der technischen Ausstattung der Bundeswehr in Auslandseinsätzen
Im Bereich des Militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr
Im Bereich der Aus- und Fortbildung
Im Bereich der „Inneren Führung“
Im Bereich der Zusammenarbeit zwischen militärischem und zivilem Teil der PRTs
Im Bereich der Verwaltung des Bundesministeriums der Verteidigung
Im Bereich des Bundesministeriums der Justiz
Im Bereich des Bundeskanzleramtes
Handlungsbedarf auf der Ebene des Gesetzgebers
„Lessons Learned“ der Fraktion DIE LINKE.
Protokoll über die 57. Sitzung des Untersuchungsausschusses
Bericht der Fraktionen
Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr
Anhang: Übersichten und Verzeichnisse
Abkürzungsverzeichnis
Personenverzeichnis
Dokumentenverzeichnis
Verzeichnis Stenographische Protokolle
Beratungsunterlagen
Beschlüsse zu Beweisanträgen
Verzeichnis der Materialien
Verzeichnis der Sitzungen