BT-Drucksache 17/7400

Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss nach Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes

Vom 25. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7400

17. Wahlperiode 25. 10. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht

des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss
gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Bericht des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Absatz 2 des

Grundgesetzes wird zur Kenntnis genommen.

Berlin, den 20. Oktober 2011

Der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss

gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes

Dr. h. c. Susanne Kastner

Vorsitzende
Michael Brand

Berichterstatter
Henning Otte

Berichterstatter

Rainer Arnold
Berichterstatter

Joachim Spatz

Berichterstatter

Inge Höger

Berichterstatterin
Omid Nouripour

Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – III – Drucksache 17/7400

I n h a l t s ü b e r s i c h t

Erster Teil: Einsetzung des Untersuchungsausschusses und Verlauf des

Untersuchungsverfahrens .............................................................................................................. 1

A. Einsetzung, Auftrag und Konstituierung des Untersuchungsausschusses ........................... 1

B. Gang der Untersuchung ..........................................................................................................11

Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt ............................................................................33

A. Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der
INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE ...................................................33

B. Der Luftschlag am 4. September 2009....................................................................................39

C. Erste Entwicklungen und Reaktionen bis zur Regierungsbildung am
27. Oktober 2009 ......................................................................................................................88

D. „Militärisch angemessen“ ......................................................................................................138

E. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts“ und Neubewertung des
Luftangriffs .............................................................................................................................154

F. Weitergabe von Erkenntnissen an weitere Stellen (auch unter
Berücksichtigung von Punkt 4 des Untersuchungsauftrages) ............................................167

Dritter Teil: Bewertungen des Untersuchungsausschusses ......................................................169

A. Verfahren ................................................................................................................................169

B. Bewertungen der Untersuchungsergebnisse ........................................................................174

Vierter Teil Sondervoten .............................................................................................................213

A. Sondervotum der Fraktion der SPD .....................................................................................213

B. Sondervotum der Fraktion DIE LINKE. .............................................................................303

C. Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..................................................364

Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs .............................415

A. Stellungnahmen der betroffenen Personen ..........................................................................415

B. Gegenäußerungen der Fraktionen ........................................................................................421

C. Anmerkungen der Koalition zu Gegenäußerungen der Opposition in Sachen
Gewährung rechtlichen Gehörs ............................................................................................426

D. Erwiderung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den
Anmerkungen der Ausschussmehrheit unter Punkt C .......................................................427

Sechster Teil: „Lessons Learned“ ..............................................................................................429

A. Lessons Learned der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP im
Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a

Abs. 2 GG ................................................................................................................................429

B. Gemeinsames Positionspapier „lessons learned“ der SPD-
Bundestagsfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23.

September 2011. .....................................................................................................................432

C. „Lessons Learned“ der Fraktion DIE LINKE. ...................................................................435

D. Protokoll über die 57. Sitzung des Untersuchungsausschusses ..........................................436

Anhang: Übersichten und Verzeichnisse ...................................................................................443
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – V – Drucksache 17/7400

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Erster Teil: Einsetzung des Untersuchungsausschusses und Verlauf des

Untersuchungsverfahrens .............................................................................................................. 1

A. Einsetzung, Auftrag und Konstituierung des Untersuchungsausschusses ........................... 1

I. Konstituierung des Untersuchungsausschusses und
Untersuchungsauftrag ................................................................................................... 3

1. Untersuchungsauftrag................................................................................................. 3

2. Mitglieder des Untersuchungsausschusses ................................................................. 4

3. Vorsitz, stellvertretender Vorsitz sowie Sprecher, Berichterstatter und
Vertreter im Interfraktionellen Gremium ................................................................... 5

4. Benannte und ermächtigte Mitarbeiter der Fraktionen ............................................... 6

5. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages ..................................................... 6

6. Beauftragte der Bundesregierung ............................................................................... 6

7. Sekretariat des Untersuchungsausschusses ................................................................ 7

II. Verfahren und Untersuchungen mit sachlichem Bezug zum
Untersuchungsauftrag ................................................................................................... 8

1. Strafrechtliche Ermittlungen ...................................................................................... 8

2. Disziplinarrechtliche Ermittlungen ............................................................................ 9

3. Untersuchung der Dokumentenflüsse im Bundesministerium der
Verteidigung zum Close Air Support am 4. September 2009 bei Kunduz

durch Staatssekretär Rüdiger Wolf............................................................................10

4. Zivilrechtliches Entschädigungsverfahren ................................................................10

B. Gang der Untersuchung ..........................................................................................................11

I. Rechtsgrundlagen für die Arbeit des Untersuchungsausschusses ............................11

II. Beschlüsse und Absprachen zum Verfahren ..............................................................11

1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen ............................11

2. Einsetzung eines interfraktionellen Gremiums .........................................................11

3. Protokollierung der Ausschusssitzungen ...................................................................11

4. Behandlung der Ausschussprotokolle .......................................................................12

a) Änderung des Beschlusses 4 zum Verfahren vor dem Hintergrund
einer möglichen öffentlichen Zeugenvereinnahmung..........................................12

b) Einstufung der Sitzungsprotokolle und Beweisbeschlüsse als
„Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) ..............................12

c) Aufhebung der Einstufung „VS-NfD“ bei Protokollen von
öffentlichen Sitzungen .........................................................................................12

5. Verteilung von Beratungsunterlagen, Beweisbeschlüssen und
Ausschussmaterialien ................................................................................................13

6. Verteilung von Verschlusssachen .............................................................................13

7. Behandlung von Beweisanträgen ..............................................................................13

8. Nichtöffentlichkeit der Sitzungen .............................................................................14

a) Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen
Bundestages zur Frage der „Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss
als Untersuchungsausschuss“ ..............................................................................14

b) Änderung des Beschlusses 8 zum Verfahren .......................................................14

9. Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken ...............................................................15

10. Verpflichtung zur Geheimhaltung .............................................................................15

11. Fragerecht bei der Beweiserhebung ..........................................................................15

12. Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen ...............................................................16

III. Vorbereitung der Beweiserhebung ..............................................................................16

Drucksache 17/7400 – VI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
1. Beratungen des interfraktionellen Gremiums ............................................................16

2. Obleutebesprechungen ..............................................................................................16

3. Strukturierung der Untersuchung ..............................................................................16

4. Terminierung .............................................................................................................17

IV. Beweiserhebung durch Beiziehung von Akten, Berichten, Protokollen
und sonstiger Unterlagen .............................................................................................17

1. Art, Herkunft und Umfang des Beweismaterials.......................................................17

2. Anforderung von Beweismaterialien über die Bundesregierung bei
internationalen Dienststellen .....................................................................................17

3. Bitten um Aktenvorlage und Vollständigkeitserklärung gemäß § 18
Abs. 2 PUAG ............................................................................................................18

4. Vorlage von Originalmaterialien ...............................................................................18

5. Verwendung von Unterlagen ohne formelle Beiziehung ..........................................18

6. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Verletzung des
Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht ...........................18

V. Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen .....................................................18

1. Behandlung von Beweisanträgen ..............................................................................18

a) Entscheidung über die Beweisanträge .................................................................18
b) Reihenfolge der Vernehmungen ..........................................................................18

2. Durchführung der Zeugenvernehmungen ..................................................................19

a) Anzahl der Zeugenvernehmungen .......................................................................19
b) Ort der Zeugenvernehmungen .............................................................................19

3. Einstufung der Vernehmungen in öffentliche und nichtöffentliche
Sitzungen ...................................................................................................................19

a) Vernehmungen in öffentlicher Sitzung ................................................................20
b) Ablehnung weiterer Vernehmungen in öffentlicher Sitzung ...............................20
c) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sitzungen .................................................20

4. Gegenüberstellung von Zeugen .................................................................................20

a) Antrag der Oppositionsfraktionen auf Durchführung einer
Vernehmungsgegenüberstellung der Zeugen General a. D.

Schneiderhan, Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und Bundesminister

der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg.............................................................20
b) Entscheidung des Bundesgerichtshofes ...............................................................21

5. Aussagegenehmigungen ............................................................................................22

6. Rechtsbeistand von Zeugen .......................................................................................22

7. Vernehmung von ausländischen Zeugen ...................................................................22

8. Beschlossene, aber nicht terminierte Zeugen ............................................................23

9. Formeller Abschluss der Vernehmungen ..................................................................23

VI. Abschlussbericht ...........................................................................................................25

1. Erstellung des Abschlussberichts ..............................................................................25

a) Zeitplan ................................................................................................................25
b) Abfassung von Berichtsteilen und Aufhebung von Einstufungen .......................26
c) Gewährung rechtlichen Gehörs zum Abschlussbericht .......................................26

2. Feststellung des Abschlussberichtes .........................................................................29

a) Gang des Verfahrens und ermittelte Tatsachen ...................................................29
b) Ergebnis der Untersuchung .................................................................................29
c) Sondervoten .........................................................................................................29
d) Geheimnisse im Abschlussbericht .......................................................................30
e) Feststellung der Teile des Berichts und Vorlage an den Bundestag ....................30

VII. „Lessons Learned“ ........................................................................................................30

VIII. Umgang mit Akten nach Abschluss der Untersuchung .............................................31

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – VII – Drucksache 17/7400

Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt ............................................................................33

A. Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der
INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE ...................................................33

I. OPERATION ENDURING FREEDOM in Abgrenzung zur
INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE ........................................33

II. INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE ........................................33

1. Das Afghanistanmandat der Vereinten Nationen ......................................................33

a) Petersberger Konferenz .......................................................................................33
b) Rechtsgrundlage: Kapitel VII der UN-Charta .....................................................34
c) Zielsetzung ..........................................................................................................34
d) Zeitliche Begrenzung ...........................................................................................34

2. Beschluss des Deutschen Bundestages zu ISAF .......................................................34

III. Verlängerung und Ausweitung von ISAF ...................................................................35

1. UN-Mandatsverlängerungen .....................................................................................35

2. Ausdehnung des Bundeswehreinsatzes über Kabul hinaus .......................................35

3. Ausbau der Provincial Reconstruction Teams...........................................................36

4. Abschluss des „Bonner-Prozesses“ ...........................................................................36

5. Übernahme der Verantwortung für die gesamte Nordregion ....................................36

6. NATO-Gipfel in Bukarest und Pariser Afghanistan-Konferenz ...............................37

IV. Befugnis zur Anwendung militärischer Gewalt im Rahmen des ISAF-
Mandats (Rules of Engagement, Standard Operating Procedures,

Tactical Directives) .......................................................................................................37

B. Der Luftschlag am 4. September 2009....................................................................................39

I. Lageentwicklung im Raum Kunduz bis zum 4. September 2009 .............................39

1. Militärische Lage zum Zeitpunkt der Übernahme des Kommandos über
das Provincial Reconstruction Team Kunduz durch Oberst Georg Klein .................39

2. Änderung der militärischen Vorgehensweise der regierungsfeindlichen
Kräfte ........................................................................................................................40

3. Änderung der taktischen Richtlinien durch den Kommandeur der ISAF ..................41

4. Änderung der ISAF-Taschenkarte .............................................................................41

5. Die Lage zwischen den Wahlen am 20. August 2009 und dem
4. September 2009 .....................................................................................................42

6. Konkrete Anschlagswarnungen für den Bereich des PRT Kunduz ...........................42

7. Schwere Gefechte am Vorabend des Luftangriffs .....................................................43

II. Entführung zweier Tanklastwagen am 3. September 2009 .......................................43

1. Überfall auf die Lastwagenfahrer ..............................................................................43

2. Das Geschehen auf der Sandbank .............................................................................44

3. Personen auf der Sandbank nach Aussage des Zeugen A. M. ...................................44

III. Vorbereitung und Durchführung militärischer Maßnahmen als Reaktion
auf die Entführung der Tanklastwagen ......................................................................45

1. Kenntniserlangung von der Entführung ....................................................................45

a) Hinweise durch einen Informanten der Task Force 47 ........................................45
b) Unterrichtung des Kommandeurs des PRT Kunduz, Oberst Klein......................45
c) Unterrichtung durch afghanische Stellen .............................................................47

2. Suche nach den Tanklastzügen..................................................................................47

a) Ursprünglicher Auftrag: Suche nach einem ausgefallenen deutschen
Fahrzeug zwecks Zerstörung ...............................................................................48

b) Änderung des Suchauftrages für den B-1B Lancer Strategic Bomber ................48
c) Hilfe bei der Suche durch Hinweise eines Informanten ......................................48
d) Die Tanklaster wurden gefunden .........................................................................49

Drucksache 17/7400 – VIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Der Informant ............................................................................................................49

a) Zuverlässigkeit des Informanten..........................................................................49
b) Frage der „Bezahlung“ des Informanten .............................................................50
c) Kommunikation mit dem Informanten über einen Sprachmittler ........................50
d) Standort der Kontaktperson .................................................................................51
e) Existenz einer möglichen weiteren, „dritten“ Quelle ..........................................52

4. Das Geschehen auf der Sandbank aus Sicht von Oberst Klein .................................52

a) Anzahl der Personen auf der Sandbank ...............................................................53
aa) Einschätzung des JTAC anhand der Video-Bilder ......................................53
bb) Einschätzung des Informanten ....................................................................54

b) Anwesenheit von Taliban-Führern ......................................................................54
c) Zur Frage der Anwesenheit von Zivilpersonen auf der Sandbank .......................54

aa) Informationsstand in der Operationszentrale der Task Force 47 .................54
bb) Anwesenheit weiterer Zivilpersonen ...........................................................55

aaa) Problem der Unterscheidbarkeit zwischen Aufständischen
und Zivilpersonen ...............................................................................55

bbb) Das Tragen von Waffen als mögliches Kriterium zur
Unterscheidung von Aufständischen und Zivilisten ...........................55
(1) Darstellung der Zahl der Bewaffneten durch die

HUMINT-Kontaktperson ..............................................................56
(2) Aufklärung von Handwaffen und Panzerabwehrwaffen

durch das B-1B Luftfahrzeug ........................................................56
ccc) Mehrfache Nachfrage beim Informanten, ob Zivilpersonen

anwesend sind .....................................................................................56
d) Lagebild des Oberst Klein über das Geschehen auf der Sandbank und

Schlussfolgerungen ..............................................................................................57
aa) Schlussfolgerung über das weitere Vorgehen der Aufständischen..............57
bb) Annahme, dass sich keine Zivilisten auf der Sandbank befanden ...............58

5. Prüfung verschiedener Handlungsoptionen seitens des PRT Kunduz .......................58

a) Durchführung des Weaponeering und Targeting durch die
Flugzeugbesatzung ..............................................................................................58
aa) Von der Besatzung des Luftfahrzeuges vom Typ B-1B

vorgeschlagenes Wirkmittel ........................................................................59
bb) Beschränkung eines etwaigen Luftangriffs auf die beiden

Tanklastwagen? ...........................................................................................59
cc) Ablehnung eines Luftangriff in dieser Phase ..............................................59

b) Einsatz von Bodentruppen ...................................................................................59
c) Einsatz von Drohnen ...........................................................................................60

6. Abdrehen des B-1B und Anforderung zweier F-15 Luftfahrzeuge ...........................60

a) Anforderung von Close Air Support ....................................................................60
b) Meldung von „Truppen mit Feindberührung“ durch das PRT Kunduz ...............60

aa) Begründung mit dem Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr ......................61
bb) Zur Frage der unmittelbaren Feindberührung .............................................61
cc) Bestätigung des TIC durch den Air Liaison Officer in Masar-i-

Scharif .........................................................................................................62
c) Erscheinen zweier F-15 Luftfahrzeuge im Luftraum ...........................................62

7. Der Luftschlag ...........................................................................................................62

a) Durchführung des Weaponeering und Targeting .................................................62
b) Entschlussfassung zur Durchführung eines Luftschlages ....................................63

aa) Lagebild zu diesem Zeitpunkt in der Operationszentrale ............................63
bb) Mehrfaches Nachfragen beim Informanten hinsichtlich der

Anwesenheit etwaiger Zivilisten auf der Sandbank ....................................64
cc) Entschlussfassung .......................................................................................64

aaa) Wahl des Wirkmittels .........................................................................64
bbb) Ziel des Luftschlages ..........................................................................64
ccc) Interne Bedenken der Luftfahrzeugbesatzungen .................................65

dd) Begründung des Entschlusses .....................................................................65
c) Ablehnung eines Überfluges im Rahmen der „show of force“ ............................66

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – IX – Drucksache 17/7400

aa) Mehrfaches Nachfragen durch die Luftfahrzeugbesatzungen .....................66
bb) Begründung der Ablehnung eines „show of force“ .....................................67

d) Der Luftschlag .....................................................................................................67
e) Durchführung einer Wirkungsanalyse .................................................................67

8. Prüfung einer Beteiligung der TF 47 .........................................................................68

a) Die Task Force 47 und ihr Verhältnis zum PRT Kunduz ....................................68
b) Operation des PRT Kunduz .................................................................................68

aa) Gründe für die Nutzung der OPZ der TF 47 ...............................................68
bb) Kein Unterstellungsverhältnis zwischen der Task Force 47 und

dem Kommandeur des PRT Kunduz ...........................................................68
cc) Abwesenheit großer Teile der Task Force 47 .............................................69
dd) Keine Kommunikation zwischen Oberst Klein und dem

Kommando FOSK in der Nacht vom 3. auf den 4. September

2009.............................................................................................................69

9. Frage der Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an der Vorbereitung
und Durchführung des Luftangriffs ...........................................................................69

a) Erkenntnisse des Ausschusses zu einer etwaigen Beteiligung des
Bundesnachrichtendienstes ..................................................................................69

b) Keine eigenen Quellen des BND? .......................................................................70

IV. Bemühungen um Aufklärung zur Erlangung von Erkenntnissen über
den Luftangriff ..............................................................................................................70

1. Untersuchungen seitens des PRT Kunduz .................................................................70

a) Battle Damage Assessment, 4. September 2009 ..................................................70
b) Untersuchung des Tactical Psycological Operations Teams PRT

Kunduz, 4. September 2009 ................................................................................72

2. Untersuchungen seitens ISAF ...................................................................................72

a) Untersuchung des Initial Action Teams, 4./5. September 2009 ...........................72
aa) Anlass und Einleitung der Untersuchung ....................................................72
bb) Eintreffen des Teams in Kunduz .................................................................73
cc) Besuch von COM ISAF McChrystal in Kunduz .........................................73
dd) Abschlussbericht des IAT ...........................................................................73
ee) „N.-Bericht“ ................................................................................................73
ff) Begleitung des IAT durch einen Journalisten der Washington

Post ..............................................................................................................73
b) Untersuchung Joint Investigation Board, 8. September bis 20. Oktober

2009 .....................................................................................................................75
c) Begleitung der ISAF-Untersuchung durch das Bundesministerium der

Verteidigung, 9. September bis 26. Oktober 2009...............................................75

3. Untersuchungsbericht zum „Close Air Support Kunduz“ des
Feldjägerführers, 4. bis 9. September 2009 ...............................................................77

4. Einleitung einer nationalen Untersuchung ................................................................78

a) Verlegung des Feldjägerführers durch den Kommandeur RC North ...................78
b) Kenntnis des INTSUM-Berichtes durch den Kommandeur RC North ................79
c) Absicht des Kommandeurs RC North, disziplinarrechtliche

Ermittlungen einzuleiten ......................................................................................79
d) Einstellung der Ermittlungen ...............................................................................79

aa) Befehl aus dem Bundesministerium der Verteidigung ................................79
bb) Dissens im Ministerium ..............................................................................80
cc) Begründung des Einstellungsbefehls seitens des

Bundesministeriums der Verteidigung ........................................................81
dd) Keine Kenntnis des Befehls seitens des Feldjägerführers ...........................81
ee) Abweichende Ansicht des Befehlshabers

Einsatzführungskommando der Bundeswehr ..............................................81
e) Unterscheidung zwischen Ermittlungen des Feldjägerführers und

nationaler Untersuchung ......................................................................................82

5. Sonstige Untersuchungen ..........................................................................................83

Drucksache 17/7400 – X – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Untersuchung der afghanischen Regierung, 4. September 2009 .........................83
b) Untersuchung der Vereinten Nationen, 10. September 2009 ...............................83
c) Untersuchung des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes ........................84

V. Unmittelbare Folgen des Luftangriffs .........................................................................84

1. Erkenntnisse des PRT Kunduz ..................................................................................84

a) Battle Damage Assessment Team .......................................................................84
b) Tactical Psychological Operations Team des PRT Kunduz ................................84

2. Erkenntnisse ISAF ....................................................................................................84

a) Initial Action Team ..............................................................................................84
b) Erkenntnisse des Joint Investigation Board .........................................................85

3. Erkenntnisse der afghanischen Untersuchungskommission ......................................85

4. Erkenntnisse der Vereinten Nationen ........................................................................85

5. Erkenntnisse der afghanischen unabhängigen Menschenrechtskommission
AIHRC ......................................................................................................................86

6. Erkenntnisse des Internationalen Roten Kreuzes ......................................................86

7. Sonstige Erkenntnisse ...............................................................................................86

a) HUMINT-Kontakt ...............................................................................................86
b) Zeugin Dr. Habibe Erfan .....................................................................................86
c) Amnesty International .........................................................................................87
d) Darstellung des Lastwagenfahrers .......................................................................87

C. Erste Entwicklungen und Reaktionen bis zur Regierungsbildung am
27. Oktober 2009 ......................................................................................................................88

I. Erste Reaktionen der internationalen Öffentlichkeit ................................................88

1. Presse und Rundfunk .................................................................................................88

2. ISAF-Hauptquartier und NATO-Generalsekretär .....................................................88

3. Äußerungen am Rande des Außenminister-Treffens ................................................88

II. Kenntniserlangung durch die Bundesregierung und interne
Berichterstattung ..........................................................................................................89

1. Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung ...................................89

a) Regionalkommando Nord in Masar-i-Scharif .....................................................89
aa) Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009 .................89

aaa) Erstmeldung über den Luftschlag gegen 3 Uhr ..................................89
bbb) Unterrichtung von Brigadegeneral Vollmer um 7.45 Uhr ..................90
ccc) Telefonat von Brigadegeneral Vollmer mit Oberst Klein ...................90
ddd) Zusammenstellung eines Ermittlungsteams ........................................90
eee) Videokonferenzen mit dem Hauptquartier ISAF ................................90
fff) Telefonate mit afghanischen Dienststellen .........................................91
ggg) Gespräch mit dem Deputy Chief of Police Kunduz ............................91
hhh) Meldung über den Verbleib der beiden

Tanklastwagenfahrer ...........................................................................91
iii) Veränderung des Daily Intelligence Summary vom

4. September 2009 ..............................................................................91
bb) Meldungen und Informationserlangung am 5. September 2009 .................92

aaa) Meldung über einen ins Krankenhaus Kunduz
eingelieferten verletzten Jungen .........................................................93

bbb) Pressekonferenz des Kommandeurs der ISAF ....................................94
cc) Fertigstellung und Übergabe des so genannten Feldjägerberichtes

am 9. September 2009 .................................................................................94
b) Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Schwielowsee bei

Potsdam ...............................................................................................................94
aa) Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009 .................94

aaa) Meldung an die Operationszentrale des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr ....................................94

bbb) Informationsweitergabe auf dem Fachstrang Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit ...........................................................................94

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XI – Drucksache 17/7400

(1) Um 6.42 Uhr eingestellte Meldung ...............................................95
(2) Erste um 8.34 Uhr vorgenommene Änderung der

Meldung ........................................................................................95
(3) Zweite um 8.39 Uhr vorgenommene Änderung der

Meldung ........................................................................................95
(4) Meldung am 6. September 2009, 15.47 Uhr .................................95

ccc) Unterrichtung des Befehlshabers des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr über den

Luftschlag ...........................................................................................95
ddd) Telefonat mit dem Leiter des Einsatzführungsstabes..........................96
eee) Morgendliche Videokonferenz mit dem Stellvertreter des

Generalinspekteurs der Bundeswehr...................................................96
fff) „Erste rechtliche Bewertung“ .............................................................96
ggg) Mögliche zivile Opfer laut einer ISAF-Presseerklärung .....................96
hhh) Unterschiedliche Einschätzung von Oberst Klein und

Brigadegeneral Vollmer bezüglich möglicher ziviler Opfer ...............97
iii) Eingang eines Protokolls einer Videokonferenz mit

weiteren Hinweisen auf mögliche zivile Opfer...................................97
jjj) Erste Stellungnahme aus Sicht des Kommandeurs des

Regionalkommandos Nord .................................................................97
bb) Meldungen und Informationserlangung bis zum 13. September

2009.............................................................................................................97
aaa) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein am 5. September

2009 ....................................................................................................97
bbb) Eintreffen des Protokolls Fact Finding Mission („N.-

Bericht“) am 6. September 2009 .........................................................98
ccc) Eintreffen des Berichts des Initial Action Teams ...............................98
ddd) Gespräch des Befehlshabers des

Einsatzführungskommandos der Bundeswehr mit dem

Generalinspekteur der Bundeswehr am 7. September 2009 ...............98
eee) Eintreffen von Gesprächsprotokollen aus dem PRT Kunduz

am 7. September 2009 ........................................................................98
fff) Videokonferenz am 11. September 2009 ............................................99
ggg) Eintreffen des so genannten Feldjägerberichtes am

13. September 2009 ............................................................................99
hhh) Untersuchungsbericht der afghanischen

Untersuchungskommission .................................................................99
c) Kommando Führung Operationen von Spezialkräften ........................................99

aa) Unterrichtung des Kommandeurs des Kommandos FOSK .........................99
bb) Gespräch zwischen dem Kommandeur des Kommandos FOSK

und dem Kommandeur der Task Force 47 ................................................100
d) Meldungen in das Bundesministerium der Verteidigung ..................................100

aa) Einsatzführungsstab ..................................................................................100
aaa) Meldungen und Informationserlangung am 4. September

2009 ..................................................................................................100
(1) Erstinformation über den Luftschlag ...........................................100
(2) Freigabe des Inhaltes der ersten Pressemeldung .........................100
(3) Erste Zweifel in der morgendlichen Videokonferenz .................100
(4) Änderung der Online-Meldung auf der Internetseite

www.bundeswehr.de ...................................................................101
(5) Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul mit

möglichen zivilen Opfern ............................................................101
(6) Telefonat mit General Ramms am 4. September 2009 ................101

bbb) Meldungen und Informationserlangung bis zum
30. September 2009 ..........................................................................101
(1) Eintreffen weiterer Berichte und Meldungen bis zum 30.

September 2009...........................................................................101
(2) Vorlage einer „presseverwertbaren Stellungnahme“ des

Einsatzführungsstabes am 7. September 2009 ............................101

Drucksache 17/7400 – XII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
(3) Kurzauswertung des so genannten Feldjägerberichts

durch den Einsatzführungsstab ...................................................102
bb) Planungsstab..............................................................................................102

aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September
2009 ..................................................................................................102

bbb) Zweifel an der Darstellung, dass Opfer unter der
Zivilbevölkerung ausgeschlossen werden können ............................103

ccc) Vorschlag einer Untersuchung des Vorfalls durch eine
Bundeswehrkommission ...................................................................103

cc) Presse- und Informationsstab ....................................................................104
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September

2009 ..................................................................................................104
bbb) Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul mit

möglichen zivilen Opfern .................................................................104
ccc) Keine Sprachregelung durch Staatssekretär Dr. Wichert ..................104
ddd) Bundespressekonferenz am 4. September 2009 ................................105
eee) Eigene Nachforschungen des Presse- und

Informationsstabes ............................................................................105
fff) Bundespressekonferenz am 7. September 2009 ................................106
ggg) Informationsweitergabe innerhalb des BMVg ..................................106

dd) Generalinspekteur der Bundeswehr ..........................................................107
aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September

2009 ..................................................................................................108
bbb) „Frühe Festlegungen“ des BMVg in der ersten

Pressekonferenz am 4. September 2009 ...........................................108
ccc) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein am 5. September

2009 ..................................................................................................108
ddd) Erste Telefonate mit dem Bundesminister der Verteidigung,

Dr. Franz Josef Jung .........................................................................108
eee) Eintreffen weiterer Berichte am 6. September 2009 .........................109
fff) Vorlage an das Bundeskanzleramt am 7. September 2009 ...............109
ggg) Einrichtung des Joint Investigation Teams durch den COM

ISAF .................................................................................................109
hhh) Kritik an der Zurückhaltung des Generalinspekteurs der

Bundeswehr mit öffentlichen Äußerungen .......................................109
iii) Afghanistan-Reise des Generalinspekteurs der Bundeswehr ............109
jjj) Bewertung und Behandlung des so genannten

Feldjägerberichtes .............................................................................110
ee) Staatsekretär Dr. Peter Wichert .................................................................111

aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September
2009 ..................................................................................................111

bbb) Online-Meldung auf www.bundeswehr.de .......................................111
ccc) Unklares Lagebild bezüglich möglicher ziviler Opfer am 4.

September 2009 ................................................................................112
ddd) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein sowie weiterer

Berichte .............................................................................................112
ff) Bundesminister der Verteidigung ..............................................................112

aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September
2009 ..................................................................................................112

bbb) Erste öffentliche Äußerung ...............................................................112
ccc) Interview in der Bild am Sonntag .....................................................112
ddd) Gespräch mit der Bundeskanzlerin am 5. September 2009 ..............113
eee) Telefonat mit Oberst Klein am 5. September 2009 ..........................113
fff) Presseerklärung am 6. September 2009, dass zivile Opfer

nicht mehr auszuschließen sind ........................................................114
ggg) Telefonat mit General McChrystal am 6. September 2009 ...............114
hhh) Eingang weiterer Berichte ................................................................114
iii) Rede des Bundesministers der Verteidigung im Deutschen

Bundestag am 8. September 2009 .....................................................115

2. Auswärtiges Amt .....................................................................................................115

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XIII – Drucksache 17/7400

a) Erste öffentliche Äußerungen des Bundesaußenministers .................................115
aa) Gegenüber der Presse ................................................................................115
bb) Rede vor dem Deutschen Bundestag .........................................................116

b) Informationslage des Auswärtigen Amtes in den ersten Tagen .........................116
c) Informationsgewinnung seitens des Auswärtigen Amtes ..................................117

aa) Informationserlangung durch die zivile Leitung des PRT Kunduz ...........117
aaa) Erste Hinweise auf zivile Opfer ........................................................117
bbb) Die Liste der Vereinten Nationen .....................................................118
ccc) Kritik an der Kommunikation innerhalb des PRT ............................118

bb) Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung ..............118
aaa) Informationserlangung auf Arbeitsebene ..........................................118
bbb) Abstimmung auf Ministerebene ........................................................119

3. Bundeskanzleramt sowie Bundesnachrichtendienst ................................................119

a) Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes und Bundesnachrichtendienst ................119
aa) Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes vor Ort ......................................119
bb) Zur Frage eigener Aufklärungsmaßnahmen des BND ..............................120
cc) Erkenntnisaufkommen des BND ...............................................................120

aaa) Eigene Einschätzung des BND-Präsidenten .....................................120
bbb) Meldeaufkommen des Bundesnachrichtendienstes ..........................120

dd) Informationsweg innerhalb des BND und Unterrichtung des
BND-Präsidenten Uhrlau ..........................................................................121

ee) Koordination des Aufkommens nachrichtendienstlicher
Informationen innerhalb der Bundesregierung ..........................................121

ff) Weitergabe von Informationen des BND an die Abteilung 6 im
Bundeskanzleramt .....................................................................................121

gg) Zur Frage von Einzelmeldungen an das Bundeskanzleramt .....................122
hh) Überprüfung der Rolle des BND ...............................................................122
ii) Weitere Befassung der Abteilung 6 mit dem Luftangriff ..........................123
jj) Kommunikation zwischen den Abteilungen 6 und 2 ................................123
kk) Unterrichtung des Chefs des Bundeskanzleramtes durch die

Abteilung 6 ................................................................................................123
ll) ND-Lage am 8. September 2009 ...............................................................124

b) Abteilung 2 des Bundeskanzleramtes ................................................................124
aa) Erste Kenntniserlangung der Abteilung 2 von dem Luftangriff ................125
bb) Kommunikation zwischen der Abteilung 2 im Bundeskanzleramt

und dem Bundesministerium der Verteidigung .........................................125
aaa) Weitergabe von Berichten durch das BMVg an die

Abteilung 2 .......................................................................................125
bbb) Kritik der Gruppe 22 an der Informationsweitergabe des

BMVg ...............................................................................................127
ccc) Bestreben der Abteilung 2 nach gemeinsamer

Sprachregelung mit dem BMVg .......................................................128
c) Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel .................................................................128

aa) Kenntniserlangung der Bundeskanzlerin über den Luftangriff
und erste Kommunikation mit anderen Ressorts .......................................128

bb) Erste öffentliche Äußerungen der Bundeskanzlerin zum
Luftangriff .................................................................................................129

cc) Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am 8. September 2009 ...........129
aaa) Zustandekommen und Inhalt ............................................................129
bbb) Unterrichtung der Bundeskanzlerin vor der

Regierungserklärung .........................................................................130
dd) Weiteres Vorgehen der Bundeskanzlerin ..................................................131
ee) Keine Bewertung des Luftangriffs durch das Bundeskanzleramt .............132

III. Unterrichtung des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen
Ausschusses .................................................................................................................132

1. Erstunterrichtung der Obleute am Freitag, dem 4. September 2009 .......................132

2. Obleuteunterrichtung am 5. September 2009: Untersuchungsteam der
NATO......................................................................................................................132

Drucksache 17/7400 – XIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Obleuteunterrichtung am 7. September 2009: Zivile Opfer möglich ......................133

4. Ausschussunterrichtung am Dienstag, dem 8. September 2009 ..............................133

5. Obleuteunterrichtung am Mittwoch, dem 9. September 2009: Eingang des
IAT-Berichts ...........................................................................................................134

6. Obleuteunterrichtung am Freitag, dem 11. September 2009 ...................................134

7. Obleuteunterrichtung durch Generalinspekteur nach Rückkehr aus
Kunduz ....................................................................................................................136

IV. Der Luftangriff im Bundestagswahlkampf ...............................................................136

1. Zur Frage der Einflussnahme auf die Aufklärung ...................................................136

2. Unterrichtung der Politik durch die Bundeswehr ....................................................137

D. „Militärisch angemessen“ ......................................................................................................138

I. Regierungswechsel, Amtsübernahme durch Bundesminister zu
Guttenberg...................................................................................................................138

II. Eingang und Bewertung des COM ISAF-Berichts durch Bedienstete des
Bundesministeriums der Verteidigung .....................................................................138

1. Übermittlung des Berichts von ISAF an Deutschland .............................................138

2. Eingang des COM ISAF-Berichts im Bundesministerium der
Verteidigung ............................................................................................................139

3. Öffentliche Stellungnahme von General Wolfgang Schneiderhan ..........................141

a) Der Wortlaut der Erklärung ...............................................................................141
b) Erläuterung der Stellungnahme vor dem Ausschuss .........................................142
c) „Überraschung“ über die Erklärung des Generalinspekteurs auf Seiten

der NATO ..........................................................................................................142

4. Gespräch des Bundesministers mit General Schneiderhan .....................................144

5. Weitergabe des COM ISAF-Berichts ......................................................................144

a) Bundeskanzleramt .............................................................................................144
b) Obleuteunterrichtung am 29. Oktober 2009 ......................................................145

6. Auswertung des COM ISAF-Berichts durch den Einsatzführungsstab ...................145

III. Öffentliche Festlegung des Ministers am 6. November 2009 ..................................148

1. Empfehlung zur Presselinie .....................................................................................148

2. Telefonat mit Generalinspekteur Schneiderhan ......................................................148

3. Vorbereitung des Ministers .....................................................................................148

4. Öffentliche Stellungnahme des Ministers ...............................................................149

E. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts“ und Neubewertung des
Luftangriffs .............................................................................................................................154

I. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts” ..................................................................154

II. Personelle Konsequenzen ...........................................................................................154

1. Gespräch im Ministerbüro am 25. November 2009 ................................................154

a) Darstellung General a. D. Schneiderhan ............................................................155
b) Aufzeichnungen der Leiterin Ministerbüro .......................................................156
c) Darstellung Staatssekretär a. D. Dr. Wichert .....................................................157
d) Darstellung Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg ...........................158
e) Darstellung Brigadegeneral Braunstein .............................................................158

2. Berichterstattung über das Gespräch im Ministerbüro ............................................159

3. Unterrichtung des Deutschen Bundestages über Entlassung und
Ankündigung einer Neubewertung .........................................................................159

4. Rücktritt Bundesminister für Arbeit und Soziales Dr. Jung ....................................159

III. Neue Erkenntnisse aus der Dokumentenlage nach dem 25. November
2009 ..............................................................................................................................159

1. Erkenntnisse aus dem IAT-Bericht .........................................................................160

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XV – Drucksache 17/7400

2. Erkenntnisse aus dem „Feldjägerbericht“ ...............................................................160

3. Erkenntnisse seitens des Befehlshabers Einsatzführungskommando ......................161

4. Erkenntnisse aus dem Bericht von Oberst Klein .....................................................162

IV. Militärischer Ratschlag für die politische Leitung zur Vorbereitung
einer Neubewertung ....................................................................................................162

V. Untersuchung des Informationsflusses innerhalb des Ministeriums ......................163

VI. Neubewertung als „militärisch nicht angemessen“ ..................................................164

VII. Neubewertung gegenüber dem Deutschen Bundestag .............................................165

F. Weitergabe von Erkenntnissen an weitere Stellen (auch unter
Berücksichtigung von Punkt 4 des Untersuchungsauftrages) ............................................167

I. Staatsanwaltschaft Potsdam ......................................................................................167

II. Generalstaatsanwaltschaft Dresden ..........................................................................167

III. Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof .......................................................167

Dritter Teil: Bewertungen des Untersuchungsausschusses ......................................................169

A. Verfahren ................................................................................................................................169

I. Verfahrensbeschlüsse .................................................................................................169

II. Gegenüberstellung/Rechtsstreit BGH .......................................................................170

III. Die Reihenfolge von Zeugen (§ 17 PUAG i. V. m. § 28 GO-BT) Exkurs:
zur Misslichkeit des Begriffs vom so genannten „Reißverschluss“ ........................171

IV. Zum Umgang mit Zeugen und mit Vorhalten aus Akten ........................................172

B. Bewertungen der Untersuchungsergebnisse ........................................................................174

I. Allgemeine Feststellungen ..........................................................................................174

1. Zusammenfassung ...................................................................................................174

2. Verlauf der Ausschussarbeit ....................................................................................174

3. Unsichere Sicherheitslage im PRT Kunduz vor dem 4. September 2009 ...............175

4. Ablauf des Luftangriffs ...........................................................................................176

a) Entführung der Tanklastzüge .............................................................................176
b) Volle Kontrolle durch PRT Kunduz – technische Unterstützung der

Task Force 47 im gebotenen Rahmen ...............................................................177
c) Keinerlei Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes ......................................178
d) Der Luftschlag ...................................................................................................178

II. Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 1 und 2 des
Untersuchungsauftrages .............................................................................................179

1. Völlig korrektes Meldeverhalten innerhalb der Bundeswehr ..................................179

2. Unterrichtung des Bundesministeriums der Verteidigung ......................................180

a) Meldungen von außerhalb in das Bundesministerium der Verteidigung ...........180
b) Informationsfluss innerhalb des Bundesministeriums der Verteidigung ...........180

aa) Ordnungsgemäßer Informationsfluss bis zur Ebene von
Generalinspekteur und Staatsekretär Dr. Wichert .....................................180

bb) Weitergabe relevanter Informationen durch Generalinspekteur
und Staatssekretär .....................................................................................180
aaa) Keine Weitergabe von Informationen an den Presse-

/Informationsstab ..............................................................................181
bbb) Unterrichtung des Planungsstabes ....................................................181
ccc) Defizite bei der Unterrichtung des Verteidigungsministers

nach dem Luftschlag .........................................................................182
ddd) Information nach Bildung der Koalition aus CDU/CSU und

FDP ...................................................................................................183

3. Unterrichtung des Auswärtigen Amtes ...................................................................184

4. Unterrichtung durch das Bundeskanzleramt ...........................................................184

Drucksache 17/7400 – XVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Nicht belastbare, „unverbindliche Erstmeldung“ des BND ...............................185
b) Keine eigenen Erkenntnisse des Bundekanzleramtes durch den

Bundesnachrichtendienst ...................................................................................185
c) Zurückhalten von Nachrichtenübermittlung an BK, AA und BMZ

durch Staatssekretär BMVg ...............................................................................186

III. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 3 des Untersuchungsauftrages .............187

1. Einseitige Bewertung des damaligen Generals Schneiderhan .................................187

2. Bewertung durch Verteidigungsminister zu Guttenberg .........................................187

a) Erste Bewertung des Ministers vom 6. November 2009 auf Grundlage
der Beratung durch den Generalinspekteur .......................................................188
aa) Hintergrund der zusätzlichen Formulierung des Ministers, es

hätte zum Luftschlag „kommen müssen“ ..................................................188
bb) Beratung durch Generalinspekteur und Staatssekretär ..............................188

aaa) Einweisung des Ministers zum Amtsantritt am
29. Oktober 2009 ..............................................................................189

bbb) Informationsweitergabe auf dem Flug nach Nörvenich ....................189
cc) Nicht vorgelegte Berichte und Unterlagen ................................................190

b) Neubewertung am 3. Dezember 2009................................................................191
aa) Bekanntwerden des Feldjägerberichts erst durch Presse ...........................191

aaa) Minister-Gespräch zu nicht vorgelegten Dokumenten am
25. November 2009 ..........................................................................192
(1) Anzahl der anwesenden Personen am

25. November 2009 .....................................................................192
(2) Mehrfaches Nachfragen des Ministers am

25. November 2009 zur Vorlage der Berichte ............................193
bbb) Personelle Konsequenzen durch den Minister ..................................193

bb) Sichtung der vollständigen Aktenlage und Überprüfung ..........................194
aaa) Erörterung sämtlicher Fakten vor der Neubewertung .......................194
bbb) Lagebild nach erstmals vollständiger Dokumentenlage ...................194
ccc) Neubewertung nach umfassender militärfachlicher

Beratung............................................................................................195

IV. Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 4 und 5 des
Untersuchungsauftrages .............................................................................................195

1. Unterrichtung des Parlamentes ................................................................................196

a) Unterrichtung des Parlamentes vom 9. September 2009 ...................................196
b) Unterrichtung des Parlamentes vom 23. September 2009 .................................196

2. Unterrichtung der Obleute des Verteidigungsausschusses und des
Auswärtigen Ausschusses .......................................................................................196

a) Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009 ..................................................196
b) Obleuteunterrichtung vom 7. September 2009 ..................................................197
c) Falsche Angabe in der Obleuteunterrichtung vom 9. September 2009 .............197

3. Unterrichtung der Öffentlichkeit .............................................................................197

a) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das BMVg ...........................................197
b) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Bundeskanzleramt ........................200

aa) Pressestatement am 6. September 2009 ....................................................200
bb) Regierungserklärung am 8. September 2009 ............................................200

aaa) Umfassendes Lagebild der Bundeskanzlerin ....................................200
bbb) Lückenlose Aufklärung ....................................................................200

c) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Auswärtige Amt ............................201

4. Unterrichtungen nach dem Koalitionswechsel ........................................................201

a) Offene transparente Unterrichtungspraxis .........................................................201
b) Öffentliche Berichterstattung über das Gespräch am

25. November 2009 ...........................................................................................201

V. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 6 des Untersuchungsauftrages .............202

1. Keine Einflussnahme auf die Erstellung des COM ISAF-Berichtes .......................202

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XVII – Drucksache 17/7400

2. Einflussnahme auf die Untersuchung des Feldjägers durch
Generalinspekteur Schneiderhan .............................................................................202

3. Keine unzulässige Einflussnahme auf den Daily Intelligence Summary
des PRT Kunduz vom 4. September 2009 (INTSUM) ............................................204

VI. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 7 des Untersuchungsauftrages .............204

1. Verfahrensfehler durch Oberst Klein ......................................................................204

a) Erklären eines TIC (Troops in Contact) ............................................................204
b) Ablehnung von „show of force“ ........................................................................205
c) Battle Damage Assessment (BDA) ...................................................................205

2. Vermeiden ziviler Opfer ..........................................................................................205

a) Keine genaue Feststellung über die Personen vor Ort möglich .........................206
aa) Mögliche Anzahl der Personen auf der Sandbank ....................................206
bb) Mögliche Anzahl der Geschädigten ..........................................................206

b) Lagebild von Oberst Klein – ausschließlich Taliban vor Ort ............................207
c) Problem der Unterscheidbarkeit zwischen Aufständischen und

Zivilisten ............................................................................................................208
d) Bestehende Zuverlässigkeit des Informanten ....................................................208

aa) Grundsätzliche Zuverlässigkeit des Informanten ......................................208
bb) Keine Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit durch Art der

Kommunikation ........................................................................................208
cc) Zuverlässigkeit durch Standort des Informanten .......................................209

3. Aufständische als legitimes Ziel ..............................................................................209

4. Mangelnde Handlungsalternativen ..........................................................................209

a) Kein Einsatz von Bodentruppen möglich ..........................................................209
b) Kein Einsatz von Drohnen möglich ...................................................................210
c) Unterlassen als mögliche Alternative ................................................................210

5. Im Nachgang zum Luftschlag ergriffene Maßnahmen ............................................210

VII. Ergebnis der Beweisaufnahme ...................................................................................210

Vierter Teil Sondervoten .............................................................................................................213

A. Sondervotum der Fraktion der SPD .....................................................................................213

I. Der Untersuchungsausschuss war notwendig und erfolgreich ...............................214

II. Erforderlichkeit eines Sondervotums........................................................................215

III. Der Luft-Boden-Angriff von Kunduz: Was ist wirklich geschehen? .....................219

1. Kein Zweifel an zivilen Opfern des Luftangriffs ....................................................220

a) Politisch-taktisches Mäandern der Bundesregierung und der Mehrheit
im Ausschuss .....................................................................................................220

b) Unzureichendes „Battle Damage Assessment“ durch die Bundeswehr .............220
c) Erkenntnisse der verschiedenen Untersuchungskommissionen .........................221
d) Ergebnis zu den zivilen Opfern .........................................................................222

2. Die Fehler und Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Luft-Boden-
Angriff von Kunduz in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 ....................223

a) Ort des Geschehens und handelnde Personen ....................................................224
b) Sorgloser Umgang mit der Warnmeldung im Vorfeld ......................................225
c) Die problematische Agenda des Hauptmann N. – „Der Schwanz

wedelt mit dem Hund“ .......................................................................................226
d) Drängen auf schnellen Bombenabwurf durch Hauptmann N. und

Hauptfeldwebel W. ............................................................................................228
e) Keine Bestätigung durch die Aufklärungsmittel des B1-Bombers ....................229
f) Fehlerhafter Umgang mit dem afghanischen HUMINT-Kontakt ......................231

aa) Der militärische Führer verfügte nicht über sämtliche
Informationen der Quelle ..........................................................................231

Drucksache 17/7400 – XVIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aaa) Informationen zum „Ausschlachten“ und „In-Brand-

Setzen“ der Tanklaster durch die Taliban erreichten Oberst
Klein nicht ........................................................................................232

bbb) Informationen zu den zivilen Fahrern erreichten Oberst
Klein nicht ........................................................................................232

ccc) Standort der Quelle wurde gegenüber Oberst Klein
verschwiegen ....................................................................................233

ddd) Zwischenergebnis .............................................................................233
bb) Problem der mittelbaren Kommunikation („Stille-Post-Routine“) ...........233
cc) Probleme beim Inhalt der Kommunikation: Unzureichende

Gesprächsführung .....................................................................................234
dd) Probleme bei der Bewertung der Informationen .......................................235
ee) Strukturelle Probleme im Zusammenhang mit dem Militärischen

Nachrichtenwesen der Bundeswehr ..........................................................237
ff) Zusammenfassung und Schlussfolgerungen zum fehlerhaften

Umgang mit dem HUMINT-Kontakt ........................................................239
g) Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten Durchführung des

Waffeneinsatzes .................................................................................................240
aa) Vorfrage: Was war das Ziel des Waffeneinsatzes? ...................................241
bb) Regelwidriger Einsatz des B1-Bombers zur Suche nach den

Tanklastern ................................................................................................244
cc) Regelwidrige Erklärung eines „TIC“: Die F15-Bomber hätten

nicht angefordert werden dürfen ...............................................................244
dd) Unzureichende Abklärung der Anwesenheit befreundeter Kräfte.............245
ee) Unklarheiten zwischen Oberst Klein, dem JTAC und den Piloten

über die angewandte Einsatzregel („Rule of Engangement“) ...................246
ff) Vorgaben der dem Waffeneinsatz zu Grunde gelegten ROE 429

wurden sämtlich nicht erfüllt.....................................................................247
aaa) RC North hätte bei Waffenfreigabe nach ROE 429 beteiligt

werden müssen .................................................................................247
bbb) Keine Einbindung des vorhandenen Rechtsberaters in den

Prozess der Waffenfreigabe ..............................................................248
ccc) Unzureichende Durchführung der PID anhand einer

einzigen HUMINT-Information ohne sonstige Bestätigung .............248
ddd) Fehlende Anwendung der für offensiven Waffeneinsatz

zwingenden Zielzuweisungsverfahren ..............................................249
gg) Regelwidrige Untersagung der Durchführung einer „Show of

Force“ ........................................................................................................250
hh) Regelwidriger Verzicht auf die Durchführung eines

angemessenen „Battle Damage Assessment“ ............................................251
ii) Keine Warnung des vermeintlich an der Sandbank befindlichen

Informanten durch Oberst Klein ...............................................................251
jj) Zusammenfassung der Verfahrensfehler im Rahmen der

konkreten Durchführung des Waffeneinsatzes ..........................................252

IV. Zur straf- und dienstrechtlichen Verantwortlichkeit von Oberst Klein ................252

1. Kritik an der Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts ............................253

a) Kein Verstoß gegen Bestimmungen des Völkerstrafrechts ...............................253
b) Strafbarkeit nach allgemeinem deutschem Strafrecht ........................................253

aa) Zuständigkeit des GBA: Klarstellungsbedarf ............................................253
bb) Rechtfertigung auf Grundlage des UN-Mandats? .....................................254

aaa) Bedarf es einer eigenen gesetzlichen Regelung? ..............................254
bbb) Völkerrechtliche Rechtfertigung des Handelns von Oberst

Klein? ...............................................................................................255
(1) Legitimes militärisches Ziel? ......................................................255
(2) Beachtung des völkerrechtlichen „Exzessverbots“? ...................256

2. Kritik am Verzicht auf die Einleitung eines förmlichen
Disziplinarverfahrens ..............................................................................................260

a) Eklatante Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln ..................................................261

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XIX – Drucksache 17/7400

b) Verletzung nationaler Einsatzvorgaben durch gezielte Tötung
außerhalb einer Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituation .............................262

V. Zusammenfassende Gesamtbewertung zum Luft-Boden-Angriff von
Kunduz ........................................................................................................................264

VI. Fehler und Versäumnisse in der Amtszeit des Verteidigungsministers
Dr. Jung .......................................................................................................................268

1. Strukturelle Defizite im BMVg beim Umgang mit derartigen Vorfällen ................269

a) Öffentlichkeitsarbeit im Blindflug: Alleingang des Pressestabes ohne
jede Koordinierung ............................................................................................269

b) Mängel im Bereich der „Unternehmenskultur“ .................................................270
c) Strukturelle Mängel beim Umgang mit den entscheidenden

Informationen im Ministerium ..........................................................................270

2. Persönliches Fehlverhalten des damaligen Bundesministers der
Verteidigung Dr. Jung .............................................................................................270

a) Der Wahlkampf hatte Priorität...........................................................................271
b) Bedenken innerhalb des Ministeriums und von der Bundeskanzlerin

wurden ignoriert ................................................................................................271
c) Abweichende öffentliche Stellungnahme des damaligen

Bundesministers des Äußeren............................................................................272
d) Mögliche Beweggründe für die Haltung von Bundesminister Dr. Jung ............273
e) Unverantwortlicher „Tunnelblick“ des Ministers ..............................................274
f) Desinformation der Öffentlichkeit durch einen Pressestab im

Verfolgungswahn ..............................................................................................274
aa) Eigenmächtiges Abwiegeln durch den Pressestab in den ersten

Stellungnahmen ohne Beteiligung der Fachabteilungen ...........................275
bb) Falsche Darstellung der zeitlichen Abläufe („Chronologie“) ....................275
cc) Angebliche unmittelbare Bedrohung für das PRT Kunduz durch

„rollende Bomben“....................................................................................276
dd) Erfinden einer „dritten Quelle“ .................................................................277
ee) Diffamierung des IAT-Berichts ................................................................278
ff) Ergebnis zum Pressestab ...........................................................................278

g) Gesamtbewertung des Handelns von Dr. Jung ..................................................278

3. Verschleierungsaktivitäten auf allen Ebenen ..........................................................279

a) Verschleierung vor Ort im PRT Kunduz selbst .................................................279
b) Verschleierung in Masar-e Sharif und im Einsatzführungskommando

in Potsdam: Manipulation des INTSUM ...........................................................280
c) Verschleierung im Pressestab gegenüber der Öffentlichkeit .............................282
d) Sonstige Verschleierungsaktivitäten im Ministerium ........................................283

aa) Einflussnahme auf die NATO-Untersuchung ...........................................283
bb) Verschleierung der Beteiligung von Personen der „Task

Force 47“ ...................................................................................................283
cc) Verweigerung einer nationalen Untersuchung nach Eingang des

COM ISAF-Berichts .................................................................................284
e) Verschleierung gegenüber dem Parlament ........................................................284

VII. Freiherr zu Guttenberg: Illusion und Inszenierung ................................................286

1. Zur Bewertung des Luftangriffs als „zwingend“ .....................................................286

2. Die angeblich „vorenthaltenen“ wichtigen Dokumente ..........................................289

3. Die angebliche „Neubewertung“ vom 3. Dezember 2009.......................................290

VIII. Bundeskanzlerin Dr. Merkel: Fehlende politische Führung ...................................293

1. Informationsquellen des BND bleiben ungenutzt ...................................................293

2. Bundeskanzlerin lässt Verteidigungsminister „dahindilettieren“ ............................294

3. Zusage vollständiger Aufklärung bleibt Lippenbekenntnis .....................................294

4. Verständnis für jede Bewertung des Luftangriffs....................................................295

5. Mitspielerin beim „Bauernopfer“ ............................................................................295

6. Einsatz für Entschädigung: Fehlanzeige .................................................................296

Drucksache 17/7400 – XX – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
7. Koordinierungsprobleme im Bundeskanzleramt .....................................................296

8. Ergebnis ..................................................................................................................297

IX. Zum Verfahren im Untersuchungsausschuss ...........................................................297

1. Ausschluss der Öffentlichkeit durch die Mehrheit ..................................................297

2. Die Verweigerung der Durchführung einer Gegenüberstellung ..............................298

3. Zur Reihenfolge der Zeugenvernehmungen: das Reißverschlussverfahren ............299

4. „Mehrheit bleibt Mehrheit“ .....................................................................................299

X. Lehren aus den festgestellten Fehlern und Defiziten: Handlungsbedarf ...............300

1. Klare Aussagen der Bundesregierung zu den nationalen Einsatzvorgaben
des ISAF-Mandats sind zwingend erforderlich .......................................................301

2. Folgerungen aus den Defiziten auf der Ebene des PRT ..........................................301

3. Folgerungen aus den festgestellten Defiziten auf der Ebene der
Bundesregierung .....................................................................................................302

4. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf .......................................................................302

B. Sondervotum der Fraktion DIE LINKE. .............................................................................303

I. „Lückenlose Aufklärung … ein Gebot der Selbstverständlichkeit“ .......................303

1. Behinderung der Arbeit des Untersuchungsausschusses .........................................303

2. Eindimensionalität der Bewertung der Mehrheitsfraktionen ...................................304

a) Mangelndes Aufklärungsinteresse .....................................................................304
b) Umdeutung der Beweisergebnisse des Untersuchungsausschusses ...................305
c) Einseitige Schuldzuweisung für Vertuschungsbemühungen .............................306

3. Vertuschung der Folgen und näheren Umstände des Luftangriffs durch
die Bundesregierung ................................................................................................307

a) Vertuschung der Tötung einer großen Zahl von Zivilpersonen .........................307
aa) Erkenntnisse zur Zahl ziviler Opfer nach der Beweisaufnahme

im Untersuchungsausschuss ......................................................................308
bb) Der Bundesregierung im September 2009 zugängliche

Erkenntnisse und Anhaltspunkte zu zivilen Opfern des

Luftangriffs ...............................................................................................310
cc) Öffentliche Darstellungen der Bundesregierung zur Frage ziviler

Opfer .........................................................................................................312
b) Vortäuschen einer unmittelbaren Bedrohung für das PRT Kundus ...................312

aa) Hinweise auf eine Bedrohungswarnung ....................................................312
bb) Kein Vorliegen des behaupteten Warnhinweises ......................................313
cc) Keinerlei Hinweis auf eine direkte Gefährdung des PRT Kundus ............314

c) Vertuschung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board ..................314
aa) Gruppe 85 im Bundesverteidigungsministerium .......................................314

aaa) Kontakt zum ISAF-Joint Investigation Board ..................................315
bbb) Kontakt zu den Ermittlungsbehörden ...............................................316

bb) Verhinderung einer Bewertung der Erkenntnisse des ISAF-Joint
Investigation Board durch die NATO .......................................................317

cc) Umdeutung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board
gegenüber der Öffentlichkeit .....................................................................319
aaa) Bundesverteidigungsministerium .....................................................319
bbb) Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt .........................................320

dd) Verhinderung einer Herabstufung des COM ISAF-Berichts ....................321
d) Angemessenheit – Unangemessenheit des Luftangriffs ....................................322

aa) „Militärisch angemessen“ und „selbst wenn es keine
Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zum Luftschlag

kommen müssen“ ......................................................................................322
bb) „… militärisch nicht angemessen“ ............................................................323

e) Täuschung der Bevölkerung über die Art der deutschen
Kriegsbeteiligung ..............................................................................................324
aa) ISAF-Mandat der Bundeswehr..................................................................324

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXI – Drucksache 17/7400

bb) Spezifische nationale Beschränkungen des ISAF-Mandats
(national caveats) ......................................................................................325

cc) Taschenkarten ...........................................................................................327
f) Ziel der Vertuschung .........................................................................................328

aa) Bundestagswahlkampf und Kriegsbeteiligung ..........................................328
bb) Counterinsurgency – Teilnahme an offensiver Kriegsführung .................329

II. „Das … Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel
W. … ist … einzustellen.“ ..........................................................................................330

1. Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln .......................................................................331

a) Fehlende Befugnis zur Anordnung eines Luftangriffs .......................................331
b) Unterlassen einer show of force ........................................................................333
c) Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens ..............................................................334
d) Verstoß gegen geltende Rules of Engagement (ROE) .......................................334
e) Vorspiegeln einer Gefechtssituation (troops in contact, TIC) bzw.

einer akuten Bedrohungslage (imminent threat) ................................................335
f) Unzureichende Aufklärung vor dem Luftangriff als Verstoß gegen

spezifische Vorgaben des COM ISAF ...............................................................335
g) Verzicht auf Battle Damage Assessment (BDA) ...............................................335

2. Verstoß gegen grundlegende völkerrechtliche Schutzvorschriften .........................335

a) Völkerrechtliche Verpflichtung, festzustellen, ob sich am Angriffsort
Zivilpersonen aufhalten .....................................................................................336
aa) Ignorieren der Anhaltspunkte für die Anwesenheit von Zivilisten

am Angriffsort ...........................................................................................336
aaa) Nächtliche Aktivitäten während des Ramadan .................................336
bbb) Kommen und Gehen auf der Sandbank ............................................337
ccc) Vermutete Anwesenheit mehrerer Gruppen und deren

Anführer............................................................................................337
ddd) Verbleib der Fahrer ...........................................................................338
eee) Angriff allein aufgrund der Angaben eines Informanten ..................338
fff) Widersprüche der Lagebewertung durch Oberst Klein .....................338

bb) Völkerrechtlich gebotene Aktivitäten zur Aufklärung, ob sich
Zivilpersonen am Angriffsort befanden ....................................................339
aaa) Differenzierte Fragen an den Informanten ........................................339

(1) Erkennbarkeit von Zivilpersonen ................................................340
(2) Standort des Informanten ............................................................340
(3) Identität der Kontaktpersonen des Informanten ..........................340
(4) Tragen von Waffen .....................................................................340
(5) Schicksal der Fahrer ....................................................................342
(6) Anwesenheit von Kindern ...........................................................342
(7) Unzulängliche Erkundigungen beim Informanten ......................343

bbb) Nutzung weiterer erreichbarer Erkenntnismöglichkeiten .................343
(1) Weitere Informanten ...................................................................344
(2) Weitere Mittel der Luftaufklärung ..............................................344

cc) Unzulängliche Aufklärung ........................................................................346
b) Völkerrechtliche Verpflichtung zur wirksamen Warnung vor einem

geplanten Angriff ...............................................................................................346
aa) Offensive Aufstandsbekämpfung als Grund für den Verzicht auf

eine show of force .....................................................................................346
bb) Rechtspflicht zur effektiven Vorwarnung .................................................349

aaa) Unzulässiger Überraschungsangriff ..................................................349
(1) Rückfahrt nach Osten und Angriff auf das PRT Kundus ............350
(2) Weiterfahrt und Verbringung der Tanklaster nach

Westen.........................................................................................351
bbb) Völkerrechtswidrigkeit des Verzichts auf eine wirksame

Vorwarnung ......................................................................................351
c) Nachweis der Völkerrechtswidrigkeit des Vorgehens von Oberst Klein ...........352

3. Keine adäquate rechtliche Aufarbeitung des Luftangriffs durch deutsche
Behörden .................................................................................................................352

Drucksache 17/7400 – XXII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Durchreichen eines unwillkommenen Verfahrens .............................................352

aa) Befassung der Staatsanwaltschaften Potsdam und Leipzig sowie
der Generalstaatsanwaltschaft Dresden .....................................................353

bb) Grundlegende Ermittlungsdefizite ............................................................353
cc) Verteidigungsaktivitäten des Einsatzführungskommandos der

Bundeswehr ...............................................................................................354
dd) Zügige Verfahrensabwicklung durch die

Generalbundesanwaltschaft .......................................................................355
b) Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes .....................................................356
c) Materiellrechtliche Fehlbewertung als Grundlage der

Verfahrenseinstellung durch die Bundesanwaltschaft .......................................357
d) Einflussnahme der Bundesregierung .................................................................358

III. „Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode gekommene Mensch … einer
zu viel“ .........................................................................................................................358

1. Kein effektiver Schutz der Zivilbevölkerung im bewaffneten Konflikt ..................358

2. Keine Wiedergutmachung für die Opfer .................................................................359

3. Das Gesicht des Krieges ..........................................................................................360

4. lessons learned ........................................................................................................363

C. Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..................................................364

I. Einleitung ....................................................................................................................364

II. Verfahren.....................................................................................................................365

1. Die Öffentlichkeit der Sitzungen .............................................................................365

2. Die Reihenfolge der Zeugen....................................................................................366

3. Die Begrenzung der Sitzungszeiten ........................................................................366

4. Der Versuch einer vorschnellen Beendigung der Beweiserhebung.........................366

5. Die zeitlichen Rahmenbedingungen für das Verfassen des
Abschlussberichts ....................................................................................................366

6. Das Verhalten der Bundesregierung ........................................................................367

7. Das Nichterscheinen von Zeugen ............................................................................367

8. Die Geheimhaltung des COM ISAF-Berichts .........................................................367

III. Die Bewertung des Luftschlags ..................................................................................368

1. Die Entführung der Tanklaster und der Befehl zum Luftschlag am 3. / 4.
September 2009 .......................................................................................................368

2. Militärische und politische Rahmenbedingungen des Luftschlags..........................370

3. Ziele des Luftschlags ...............................................................................................371

a) Abwehr einer unmittelbaren Gefahr? ................................................................372
b) Tötung von Aufständischen ...............................................................................372

4. Verfahrensverstöße bei der Anordnung und Durchführung des
Luftschlags ..............................................................................................................374

a) Rechtliche Rahmenbedingungen für den Luftschlag .........................................374
aa) Humanitäres Völkerrecht ..........................................................................374
bb) ISAF Mandat und Einsatzregeln der ISAF ................................................375
cc) Bundeswehrmandat und Taschenkarte ......................................................375

b) Verletzung der Aufklärungspflichten zur Vermeidung ziviler Opfer ................375
aa) Unpräzise Nachforschungen zu möglichen Zivilpersonen vor Ort ...........375
bb) Ungeeignete Quellenlage ..........................................................................376

aaa) Informationen zu den Tanklastwagenfahrern ...................................377
bbb) Glaubwürdigkeit des HUMINT-Kontaktes .......................................377
ccc) Mittelbare Kommunikation mit dem HUMINT-Kontakt .................378
ddd) Luftbilder durch die B-1B bzw. F-15-E ............................................378
eee) Hintergrundwissen ............................................................................378

cc) Alternative Handlungsmöglichkeiten ........................................................379
dd) Flugzeuganforderung trotz mangelndem TIC ...........................................379

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXIII – Drucksache 17/7400

c) Militärische Eingriffsgrundlage .........................................................................380
d) Show of force ....................................................................................................381
e) Nichteinbeziehung des PRT-Personals ..............................................................381
f) Wirkungsanalyse ...............................................................................................382
g) Schlussfolgerung und Bewertung der rechtlichen Reaktion auf den

Luftschlag ..........................................................................................................382

5. Die Folgen des Luftschlags .....................................................................................383

a) Die Untersuchungsberichte ................................................................................383
b) Ergebnis .............................................................................................................384

6. Mitwirkung Dritter bei der Entscheidung für den Luftschlag .................................384

a) Die Rolle der Task Force 47 ..............................................................................384
b) Rolle des BND ...................................................................................................386
c) Beeinflussung durch afghanische Kräfte ...........................................................386

7. Zusammenfassung ...................................................................................................387

IV. Die Bewertung der militärischen Untersuchungen zum Luftschlag .......................387

1. Erkundungen des BDA-Teams, 4. September 2009 ................................................388

2. Feldjägeruntersuchung, 4. bis 9. September 2009 ...................................................389

3. Internationale Ermittlungen durch den COM ISAF ................................................390

a) IAT Bericht, 4./ 5. September 2009 ...................................................................390
b) Die Erstellung des COM ISAF-Berichts durch das Joint Investigation

Board und die Begleitung durch die „Gruppe 85“, 8. September bis
26. Oktober 2009 ...............................................................................................391
aa) Die Untersuchung des JIB .........................................................................391
bb) Begleitung durch die „Gruppe 85“ ............................................................391

4. Ablehnung einer nationalen Untersuchung durch das BMVg .................................392

5. Zusammenfassung ...................................................................................................393

V. Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion des BMVg
unter Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung und Bundesminister

der Verteidigung zu Guttenberg ................................................................................393

1. Informationsstand von Bundeswehr und BMVg vor dem
Regierungswechsel, September und Oktober 2009 .................................................394

a) Informationsstand, 4. September .......................................................................394
b) Informationsstand des BMVg im September 2009 ............................................395

2. Änderung der Meldungen zum Luftschlag der Internetseite der
Bundeswehr am 4. September .................................................................................396

3. Einseitige Presseberichterstattung durch das BMVg vor dem
Regierungswechsel ..................................................................................................396

a) Presseerklärung des BMVg am 4. September 2009 ...........................................396
b) Bundespressekonferenz, 7. September 2009 .....................................................397
c) Öffentliche Äußerungen des damaligen Bundesministers der

Verteidigung, Dr. Jung ......................................................................................397

4. Unzureichende Berichterstattung gegenüber dem Bundestag .................................397

5. Verzögerte Informationsweitergabe an das Bundeskanzleramt und das
Auswärtige Amt ......................................................................................................398

a) Bundeskanzleramt .............................................................................................398
b) Auswärtiges Amt ...............................................................................................398

6. Intransparente Informationspolitik nach dem Regierungswechsel, Oktober
bis Dezember 2009 ..................................................................................................399

a) Pressestatement des Generalinspekteurs Schneiderhan zum
COM ISAF Bericht, 29. Oktober 2009 ..............................................................399

b) Unterschiedliche Bewertung des Luftschlags durch Bundesminister zu
Guttenberg .........................................................................................................399

Drucksache 17/7400 – XXIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aa) Gegenüberstellung der Äußerungen am 6. November und am 3.

Dezember 2009 .........................................................................................400
bb) Informationsstand vor dem 6. November 2009 .........................................400

aaa) Beratung durch den Führungskreis des BMVg .................................400
bbb) Auswertungsbericht des Einsatzführungsstabs .................................401
ccc) COM ISAF Bericht und Anlagen .....................................................401
ddd) IKRK-Bericht ...................................................................................401

cc) Informationsstand nach dem 25. November 2009 .....................................402

7. Trennung von Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär
Dr. Wichert ..............................................................................................................403

8. Zusammenfassung ...................................................................................................403

VI. Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion des
Auswärtigen Amtes und des Bundesministers des Auswärtigen

Dr. Steinmeier .............................................................................................................404

1. Informationsfluss in das Auswärtige Amt ...............................................................404

a) Ziviler Strang PRT Kunduz ...............................................................................404
b) Weitere Informationsquellen .............................................................................405

2. Kenntnisstand des Auswärtigen Amtes und des Bundesministers des
Auswärtigen, Dr. Steinmeier ...................................................................................405

3. Öffentliche Stellungnahme aus dem Auswärtigem Amt und von Minister
Dr. Steinmeier .........................................................................................................406

VII. Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion von
Bundeskanzlerin Dr. Merkel......................................................................................406

1. Reaktion auf die Informationspolitik des BMVg, 4. bis 8. September 2009 ...........407

2. Öffentliche Stellungnahmen der Bundeskanzlerin, 4. bis 8. September
2009 .........................................................................................................................408

3. Reaktion auf die Ergebnisse des COM ISAF-Berichts und die
Informationspolitik des BMVg, November und Dezember 2009 ...........................408

4. Zusammenfassung ...................................................................................................409

VIII. Schlussbetrachtungen .................................................................................................409

1. Punkte 1 und 2 des Untersuchungsauftrages: Kenntnisstand und
Informationsfluss zum Luftschlag ...........................................................................409

a) Defizitäres Meldeverhalten durch Oberst Klein ................................................409
b) Informationsfluss innerhalb des BMVg .............................................................410

2. Punkte 3 bis 5 des Untersuchungsauftrages: Die Bewertung des
Luftschlag durch die Bundesregierung, sowohl intern als auch gegenüber

Öffentlichkeit und dem Bundestag ..........................................................................410

a) BMVg ................................................................................................................410
b) Bundeskanzleramt und Bundeskanzlerin Dr. Merkel ........................................411
c) Auswärtiges Amt ...............................................................................................411
d) Die Informationsweitergabe an den Bundestag .................................................412

3. Punkt 6 des Untersuchungsauftrags: Einflussnahme durch die Regierung? ............412

a) INTSUM ............................................................................................................412
b) Feldjägerbericht .................................................................................................412
c) COM ISAF-Bericht ...........................................................................................412

4. Punkt 7 des Untersuchungsauftrags: Rechtmäßigkeit des Luftschlags? ..................413

IX. Handlungsempfehlungen (lessons learned) ..............................................................413

Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs .............................415

A. Stellungnahmen der betroffenen Personen ..........................................................................415

I. Oberst Klein ................................................................................................................415

1. Zum Feststellungsteil ..............................................................................................415

2. Zu den Sondervoten ................................................................................................416

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXV – Drucksache 17/7400

II. General Vollmer ..........................................................................................................418

1. Zum Sondervotum der Fraktion der SPD ................................................................418

2. Zum Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .............................419

III. General Glatz ..............................................................................................................419

IV. Kapitän zur See Dienst ...............................................................................................420

B. Gegenäußerungen der Fraktionen ........................................................................................421

I. Fraktion der SPD ........................................................................................................421

1. Zum Verfahren der Gewährung rechtlichen Gehörs ...............................................421

2. Zu den einzelnen Stellungnahmen ..........................................................................421

II. Fraktion DIE LINKE. ................................................................................................423

III. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .....................................................................424

1. Erwiderung zur Stellungnahme des Zeugen Oberst Klein im Rahmen
seines rechtlichen Gehörs ........................................................................................424

2. Erwiderung zu den Stellungnahmen der Zeugen Generalleutnant Glatz
und Brigadegeneral Vollmer ...................................................................................425

C. Anmerkungen der Koalition zu Gegenäußerungen der Opposition in Sachen
Gewährung rechtlichen Gehörs ............................................................................................426

D. Erwiderung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den
Anmerkungen der Ausschussmehrheit unter Punkt C .......................................................427

Sechster Teil: „Lessons Learned“ ..............................................................................................429

A. Lessons Learned der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP im
Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a

Abs. 2 GG ................................................................................................................................429

I. Allgemein .....................................................................................................................429

II. Im Einsatz ....................................................................................................................429

1. Führungsmittel ........................................................................................................429

2. Aufklärungsmittel ...................................................................................................429

3. Wirkmittel ...............................................................................................................430

III. Ausbildung...................................................................................................................430

IV. Themenkomplex Informationsarbeit ........................................................................430

V. Information des Parlaments.......................................................................................430

VI. Information der Öffentlichkeit ..................................................................................431

VII. Zusammenfassung ......................................................................................................431

B. Gemeinsames Positionspapier „lessons learned“ der SPD-
Bundestagsfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23.

September 2011. .....................................................................................................................432

I. Handlungsbedarf auf der Ebene der Bundesregierung ...........................................432

1. Im Bereich der nationalen Einsatzvorgaben des ISAF-Mandats .............................432

2. Im Bereich der „Task Force 47“..............................................................................432

3. Im Bereich der technischen Ausstattung der Bundeswehr in
Auslandseinsätzen ...................................................................................................432

4. Im Bereich des Militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr ........................432

5. Im Bereich der Aus- und Fortbildung .....................................................................432

6. Im Bereich der „Inneren Führung“ ..........................................................................433

7. Im Bereich der Zusammenarbeit zwischen militärischem und zivilem Teil
der PRTs ..................................................................................................................433

8. Im Bereich der Verwaltung des Bundesministeriums der Verteidigung .................433

Drucksache 17/7400 – XXVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
9. Im Bereich des Bundesministeriums der Justiz .......................................................433

10. Im Bereich des Bundeskanzleramtes .......................................................................433

II. Handlungsbedarf auf der Ebene des Gesetzgebers ..................................................434

C. „Lessons Learned“ der Fraktion DIE LINKE. ...................................................................435

D. Protokoll über die 57. Sitzung des Untersuchungsausschusses ..........................................436

I. Bericht der Fraktionen ...............................................................................................436

II. Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr ....................................................440

Anhang: Übersichten und Verzeichnisse ...................................................................................443

I. Abkürzungsverzeichnis ..............................................................................................443

II. Personenverzeichnis....................................................................................................453

III. Dokumentenverzeichnis .............................................................................................460

IV. Verzeichnis Stenographische Protokolle ...................................................................468

V. Beratungsunterlagen ..................................................................................................469

VI. Beschlüsse zu Beweisanträgen ...................................................................................518

VII. Verzeichnis der Materialien .......................................................................................543

VIII. Verzeichnis der Sitzungen ..........................................................................................550

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1 – Drucksache 17/7400
Erster Teil:
Einsetzung des Untersuchungsausschusses und Verlauf des Untersuchungsverfahrens

A. Einsetzung, Auftrag und Konstituierung des Untersuchungsausschusses

In der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 ordnete

der militärische Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams

(PRT) in Kunduz (Afghanistan), Oberst Georg Klein,

einen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen, die zuvor von

regierungsfeindlichen Kräften in ihre Gewalt gebracht

worden waren und auf einer Sandbank im Fluss Kunduz

feststeckten, an. Dieser Luftschlag hat zu einer Vielzahl

von Getöteten und Verletzten geführt.

Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in

Schwielowsee bei Potsdam berichtete am Morgen des

4. September 2009 auf seiner Internetseite von einem

„erfolgreichen Einsatz gegen Aufständische im Raum
Kunduz“, bei dem Unbeteiligte vermutlich nicht zu Scha-
den gekommen seien. Der Gouverneur der Provinz Kun-

duz, Mohammed Omar, berichtete demgegenüber der

Presse von mindestens 72, von denen etwa 30 Personen

als Aufständische identifiziert worden seien.
1
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen schloss

die Möglichkeit ziviler Opfer nicht aus und kündigte eine

gründliche Untersuchung an.
2
Der Kommandeur der

ISAF-Schutztruppe, General Stanley McChrystal, ent-

sandte ein Untersuchungsteam für Sofortmaßnahmen

(Initial Action Team) in Begleitung des US-

amerikanischen Journalisten der Washington Post, Rajiv

Chandrasekaran, nach Kunduz.

Auf Befehl des Kommandeurs des Regionalkommandos

Nord, Brigadegeneral Jörg Vollmer, verlegte ein deutsch-

er Feldjägerstabsoffizier von Masar-i-Scharif nach Kun-

duz, um die Soldaten vor Ort bei der Untersuchung des

Vorfalls zu unterstützen.

Am Abend des 4. September 2009 verteidigte der damali-

ge Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung

in einem Interview der ARD den Luftangriff und begrün-

dete diesen damit, dass durch den Raub der Tanklastzüge

eine „sehr konkrete Gefahrenlage“ für die deutschen Sol-
daten in Kunduz vorgelegen habe.

3
Am selben Tag äußerte sich auch der damalige Bundes-

außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier gegenüber

der Ostseezeitung besorgt über den Vorgang in Afghanis-

tan. Dieser Fall zeige, wie schwierig und gefährlich die

Lage dort sei. Derzeit werde untersucht, wie viele Opfer

es gegeben habe und ob unschuldige Zivilisten darunter

gewesen seien. Dies müsse man abwarten.
1) Spiegel Online vom 5. September 2009, 15:38 Uhr, „US-

Talibanjäger rücken in Bundeswehr-Sektor ein“ (Dokument 1).
2) Bild-Zeitung vom 5. September 2009, „Bundeswehr befiehlt

Luftangriff auf Taliban – bis zu 90 Tote“ (Dokument 2).
3) Spiegel Online vom 5. September 2009, 20:14 Uhr, „Tanklastzug-

Attacke zwingt Minister Jung in die Defensive“(Dokument 3).

Am 5. September 2009 begab sich der Kommandeur der

ISAF-Schutztruppe, General Stanley McChrystal persön-

lich nach Kunduz, um sich ein Bild von der Lage vor Ort

zu machen. Gegenüber der Presse bestätigte er, dass es

auch unter Zivilisten zu Verletzten gekommen sei.
4
Am 6. September 2009 erschien in der Washington Post

der Artikel des amerikanischen Journalisten Rajiv Chand-

rasekaran, der bei der Befragung von Oberst Klein durch

das NATO-Aufklärungsteam anwesend gewesen war. In

dem Artikel wurde exklusiv über Inhalte der Befragung

berichtet, das Handeln der Deutschen kritisiert und er-

wähnt, dass die Mitglieder des Aufklärungsteams sicher

von getöteten Zivilisten ausgingen.

In einem Interview mit der Bild am Sonntag vom gleichen

Tage erklärte der damalige Bundesminister der Verteidi-

gung Dr. Franz Josef Jung, es seien,

„nach allen mir zur Zeit vorliegenden Informatio-
nen […] ausschließlich terroristische Taliban getö-
tet worden.“5

Am 7. September 2009 relativierte Bundesminister

Dr. Jung seine Aussagen zu zivilen Opfern. Laut Spiegel

äußerte er im ZDF, eindeutig erscheine ihm, „dass der
überwiegende Anteil Taliban gewesen sind“. Kritik der
Opposition an seiner Informationspolitik wies er zurück.

6
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel führte in ihrer Regie-

rungserklärung am 8. September 2009 aus, dass es wider-

sprüchliche Meldungen über zivile Opfer gebe, sie jeden

unschuldig Verletzten oder zu Tode gekommenen zutiefst

bedauere und sagte eine „lückenlose Aufklärung“ des
Vorfalls zu.

7
Inzwischen gab es weitere Kritik am Verhalten von

Oberst Klein.
8
Er habe gegenüber den Bomberpiloten

falsche Angaben gemacht und auf eine Warnung der

Menschen vor Ort verzichtet.
9
Der Untersuchungsbericht

der NATO, der Ende Oktober 2009 vorlag, belastete

Oberst Klein ebenfalls. Laut Medienberichterstattung
4) Spiegel Online vom 5. September 2009 (Fn. 3).

5) Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift, wird
bekämpft“ (Dokument 4).

6) Spiegel Online vom 7. September 2009, „Jung relativiert Aussage
zu zivilen Opfern“ (Dokument 5).

7) Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin zu den aktuel-
len Ereignissen in Afghanistan vom 8. September 2009, BT-PlPr.

16/233 (Dokument 6), S. 26297 f.

8) Financial Times Deutschland vom 18. September 2009, „Neue
Vorwürfe gegen deutschen Kommandeur“ (Dokument 7).

9) Der Spiegel vom 21. September 2009, „Schießbefehl vom Roten
Baron“ (Dokument 8).

Drucksache 17/7400 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
habe er mit dem Befehl zur Bombardierung gegen Ein-

satzregeln verstoßen.
10

Nach der Bundestagswahl am 27. September 2009 über-

nahm Dr. Franz Josef Jung das Amt des Bundesministers

für Arbeit und Soziales. Karl-Theodor Freiherr zu Gut-

tenberg wurde am 28. Oktober 2009 Bundesminister der

Verteidigung. Er sprach erstmals von „kriegsähnlichen
Zuständen“ in Afghanistan und bewertete den Luftschlag
als „militärisch angemessen“.11

In der Folge eines Berichtes der Bild-Zeitung vom 26.

November 2009, nach dem ein vertraulicher Untersu-

chungsbericht der Bundeswehr vorliege
12

, entließ Bun-

desminister der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg den

damaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, General

Wolfgang Schneiderhan, sowie den Staatssekretär im

Bundesministerium der Verteidigung, Dr. Peter Wi-

chert.
13

Beide Entlassungen stünden im Zusammenhang

mit Versäumnissen bei der Aufarbeitung der Abläufe der

Luftangriffe in Kunduz.
14

Am nächsten Tag trat Dr. Jung

von seinem Amt als Bundesminister für Arbeit und Sozia-

les zurück, um „die politische Verantwortung für die
interne Informationspolitik“ im Bundesministerium der
Verteidigung nach dem Luftangriff in Kunduz zu über-

nehmen.
15

Am 1. Dezember 2009 haben sowohl die Koalitionsfrak-

tionen als auch die Oppositionsfraktionen Anträge auf

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Verteidi-

gungsausschuss gestellt:

Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP im Verteidi-

gungsausschuss des Deutschen Bundestages haben die

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner um Ergänzung der

Tagesordnung für die 5. Sitzung des Verteidigungsaus-

schusses am 2. Dezember 2009 ersucht und die Konsti-

tuierung des Verteidigungsausschusses als 1. Unter-

suchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundge-

setz mit folgendem Untersuchungsauftrag beantragt:
16

„Gegenstand der Untersuchung soll dabei sein:

1. Welche Meldungen wurden wann und an wen

im Zusammenhang mit dem Luftangriff vom 4.

September 2009 auf die beiden Tanklastzüge am

Kunduz-Fluss aus dem deutschen Verantwor-

tungsbereich RC-North abgesetzt?

2. Welche Meldungen und Berichte über den Vor-

gang lagen dem damaligen Bundesminister der
10) Süddeutsche Zeitung vom 30. Oktober 2009, „Gegen Einsatzre-

geln verstoßen“ (Dokument 9); Tagesspiegel vom 4. November
2009, „Regelverstöße bei Angriff in Kunduz“ (Dokument 10).

11) Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009, „Wir brauchen
Rechtssicherheit für unsere Soldaten“ (Dokument 11).

12) Bildzeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime Bom-
ben-Video der Bundeswehr“ und „Hat Minister Jung die Wahrheit
verschwiegen?“ (Dokument 12).

13) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/7, S. 388 (Dokument 13).

14) Tagesbefehl des Ministers zu Guttenberg vom 26. November

2009 (Dokument 14).
15) Spiegel Online vom 27. November 2009, „Opposition jubelt,

Regierung zollt Respekt“ (Dokument 15).
16) A-Drs. des Verteidigungsausschusses Nr. 17(12) 8.

Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, seinen Staats-

sekretären und dem Generalinspekteur wann vor?

3. Wie sind die befohlenen Meldewege und -ver-

fahren im Bundesministerium der Verteidigung

organisiert und wie wurde die Unterrichtung der

politischen und militärischen Entscheidungsträger

im Bundesministerium der Verteidigung sicherge-

stellt?

4. Gehört zu den befohlenen Meldewegen und -

verfahren auch die Information des Bundeskanz-

leramtes und des Auswärtigen Amtes über jedes

militärische Geschehen mit besonderer Bedeutung

im Verantwortungsbereich der Bundeswehr?

5. Welche Meldungen und Berichte lagen dem

Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-

Theodor Freiherr zu Guttenberg, seit Amtsantritt

wann vor?

6. Welche Erkenntnisse wurden aus dem Luftang-

riff gewonnen und welche Nachsteuerungen wur-

den in nationaler Verantwortung vorgenommen?“

Die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN im Verteidigungsausschuss haben

ebenfalls am 1. Dezember 2009 einen Antrag für die 5.

Sitzung des Verteidigungsausschusses auf Konstituierung

des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsaus-

schuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz mit folgen-

dem Untersuchungsauftrag vorgelegt:
17

„Der Ausschuss hat den Auftrag, den durch den
militärischen Leiter des Provinz-Wiederaufbau-

teams (PRT) in Kunduz (Afghanistan) veranlassten

Luftschlag auf zwei Tanklaster am 3./4. September

2009, Verantwortlichkeiten für diesen Einsatz und

die diesbezügliche Aufklärungs- und Informati-

onspolitik der Bundesregierung umfassend zu un-

tersuchen und dabei insbesondere zu klären:

1. Wurde der Einsatz in Übereinstimmung mit den

Befehlen und den neuen Einsatzrichtlinien des

COM ISAF und der Bundeswehr durchgeführt?

Hat die Bundesregierung diese Einsatzrichtlinien

und Einsatzbefehle umgesetzt – und wenn ja, wie?

2. Wer im Verantwortungsbereich der Bundeswehr

und der Bundesregierung hatte zu welchem Zeit-

punkt welche Erkenntnisse über die tatsächliche

und militärische Aufklärung, Motivlage, Durch-

führung und die Folgen des Luftschlages?

3. Welche dieser Informationen wurden wann und

durch wen an die militärische Leitung oder an das

Bundesministerium der Verteidigung und seine po-

litische Leitung oder an sonstige Stellen im Ver-

antwortungsbereich der Bundesregierung sowie an

inländische oder ausländische dritte Stellen wei-

tergegeben?
17) A-Drs. des Verteidigungsausschusses Nr. 17(12) 9.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7400
4. Welche Berichte, Informationen und Erkenn-

tnisse waren zu welchem Zeitpunkt Grundlage für

die tatsächliche, rechtliche und politische Bewer-

tung dieses Luftschlages durch die Mitglieder und

Mitarbeiter der damaligen sowie der heutigen

Bundesregierung und wurden diese Bewertungen

jeweils auf bestmöglicher Informationsgrundlage

sowie fachlich und sachlich objektiv zutreffend

(lege artis) vorgenommen?

5. Welche der im Bereich der Bundeswehr bzw.

der Bundesregierung hierzu vorliegenden Informa-

tionen haben Mitglieder oder Mitarbeiter der Bun-

desregierung wann an den Deutschen Bundestag

und seine Fachausschüsse, an inländische oder

ausländische dritte Stellen sowie an die Öffent-

lichkeit weitergegeben?

6. Für den Fall, dass Informationen falsch, unvoll-

ständig oder überhaupt nicht weitergegeben wor-

den sind:

Welche der beteiligten Personen hat innerhalb des

Bereiches der Bundesregierung, gegenüber dem

Deutschen Bundestag, gegenüber der Öffentlich-

keit oder gegenüber Dritten wie, warum, auf wes-

sen Veranlassung, mit wessen Hilfe und mit wes-

sen Kenntnis falsch, unvollständig oder überhaupt

nicht informiert und welche Vereinbarungen und

Motivlagen hat es hier zu gegebenenfalls gege-

ben?“

In der 5. Sitzung des Verteidigungsausschusses am 2. De-

zember 2009 ist Einvernehmen erzielt worden, den Ver-

teidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss ge-

mäß Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz einzusetzen. Von

den Oppositionsfraktionen ist dabei betont worden, dass

es ein Gebot der Transparenz sei, öffentliche Sitzungen

durchzuführen, wenn nicht militärische Details, sondern

politische Verantwortlichkeiten besprochen würden.
18

Die

CDU/CSU-Fraktion hat sich grundsätzlich für ein Beibe-

halten des Prinzips der Nichtöffentlichkeit von Aus-

schusssitzungen ausgesprochen. Im Einzelfall seien aber

öffentliche Sitzungen möglich, wenn dies aus Gründen

der Transparenz geboten sei und keine geheimhaltungs-

bedürftigen Dinge zur Sprache kämen.
19

Im Nachgang zur Sitzung kamen die Obleute überein, auf

der Grundlage der gestellten Anträge einen gemeinsamen

Untersuchungsauftrag zu fertigen.

I. Konstituierung des Untersuchungsaus-
schusses und Untersuchungsauftrag

Unter Leitung der Vorsitzenden des Verteidigungsaus-

schusses, Dr. h. c. Susanne Kastner, ist die konstituieren-

de Sitzung des Verteidigungsausschusses als 1. Untersu-

chungsausschuss am 16. Dezember 2009 mit folgenden

Tagesordnungspunkten durchgeführt worden:
18) Verteidigungsausschuss, Kurzprotokoll der 5. Sitzung, S. 11 f.

19) Verteidigungsausschuss, Kurzprotokoll der 5. Sitzung, S. 10.

1. Konstituierung des Verteidigungsausschusses

als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a

Abs. 2 Grundgesetz.

2. Beratung des Untersuchungsauftrages auf der

Grundlage der Beschlussfassung des Verteidi-

gungsausschusses in der 5. Sitzung vom 2. Dezem-

ber 2009.

In dieser konstituierenden Sitzung hat die Vorsitzende

erklärt, dass auf der Grundlage des gemeinsamen Antra-

ges der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion sowie

des gemeinsamen Antrages der Fraktionen der SPD, DIE

LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Verteidi-

gungsausschuss in seiner Sitzung am 2. Dezember 2009

einstimmig beschlossen habe, sich als 1. Untersuchungs-

ausschuss einzusetzen. Dieser Beschluss werde mit der

heutigen Zusammenkunft zur 1. Sitzung des Untersu-

chungsausschusses gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundge-

setz vollzogen. Damit habe sich der Verteidigungsaus-

schuss als 1. Untersuchungsausschuss in der 17. Wahl-

periode gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz am

16. Dezember 2009 konstituiert.
20

1. Untersuchungsauftrag

Die Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP,

DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben

dem Verteidigungsausschuss am 14. Dezember 2009 als

Ergebnis eines Abstimmungsgespräches zwischen den

Obleuten einen gemeinsamen Antrag zum Untersu-

chungsauftrag auf Ausschussdrucksache Nr. 17(12)120

mit folgendem Wortlaut vorgelegt:

„Der Ausschuss hat den Auftrag, den durch den
militärischen Leiter des Provinz-Wiederaufbau-

teams (PRT) in Kunduz/Afghanistan veranlassten

Luftangriff auf zwei Tanklastwagen am 3./4. Sep-

tember 2009, die diesbezügliche Aufklärungs- und

Informationspraxis der Bundesregierung sowie die

Vereinbarkeit der gewählten Vorgehensweisen mit

nationalen und multinationalen politischen, rech-

tlichen und militärischen Vorgaben für den Einsatz

in Afghanistan umfassend zu untersuchen und da-

bei insbesondere zu klären:

1. Wer im Verantwortungsbereich der Bundeswehr

und der Bundesregierung, insbesondere im Bun-

desministerium der Verteidigung, im Auswärtigen

Amt sowie im Bundeskanzleramt, hatte zu wel-

chem Zeitpunkt von wem welche Kenntnisse über

die Aufklärung, Beweggründe und Durchführung

sowie über die Folgen des Luftangriffs?

2. Welche dieser Informationen wurden wann und

durch wen auf welchen Meldewegen und mithilfe

welcher Meldeverfahren an das Bundesministe-

rium der Verteidigung, seine militärische Führung

und seine politische Leitung oder an sonstige Stel-

len im Verantwortungsbereich der Bundesregie-
20) Kurzprotokoll der 1. Sitzung, S. 2.

Drucksache 17/7400 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
rung sowie an inländische und ausländische dritte

Stellen weitergegeben?

3. Welche Berichte, Informationen und Erkenn-

tnisse waren zu welchem Zeitpunkt Grundlage für

die tatsächliche, rechtliche und politische Bewer-

tung dieses Luftangriffs durch Mitglieder und Mi-

tarbeiter der damaligen sowie der heutigen Bun-

desregierung und wurden diese Bewertungen je-

weils auf bestmöglicher Informationsgrundlage

sowie fachlich und sachlich angemessen (lege ar-

tis) vorgenommen?

4. Welche der im Bereich der Bundeswehr bzw.

der Bundesregierung vorliegenden Informationen

zum Luftangriff haben Mitglieder oder Mitarbeiter

der Bundesregierung wann an den Deutschen

Bundestag uns seine Fachausschüsse, an inländi-

sche oder ausländische dritte Stellen sowie an die

Öffentlichkeit weitergegeben?

5. Für den Fall, dass Informationen falsch, unvoll-

ständig oder überhaupt nicht weitergegeben wor-

den sind: Welche der beteiligten Personen hat in-

nerhalb des Bereichs der Bundesregierung, gege-

nüber Dritten wie, warum, auf wessen Veranlas-

sung, mit wessen Hilfe und mit wessen Kenntnis

falsch, unvollständig oder überhaupt nicht infor-

miert und welche Vereinbarungen und Beweg-

gründe lagen dem gegebenenfalls zugrunde?

6. Gab es – und falls ja: wann, wie, durch wen, auf
wessen Veranlassung und mit wessen Kenntnis –
aus dem Bereich der Bundesregierung Bemühun-

gen, Einfluss zu nehmen auf die Erstellung von

Verlautbarungen, Berichten oder sonstigen Doku-

menten innerhalb oder außerhalb der Bundesregie-

rung, die die Ereignisse vom 3./4. September 2009

selbst oder den nachträglichen Umgang mit diesen

zum Gegenstand hatten oder hätten haben sollen?

7. Wurde der Einsatz in Übereinstimmung mit den

politischen Mandaten, der operativen Planung so-

wie den Befehlen und Einsatzrichtlinien des COM

ISAF und der Bundeswehr durchgeführt? Hat die

Bundesregierung diese Einsatzrichtlinien in Ein-

satzbefehle umgesetzt – und wenn ja: wann? Wel-
che Nachsteuerungen wurden gegebenenfalls in

nationaler Verantwortung mit Blick auf die Zu-

kunft vorgenommen oder müssen noch vorge-

nommen werden?“

Der Antrag ist in der ersten Sitzung des Verteidigungs-

ausschusses als 1. Untersuchungsausschuss am 16. De-

zember 2009 einstimmig beschlossen worden.

2. Mitglieder des Untersuchungsausschus-
ses

Die Fraktionen haben folgende Ausschussmitglieder be-

nannt:

Fraktion der CDU/CSU

Ordentliche Mitglieder

– Ernst-Reinhard Beck

– Michael Brand

– Dr. Reinhard Brandl

– Ingo Gädechens

– Markus Grübel

– Florian Hahn

– Jürgen Hardt

– Robert Hochbaum

– Dr. Karl A. Lamers

– Henning Otte

– Sybille Pfeiffer (bis 27. September 2010)

– Anita Schäfer

– Bernd Siebert (ab 27. September 2010)

– Karin Strenz

Stellvertretende Mitglieder

– Dorothee Bär (bis 26. Januar 2010)

– Veronika Bellmann

– Clemens Binninger

– Dr. Michael Fuchs (bis 12. Januar 2010)

– Dr. Wolfgang Götzer (ab 26. Januar 2010)

– Jürgen Herrmann

– Christian Hirte

– Siegfried Kauder (ab 12. Januar 2010 bis 19. Sep-
tember 2011)

– Axel Knoerig

– Dr. Rolf Koschorrek

– Michaela Noll (bis 17. Mai 2010)

– Dr. Joachim Pfeiffer

– Dr. Andreas Schockenhoff

– Detlef Seif (ab 17. Mai 2010)

– Thomas Silberhorn

– Marcus Weinberg

Fraktion der SPD

Ordentliche Mitglieder

– Rainer Arnold

– Dr. Hans-Peter Bartels

– Karin Evers-Meyer

– Michael Groschek

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7400
– Dr. h. c. Susanne Kastner

– Lars Klingbeil

– Fritz-Rudolf Körper

– Ullrich Meßmer

Stellvertretende Mitglieder

– Uwe Karl Beckmeyer

– Bernhard Brinkmann

– Dr. Peter Danckert

– Dr. h. c. Gernot Erler

– Gabriele Fograscher

– Dr. Edgar Franke

– Johannes Kahrs

– Uta Zapf

Fraktion der FDP

Ordentliche Mitglieder

– Rainer Erdel (ab 8. Juni 2010)

– Elke Hoff

– Hellmut Königshaus (bis 8. Juni 2010)

– Burkhard Müller-Sönsken

– Christoph Schnurr

– Joachim Spatz

Stellvertretende Mitglieder

– Dr. Bijan Djir-Sarai (ab 23. März 2010)

– Rainer Erdel (bis 8. Juni 2010)

– Jörg van Essen

– Dr. h. c. Jürgen Koppelin

– Holger Krestel (ab 8. Juni 2010)

– Christian Lindner (bis 23. März 2010)

– Dr. Rainer Stinner

Fraktion DIE LINKE

Ordentliche Mitglieder

– Christine Buchholz

– Inge Höger

– Harald Koch

– Paul Schäfer

Stellvertretende Mitglieder

– Jan van Aken

– Sevim Dağdelen (bis 25. Februar 2010)

– Wolfgang Nešković (ab 25. Februar 2010)

– Stefan Liebich

– Kathrin Vogler

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ordentliche Mitglieder

– Katja Keul

– Tom Koenigs

– Agnes Malczak

– Omid Nouripour

Stellvertretende Mitglieder

– Alexander Bonde

– Hans-Josef Fell

– Dr. Frithjof Schmidt

– Wolfgang Wieland

Nach der Konstituierung des Verteidigungsausschusses

als 1. Untersuchungsausschuss hat es folgende Änderun-

gen in der Zusammensetzung gegeben:

Von der Fraktion der FDP ist Abgeordneter Dr. Bijan

Djir-Sarai am 23. März 2010 für Abgeordneten Christian

Lindner als stellvertretendes Mitglied benannt worden.

Am 8. Juni 2010 hat die FDP-Fraktion Abgeordneten

Holger Krestel für den Abgeordneten Rainer Erdel als

stellvertretendes Mitglied und den Abgeordneten Rainer

Erdel für den Abgeordneten Hellmut Königshaus als

ordentliches Mitglied benannt. Begrenzt für die Sitzung

am 1. Juli 2010 hat die Fraktion DIE LINKE. den Ab-

geordneten Stefan Liebich für die Abgeordnete Christine

Buchholz als ordentliches Mitglied benannt. Abgeordneter

Jan van Aken ist von der Fraktion DIE LINKE. für die

Sitzung am 28. Oktober 2010 als ordentliches Mitglied

für den Abgeordneten Harald Koch benannt worden.

Die Fraktion der CDU/CSU hat am 12. Januar 2010 Ab-

geordneten Siegfried Kauder für Abgeordneten

Dr. Michael Fuchs als stellvertretendes Mitglied benannt.

Am 26. Januar 2010 sind der Abgeordnete Dr. Wolfgang

Götzer für die Abgeordnete Dorothee Bär als stellvertre-

tendes Mitglied sowie am 27. September 2010 Bernd

Siebert für die Abgeordnete Sybille Pfeiffer als ordentli-

ches Mitglied benannt worden.

3. Vorsitz, stellvertretender Vorsitz sowie
Sprecher, Berichterstatter und Vertreter im
Interfraktionellen Gremium

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Dr. h. c.

Susanne Kastner (SPD), hat regelmäßig den Vorsitz im

Untersuchungsausschuss wahrgenommen. Stellvertreten-

der Vorsitzender ist der Abgeordnete Dr. Karl A. Lamers

(CDU/CSU) gewesen. Dieser hat die 11. und die 58. Sit-

zung des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungs-

ausschuss geleitet und die Vorsitzende in den anderen

Sitzungen temporär vertreten.

Drucksache 17/7400 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Sprecher der Fraktionen im Verteidigungsausschuss,

die Abgeordneten Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU),

Rainer Arnold (SPD), Paul Schäfer (DIE LINKE.) und

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben

diese Funktion auch im Untersuchungsausschuss wahrge-

nommen. Für die FDP-Bundestagfraktion im Untersu-

chungsausschuss hat diese Aufgabe bis zum 22. April

2010 der Abgeordnete Hellmut Königshaus (FDP) und

danach der Abgeordnete Joachim Spatz (FDP) ausgeübt.

Als Berichterstatter im Untersuchungsausschuss wurden

für die CDU/CSU-Fraktion die Abgeordneten Michael

Brand und Hennig Otte bestimmt. Berichterstatterin der

Fraktion DIE LINKE. ist die Abgeordnete Inge Höger

gewesen. Bei den Fraktionen der SPD, der FDP und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben die Sprecher auch

die Funktion eines Berichterstatters im Untersuchungs-

ausschuss ausgeübt.

Als Vertreter im so genannten Interfraktionellen Gremium

sind neben den Sprechern benannt worden für die

CDU/CSU-Fraktion die Abgeordneten Michael Brand

und Henning Otte, für die SPD-Fraktion die Abgeordne-

ten Dr. Hans Peter Bartels und Karin Evers-Meyer, für

die FDP bis zum 22. April 2010 der Abgeordnete Hellmut

Königshaus und anschließend der Abgeordnete Joachim

Spatz, für die Fraktion DIE LINKE. die Abgeordnete Inge

Höger und für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

die Abgeordnete Katja Keul.

4. Benannte und ermächtigte Mitarbeiter der
Fraktionen

Folgende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen

sind für die Teilnahme an den Sitzungen des Verteidi-

gungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss gemäß

Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz benannt worden:

Fraktion der CDU/CSU:

– Ina Bremer

– Claudia von Cossel

– Andreas Henne

– Dr. Oliver Klein

– Kathrin Lenhardt (bis 30. Juni 2011)

– Sathia Lorenz

– Martina Schreckenbach

– Bernd Weber

– Volker Zimmermann

Fraktion der SPD:

– Johannes von Ahlefeldt (ab 22. April 2010)

– Ulrike Fleischer

– Christian Heyer

– Alexandra Rodekurth (bis 31. August 2010)

– Axel Schneider

– Nathalie Seiler (ab 12. August 2010)

– Albrecht von Wangenheim

Fraktion der FDP:

– Tim Heerhorst (bis 14. Oktober 2010)

– Juliane Puls (bis 08. Juni 2010)

– Sebastian Schweiger (ab 6. April 2010)

Fraktion DIE LINKE.:

– Dr. Kirsten Jansen

– Dr. Alexander Neu

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

– Denise Bentele (8. Februar 2010 bis 31. Dezember
2010)

– Steffen Buchsteiner

– Dr. Verena Haan (ab 1. Januar 2011)

– Sascha Hach

– Andreas Körner (bis 8. Februar 2010)

– Ann-Kristin Otto

– Nicole Wermer

– Christian Wussow

5. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bun-
destages

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Rein-

hold Robbe (bis 12. Mai 2010), und ab dem 20. Mai 2010

Hellmut Königshaus, hat an einigen Sitzungen des Unter-

suchungsausschusses persönlich teilgenommen.

6. Beauftragte der Bundesregierung

Die nachfolgenden benannten Beauftragten der Bundes-

regierung sind dem Sekretariat des Untersuchungsaus-

schusses schriftlich benannt worden und sind ermächtigt

gewesen, als Vertreter ihrer Behörde an den Sitzungen

des Untersuchungsausschusses teilzunehmen:

Bundeskanzleramt:

– Regierungsdirektor Matthias Garrelfs

– Vortragender Legationsrat Bernd Heinze

– Ministerialdirigent Dr. Hans Hofmann

– Ministerialrätin Christel Jagst

– Oberstleutnant Dierk von Jagow

– Oberst i. G. Reiner Just

– Oberregierungsrat Guido Keysser

– Oberstleutnant i. G. Martin Krüger

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7400
– Oberregierungsrätin Beate Pagelsdorf

– Oberregierungsrat Georg Schäfer

– Regierungsdirektorin Dr. Susanne Schmidt-Radefeldt

– Regierungsdirektorin Christiane Tietz

– Regierungsoberinspektorin Heidje Winklmüller

Bundesministerium der Verteidigung:

– Ministerialdirigent Ulrich Birkenheier

– Regierungsdirektor Carsten Denecke

– Oberstleutnant i. G. Andreas Durst

– Oberst i. G. Andreas Helmut Hannemann

– Oberstleutnant i. G. Dietrich Klaus Jensch

– Regierungsdirektor Jens Kessemeier

– Oberst i. G. Uwe Nerger

– Joachim Peter

– Regierungsdirektor Hans-Joachim Sauerwald

– Ministerialrat Stefan Sohm

– Leitende Regierungsdirektorin Sylvia Spies

– Regierungsrat Dr. Christoph Schwegmann

– Oberregierungsrat Björn Theis

– Oberstleutnant i. G. Michael Westermann

Auswärtiges Amt:

– Legationsrätin Maria Adebahr

– Vortragende Legationsrätin Susanne Baumann

– Legationsrat Erster Klasse Ricklef Beutin (bis zum 1.
Juli 2011)

– Vortragender Legationsrat Erster Klasse Dr. Ole
Diehl

– Legationsrätin Irene Eidemüller (ab dem 4. Juli
2011)

– Carolin Homburg

– Vortragender Legationsrat Volker Pellet

– Konsulatssekretärin Elisabeth Pellkofer

– Konsulatssekretärin Isabell-Maria Turzer

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung:

– Vortragender Legationsrat Erster Klasse Stefan Herz-
berg

– Oberstleutnant Burkhard Lindhorst

Bundesministerium des Innern:

– Ministerialrat Torsten Akmann

– Regierungsamtsrätin Sonja Hornke

Bundesministerium der Justiz:

– Ministerialrat Dr. Michael Greßmann

– Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Thorsten
Jobs

– Staatsanwalt Dieter Killmer

– Ministerialrat Detlef Wasser

– Richter am Landgericht Robert Winter

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-

beit und Entwicklung:

– Regierungsdirektorin Petra Hippmann

– Dr. Iris-Angela Müller

– Regierungsrätin Katharina Peter

7. Sekretariat des Untersuchungsausschus-
ses

Angegliedert an das Sekretariat des Verteidigungsaus-

schusses unter Leitung von Ministerialrat Hans-Ulrich

Gerland ist ein Sekretariat des Untersuchungsausschusses

eingerichtet worden. In dessen Aufgabenbereich sind die

inhaltliche und organisatorische Vor- und Nachbereitung

der Ausschusssitzungen, die Klärung von Rechts- und

Verfahrensfragen, die Ausfertigung und Umsetzung von

Beschlüssen sowie die Erstellung eines Berichtsentwurfs

gefallen. Dem Sekretariat haben angehört:

Leitung:

– Regierungsdirektor Dr. Enrico Brissa (bis zum 14.
Februar 2011)

– Regierungsdirektor Harald Georgii (ab dem 14. Feb-
ruar 2011)

Vertretung:

– Regierungsdirektor Norman Plaster (bis zum 31.
August 2011)

Sachbearbeiterin

– Oberamtsrätin Angelika Fülbier

1. Ausschusssekretärin:

– Marianne Steinert (bis zum 31.Dezember 2010)

– Jana Schumann (ab dem 1. Januar 2011)

2. Ausschusssekretärin

– Denise Kayser

Darüber hinaus sind ab dem 13. Januar 2010 die geprüften

Rechtskandidatinnen Marie-Christin Meier und Madlen

Jahn (bis 31. Oktober 2010) sowie Johanna Hortolani (ab

3. November 2010) und Antje Schulze (ab 7. Februar

2011) im Sekretariat eingesetzt worden. Die Arbeit des

Sekretariats ist des Weiteren durch die studentischen

Hilfskräfte Hans Rosenbaum (ab 13. Januar 2010) und

Drucksache 17/7400 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Salvador E. Becker (13. Januar 2010 bis 11. März 2011)

unterstützt worden.

II. Verfahren und Untersuchungen mit sachli-
chem Bezug zum Untersuchungsauftrag

Nachfolgend aufgeführte Untersuchungen und Verfahren

haben einen sachlichen Bezug zum Untersuchungsauftrag

des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsaus-

schuss aufgewiesen:

1. Strafrechtliche Ermittlungen

Nachdem bekannt geworden war, dass bei dem am 4.

September 2009 ausgeführten Luftschlag möglicherweise

auch unbeteiligte Zivilpersonen getötet worden waren, hat

die Staatsanwaltschaft Potsdam im Rahmen ihrer Eilzu-

ständigkeit am 7. September 2009 ein Vorprüfungsverfah-

ren eingeleitet, um zu untersuchen, ob ein strafrechtlicher

Anfangsverdacht gegen Oberst i. G. Klein besteht und den

Vorgang am selben Tag an die zuständige Staatsanwalt-

schaft Leipzig abgegeben.

Mit Verfügung vom 9. September 2009 hat der General-

staatsanwalt des Freistaates Sachsen die Amtsverrichtung

der Staatsanwaltschaft in diesem Fall übernommen. Nach

Prüfung der Rechtslage ist die Generalstaatsanwaltschaft

Dresden zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich in

Afghanistan um einen „bewaffneten Konflikt“ handele, in
dessen Zusammenhang das prüfungsgegenständliche

Verhalten gestanden habe, so dass eine Strafbarkeit zu-

vörderst nach den Vorschriften des Völkerstrafgesetzbu-

ches in Betracht komme.

Da die Zuständigkeit für die Verfolgung von Straftaten

nach dem Völkerstrafgesetzbuch beim Generalbundesan-

walt beim Bundesgerichtshof liegt, hat die Generalstaats-

anwaltschaft des Freistaates Sachsen den Vorgang mit

Schreiben vom 11. September 2009 dem Generalbundes-

anwalt beim Bundesgerichtshof vorgelegt.

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat

mit Verfügung vom 12. März 2010 ein Ermittlungsverfah-

ren wegen des Verdachts einer Strafbarkeit nach dem

VStGB und anderer Delikte eingeleitet.

Die Bundesanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren

gegen Oberst i. G. Klein und Hauptfeldwebel W. wegen

des Luftangriffs vom 4. September 2009 in der Nähe von

Kunduz am 16. April 2010 gemäß § 170 Abs. 2 Strafpro-

zessordnung (StPO) eingestellt, weil im Ergebnis weder

die Vorschriften des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB)

noch die Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB)

erfüllt seien.

Dem Untersuchungsausschuss hat die vollständige als

GEHEIM eingestufte Einstellungsverfügung vorgelegen.

Unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Einhaltung

des Geheimschutzes hat die Pressestelle des Generalbun-

desanwalts beim Bundesgerichtshof am 19. April 2010

folgende Aussagen zu den Gründen der Entscheidung

bekannt gegeben:
21

„1. Bei den Auseinandersetzungen zwischen den
aufständischen Taliban und der afghanischen Re-

gierung sowie der ISAF in Afghanistan handelt es

sich um einen nichtinternationalen bewaffneten

Konflikt im Sinne des Völkerstrafrechts. Die Sol-

daten der Bundeswehr sind im Rahmen des ISAF-

Einsatzes reguläre Kombattanten, eine Strafbarkeit

scheidet daher aus, soweit völkerrechtlich zulässi-

ge Kampfhandlungen vorliegen.

2. Die Anordnung des Bombenabwurfs auf die

beiden durch Talibankämpfer geraubten Tanklast-

züge erfüllt nicht den Tatbestand des § 11 Abs. 1

Nr. 3 VStGB (Verbotene Methoden der Kriegsfüh-

rung). Dieser setzt in subjektiver Hinsicht die si-

chere Erwartung des Täters voraus, dass der Ang-

riff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen

oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem

Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu

dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittel-

baren militärischen Vorteil steht. Das hiernach für

dieses Delikt maßgebliche Vorstellungsbild der

Beschuldigten und die Grundlagen des subjektiven

Tatbestandes bilden den Kern der völkerstrafrech-

tlichen Beurteilung des Luftangriffs. Nach dem

Ergebnis der Ermittlungen sind die Beschuldigten

schon nicht davon ausgegangen, dass sich zum

Zeitpunkt des Luftangriffs Zivilisten auf der Sand-

bank des Kunduz-Flusses aufhielten. Diese Frage

war Gegenstand der Erörterungen des etwa einein-

halbstündigen Entscheidungsprozesses bis zum

Bombenabwurf. Nach Ausschöpfung der ihnen in

der konkreten militärischen Lage zur Verfügung

stehenden Erkenntnismöglichkeiten hatten die Be-

schuldigten keine Hinweise auf die Anwesenheit

von Zivilisten. Vielmehr konnten sie nach gewis-

senhafter und immer wieder aktualisierter Prüfung

aller ihnen zum Geschehensablauf bekannten Fak-

ten und Umstände annehmen, dass ausschließlich

Aufständische vor Ort waren.

3. Auch sonstige Tatbestände des VStGB (§ 8 und

§ 11 Abs. 1 Nr. 1) sind nicht erfüllt, weil keine der

von diesen Vorschriften geschützten Personen-

gruppen Ziel des Luftangriffs waren.

4. Die Normen des allgemeinen Strafrechts sind

neben denen des VStGB anwendbar. Der Gesetz-

geber hat mit der Einführung des Völkerstrafge-

setzbuches keine abschließende Regelung getrof-

fen. Nach dem Ergebnis von historischer, systema-

tischer, teleologischer und verfassungsbezogener

Auslegung der Zuständigkeitsnorm des § 120

Abs. 1 Nr. 8 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist

der Generalbundesanwalt dafür zuständig, alle in
21) Pressemitteilung 8/2010 des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof vom 19. April 2010 (Dokument 16).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/7400
diesem Zusammenhang relevanten strafrechtlichen

Tatbestände abschließend zu prüfen.

5. Der Abwurf von Bomben auf Ziele, in deren

unmittelbarer Nähe sich Menschen aufhalten, ist

auch nach den Vorschriften des deutschen Strafge-

setzbuchs bei Geltung des Konfliktvölkerrechts

immer dann gerechtfertigt und damit straflos,

wenn der militärische Angriff völkerrechtlich zu-

lässig ist. So liegt der Fall hier:

a) Soweit die getöteten Menschen zu den Aufstän-

dischen gehörten, durfte ihnen als Kämpfer der

nichtstaatlichen Konfliktpartei der Angriff gelten.

Eine Bekämpfung der vor Ort befindlichen Tali-

ban-Gruppen war am Boden ohne Risiko für die

eigenen Truppen nicht möglich. Die Inkaufnahme

einer solchen Gefährdung ist dem Befehlshaber

nach dem Konfliktvölkerrecht nicht abzuverlan-

gen.

b) Bei den anderen Getöteten und Verletzten ist

davon auszugehen, dass es sich um vom humanitä-

ren Konfliktvölkerrecht geschützte Zivilisten han-

delte, die nicht unmittelbar an Feindseligkeiten

teilnahmen. Gleichwohl war der Angriffsbefehl

völkerrechtlich zulässig. Auch bei der nach Völ-

kerrecht zu treffenden Prüfung ist die Perspektive

des Angreifenden zur Tatzeit zugrunde zu legen,

nicht ein erst nachträglich erkennbarer tatsächli-

cher Verlauf. Oberst Klein, der sich der Verpflich-

tung bewusst war, zivile Opfer soweit irgend mög-

lich zu vermeiden, hat hierbei keine ihm gebotene

und praktikable Aufklärung unterlassen. Nach

Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden

Erkenntnisquellen war in der konkreten zeitkriti-

schen militärischen Situation vielmehr eine weitere

Aufklärung nicht möglich, so dass er nach den ihm

vorliegenden Informationen nicht mit der Anwe-

senheit geschützter Zivilisten rechnen musste.

Rechtlich ist auf Folgendes hinzuweisen: Selbst

wenn man mit zivilen Opfern einer Militäraktion

rechnen muss, ist ein Bombenabwurf nur völker-

rechtlich unzulässig, wenn es sich um einen ‚un-
terschiedslosen„ Angriff handelt, bei dem der zu
erwartende zivile Schaden in keinem Verhältnis

zum erwarteten konkreten und unmittelbaren mili-

tärischen Erfolg steht. Dies war hier nicht der Fall:

Oberst Klein hat sich trotz des besonderen Drucks

der Entscheidungssituation für einen örtlich eng

begrenzten Einsatz mit der kleinsten zur Verfü-

gung stehenden Bombengröße und -anzahl ent-

schieden.

6. Der Beschuldigte Klein durfte davon ausgehen,

dass keine Zivilisten vor Ort waren. Deshalb war

er nicht verpflichtet, Warnhinweise vor dem mili-

tärischen Angriff zu geben.

7. Verstöße gegen innerdienstliche Vorgaben, in-

sbesondere gegen einzelne Einsatzregeln (Rules of

Engagement) sind nicht geeignet, völkerrechtlich

zulässige Handlungen einzuschränken, weil solche

Einsatzregeln rein intern gelten und ihnen keine

völkerrechtlich verbindliche Rechtswirkung nach

außen zukommt.

8. Zur genauen Anzahl der Opfer des Luftangriffs

– die für die hier vorzunehmende rechtliche Beur-
teilung nicht entscheidungserheblich ist – konnten
die zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglich-

keiten keine hinreichend sichere Aufklärung brin-

gen.

Als sicher anzusehen ist, dass zwei namentlich be-

kannte Talibanführer getötet wurden und dass

Aufständische wie auch Zivilisten unter den Op-

fern waren. Das einzig objektive Beweismittel sind

die vorhandenen Videoaufzeichnungen der

Kampfflugzeuge, auf denen 30 bis 50 Personen

zum Zeitpunkt des Luftangriffs auf der Sandbank

zu erkennen sind. In diese Größenordnung weist

auch ein Abgleich der Namen auf den in verschie-

denen Untersuchungsberichten enthaltenen Opfer-

listen. Etwa 50 Namen finden sich durchgängig in

jeder dieser Aufstellungen, Unsicherheiten bleiben

wegen unterschiedlicher Schreibweisen. Eine wei-

tere Aufklärung war und ist nicht möglich, insbe-

sondere weil der Einsatz moderner gerichtsmedizi-

nischer Untersuchungen einschließlich notwendi-

ger Exhumierungen und Obduktionen zur Über-

prüfung von Zeugenaussagen angesichts der ge-

sellschaftlichen und religiösen Gegebenheiten in

Afghanistan ausgeschlossen ist.“

2. Disziplinarrechtliche Ermittlungen

Nach Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfah-

rens hat der Inspekteur des Heeres als zuständige Einlei-

tungsbehörde disziplinare Vorermittlungen gegen Oberst

i. G. Klein aufgenommen. Auch wenn dessen Handeln

nach der Feststellung der Generalbundesanwaltschaft

keine strafrechtliche Relevanz besaß, ist zu prüfen gewe-

sen, ob der Offizier möglicherweise gegen seine Dienst-

pflichten verstoßen hat und sein Handeln insoweit ein

Dienstvergehen darstellte. Gegenstand der disziplinaren

Prüfung ist gewesen, ob Oberst i. G. Klein mit seinem

Handeln im Rahmen der von den Vereinten Nationen

(UN) mandatierten ISAF-Mission gegen die zum Ereig-

niszeitpunkt gültigen nationalen wie internationalen Ein-

satzregeln verstoßen hat. Am 19. August 2010 ist das

Vorermittlungsverfahren eingestellt und festgestellt wor-

den, dass Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen nicht

erkennbar seien.
22
22) Pressemitteilung des Presse- und Informationszentrums des

Heeres vom 19. August 2010 (Dokument 17).
Drucksache 17/7400 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Untersuchung der Dokumentenflüsse im

Bundesministerium der Verteidigung zum
Close Air Support am 4. September 2009
bei Kunduz durch Staatssekretär Rüdiger
Wolf

Auf Weisung des Bundesministers der Verteidigung zu

Guttenberg hat der Staatsekretär des Bundesministeriums

der Verteidigung Rüdiger Wolf am 30. November 2009

den Leiter des Organisationsstabes (OrgStab) beauftragt,

die Dokumentenflüsse im Bundesministerium der Vertei-

digung zum Luftangriff am 4. September 2009 bei Kun-

duz zu untersuchen. Die gewonnenen Erkenntnisse sind in

einem VS-VERTRAULICH eingestuften Bericht unter

dem 25. Februar 2010 zusammengefasst und dem Bun-

desminister der Verteidigung am 30. März 2010 vorgelegt

worden.
23

Der Bericht hat dem Untersuchungsausschuss

als beigezogenes Material vorgelegen.

4. Zivilrechtliches Entschädigungsverfahren

Einer der beiden Fahrer der Tanklastwagen hat vor dem

Landgericht Bonn Klage gegen die Bundesrepublik

Deutschland auf Schmerzensgeld und Ersatz sämtlicher

Schäden, die „ihm aufgrund des Bombenabwurfs am
4. September 2009 bisher entstanden sind und noch ent-

stehen werden“, erhoben. Der Schriftsatz des Prozessbe-
vollmächtigten vom 3. September 2010

24
, die Klageerwi-

derung sowie die seit dem 12. Oktober 2010 entstandenen

Unterlagen und Vermerke aus den Verfahrensakten des

Landgerichts Bonn haben dem Ausschuss als beigezoge-

nes Material vorgelegen.
25
23) Mat. 17-65, Tgb.-Nr. 12/10 – VS-VERTRAULICH.
24) Mat. 17-62.

25) Mat. 17-62a.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/7400
B. Gang der Untersuchung

I. Rechtsgrundlagen für die Arbeit des Un-
tersuchungsausschusses

Gemäß Artikel 45a Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) hat

der Verteidigungsausschuss auch die Rechte eines Unter-

suchungsausschusses. Artikel 44 Abs. 1 Grundgesetz,

nach dem nur das Plenum des Deutschen Bundestages das

Recht hat, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen,

findet nach Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz auf dem Ge-

biet der Verteidigung keine Anwendung. Rechtsgrundla-

gen für die Arbeit des Verteidigungsausschusses als Un-

tersuchungsausschuss sind weiterhin die sinngemäße

Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess, das

Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsaus-

schüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsaus-

schussgesetz – PUAG) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I
S. 1142), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 1 des

Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kosten-

rechtsmodernisierungsgesetz – KoRMoG) vom 5. Mai
2004 (BGBl. I S. 718), die Geschäftsordnung und die

Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages.

II. Beschlüsse und Absprachen zum Verfah-
ren

1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mi-
tarbeiter der Fraktionen

Der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsaus-

schuss hat in seiner 2. Sitzung am 16. Dezember 2009

beschlossen, den benannten Mitarbeiterinnen und Mitar-

beitern der Fraktionen gemäß § 12 Abs. 2 PUAG Zutritt

zu den nichtöffentlichen Beratungssitzungen und – soweit
die persönlichen Voraussetzungen vorliegen – auch zu
VS-eingestuften Sitzungen zu gewähren.

26
2. Einsetzung eines interfraktionellen Gre-
miums

Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen in ver-

gangenen Untersuchungsverfahren des Verteidigungsaus-

schusses ist der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-

chungsausschuss übereingekommen, zur Koordinierung

und Strukturierung der Arbeit des Untersuchungsaus-

schusses ein so genanntes interfraktionelles Gremium

einzusetzen. In seiner 2. Sitzung am 16. Dezember 2009

hat er dazu folgenden Beschluss gefasst:

„Beschluss 2 zum Verfahren
Einsetzung eines Interfraktionellen Gremiums

Der Untersuchungsausschuss setzt zur Koordinie-

rung und Strukturierung der Arbeit des Untersu-

chungsausschusses, um einen möglichst reibungs-

losen Ablauf zu gewährleisten, ein Interfraktionel-

les Gremium ein. Dieses Gremium setzt sich aus
26) Beschluss 1 zum Verfahren.

der Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsit-

zenden und Sprechern zusammen. Die Sprecher

können durch einen benannten Berichterstatter ver-

treten werden.

Abg. Dr. h. c. Susanne Kastner, Vorsitzende (SPD)

Abg. Dr. Karl A. Lamers, stellvertretender Vorsit-

zender (CDU/CSU)

Abg. Ernst-Reinhard Beck, Sprecher (CDU/CSU)

Abg. Rainer Arnold, Sprecher (SPD)

Abg. Elke Hoff, Sprecherin (FDP)

Abg. Paul Schäfer, Sprecher (DIE LINKE.)

Abg. Omid Nouripour, Sprecher (BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN)

Berichterstatter:

Abg. Michael Brand (CDU/CSU)

Abg. Henning Otte (CDU/CSU)

Abg. Dr. Hans-Peter Bartels (SPD)

Abg. Karin Evers-Meyer (SPD)

Abg. Hellmut Königshaus (FDP)

Abg. Inge Höger (DIE LINKE.)

Abg. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An den Sitzungen dieses Interfraktionellen Gre-

miums können die für den Untersuchungsaus-

schuss von den Fraktionen benannten Mitarbeiter/-

innen teilnehmen.“

Das interfraktionelle Gremium hat in Vorbereitung der

Beschlussfassungen gegenüber dem Untersuchungsaus-

schuss Empfehlungen abgegeben. Förmliche Beschlüsse

hat es nicht fassen können. Es hat zu Beginn des Untersu-

chungsausschusses relativ regelmäßig getagt. Im Laufe

der Untersuchungen ist es aber nur noch zu einigen weni-

gen vorbereitenden Sitzungen gekommen. Insgesamt hat

das Gremium 13 mal getagt.

3. Protokollierung der Ausschusssitzungen

Nach § 11 Abs. 1 Gesetz zur Regelung des Rechts der

Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

(PUAG) wird über die Sitzungen des Untersuchungsaus-

schusses ein Protokoll angefertigt. Gemäß Abs. 2 werden

Beweiserhebungen wörtlich protokolliert. Über die Art

der Protokollierung der Beratungen entscheidet der Unter-

suchungsausschuss.

In seiner 2. Sitzung am 16. Dezember 2009 hat der Ver-

teidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss fol-

gendes Verfahren beschlossen:

Drucksache 17/7400 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Beschluss 3 zum Verfahren

Protokollierung der Ausschusssitzungen

(§ 11 Untersuchungsausschussgesetz)

Die Protokollierung der Sitzungen des Untersu-

chungsausschusses gemäß § 11 Untersuchungsaus-

schussgesetz wird wie folgt durchgeführt:

Alle Sitzungen, die der Beweiserhebung oder sons-

tiger Informationsbeschaffung des Ausschusses

dienen, sind stenographisch aufzunehmen.

Alle Beratungen werden in einem durch das Sekre-

tariat zu fertigenden Ergebnisprotokoll (wesentli-

che Zusammenfassung) festgehalten.“

4. Behandlung der Ausschussprotokolle

Ebenfalls in der 2. Sitzung hat der Verteidigungsaus-

schuss als 1. Untersuchungsausschuss am 16. Dezember

2009 bezüglich der Vorgehensweise im Zusammenhang

mit den Ausschussprotokollen folgenden Beschluss ge-

fasst:

„Beschluss 4 zum Verfahren
Behandlung der Ausschussprotokolle

I. Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen

1. Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen erhalten

die Mitglieder des Untersuchungsausschusses und

ihre Stellvertreter, die benannten Mitarbeiter/- in-

nen der Fraktion sowie die Beauftragten der Bun-

desregierung und des Bundesrates.

2. Dritte haben grundsätzlich kein Recht auf Ein-

sichtnahme in Protokolle nichtöffentlicher Sitzun-

gen und folglich auch nicht darauf, dass ihnen Ko-

pien solcher Protokolle überlassen werden. Eine

Ausnahme besteht nur gegenüber Behörden, wenn

der Untersuchungsausschuss entschieden hat,

Amtshilfe zu leisten.

II. Protokolle VS-VERTRAULICH oder höher

eingestufter Sitzungen

Ist das Protokoll über die Aussage eines Zeugen

VS-VERTRAULICH oder höher eingestuft, so ist

dem Zeugen Gelegenheit zu geben, dies in der Ge-

heimschutzstelle des Deutschen Bundestages ein-

zusehen. Eine Kopie erhält er nicht.“

a) Änderung des Beschlusses 4 zum Verfah-
ren vor dem Hintergrund einer möglichen
öffentlichen Zeugenvereinnahmung

Vor dem Hintergrund, dass nach dem Verfahrensbe-

schluss Nr. 8 im Einzelfall auch öffentliche Zeugenver-

einnahmungen möglich geworden waren, hat der Unter-

suchungsausschuss den Beschluss 4 zum Verfahren in

seiner 3. Sitzung am 21. Januar 2010 unter Einfügung

eines Absatzes mit nachfolgender Regelung geändert:

„II. Protokolle öffentlicher Sitzungen

1. Protokolle öffentlicher Sitzungen erhalten der

unter Punkt I. 1. genannte Personenkreis darüber

hinaus auf Antrag auch Behörden, wenn der Un-

tersuchungsausschuss entschieden hat, Amtshilfe

zu leisten.

2. Einem Dritten kann Einsicht in die Protokolle

gewährt werden, wenn er ein ‚berechtigtes Interes-
se„ nachweist (Abschnitt II. der Richtlinien für die
Behandlung der Ausschussprotokolle gemäß § 73

Abs. 3 GO-BT in der Fassung der Bekanntma-

chung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I., S. 1237), zuletzt

geändert durch Beschluss des Deutschen Bundes-

tages vom 2. Juli 2009).

3. Von dieser Regel können Ausnahmen getroffen

werden entsprechend der oben genannten Richtli-

nien.

4. Im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-

Verhältnis wird im Übrigen folgendes Verfahren

angewandt:

- die Vorsitzende entscheidet über das Vorliegen

des berechtigten Interesses im Einvernehmen mit

den Sprechern.

- bejaht sie dieses Interesse, wird Einblick in das

Protokoll gewährt oder eine Abschrift erteilt, es sei

denn, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass der

Untersuchungsausschuss trotz des berechtigten

Interesses das Einsichtsrecht verneinen würde. In

diesem Fall ist eine Entscheidung des Untersu-

chungsausschusses herbeizuführen.

- für vernommene Zeugen gilt: Dem Zeugen ist

das Protokoll über seine Vernehmung zuzustel-

len.“

Aus der ursprünglichen Ziffer II. „Protokolle VS-
VERTRAULICH oder höher eingestufter Sitzungen“ des
Beschlusses 4 zum Verfahren ist Ziffer III geworden.

b) Einstufung der Sitzungsprotokolle und
Beweisbeschlüsse als „Verschlusssache –
Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD)

Zwecks Wahrung des Persönlichkeits- und Identitäts-

schutzes von Zeugen sowie sicherheitsempfindlicher

Informationen hat der Untersuchungsausschuss in seiner

4. Sitzung am 28. Januar 2010 zudem beschlossen, so-

wohl die Sitzungsprotokolle als auch die Beweisbeschlüs-

se mit der Einstufung „Verschlusssache – Nur für den
Dienstgebrauch“ (VS-NfD) zu versehen, soweit keine
höhere Einstufung erforderlich gewesen ist.

c) Aufhebung der Einstufung „VS-NfD“ bei
Protokollen von öffentlichen Sitzungen

In der 21. Sitzung am 9. Juni 2010 ist der Beschluss ge-

fasst worden, Protokolle öffentlicher Sitzungen des Ver-

teidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss ab

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/7400
diesem Zeitpunkt ohne Einstufung zu versehen und die

Einstufung „VS-NfD“ bei den bereits erstellten Protokol-
len von öffentlichen Sitzungen dieses Ausschusses aufzu-

heben.

5. Verteilung von Beratungsunterlagen, Be-
weisbeschlüssen und Ausschussmateria-
lien

Der Untersuchungsausschuss hat hinsichtlich der Vertei-

lung der Beratungsunterlagen, Beweisbeschlüsse und

Ausschussmaterialien in seiner 2. Sitzung am 16. Dezem-

ber 2009 folgenden Beschluss gefasst:

„Beschluss 5 zum Verfahren
Verteilung von Beratungsunterlagen, Beweisbe-

schlüssen und Ausschussmaterialien

I. Grundsatz der Verteilung von Beratungsunterla-

gen, Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-

schussmaterialien

Beratungsunterlagen, Beweisbeschlüsse und Aus-

schussmaterialien sind durch das Sekretariat des 1.

Untersuchungsausschusses (PA 12) – 17. Wahlpe-
riode zu verteilen an:

1. ordentliche und stellvertretende Mitglieder

2. benannte Mitarbeiter/-innen der Fraktion

3. Beauftragte der Bundesregierung und des Bun-

desrates

II. Verteilung umfangreicher Ausschussmaterialien

Ausschussmaterialien von einem Umfang von 101

bis 1 000 Seiten werden lediglich in je zwei

Exemplaren an die Fraktionen der CDU/CSU,

SPD, FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN verteilt. Bei darüber hinaus gehendem

Umfang erhalten alle Fraktionen je ein Exemplar.

Bei besonders großem Umfang wird von einer

Verteilung abgesehen und stattdessen ein Exemp-

lar im Ausschusssekretariat zur Verfügung gestellt;

in Zweifelsfällen verständigen sich die Vorsitzen-

de und die Sprecher.

Das Anschreiben der abgebenden Stelle wird in je-

dem Fall gemäß Verteiler in Ziffer I. versandt.“

6. Verteilung von Verschlusssachen

Zur Verteilung der Verschlusssachen ist in der 2. Sitzung

des Untersuchungsausschusses am 16. Dezember 2009

folgender Beschluss gefasst worden:

„Beschluss 6 zum Verfahren
Verteilung von Verschlusssachen

(zu § 16 Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz)

I. Grundsatz der Verteilung von zugeleiteten Ver-

schlusssachen

Von den für den 1. Untersuchungsausschuss (PA

12) – 17. Wahlperiode in der Geheimschutzstelle
des Deutschen Bundestages eingehenden VS-

VERTRAULICH oder GEHEIM eingestuften Be-

weismaterialien sind Ausfertigungen herzustellen

und zwar für:

1. die Fraktionen im Ausschuss je zwei,

2. das Sekretariat zugleich für die Vorsitzende

zwei.

Den Mitgliedern der Fraktionen sowie den benann-

ten Mitarbeitern der Fraktionen, die zum Umgang

mit Verschlusssachen ermächtigt und zur Geheim-

haltung förmlich verpflichtet sind, werden auf

Wunsch die jeweiligen Exemplare ausgehändigt.

Der Geheimschutzbeauftragte des Deutschen Bun-

destages wird aufgefordert, den Mitgliedern und

Mitarbeitern der Fraktionen in Räumen, die von

diesem bestimmt werden, Verwahrgelasse zur

Aufbewahrung der Ausfertigung zur Verfügung zu

stellen und unverzüglich die gegebenenfalls weite-

ren notwendigen technischen Sicherungsmaßnah-

men zu treffen.

II. Verteilung der vom Untersuchungsausschuss

eingestuften Verschlusssachen

Für die vom 1. Untersuchungsausschuss (PA 12) –
17. Wahlperiode selbst VS-VERTRAULICH,

VERTRAULICH gemäß § 2a Geheimschutzord-

nung, GEHEIM, GEHEIM gemäß § 2a Geheim-

schutzordnung oder gegebenenfalls STRENG

GEHEIM eingestuften Unterlagen und Protokolle

gilt Ziffer I. entsprechend.

III. Verteilung von ‚VS-Nur für den Dienstge-
brauch„ eingestuften Unterlagen

VS-NfD eingestufte Unterlagen werden verteilt

und behandelt gemäß Beschluss 4 zum Verfahren

in Verbindung mit der Geheimschutzordnung des

Deutschen Bundestages.“

7. Behandlung von Beweisanträgen

Um eine hinreichende fraktionsinterne Beratung der Be-

weisanträge zu ermöglichen, hat der Verteidigungsaus-

schuss als 1. Untersuchungsausschuss in seiner 2. Sitzung

am 16. Dezember 2009 folgenden Beschluss gefasst:

„Beschluss 7 zum Verfahren
Behandlung von Beweisanträgen

Zur ordnungsgemäßen Vorbereitung der Bera-

tungssitzungen werden Beweisanträge nur dann in

einer Beratungssitzung behandelt, wenn sie schrift-

lich bis zum Donnerstag der Vorwoche, 9.00 Uhr,

im Sekretariat des 1. Untersuchungsausschusses

(PA 12) – 17. Wahlperiode eingegangen sind. Von
dieser Frist kann einvernehmlich abgewichen wer-

den.“

Drucksache 17/7400 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
8. Nichtöffentlichkeit der Sitzungen

Zur Frage der Öffentlichkeit der Sitzungen hat der Vertei-

digungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss in seiner

2. Sitzung am 16. Dezember 2009 folgenden Beschluss

gefasst:

„Beschluss 8 zum Verfahren
Nichtöffentlichkeit der Sitzungen

(gemäß § 14 Abs. 4 Untersuchungsausschussge-

setz in Verbindung mit Artikel 45a Abs. 3 GG)

Die Sitzungen des Verteidigungsausschusses als 1.

Untersuchungsausschuss sind grundsätzlich nicht-

öffentlich.

Bei der Einvernahme von Zeugen kann hiervon im

Einzelfall durch Beschluss abgewichen und die

Einvernahme öffentlich durchgeführt werden,

wenn das öffentliche Interesse dies gebietet und

der Beweisgegenstand es zulässt.

Mitglieder der politischen Leitungsebene (Mitglie-

der der Bundesregierung, beamtete und parlamen-

tarische Staatssekretäre, Abteilungsleiter und Pres-

sesprecher) und militärischen Führung (Generalin-

spekteur und Stellvertreter) werden grundsätzlich

in öffentlicher Sitzung einvernommen. Die Vor-

schrift des § 14 PUAG bleibt unberührt.

Im Einzelfall können auch Personen aus dem

nachgeordneten Bereich öffentlich gehört werden.“

a) Ausarbeitung des Wissenschaftlichen
Dienstes des Deutschen Bundestages zur
Frage der „Öffentlichkeit im Verteidi-
gungsausschuss als Untersuchungsaus-
schuss“

Nachdem in der Diskussion zum Beschluss 8 zum Verfah-

ren Bedenken über die Zulässigkeit öffentlicher Sitzungen

des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungs-

ausschuss geäußert worden waren, sind die Wissenschaft-

lichen Dienste des Deutschen Bundestages um Prüfung

dieser Rechtsfrage gebeten worden. In einem gutachterli-

chen Vermerk vom 15. Januar 2010
27

sind diese zum

Ergebnis gekommen, dass der Beschluss 8 zum Verfahren

keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Auch

ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Bundestages

(GO-BT), der Geheimschutzordnung des Bundestages

oder dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersu-

chungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG)

sei nicht ersichtlich.

b) Änderung des Beschlusses 8 zum Verfah-
ren

In der 23. Sitzung des Verteidigungsausschusses als 1.

Untersuchungsausschuss am 17. Juni 2010 haben die

Fraktionen der CDU/CSU und der FDP beantragt, den
27) Georgii/Mäde, Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als

Untersuchungsausschuss, WD 3 – 464/09 (Dokument 18).

Beschluss 8 zum Verfahren abzuändern und den Passus,

wonach Mitglieder der politischen Leitungsebene und der

militärischen Führung grundsätzlich in öffentlicher Sit-

zung vernommen werden, ersatzlos zu streichen. Als

Begründung ist im Wesentlichen angeführt worden, dass

die Anordnung der grundsätzlichen öffentlichen Verneh-

mung rechtswidrig sei, da es an der nach § 69 Abs. 1

Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT)

bei jedem Zeugen vorzunehmenden Einzelfallprüfung

fehle. Es könne – auch im Rahmen eines notwendigerwei-
se hinreichend bestimmten Untersuchungsgegenstandes –
nicht pauschal und für alle zukünftigen Verhandlungen

angenommen werden, dass die Einvernahme von Mitglie-

dern der politischen Leitungsebene und militärischen

Führung stets einen „bestimmten Verhandlungsgegens-
tand“ gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 GO-BT betreffe, der nicht
geheimhaltungsbedürftig sei. Dies müsse anhand des

jeweiligen Einvernahmegegenstandes gesondert beurteilt

werden.
28

Die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN haben die Auffassung vertreten, dass

der Beschluss 8 zum Verfahren in der gegenwärtigen

Fassung nicht gegen geltendes Recht verstoße. § 69

Abs. 1 GO-BT eröffne die Möglichkeit, die Öffentlichkeit

„für einen bestimmten Verhandlungsgegenstand oder
Teile desselben“ zuzulassen. Im Gegensatz zu anderen
Ausschüssen sei bei dem Verteidigungsausschuss als 1.

Untersuchungsausschuss mit dem festgelegten Untersu-

chungsauftrag nur ein einziger Verhandlungsgegenstand

festgelegt. Darüber hinaus werde der im Beschluss 8 zum

Verfahren zum Ausdruck kommende politische Wille des

gesamten Ausschusses noch einmal zusätzlich in ganz

konkrete, ausschließlich den jeweiligen Vernehmungstag

betreffende Einzelfallbeschlüsse des Ausschusses zur

Öffentlichkeit bestimmter Zeugenvernehmungen über-

setzt.
29

Abgeordneter Paul Schäfer (DIE LINKE.) hat angemerkt,

dass die Opposition seinerzeit auf die Einrichtung eines

Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 Grundgesetz

verzichtet habe. Im Gegenzug hätten die Koalitionsfrak-

tionen zugestimmt, dass Zeugen von öffentlichem Interes-

se in öffentlicher Sitzung vernommen werden sollten,

soweit es der Befragungsgegenstand zulasse.
30

Abgeordneter Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) hat dem

entgegengehalten, dass der Verteidigungsausschuss in

seinem Zuständigkeitsbereich in konkurrenzloser Exklu-

sivität entscheide, ob er sich als Untersuchungsausschuss

konstituieren wolle. Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz
nehme dem Plenum des Bundestages das Recht, auf dem

Gebiet der Verteidigung einen Untersuchungsausschuss

einzusetzen.
31

Der Beschluss 8 zum Verfahren ist mit den Stimmen der

Fraktionen der CDU/CSU und der FDP gegen die Stim-
28) Beratungsunterlage Nr. 17-218 (Dokument 175).
29) Beratungsunterlage Nr. 17-219.

30) Kurzprotokoll der 23. Sitzung (Dokument 176), S. 9.

31) Kurzprotokoll der 23. Sitzung, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/7400
men der Oppositionsfraktionen antragsgemäß geändert

worden und lautete danach wie folgt:

„Die Sitzungen des Verteidigungsausschusses als
1. Untersuchungsausschuss sind grundsätzlich

nichtöffentlich.

Bei der Einvernahme von Zeugen kann hiervon im

Einzelfall durch Beschluss abgewichen und die

Einvernahme öffentlich durchgeführt werden,

wenn das öffentliche Interesse dies gebietet und

der Beweisgegenstand es zulässt.“

In der Folge wurden durch die Minderheit im Ausschuss

für die Zeugen, die nach der ursprünglichen Vereinbarung

im Ausschuss öffentlich hätten vernommen werden sollen

(z. B. Staatssekretäre, Abteilungsleiter, Pressesprecher)

sowie darüber hinaus für weitere zivile Zeugen, wie den

Lastwagenfahrer oder ein Mitglied des Provinzrates Kun-

duz, für die keine Absprachen im Vorfeld existierten, mit

schriftlichen Begründungen die Zulassung der Öffentlich-

keit beantragt. Diese Anträge wurden von der Mehrheit

abgelehnt.

9. Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken

Auf der Grundlage von § 31 Abs. 2 PUAG hat der Unter-

suchungsausschuss in seiner 2. Sitzung am 16. Dezember

2009 folgenden Beschluss gefasst:

„Beschluss 9 zum Verfahren
Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken

(zu § 31 Untersuchungsausschussgesetz)

Gemäß § 31 Abs. 2 Untersuchungsausschussgesetz

wird auf die Verlesung von Protokollen und

Schriftstücken verzichtet, soweit diese vom Aus-

schusssekretariat allen Mitgliedern des Untersu-

chungsausschusses zugänglich gemacht worden

sind.“

10. Verpflichtung zur Geheimhaltung

Hinsichtlich der Geheimhaltung hat sich der Untersu-

chungsausschuss in seiner 2. Sitzung am 16. Dezember

2009 durch Beschluss wie folgt geeinigt:

„Beschluss 10 zum Verfahren
Verpflichtung zur Geheimhaltung

1. Die Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses

(PA 12) – 17. Wahlperiode sind aufgrund des Un-
tersuchungsausschussgesetzes, der Geheimschutz-

ordnung des Deutschen Bundestages, gegebenen-

falls ergänzt um Beschlüsse des 1. Untersuchungs-

ausschuss (PA 12) – 17. Wahlperiode in Verbin-
dung mit § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB zur Geheim-

haltung derjenigen Tatsachen und Einschätzungen

verpflichtet, die ihnen durch Übermittlung der von

amtlichen Stellen als VS-VERTRAULICH bzw.

VERTRAULICH und höher eingestuften Unterla-

gen bekannt werden.

2. Diese Geheimhaltungsverpflichtung erstreckt

sich auch auf solche Tatsachen und Einschätzun-

gen, die aufgrund von Unterlagen bekannt werden,

deren VS-Einstufung bzw. Behandlung als VS-

VERTRAULICH oder höher sowie als

VERTRAULICH oder höher durch den Untersu-

chungsausschuss selbst veranlasst oder durch den

Vorsitzenden unter Berücksichtigung der Ent-

scheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.

Juli 1984 (BVerfGE 67, S. 100 ff.) zur Wahrung

des Grundrechtsschutzes (Betriebs- und Ge-

schäftsgeheimnisse, Steuergeheimnisse und infor-

mationelles Selbstbestimmungsrecht) vorgenom-

men wird.

3. Die Geheimhaltungsverpflichtung entfällt, wenn

und soweit die aktenführende Stelle bzw. der Un-

tersuchungsausschuss die Einstufung als VS-

VERTRAULICH und höher bzw. die Behandlung

als VERTRAULICH und höher aufhebt.

4. Im Übrigen gilt die Geheimschutzordnung des

Deutschen Bundestages.

5. Anträge, deren Inhalt möglicherweise geheim-

haltungsbedürftig ist, sollen in der Geheimschutz-

stelle des Deutschen Bundestages hinterlegt wer-

den. Über die Hinterlegung soll der Antragsteller

das Ausschusssekretariat unterrichten.“

11. Fragerecht bei der Beweiserhebung

Das Fragerecht bei der Beweiserhebung ist durch Be-

schluss 11 zum Verfahren in der 3. Sitzung am 21. Januar

2010 festgelegt worden:

„Beschluss 11 zum Verfahren
Fragerecht bei der Beweiserhebung

Das Fragerecht bei der Vernehmung von Zeugen

und Sachverständigen nach §§ 24 Abs. 5, 28

Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz wird unter

Zugrundelegung der Geschäftsordnung des Deut-

schen Bundestages und der parlamentarischen Pra-

xis bei der Ausgestaltung von Aussprachen im

Plenum wie folgt gestaltet:

Die Vernehmung zur Sache wird in zwei Abschnit-

te aufgeteilt:

1. Im ersten Abschnitt stellt zunächst die Vorsit-

zende, nachdem dem Zeugen Gelegenheit zur Stel-

lungnahme gegeben wurde, weitere Fragen zur

Aufklärung und Vervollständigung der Aussage

sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem das

Wissen des Zeugen beruht.

2. Der zweite Abschnitt besteht aus einzelnen Be-

fragungsrunden. Bei der Reihenfolge der Fraktio-

nen innerhalb der Befragungsrunden sind dabei die

Fraktionsstärke und der Grundsatz von Rede und

Gegenrede zu berücksichtigen. Für die Bemessung

des Zeitanteils der Fraktion innerhalb der Befra-

Drucksache 17/7400 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gungsrunden wird die Verteilung der Redezeiten

dem Plenum entsprechend angewendet.

3. In jeder Befragungsrunde beginnt die Fraktion

der CDU/CSU. Daran schließt sich an die Befra-

gung durch die Fraktion der SPD, die Fraktion der

FDP, die Fraktion DIE LINKE. sowie durch die

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

4. Bei Sachverständigenanhörungen und informa-

torischen Anhörungen wird entsprechend den vor-

stehenden Regelungen verfahren.“

12. Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen

Für die Art und den Umfang von Mitteilungen an die

Öffentlichkeit aus nichtöffentlichen Sitzungen entscheidet

nach § 12 Abs. 3 PUAG der Untersuchungsausschuss. In

der 2. Sitzung des Verteidigungsausschusses als 1. Unter-

suchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundge-

setz am 16. Dezember 2009 hat er hierzu den nachfolgen-

den Beschluss gefasst:

„Beschluss 12 zum Verfahren
Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen

(zu § 12 Abs. 3 Untersuchungsausschussgesetz)

Die Vorsitzende wird gemäß § 12 Abs. 3 PUAG

dazu ermächtigt, die Öffentlichkeit über die in

nichtöffentlicher Beratungssitzung gefassten Be-

schlüsse und Terminierungen des Ausschusses zu

informieren.

Hiervon unberührt bleibt das Recht der übrigen

Ausschussmitglieder, ihre Position hierzu öffent-

lich zu äußern.“

III. Vorbereitung der Beweiserhebung

1. Beratungen des interfraktionellen Gre-
miums

Zur Koordinierung und Strukturierung der Arbeit des

Untersuchungsausschusses ist zu Beginn der Ausschuss-

arbeit ein interfraktionelles Gremium eingesetzt worden,

um einen möglichst reibungslosen Ablauf der Sitzungen

zu gewährleisten.

Das interfraktionelle Gremium ist in der Geschäftsord-

nung des Deutschen Bundestages nicht geregelt und dient

dazu, schwierige Verfahrens- und Sachfragen in einer

kleineren informellen Runde zu diskutieren und gemein-

same Lösungsansätze zu erarbeiten.

2. Obleutebesprechungen

Anstelle der Einberufung des interfraktionellen Gremiums

hat die Vorsitzende in besonderen Einzelfällen zur Vorbe-

reitung wichtiger, den Untersuchungsausschuss betreffen-

de Entscheidungen, Obleutegespräche vor den regulären

Sitzungen des Verteidigungsausschusses genutzt. An

diesen haben neben der Vorsitzenden und dem stellvertre-

tenden Vorsitzenden und den Sprechern der Fraktionen je

ein benannter Mitarbeiter der Fraktionen sowie die Leiter

der Sekretariate des Verteidigungsausschusses und des

Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss

teilgenommen.

3. Strukturierung der Untersuchung

Die Frage einer zweckmäßigen zeitlichen und sachlichen

Strukturierung des Untersuchungsauftrages ist zu Beginn

der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses Gegenstand

einer kontroversen Diskussion gewesen. In der 3. Sitzung

am 21. Januar 2010 ist einvernehmlich beschlossen wor-

den, die Untersuchung in die nachfolgenden Themenblö-

cke zu gliedern, innerhalb derer die einzelnen Beweisbe-

schlüsse abgearbeitet werden sollten:

„Themenblock 1

Der Luftangriff vom 4. September 2009:

Vorgeschichte, Rahmenbedingungen, Bedrohungs-

lage und Durchführung

– Bedrohungslage am Tage des Luftangriffs

– Rahmenbedingungen

– Luftangriff

– unmittelbare Maßnahmen

Themenblock 2

Berichtswege und Meldeverfahren zum Luftang-

riff:

Von ISAF zum Einsatzführungskommando der

Bundeswehr.

– wie erfolgten die Meldungen an ISAF bzw.
NATO

– welche Meldungen wurden von wem veranlasst,
verfasst und an wen im Einsatzführungskomman-

do gesandt

– wie und nach welchen Kriterien erfolgte die Wei-
tergabe an das BMVg

Themenblock 3

Militärische Beurteilung und politische Bewer-

tung: Der Meinungsbildungsprozess in der militä-

rischen Führung und der politischen Leitung bis

zur Unterrichtung des Parlaments

Meinungsbildung im BMVg und in der Bundesre-

gierung

– wie und nach welchen Kriterien erfolgte die Be-
arbeitung im BMVg

– wer wurde zu welchem Zeitpunkt unterrichtet

Information des Parlaments

– wie und nach welchen Kriterien erfolgte die In-
formation des Parlaments

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/7400
Themenblock 4

Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge:

– Welche Verfahren und Strukturen müssen nach
den Erfahrungen mit dem Luftangriff von Kunduz

geändert werden

– Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Er-
fahrungen mit dem Luftangriff für die Einsatzre-

geln, Melde- und Informationsverfahren und die

Unterrichtungspraxis des Parlaments“

4. Terminierung

In seiner 3. Sitzung am 21. Januar 2010 ist auf Antrag der

CDU/CSU-Fraktion mit den Stimmen der Koalitionsfrak-

tionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen

beschlossen worden, die Ausschusssitzungen in den Sit-

zungswochen jeweils donnerstags von 14 Uhr bis 20 Uhr

durchzuführen. Die hierzu erforderliche Dauergenehmi-

gung des Präsidenten des Deutschen Bundestages ist

daraufhin eingeholt worden.

In der 5. Sitzung am 10. Februar 2010 ist vereinbart wor-

den, im Falle eines Beratungsbedarfs eine halbe Stunde

vor dem Beweistermin eine Beratungssitzung durchzufüh-

ren. Die Zeit der Beratungssitzung ist nicht auf die festge-

legte Sitzungsdauer von sechs Stunden angerechnet wor-

den.

IV. Beweiserhebung durch Beiziehung von
Akten, Berichten, Protokollen und sonsti-
ger Unterlagen

1. Art, Herkunft und Umfang des Beweisma-
terials

Zum Zweck der Beweiserhebung hat der Verteidigungs-

ausschuss als 1. Untersuchungsausschuss Akten, Berichte,

Protokolle und sonstige Unterlagen beigezogen. Der Be-

stand an Beweismaterialien umfasst rund 339 Aktenord-

ner. Hierbei hat es sich um Unterlagen folgender Stellen

gehandelt:

Deutscher Bundestag:

– Verteidigungsausschuss

Bundesregierung:

– Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes

– Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Ver-
teidigung

– Auswärtiges Amt

– Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz

– Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung

Bundesländer:

– Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen

– Sächsisches Staatsministerium für Justiz und Europa

– Brandenburgisches Ministerium für Justiz

Sonstige:

– North Atlantic Treaty Organization (NATO)

– International Security Assistance Force (ISAF)

– United Nations Assistance Mission in Afghanistan
(UNAMA)

– Komitee des Internationalen Roten Kreuzes

– Afghanische Untersuchungskommission

– Medienberichterstattung

2. Anforderung von Beweismaterialien über
die Bundesregierung bei internationalen
Dienststellen

Zum Teil sind beigezogene Dokumente und Materialien

über die Bundesregierung bei internationalen Dienststel-

len angefordert worden.

So sind mit den in der 2. Sitzung am 16. Dezember 2009

gefassten Beweisbeschlüssen 17-15 und 17-16 sämtliche

Akten und Materialien aus dem Bereich des Hauptquar-

tiers des Regionalkommandos Nord (RC N) in Masar-i-

Scharif beziehungsweise des Hauptquartiers der ISAF in

Kabul beigezogen worden. Das Beweismaterial ist dem

Untersuchungsausschuss durch die Bundesregierung am

21. Mai 2010 geliefert worden.

Die mit Beweisbeschluss 17-15 aus dem Bereich des RC

N beigezogenen Materialien haben unter anderem ver-

schlüsselte ZIP-Dateien umfasst, die sich dort auf dienst-

lich genutzten Personalcomputern befunden haben. Da die

betreffenden Passwörter nicht mehr auffindbar gewesen

sind, hat die Bundesregierung die Entschlüsselung der

Dateien beim Bundesamt für Sicherheit in der Informati-

onstechnik (BSI) in Auftrag gegeben. Mit Schreiben vom

16. Januar 2011 hat der Beauftragte des Bundesministe-

riums der Verteidigung im Verteidigungsausschuss als 1.

Untersuchungsausschuss mitgeteilt, dass die Entschlüsse-

lung einer der ZIP-Dateien infolge Beschädigung nicht

möglich sei.
32

In der 19. Sitzung am 6. Mai 2010 sind mit dem Beweis-

beschluss 17-167 die beim Einsatz vom 3. auf den

4. September 2009 entstandenen cockpit tapes oder die

erstellten Transkripte der bei und vor dem Luftangriff in

Kunduz eingesetzten F-15 und des B1-Bombers beigezo-

gen worden. Die Transkripte der beiden F-15-

Luftfahrzeuge sind am 8. Oktober 2010 über die Bundes-

regierung dem Verteidigungsausschuss zur Verfügung

gestellt worden.
32) Beratungsunterlage Nr. 17-261.

Drucksache 17/7400 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Bitten um Aktenvorlage und Vollständig-

keitserklärung gemäß § 18 Abs. 2 PUAG

Die auf Aktenvorlage ersuchten Ministerien und Behör-

den sind ihrer Verpflichtung auf Vorlage der sächlichen

Beweismittel durch die Herausgabe der in den Beweisbe-

schlüssen benannten Unterlagen nachgekommen. Die

Vorlagen sind regelmäßig mit einer Vollständigkeitserklä-

rung nach § 18 Abs. 2 PUAG versehen worden.

Angesichts des großen Materialumfangs und den daraus

erforderlichen Nachforschungen, insbesondere innerhalb

des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Ver-

teidigung sind Unterlagen teilweise nachgereicht worden.

In wenigen Fällen haben das Bundeskanzleramt und das

Bundesministerium der Verteidigung unter Hinweis, dass

diese in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung

fielen, Dokumente nicht zur Verfügung gestellt.

4. Vorlage von Originalmaterialien

Bei den von der Bundesregierung auf Grundlage der Be-

weisbeschlüsse vorgelegten Unterlagen hat es sich über-

wiegend um Kopien gehandelt. Lediglich die General-

staatsanwaltschaft Dresden hat eine Ermittlungsakte im

Original übersandt.

Nachträglich vorgelegt worden ist durch das Bundesmi-

nisterium der Verteidigung eine Ablichtung der während

des Gesprächs am 25. November 2009 zwischen Bun-

desminister der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg,

dem damaligen Staatssekretär Dr. Wichert und dem da-

maligen Generalinspekteur der Bundeswehr General

Schneiderhan von der Leiterin des Ministerbüros, Frau

Bastek, gefertigten handschriftlichen Notizen. Auf Antrag

der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN hat der Untersuchungsausschuss in

seiner 24. Sitzung am 1. Juli 2010 beschlossen, die vor-

genannten handschriftlichen Notizen gemäß § 19 PUAG

im Original einzusehen
33

. Die Inaugenscheinnahme ist in

der 27. Sitzung am 8. Juli 2010 durchgeführt worden.

5. Verwendung von Unterlagen ohne formelle
Beiziehung

Nicht förmlich beigezogene Unterlagen hat der Verteidi-

gungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss – soweit
sie beweisrelevant waren- wie beigezogene Unterlagen

behandelt.

Hierunter sind sowohl vom Bundesministerium der Ver-

teidigung eigens für den Untersuchungsausschuss erstellte

Organigramme sowie Presseartikel gefallen.
33) Beweisbeschluss 17-179.

6. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren we-
gen Verdachts der Verletzung des Dienst-
geheimnisses und einer besonderen Ge-
heimhaltungspflicht

In zwei Fällen ist aufgrund von Presseveröffentlichungen

von Informationen aus VS-eingestuften Akten und Do-

kumenten Strafanzeige erstattet worden. Die Staatsan-

waltschaft Berlin hat daraufhin Ermittlungsverfahren

gegen Unbekannt wegen Verdachts der Verletzung des

Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhal-

tungspflicht (§ 353b Strafgesetzbuch) eingeleitet. Beide

Verfahren sind gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung

eingestellt worden, da weitere Ermittlungen als nicht

Erfolg versprechend gewertet worden sind.

V. Beweiserhebung durch Vernehmung von
Zeugen

1. Behandlung von Beweisanträgen

a) Entscheidung über die Beweisanträge

Über Beweisanträge hat der Untersuchungsausschuss

gemäß §§ 17 ff. Untersuchungsausschussgesetz (PUAG)

entschieden. Nach § 17 Abs. 2 PUAG sind Beweise zu

erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des

Ausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhe-

bung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach

der Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen

Zwangsmittel unerreichbar. Lehnt der Untersuchungsaus-

schuss die Erhebung bestimmter Beweise oder die An-

wendung beantragter Zwangsmittel nach den §§ 21

Abs. 1, 27 Abs. 1, 28 Abs. 6 und 29 Abs. 2 Satz 1 PUAG

ab, so entscheidet nach § 17 Abs. 4 PUAG auf Antrag

eines Viertels der Mitglieder der Ermittlungsrichter oder

die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes über die

Erhebung der Beweise oder über die Anordnung des

Zwangsmittels.

b) Reihenfolge der Vernehmungen

§ 17 Abs. 3 PUAG bestimmt, dass die Reihenfolge der

Vernehmung von Zeugen im Untersuchungsausschuss

einvernehmlich festgelegt werden soll. Bei Widerspruch

eines Viertels der Mitglieder des Ausschusses gelten die

Vorschriften der Geschäftsordnung des Deutschen Bun-

destages zur Reihenfolge der Redner entsprechend. Be-

züglich dieser Regelung haben zwischen den Koalitions-

fraktionen und den Fraktionen der Opposition unter-

schiedliche Auffassungen geherrscht, welche konkrete

Benennungsreihenfolge sich daraus im Falle eines Dis-

sens„ ergäbe. Aus Sicht der Oppositionsfraktionen hat das
so genannte „Reißverschlussverfahren“ zur Anwendung
gelangen sollen, wonach die Oppositionsfraktionen und

die Koalitionsfraktionen abwechselnd jeweils einen Zeu-

gen benennen. Die Fraktionen der CDU/CSU und der

FDP haben die Auffassung vertreten, dass sich die Rei-

henfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverstän-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/7400
digen auch nach der Stärke der Fraktionen bestimme.

Zudem seien Zweckmäßigkeitserwägungen bezüglich der

Sachverhaltsaufklärung zu beachten.

In einem von der SPD-Fraktion erbetenen Gutachten vom

4. Februar 2010 ist der Fachbereich Parlamentsrecht der

Verwaltung des Deutschen Bundestages zu dem Ergebnis

gekommen, dass § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG einen Verweis

auf die in § 28 Abs. 1 Satz 2 GO-BT genannten Kriterien

zur Rednerreihenfolge darstelle, so dass im Ergebnis das

zu Beginn der 17. Wahlperiode zwischen den Fraktionen

vereinbarte Schema zur Rednerabfolge zur Anwendung

gelange, sofern in einem Untersuchungsausschuss keine

Einigung über die Reihenfolge der Vernehmung erzielt

werde. Hinsichtlich der Zahl der zu benennenden Zeugen

und Sachverständigen finde im Rahmen des § 17 Abs. 3

PUAG keine Quotelung oder Kontingentierung nach

Fraktionsstärke statt.
34

In der 3. Sitzung am 21. Januar 2010 hat sich der Unter-

suchungsausschuss einvernehmlich auf eine Strukturie-

rung seiner Arbeit geeinigt. Die Terminierung der Zeugen

der Themenblöcke 1 und 2 anhand dieses Strukturbe-

schlusses ist in den nachfolgenden Sitzungen einstimmig

erfolgt.

Die Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen Bundesmi-

nister der Verteidigung a. D. Dr. Jung, Bundesminister

der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg, Staatssekretär

a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan ist

umstritten gewesen.

Während die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für den 18. März 2010 den

Zeugen Bundesminister der Verteidigung Freiherr zu

Guttenberg und für den 25. März 2010 Bundesminister

der Verteidigung a. D. Dr. Jung als Zeugen laden woll-

ten
35

, haben die Koalitionsfraktionen in der 7. Sitzung am

25. Februar 2010 entsprechend ihrem Antrag
36

mit Mehr-

heit gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Nichtbeteiligung

der Fraktion DIE LINKE. beschlossen, unter Aufhebung

der Sitzungszeitbegrenzung am 18. März 2010 die Zeugen

General a. D. Schneiderhan und Staatssekretär a. D.

Dr. Wichert zu laden und in der Sitzung am 25. März

2010 die Zeugen Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg zu

vernehmen. Beide Sitzungen sollten öffentlich stattfinden.

Hinsichtlich der Vernehmungsreihenfolge haben die Op-

positionsfraktionen in der 7. Sitzung des Untersuchungs-

ausschusses gegenüber der Vorsitzenden sowie mit

Schreiben vom 2. März 2010
37

formell Widerspruch ge-

mäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG eingelegt.

Abgeordneter Rainer Arnold (SPD) hat in der 11. Sitzung

am 15. März 2010 für die Oppositionsfraktionen ange-

kündigt, dass man bezüglich des vorhandenen Dissenses
34) Borowy, Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und

Sachverständigen gemäß § 17 Abs. 3 PUAG, Vermerk PD 2 –
5023-44 vom 28. Januar 2010, Beratungsunterlage Nr. 17-137

(Dokument 18a).
35) Beratungsunterlage Nr. 17-140.

36) Beratungsunterlage Nr. 17-142.

37) Beratungsunterlage Nr. 17-143.

hinsichtlich der Zeugenreihenfolge den Rechtsweg be-

schreiten und den Bundesgerichtshof anrufen werde. Dies

ist jedoch nicht erfolgt.

In der 12. Sitzung am 15. März 2010 hat der Sprecher der

CDU/CSU-Fraktion, Abgeordneter Ernst-Reinhard Beck,

für die Koalitionsfraktionen zugesagt, „dass künftig –
nach dem 22. April 2010 – bei fehlender Einigung im 1.
Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2

Grundgesetz der 17. Wahlperiode die Reihenfolge der

Zeugen so festgelegt wird, dass je ein Zeuge abwechselnd

von Mehrheit und Minderheit benannt wird.“38

2. Durchführung der Zeugenvernehmungen

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses als 1.

Untersuchungsausschuss hat von Amts wegen darauf

geachtet, dass gemäß § 9 Abs. 3 PUAG Zeugenverneh-

mungen nur bei Beschlussfähigkeit des Ausschusses

durchgeführt wurden.

a) Anzahl der Zeugenvernehmungen

In der Zeit vom 10. Februar 2010 bis zum 10. Februar

2011 hat der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-

chungsausschuss insgesamt 41 Zeugen vernommen.

b) Ort der Zeugenvernehmungen

Alle Vernehmungen und Beratungssitzungen des Unter-

suchungsausschusses sind in den Räumen des Deutschen

Bundestages durchgeführt worden. Vernehmungen in

öffentlicher Sitzung haben ausnahmslos im Saal 3.101 im

Marie-Elisabeth-Lüders-Haus stattgefunden. Nichtöffent-

liche und zum Teil als GEHEIM eingestufte Sitzungen

sind sowohl im Sitzungssaal des Verteidigungsausschus-

ses im Paul-Löbe-Haus als auch in einem Sitzungssaal im

Präsidialbereich des Reichstagsgebäudes durchgeführt

worden. Letztgenannter Saal ist insbesondere bei erfor-

derlichem Identitäts- oder Persönlichkeitsschutz der Zeu-

gen gewählt worden.

3. Einstufung der Vernehmungen in öffentli-
che und nichtöffentliche Sitzungen

Gemäß dem Beschluss zum Verfahren Nr. 8 ist die Be-

weiserhebung des Untersuchungsausschusses grundsätz-

lich in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt. Teile der Sitzun-

gen sind zudem unter „GEHEIM“ durchgeführt worden.
Zu diesen Sitzungen haben neben den Zeugen und den

Ausschussmitgliedern nur die Vertreter der Bundesregie-

rung, des Bundesrates und des Ausschusssekretariates

sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen

und Abgeordneten Zutritt gehabt, sofern diese über eine

entsprechende VS-Ermächtigung verfügten und für die

Teilnahme an Sitzungen des Untersuchungsausschusses

benannt waren.
38) Kurzprotokoll der 12. Sitzung, S. 2.
Drucksache 17/7400 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Vernehmungen in öffentlicher Sitzung

Bei der Vernehmung der nachfolgenden Zeugen ist zu

Teilen der Sitzungen die Öffentlichkeit zugelassen wor-

den:

Name Vernehmung
Protokoll

Nr.

Freiherr zu Gutten-

berg, Karl Theodor

22.04.2010 18

Jung, Dr. Franz Josef 25.03.2010 16

Schneiderhan, Wolf-

gang

18.03.2010

16.09.2010

14

31

Wichert, Dr. Peter 18.03.2010

16.09.2010

14

31

Durchgehend zugelassen worden ist die Öffentlichkeit zu

Sitzungen, in denen folgende Zeugen vernommen wur-

den:

Name Vernehmung
Protokoll

Nr.

Merkel, Dr. Angela 10.02.2011 49

Steinmeier, Dr. Frank-

Walter

10.02.2011 49

b) Ablehnung weiterer Vernehmungen in öf-
fentlicher Sitzung

Anträge der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der Vernehmung der

Zeugen Staatssekretär Rüdiger Wolf,
39

Dr. Thomas Raa-

be,
40

Rajiv Chandrasekaran,
41

sowie der afghanischen

Zeugen Dr. Habibe Erfan,
42

und A. M.
43

im Rahmen einer

jeweiligen Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1 Satz

2 GO-BT die Öffentlichkeit unter strikter Berücksichti-

gung von § 14 PUAG zuzulassen, sind mit Mehrheitsent-

scheidung von den Fraktionen der CDU/CSU und der

FDP jeweils abgelehnt worden.

c) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sit-
zungen

Im Vorfeld der in öffentlicher Sitzung für den 22. April

2010 beschlossenen Vernehmung von Bundesminister der

Verteidigung Freiherr zu Guttenberg hat sich der Fern-

sehsender Phoenix unter Hinweis auf das große öffentli-

che Interesse an die Vorsitzende mit der Bitte gewandt,

eine Live-Übertragung der Vernehmung zu ermöglichen.
39) Beratungsunterlage Nr. 17-225.

40) Beratungsunterlage Nr. 17-226.
41) Beratungsunterlage Nr. 17-229.

42) Beratungsunterlage Nr. 17-230.

43) Beratungsunterlage Nr. 17-232.

Nachdem die Vorsitzende auf Wunsch des interfraktionel-

len Gremiums bei dem Zeugen Freiherr zu Guttenberg

zuvor dessen Einverständnis zu einer etwaigen Fernseh-

übertragung eingeholt hatte, stellte sie das Ersuchen des

Fernsehsenders in der 15. Sitzung am 25. März 2010 zur

Diskussion.

Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP haben sich in

der Sitzung dagegen ausgesprochen. Die Vernehmung des

Zeugen finde zwar in öffentlicher Sitzung statt, für einen

Zeugen stelle es aber einen Unterschied dar, ob lediglich

seine Aussage oder sein gesamtes Verhalten während der

Vernehmung öffentlich übertragen werde. Die Frage der

Öffentlichkeit stehe zudem nicht zur Disposition des

Zeugen.

Die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN haben sich hingegen für die Zulassung

einer Fernsehübertragung ausgesprochen. Insbesondere

habe Bundesminister Freiherr zu Guttenberg nicht nur

gegenüber dem Ausschuss, sondern bereits auch öffent-

lich gegenüber der Presse seine diesbezügliche Bereit-

schaft artikuliert. Auch sei ein qualitativer Unterschied

zwischen Presseöffentlichkeit und einer Live-Übertragung

mit Kameras nicht erkennbar.

Abgeordneter Paul Schäfer (DIE LINKE.) hat daraufhin

beantragt, die öffentliche Sitzung am 22. April 2010 im

Fernsehen übertragen zu lassen. Der Antrag ist mit Mehr-

heitsentscheidung der Fraktionen der CDU/CSU und der

FDP abgelehnt worden.

In der 42. Sitzung am 16. Dezember 2010 haben die

CDU/CSU-Fraktion und die FDP-Fraktion gegen die

Stimmen der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag der Abgeordne-

ten Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), in der

öffentlichen Sitzung am 10. Februar 2011 eine TV-

Übertragung zu gestatten, abgelehnt.

4. Gegenüberstellung von Zeugen

a) Antrag der Oppositionsfraktionen auf
Durchführung einer Vernehmungsgegenü-
berstellung der Zeugen General a. D.
Schneiderhan, Staatssekretär a. D.
Dr. Wichert und Bundesminister der Ver-
teidigung Freiherr zu Guttenberg

In der 23. Sitzung am 17. Juni 2010 haben die Fraktionen

der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

die Durchführung einer Vernehmungsgegenüberstellung

der Zeugen General a. D. Wolfgang Schneiderhan, Staats-

sekretär a. D. Dr. Peter Wichert und Bundesminister der

Verteidigung Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg am 8.

Juli 2010, hilfsweise am 30. September 2010 beantragt.
44

Der Antrag ist im Wesentlichen mit widersprüchlichen

Aussagen des am 22. April 2010 vernommenen Zeugen

Bundesminister Freiherr zu Guttenberg und der am 18.
44) Beratungsunterlage Nr. 17-220.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/7400
März 2010 vernommenen Zeugen Staatssekretär a. D.

Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan vor dem

Untersuchungsausschuss begründet worden, die sämtlich

den Kern des vorliegenden Untersuchungsauftrages beträ-

fen und deren Klärung eine der wesentlichen Aufgaben

dieses Ausschusses darstelle. Deshalb dränge sich die

Durchführung einer Vernehmungsgegenüberstellung zur

Erforschung der Wahrheit und damit zur effektiven Auf-

klärung des Sachverhaltes geradezu auf. Durch eine ge-

meinschaftliche Befragung der sich widersprechenden

Zeugen ließen sich diese offenkundigen Widersprüche mit

hoher Wahrscheinlichkeit aufklären. Ein gleichlautender

Antrag
45

ist zuvor in der 21. Sitzung am 9. Juni 2010

zurückgenommen worden.

Der Antrag ist mit den Stimmen von 18 Abgeordneten der

Fraktionen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen

von 15 Abgeordneten der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. mit Begründung

abgelehnt worden. Die Gegenüberstellung sei im vorlie-

genden Fall nicht zulässig. Eine Vernehmungsgegenü-

berstellung, die nur ausnahmsweise in Betracht komme,

sei zur Sachaufklärung des Untersuchungsgegenstandes

nicht geboten. Bei den von den Oppositionsfraktionen

behaupteten vermeintlichen Widersprüchen handele es

sich durchweg um Unterschiede in der Wahrnehmung,

wie sie in jedem Prozess oder Untersuchungsausschuss

mit mehreren Zeugen zu Tage träten. Sie seien insbeson-

dere für den Untersuchungsgegenstand unerheblich, so

dass dadurch eine Gegenüberstellung nicht gerechtfertigt

werden könne. Der Antrag der Oppositionsfraktionen sei

zudem aus „rein politischen Motiven“ gestellt worden, um
ein „Spektakel Guttenberg“ zu inszenieren.46

b) Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2010 haben die Mitglieder der

SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE. beim 3.

Strafsenat des Bundesgerichtshofes beantragt, festzustel-

len:

„1. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2

Grundgesetz der 17. Wahlperiode des Deutschen

Bundestages mit seinem Beschluss vom 17. Juni

2010, den Antrag der Minderheit auf Durchfüh-

rung einer Vernehmungsgegenüberstellung (Bera-

tungsunterlage 17-220) als unzulässig abzulehnen,

gegen § 24 Abs. 2 i. V. m. § 17 Abs. 3 Satz 2 des

Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersu-

chungsausschüsse des Deutschen Bundestages

(Untersuchungsausschussgesetz – PUAG) versto-
ßen hat,

2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-

chungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2

Grundgesetz der 17. Wahlperiode des Deutschen

Bundestages gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG

verpflichtet ist, die Reihenfolge der Vernehmung
45) Beratungsunterlagen Nr. 17-209 und 17-216.

46) Beratungsunterlage Nr. 17-217.

der Zeugen so festzulegen, dass am 30. September

2010 die von der Minderheit mit Beratungsunter-

lage 17-220 begehrte Vernehmungsgegenüberstel-

lung durchgeführt wird,

hilfsweise festzustellen,

1. dass die mit Beratungsunterlage 17-220 beant-

ragte Vernehmungsgegenüberstellung zulässig ist

im Sinne von § 24 Abs. 2 PUAG und

2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-

chungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2

Grundgesetz der 17. Wahlperiode des Deutschen

Bundestages verpflichtet ist, die zulässige Ver-

nehmungsgegenüberstellung in einer durch den

Ausschuss festzulegenden Sitzung zur Beweisauf-

nahme durchzuführen.“47

Als Verfahrensbevollmächtigten hat der Untersuchungs-

ausschuss Professor Dr. Christian Waldhoff benannt.

Dieser hat mit Schriftsatz vom 9. August 2010 beantragt,

„sämtliche Anträge der Antragsteller zurückzuwei-
sen.“48

Mit Beschluss vom 17. August 2010 hat der 3. Strafsenat

des Bundesgerichtshofs die Anträge der Antragsteller als

unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausge-

führt worden, dass die Vernehmungsgegenüberstellung

eines Zeugen mit anderen Zeugen die Art und Weise der

Beweisaufnahme betreffe. Über die Frage, ob sie gemäß

§ 24 Abs. 2 PUAG für den Untersuchungszweck geboten

und zur Sachverhaltsaufklärung zweckmäßig sei, ent-

scheide der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der

abgegebenen Stimmen (§ 9 Abs. 4 PUAG). Seine qualifi-

zierte Minderheit von einem Viertel der Mitglieder sei

nicht befugt, die von der Ausschussmehrheit getroffene

Entscheidung durch den Bundesgerichtshof rechtlich

überprüfen zu lassen. Eine Antragsberechtigung der Ant-

ragsteller sehe das Untersuchungsausschussgesetz nach

seinem Wortlaut insoweit nicht vor. Sie sei ihm auch im

Wege der Auslegung nicht zu entnehmen. Dies begegne

keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
49

Wörtlich heißt es in dem Beschluss des Bundesgerichts-

hofs:

„Die fehlende Berechtigung der qualifizierten
Minderheit, bei der Ablehnung einer Verneh-

mungsgegenüberstellung den Bundesgerichtshof

anrufen zu können, steht vor diesem Hintergrund

im Einklang mit dem Sinn und Zweck des parla-

mentarischen Untersuchungsverfahrens. In diesem

geht es um die Aufklärung eines Sachverhalts un-

ter politischen Gesichtspunkten, die möglichst

zeitnah und zügig erfolgen sollen. Bei der Beurtei-

lung, ob wegen Widersprüchen in den Aussagen

von Zeugen eine Gegenüberstellung zulässig und
47) Antragsschrift der Mitglieder der SPD-Fraktion und der Fraktion

DIE LINKE. vom 8. Juli 2010.
48) Antragserwiderung zum Verfahren 3 ARs 23/10.

49) BGH, Beschluss vom 17. August 2010 – 3 ARs 23/10
(Dokument 19).
Drucksache 17/7400 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zweckmäßig ist, sind die politischen Bewertungen

der Zeugenaussagen von ausschlaggebender Be-

deutung. Diese ist Aufgabe der Mitglieder des Un-

tersuchungsausschusses und nicht der Gerichte, die

nur über Rechtsfragen, nicht dagegen über politi-

sche Bewertungen zu entscheiden haben.“ (Rn. 28
des Beschlusses)

5. Aussagegenehmigungen

Die meisten der vernommenen Zeugen haben für ihre

Aussage vor dem Untersuchungsausschuss eine Aussage-

genehmigung benötigt, die diese vom Bundeskanzleramt,

Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium

des Innern, Auswärtigen Amt beziehungsweise vom Bun-

desnachrichtendienst erhalten und dem Untersuchungs-

ausschuss vorgelegt haben.

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, MdB, Bundesminis-

ter Freiherr zu Guttenberg, MdB, sowie Bundesminister

a. D. Dr. Frank-Walter Steinmeier, MdB, ist jeweils eine

Aussagegenehmigung gemäß § 6 Abs. 2 BMinG erteilt

worden. Zudem hat der Präsident des Deutschen Bundes-

tages nach § 44 c AbgG Aussagegenehmigungen für die

Zeugen Bundeskanzlerin Dr. Merkel, Bundesminister

a. D. Dr. Jung, Bundesminister Freiherr zu Guttenberg

sowie Bundesminister a. D. Dr. Steinmeier erteilt.

6. Rechtsbeistand von Zeugen

Bei nachfolgend aufgeführten inländischen wie ausländi-

schen Zeugen ist die Vernehmung im Beisein eines

Rechtsbeistandes erfolgt:

Zeuge Rechtsbeistand Vernehmung

B., F. Rechtsanwalt

Pieter van Malderen

25. 11. 2010

Erfan,

Dr. Habibe

Rechtsanwalt

Andreas Schüller

28. 10. 2010

F., M. Rechtsanwalt

Johannes Eisenberg

20. 1. 2011

Klein, Georg Rechtsanwalt

Professor Dr. Bernd

Müssig

10. 2. 2010

M., A. Rechtsanwalt

Andreas Schulz

25. 11. 2010

R., A. Rechtsanwalt

Dr. Stefan König

16. 12. 2010

Auf seinen Antrag hin hat der Ausschuss beschlossen,

dem Zeugen Georg Klein die Gebühren seines rechtlichen

Beistandes für die Vernehmung in der Sitzung am 10.

Februar 2010 gemäß § 35 Abs. 2 PUAG zu erstatten. Die

Höhe der Erstattung ist gemäß § 35 Abs. 3 PUAG von der

Bundestagsverwaltung festgesetzt worden.

Im Übrigen sind Anträge auf Erstattung der Gebühren

gemäß § 35 Abs. 2 PUAG nicht gestellt worden.

7. Vernehmung von ausländischen Zeugen

Im Gegensatz zu deutschen Zeugen, die nach § 20 Abs. 1

PUAG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 Grundgesetz

sowie als Ausfluss ihrer allgemeinen Bürgerpflicht ver-

pflichtet sind, einer Ladung des Untersuchungsausschus-

ses nachzukommen, gilt diese Verpflichtung nicht für

Ausländer, die sich nicht in Deutschland aufhalten. Ein

Ausländer kann sich aber freiwillig bereit erklären, vor

einem deutschen Untersuchungsausschuss auszusagen.

In Umsetzung seiner Beweisbeschlüsse hat der Untersu-

chungsausschuss im Ausland lebende ausländische Zeu-

gen gebeten, sich zu einer Aussage vor dem Untersu-

chungsausschuss bereit zu erklären. Dies hat sowohl An-

gehörige ausländischer Dienststellen als auch Privatper-

sonen betroffen.

Für Angehörige ausländischer Dienststellen ist regelmä-

ßig das jeweils zuständige Ministerium um Erteilung

einer Aussagegenehmigung für seinen aktiven oder ehe-

maligen Mitarbeiter gebeten worden. Eine solche Aussa-

gegenehmigung ist nur für den Angehörigen der belgi-

schen Streitkräfte, Stabsfeldwebel F. B. erteilt worden,

der sich bereit erklärt hat, vor dem Untersuchungsaus-

schuss auszusagen.

Hinsichtlich der Zeugen General McChrystal und Admiral

Stavridis hat das US-amerikanische Verteidigungsminis-

terium unter Hinweis darauf, dass der Befehlshaber der

ISAF, General McChrystal, seinerzeit eine Untersuchung

der Vorgänge in Kunduz angeordnet habe, mitgeteilt, dass

die beiden Zeugen über die in dem Untersuchungsbericht

enthaltenen Informationen hinaus keine Angaben machen

könnten. Mit gleicher Begründung hat das kanadische

Verteidigungsministerium erklärt, dass der Zeuge Major-

General C. S. „Duff” Sullivan vor dem Ausschuss nicht
erscheinen werde. In anderen Fällen sind die Anfragen

des Untersuchungsausschusses unbeantwortet geblieben.

Folgende ausländische Zeugen hat der Untersuchungsaus-

schuss aus unterschiedlichen Gründen nicht vernehmen

können:

Zeuge beschlossen
BB-Nr.

17-:

Besatzungsmitglieder

des B-1B „Bone 22“
6. Mai 2010 156

Chandrasekaran, Rajiv 6. Mai 2010 146

F-15 Echo-Pilot „Dude
15“

9. Juni 2010 178

F-15 Echo Pilot „Dude
16“

6. Mai 2010 143

McChrystal, Stanley

General a. D.

6. Mai 2010 145

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/7400

Stavridis, James G.,

Admiral

6. Mai 2010 144

Sullivan, C.S. „Duff“,
Major General C.S.

6. Mai 2010 157

8. Beschlossene, aber nicht terminierte Zeu-
gen

In einigen Fällen hat der Untersuchungsausschuss vor

dem Hintergrund der erfolgten Beweisaufnahme von einer

Vernehmung der folgenden Zeugen, bezüglich derer es

Beweisbeschlüsse gegeben hat, abgesehen:

Zeuge beschlossen BB-Nr.

17-:

A., J. 6. Mai 2010 158

Antoni, Hans-Erich 16. Dezember

2009

78

B., W. 6. Mai 2010 155

Bornemann, Jürgen 21. Januar 2010 98

Brandenburg, Ulrich 21. Januar 2010 102

Buck, Dr. Christian 28. Januar 2010 138

Bühler, Erhard 21. Januar 2010 101

C., A. 6. Mai 2010 150

Dienst, Christian 16. Dezember

2009

72

Dora, Johann-Georg 16. Dezember

2009

74

E., T. 28. Januar 2010 123

G., M. 28. Januar 2010 120

H., A. 28. Januar 2010 134

Hannemann, Andreas 6. Mai 2010 154

Hanning, Dr. August 6. Mai 2010 147

Hartmann, Manfred 21. Januar 2010 106

Kossendey, Thomas 16. Dezember

2009

60

Krause, Malte 28. Januar 2010 121

Lather, Karl-Heinz 21. Januar 2010 108

de Maizière,

Dr. Thomas

16. Dezember

2009

47

Moritz, Steffen 16. Dezember

2009

70

N., L. 28. Januar 2010 135

Nielson, Manfred 21. Januar 2010 100

Nikel, Rolf 28. Januar 2010 118

P., T. 6. Mai 2010 152

Pofalla, Ronald 16. Dezember

2009

46

R., H. 28. Januar 2010 125

S., A. 6. Mai 2010 151

S., Dr. J. 6. Mai 2010 153

S., E. 16. Dezember

2009

122

Schmidt, Christian 16. Dezember

2009

61

Setzer, Jürgen 28. Januar 2010 127

Silberberg, Reinhard 16. Dezember

2009

57

Stather, Erich 21. Januar 2010 107

U., K. 28. Januar 2010 110

Weingärtner,

Dr. Dieter

21. Januar 2010 99

Westerwelle, Dr. Guido 16. Dezember

2009

55

Wieker, Volker 16. Dezember

2009

79

Wilhelm, Ulrich 16. Dezember

2009

54

9. Formeller Abschluss der Vernehmungen

Am Ende jeder Vernehmung hat die Vorsitzende die

Zeugen gemäß § 26 Abs. 3 PUAG belehrt, dass der Un-

tersuchungsausschuss durch Beschluss feststellt, dass die

Vernehmung des Zeugen abgeschlossen ist. Die Entschei-

dung dürfe erst ergehen, wenn nach Zustellung des Ver-

nehmungsprotokolls zwei Wochen verstrichen sind oder

auf die Einhaltung dieser Frist verzichtet worden ist.

In seiner 50. Sitzung am 24. Februar 2011 hat der Unter-

suchungsausschuss folgenden Beschluss gefasst:

„Beschluss 13 zum Verfahren
Ende der Beweisaufnahme und Abschluss von Zeugenvernehmungen

§ 26 Untersuchungsausschussgesetz (PUAG)

1. Die Beweisaufnahme durch Anhörung von Zeugen ist beendet. Nicht ausgeführte Beweisbeschlüsse betref-
fend die Ladungen von Zeugen gelten als erledigt.

Drucksache 17/7400 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Die Vernehmungen folgender Zeugen, die das Stenografische Protokoll über ihre Vernehmung durch den

Untersuchungsausschuss erhalten und dazu Stellung genommen bzw. auf eine Stellungnahme verzichtet ha-

ben, sind abgeschlossen.

Name BB 17- beschlossen vernommen Protokoll Nr.

B., F. 173 06.05.2010 25.11.2010 39

B., G. 139 10.02.2010 04.03.2010 10

Braunstein, Peter 124 28.01.2010 09.06.2010 22

B., G. 112 28.01.2010 04.03.2010 10

D., B. 103 21.01.2010 07.10.2010 33

Erfan, Dr. Habibe 161 06.05.2010 28.10.2010 35

F., S. 133 28.01.2010 28.10.2010 35

F., M. 175 20.05.2010 20.01.2011 45

G., H. 149 06.05.2010 09.06.2010 22

G., D. 137 28.01.2010 11.11.2010 37

Glatz, Rainer 126 28.01.2010 15.03.2010 12

G., R. 182 29.09.2010 25.11.2010 39

Freiherr zu Guttenberg, Karl-

Theodor

59 16.12.2009 22.04.2010 18

Heusgen, Dr. Christoph 50 16.12.2009 20.01.2011 45

K., U. 111 28.01.2010 07.10.2010 33

N., T. 136 28.01.2010 11.11.2010 37

Jung, Dr. Franz Josef 58 16.12.2009 25.03.2010 16

Klein, Georg 109 28.01.2010 10.02.2010 6

Krause, Andreas 75 16.12.2009 09.06.2010 22

Kühn, Wolfram 174 06.05.2010 01.07.2010 25

M., A. 160 06.05.2010 25.11.2010 39

M., M.-A. 159 06.05.2010 07.10.2010 33

N., O. 131 28.01.2010 25.02.2010

11.11.2010

8

37

Raabe, Dr. Thomas 71 16.12.2009 16.09.2010 29

R., A. 175 20.05.2010 16.12.2010 43

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/7400

Name BB 17- beschlossen vernommen Protokoll Nr.

Ramms, Egon 77 16.12.2010 02.12.2010 41

Sch., Ch. 132 28.01.2010 07.10.2010 33

Schlie, Dr. Ulrich 65 16.12.2009 08.07.2010 27

Schneiderhan, Wolfgang 73 16.12.2009 18.03.2010

29.09.2010

14

31

Uhrlau, Ernst 184 11.11.2010 16.12.2010 43

Vad, Dr. Erich 119 28.01.2010 02.12.2010

20.01.2011

41

45

V., R. 130 28.01.2010 11.11.2010 37

V., B. 148 06.05.2010 09.06.2010 22

Vollmer, Jörg 128 28.01.2010 15.03.2010 12

Wichert, Dr. Peter 63 16.12.2009 18.03.2010

29.09.2010

14

31

W., M. 129 28.01.2010 25.02.2010 8

Wolf, Rüdiger 62 16.12.2009 08.07.2010 27

3. Für den Abschluss der Vernehmung derjenigen Zeugen, denen das Protokoll noch nicht zugestellt werden
konnte oder deren Frist zur Stellungnahme noch nicht abgelaufen ist, wird die Vorsitzende ermächtigt, den

entsprechenden Beschluss des Ausschusses nach Ziffer 3 im Umlaufverfahren herbeizuführen.“

Name BB 17- beschlossen vernommen Protokoll Nr.

Fritsche, Klaus-Dieter 48 16.12.2009 27.01.2011 47

Merkel, Dr. Angela 45 16.12.2010 10.02.2011 49

Steinmeier, Dr. Frank-Walter 56 16.12.2009 10.02.2010 49

Vorbeck, Hans-Josef 117 28.01.2010 27.01.2011 47

VI. Abschlussbericht

1. Erstellung des Abschlussberichts

a) Zeitplan

Der Untersuchungsausschuss hat in seiner 50. Sitzung am

24. Februar 2011 nachfolgenden Zeitplan für die Abfas-

sung der Beschlussempfehlung und des Abschlussberich-

tes beschlossen:

„Erstellung der Beschlussempfehlung und
des Berichts (Zeitplan)

1. Das Sekretariat wird beauftragt, bis zum 15.
April 2011 den Vorentwurf eines Abschluss-

berichtes (Verfahrensteil und Feststellungsteil)

zu erstellen und diesen den Berichterstattern

zuzuleiten.

2. Die Abklärung, ob eine Einigung über einen
möglichen gemeinsamen Verfahrens- und

Feststellungsteil erzielt werden kann, findet in

einem Berichterstattergespräch am 9. Mai

2011 statt. Die Entscheidung der Berichter-

Drucksache 17/7400 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
statter hierüber wird bis zum 12. Mai 2011 er-

folgen.

3. Die Zuleitung der Bewertungen der Berichter-
statter der Mehrheitsfraktionen an das Sekreta-

riat erfolgt zum 24. Mai 2011.

4. Eventuelle Sondervoten der Berichterstatter
werden dem Sekretariat bis zum 6. Juni 2011

zugeleitet.

5. Die Beratungssitzung des Verteidigungsaus-
schuss als 1. Untersuchungsausschuss zur

Verabschiedung der Beschlussempfehlung

und des Berichts einschließlich abweichender

Voten findet am 10. Juni 2011 statt.“

Der Zeitplan ist mehrfach verändert worden u. a. in der

53. Sitzung am 25. Mai 2011, um den Berichterstattern

mehr Zeit einzuräumen, um einen Feststellungsteil zu

ringen, der von allen Fraktionen getragen werden kann.

b) Abfassung von Berichtsteilen und Aufhe-
bung von Einstufungen

Für die Abfassung von Berichtsteilen und zur Aufhebung

von Einstufungen nach der Geheimschutzordnung des

Bundestages ist in der 50. Sitzung beschlossen worden:

„Beschluss 14 zum Verfahren
Abfassung von Berichtsteilen/Aufhebung

von Einstufungen

1. Für den Abschlussbericht können eingestufte
Unterlagen verwendet werden. Die eingestuf-

ten Unterlagen (Quellen) bleiben als solche

weiterhin eingestuft. Die Berichtsteile sind bis

zur Aufhebung der Einstufung und bis zum

Feststellungsbeschluss des Ausschusses über

den Abschlussbericht als VS-Zwischen-

material GEHEIM zu behandeln.

2. Der Abschlussbericht wird ohne Schwärzun-
gen erstellt. Zur Wahrung des Identitätsschut-

zes sind die Namen von zu schützenden Zeu-

gen abzukürzen. Das Sekretariat wird ermäch-

tigt, dies im Rahmen einer redaktionellen

Überarbeitung des Abschlussberichts vor

Drucklegung sicherzustellen.

Um eine Aufhebung der Einstufung verwen-

deter Aktenauszüge zu ermöglichen, sind alle

entsprechenden Berichtsstellen mit detaillier-

ten Quellenangaben zu versehen (z. B. Be-

zeichnung des Dokuments, MAT-Nummer,

Ordner-Nummer, Seitenangabe bzw. Proto-

kollnummer, Protokollteil, Seitenangabe).

3. Die Aufhebung der Einstufung der im Ab-
schlussbericht verwendeten Inhalte aus beige-

zogenen Unterlagen erfolgt durch die heraus-

gebenden Stellen. Bei der Aufhebung von In-

halten aus Vernehmungsprotokollen durch den

Ausschuss sind die aussagegenehmigenden

Stellen zu beteiligen. Enthält ein Verneh-

mungsprotokoll einen Vorhalt aus einer ein-

gestuften Unterlage, so ist bei der Aufhebung

der Einstufung auch die Stelle zu beteiligen,

die die Einstufung des verwendeten Vorhalts

vorgenommen hat. Zur Prüfung der Aufhe-

bung der Einstufung werden die entsprechen-

den Berichtsteile den herausgebenden oder zu

beteiligenden Stellen übersandt.“

c) Gewährung rechtlichen Gehörs zum Ab-
schlussbericht

Nach § 32 Abs. 1 PUAG ist Personen, die durch die Ver-

öffentlichung des Abschlussberichtes in ihren Rechten

erheblich beeinträchtigt werden können, vor Abschluss

des Untersuchungsverfahrens Gelegenheit zu geben, zu

den sie betreffenden Ausführungen im Entwurf des Ab-

schlussberichtes innerhalb von zwei Wochen Stellung zu

nehmen, soweit diese Ausführungen nicht mit ihnen in

einer Sitzung zur Beweisaufnahme erörtert worden sind.

Der wesentliche Inhalt der Stellungnahme ist in dem

Bericht wiederzugeben (§ 32 Abs. 2 PUAG).

Bereits bevor die Bewertungen des Ausschusses und

etwaige Sondervoten vorgelegt worden sind, hat der Un-

tersuchungsausschuss in seiner 54. Sitzung am 29. Juni

2011 mit dem nachfolgenden Beschluss 15 zum Verfah-

ren beschlossen, den darin genannten Personen zunächst

zu den Ausführungen im Feststellungsteil des Abschluss-

berichts Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben:

„Beschluss 15 zum Verfahren
Gewährung rechtlichen Gehörs

zum Abschlussbericht

gemäß § 32 PUAG

Der Verteidigungsausschluss als 1. Untersu-

chungsausschuss beschließt vorläufig, den folgen-

den Personen zu den ermittelten Tatsachen (Fest-

stellungsteil des Abschlussberichts) vor einer Ver-

öffentlichung des Abschlussberichts nach § 32

PUAG Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu ge-

ben:

1. Sabine Bastek, BMVg, zu

den Punkten E. II. 1. b) und c) – Aufzeichnun-
gen der Leiterin Ministerbüro und Darstellung

Staatssekretär a. D. Dr. Wichert,

2. Christian Dienst, BMVg, zu

Punkt B. III. 3. e) – Existenz einer möglichen
weiteren, „dritten“ Quelle

sowie

Punkt C. II. 1. d) cc) eee) – Eigene Nachfor-
schungen des Presse- und Informationsstabes,

3. Georg Klein, Bw, zu

Punkt B. III. 7. b) cc) ccc) – Interne Bedenken
der Flugzeugbesatzung,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/7400
Punkt B. III. 7. b) dd) – Begründung des Ent-
schlusses,

Punkt B. III. 7. c) – Ablehnung eines Überflu-
ges im Rahmen der ‚show of force„,

Punkt C. II. 1. a) aa) iii) – Veränderung des
Daily Intelligence Summary vom 4. September

2009,

4. M. W., Bw, zu

Punkt C. III. 7. b) cc) bbb) – Ziel des Luft-
schlages.

Die Gewährung weiteren rechtlichen Gehörs nach

Vorlage des Ergebnisses der Untersuchung (Be-

wertungsteil) und der Sondervoten bleibt vorbehal-

ten.“

Zu den Feststellungen Stellung genommen haben Oberst

i. G. Klein (siehe unten: S. 415) und Kapitän zur See

Dienst (siehe unten: S. 420).

Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2011 hat der Rechtsbeistand

von Oberst i. G. Georg Klein beantragt, diesem umfas-

sendes rechtliches Gehör unter Übersendung aller ihn

betreffenden Ausführungen im Entwurf des Abschlussbe-

richts zur zusammenhängenden Stellungnahme zu gewäh-

ren. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt,

dass sich das nach § 32 Abs. 1 PUAG zu gewährende

rechtliche Gehör und das Recht zur Stellungnahme nach

dem gesetzlichen Wortlaut auf „Ausführungen im Ent-
wurf des Abschlussberichtes“ beziehe, und zwar auf sämt-
liche die Person betreffenden Ausführungen. Diese ein-

deutige gesetzliche Regelung sei eine – auch von Verfas-
sungs wegen gebotene – Konsequenz dessen, dass im
PUAG formal zwischen einem „Zeugen“ und einem (ma-
teriell) „Betroffenen“ als Auskunftsperson des Ausschus-
ses nicht unterschieden werde. Damit solle dem materiell

Betroffenen jedenfalls rechtlichen Gehörs als das verfas-

sungsrechtlich gewährte Mindestmaß an verfahrensrecht-

lichem Schutz gewährt werden. Mit der Übermittlung

einzelner Passagen aus dem Abschlussbericht könne da-

her nur ein „erster Schritt“ unternommen worden sein.
Zur umfassenden Wahrnehmung seiner Rechte seien

Oberst i. G. Klein alle ihn betreffenden Äußerungen im

Entwurf des Abschlussberichtes zur Stellungnahme vor-

zulegen.
50

Eine bei den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen

Bundestages in Auftrag gegebene Ausarbeitung ist zu

dem Ergebnis gelangt, dass einem Zeugen, der vor dem

Untersuchungsausschuss gehört wurde und der in seinen

Rechten durch die Veröffentlichung des Abschlussbe-

richts des Ausschusses erheblich beeinträchtigt werden

könnte, solche Auszüge zur Gewährung rechtlichen Ge-

hörs zugesandt werden müssten, zu deren Inhalt er bisher

nicht habe Stellung nehmen können. Das betreffe sowohl

neue Tatsachenfeststellungen als auch Werturteile bezie-

hungsweise neue Vorwürfe. Dies seien insbesondere

Auszüge, die sich auf Dokumente beziehen, die nicht
50) Beratungsunterlage Nr. 17-291.

Gegenstand der Vernehmung des Zeugen gewesen seien,

etwa weil sie zum Zeitpunkt der Vernehmung dem Aus-

schuss noch nicht bekannt waren, sowie Auszüge, in

denen andere Zeugen den Aussagen des zuerst vernom-

menen Zeugen widersprechen. Nicht erforderlich sei

hingegen, dass die konkreten Ausführungen im Ab-

schlussbericht mit dem Zeugen erörtert worden sein müs-

sen.
51

Unter Berücksichtigung des vorgenannten Ergebnisses hat

der Untersuchungsausschuss in seiner 56. Sitzung am 5.

September 2011 mit den Stimmen der Abgeordneten der

Fraktionen der CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN bei Enthaltung der Abgeordneten der Fraktio-

nen der SPD und DIE LINKE. mit nachfolgendem Be-

schluss 16 zum Verfahren beschlossen, betroffenen Per-

sonen zu den Ausführungen zum Ergebnis der Untersu-

chung (Bewertungsteil der Mehrheitsfraktionen) und zu

den Sondervoten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE.

und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor einer Veröffentli-

chung des Abschlussberichts Gelegenheit zu einer Stel-

lungnahme zu geben:

„Beschluss 16 zum Verfahren
Gewährung rechtlichen Gehörs

zum Abschlussbericht

gemäß § 32 PUAG

Der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungs-

ausschuss beschließt, den folgenden Personen zu

dem Ergebnis der Untersuchung (Bewertungsteil

der Mehrheitsfraktionen) und zu den Sondervoten

der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜN-

DNIS 90/DIE GRÜNEN vor einer Veröffentli-

chung des Abschlussberichts nach § 32 PUAG Ge-

legenheit zu einer Stellungnahme zu geben:

1. Georg Klein, Bundeswehr, zu den Punkten

a) im Sondervotum der SPD-Fraktion:

Punkt III. 2. f) cc) ‚Probleme beim Inhalt
der Kommunikation: Unzureichende Ge-

sprächsführung„,

Punkt III. 2. g) aa) ‚Vorfrage: Was war das
Ziel des Waffeneinsatzes„ bis hh) ‚Regel-
widriger Verzicht auf die Durchführung ei-

nes angemessenen ‚Battle Damage Assess-
ment„,

Punkt III. 2. g) jj) ‚Zusammenfassung der
Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten

Durchführung des Waffeneinsatzes„,

Punkt IV. 1. b) bb) bbb) ‚Völkerrechtliche
Rechtfertigung des Handelns von Oberst

Klein?„ bis IV. 2. b) ‚Verletzung nationaler
Einsatzvorgaben durch gezielte Tötung au-
51) Giesecke,    Umfang und Grenzen des rechtlichen Gehörs gemäß

§ 32 PUAG, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des

Deutschen Bundestages vom 31. August 2011, WD 3 – 3000 –
271/11 (Dokument 20).
Drucksache 17/7400 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ßerhalb einer Selbstverteidigungs- oder

Nothilfesituation„,

Punkt V. ‚Zusammenfassende Gesamtbe-
wertung zum Luft-Boden-Angriff von

Kunduz„,

Punkt VI. 3. a) ‚Verschleierung vor Ort im
PRT Kunduz selbst„,

b) im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.:

Punkt II. ‚Das … Ermittlungsverfahren ge-
gen Oberst Klein und Hauptfeldwebel W.

… ist … einzustellen.„ bis Punkt II. 2. c)
‚Nachweis der Völkerrechtswidrigkeit des
Vorgehens von Oberst Klein„,

Punkt III. c) ‚Materiellrechtliche Fehlbe-
wertung als Grundlage der Verfahrensein-

stellung durch die Bundesanwaltschaft„,

c) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN:

Punkt III. 3. b) ‚Tötung von Aufständi-
schen„,

Punkt III. 4. b) ‚Verletzung der Aufklä-
rungspflichten zur Vermeidung ziviler Op-

fer„,

Punkt III. 4. b) cc) ‚Alternative Hand-
lungsmöglichkeiten„ bis II. 4. g) ‚Schluss-
folgerung und Bewertung der rechtlichen

Reaktion auf den Luftschlag„,

2. HptFw W., Bundeswehr, zu den Punkten

a) im Sondervotum der SPD-Fraktion:

Punkt III. 2. d) ‚Drängen auf schnellen
Bombenabwurf durch Hauptmann N. und

Hauptfeldwebel W.„, e) ‚Keine Bestätigung
durch die Aufklärungsmittel des B1-

Bombers„,

Punkt III. 2. g) ‚Verfahrensfehler im Rah-
men der konkreten Durchführung des Waf-

feneinsatzes„,

Punkt III. 2. g) aa) ‚Vorfrage: Was war Ziel
des Waffeneinsatzes?„,

Punkt III. 2. g) bb) ‚Regelwidriger Einsatz
des B1-Bombers zur Suche nach den Tank-

lastern„,

Punkt III. 2. g) ee) ‚Unklarheiten zwischen
Oberst Klein, dem JTAC und den Piloten

über die angewandte Einsatzregel (‚Rule of
Engagement„)„,

Punkt III. 2. g) ff) ddd) ‚Fehlende Anwen-
dung der für offensiven Waffeneinsatz

zwingenden Zielzuweisungsverfahren„,

Punkt III. 2. g) jj) ‚Zusammenfassung der
Verfahrensfehler„,

Punkt V. ‚Zusammenfassende Gesamtbe-
wertung zum Luft-Boden-Angriff von

Kunduz„,

b) im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.:

Punkt II. 1. b) ‚Unterlassen einer show of
force„,

Punkt II. 1. e) ‚Vorspiegeln einer Gefechts-
situation (troops in contact, TIC) bzw. einer

akuten Bedrohungslage (imminent threat)„,

Punkt II. 2. a) bb) aaa) (4) ‚Tragen von
Waffen„,

Punkt II. 2. a) bb) bbb) (2) ‚Weitere Mittel
der Luftaufklärung„,

Punkt II. 2. b) aa) ‚Offensive Aufstandsbe-
kämpfung als Grund für den Verzicht auf

eine show of force„,

Punkt II. 3. b) ‚Verletzung des Amtsermitt-
lungsgrundsatzes„,

c) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN:

Punkt III. 3. b) ‚Tötung von Aufständi-
schen„,

Punkt III. 4. b) dd) ‚Flugzeuganforderung
trotz mangelndem TIC„,

Punkt III. 4. c) ‚Militärische Eingriffs-
grundlage„,

Punkt III. 6. a) ‚Die Rolle der Task Force
47„,

Punkt III. 7. ‚Zusammenfassung„,

3. Hptm. N., Bundeswehr, zu

im Sondervotum der SPD-Fraktion:

Punkt III. 2. c) ‚Die problematische Agenda
des Hauptmann N. – ‚Der Schwanz wedelt
mit dem Hund„„ bis f) ‚Fehlerhafter Um-
gang mit dem afghanischen HUMINT-

Kontakt„,

Punkt B. III. 2. f) dd) ‚Probleme bei der
Bewertung der Informationen„,

Punkt B. III. 2. f) ff) ‚Zusammenfassung
und Schlussfolgerungen zum fehlerhaften

Umgang mit dem HUMINT-Kontakt„,

Punkt B. V. ‚Zusammenfassende Gesamt-
bewertung zum Luft-Boden-Angriff von

Kunduz„,

4. Jörg Vollmer, Bundeswehr, zu

a) im Sondervotum der SPD-Fraktion:

Punkt B. VI. 3. b) ‚Verschleierung in Ma-
sar-e-Sharif und im Einsatzführungskom-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/7400
mando in Potsdam: Manipulation des

INTSUM„,

b) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN:

Punkt VIII. 3. a) ‚INTSUM„,

5. Rainer Glatz, Bundeswehr, zu

a) im Sondervotum der SPD-Fraktion:

Punkt B. VI. 3. b) ‚Verschleierung in Ma-
sar-e-Sharif und im Einsatzführungskom-

mando in Potsdam: Manipulation des

INTSUM„,

b) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN:

Punkt VIII. 3. a) ‚INTSUM„,

6. OTL V., Bundeswehr, zu

a) im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.:

Punkt I. 3. c) aaa) ‚Kontakt zum ISAF-Joint
Investigation Board„,

b) im Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN:

Punkt IV. 3. b) bb) ‚Begleitung durch die
‚Gruppe 85„,

Punkt IV. 5. ‚Zusammenfassung„.“

Die Abgeordneten der SPD hatten zuvor für eine großzü-

gigere Gewährung rechtlichen Gehörs unter Einbeziehung

der Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General

a. D. Schneiderhan plädiert
52

.

Zu den Sondervoten Stellung genommen haben General-

leutnant Rainer Glatz (siehe unten: S. 419), Oberst i. G.

Georg Klein (siehe unten: S. 416) und Brigadegeneral

Jörg Vollmer (siehe unten: S. 418). Hierzu haben die

SPD-Fraktion, die Fraktion DIE LINKE. und die Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihrerseits mit Gegenäuße-

rungen reagiert (siehe unten: S. 421 ff.). Zu den Gegenäu-

ßerungen der Oppositionsfraktionen hat die Koalition

wiederum Anmerkungen verfasst (S. 426) auf die die

Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

erwidert haben (S. 427).

2. Feststellung des Abschlussberichtes

a) Gang des Verfahrens und ermittelte Tatsa-
chen

Der Untersuchungsausschuss hat in seiner 54. Sitzung am

29. Juni 2011 mit den Stimmen der Abgeordneten der

Fraktion der CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Abgeordneten der

Fraktion DIE LINKE. folgenden Beschluss gefasst:
52) Beratungsunterlage Nr. 17-307. Vgl. unten: S. 421.

„Feststellung:
Erster Teil: Einsetzung des Untersuchungsaus-

schusses und Verlauf des Untersuchungsverfah-

rens (Verfahrensteil) und Zweiter Teil: Feststel-

lungen zum Sachverhalt (Feststellungsteil) des Ab-

schlussberichts gemäß § 33 Abs. 1 PUAG

1. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-

suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2

Grundgesetz stellt den Berichtsentwurf der Be-

richterstatter Michael Brand (CDU/CSU) und

Henning Otte (CDU/CSU), Rainer Arnold

(SPD), Joachim Spatz (FDP) und Omid Nouri-

pour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vorbe-

haltlich des zu gewährenden rechtlichen Ge-

hörs gemäß § 32 PUAG als Berichtsteile zum

Gang des Verfahrens (Verfahrensteil) und den

ermittelten Tatsachen (Feststellungsteil) des

Berichts des Untersuchungsausschusses gemäß

§ 33 Abs. 1 PUAG fest.

2. Das Sekretariat wird gebeten, den Verfahrens-

und Feststellungsteil im Einvernehmen mit den

Fraktionen bis zur Vorlage des Abschlussbe-

richts für den Bundestag insbesondere im

Hinblick auf das zu gewährende rechtliche Ge-

hör, die eventuelle Herabstufung noch einges-

tufter Passagen und das weitere Verfahren nach

Abschluss der Beweisaufnahme fortlaufend zu

aktualisieren.

3. Das Sekretariat wird ermächtigt, orthografi-

sche, grammatikalische und sprachliche Un-

richtigkeiten, Zitierfehler sowie sprachliche

oder inhaltliche Brüche im Übergang zu den

jeweils nächsten Kapiteln im Einvernehmen

mit den Fraktionen zu korrigieren.“

b) Ergebnis der Untersuchung

In seiner 55. Sitzung am 6. Juli 2011 hat der Untersu-

chungsausschuss mit den Stimmen der Abgeordneten der

Fraktionen der CDU/CSU und der FDP gegen die Stim-

men der Abgeordneten der übrigen Fraktionen die von

den Berichterstattern Michael Brand (CDU/CSU), Hen-

ning Otte (CDU/CSU) und Joachim Spatz (FDP) vorge-

legten Bewertungen als Ergebnis der Untersuchung im

Sinne des § 33 PUAG beschlossen (siehe: Dritter Teil,

S. 169 ff.).

c) Sondervoten

Die Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN haben am 11. August 2011 jeweils ein

Sondervotum vorgelegt. Diese sind nach § 33 Abs. 2

PUAG in den Bericht aufzunehmen (siehe: Vierter Teil,

S. 213 ff.).

Drucksache 17/7400 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Geheimnisse im Abschlussbericht

Zur Wahrung der Interessen der Bundesrepublik Deutsch-

land und etwaiger Belange Dritter sind alle Berichtsteile

des Abschlussberichts einschließlich der Sondervoten

zunächst von der Vorsitzenden vorläufig als Verschluss-

sache der Stufe GEHEIM eingestuft und im Ausschuss

verteilt worden. Auf Bitten des Ausschusses hat die Bun-

desregierung dem Ausschuss diejenigen Passagen der

Berichtsteile benannt, deren Veröffentlichung die Interes-

sen der Bundesrepublik Deutschland entgegenstünde. Im

Wesentlichen hat es sich hierbei um Klarnamen von

schützenswerten Personen, militärischen und nachrich-

tendienstlichen Fähigkeiten und Geheimnisse internatio-

naler oder ausländischer Stellen gehandelt.

Der Untersuchungsausschuss ist sich einig gewesen an-

zustreben, den gesamten Bericht ohne Schwärzungen

veröffentlichen zu können. Auf Ebene der Mitarbeiter von

Regierung und Fraktionen sind über die parlamentarische

Sommerpause 2011 gemeinsam Umformulierungen bzw.

Abkürzungen gefunden worden, die eine Veröffentli-

chung aller Berichtsteile bei wenigen Streichungen er-

laubt. Entsprechend ist mit den Anlagen zu dem Bericht

verfahren worden.

e) Feststellung der Teile des Berichts und
Vorlage an den Bundestag

In seiner 58. Sitzung am 20. Oktober 2011 hat der Unter-

suchungsausschuss zur Feststellung und Veröffentlichung

seines Berichts beschlossen:

„1. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des

Grundgesetzes stellt den in seiner 54. Sitzung

am 29. Juni 2011 beschlossenen Bericht in der

Fassung der Beratungsunterlage 17-317 als Be-

richtsteile des Untersuchungsausschusses zum

Gang des Verfahrens (Erster Teil) und zu den

ermittelten Tatsachen (Zweiter Teil) gemäß

§ 33 Abs. 1 PUAG fest.

2. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-

suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des

Grundgesetzes stellt den in seiner 55. Sitzung

am 6. Juli 2011 beschlossenen Bericht in der

Fassung der Beratungsunterlage 17-317 als Be-

richtsteil des Untersuchungsausschusses Er-

gebnis der Untersuchung gemäß § 33 Abs. 1

PUAG fest (Dritter Teil).

3. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-

suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des

Grundgesetzes stellt die am 11. August 2011

vorgelegten Berichte der Fraktionen der SPD,

DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN in der Fassung der Beratungsunterlage

17-317 als Sondervoten gemäß § 33 Abs. 2

PUAG fest (Vierter Teil).

4. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-

suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des

Grundgesetzes stellt die aufgrund der Gewäh-

rung rechtlichen Gehörs eingegangenen Stel-

lungnahmen von Oberst Klein, Brigadegeneral

Vollmer, Generalleutnant Glatz und Kapitän

zur See Dienst sowie die Gegenäußerungen der

Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und BÜN-

DNIS 90/DIE GRÜNEN in der Fassung der

Beratungsunterlage 17-317 zuzüglich der An-

merkungen der Koalition auf Beratungsunter-

lage 17-322 und der Erwiderung der Fraktionen

der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf

Beratungsunterlage 17-325 als Fünften Teil des

Berichts fest.

5. Der Verteidigungsausschuss als 1. Unter-

suchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des

Grundgesetzes stellt die auf den Beratungsun-

terlagen 17-315 und 17-316 aufgeführten Posi-

tionspapiere sowie das Kurzprotokoll Nr. 57,

Tagesordnungspunkt 1 über die Beratungssit-

zung des Verteidigungsausschusses als Unter-

suchungsausschuss vom 28. September 2011

als Sechsten Teil des Berichts „Lessons Lear-
ned“ fest.

6. Dem Bericht werden die im Sechsten Teil der

Beratungsunterlage 17-317 aufgeführten Do-

kumente und Protokolle in der auf der Begleit-

CD zu dieser Beratungsunterlage befindlichen

Fassung, insbesondere mit den darin vorge-

nommenen Schwärzungen, sowie die Übersich-

ten und Verzeichnisse als Anhang zum Bericht

beigefügt.

7. Die festgestellten Teile des Berichts werden als

Bundestagsdrucksache veröffentlicht.

8. Die festgestellten Teile des Berichts werden

dem Deutschen Bundestag mit folgender Be-

schlussempfehlung vorgelegt:

‚Der Bundestag wolle beschließen:

Der Bericht des Verteidigungsausschusses als

1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a

Abs. 2 des Grundgesetzes wird zur Kenntnis

genommen.„“

VII. „Lessons Learned“

Am 28. September 2011 hat sich der Untersuchungsaus-

schuss mit der Frage beschäftigt, welche Schlussfolge-

rungen aus der Untersuchungsarbeit zu ziehen sind und

wie das Ergebnis der Untersuchung in die weitere Arbeit

des Verteidigungsausschusses einfließen bzw. umgesetzt

werden könnte. Neben den Bewertungen der Ausschuss-

mehrheit und den Sondervoten der Oppositionsfraktionen

haben dem Ausschuss hierzu ein „Diskussionspapier“ der
Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

53

53) Siehe unten: S. 432.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/7400
als auch ein entsprechendes Papier der Koalitionsfraktio-

nen
54

vorgelegen.

Die Fraktionen haben die aus ihrer Sicht wesentlichen

Schlussfolgerungen aus dem Luftangriff vom 4. Septem-

ber 2009 vorgetragen. Der Generalinspekteur der Bun-

deswehr, General Wieker, ist eingeladen worden darzus-

tellen, welche Mängel das Bundesministerium der Vertei-

digung anlässlich des Luftangriffs von Kunduz erkannt

und gegebenenfalls bereits abgestellt hat. Der Vorsitzende

des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Abg.

Siegfried Kauder (CDU/CSU) hat dem Ausschuss einen

gesetzgeberischen Lösungsvorschlag zum Umgang mit

dem in der Regel folgenlosen Verrat von Geheimnissen

aus Untersuchungsausschüssen heraus unterbreitet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf das

Protokoll über die 57. Sitzung des Verteidigungsaus-

schusses als Untersuchungsausschuss (S. 436).

VIII. Umgang mit Akten nach Abschluss der
Untersuchung

In seiner 58. Sitzung am 10. Oktober 2011 hat der Aus-

schuss beschlossen:

„Beschluss 19 zum Verfahren
Rückgabe von Beweismaterialien und

Mehrausfertigungen von Protokollen

1. Nach Kenntnisnahme des Abschlussberichtes

durch das Plenum des Deutschen Bundestages

geben

– die Mitglieder des Verteidigungsaus-
schusses als 1. Untersuchungsausschuss,

– die benannten Mitarbeiterinnen und Mi-
tarbeiter der Fraktionen und

– die Beauftragten der Bundesregierung

gegenüber dem Sekretariat eine Erklärung ab,

dass verteilte Kopien der als VS-NUR FÜR

DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuften Be-

weismaterialien sowie die davon gezogenen

weiteren Kopien, soweit dies nicht bereits er-

folgt ist, vernichtet werden.

2. Die von der Geheimregistratur des Deutschen

Bundestages an

– die Mitglieder des Verteidigungsaus-
schusses als 1. Untersuchungsausschuss,

– die benannten Mitarbeiterinnen und Mi-
tarbeiter der Fraktionen,

– die Beauftragten der Bundesregierung,

– den Generalbundesanwalt beim Bundes-
gerichtshof sowie an

– den Leitenden Oberstaatsanwalt in Berlin
54) Siehe unten: S. 429.

verteilten

– Kopien der VS-VERTRAULICH oder
höher eingestuften Beweismaterialien,

– die Mehrausfertigungen der VS-VER-
TRAULICH oder höher eingestuften Pro-

tokolle des Verteidigungsausschusses als

1. Untersuchungsausschuss sowie

– die Mehrausfertigungen der VS-eingestuf-
ten Berichtsteile

sind nach Kenntnisnahme des Abschlussbe-

richts durch das Plenum des Deutschen Bun-

destages der Geheimregistratur zum Zwecke

der Vernichtung zuzuleiten. Den Beauftragten

der Bundesregierung wird gestattet, diese Ko-

pien und Mehrausfertigungen mit Zustimmung

des Sekretariats selbst zu vernichten.“

„Beschluss 20 zum Verfahren
Behandlung der Protokolle und Materialien nach

Kenntnisnahme des Abschlussberichtes durch den

Deutschen Bundestag

I. Protokolle

Der Untersuchungsausschuss empfiehlt gemäß

Ziffer II. Nr. 2 der Richtlinien gemäß § 73

Abs. 3 GO-BT:

1. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH

und höher eingestufte Protokolle über Bera-

tungssitzungen und Sitzungen zur Beweis-

aufnahme durch Vernehmung von Zeugen

werden nach der Geheimschutzordnung des

Bundestages behandelt.

2. Protokolle über Beratungssitzungen werden

mit dem Vermerk „VS-NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH“ versehen. Der Ver-
merk verliert am 31. Dezember 2017 seine

Gültigkeit. Danach können diese Protokolle

von jedem eingesehen werden, der ein be-

rechtigtes Interesse geltend machen kann.

Über das Vorliegen eines berechtigten

Interesses entscheidet der Präsident.

II. Beweismaterialien (MAT)

Die zu Beweiszwecken gemäß § 18 (1) PUAG

beigezogenen Materialien Dritter und die VS-

NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH und

höher eingestuften Beweismaterialien werden

nach Kenntnisnahme des Abschlussberichts

durch das Plenum des Deutschen Bundestages

an die herausgebenden Stellen zurückgegeben

oder mit Zustimmung der herausgebenden Stel-

le vernichtet. Ausgenommen hiervon sind Ko-

pien bzw. Ausfertigungen von Beweismateria-

lien, die als Dokumente dem Abschlussbericht

oder Teilen des Abschlussberichtes beigefügt

sind.

Drucksache 17/7400 – 32 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Übrigen werden Kopien ebenso wie die

vom Verteidigungsausschuss als 1. Unter-

suchungsausschuss gefertigten Kopien vernich-

tet, es sei denn, die herausgebenden Stellen wi-

dersprechen. Die Vernichtung ist in einem Pro-

tokoll festzuhalten.“

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/7400
Zweiter Teil:
Feststellungen zum Sachverhalt

A. Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der INTERNATIONAL SECURITY
ASSISTANCE FORCE

I. OPERATION ENDURING FREEDOM in Ab-
grenzung zur INTERNATIONAL SECURITY
ASSISTANCE FORCE

Am 11. September 2001 verübten Terroristen mit Hilfe

von vier entführten Zivilluftfahrzeugen Anschläge auf

Ziele in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).

Infolgedessen verloren tausende Menschen ihr Leben.
55

Die Attentäter vom 11. September wurden in ihren Taten

von dem Taliban-Regime in Afghanistan unterstützt. Als

Rückzugsgebiet des international operierenden Terroris-

mus rückte Afghanistan in den Fokus der Vereinigten

Staaten von Amerika und Europas.
56

Bereits am 12. September 2001 verabschiedete der Si-

cherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1368

(2001), mit der die Anschläge als eine Bedrohung des

internationalen Friedens und der Sicherheit qualifiziert

wurden. Bezugnehmend auf Artikel 51 der Charta der

Vereinten Nationen erklärte die Resolution die Notwen-

digkeit, alle erforderlichen Schritte gegen solche Bedro-

hungen zu unternehmen und verbriefte das Recht zur

individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung auch

mit militärischen Mitteln.
57

Mit der Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats vom

28. September 2001 wurden die Mitgliedstaaten der Ver-

einten Nationen zur Bekämpfung des internationalen

Terrorismus mit politischen, wirtschaftlichen, polizeili-

chen und gesetzgeberischen Maßnahmen aufgerufen.
58

Am 4. Oktober 2001 bekräftigte und präzisierte der

NATO-Rat die Beistandsverpflichtung aus Artikel 5 des

Nordatlantikvertrages und appellierte zum Agieren an die

internationale Gemeinschaft.
59

Auf Antrag der Bundesregierung vom 7. November 2001

beschloss der Deutsche Bundestag am 16. November

2001 – unter Bezugnahme auf Artikel 51 der Satzung der
Vereinten Nationen, Artikel 5 des Nordatlantikvertrages
55) Bericht der gemeinsam vom amerikanischen Kongress und vom

US-Präsidenten einberufenen National Commission on Terrorist
Attacks Upon the United States (9/11-Report).

56) Bilanzierender Gesamtbericht der Bundesregierung zum Einsatz

bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der ge-
meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA,

Unterrichtung des Bundestages vom 8. Mai 2002, BT-

Drs. 14/8990 (Dokument 21).
57) S/RES/1368 (2001),

http://www.un.org/Docs/scres/2001/sc2001.htm (Dokument 22).

58) S/RES/1373 (2001),
http://www.un.org/Docs/scres/2001/sc2001.htm (Dokument 23).

59) Presseerklärung des Generalsekretärs der NATO, Lord Robertson,

zu der Entscheidung des Nordatlantikrats über die Anwendung
des Artikel 5 des Washingtoner Vertrags nach den Anschlägen in

den USA, abgegeben am 4. Oktober 2001 in Brüssel

(Dokument 24).

und die vorgenannten Resolutionen des Sicherheitsrats

sowie auf die Regeln eines Systems kollektiver Sicherheit

im Sinne des Artikel 24 Abs. 2 Grundgesetz – die Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den

US-Amerikanern geführten Operation Enduring Freedom

(OEF) zur Bekämpfung des international operierenden

Terrorismus
60

und folgte damit der Aufforderung des

Sicherheitsrats.

Im Zuge der OEF wurden das Taliban-Regime gestürzt

und al-Qaida-Ausbildungslager zerstört. An der OEF-

Mission auf afghanischem Boden beteiligen sich deutsche

Truppen seit November 2008 nicht mehr.
61

Damit verleg-

te Deutschland den Schwerpunkt seines militärischen

Engagements von OEF hin zur International Security

Assistance Force (ISAF).
62

II. INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE
FORCE

1. Das Afghanistanmandat der Vereinten Na-
tionen

a) Petersberger Konferenz

Mit Unterstützung der Resolution 1378 (2001) des Si-

cherheitsrats vom 14. November 2001 lud der Sonder-

beauftragte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen

für Afghanistan Lakhdar Brahimi zu einer Konferenz

unterschiedlichster afghanischer Gruppen auf den Peters-

berg bei Bonn ein, um über die Zukunft Afghanistans

nach Niederschlagung des Taliban-Regimes zu beraten.
63

Die so genannte „Petersberger Konferenz“ tagte vom 27.
November bis 5. Dezember 2001. Ergebnis war ein Über-

einkommen über vorläufige Regelungen in Afghanistan

bis zur Wiederherstellung dauerhafter staatlicher Struktu-
60) BT-PlPr. 14/202 vom 16. November 2001, S. 19893

(Dokument 26); Antrag der Bundesregierung zum Einsatz be-

waffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der ge-
meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA

vom 7. November 2001, BT-Drs. 14/7296 (Dokument 25).

61) Unterrichtung durch die Bundesregierung (Fn. 56), BT-Drs.
14/8990, S. 10; Krause, Die Afghanistaneinsätze der Bundes-

wehr, S. 135;

www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a12/auslandseinsaet
ze/auslandseinsaetze/oef.html.

62) Unterrichtung durch die Bundesregierung (Fn. 56), Drs. 14/8990,

S. 5; Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes
bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der ge-

meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA

vom 29. Oktober 2008, BT-Drs. 16/10720(Dokument 27), S. 3.
63) Unterrichtung des Sicherheitsrats durch den Sonderbeauftragten

des Generalsekretärs für Afghanistan vom 13. November 2001

(Dokument 28).

Drucksache 17/7400 – 34 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ren („Bonner Vereinbarung“).64 Darin wurde eine vorläu-
fige staatliche Ordnung mit einer Interimsverwaltung

verabredet, deren Vorsitz Hamid Karzai übernehmen

sollte. In der Anlage zu diesem Übereinkommen erkann-

ten die Teilnehmer an, dass die Afghanen selbst die Ver-

antwortung für Sicherheit, Recht und Ordnung in Afgha-

nistan tragen sollten. Die internationale Gemeinschaft

wurde ersucht, die neuen afghanischen Behörden dabei zu

unterstützen, neue afghanische Sicherheits- und bewaffne-

te Streitkräfte aufzubauen und auszubilden. Der Sicher-

heitsrat der Vereinten Nationen wurde gebeten, die baldi-

ge Entsendung einer Truppe zu beschließen, die die Si-

cherheit in Kabul und den umliegenden Gebieten, gege-

benenfalls nach und nach auch in anderen Gebieten ge-

währleistet.

Die „Bonner Vereinbarung“ wurde vom Sicherheitsrat
ausdrücklich begrüßt.

65
b) Rechtsgrundlage: Kapitel VII der UN-
Charta

Mit seiner Resolution 1386 (2001) beschloss der Sicher-

heitsrat am 20. Dezember 2001 die Einrichtung einer

Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe zur Un-

terstützung der vorläufigen Staatsorgane Afghanistans bei

der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und seiner

Umgebung.
66

Der Sicherheitsrat bezog sich in dieser Re-

solution ausdrücklich auf das Kapitel VII der Charta der

Vereinten Nationen („Maßnahmen bei Bedrohung oder
Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“), das
abweichend von dem Gewaltverbot des Artikel 2 Nr. 4

der Charta die Ausübung militärischer Gewalt zulässt.

c) Zielsetzung

Mit der Sicherheitstruppe sollten internationale Anstren-

gungen unterstützt werden, dem Terrorismus die Wurzeln

zu entziehen (root out), da die Lage in Afghanistan nach

wie vor eine Bedrohung für den internationalen Frieden

und die Sicherheit darstelle. Bei Anerkennung der Souve-

ränität, der Unabhängigkeit und territorialen Integrität

Afghanistans sowie der Eigenverantwortung der Afgha-

nen für Sicherheit, Recht und Ordnung sollte die interna-

tionale Unterstützung dazu dienen, dauerhafte Regie-

rungseinrichtungen wiederherzustellen. Dafür sollte zu-

nächst der afghanischen Interimsregierung bei der Hers-

tellung der Sicherheit in Kabul und Umgebung geholfen

werden.
64) Agreement on Provisional Arrangements in Afghanistan pending

the re-establishment of Permanent Government Institutions,

S/2001/1154; deutsche Übersetzung (Dokument 29).
65) Resolution 1383 (2001) vom 6. Dezember 2001 (Dokument 30).

66) S/RES/1386 (2001) vom 20. Dezember 2001 (Dokument 31);

Frisch, Inhaltliche Schwerpunkte der Beschlüsse des Deutschen
Bundestages zu ISAF, Infobrief der Wissenschaftlichen Dienste

des Bundestages vom 23. April 2010, WD 2 – 3010 – 077/10
(Dokument 32).

d) Zeitliche Begrenzung

Die zeitliche Dauer des ISAF-Einsatzes wurde in der

Resolution 1386 (2001) auf sechs Monate begrenzt.
67

Jedoch wurde in den Monaten darauf die Notwendigkeit

internationaler Militärpräsenz immer deutlicher und es

folgten weitere Resolutionen des Sicherheitsrats zur Ver-

längerung des UN-Mandats für Afghanistan.
68

2. Beschluss des Deutschen Bundestages zu
ISAF

Die Bundesregierung beschloss am 21. Dezember 2001

die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der

vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisierten

Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe. Dies sei

„ein wesentlicher Beitrag Deutschlands zur Implementie-
rung des auf dem Petersberg in Gang gesetzten nationalen

Versöhnungsprozesses in Afghanistan, der den Weg zu

einem Neuaufbau des Landes nach mehr als 20 Jahren

Krieg und Bürgerkrieg eröffnet“.69 Um Afghanistan die
Perspektive auf eine friedliche Zukunft zu eröffnen, seien

Schritte zur Verhinderung erneuter Anarchie im öffentli-

chen Leben vordringlich. Die weitere Entwicklung des

durch die „Bonner Vereinbarung“ eingeleiteten politi-
schen Prozesses werde wesentlich von der Sicherheitslage

im Lande bestimmt sein. Wegen der unterschiedlichen

Stammesinteressen sei der innenpolitische Frieden nach

wie vor brüchig. Daher sollten Sicherheit und Ordnung

mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ge-

währleistet werden. Insbesondere in der Hauptstadt müsse

ein Umfeld geschaffen werden, das es der vorläufigen

Regierung ab dem 22. Dezember 2001 ermögliche, mit

Hilfe der internationalen Gemeinschaft die „Bonner Ver-
einbarung“ umzusetzen.70

Diesem Antrag der Bundesregierung folgte der Deutsche

Bundestag mit seiner konstitutiven Zustimmung bereits

am darauf folgenden Tage.
71

Im Mittelpunkt standen für Bundestag und Bundesregie-

rung sowohl die substanzielle Hilfe beim Wiederaufbau

des Landes als auch die Unterstützung Afghanistans beim

Beschreiten des Weges in eine politisch stabile Zukunft in

Anbetracht der in den nächsten zwei Jahren stattfindenden

Parlamentswahlen und der Schaffung staatlicher Institu-

tionen mit Hilfe der von der Staatengemeinschaft verab-

schiedeten „Bonner Vereinbarung“. Besonders hingewie-
sen wurde auf den Konsens innerhalb der Staatengemein-
67) S/RES/1386 (2001) vom 20. Dezember 2001 (Fn. 66).

68) Verlängert durch die Resolutionen 1413 (2002) vom 23. Mai
2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom

13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623

(2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September
2006, 1776 (2007) vom 19. September 2007 sowie 1833 (2008)

vom 22. September 2008; http://www.un.org/Docs/sc/.

69) Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Si-

cherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan vom 21. Dezember

2001, BT-Drs. 14/7930 (Dokument 33).
70) Antrag der Bundesregierung vom 21. Dezember 2001 (Fn. 69).

71) BT-PlPr. 14/210 vom 22. Dezember 2001 (Dokument 34),

S. 20849.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/7400
schaft, die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit

und Ordnung in den Händen der Afghanen selbst zu be-

lassen. Das Einsatzgebiet wurde auf Kabul und Umge-

bung begrenzt. Die Ermächtigung zum Einsatz wurde bis

zum 20. Juni 2002 befristet. Die ISAF-Führung werde –
begrüßt vom Sicherheitsrat mit der Resolution 1386

(2001)
72

– zunächst von britischer Seite übernommen.
Von US-amerikanischer Seite werde der ISAF umfangrei-

che Unterstützung zugesichert, welche auch strategische

Lufttransporte sowie Hilfe in Notlagen beinhalte.
73

III. Verlängerung und Ausweitung von ISAF

Seit dem 22. Dezember 2001 bekräftigte der Deutsche

Bundestag durch mehrere Beschlüsse die Notwendigkeit

der Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher

Streitkräfte an ISAF.

Während nach der ursprünglichen parlamentarischen

Ermächtigung aus dem Jahre 2001 der Einsatz der Bun-

deswehr im Rahmen des UN-Mandats für Afghanistan auf

die Aufgabe begrenzt war, die Aufrechterhaltung der

Sicherheit in Kabul und Umgebung zu gewährleisten,

wurde der Aufgabenbereich der Bundeswehr in den dar-

auf folgenden Beschlüssen des Parlaments zur Beteili-

gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF ausge-

weitet.

1. UN-Mandatsverlängerungen

Der Sicherheitsrat verlängerte am 23. Mai 2002 das Afg-

hanistanmandat für sechs Monate.
74

Auf Antrag der Bun-

desregierung, die eine weitere Beteiligung der Bundes-

wehr als geboten ansah
75

, beschloss der Deutsche Bundes-

tag am 14. Juni 2002, den Einsatz der Bundeswehr für

weitere sechs Monate fortzusetzen.
76

Gut ein Jahr nach seiner Beschlussfassung über die Betei-

ligung deutscher Truppen an ISAF stimmte der Deutsche

Bundestag am 20. Dezember 2002 erneut der Beteiligung

bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF für weitere

zwölf Monate zu. Die Bundesrepublik Deutschland sowie

die Niederlande übernahmen zu Beginn des Jahres 2003

die ISAF-Führung.
77
72) S/RES/1386 (2001) vom 20. Dezember 2001 (Fn. 66, Doku-

ment 32).

73) BT-PlPr. 14/210 vom 22. Dezember 2001 (Fn. 71), S. 20849, BT-

Drs. 14/7930.
74) Resolution 1413 (2002) vom 23. Mai 2002 (Dokument 35).

75) Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung

bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 5. Juni 2002, BT-
Drs. 14/9246 (Dokument 36).

76) BT-PlPr. 14/243 vom 14. Juni 2002,(Dokument 37), S. 24478 f.

77) BT-PlPr. 15/17 vom 20. Dezember 2002, S. 1318; Antrag der
Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter

deutscher Streitkräfte an ISAF vom 3. Dezember 2002, BT-Drs.

15/128 (Dokument 38).

2. Ausdehnung des Bundeswehreinsatzes
über Kabul hinaus

Mit der Resolution 1510 (2003) des Sicherheitsrats vom

13. Oktober 2003 wurde das ISAF-Mandat auf ganz Afg-

hanistan ausgeweitet.
78

Das von den ISAF-Truppen zu koordinierende Einsatzge-

biet richtete sich nach den Vereinbarungen, die zwischen

der NATO und der vorläufigen Regierung Afghanistans

getroffen wurden. Für die Beteiligung bewaffneter

deutscher Streitkräfte bedeutete dies, dass sich ihr Ein-

satzgebiet über Kabul und Umgebung hinaus auf die

Region Kunduz (Provinzen Kunduz, Badakschan, Bagh-

lan und Takhar) ausdehnte.
79

Laut der Resolution war es weiterhin unabdingbares Ziel

der Staatengemeinschaft, die vorläufigen Staatsorgane

und ihre Nachfolgeinstitutionen bei der Aufrechterhaltung

der Sicherheit in den zuvor genannten Gebieten zu unters-

tützen, damit die afghanischen Regierungsorgane sowie

Personal der Vereinten Nationen und anderes agierendes

internationales Zivilpersonal, insbesondere solches, wel-

ches sich sowohl dem Wiederaufbau im Lande als auch

humanitären Aufgaben widmete, in einem sicheren Um-

feld arbeiten konnte.
80

Die räumliche Ausdehnung wurde für erforderlich gehal-

ten, um die in den nächsten Monaten anstehenden demo-

kratischen Wahlen, die Afghanistan den Weg in eine

stabile politische Zukunft weisen sollten, abzusichern. Die

sichere und reibungslose Durchführung dieser Wahlen

sollte durch die ISAF gewährleistet werden.

Die Bundesregierung hatte zugesagt, dass im Rahmen

ihres zivil-militärischen Ansatzes deutsche Soldaten den

Standort des US-geführten Provincial Reconstruction

Teams (PRT) in Kunduz als Teil der nunmehr beschlos-

senen erweiterten ISAF-Operation übernehmen.
81

Ein

PRT besteht aus einem zivilen (Diplomaten, Polizeiaus-

bilder und Wiederaufbauhelfer) und einem militärischen

Strang. Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Bundesmi-

nisteriums des Inneren sowie des Bundesministeriums für

wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind

vor Ort tätig.
82

Aufgabe der militärischen Komponente

innerhalb des PRT sei die Gewährleistung einer stabilen
78) S/RES/1510 (2003) vom 13. Oktober 2003,

www.un.org/Docs/sc/unsc_resolutions03.html.

79) BT-PlPr. 15/70 vom 24. Oktober 2003, S. 6007; Antrag der

Bundesregierung auf Fortsetzung und Erweiterung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 15. Oktober

2003, BT-Drs. 15/1700 (Dokument 39); Antwort der Bundesre-

gierung bezüglich des Bundeswehreinsatzes in Kunduz und Fai-
sabad vom 12. Oktober 2004, BT-Drs. 15/3908 (Dokument 40).

80) S/RES/1510 (2003) vom 13. Oktober 2003 (Fn. 78); BT-PlPr.

15/70 vom 24. Oktober 2003, S. 6007; Beschlussempfehlung und
Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) vom 22.

Oktober 2003, BT-Drs. 15/1806 zum Antrag der Bundesregierung

auf Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an ISAF.

81) Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung und Erweiterung der

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 15.
Oktober 2003 (Fn. 79), S. 3.

82) BT-PlPr. 15/66 vom 16. Oktober 2003, S. 5647; Auftrag und

Geschichte des PRT eingehend: www.einsatz.bundeswehr.de.

Drucksache 17/7400 – 36 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Sicherheitslage, um den zivilen Wiederaufbau (Bau und

Instandhaltung öffentlicher Einrichtungen) vorantreiben

zu können.
83

„In Abwägung der sicherheitspolitischen Lage, der
Kooperationsbereitschaft lokaler Autoritäten, der

Chancen für den Wiederaufbau und der Bedeutung

der Region im afghanischen Gesamtgefüge ist

Kunduz der für ein solches Projekt am besten ge-

eignete Ort. Im Mittelpunkt steht dabei das Ziel, in

dieser Region mit zivilen Mitteln die Grundlage

für wirtschaftliche Entwicklung, für regionale Zu-

sammenarbeit und die für eine stabile Entwicklung

notwendige Ausübung staatlicher Autorität zu

stärken. In diesem Rahmen ist die Entsendung be-

waffneter Einheiten der Bundeswehr nach Kunduz

als Schutzkomponente notwendig. Die militärische

Präsenz soll darüber hinaus stabilisierend in die

Region ausstrahlen.“84

3. Ausbau der Provincial Reconstruction
Teams

Mit der Resolution 1563 (2004) vom 17. September 2004

beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die

Fortsetzung des ISAF-Mandats um weitere zwölf Monate.

Betont wurden in der Resolution die immense Bedeutung

der Ausdehnung der Herrschaft der Zentralregierung auf

alle Teile Afghanistans sowie die Durchführung freier

Wahlen.
85

In ihrem Antrag an den Bundestag auf Zu-

stimmung zur Verlängerung des Bundeswehreinsatzes

zog die Bundesregierung ein erstes positives Fazit bezüg-

lich des bisherigen Einsatzes im Rahmen der ISAF-

Mission.

„Durch das Engagement der Internationalen Ge-
meinschaft in Afghanistan ist es innerhalb von drei

Jahren gelungen, die Weichen in Richtung Stabili-

sierung und Aufbau eines neuen, demokratischen

Staatswesen zu stellen und die Voraussetzungen

dafür zu schaffen, dass das Land nicht erneut zu

einem sicheren Hafen für internationale Terroris-

ten wird.“86

4. Abschluss des „Bonner-Prozesses“

Mit den Parlamentswahlen in Afghanistan vom 18. Sep-

tember 2005 stand der im Dezember 2001 verabschiedete

so genannte „Bonner Prozess“ vor seinem Abschluss. Die
Präsenz von ISAF-Truppen wurde gleichwohl für die

weitere Entwicklung Afghanistans für notwendig erachtet.

In der Begründung des Antrags der Bundesregierung auf

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit-
83) www.einsatz.bundeswehr.de.

84) Antrag der Bundesregierung vom 15. Oktober 2003 (Fn. 81), S. 3.
85) S/RES/1563 (2004) vom 17. September 2004 (Dokument 41).

86) Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung

bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 22. September
2004, BT-Drs. 15/3710,(Dokument 42), S. 2; Zustimmung durch

den Deutschen Bundestag: BT-PlPr. 15/126 vom 23. September

2004, S. 11459, 11490.

kräfte an der ISAF-Mission vom 21. September 2005

heißt es hierzu:

„[…] Trotz der in den letzten Jahren erzielten er-
heblichen Fortschritte beim Wiederaufbau des

Landes bleibt die in Teilen Afghanistans instabile

Sicherheitslage gemeinsam mit den zu stärkenden

staatlichen Strukturen und dem wirtschaftlichen

Wiederaufbau unverändert die größte Herausforde-

rung für die afghanische Regierung und die inter-

nationale Gemeinschaft. Drogenkriminalität, Ang-

riffe und Anschläge auf Soldaten der internationa-

len Sicherheitspräsenz (ISAF, OPERATION

ENDURING FREEDOM) und der afghanischen

Sicherheitskräfte (Afghan National Army und

Afghan National Police), auf Mitarbeiter der Ver-

einten Nationen und Nichtregierungsorganisatio-

nen sowie auf die Zivilbevölkerung belegen, dass

es noch weiterer Anstrengungen bedarf, um die Si-

cherheitslage grundlegend und nachhaltig zu ver-

bessern.“87

Entsprechend dem Antrag der Bundesregierung beschloss

der Deutsche Bundestag am 28. September 2005, die

Beteiligung der Bundeswehr am ISAF-Einsatz um weitere

zwölf Monate zu verlängern.
88

Im Rahmen der in London abgehaltenen Afghanistan-

Konferenz am 31. Januar 2006 wurden von der interna-

tionalen Gemeinschaft neue Zielvorstellungen für den

Einsatz in Afghanistan beschlossen.

Der Deutsche Bundestag begrüßte die positiven Entwick-

lungen durch den ISAF-Einsatz sowie die im Januar 2006

von der Staatengemeinschaft festgelegten neuen Verein-

barungen und Perspektiven für Afghanistan. Die Risiken

und die angespannte „massiv verschlechterte“89 Sicher-
heitslage auch für deutsche Truppen wurden dennoch

eindringlich betont. So heißt es in der Plenardebatte unter

anderem „im Süden des Landes herrscht eigentlich Krieg
zwischen ISAF und militärisch organisierten Aufständi-

schen“.90

In seiner Sitzung vom 28. September 2006 beschloss der

Deutsche Bundestag den Einsatz bewaffneter deutscher

Streitkräfte an ISAF für weitere zwölf Monate.
91

5. Übernahme der Verantwortung für die ge-
samte Nordregion

Unverändertes Ziel des ISAF-Einsatzes blieb gemäß der

Resolution 1776 (2007) des Sicherheitsrats vom 19. Sep-
87) Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung

bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 21. September

2005, BT-Drs. 15/5996 (Dokument 43), S. 4 f.
88) BT-PlPr. 15/187 vom 28. September 2005, S. 17585; Völkerrech-

tliche Grundlage bilden die Resolutionen des Sicherheitsrats der

Vereinten Nationen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413
(2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002,

1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. Sep-

tember 2004 sowie 1623 (2005) vom 13. September 2005.
89) Arnold, BT-PlPr. 16/54 vom 28. September 2006, S. 5224.

90) Arnold, BT-PlPr. 16/54 vom 28. September 2006, S. 5224.

91) BT-PlPr. 16/54 vom 28. September 2006, S. 5225 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 37 – Drucksache 17/7400
tember 2007 die Unterstützung Afghanistans bei der Auf-

rechterhaltung der Sicherheit. Es wurde die Notwendig-

keit gesehen, die ISAF noch weiter zu stärken. Die ISAF

und andere Partner wurden ermutigt, ihre Anstrengungen

aufrechtzuerhalten, afghanische Sicherheitskräfte, insbe-

sondere die Polizei, auszubilden und zu trainieren.
92

Am 12. Oktober 2007 erteilte der Deutsche Bundestag

seine Zustimmung zur Fortsetzung der Beteiligung

deutscher Truppen an der ISAF-Mission.
93

6. NATO-Gipfel in Bukarest und Pariser Afg-
hanistan-Konferenz

Mit seiner Resolution 1833 (2008) verlängerte der Si-

cherheitsrat am 22. September 2008 das Mandat für den

ISAF-Einsatz über den 13. Oktober 2008 hinaus um wei-

tere zwölf Monate. In dieser Resolution wurde die starke

Besorgnis über die Sicherheitslage in Afghanistan bekun-

det, insbesondere über den Anstieg von gewalttätigen und

terroristischen Aktivitäten der Taliban, von al-Qaida und

anderen Gruppen. Eindringlich verurteilt wurden An-

schläge aller Art auf Zivilisten, afghanische und interna-

tionale Sicherheitskräfte – ausdrücklich erwähnt wurden
hierbei improvisierte Sprengvorrichtungen (IED), Selbst-

mordattentate und Entführungen. Besorgnis äußerte die

Resolution aber auch über die hohe Zahl ziviler Opfer bei

der Bekämpfung der Taliban und al-Qaida. Unter Aner-

kennung der Anstrengungen der ISAF, das Risiko ziviler

Opfer zu minimieren, wurde dazu aufgerufen, die bisheri-

gen Taktiken und Verfahren zu überprüfen und im Falle

ziviler Opfer in Zusammenarbeit mit den afghanischen

Behörden Untersuchungen durchzuführen.
94

Unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des NATO-Gipfels

in Bukarest vom 4. April 2008 und auf das Abschluss-

kommuniqué der Pariser Afghanistan-Konferenz vom 12.

Juni 2008 beantragte die Bundesregierung beim Deut-

schen Bundestag am 7. Oktober 2008 die Zustimmung zur

Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan um

weitere 14 Monate.
95

Zu den Aufgaben der Bundeswehr heißt es in dem Ant-

rag:

„Im Rahmen des ISAF-Einsatzes ergeben sich für
die Bundeswehr insbesondere folgende Aufgaben:

– Unterstützung der Regierung von Afghanistan
bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit;

– Mitwirkung an der Führung von ISAF in Afg-
hanistan, einschließlich eines Beitrages bei der

Erstellung eines Lagebildes;

– Taktischer Verwundetenlufttransport
(AIRMEDEVAC);
92) S/RES/1776 (2007) vom 19. September 2007 (Dokument 44).

93) BT-PlPr. 16/119 vom 12. Oktober 2007, S. 12371.
94) S/RES/1833 (2008) vom 22. September 2008 (Dokument 45).

95) Antrag der Bundesregierung vom 7. Oktober 2008, BT-Drs.
16/10473 (Dokument 46).

– Sicherung des Arbeitsumfeldes des Personals,
das zur Vollendung des Übergangsprozesses

und zur weiteren Unterstützung der Stabilisie-

rung und des Wiederaufbaus Afghanistans von

den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen,

den Vereinten Nationen und internationalen

Hilfsorganisationen in den hierfür bestimmten

Gebieten eingesetzt wird;

– Eigensicherung und im Bedarfsfall Evakuie-
rung;

– Unterstützung bei der Reform des Sicherheits-
sektors, insbesondere Unterstützung im Auf-

bau funktionsfähiger afghanischer Sicher-

heitskräfte (Afghan National Army – ANA,
Afghan National Police – ANP), einschließ-
lich der Entwaffnung illegaler Milizen;

– Beitrag zur zivil-militärischen Zusammenar-
beit;

– Mitwirkung bei der Absicherung von Wahlen.

Die Verantwortung für die Drogenbekämpfung

liegt bei der afghanischen Regierung.“96

Der Deutsche Bundestag stimmte am 16. Oktober 2008

dem Antrag der Bundesregierung zu und legitimierte den

Einsatz deutscher Truppen für weitere 14 Monate.
97

IV. Befugnis zur Anwendung militärischer
Gewalt im Rahmen des ISAF-Mandats (Ru-
les of Engagement, Standard Operating
Procedures, Tactical Directives)

In den Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten

Nationen werden die an der ISAF teilnehmenden Mitg-

liedstaaten ermächtigt, alle zur Erfüllung des Mandats

notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (to take all neces-

sary measures
98

). Insoweit eröffnet das völkerrechtliche

Mandat für ISAF einen weiten Handlungsspielraum.
99

Zum Zwecke der geordneten Operationsführung haben

die NATO-Mitgliedstaaten ihren Handlungsspielraum

einvernehmlich in Vorgaben für die gemeinsame Operati-

onsführung umgesetzt, die dem aktuellen Operationsplan

der NATO (OPLAN) zu entnehmen sind.
100

Der OPLAN

formuliert unter anderem Befugnisse für den Einsatz

militärischer Gewalt, die in den ISAF „Rules of Engage-
ment“ (ROE) umgesetzt werden und bei Wahrnehmung
multinationaler Führungsaufgaben zu berücksichtigen

sind.
101

Die – vom NATO-Rat erlassenen und in ihrem
96) Antrag der Bundesregierung vom 7. Oktober 2008 (Fn. 95), S. 2.

97) BT-PlPr. 16/183 vom 16. Oktober 2008, S. 19514.

98) Resolution 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001 (Fn. 66, Doku-
ment 31).

99) Entwurf einer Stellungnahme des BMVg zu den Rechtlichen

Rahmenbedingungen des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr
(BMVg, Rechtliche Rahmenbedinungungen Dokument 47,

Bl. 144).

100) BMVg, Rechtliche Rahmenbedingungen (Fn. 99, Dokument 47),
Bl. 143 ff.

101) BMVg, Rechtliche Rahmenbedingungen (Fn. 99, Dokument 47),

Bl. 144; Hartmann/Schubert, „Rules of Engagement“ und die Ta-

Drucksache 17/7400 – 38 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Geltungsbereich von allen Streitkräften der beteiligten

Mitgliedstaaten zu achtenden – ROE bezeichnen im mili-
tärischen Bereich damit die Regeln, die für die Streitkräf-

te zum Einsatz von Gewalt und Zwangsmaßnahmen bei

einer Operation anzuwenden sind.
102

Der Kommandeur der ISAF kann seine Vorstellungen,

wie der Operationsplan umzusetzen ist, in einer Tactical

Directive zusammenfassen. Tactical Directives geben in

<erster Linie das Verständnis dessen wieder, was nach der

Bewertung der NATO-Mitgliedstaaten an militärischem

Handeln notwendig ist, um das UN-Mandat erfolgreich

umzusetzen.
103

Konkrete Verfahrens- und Handlungsabläufe in einzelnen

Situationen werden in Standard Operating Procedures

(SOP) definiert.
schenkarte der Bundeswehr, Wissenschaftliche Dienste Deutscher

Bundestag vom 19. November 2009, WD 2 (Dokument 48),
S. 1 f.

102) Hartmann/Schubert (Fn. 101), S. 1.

103) BMVg, Rechtliche Rahmenbedingungen (Fn. 99), Bl. 144 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39 – Drucksache 17/7400
B. Der Luftschlag am 4. September 2009

I. Lageentwicklung im Raum Kunduz bis
zum 4. September 2009

Im Rahmen des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr in Afg-

hanistan erfolgte in der Nacht vom 3. auf den 4. Septem-

ber 2009 im Raum Kunduz ein Luftangriff durch US-

amerikanische Luftfahrzeuge, welcher durch den Kom-

mandeur des Provincial Reconstruction Teams (PRT)

Kunduz angefordert worden war. Die in der Region Kun-

duz stationierten deutschen Soldaten hatten sich in den

vorangehenden Monaten erheblichen Angriffen regie-

rungsfeindlicher Kräfte ausgesetzt gesehen und hierbei

auch eigene Verluste erlitten. Die Untersuchungen des

Ausschusses haben sich auch auf die für den Untersu-

chungsgegenstand maßgeblichen Rahmenbedingungen

des ISAF-Einsatzes sowie die Entwicklung der militäri-

schen Lage im Einsatzgebiet und insbesondere im Ein-

satzraum Kunduz erstreckt.

1. Militärische Lage zum Zeitpunkt der Über-
nahme des Kommandos über das Provin-
cial Reconstruction Team Kunduz durch
Oberst Georg Klein

Am 5. April 2009 übernahm Oberst Georg Klein das

Kommando über das Provincial Reconstruction Team

(PRT) Kunduz.

Das PRT Kunduz umfasste nach Darstellung des Zeugen

Klein seinerzeit etwa 1 000 deutsche Soldaten sowie etwa

200 Soldaten anderer Nationalität,

unter anderem ein Ausbildungsteam der belgischen Ar-

mee zur Unterstützung der afghanischen Armee. Der

Auftrag des PRT Kunduz umfasste die enge Zusammen-

arbeit mit den afghanischen Sicherheitskräften und den

Schutz der Bevölkerung der beiden Provinzen Kunduz

und Takhar mit insgesamt zwei Millionen Einwohnern.
104

In seiner multinationalen Funktion als militärischer Leiter

des PRT Kunduz unterstand Oberst Klein dem Komman-

deur des ISAF-Regionalkommandos Nord (RC N), Briga-

degeneral Jörg Vollmer, in Masar-i-Scharif, der gleichzei-

tig in nationaler Funktion als Kommandeur Deutsches

Einsatzkontingent ISAF fungierte.

Das Regionalkommando Nord untersteht als multinatio-

nale Dienststelle operativ dem seinerzeit vom ISAF-

Kommandeur General Stanley McChrystal geführten

ISAF-Truppen in Afghanistan. Das Deutsche Einsatzkon-

tingent ISAF ist als nationales Element truppendienstlich

dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr (Ein-

sFüKdoBw) in Schwielowsee bei Potsdam unterstellt.
104) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 1.

Drucksache 17/7400 – 40 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zur Lage in Kunduz zum Zeitpunkt seiner Kommando-

übernahme hat der Zeuge Klein in seiner Vernehmung

durch den Untersuchungsausschuss ausgesagt:

„Ich bin vor meinem Einsatz in Afghanistan aus-
führlich vorbereitet worden und eingewiesen wor-

den. Ich habe im Januar einen Besuch in Afghanis-

tan gemacht, um mit meinem Vorgänger zu spre-

chen. Alle diese Gesprächspartner haben mir ge-

sagt: Der Sommer 2009 wird hart. Wir gingen da-

von aus, dass die Sicherheitslage in der Provinz

Kunduz, die schon 2007/2008 schwierig war, sich

weiter verschärfen würde. Alle Fachleute gingen

davon aus, dass die so genannte Frühjahrsoffensive

der Aufständischen – die NATO spricht immer
von Insurgents, INS – sicher kommen würde und
dass das Niveau der sicherheitsrelevanten Vorfälle

erneut deutlich über dem des Vorjahres liegen

würde. Unklar waren für uns natürlich der genaue

Zeitpunkt, wann die Offensive beginnen würde,

und die erwarteten Schwerpunkte […]. Ich hätte
gerne auch, wie viele meiner Vorgänger, Brunnen

gebohrt und Schulen eingeweiht. Die Lage ließ

dies nicht zu. Ich hätte auch gerne mehr mit den

GOs und NGOs in Kunduz zusammengearbeitet,

wenn diese stärker vor Ort gewesen wären. Ich

hätte auch den Polizeiaufbau gerne noch weiter un-

terstützt. Aber die Lage ließ dies nicht zu […].

Ich habe das PRT am 5. April übernommen. We-

nige Stunden danach hatte ich den ersten Feuer-

kampf in meiner Verantwortung. Die deutschen

Kräfte, die bei einer Grundsteinlegung für die so

genannte Mischa-Meier-Brücke […] eingesetzt
waren, wurden mit Panzerfäusten beschossen. Der

Feuerkampf hat bis in die Nacht hinein gedauert.

Wenige Stunden danach waren wir zum ersten Mal

in meiner Verantwortung gefordert, Luftwaffenun-

terstützung, so genannten Close Air Support, anzu-

fordern. Dies wurde auch eingesetzt in Form von

tiefem Überflug, ‚show of force„, und auch
Täuschkörpern, so genannten Flares. Scharfer

Waffeneinsatz wurde nicht freigegeben, da die

Feindkräfte nicht eindeutig identifiziert waren und

außerdem Gefahr bestand, unbeteiligte Zivilisten

und Gehöfte, so genannte Compounds […] zu tref-
fen. Ich erwähne dies hier ausdrücklich, um deut-

lich zu machen, dass den Stab und mich persönlich

der Einsatz militärischer Gewalt vom allerersten

Tag an intensiv beschäftigt hat.“105

Bereits im Mai 2009 war überdies die Quick Reaction

Force (QRF) der ISAF, welche zu dieser Zeit durch die

Bundeswehr gestellt wurde, durch Brigadegeneral Jörg

Vollmer von Masar-i-Scharif nach Kunduz verlegt wor-

den.
105) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 2 f.

2. Änderung der militärischen Vorgehens-
weise der regierungsfeindlichen Kräfte

Ab Ende April 2009 verschärfte sich die Sicherheitslage

für die in der Region Kunduz eingesetzten ISAF-

Soldaten. Am 29. April 2009 fiel der Hauptgefreite Sergej

M. in einem von regierungsfeindlichen Kräften nordwest-

lich von Kunduz gelegten Hinterhalt. Hierzu hat der Zeu-

ge Klein ausgesagt:

„Für uns im PRT jedoch war eine […] Erkenntnis
vorrangig: Mit Sergej M. ist der erste deutsche

Soldat seit dem Zweiten Weltkrieg mit der Waffe

in der Hand im Gefecht gefallen. Das war etwas,

was die Situation gekennzeichnet hat, was uns ge-

prägt hat dort vor Ort.“106

Der Zeuge General a. D. Schneiderhan hat in seiner Aus-

sage vor dem Untersuchungsausschuss hervorgehoben,

dass der 29. April 2009 nicht nur wegen des Todes von

Sergej M., sondern auch aufgrund einer Änderung der

Strategie der regierungsfeindlichen Kräfte als ein ein-

schneidendes Datum zu bewerten sei:

„Mit Blick auf die Zeit der Führung unter Oberst
Klein war sicherlich der 29. April ein einschnei-

dendes Datum, weil die ‚opposing militant forces„
erstmals Elemente herkömmlicher Kampfformen

eingeführt haben, wie zum Beispiel das Verfahren

Auflaufenlassen auf ein Hindernis, auf einen Hin-

terhalt, und dann Angriff aus der Seite – wir Sol-
daten nennen das Flanke –, auch wenn es nur auf
der Gruppen- oder Zugebene stattgefunden hat.“107

In den folgenden Monaten wurden in der Region Kunduz

vermehrt Anschläge und Angriffe auf ISAF-Soldaten

durchgeführt, die auf Seiten der ISAF-Truppen Gefallene

und Verwundete zur Folge hatten. Dazu hat der Zeuge

Oberst i. G. Klein in seiner Zeugenaussage vor dem Un-

tersuchungsausschuss angegeben, dass seine Soldaten ab

Mai fast täglich im Feuerkampf standen. Am 4. Juli seien

vier Amerikaner durch einen Anschlag mit Sprengsatz

gestorben. Weiter gab er an, am 10. August und am 5.

September hätten sich erneut Selbstmordattentäter neben

Patrouillen des PRT in die Luft gesprengt. Er gab an, zu

bedenken, was es für ihn und die Soldaten bedeutet hat,

unter dieser hohen Bedrohungslage jeden Tag rauszufah-

ren und Operationen durchzuführen. Er führte weiter aus,

dass die Verschlechterung der Sicherheitslage im Sommer

2009 dazu führte, dass sie mit jedem Verlassen des Lagers

mit feindlichen Angriffen zu rechnen gehabt hätten.
108

Der Zeuge Bundesminister der Verteidigung a. D.

Dr. Jung hat in seiner Vernehmung durch den Untersu-

chungsausschuss eine Zuspitzung der militärischen Lage

im Einsatzraum Kunduz bestätigt:

„Es war dann auch leider so, dass in dieser Zeit
vier deutsche Soldaten durch Anschläge gefallen

sind, dass 20, wenn ich mich recht erinnere, ver-
106) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 3 f.

107) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 6.

108) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41 – Drucksache 17/7400
wundet worden sind und dass wir, wenn Sie so

wollen, in der Perspektive täglich fast Gefechtssi-

tuationen hatten, IED-Anschläge, Angriffe mit

Panzerfäusten. Die Lage spitzte sich für unsere

Soldaten dramatisch zu.“109

Zur Vorgehensweise der regierungsfeindlichen Kräfte hat

der Zeuge Oberst i. G. Klein ausgeführt:

„Afghanistan ist ein asymmetrischer Krieg. Der
Gegner ist brutal und rücksichtslos, vor allem auch

gegenüber der eigenen Bevölkerung. Er ist nicht

uniformiert, er trägt die Waffen regelmäßig nicht

offen und nutzt die Bevölkerung zum Schutz im

Gefecht. Er respektiert in keiner Weise die Regeln

des humanitären Kriegsvölkerrechtes. Wir waren

sogar ab Ende Juni gezwungen, die roten Kreuze

an unseren Sanitätsfahrzeugen abzutarnen, weil

wir die Sorge hatten und auch entsprechende Hin-

weise, dass gezielt auf Sanitätsfahrzeuge und unse-

re Ärzte geschossen wurde.“110

3. Änderung der taktischen Richtlinien durch
den Kommandeur der ISAF

Der vormalige US-amerikanische ISAF-Kommandeur,

General Stanley McChrystal, erließ am 6. Juli 2009 eine

Änderung der „ISAF Tactical Directive“, welche einen
besonderen Schwerpunkt bei der Rücksichtnahme auf die

Zivilbevölkerung setzte.

Darin heißt es unter anderem sinngemäß, dass der Konf-

likt nicht auf Basis der Anzahl getöteter Taliban gewon-

nen werde, sondern aus der eigenen Fähigkeit heraus, die

Aufständischen vom Schwerpunkt des Einsatzes, den

Menschen, zu trennen. Das bedeute, dass ISAF die Be-

völkerung respektieren und vor Nötigung und Gewalt

schützen – und in einer Weise operieren müsse, durch die
deren Unterstützung gewonnen werde.

Von militärischen Führern auf allen Ebenen sei zu erwar-

ten, dass diese den Einsatz militärischer Gewalt, wie

beispielsweise in Form von Luftnahunterstützung (Close

Air Support) in bewohnten Gebieten und anderen Orten,

wo es möglicherweise zu zivilen Opfer kommen kann,

genau prüfen und auf das Nötigste beschränken. Kom-

mandeure müssten den Nutzen einer Luftnahunterstüt-

zung gegen die möglichen Opfer unter der Zivilbevölke-

rung, die langfristig den Erfolg der Mission erschweren

und die afghanische Bevölkerung gegen ISAF aufbringen,

abwägen.
111

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu ausgesagt:

„Man hatte den Eindruck, dass man versucht, vie-
les von dem, was wir im Norden machen, nämlich

Rücksichtnahme auf die Bevölkerung zum Bei-

spiel beim Fahrstil, Rücksichtnahme auf kulturelle
109) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 2.
110) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 3.

111) www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf

(Dokument 49).

Besonderheiten in Afghanistan, was wir alles seit

vielen Jahren schon machen, auf ganz Afghanistan

zu übertragen. […] Nach meinem Kenntnisstand
sind die SOPs und die RoEs durch General

McChrystal nicht geändert worden, sondern er hat

nur seine generelle Absicht in der Tactic[al] Direc-

tive klargemacht. Ich kann nur unterstreichen: Die

Verschärfung, die wir herausgelesen haben – das
war gemeinsam sowohl Masar-i-Scharif wie wir,

[…] war, dass man maximale Rücksicht auf die
Zivilbevölkerung nimmt, nicht nur beim Gefecht,

sondern insgesamt, und dass er gefordert hat, gera-

de aus der Erfahrung der Amerikaner im Süden,

nach einem Waffeneinsatz, wenn man glaubt, dass

es zivile Opfer gegeben hat, die Nachbereitung

schnell zu machen. Hintergrund war vielleicht un-

ter anderem ein schwerer Zwischenfall, den es

nach meiner Erinnerung im Mai im Süden von

Afghanistan gegeben hatte, wo eine sehr große

Anzahl von Zivilisten ums Leben gekommen ist

und wohl auch die Taliban zivile Opfer bewusst

herbeigeführt haben.“112

Der Zeuge Brigadegeneral Vollmer hat dies in seiner

Vernehmung bestätigt und angegeben, mit der Amtsüber-

nahme durch General McChrystal habe es einen Paradig-

menwechsel gegeben, in der Hinsicht, dass noch deutli-

cher als zuvor der Schutz der Bevölkerung im Fokus

gestanden habe.
113

4. Änderung der ISAF-Taschenkarte

Am 24. Juli 2009 wurde die Taschenkarte für die Regeln

der Anwendung militärischer Gewalt durch die Soldatin-

nen und Soldaten des deutschen Kontingents der ISAF

geändert.
114

Vor ihrer Überarbeitung war mehrfach Kritik an der Ta-

schenkarte geäußert worden, insbesondere eine zu starken

Detailliertheit, die die Soldaten verunsichern würde.
115

Die Taschenkarte, die dem Ausschuss vorgelegen hat,

formuliert, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bun-

deswehr Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der Si-

cherheit unterstützen sollen, um den afghanischen Staat-

sorganen, dem Personal der Vereinten Nationen sowie

anderem Zivilpersonal ein Arbeiten in sicherem Umfeld

zu ermöglichen.

Die Taschenkarte verlangt mit klaren Worten, dass militä-

rische Gewalt immer „verhältnismäßig“ sein muss, also
nur angewendet werden darf, wenn sie „geeignet und
erforderlich“ ist, so dass immer dann, wenn man sich
nicht einer „erheblichen Gefahr für Leib und Leben“
ausgesetzt sieht, das „denkbar mildeste Mittel“ anzuwen-
den ist.
112) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 35 f.

113) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 17.

114) Taschenkarte vom 24. Juli 2009, Mat. 17-49a, Bl. 8 – 11 (VS-
NfD).

115) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 22. Juni 2008, „Erst
lesen, dann warnen, dann schießen“ (Dokument 50).
Drucksache 17/7400 – 42 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Darüber hinaus wird ausdrücklich verlangt, dass der Ein-

satz der Schusswaffe oder anderer Mittel, die eine Le-

bensgefährdung oder schwere körperliche Beeinträchti-

gung nach sich ziehen können, nur dann erlaubt ist,

„wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben auf
andere Weise nicht abgewendet werden kann.“ – Militäri-
sche Gewalt ist – sofern es die Lage zulässt, immer vor
ihrem Einsatz „anzudrohen“.

Weiter verweist die Taschenkarte ausdrücklich auf den

engeren Maßstab des Grundgesetzes, wonach der Waf-

feneinsatz geeignet und erforderlich sein muss und die

Folgen „nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg
stehen dürfen.“

Um ihren Auftrag zu erfüllen, dürfen die Soldatinnen und

Soldaten der Bundeswehr der Taschenkarte zufolge u. a.

Angriffe abwehren oder verhindern, die sich gegen militä-

rische und zivile Angehörige von ISAF und NATO, deren

Einrichtung und Material oder gegen Personen, die einen

besonderen Schutz von ISAF genießen, richten.

Schließlich unterstreicht die Taschenkarte, dass Angriffe

auch dadurch verhindert werden können, indem gegen

Personen vorgegangen wird, die feindseliges Verhalten

zeigen. Zudem bestehe ein solches feindseliges Verhalten

auch dann weiter fort, wenn nicht ausgeschlossen werden

kann, dass die Personen, die dieses Verhalten zeigen, ihre

Angriffe gegen ISAF später fortsetzen bzw. wieder auf-

nehmen.

5. Die Lage zwischen den Wahlen am
20. August 2009 und dem 4. September
2009

Die Sicherheitslage in der Region Kunduz verschlechterte

sich zwischen den Präsidentschaftswahlen am 20. August

2009 und dem 4. September 2009 nach Auskunft des

Zeugen Klein dramatisch.

Er gab an, nach der Wahl hätten die Aufständischen ver-

sucht, zeitweilig die Kontrolle über die Hauptverbin-

dungsstraßen im Kunduz zu übernehmen. So hätten sich

Ende August Zwischenfälle gehäuft, bei denen die Auf-

ständischen illegale Kontrollpunkte eingerichtet hätten.

Durch das Hauptquartier ISAF und des Regionalkom-

mando Nord sei ihm ausdrücklich befohlen worden, un-

verzüglich Maßnahmen zur Sicherung der Verbindungs-

straßen und zur Bekämpfung der Aufständischen zu er-

greifen.
116

6. Konkrete Anschlagswarnungen für den
Bereich des PRT Kunduz

Im Vorfeld des Luftangriffs hatte es Warnungen gegeben

bezüglich eines bis zum Termin der afghanischen Präsi-

dentschaftswahl am 20. August 2009 geplanten Angriffs

auf das PRT Kunduz durch regierungsfeindliche Kräfte.
116) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5.

Der Zeuge Dr. Jung hat dazu weiter vor dem Untersu-

chungsausschuss ausgeführt:

„Am 3. September, also einen Tag vor diesem
Luftschlag, waren wieder drei deutsche Soldaten

verwundet worden. Wir hatten in dem Zusammen-

hang auch Hinweise, dass die Taliban einen größe-

ren Anschlag gegen uns planen. Deshalb war ich in

permanenter Sorge, dass es den Taliban gelingt,

auch und gerade in der Perspektive vor der Bun-

destagswahl, einen derartigen Schlag gegen unsere

Soldaten durchzuführen. […] Ich weiß, wie auch
die NATO diesbezüglich sorgenvoll die Entwick-

lung in Kunduz gesehen hat, zumal rund eine Wo-

che vorher, am 25. August, ein Tanklastwagen von

den Taliban in Kabul in die Luft gesprengt worden

ist, wo 40 Personen getötet und 60 verletzt wur-

den.“117

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat sich vor dem Untersu-

chungsausschuss zu Warnungen bezüglich konkreter

Angriffsplanungen auf das PRT Kunduz geäußert:

„Wachsende Sorge machte uns aber auch die Zu-
nahme von Entführungen von Fahrzeugen durch

die Aufständischen. Vorrangiges Ziel waren Poli-

zei- und Militärfahrzeuge, aber auch Tanklastfahr-

zeuge […]. Für uns bestand die sehr konkrete Ge-
fahr, dass mit diesen erbeuteten Polizeifahrzeugen

unter Nutzung gestohlener Uniformen Angriffe auf

Personal und Einrichtungen der afghanischen Si-

cherheitskräfte und ISAF durchgeführt werden.

Wir hatten detaillierte Erkenntnisse […], dass eine
größere Anzahl dieser Fahrzeuge in den Raum

nordwestlich von Kunduz – wir nennen das das
Zweistromland; das ist zwischen dem Kunduz-

Fluss und dem Khanabad-Fluss, sehr schwer zu-

gänglich – verbracht worden waren und Spreng-
stoffanschläge vorbereitet wurden. Ein solcher

Angriff fand am 25. August, also knapp eine Wo-

che vor dem 4. September, unter Nutzung eines

Tankfahrzeuges in Kandahar statt. Bei diesem

Angriff starben 39 Menschen, 64 wurden verletzt,

15 Gebäude völlig zerstört […]. Zudem hatten wir
seit Frühjahr 2009 Hinweise auf gezielte und mög-

lichst spektakuläre Angriffe auf deutsche Kräfte

und Einrichtungen. Warnungen zu Angriffstermi-

nen umfassten den gesamten August, insbesondere

den Wahltag in Afghanistan, den 20. August, den

geplanten Tag der afghanischen Präsidentschafts-

wahlen, aber auch den deutschen Wahltermin am

27. September und auch den 3. Oktober. Die War-

nungen wurden nicht nur im PRT sehr ernst ge-

nommen.“118

Zu der Verwendung von Tanklastern als Anschlagsmittel

führte der damalige Generalinspekteur General Wolfgang

Schneiderhan in seiner Presseerklärung vom 29. Oktober

2009 aus:
117) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.

118) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 43 – Drucksache 17/7400
„Dieses Jahr wurden bis Ende August in Afghanis-
tan bereits in sechs Fällen LKW oder Tanklastwa-

gen für Attentate eingesetzt. Zwei weitere LKW

wurden vorher gefunden. Bei diesen Anschlägen,

die sich gegen ISAF, aber auch gegen die afghani-

sche Bevölkerung gerichtet haben, kam es durch

die große Menge an genutztem Sprengstoff zu ho-

hen Verlusten, auch bei der Zivilbevölkerung.

Seit Mitte Juli gab es ernstzunehmende Hinweise

darauf, dass ähnliche Anschläge gegen das PRT

Kunduz geplant waren. Vermutete Absicht der

feindlichen Kräfte würde es nach unseren Informa-

tionen sein, einen größeren medienwirksamen An-

schlag zu verüben, um die staatlichen afghanischen

Organe und ISAF zu diskreditieren und die lokale

Bevölkerung von einer Zusammenarbeit mit uns

abzuhalten.

Es handelte sich um eine Kombination aus übli-

cher Vorgehensweise der feindlichen Kräfte, den

vorhandenen Warnhinweisen über einen größeren

geplanten Anschlag und den Versuch der feindli-

chen Kräfte, sich die Mittel für einen solchen An-

schlag zu beschaffen.“119

7. Schwere Gefechte am Vorabend des Luft-
angriffs

Am 3. September 2009 kam es zu schweren Gefechten

zwischen deutschen ISAF-Kräften und den regierungs-

feindlichen Kräften nördlich von Kunduz. Hierbei wurden

im Rahmen einer Operation eine mit Schützenpanzern

Marder ausgestattete Kompanie des PRT Kunduz zu-

sammen mit einer Kompanie aus Faizabad in den Distrikt

Archi verlegt. Zum Schutz des Anmarsches wurden die

Kräfte von einer weiteren Kompanie aus dem PRT Kun-

duz begleitet. Der Zeuge Oberst i. G. Georg Klein hat

hierzu vor dem Untersuchungsausschuss ausgeführt:

„Die Kräfte, die tatsächlich am 3. September in
den Norden hochmarschierten, gerieten gegen

11 Uhr in einen sehr komplexen Hinterhalt. Dabei

sind drei deutsche Soldaten verwundet worden.

Ein LKW-Zweitonner wurde durch eine Panzer-

faust völlig zerstört und er musste zurückgelassen

werden. Vier weitere Fahrzeuge konnten nur mit

geringer Geschwindigkeit weiterbewegt werden,

so dass die Kompanie erst nachmittags, 15.35 Uhr,

in Nawabad eintraf. Zudem musste eine größere

Marschunterbrechung eingelegt werden, weil einer

der drei verwundeten Soldaten lebensbedrohlich

verwundet war, dass wir ihn mit Hubschraubern

ausfliegen mussten.“120

Zusammenfassend hat der Zeuge Klein festgestellt, dass

für die Soldaten in Kunduz der 3. September 2009 einer

der schwersten Gefechtstage gewesen sei. Alle Kräfte des
119) Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-

Untersuchungsbericht am 29. Oktober 2009 (Dokument 51).

120) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 7 f.

PRT, einschließlich des Gefechtsstandes und des Ret-

tungszentrums, seien durch die Kämpfe, die Organisation

der Verwundetenbergung und die Planung für die Folge-

tage stark gefordert gewesen. Für den 4. September 2009

habe Oberst Klein mit einer Fortsetzung der Gefechte in

Archi gerechnet. Im Norden seien zwei Kompanien, eine

in Nawabad und eine in Emam Saheb, jeweils mehrere

Stunden vom Feldlager Kunduz entfernt, gebunden gewe-

sen. Diese Kräfte hätten „dringend eine Ruhepause und
Auffrischung“ benötigt; eine weitere Kompanie sei im
Feldlager Kunduz durch Routineaufgaben gebunden ge-

wesen.

Man sei sich dahingehend einig gewesen, dass es „mit
weniger Können der Truppe und mit Pech“ an diesem Tag
zu schweren Verlusten hätte kommen können, dass jedoch

für die Folgetage auf jeden Fall mit weiteren schweren

Kämpfen zu rechnen sei.
121

II. Entführung zweier Tanklastwagen am
3. September 2009

1. Überfall auf die Lastwagenfahrer

Am 3. September 2009 um 11 Uhr vormittags afghani-

scher Zeit fuhren zwei Tanklaster der Firma Mir Bacha

Kot von Shir Khan Hafen an der afghanisch-

tadschikischen Grenze los in Richtung Süden. Die Fahrt

sollte über Kunduz nach Kabul gehen.
122

Die Ladung der beiden Tanklaster war für einen Logistik-

partner der ISAF-Truppen bestimmt.
123

Die Lastwagen

wurden von zwei Lastwagenfahrern mit jeweils einem

Beifahrer gefahren.
124

Zusammen hatten die beiden Last-

wagen 58 000 Liter
125

, bzw. 45,5 Tonnen
126

, Treibstoff

geladen.

Nicht geklärt ist, welche Art von Treibstoff die beiden

Tanklaster genau geladen hatten. Der Generalbundesan-

walt geht in seinem Einstellungsvermerk davon aus, dass

einer der Tanklaster Benzin, der andere Diesel geladen

hatte.
127

Einer der Lastwagenfahrer, der Zeuge A. M., hat

vor dem Ausschuss berichtet, beide Lastwagen seien mit

Benzin beladen gewesen.
128

Gegen 15.30 Uhr wurde der Konvoi von einer bewaffne-

ten Gruppe Taliban auf der Straße von Kunduz nach

Baghlan nahe Angur Bagh (ca. 12 bis 15 km südlich von
121) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 7 f.

122) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3, 20; Einstellungsvermerk des

Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (offene Version)
vom 16. April 2010 (Dokument 52), S. 16; Untersuchungsbericht

der Afghanischen Regierung im Fall der Bombardierung der

Tanklastzüge der Transportfirma Mirbacha Kot im Distrikt Char
Darah der Provinz Kunduz („Karzai-Bericht“, Dokument 53).

123) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122), S. 16.
124) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 4, 13.

125) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 4, 17.

126) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122), Bl. 3.
127) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122), S. 16; A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3.

128) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 12.
Drucksache 17/7400 – 44 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Kunduz) umzingelt und anschließend in eine Kaserne

verbracht.
129

Gemäß der Aussage des Zeugen A. M. wollten die Tali-

ban die beiden LKW in ein Versteck nach Chahar Darreh

auf der anderen Seite des Kunduz-Flusses verbringen.
130

Nach den Feststellungen des Generalbundesanwalts soll-

ten die Fahrzeuge nach Gor Tepa, das ca. 25 km Luftlinie

nordwestlich vom Feldlager des PRT Kunduz entfernt

liegt, verbracht werden.
131

A. M. sei gezwungen worden,

mit den LKW durch den Fluss zu fahren. Die eigentliche

Straße, die Landstraße habe man nicht benutzen können,

da sie im Bau gewesen sei.

„Außerdem wollten die Taliban, dass man eben
diese Straße, die offizielle Straße, öffentliche Stra-

ße nicht benutzen darf, weil vielleicht mit den Re-

gierungstruppen rechnen könnten. Aus diesem

Grunde wollten wir eben durch einen Umweg zu

ihren Chahar-Darreh-Verstecken uns führen, und

deswegen haben wir diesen Weg genommen.“132

Gegen 18.15 Uhr blieben die Tanklaster bei dem Versuch

der Taliban, sie auf die Westseite des Flusses Kunduz zu

verbringen, auf einer Sandbank in der Mitte des Flusses

im Schlamm stecken.
133

Gemäß der Aussage des Zeugen

Klein sei diese Sandbank eine bekannte Übergangsstelle

für Aufständische, die sich vom Distrikt Chahar Darreh

westlich zu der Hauptverbindungsstraße zwischen Kun-

duz und Kabul bewegen.
134

2. Das Geschehen auf der Sandbank

Der Zeuge A. M., der überlebende Fahrer eines der beiden

Tanklastwagen, hat dem Untersuchungsausschuss das

Geschehen auf der Sandbank beschrieben. Nach seiner

Aussage befanden sich gegen 21 Uhr bis zu 200 Personen

auf der Sandbank. Anwesende Taliban hätten sich rings

um die Tanklastwagen postiert; dann habe die von den

Taliban herbeigerufene Zivilbevölkerung begonnen, aus

den Tanklastwagen den Treibstoff abzuzapfen.

Wörtlich hat der Zeuge ausgesagt:

„Es war 9 Uhr, also 21 Uhr, in der Nacht, als die
Taliban dann eben kamen. 200 Menschen waren

dort. Es waren viele, viele Taliban da. […] Ich
kann nur sagen, dass vielleicht 100 Menschen dort

sich versammelt hatten. Wie weit man entfernt war

und welcher Teil weiter in der Nähe war, kann ich

Ihnen nicht sagen. […] Ich würde sagen, mehr als
10 Personen waren Taliban. Das heißt, aus dieser
129) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3; „Karzai-Bericht“ (Fn. 122),

Bl. 3; Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-
desgerichtshof (Fn. 122), S. 17.

130) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 9; so auch „Karzai-Bericht“
(Fn. 122), Bl. 3.

131) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122), S. 16.

132) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 9.
133) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122), S. 17.

134) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.

Zahl bestanden die Taliban. Der Rest war dann die

Zivilbevölkerung.[…]

Ganz am Anfang, als man das Benzin abzapfte,

waren mehr als 200 Leute. Als Benzin dann ausge-

schöpft war und die Zeit kam, sich näherte zu den

Luftanschlägen, da, in diesem Moment, war die

Bevölkerung wenig, und es gab auch wenig Ben-

zin dann dort. […]

Als die Taliban uns von der Straße entführten und

mitnahmen, waren 40, und als dann die Verteilung

von Benzin begann, dann kann ich sagen, mehr als

12 bis 15 Personen konnten die Taliban nicht sein.

Das heißt, die Taliban waren vielleicht überall da.

[…] Ich war kein Augenzeuge, was die Zahlen an-
geht. Es könnten 40 sein, es könnten 50 sein. Aber

ich spreche von dem Zeitpunkt, in dem der Luft-

angriff stattfand. Das, was ich ja gesehen habe,

war eben diese geringe Zahl. Ich habe früher auch

diese Zahlen genannt. Aber ich kann dann letz-

tendlich nicht sagen, wie viele Taliban insgesamt

dann dort an der Stelle anwesend waren.“135

3. Personen auf der Sandbank nach Aussage
des Zeugen A. M.

Der Untersuchungsausschuss hat den Zeugen A. M. be-

fragt, ob er während des Geschehens Zivilisten unter den

Personen auf der Sandbank habe ausmachen können. Der

Zeuge hat aber auf Nachfrage eingeräumt, nicht aus-

schließen zu können, dass es sich auch bei einem Teil der

Menschen auf der Sandbank ohne Waffen um Aufständi-

sche gehandelt haben könnte.
136

Wörtlich hat er ausgesagt:

„Die Taliban haben die Bevölkerung aufgefordert,
zu kommen und Benzin mitzunehmen, weil die

Taliban die Lastwagen nicht weiter mitschleppen

konnten. Deswegen hat man gedacht: Die Bevöl-

kerung kann ja Benzin abzapfen. Man hat die Be-

völkerung gerufen, sie soll kommen und Benzin

mitnehmen. […] Alle Menschen, die dort kamen,
um Benzin abzuzapfen, waren natürlich nicht Tali-

ban, sondern […] die Bewohner der umliegenden
Dörfer, die arm waren und durch Zurufe der Tali-

ban […] kamen, um doch für sich was zu holen.“

Es hätten sich nach seiner Wahrnehmung Zivilisten auf

der Sandbank befunden, Frauen habe er dort aber nicht

gesehen.
137

Zur altersmäßigen Zusammensetzung hat er

ausgeführt:

„Ab 14 nach oben waren Kinder dabei, waren älte-
re Leute da und auch Menschen, die man als er-

wachsene Personen betrachten kann. Auch sehr äl-

tere, greise Menschen waren dabei.“138
135) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 5 ff.
136) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 11.

137) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 19.

138) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 10.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45 – Drucksache 17/7400
III. Vorbereitung und Durchführung militäri-

scher Maßnahmen als Reaktion auf die
Entführung der Tanklastwagen

1. Kenntniserlangung von der Entführung

a) Hinweise durch einen Informanten der
Task Force 47

Am Morgen des 3. September 2009 erhielt der für Feind-

beobachtung zuständige Offizier der Task Force 47,

Hauptmann N. (J2X), den Hinweis, dass im Bereich Kun-

duz in der Nähe des Feldlagers in der Nacht eine Straßen-

sperre mit einem Hinterhalt errichtet werde und anschlie-

ßend auf bestimmte Ziele ausgelöst werden sollte.

Bei der Task Force 47 handelt es sich um eine deutsche

Spezialkräfteeinheit, die unter deutscher Führung im

Einsatzbereich des Regionalkommandos Nord operiert

und zum Teil im Feldlager Kunduz stationiert ist, wo sie

über eine eigene Taktische Operationszentrale (TOC)

verfügt.

Der Zeuge Hauptmann N. hat angegeben, er habe diese

Warnmeldung bzgl. eines möglichen Hinterhalts mit dem

Hinweis, dass es sich um einen Einzelhinweis handele

und er daher nicht bewertet werden könne, ans PRT wei-

tergegeben.
139

Abends sei er durch sein „Team“ darüber informiert wor-
den, dass der Hinterhalt ausgelöst und zwei Tanklastzüge

entführt worden seien.
140

Um 20 Uhr unterrichtete ein

Informant den J2X der Task Force 47 telefonisch über

den Raub zweier Tanklastwagen im Raum Kunduz.
141

Die

Initiative zur Kontaktaufnahme mit den HUMINT-

Kräften ging nach Aussage des Zeugen Oberfeldwebel F.,

am 3./4. September 2009 als HUMINT-Operator der Task

Force 47 eingesetzt, vom Informanten aus.
142

b) Unterrichtung des Kommandeurs des PRT
Kunduz, Oberst Klein

„Gegen 20 Uhr“143 erfuhr Oberst Klein, damals Komman-
deur des Provincial Reconstruction Team (PRT) Kunduz,

von der Entführung der Tanklastwagen. Vor dem Unter-

suchungsausschuss hat er dazu ausgesagt:

„In diesem Zusammenhang meldete mir mein Ab-
teilungsleiter J2, Oberstleutnant K., dass im Laufe

des späten Nachmittages des 3. September durch

aufständische Gruppen aus dem Raum Aliabad, ca.

20 km südlich von Kunduz, zwei Tanklastzüge

[…] auf der Hauptverbindungsstraße südlich von
Kunduz entführt worden wären. Absicht sei es,
139) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 58.
140) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.

141) Bericht des Deputy Chief CJ2 HQ ISAF, Protokoll Fact Finding

Mission Kunduz vom 6. September 2009 („N.-Bericht“, Doku-
ment 54).

142) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 12.

143) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 38.

diese Fahrzeuge über den Kunduz-Fluss nach

Westen zu bringen und dann in den Raum Ak-

Shakh/Zweistromland […]: das ist eine Region,
die für uns sehr schwer erreichbar ist –, um sie dort
für Angriffe gegen die afghanischen Sicherheits-

kräfte und gegen ISAF zu nutzen. […] Ich nahm
diese [Meldung, Anmerkung] sehr ernst, zumal wir

erst wenige Tage zuvor, am 25. August, auch von

der Entführung eines ECOLOG-Fahrzeuges – das
ist ein Entsorgungsfahrzeug, das für uns eingesetzt

ist – im Raum ostwärts Kunduz Kenntnis erhalten
hatten. Auch hier gingen wir nach Informationen

des Bundesnachrichtendienstes davon aus, dass

dieses Fahrzeug gegen uns oder die afghanischen

Sicherheitskräfte präpariert und eingesetzt werden

sollte. Zudem – und das hat mir sehr viel Sorge
gemacht – waren auf diesem ECOLOG-Fahrzeug
deutsche Uniformen; die sollten zur Reinigung von

Taloqan nach Kunduz gebracht werden. […] Den
Fahrer dieses ECOLOG-Fahrzeuges oder beide

Fahrer hatte man bei diesem Vorfall sehr frühzeitig

von den Fahrzeugen getrennt und später wieder

freigelassen nach Vernehmung. Wir hatten im

Nachhinein versucht, den weiteren Weg dieses

Fahrzeuges auch mit luftgestützten Aufklärungs-

mitteln zu verfolgen und den Standort aufzuklären,

aber die Spur verloren. Auch von diesem Fahrzeug

wussten wir nicht, wo es war.

[…] Diese Meldung hat mich mit großer Sorge er-
füllt, weil ich zur Kenntnis nehmen musste, dass

die Aufständischen in unmittelbarer Umgebung

des PRTs – wir reden hier von wenigen Kilome-
tern – erneut tätig geworden waren und mit kurzer
Vorwarnzeit gegen uns oder gegen die afghani-

schen Sicherheitskräfte nutzbare Tankfahrzeuge

nunmehr in deren Gewalt waren.“144

Die Meldung lautete:

„HUMINT-Meldung Nr. 2 an PRT Kunduz Ver-
bindungsoffizier 2

Datum der Information: 03. Sept. 09

Datum der Meldung: 03. Sept. 09

Ort: KUNDUZ

Gegenstand: Entführung zweier

Tanklastwagen

Information:

Heute um ca. 17.00 h Ortszeit brachten INS, die in

der Nähe von ANGOR BOCH […] einen Hinter-
halt gelegt hatten, zwei Tanklastwagen in ihre

Gewalt. Die INS befinden sich derzeit in der Nähe

von ANGOR BOCH […] beiderseits des Flusses
und sind bereit, die beiden Fahrzeuge in der Nacht

über den Fluss zu bringen. Die INS beabsichtigen,

die Fahrzeuge über die Straße PLUTO nach
144) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8.

Drucksache 17/7400 – 46 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
NAWABAD […] und weiter über JUMAR
BAZAR […] nach GOR TEPA […] zu fahren.
Sollte es nicht möglich sein, die Fahrzeuge bei

ANGOR BOCH […] über den Fluss zu bringen,
sollen die Fahrzeuge vor Ort ausgeschlachtet wer-

den, um brauchbares Material für die INS zu ge-

winnen.

Herausgebende Stelle: Feldnachrichtentrupp

Verstärkungskräfte RC

North, Afghanistan“

„HUMINT-Meldung-Nr. 3 an PRT Kunduz,
Kommandeur PRT

Datum der Information: 03. Sept. 09 – 04. Sept.
09

Datum der Meldung: 04. Sept. 09

Ort: KUNDUZ

Gegenstand: Explosion zweier Tank-

lastwagen südlich von

KUNDUZ

Information:

Die genannten Zeiten sind nur ungefähre Zeiten,

da dem zum entsprechenden Zeitpunkt eingesetz-

ten Sprachmittler der Zutritt zum Bereich der OPZ

nicht gestattet war.

03. Sept. 09, 22.00 h Ortszeit, Anruf CTC (Kon-

taktperson):

Die INS unter Führung von ABDUL RAHMAN

versuchen um etwa 22.00 h Ortszeit, die beiden in

der Nähe von ANGOR BOCH […] im Distrikt
CHAHAR DARREH, Provinz KUNDUZ gestoh-

lenen Tanklastwagen (siehe HUMINT-Meldung

INFOREP 031930Lsep09.doc) über den

KUNDUZ-Fluss Richtung Osten zu bringen (wei-

tere Einzelheiten nicht bekannt).

04. Sept. 09, 23.00 h Ortszeit, Anruf CTC:

Die beiden Fahrzeuge sind etwa um 23.00 h Orts-

zeit im Fluss stecken geblieben. Sie können nicht

mehr fortbewegt werden (weitere Einzelheiten

nicht bekannt).

04. Sept. 09, 00.00 h Ortszeit, Anruf CTC:

Da die beiden Tanklastwagen sich nicht mehr be-

wegen lassen, versuchen die INS, die Kraftstoff-

tanks der Lastwagen zu leeren und den Kraftstoff

in andere Behälter umzufüllen. Während dieser

Aktion befinden sich ABDUL RAHMAN, Com-

mander SAIDI, Commander NASER und Com-

mander AMANULLAH bei den beiden Fahrzeu-

gen. Weitere, von ABDUL RAHMAN informierte

INS beteiligen sich an den Aktivitäten, um eben-

falls Kraftstoff zu stehlen. Die INS beabsichtigen,

die Fahrzeuge anschließend in Brand zu stecken

(weitere Einzelheiten sind nicht bekannt).

04. Sept. 09, 00.30 h Ortszeit, Anruf CTC:

Um 00.30 h Ortszeit befinden sich mehrere INS

bei den auf der Sandbank stecken gebliebenen

Lastwagen und entleeren sie. Zivilisten sind nicht

vor Ort. Die INS sind mit Panzerfäusten und

Handfeuerwaffen bewaffnet (weitere Einzelheiten

sind nicht bekannt).

04. Sept. 09, 01.30 h Ortszeit, Anruf CTC:

Die Aktivitäten um die Tanklastwagen dauern

immer noch an. Gegenwärtig ist eine lebhafte Be-

wegung unter den INS um die beiden Tanklastwa-

gen festzustellen. In der Nähe der Fahrzeuge be-

finden sich keine Zivilisten (weitere Einzelheiten

sind nicht bekannt).

04. Sept. 09, 02.00 h Ortszeit, Anruf CTC:

Durch die Explosion der beiden Tanklastwagen

um 01.58 h Ortszeit wurden etwa 70 Personen ge-

tötet. Unter den Toten sind auch Commander

SAIDI und Commander AMANULLAH. Es gibt

keine Opfer unter der Zivilbevölkerung. Mullah

ABDUL RAHMAN hat die Explosion überlebt

(weitere Einzelheiten nicht bekannt). Commander

NASER blieb ebenfalls unverletzt, da er zum Zeit-

punkt der Explosion auf dem Weg nach LALA

MAYDAN (Koordinate nicht bekannt) war (weite-

re Einzelheiten nicht bekannt).

04. Sept. 09, 10.40 h Ortszeit, Anruf CTC:

Bei der Explosion wurden mindestens 90 INS ge-

tötet. Diese Zahl könnte noch größer werden, da

vermutlich viele INS vom Fluss fortgespült wur-

den und einige buchstäblich verdampft sind.

Anmerkung der Operators: Während der vorste-

henden Telefongespräche zwischen FHT (Feld-

nachrichtentrupp) und CTC wurden weitere kurze

Telefonate geführt, um Einzelheiten zu erfahren.

Bei diesen Telefongesprächen bestätigte CTC wie-

derholt, dass die Personen ausschließlich INS seien

und keine Zivilpersonen vor Ort seien. ABDUL

RAHMAN ist gegenwärtig Anführer der Taliban

im Distrikt ALIABAD. Er steht in direkter Ver-

bindung zu Maulawi SHAMSUDDIN. Die ge-

nannten Zeiten sind nur ungefähre Zeiten, da dem

zum entsprechenden Zeitpunkt eingesetzten

Sprachmittler der Zugang zum OPZ-Bereich nicht

gestattet war.

Ende der Anmerkung

Herausgebende Stelle: Feldnachrichtentrupp Ver-

stärkungskräfte RC North, Afghanistan“145

Der Zeuge Brigadegeneral Vollmer hat in seiner Verneh-

mung diese Einschätzung der Lage bestätigt:
145) HUMINT-Meldungen Nr. 2 und 3 vom 3. und 4. September 2009,

Anlage 17 zu Anhang G des COM ISAF-Berichts (Dokument 55).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 47 – Drucksache 17/7400
„Wir hatten die Meldung gehabt mit konkreten
Anschlagswarnungen auf das Lager, die auch sehr

dezidiert waren: mit einem Fahrzeug durchbre-

chen, das nächste Fahrzeug fährt dann hinterher. –
Wir hatten bereits einen entführten Tanklastwa-

gen.“146

Der Zeuge Oberstleutnant K., Offizier im militärischen

Nachrichtenwesen (J2) im PRT Kunduz, hat im Hinblick

auf die Informationslage erklärt, dass diese derart „dünn“
gewesen sei, dass er daraus weder Absichten noch Hin-

weise auf zukünftiges Verhalten der Taliban habe inter-

pretieren können.
147

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat in seiner Vernehmung

weiter ausgeführt:

„Ich ging jedoch zunächst – und auch weil mir nur
die oben geschilderten Informationen vorlagen –
am 3. September von einem ähnlichen Vorgehen,

wie bei dem ECOLOG-Tanker aus. Ich habe mei-

nen J2, den Oberstleutnant K., angewiesen, den

Vorgang weiter zu beobachten, Verbindung mit

den afghanischen Sicherheitskräften zu halten und

mich über den Gefechtsstand auf dem Laufenden

zu halten. Weitere Maßnahmen habe ich nicht ge-

troffen, weil ich hierzu nach meiner Bewertung

[…] keine weiteren Kräfte hatte und deswegen
nicht weiter reaktionsfähig war.“148

c) Unterrichtung durch afghanische Stellen

Gegen 21 Uhr Ortszeit unterrichtete das gemeinsam von

NATO und afghanischen Sicherheitskräften betriebene

Koordinierungszentrum für Operationen der Provinz

Kunduz (OCC-P) das PRT Kunduz über den Raub zweier

Tanklastwagen.
149

In einer um 21.12 Uhr Ortszeit verfass-

ten Erstmeldung des PRT Kunduz hieß es:

„OCC-P meldet, dass zwei Tanklastwagen von
INS (Aufständische) erbeutet wurden. Die INS be-

absichtigten, den Fluss Kunduz an einer Furt zu

überqueren, um den Treibstoff im Distrikt Chahar

Darah zu bringen.“150

2. Suche nach den Tanklastzügen

Oberst Klein wurde nach seiner Aussage am 3. September

2009 gegen 22 Uhr in den Gefechtsstand der Task Force

47 gerufen. Zu den dort angetroffenen Personen hat der

Zeuge Klein ausgesagt:

„Beim Eintreffen im Gefechtsstand der Task Force
traf ich neben meinem JTAC, dem Oberfeldwebel

W., einen J2X – das ist jemand, der nachrichten-
dienstliche Informationen sammelt und aufbereitet
146) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 6.
147) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 63.

148) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8.

149) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52).

150) Vorfall-Sofortmeldung des PRT KDZ vom 4. September 2009,

Anlage 2a zum „Feldjägerbericht“ (Dokument 56).

– aus der Task Force an, Hauptmann N.; […] Im
Gefechtsstand waren etwa noch sechs weitere Sol-

daten und zivile Mitarbeiter, die mir allerdings

namentlich nicht bekannt waren. Ich kannte sie

vom Sehen; […].“151

Der Zeuge Hauptmann N. hat vor dem Ausschuss erklärt,

es hätten sich nach seiner Beobachtung und Erinnerung

insgesamt nur sechs Personen im Gefechtsstand aufgehal-

ten:

„Aus meiner Erinnerung heraus und so, wie ich
meine, es auch in dem Bericht ans Kommando

FOSK, den ich den nächsten Tag abgesetzt habe,

geschrieben zu haben, waren es einmal meine bei-

den Operateure, der Oberst Klein, der JTAC, mei-

ne Wenigkeit, und dann war da selbstverständlich

noch der Storyboard-Schreiber.“152

Nach Auswertung der Zeugenvernehmungen befanden

sich in der Operationszentrale der Task Force 47 zu dieser

Zeit folgende Personen:

– Hauptmann N.,153 Angehöriger der Task Force 47
und HUMINT Control Officer für das Field

HUMINT Team (FHT) der Task Force 47.
154

Die

Aufgaben des J2X hat der Zeuge Hauptfeldwebel W.

wie folgt beschrieben:

„[…] wenn ihm Informationen zugetragen werden,
wertet er diese aus, wie glaubhaft das Ganze ist

[…] und gibt diese Informationen dann mit dem
von ihm eingeschätzten Wert an die jeweilige Per-

son, die eine Operation führt […] weiter.“155

– Hauptfeldwebel V.,156 Storyboard-Schreiber,

– Oberfeldwebel F. und Hauptfeldwebel S.,157
HUMINT-Operatoren der Task Force 47; deren Auf-

gabe bestand nach Aussage des Zeugen Hauptfeld-

webel S. an dem Abend darin, Kontaktgespräche zu

führen
158

und „die Verbindung zwischen dem Kon-
takt und dem J2X aufrechtzuerhalten“159,

– M. F. und A. R., Mitarbeiter des Bundesnachrichten-
dienstes, die sich nach eigenen Angaben überwiegend

in einem abgetrennten Nebenraum befanden.

– Oberfeldwebel W.,160 Angehöriger des PRT Kun-
duz

161
, Fliegerleitoffizier (JTAC) im PRT Kunduz;

dieser war zuständig für die Kommunikation mit den

Luftfahrzeugbesatzungen. Zu seinen Verantwortlich-

keiten hat er erklärt:
151) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.

152) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 68.
153) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.

154) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 63.

155) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 7.
156) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 7.

157) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 42.

158) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 33.
159) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 1.

160) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 26.

161) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 1.

Drucksache 17/7400 – 48 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Ich habe beim Luftfahrzeug, sobald es in dem ge-
buchten Luftraum ist, für die Sicherheit der Ma-

schine […] in diesem Luftraum zu sorgen. Mein
Auftrag ist es, grundsätzlich jede Information an

den Führer vor Ort weiterzugeben. Aber ich habe

nicht die Möglichkeit, von mir aus nach meinem

Gutdünken zu sagen: ‚Ich würde jetzt hier eine
Waffe einsetzen„, sondern das dürfte ich lediglich,
wenn ich in einer Selbstverteidigungssituation

bin.“162

a) Ursprünglicher Auftrag: Suche nach einem
ausgefallenen deutschen Fahrzeug zwecks
Zerstörung

Der JTAC, Oberfeldwebel W., hatte an diesem Abend den

Auftrag, nach einem deutschen Fahrzeug, einem Zwei-

tonner, suchen zu lassen, das in einem Gefecht nördlich

von Kunduz beschädigt worden war und dort zurückge-

lassen werden musste. Für die Suche war ihm nach einer

entsprechenden Anforderung vom ISAF Flugkontrollzent-

rum (ASOC) in Kabul ein ISAF-Luftfahrzeug vom Typ

B-1B Lancer Strategic Bomber der US Air Force zugeteilt

worden.
163

Nachdem das Fahrzeug vom Luftfahrzeug B-1B gefunden

worden war, entschied Oberst Klein, vor dem Hintergrund

möglicher Kollateralschäden von einer Zerstörung abzu-

sehen.
164

b) Änderung des Suchauftrages für den B-1B
Lancer Strategic Bomber

Nachdem ein Waffeneinsatz auf den beschädigten Zwei-

tonner ausgeschlossen worden war, entschloss sich Oberst

Klein auf Vorschlag von Hauptmann N., der als Grund für

diesen Vorschlag im Ausschuss angegeben hat, anhand

dieses Falles die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit

dieses HUMINT-Kontakts überprüfen zu wollen
165

, das

Luftfahrzeug des Typs B-1B als Aufklärungsmittel für die

Suche nach den entführten Tanklastwagen zu nutzen und

erteilte dem JTAC den entsprechenden Befehl.
166

Vor

dem Untersuchungsausschuss hat er dazu ausgesagt:

„Da die B-1-Bomber zu diesem Zeitpunkt noch
über eine größere Stehzeit verfügten und derzeit

nicht für andere Operationen benötigt wurden, hat

der Hauptmann N. mir vorgeschlagen, diese zur

Suche der bei Kunduz entführten Tanklastzüge

einzusetzen. Er verfüge über einen Informanten,

also eine HUMINT-Quelle, die hierzu gegebenen-

falls weitere Informationen liefern könne. Ich habe

dem zugestimmt, habe mir noch etwa zehn Minu-

ten angeschaut, wie der Bomber abdrehte von

Archi Richtung Süden nach Kunduz, habe gese-

hen, wie er noch über dem Kunduz-Fluss kreiste,
162) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 15.

163) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 36.
164) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.

165) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 59.

166) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 3.

habe aber dann entschieden: ‚Das kann sich noch
länger hinziehen; das kann auch erfolglos bleiben„
und ich bin dann, auch weil ich damit rechnen

musste, dass die B-1-Bomber vielleicht zu einem

höher priorisierten Einsatz abgezogen werden,

wieder auf meine Unterkunft gegangen. Das war

dann gegen 23 Uhr.“167

c) Hilfe bei der Suche durch Hinweise eines
Informanten

Der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., unterrichtete

Oberst Klein, dass eine Kontaktperson des Field-

HUMINT-Teams der Task Force 47 angerufen und mitge-

teilt habe, den aktuellen Aufenthaltsort der Tanklastwa-

gen zu kennen. Er schlug vor, nach den Lastwagen zu

suchen und bot eine Hilfestellung der Task Force 47 bei

der Suche an. Vor dem Ausschuss hat der Zeuge N. die

Situation wie folgt geschildert:

„Ich hatte mitbekommen, dass Oberst Klein zu
dem Zeitpunkt aus irgendeinem Grund […] in der
OpCen saß. […] Ich bin dann zu ihm herüberge-
gangen und habe Herrn Oberst gefragt, ob er von

den beiden Tanklastern, die entführt worden sind,

gehört hätte. Ich habe ihm auch mitgeteilt, dass wir

am Morgen schon den Hinweis des PRT herunter-

gegeben hatten, dass dort möglicherweise ein Hin-

terhalt stattfindet und dass dieser jetzt eben ausge-

löst worden ist. Es war zu dem Zeitpunkt, als ich

mit dem Oberst gesprochen habe, glaube ich,

19 Uhr, 20 Uhr – in dem Bereich. […] Ich habe zu
ihm gesagt: Einer meiner Informanten hat mich ge-

rade angerufen und uns gesagt, dass das passiert

ist. Er wüsste wohl, wo diese Tanklaster sind. –
Ich habe ihm angeboten, wenn aus Sicht des PRT

Interesse besteht, diese Tanklaster zu finden, die

wohl möglicherweise auch als Gefahr im Raum

standen – zumindest hat es Oberst Klein mir gege-
nüber so gesagt –, könnten wir eventuell diese
Tanklaster für ihn finden und ihm dann sagen, wo

diese Tanklaster sich aufhalten. Oberst Klein hatte

sich aus meiner Erinnerung heraus davon auch

sehr angetan gezeigt, dass er gerne möchte, dass

wir das machen, wenn wir die Möglichkeit haben.

[…] Als Oberst Klein diesen Vorschlag aufge-
griffen hatte, dass man diese Tanklaster findet, ha-

be ich drüben bei uns in Masar-i-Scharif angeru-

fen, bei meiner vorgesetzten Dienststelle, und habe

dem dortigen J2 oder G2 – Oberstleutnant B. war
sein Name – gesagt: Wir haben eine Möglichkeit,
das Aufklärungsasset dieses B-1B-Bombers zu

nutzen, um die Informationen zu überprüfen, die

uns der Kontakt gegeben hat, und gleichzeitig im

Rahmen der Force Protection das PRT zu unters-

tützen, diese Laster zu finden.“168
167) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.

168) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 59.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49 – Drucksache 17/7400
Die Suche nach den beiden Tanklastfahrzeugen erfolgte

auf Grundlage einer telefonisch übermittelten Ortsbe-

schreibung des HUMINT-Informanten.
169

d) Die Tanklaster wurden gefunden

Gegen Mitternacht klärte das Luftfahrzeug B-1B die bei-

den Tanklastwagen mit Hilfe der von der Kontaktperson

übermittelten Informationen auf einer Sandbank auf.

Hauptmann N. veranlasste nach eigener Aussage die so-

fortige Unterrichtung von Oberst Klein, der sich daraufhin

zwischen 00.15 Uhr und 0.25 Uhr
170

in die Operations-

zentrale begab. Der Zeuge Hauptmann N. hat dazu ausge-

sagt:

„Oberst Klein war dann auf dem Weg hoch in die
Operationszentrale. Er hat sich dann kurz von mir

briefen lassen. Ich habe ihm gesagt: Wir haben mit

dem Kontakt die Tanklaster an der und der Stelle

gefunden. – Ich habe ihm auch gesagt, dass ich
keine weiteren Erkenntnisse darüber habe, außer

denen, die uns der Kontakt gegeben hat, was mo-

mentan vor Ort auf der Sandbank passiert.“171

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat die Situation wie folgt

geschildert:

„Um Mitternacht bin ich durch meinen Gefechts-
stand geweckt worden. Dort war die Information

eingegangen, man hätte die Tanklastzüge entdeckt,

man bitte mich nun zur Task Force. Nach Eintref-

fen traf ich den gleichen Personenkreis wie zuvor

an. Auf den Bildschirmen konnte ich deutlich er-

kennen zwei auf einer mir bekannten Sandbank im

Kunduz-Fluss befinden sich größere Tankfahrzeu-

ge, dabei zwei weitere kleinere Fahrzeuge, wohl

ein Traktor und ein Pick-Up, und eine Gruppe von

Personen um die Fahrzeuge. Durch den J2X wurde

ich wie folgt informiert: Durch eine durch ihn ge-

führte Quelle habe er glaubwürdige Informationen,

dass es sich bei den erkennbaren Personen um eine

größere Zahl von Aufständischen handelt. Dabei

seien vier Führer mit ihren Gruppen identifiziert

sowie ausländische Kämpfer vor Ort. Die LKW

seien derzeit auf der Sandbank festgefahren. Man

versuche, sie durch die herangeführten kleineren

Fahrzeuge – bisher erfolglos – wieder beweglich
zu machen und dann weiterzufahren.“172

3. Der Informant

Nach eigener Darstellung bezog Oberst Klein am Abend

des 3. September 2009 seine Informationen über das Ge-

schehen auf der Sandbank aus zwei Quellen: Zum einen

erhielt er Video-Bilder über den Tanklastwagen auf der

Sandbank zunächst von dem Luftfahrzeug B-1B und
169) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 59.

170) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52).

171) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 60.

172) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9 ff.

später von den beiden F-15 Luftfahrzeugen (siehe dazu

unten: B.III.4, S. 52) in die Operationszentrale übermit-

telt, zum anderen berichtete ein Informant der HUMINT

telefonisch über das Geschehen.

Da die von dem HUMINT-Kontakt am 3./4. September

2009 gelieferten Informationen eine der Grundlagen für

weitere an diesem Abend getroffene Entscheidungen

waren, ist der Untersuchungsausschuss der Frage nachge-

gangen, ob und in welchem Maße der Informant zuverläs-

sig war und von welchem Standort aus er auf welchem

Wege die Informationen an Oberst Klein übermittelte.

Zur Begrifflichkeit hat der Zeuge Hauptmann N. aufgek-

lärt, dass Informationszuträger des Field-HUMINT-

Teams der TF 47 als „Informanten“ oder „Kontakte“
bezeichnet würden, da es sich bei den HUMINT-Kräften

nicht um einen Nachrichtendienst handele.
173

a) Zuverlässigkeit des Informanten

Nach übereinstimmenden Aussagen aller vernommenen

Zeugen wurde der Informant als zuverlässig eingeschätzt.

Der Zeuge Hauptmann N. hat dazu in seiner Vernehmung

durch den Untersuchungsausschuss berichtet:

„Der Kontakt hatte im Vorfeld schon immer relativ
gute Informationen geliefert. Aus meiner Bewer-

tung, auch im Nachhinein, was er alles noch ge-

bracht hat, war es ein wirklich guter Kontakt, und

meine Leute – So, wie es mir eben berichtet wor-
den ist, wie ich es auch aus den Daten, die festge-

halten worden sind, herausnehmen konnte, war das

ein relativ zuverlässiger Kontakt, und wir konnten

danach auch noch sehr viel mit ihm arbeiten, und

er hat gute Sachen gebracht, auch, was die Force-

Protection und den Schutz unserer Leute anging,

dass er uns vor Hinterhalten gewarnt hat.“174

Hauptmann N. wies nach eigener Aussage Oberst Klein

darauf hin, dass man den Aussagen des Informanten, der

als zuverlässig bewertet wurde, „nur bis zu einem be-
stimmten Grad trauen kann und die Informationen nicht

als absolut anzunehmen sind.“175 Dabei bezog er sich auf
Informationen zur Unterscheidbarkeit von Zivilisten und

Aufständischen sowie auf den Umstand, dass es sich um

eine nicht bestätigte Einzelmeldung gehandelt habe.
176

Konkrete Zweifel an der Zuverlässigkeit der Quelle be-

standen von Seiten Hauptmann N. jedoch nicht.
177

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat diese Darstellung bestä-

tigt:

„Der Hauptmann N., mit dem ich mich auch zu ei-
ner Beratung in einen Nebenraum zurückgezogen

hatte, hat mir seine Erfahrung mit der Quelle ge-

schildert. Er hat mir auch gesagt, dass man niemals
173) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 66.

174) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 67.

175) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 68.
176) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 73.

177) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 21.

Drucksache 17/7400 – 50 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hundertprozentig sicher sein kann. Aber das ist

auch im normalen Leben so: […] Alle Rahmenbe-
dingungen sprachen dafür, dass in dieser Situation

die Quelle glaubwürdige Informationen liefert.“178

Zur Zuverlässigkeit der Kontaktperson hat der Zeuge

Klein erklärt:

„Ich hatte zwei korrelierende Quellen. Das eine
war die HUMINT-Quelle, und das andere war für

mich das Bild. Durch die Korrelation zwischen

dem Bild und der Beschreibung der Quelle kam

ich zu dem Schluss, dass es plausibel ist. Ich habe

ja dargestellt, dass diese Quelle mir durch den

J2X, der längere Zeit mit ihm zusammengearbeitet

hat, als sehr zuverlässig bewertet worden ist. Ich

konnte mich selbst davon überzeugen, dass diese

Quelle in der Vergangenheit sehr exakte Informa-

tionen geliefert hat, die auch durch andere Aufklä-

rungsträger bestätigt wurden. Das war in dieser

Nacht leider nicht möglich. Aufgrund der Be-

schreibung und meiner Einschätzung der Lage

hielt ich das alles für nachvollziehbar und glaub-

haft und auch ausreichend.
179

[…] Ich kann nur
wiederholen, dass ich selbst die Erfahrung ge-

macht habe, dass diese Quelle einige Tage zuvor

ein Treffen hoher aufständischer Führer gemeldet

hat und dies, als dann andere Aufklärungsmittel

eingesetzt wurden, auch bestätigt worden ist. Sie

war also sehr glaubhaft.“180

Hauptmann N. stand nach eigener Darstellung selbst in

keinem unmittelbaren Kontakt zum HUMINT-Infor-

manten, wohl aber die beiden HUMINT-Operatoren.
181

Der Zeuge Hauptfeldwebel S., zum Zeitpunkt des 3./4.

September 2009 eingesetzt als HUMINT-Operator, hat in

seiner Vernehmung bestätigt, dass es sich bei dem Infor-

manten um einen als zuverlässig bewerteten Kontakt ge-

handelt habe, der ihm persönlich nicht bekannt gewesen

sei.
182

b) Frage der „Bezahlung“ des Informanten

Im Rahmen der Untersuchung der näheren Hintergründe

des Luftangriffs hat sich der Untersuchungsausschuss

auch mit der Frage befasst, ob und inwieweit die Kon-

taktperson für die gelieferten Informationen entlohnt

wurde. Dazu hat der Zeuge Hauptmann N. in seiner Ver-

nehmung erklärt:

„Wir haben selbstverständlich Auslagen, die wir
den Kontakten entsprechend geben. Das hat damit

was zu tun, was sie für Aufwendungen für uns ha-

ben. Das ist ein ganz normaler Prozess. Das richtet

sich danach, woher die kommen, was die ausgege-
178) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 48.

179) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 27.
180) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 39.

181) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 70 f.

182) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 47.

ben haben. Das wird denen dann auch entspre-

chend erstattet.“

Die Höhe der Kostenerstattung habe sich an den geltend

gemachten Auslagen orientiert:
183

„Also, es sind keine Gelder in dem Sinne geflos-
sen, dass wir bezahlen für Informationen; aber

wenn die Leute mit einem Taxi zum Beispiel

kommen oder so, sind das Auslagen, die bezahlt

werden.
184

Auf die Frage, ob der HUMINT-Informant wie eine nach-

richtendienstliche Quelle geführt worden sei, hat der

Zeuge N. erklärt, dass nachrichtendienstliche Quellen

ausschließlich vom Bundesnachrichtendienst geführt wür-

den. Der Unterschied zwischen einer derartigen Quelle

und einem HUMINT-Informanten bestehe darin, dass

Letzterer Informationen auf freiwilliger Basis, ohne dafür

bezahlt zu werden, liefere.
185

Nach Aussage des Zeugen Oberfeldwebel F. seien dem

Informanten Geldbeträge in unterschiedlich hohen Sum-

men gezahlt worden.
186

Die Höhe sei von der Qualität und

der Häufigkeit von Informationen abhängig gewesen.

Dabei sei es auch um die Finanzierung von Subkontakten

gegangen.
187

c) Kommunikation mit dem Informanten über
einen Sprachmittler

Die Kommunikation der beiden HUMINT-Operatoren mit

der Kontaktperson erfolgte am Abend des 3./4. September

2009 telefonisch über einen Sprachmittler der Task Force

47. Dieser verfügte nach eigener Aussage über keine Dol-

metscherausbildung, jedoch handele es sich bei Dari und

Paschtu um seine Muttersprachen.
188

Nach Darstellung

des Zeugen Hauptfeldwebel S., seinerzeit als HUMINT-

Operator eingesetzt, habe es zu keinem Zeitpunkt Ver-

ständigungsprobleme zwischen ihm und dem Sprachmitt-

ler gegeben.
189

Nach Aussage des Zeugen Hauptmann N. besaß der

Sprachmittler nicht die erforderliche Ermächtigung zum

Umgang mit Verschlusssachen, so dass er die Operations-

zentrale der Task Force 47 nicht habe betreten dürfen. Die

HUMINT-Operatoren Hauptfeldwebel S. und Oberfeld-

webel F. mussten sich daher außerhalb des Zeltes zum

sich dort befindlichen Sprachmittler begeben, wenn sie

mit dem Informanten kommunizieren wollten.
190

Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat die Kommunikation mit

dem Informanten über den Sprachmittler beschrieben:

„Es war ein stetiger Wechsel zwischen dem Haupt-
feldwebel S. und mir. Entweder war der Haupt-
183) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 61.

184) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 67.
185) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 71.

186) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 22.

187) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 23.
188) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 10.

189) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 33.

190) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51 – Drucksache 17/7400
feldwebel S. im Gefechtsstand und hat den Kon-

takt zu Hauptmann N. gesucht bzw. gehalten und

ich war draußen bei dem Sprachmittler, neben dem

oder […] beim Handy, oder es war andersrum. Es
war ständig entweder Hauptfeldwebel S. oder ich

bei dem Sprachmittler in Verbindung zu dem Kon-

takt. Haben wir eine neue Information gehabt, ist

einer von uns in den Gefechtsstand reingegangen

und hat den Hauptmann N. gebrieft. So fand halt

dieser Wechsel die ganze Zeit statt.“191

Der Sprachmittler übersetzte die Fragen der beiden

HUMINT-Operatoren sowie die Antworten des Informan-

ten. In seiner Vernehmung hat er sich mit einem „Werk-
zeug“ verglichen, das Fragen stellen und die Antworten
an die Kameraden habe weitergeben müssen.

192
Die Informationen gaben die HUMINT-Operatoren an

ihren Vorgesetzten Hauptmann N. weiter, der daraufhin

den Kommandeur des PRT Kunduz, Oberst Klein unter-

richtete. Zum Teil fand dieser Informationsaustausch laut

der Aussage des Zeugen Klein im Nebenraum statt
193

.

Nach Darstellung des Zeugen Hauptmann N. sei Oberst

Klein über alles informiert worden, was der Informant

gesagt habe. Anschließend hätten die HUMINT-

Operatoren neue Aufträge zur Informationsbeschaffung

erhalten.
194

Der Zeuge Oberfeldwebel F. stellte nach

seiner Aussage an diesem Abend „keine eigenständigen
Fragen“.195

Oberst Klein hatte an dem Abend selbst nicht mit dem

Informanten gesprochen. In seiner Vernehmung hat er

dazu ausgesagt:

„Der J2X, Hauptmann N., hat diese Quelle über
einen Dolmetscher der Task Force geführt. Die

Gespräche hierzu wurden durch ihn stets außerhalb

des Gefechtsstandes geführt und konnten durch

mich nicht mitgehört werden. Das entspricht auch

völlig den Sicherheitsvorgaben: Kenntnis nur,

wenn nötig. Es ist völlig undenkbar, dass ein Füh-

rer unmittelbar mit der Quelle spricht. Es gibt Stu-

fen, die immer dazwischengeschaltet sind. Deswe-

gen ist mir sowohl die Identität des Dolmetschers

als auch die der Quelle nicht bekannt.“196

Der Zeuge Hauptmann N. hat erklärt, dass er an jenem

Abend seinen Untergebenen verboten habe, Informatio-

nen direkt an Oberst Klein weiterzugeben. Er habe nicht

gewollt, „dass irgendjemand den Herrn Oberst entspre-
chend beeinflusst und zu irgendetwas versucht zu drän-

gen.“197
191) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4.

192) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2.
193) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.

194) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 20.
195) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 22.

196) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.

197) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 75.

d) Standort der Kontaktperson

Für die Beurteilung, inwieweit die Kontaktperson in der

Lage war, Informationen über das tatsächliche Geschehen

auf der Sandbank wiederzugeben, war der Standort der

Quelle am Abend des 3./4. September 2009 von wesentli-

cher Bedeutung. Aufgrund der gelieferten Informationen

ging Oberst Klein davon aus, dass der Informant direkte

Sicht auf die Sandbank hatte.

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu ausgeführt:

„Ich kann […] aufgrund des Detaillierungsgrades
und der fast hundertprozentigen Übereinstimmung

zwischen dem, was die Quelle beschrieben hat,

und dem, was ich auf dem Rover-Bild selbst sehen

konnte, sagen, dass ich den festen Eindruck hatte,

dass diese Quelle direkten Blick auf die Sandbank

hatte. Sie konnte auch die festgefahrenen Fahrzeu-

ge sehen, sie konnte die zum Freimachen herange-

führten Fahrzeuge beschreiben und hat auch Be-

wegungen beschrieben.“198

Der Zeuge Hauptmann N. hat hingegen erklärt, er habe

Oberst Klein nach seiner Erinnerung über alles informiert,

was ihm vom Informanten gesagt worden sei.
199

Im Laufe der Gespräche mit dem Informanten wurde für

die HUMINT-Kollektoren
200

und Hauptmann N.
201

deut-

lich, dass sich dieser nicht unmittelbar vor Ort befand,

sondern dass er die weitergegebenen Informationen zuvor

von einer oder mehreren Personen erhalten hatte. Der

Zeuge Hauptmann N. hat diesbezüglich in seiner Ver-

nehmung erklärt, dass es eine Weile gedauert habe, bis

die Kontaktperson „damit rausgerückt hatte, dass er nicht
direkt vor Ort war, sondern dass er über andere Leute

wieder ein relativ gutes Bild davon hatte. Er war aber

wohl so dicht dran, dass er uns sehr detailliert sagen

konnte – die Sachen haben eben auch mit dem Luftbild
relativ gut korreliert –, was da vor sich geht.“202 Zudem
habe der Kontakt über „gute Insiderinformationen“ ver-
fügt.

203
Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat in seiner Vernehmung

erklärt, nicht gewusst zu haben, „wo die Quelle, der Kon-
takt, sich aufgehalten hat.“204 Er habe auch nicht explizit
danach gefragt, ob der Informant beispielsweise Sichtkon-

takt zu den Tanklastern hatte. Der Kontakt habe aber

eigene Ansprechpartner gehabt, über die er sich informiert

habe.
205

Über den Ablauf der Gespräche hat er berichtet:

„Nach meiner Erinnerung hat er [Informant, Anm.]
Kontakte gehabt, die sich dort direkt vor Ort be-

finden. Die Telefonate wurden auch immer wieder
198) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.

199) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 64.

200) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 34, 36, 37, 38, 44, 49; F., Proto-
koll-Nr. 35, Teil II, S. 2, 7, 10.

201) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.

202) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.
203) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 62.

204) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 1.

205) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 10.
Drucksache 17/7400 – 52 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
unterbrochen. Wir haben Rückfragen gestellt, an

die ich mich jetzt natürlich im Detail nicht mehr

erinnern kann. Und er hat gesagt: Moment, ich

muss das hinterfragen; ich muss das prüfen; wir te-

lefonieren später wieder.“206

Auch der Zeuge Hauptfeldwebel S. hat bestätigt, dass der

Informant nach seinen Informationen nicht unmittelbar

vor Ort war und auch keine Sicht auf die Sandbank hat-

te.
207

Der damalige Sprachmittler, der Zeuge M. M., hat hinge-

gen in seiner Vernehmung durch den Untersuchungsaus-

schuss ausgesagt, dass sich der Informant, der über „keine
weitere Quelle“208 verfügt habe, am Ort des Gesche-
hens

209
befunden und „Sichtkontakt zu den zwei Tanklas-

tern“ gehabt habe.210

Mit dieser Aussage konfrontiert, hat der Zeuge Haupt-

feldwebel S. erklärt:

„Der Dolmetscher, also der Sprachmittler, hat ge-
sagt: Die Quelle ist nicht vor Ort. Er telefoniert mit

ihm oder mit einem weiteren Informanten in der

Nähe oder auf der Sandbank.“211

Nach Darstellung des Zeugen Hauptfeldwebel S. habe der

Informant berichtet, selbst angerufen und aufgefordert

worden zu sein, sich zu den Tanklastwagen auf der Sand-

bank zu begeben und Benzin abzuzapfen.
212

Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat sich die Aussage des

Zeugen M. M. nicht erklären können.
213

e) Existenz einer möglichen weiteren, „drit-
ten“ Quelle

In einer Pressekonferenz am 7. September 2009 erwähnte

der damalige Pressesprecher des Bundesministeriums der

Verteidigung, Dr. Thomas Raabe, dass sich Oberst Klein

in seinem Entscheidungsprozess neben Video-Bildern und

afghanischen Quellen auch auf „andere Quellen, die ich
jetzt nicht dezidiert darstelle“214, gestützt habe.

Nach Darstellung in seiner Vernehmung hatte Dr. Raabe

diese Information von seinem Mitarbeiter Kapitän zur See

Dienst erhalten, der seinerseits am 7. September 2009

unmittelbar im PRT Kunduz mit dem stellvertretenden

Kommandeur des PRT Kunduz und Chef des Stabes,

Oberstleutnant G., telefoniert hatte, um an Hintergrundin-

formationen zu gelangen.
215

Dabei habe Oberstleutnant G.

mitgeteilt, dass mithilfe dieser dritten Quelle habe festge-
206) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 2.
207) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 34.

208) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 24.

209) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 6.
210) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2.

211) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 38.

212) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 43.
213) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 15.

214) Bundespressekonferenz vom 7. September 2009 (Dokument 57).

215) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 1.

stellt werden können, dass sich vier hochrangige Taliban

vor Ort befunden hätten.
216

Ausweislich eines am 8. September 2009 über das Tele-

fonat gefertigten Aktenvermerkes soll es sich bei dieser

weiteren Quelle um sog. SIGINT-Informationen des afg-

hanischen Geheimdienstes gehandelt haben.
217

Der Zeuge Oberstleutnant G. hat in seiner Vernehmung

das Telefonat bestätigt, aber bestritten, eine dritte Quelle

erwähnt zu haben. Wörtlich hat er ausgesagt:

„[…] ich kenne keine dritte Quelle. Ich habe auch
in dem Gespräch mit dem Kapitän Dienst definitiv

keine dritte Quelle genannt, die dem Oberst Klein

zur Entschlussfindung beigetragen hätte.“218

Weder der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr,

General Wolfgang Schneiderhan, noch Bedienstete des

Einsatzführungsstabes im Bundesministerium der Vertei-

digung haben die Existenz einer weiteren Quelle bestäti-

gen können. Wörtlich hat der Zeuge Dr. Raabe dazu in

seiner Vernehmung ausgeführt:

„Diese dritte Quelle habe ich […] auch aktiv an-
gesprochen. Das ist dann […] intern nochmal
besprochen worden mit dem damaligen Generalin-

spekteur Schneiderhan. Ich habe das auch noch

einmal intern besprochen, Einsatzführungsstab am

7. 9. abends, circa 19.25 Uhr. Das wurde dort aber

nicht bestätigt seitens des Einsatzführungsstabes,

auch nicht von General Schneiderhan damals bei

der Obleuteunterrichtung, die, glaube ich, am 8. 9.

morgens stattgefunden hat.“219

4. Das Geschehen auf der Sandbank aus
Sicht von Oberst Klein

Mittelpunkt des Geschehens waren in der Nacht vom 3.

auf den 4. September 2009 die Vorgänge auf der Sand-

bank. Anhand der Meldungen über das dortige Geschehen

gewann Oberst Klein sein Lagebild, das mit ausschlagge-

bend für die Entscheidung war, einen Luftschlag durchzu-

führen. Aus diesem Grund hat sich der Untersuchungs-

ausschuss mit der Frage befasst, welche Informationen

Oberst Klein in der Nacht vom 3. auf den 4. September

2009 über das Geschehen auf der Sandbank in der Opera-

tionszentrale vorlagen. Dabei ist zu berücksichtigen ge-

wesen, dass die Zeugen Hauptmann N., Oberfeldwebel F.,

Hauptfeldwebel S., Hauptfeldwebel W. sowie Oberst

Klein, die sich seinerzeit in der Operationszentrale auf-

hielten, ihre Informationen mittelbar durch die Luftfahr-

zeugbesatzungen, die Video-Bilder sowie durch einen

Informanten gewannen.
216) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 3.
217) Mat. 17-21a, Ordn. 1, Bl. 333.

218) G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 2.

219) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 1.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 53 – Drucksache 17/7400
Nachfolgendes Schema soll den anhand der Zeugenaussa-

gen nachvollzogenen Informationsfluss über das Gesche-

hen auf der Sandbank bis hin in die Operationszentrale

verdeutlichen:

Auf der Sandbank standen nach Aussage der Zeugen die

beiden Tanklastwagen sowie einige kleinere Fahrzeuge,

darunter ein Traktor und ein Pick-up. Um die Fahrzeuge

herum befand sich eine größere Anzahl Personen, von

denen zumindest einige Waffen trugen. Diese waren da-

bei, den in den Tanklastwagen befindlichen Treibstoff

abzupumpen.

Der Zeuge M. M., der Sprachmittler der TF 47, hat ge-

schildert, dass der Treibstoff aus den Tanklastwagen

abgepumpt wurde. Der Informant habe ihm mitgeteilt,

dass ein Taliban-Führer vor Ort den Taliban-Führer einer

anderen Ortschaft angerufen und gebeten habe, „eigene
Leute“ aus verschiedenen Orten zu schicken, damit diese
die Tanklaster entleeren, um so eine Weiterfahrt und eine

Überquerung des Flusses zu ermöglichen. Den Treibstoff

aus den Tanklastern hätten diese „eigenen Leute“, bei
denen es sich um bewaffnete Taliban gehandelt habe

220
,

für sich mitnehmen dürfen.
221

a) Anzahl der Personen auf der Sandbank

Nicht eindeutig zu ermitteln gewesen ist die genaue Zahl

der Personen, die sich in der Nacht vom 3. auf den 4.

September 2009 auf der Sandbank aufhielten. Diese dürf-

te sich in der untersuchungsgegenständlichen Nacht stän-

dig geändert haben.
220) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 5.

221) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 5.

aa) Einschätzung des JTAC anhand der Video-
Bilder

In der Operationszentrale bat Oberst Klein den JTAC

anhand der Video-Bilder um eine Einschätzung, wie viele

Personen sich auf der Sandbank befanden. In seiner Ver-

nehmung hat der Zeuge Oberst i. G. Klein dazu ausgesagt:

„Ich möchte nun etwas zu den Luftbildern sagen;
[…]. Für einen Laien ist die Bewertung dieser
Luftbilder sehr schwer einzuschätzen, da sich so-

wohl die Flugzeuge als auch die Personen in stän-

diger Bewegung befinden. Ich habe daher den da-

zu ausgebildeten JTAC um eine Einschätzung ge-

beten: Wie viele Personen sehen wir denn da un-

ten? Seine Aussage mir gegenüber war: etwa 70

Personen, die sich um diese Tankfahrzeuge bewe-

gen. Die Zahl war für uns bei vier identifizierten

Gruppen realistisch und auch nicht überraschend.

Aus den Gefechten der vergangenen Wochen

wussten wir, dass die Aufständischen in der Lage

waren, durch Telefonate sehr schnell Kräfte […]
zusammenzuziehen. Diese waren regelmäßig mit

Motorrädern und Pick-ups unterwegs, sehr schnell

beweglich, hoch mobil, und zudem […] passte der
Ort des Geschehens auch zu meinem in fünf inten-

siven Monaten aufgewachsenen Lagebild. Diese

Sandbank ist eine bekannte Übergangsstelle für

Aufständische, die sich vom Distrikt Char Dara

westlich zur Line of Communication […] bewe-
gen.“222

Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat diese Darstellung be-

stätigt:

„Die B-1 hat relativ gute Bilder geliefert und war
auch sehr lange – Ich schätzte die Anzahl der Per-
sonen auf ungefähr 70 ein, wobei ein genaues Zäh-

len derer vor Ort nicht möglich war, weil die Men-

schen in Bewegung waren; die Maschinen waren

in Bewegung. Das heißt, der Winkel ändert sich

auch öfter mal, wo die Maschine hinguckt. Mir

war es also jetzt nicht möglich, genau zu sagen:

‚Es waren 73, oder es waren nur 15„, wobei ich sa-
ge: Diese Masse – 15 oder 70 Personen –, das ist
schon ein Unterschied.“223

„Es war etwas, wobei ich nicht sagen kann, wel-
cher Art Fahrzeug, oder es war nur ein Karren oder

was. Das konnte ich von den Lichtverhältnissen

her nicht einschätzen. […] Es war ein reges Kom-
men und Gehen zu beobachten.“224
222) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.

223) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 9.

224) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 31.

Drucksache 17/7400 – 54 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Einschätzung des Informanten

Der Informant schätzte gegenüber dem Zeugen M. M. die

Anzahl der sich auf der Sandbank befindlichen Personen

auf „mehr als 70“ ein.225

b) Anwesenheit von Taliban-Führern

Die beiden HUMINT-Operatoren, die Zeugen Oberfeld-

webel F. und Hauptfeldwebel S. haben ausgesagt, dass

sich an jenem Abend nach Auskunft des Informanten

auch mehrere Taliban-Führer im Umfeld der Tanklastwa-

gen befunden hätten.
226

Dem Zeugen Hauptfeldwebel S.

sei eine der genannten Personen „als der mutmaßliche
Führer der Taliban-Gruppierung in dem Bereich“ bekannt
gewesen.

227
Der Zeuge M. M. hat bestätigt, dass der Informant von

anwesenden Taliban-Führern gesprochen habe. Nach

Aussage des Zeugen M. F. stand einer der Namen auf der

JPEL-Liste.
228

Hierzu hat der Zeuge Hauptmann N. aus-

gesagt:

„Selbstverständlich haben die [Namen, Anm.] eine
Bedeutung für mich gehabt. Es gab viele Namen in

Kunduz, die mir ein Begriff sind und jetzt auch

noch einer sind.
229

[…] Ich habe dem Herrn Oberst
Klein gesagt, wer vor Ort ist.“230

Auf die Frage, ob er mit einem ihm vorgehaltenen Namen

etwas anfangen könne, hat der Zeuge Oberstleutnant N.,

der am besagten Abend als G 2 der Task Force 47
231

ein-

gesetzt war, ausgesagt:

„Das sind gängige Namen im Raum Kunduz, die
durchaus der Insurgents-Szene zugeordnet werden

können, aber durchaus auch ehrbare Bürger sein

könnten, je nachdem. Da muss man genau wissen,

wer dahinter steckt.“232

Weiter hat er erklärt:

„Die Leute – soweit ich das in Erinnerung habe –,
die genannt worden sind, die in Verbindung mit

den Tanklastern standen, waren zu dem Zeitpunkt,

meine ich, noch keine Grundlage irgendeiner Ope-

ration. Aber wir hatten die auf dem Schirm.“233

Nach dem Luftangriff habe die Kontaktperson berichtet,

dass sie auf der Sandbank unter den Getöteten vier Tali-

ban-Führer identifiziert habe.
234

Ausweislich einer Antwort der Bundesregierung auf eine

Frage des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels (SPD)

war zum Zeitpunkt des Luftangriffs keiner der vier in den
225) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 5, 15.
226) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 6.

227) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 48.

228) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II, S. 9.
229) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 60.

230) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 87.

231) OTL N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 1.
232) OTL N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 17.

233) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 61.

234) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 17.

Meldungen nach dem Luftangriff am 4. September 2009

genannten Führer der Aufständischen auf der ISAF Joint

Prioritized Effects List (JEPL) aufgeführt gewesen.
235

Auf dieser Liste werden Ziele, deren Verfolgung mit

militärischen und nichtmilitärischen Mitteln gebilligt ist,

aufgeführt. Geplanten militärischen Maßnahmen gegen

Einzelpersonen geht dabei eine eingehende Prüfung und

Bewertung sowie ein komplexes Abstimmungs- und Ge-

nehmigungsverfahren voraus. Zielnominierungen und Zu-

griffsoperationen, bei denen deutsche Kräfte die Verant-

wortung für die Anwendung militärischer Gewalt haben,

die Ausführung übernehmen oder sich daran beteiligen,

erfolgen nach Auskunft der Bundesregierung ausschließ-

lich mit dem Ziel, die Zielpersonen festzusetzen, keines-

falls aber, sie zu töten.
236

c) Zur Frage der Anwesenheit von Zivilper-
sonen auf der Sandbank

Eine zentrale Frage für den Untersuchungsausschuss ist

gewesen, ob sich in der Nacht vom 3. auf den 4. Septem-

ber 2009 unbeteiligte Zivilpersonen, darunter die Fahrer

der Tanklastwagen, in der Nähe der Tanklastwagen auf

der Sandbank befunden hatten. Dies war vor dem Hinter-

grund möglicher, durch den Luftangriff verursachter Op-

fer relevant. Nach Aussage des Zeugen Hauptfeldwebel

W. hätte die Anwesenheit ziviler Personen bezüglich der

Vorbereitung eines Luftschlages gegen die Tanklastwa-

gen „gegebenenfalls ein Abbruchkriterium sein kön-
nen.“237

aa) Informationsstand in der Operationszent-
rale der Task Force 47

Oberst Klein hatte nach eigener Aussage keine dezidierten

Informationen über den Verbleib der Fahrer der beiden

Tanklastwagen. Aus den Erfahrungen aus vergleichbaren

Fällen ging er davon aus, dass sich diese nicht auf der

Sandbank befanden. In seiner Vernehmung hat er dazu

ausgesagt:

„Ich wusste nichts davon. Ich ging davon aus, dass
wie bei der Entführung der Ecolog-Fahrzeuge we-

nige Tage zuvor die Fahrer sehr schnell von den

Fahrzeugen getrennt wurden. Die wurden dann

auch getrennt verhört und wurden wieder freige-

lassen. Anders war es bei Entführung von Militär-

fahrzeugen oder Polizeifahrzeugen; da mussten wir

davon ausgehen, dass die Fahrer sofort ermordet

wurden. Da gab es mehrere Vorfälle. Dadurch,

dass ich in dieser Nacht mehrfach nachgefragt ha-

be: ‚Was für Personen sind dort unten?„, und man
mir bestätigt hat: ‚Dort sind nur Aufständische,
keine Zivilisten„, war für mich klar, dass auch die
235) BT-PlPr. 17/36 (Dokument 58), S. 3463.

236) Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Abg.
Ströbele, BT-PlPr. 17/45 am 9. Juni 2010 (Dokument 59),

S. 4575 f.

237) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 48.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 55 – Drucksache 17/7400
Fahrer nach meinem Kenntnisstand nicht vor Ort

sein könnten.“238

Ausweislich der Aussage des Zeugen W. wurde Oberst

Klein an dem Abend gemeldet, es gebe keine Informatio-

nen über die Kraftfahrer:

„Es wurde gesagt: ‚Es gibt keine Information„,
wenn ich mich richtig erinnere. Es kann aber ge-

nauso gesagt worden sein: ‚Die sind nicht mehr
dabei„ – wobei auch vom Oberst her sehr lange
nachgefragt wurde, ob überhaupt allgemein unbe-

teiligte Personen vor Ort sind. Das wurde jedes

Mal verneint. Wenn es, wenn ich nach den Kraft-

fahrern frage, heißt: ‚Ich habe keine Information
darüber„, und mir jedes Mal bestätigt wird, dass
keine Unbeteiligten vor Ort sind – unter die ich na-
türlich auch die Kraftfahrer zähle –, dann muss ich
von dieser Information erst mal ausgehen.“239

Der Zeuge Hauptmann N. hat in seiner Vernehmung aus-

gesagt, dass die beiden LKW-Fahrer von dem Informan-

ten an dem Abend „als nicht mehr im Spiel“ genannt
worden seien. Das habe nach seiner Auffassung bedeutet,

dass diese wohl umgebracht worden seien.
240

Der damalige Sprachmittler, der Zeuge M. M., hat in

seiner Vernehmung hingegen angegeben, der Informant

habe ihm mitgeteilt, dass einer der beiden LKW-Fahrer

erschossen worden sei. Wörtlich hat er ausgesagt:

„Hat er [Informant, Anm.] erzählt: Die wollten die
LKW über auf die andere Seite von Fluss bringen.

Ist die im Sand stehen geblieben, weil die hatte ja

mehr Gewicht und die konnte nicht über Fluss rü-

berfahren. Die sind im Sand stehen geblieben.

Deswegen hat hier die Gegner oder Taliban oder

gegnerische Seite einen LKW-Fahrer bedroht und

gesagt: Fahr weiter! – Hat er gesagt: Es geht nicht,
ich kann nicht weiterfahren. – Da wurde dieser
LKW-Fahrer erschossen.“241

Über den zweiten LKW-Fahrer sei nicht gesprochen wor-

den.
242

In seiner Vernehmung hat der Sprachmittler je-

doch auch erklärt, damals sei thematisiert worden, dass

der erste Fahrer jetzt tot sei.
243

Nach dem Luftangriff habe ihm die Kontaktperson mitge-

teilt, dass die Leiche eines Fahrers gefunden und in das

Krankenhaus in Kunduz geliefert worden sei. Um wel-

chen Fahrer es sich gehandelt habe, habe er nicht ge-

sagt.
244

Der Zeuge Hauptfeldwebel S. hat ausgesagt, den Infor-

manten über den Sprachmittler einmal nach dem Verbleib
238) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
239) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 48.

240) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.

241) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 4.
242) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 4.

243) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 21.

244) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 17.

der LKW-Fahrer gefragt zu haben. Diesem hätten an dem

Abend aber keine Informationen darüber vorgelegen.
245

Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat erklärt, keine Informa-

tionen über die Tanklastwagenfahrer gehabt zu haben und

den Informanten nicht nach deren Verbleib gefragt zu

haben.
246

bb) Anwesenheit weiterer Zivilpersonen

Aus der Operationszentrale heraus war die Einschätzung,

ob sich Zivilpersonen auf der Sandbank befanden, nur auf

Grundlage der Videobilder des B-1B Luftfahrzeuges

sowie der von der HUMINT-Kontaktperson gelieferten

Informationen möglich.

aaa) Problem der Unterscheidbarkeit zwischen
Aufständischen und Zivilpersonen

Zu den grundsätzlichen Problemen einer Unterscheidung

zwischen unbeteiligten Zivilpersonen und Aufständischen

hat der Zeuge Hauptfeldwebel W. ausgesagt, dass es Men-

schen in Afghanistan gegeben habe, die auf ihn geschos-

sen hätten und fünf Minuten später ohne Waffe an ihm

vorbeigefahren seien. Daher sei eine Unterscheidung

zwischen Aufständischen und Zivilisten nicht möglich.
247

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat bestätigt, dass eine Dif-

ferenzierung zwischen Aufständischen und unbeteiligten

Zivilpersonen aus der Operationszentrale heraus schwie-

rig war:

„Sie können nicht zwischen Zivilisten und Taliban
unterscheiden, weil diese Leute aus unserer Erfah-

rung ja in Zivil herumlaufen. Sie tragen keine Uni-

form, sie sind nicht als Kombattanten im eigentli-

chen Sinne erkennbar, tragen Waffen oder tragen

keine Waffen. Auch in dieser Nacht haben sie die

Waffen gehabt, haben sie teilweise wieder zur Sei-

te gelegt. Ich ging davon aus, dass alle Personen,

die sich zu diesem Zeitpunkt um die Tanklastzüge

befanden, Teil der Operation der Aufständischen

waren und deswegen beteiligt waren, und alle Per-

sonen, die sich im weiteren Umfeld dort bewegt

hatten – das, was andere vielleicht als Zivilisten
bezeichnen würden –, Unbeteiligte waren.“248

bbb) Das Tragen von Waffen als mögliches Kri-
terium zur Unterscheidung von Aufständi-
schen und Zivilisten

Nach Darstellung des Zeugen M. M. habe der Informant

das Tragen von Waffen als mögliches Kriterium zur Un-

terscheidung von Zivilisten und Aufständischen benannt.

Der Zeuge M. M. hat diesbezüglich vor dem Untersu-

chungsausschuss ausgesagt:
245) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 41, 45.
246) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 5.

247) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 10.

248) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.

Drucksache 17/7400 – 56 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Das hat er gesagt: Die waren alle Schuldige oder
Talibs, schuldige Menschen, dass die bewaffnet

waren
249

[…]. Mir wurde so übermittelt, dass die
alle Taliban sind, alles Schuldige sind, alle be-

waffnet sind.“250

Der Zeuge A. M. hat angegeben, dass er Zivilisten und

Aufständische daran unterscheide, ob sie Waffen tra-

gen.
251

Nach Angaben des Zeugen S. gab es keinen Austausch

zwischen ihm als HUMINT-Kollektor und dem Informan-

ten darüber, anhand welcher äußeren Anhaltspunkte zwi-

schen Aufständischen und Zivilisten zu unterscheiden

sei.
252

Der andere HUMINT-Kollektor ist dazu nicht be-

fragt worden.

(1) Darstellung der Zahl der Bewaffneten
durch die HUMINT-Kontaktperson

Der HUMINT-Informant berichtete nach der Darstellung

des Zeugen Hauptfeldwebel S. hingegen, dass „fast alle“
Personen auf der Sandbank bewaffnet gewesen seien.

253
Er habe weiterhin auf wiederholte Nachfrage angegeben,

dass sich keine Zivilisten auf der Sandbank befänden.

(2) Aufklärung von Handwaffen und Panzer-
abwehrwaffen durch das B-1B Luftfahr-
zeug

Nach Feststellungen des Generalbundesanwaltes beim

Bundesgerichtshof führte die Luftfahrzeugbesatzung des

B-1B auf Bitten des JTAC einen so genannten PID (posi-

tive Identification) nach Waffen durch. Dabei seien bei

einer Vielzahl der anwesenden Personen Handwaffen und

Panzerabwehrwaffen (RPG) aufgeklärt worden. Aller-

dings sei anhand der Videobilder nicht genau zu erkennen

gewesen, ob alle Personen auf der Sandbank Waffen

trugen.
254

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat diesbezüglich ausgesagt:

„Der JTAC hat mir gemeldet, dass die B1-
Besatzung, die wesentlich bessere Beobachtungs-

möglichkeiten haben, […] nun gemeldet hat, es
seien Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen,

also Panzerfäuste, bei den Personen, die sich da

unten befinden, erkannt worden.“255

Der Zeuge Hauptmann N. hat in seiner Vernehmung er-

klärt:

„Ich kann Ihnen jetzt allerdings nicht genau sagen,
ob mir das vom JTAC so weiter zugetragen wor-

den ist oder ob ich das über Funk mitbekommen
249) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 20.

250) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 26.
251) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 9.

252) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.

253) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.
254) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 21.

255) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.

habe, dass sie es direkt gesagt haben. Es wurde uns

aber auf jeden Fall gesagt – auch dem Oberst –,
dass durch das Aufklärungsasset diese Waffen ent-

sprechend identifiziert worden sind. Und es war

die Rede von RPGs und Langwaffen, also AKs,

was in dem Bereich normalerweise üblich ist.“256

„Die B-1B-Bomber-Piloten haben die Leute ent-
sprechend als INS, als Insurgenten, klas-

sifiziert.“257

Diese Darlegung wird durch Teile der durch den Untersu-

chungsausschuss beigezogenen Akten in Frage gestellt.
258

ccc) Mehrfache Nachfrage beim Informanten,
ob Zivilpersonen anwesend sind

Der Zeuge Hauptmann N. hat in seiner Vernehmung an-

gegeben, dass Oberst Klein ihn mehrfach angewiesen

habe, über seine Kontaktperson herauszufinden, ob sich

an jenem Abend unbeteiligte Zivilisten auf der Sandbank

befanden. Der Kontakt habe regelmäßig geantwortet, dass

sich aus seiner Sicht nur „Taliban“ dort befunden hät-
ten.

259
Diese Information habe er an Oberst Klein weiter-

gegeben. Wörtlich hat er ausgesagt:

„Ich habe mehrfach über den Sprachmittler […]
bei dem Kontakt angerufen und – haben ihm im-
mer wieder gesagt: Sag uns, sind aus deiner Sicht

jetzt wirklich nur Taliban und Insurgenten vor Ort,

oder sind da auch irgendwelche anderen? – Er hat
immer wieder gesagt: Es sind nur Taliban vor Ort.

– Ich habe dem Oberst gesagt: Herr Oberst, der
Kontakt sagt, aus seiner Sicht sind nur Taliban vor

Ort; aber wir können diese Aussage nicht als abso-

lut annehmen. […] Wir haben nicht explizit nach-
gefragt: Sind auch Kinder da? Aber der Oberst

Klein hat uns immer wieder darauf gedrängt, noch

und noch mal anzurufen und zu fragen, ob Zivilis-

ten vor Ort sind.“260

Der Zeuge Oberfeldwebel F. hat bestätigt, dass der In-

formant mehrfach erklärt habe, dass sich keine Zivilisten

auf der Sandbank befänden.
261

Dieser habe dabei stets den

Begriff „Zivilisten“ gebraucht.262 Allerdings sei für ihn
nicht erkennbar gewesen, anhand welcher Erkennungskri-

terien diese Einschätzung vorgenommen wurde.
263

Er

habe auch nicht nachgefragt, woran der Informant oder

seine Ansprechpartner erkannt haben wollten, dass keine

Zivilisten vor Ort seien.
264

Nach Darstellung des Zeugen Hauptfeldwebel S. wurde

auch die Anwesenheit von Frauen und Kindern verneint:
256) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 64.
257) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 84.

258) Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 23, Punkt 9, 10, 18, 31, 38,

40, 45, 48, 53, Tgb.-Nr. 08/10 – GEHEIM.
259) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 60.

260) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 68.

261) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 2.
262) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 9.

263) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4.

264) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 57 – Drucksache 17/7400
„Der Kontakt wurde mehrmals gefragt, ob dort Zi-
vilisten vor Ort sind, und er hat immer wieder be-

stätigt, es sind keine Zivilisten vor Ort. Unter an-

derem haben wir auch direkt nachgefragt, ob dort

Frauen und Kinder vor Ort sind. Dies wurde auch

durch den Kontakt verneint.“265

Der Zeuge M. M. hat bestätigt, dass die HUMINT-

Kontaktperson in den Gesprächen stets die Anwesenheit

von Zivilpersonen ausschloss:

„Von Anfang bis zum letzten Gespräch, das ich
mit ihm durchgeführt habe, hat er gesagt: Es sind

definitiv keine Zivilpersonen, die – oder Kinder,
unschuldige Menschen – sind. Bis Ende hat er
mitgeteilt, hat er gesagt: Das sind alles schuldige

Menschen; unschuldige sind keine dabei.“266

Der Zeuge Hauptmann N. hat nach eigener Aussage ge-

genüber Oberst Klein erklärt:

„Ich habe dem Oberst gesagt: Herr Oberst, der
Kontakt sagt, aus seiner Sicht sind nur Taliban vor

Ort; aber wir können diese Aussage nicht als abso-

lut annehmen.“267

d) Lagebild des Oberst Klein über das Ge-
schehen auf der Sandbank und Schluss-
folgerungen

In der Operationszentrale der Task Force 47 beobachteten

Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. das Geschehen auf

der Sandbank auf einem Monitor, auf dem die vom Luft-

fahrzeug des Typs B-1B gesendeten Video-Bilder abge-

bildet wurden. Seine Wahrnehmungen hat der Zeuge W.

folgendermaßen beschrieben:

„Von dem Bild, wie es sich darstellte, waren auf
den Uferrändern Pickups zu erkennen, also typisch

für die, die dort genutzt, gefahren werden. […] Es
war etwas, wobei ich nicht sagen kann, welcher

Art Fahrzeug, oder war es nur ein Karren oder

was. Das konnte ich von den Lichtverhältnissen

her nicht einschätzen. […] Es war ein reges Kom-
men und Gehen zu beobachten.“268

„[…] auf der einen Seite war die Möglichkeit – so
interpretiere ich das –, Sprit abzuzapfen oder zu
sagen: Man versucht, Holz, irgendwas, beizuschaf-

fen und unter die Reifen zu bringen, um die LKW

wieder gangbar zu machen. Das waren so meine

beiden Grundideen. Oder beides eventuell, damit

der Wagen etwas leichter wird vielleicht, um ihn

dann besser rauszukriegen. Das war so die Ein-

schätzung, die ich getroffen habe […].“269
265) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.

266) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2.
267) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 64.

268) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 31.

269) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 32.

Der Zeuge Hauptfeldwebel V. hat ausgesagt, er habe die

Personen nur als schwarze Punkte, die sich bewegt haben,

erkennen können.
270

aa) Schlussfolgerung über das weitere Vorge-
hen der Aufständischen

Aus den Video-Bildern und Meldungen schlussfolgerte

Oberst Klein nach eigener Aussage, dass die Tanklastzüge

nach deren Freisetzung, ohne auf nennenswerten Wider-

stand zu stoßen, als wahrscheinliche Option zu einem

Kontrollposten der afghanischen Polizei oder zum Feldla-

ger des PRT Kunduz bewegt würden:

„[…] mir wurde gemeldet, die Fahrzeuge würden
abgetankt, um sie zu erleichtern. Vor Ort seien nur

Aufständische. […] Zu diesem Zeitpunkt waren
die Tanklaster etwa 5 000 Meter Luftlinie vom

PRT entfernt. Zwischen dem PRT und dem aktuel-

len Standort befindet sich nur ein schwacher Kont-

rollposten der afghanischen Polizei, […] und die-
ser wurde in der Vergangenheit, auch an den Ta-

gen zuvor, regelmäßig angegriffen. […] Deswegen
war es eine wahrscheinliche Option, wenn diese

Tanklastzüge freikamen und sich nach Osten in

Bewegung setzen, dass diese, ohne auf großen Wi-

derstand zu stoßen oder vielleicht gar keinen Wi-

derstand anzutreffen, in wenigen Minuten an die-

sem Kontrollpunkt hätten sein können und danach

unmittelbar auch das PRT hätten erreichen kön-

nen.“271

Der Zeuge Hauptfeldwebel S. hat ausgeführt:

„Eine der ersten Aussagen war, dass diese Tank-
lastzüge in Richtung Westen gebracht werden soll-

ten, um dort weiter umgebaut zu werden. Weiter-

hin hat er aber nichts gesagt. Dann war eine Aus-

sage, dass diese Tanklastzüge umgebaut werden

sollten – oder mit IEDs versehen – und dass im
Moment jetzt der Kraftstoff abgepumpt wird. […]
Dann ging es mit Masse darum, dass die Fahrzeu-

ge sich festgefahren haben und auf der Sandbank

standen.“272

Der Zeuge M. M. hat geschildert, was der Informant über

die Pläne der Aufständischen an jenem Abend berichtet

habe:

„Das, was ich gehört habe oder durch Telefonat
von unserer Quelle mitbekommen habe, war die

Sache, dass die mit IEDs oder Sprengstoff die bei-

den Tanklaster vollmachen und einen in der Stadt

Kunduz und einen direkt vor dem PRT explodieren

lassen.“273

Der Zeuge Hauptfeldwebel S. hat ausgesagt, dass ihm

Aussagen der Kontaktperson im Hinblick auf etwaige
270) V., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 24.
271) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.

272) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 40.

273) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 19.

Drucksache 17/7400 – 58 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Planungen von Anschlägen auf eine Stadt oder das Feld-

lager Kunduz an diesem Abend nicht bekannt seien.
274

bb) Annahme, dass sich keine Zivilisten auf
der Sandbank befanden

Der Umstand, dass sich das Geschehen auf der Sandbank

nachts abspielte, bestärkte Oberst Klein nach eigener

Aussage in der Annahme, dass sich am Abend des 3./4.

September 2009 keine Zivilpersonen in der Nähe der

Tanklastwagen befanden. Vor dem Untersuchungsaus-

schuss hat er dazu ausgesagt:

„Zudem war uns bekannt, dass die Aufständischen
hier aber nachts illegale Kontrollpunkte einrichte-

ten, und – das war die Erfahrung und auch das,
was ich von den afghanischen Sicherheitskräften

immer gehört habe – für jeden, der nicht mit den
Aufständischen kooperiert, ist eine Bewegung in

diesem Raum lebensgefährlich, vor allem bei

Nacht. Letztlich – das darf nicht vergessen werden
– war es Ramadan, die normalen Menschen waren
zu Hause, und die Uhrzeit, also deutlich nach Mit-

ternacht – das war dann schon halb eins –, hat die
Information der Quelle, dass es sich bei den Perso-

nen um Aufständische und deren unmittelbare Un-

terstützer handelt, keinesfalls aber um unbeteiligte

Zivilisten, eindeutig bestätigt.“275

Der Zeuge M. M. hat diese Darstellung bestätigt:

„In Afghanistan ist das so, dass nachts die Zivilbe-
völkerung überhaupt nicht auf die Straße geht, be-

sonders in Kunduz. […] Auch nicht zur Ramadan-
Zeit.“276

5. Prüfung verschiedener Handlungsoptio-
nen seitens des PRT Kunduz

Ohne dass eine Entscheidung zu einem Waffeneinsatz zu

diesem Zeitpunkt bereits gefallen war
277

, wurden im PRT

Kunduz verschiedene Handlungsoptionen geprüft. Dabei

verzichtete Oberst Klein nach eigener Aussage darauf,

weitere Angehörige seines Stabes zur Beratung hinzuzu-

ziehen. In seiner Vernehmung hat er dazu erklärt:

„Ich habe in dieser Lage, weil es inzwischen auch
deutlich nach Mitternacht war, darauf verzichtet,

weitere Angehörige meines Stabes zur Beratung

hinzuzuziehen. Warum? Ich ging davon aus, dass

diese zu meiner Entscheidungsfindung keine zu-

sätzlichen Informationen beitragen konnten; zum

anderen wollte ich dem Schlüsselpersonal nach

dem harten Gefechtstag und in Erwartung neuer
274) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 43.

275) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10 f.
276) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 13.

277) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 22.

Gefechte am Folgetag zumindest ein paar Stunden

Ruhe gönnen.“278

„Es ist im Nachgang die Frage aufgeworfen wor-
den, warum ich in dieser Nacht nicht den Rechts-

berater des PRT geweckt habe. Zunächst einmal

muss ich festhalten, dass dieser Offizier nicht der

Rechtsberater des PRT ist; der macht das in Ne-

benfunktion. Allerdings hat auch der Oberstleut-

nant G. am nächsten Tag meine Einschätzung der

Einsatzregeln bestätigt. Hätte ich ihn in der Nacht

geweckt, hätte er mir keinen anderen Rat gege-

ben.“279

Die Entscheidung von Oberst Klein, auf die Hinzuziehung

weiterer Berater zu verzichten, stieß in der nachträglichen

Bewertung durch Zeugen auf Kritik:

– Der Zeuge Schneiderhan, zum damaligen Zeitpunkt
Generalinspekteur der Bundeswehr, hat in seiner

Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss die

Entscheidung, den Rechtsberater nicht hinzuzuzie-

hen, als „unzweckmäßig“ bewertet.280

– Der Zeuge Generalleutnant Glatz hat erklärt, er hätte
neben dem Rechtsberater auch den J3 als „Fachmann
für die Anwendung von RoEs und SOPs“ hinzugezo-
gen. Dabei hat er eingeräumt, dass „das eine ganz
persönliche Entscheidung jedes militärischen Füh-

rers“ sei.281

– Der Zeuge Oberstleutnant J. G., zum Zeitpunkt des
Luftschlages Chef des Stabes des PRT Kunduz, emp-

fand es gemäß seiner Aussage als „ungewöhnlich“, in
der konkreten Entscheidungssituation nicht zu Rate

gezogen worden zu sein.
282

a) Durchführung des Weaponeering und Tar-
geting durch die Flugzeugbesatzung

Die Flugzeugbesatzung führte das übliche so genannte

Weaponeering und Targeting durch.
283

Bei diesem Ver-

fahren wird das potentielle Ziel erfasst und in Abwägung

von Wirkung und zu erwartendem Schaden ein geeignetes

Wirkmittel bestimmt. Das Verfahren beschrieb der Zeuge

Hauptfeldwebel W. wie folgt:

„Man guckt, dass man keine Kollateralschäden
macht, und bespricht den Waffeneinsatz: welche

Waffe am besten an welcher Stelle eingesetzt

wird.“284
278) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12.

279) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15.
280) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 33.

281) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 70.

282) J. G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 3.
283) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 22.

284) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 24.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59 – Drucksache 17/7400
aa) Von der Besatzung des Luftfahrzeuges

vom Typ B-1B vorgeschlagenes Wirkmittel

Es wurde zunächst von Seiten der Besatzung des B-1B

der Einsatz von 2 000-Pfund-Bomben in Erwägung gezo-

gen. Dies sei aber verworfen worden, da bereits bei einer

1 000-Pfund-Bombe „die Gefahr bestanden hätte, zivile
Compounds eventuell mit Splittern oder sonst was zu

versehen.“285

Der Fliegerleitoffizier, der Zeuge W., hat vor dem Unter-

suchungsausschuss klargestellt, dass er Oberst Klein aus-

schließlich vorgetragen habe, was von Seiten der Luft-

fahrzeugbesatzungen vorgeschlagen worden sei, und ihn

beraten, aber keinesfalls zu irgendeiner Entscheidung

gedrängt habe:
286

„Ich habe meinem Kommandeur vorgetragen. Er
hat diese Information aufgenommen, hat mir aber

zu keiner Zeit zu verstehen gegeben, dass das eine

Sache ist, die für ihn gar nicht geht, weil, das wäre

ein klarer Befehl gewesen, und somit wäre ein kla-

rer Abbruch da gewesen.“287

Er habe aber bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt gera-

ten, die Ziele mit Bomben zu bekämpfen, da der Einsatz

der Bordkanonen eine größere Gefahr dargestellt hätte.
288

Eine Beratung, welche Regel zur Anwendung militäri-

scher Gewalt (RoE) Anwendung finde, habe nicht zu

seinen Aufgaben gehört.
289

bb) Beschränkung eines etwaigen Luftangriffs
auf die beiden Tanklastwagen?

Hauptmann N. hat angegeben, Oberst Klein habe gegenü-

ber der Besatzung der B-1B klargestellt, dass sich ein

etwaiger Luftangriff gegen die beiden Tanklastwagen

richten würde:

„Ich hatte bloß mitbekommen, dass die B-1B-
Piloten wohl erst angefangen haben, eine relativ

große Waffenwahl vorzuschlagen. […] Die woll-
ten dann auch möglichst alles, was außenrum noch

war, nach ihrer Aussage mit neutralisieren. Oberst

Klein war meiner Erinnerung nach darüber auch

sehr geschockt und hatte darauf gedrängt, dass das

nicht sein Ziel ist, sondern er wollte diese Tanklas-

ter neutralisieren. Man hat dann weiter mit den

Bomberpiloten verhandelt. […] Das ging dann
immer so weiter, und Oberst Klein hat immer wie-

der darauf gedrängt, er möchte eine möglichst

kleine Waffenwahl haben, um wirklich nur gezielt

auf dieser Sandbank zu wirken und keine Außens-

tehenden – Man erkannte auf dem Bild auch, dass
wohl noch Autos außen standen. Da wollte er

wirklich nicht draufgehen.“290
285) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 45.

286) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 27.

287) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 38.
288) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 29.

289) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 30.

290) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 60.

Die Besatzung des Luftfahrzeuges B-1B schlug daraufhin

den Einsatz von sechs 500-Pfund-Bomben vor.
291

Der

Zeuge Hauptfeldwebel W. hat den diesbezüglichen Funk-

verkehr mit der Besatzung geschildert:

„Ich erhielt dann Informationen […], dass es be-
stätigt Tanklaster sind, dass es eine angemessene

Waffenanzahl wäre, wenn man das Ziel komplett

vernichten wolle, wenn man mit sechs 500-Pfund-

Bomben auf das Ziel ansetzt, dass der Einsatz von

größeren Waffen – 1 000 Pfund oder größer –
nicht möglich wäre aufgrund der Tatsache, dass

von der Splitterwirkung her Kollateralschäden ent-

stehen würden, und dass definitiv bewaffnete Teile

am Boden sind.“292

cc) Ablehnung eines Luftangriff in dieser Pha-
se

Dies lehnte Oberst Klein ab. In seiner Vernehmung hat er

dazu erklärt:

„Bereits kurz nach meinem Eintreffen im Ge-
fechtsstand der Task Force, also 0.15 Uhr etwa,

wurde ich durch die beiden Herren, JTAC und N.,

befragt, ob ich dieses Ziel durch die B-1-Bomber

bekämpfen wollte. Ich habe das eindeutig abge-

lehnt, da mein Lagebild zu diesem Zeitpunkt für

eine derart weitreichende Führungsentscheidung

bei Weitem nicht ausreichte und ich andere Mög-

lichkeiten des Handelns prüfen wollte. Zudem ha-

be ich den Vorschlag der B-1-Besatzung – den
konnten Sie jetzt teilweise auch in den Medien

nachlesen –, die Tanklastzüge mit acht […] 500-
Pfund-Bomben zu bekämpfen, als absurd, wirklich

absurd – weil dieser Einsatz völlig unverhältnis-
mäßig gewesen wäre und mit erheblichen Kollate-

ralschäden in dem weiten Umfeld der Sandbank

verbunden gewesen wäre.“293

Der Zeuge Hauptmann N. hat in seiner Vernehmung diese

Darstellung bestritten. Er habe Oberst Klein weder ge-

fragt, ob er die Tanklastwagen durch die B-1B-Bomber

bekämpfen wolle, noch habe er ihm einen solchen Vor-

schlag unterbreitet.
294

b) Einsatz von Bodentruppen

Angesichts der möglichen Kollateralschäden, die ein

Luftangriff verursachen könnte, prüfte Oberst Klein nach

eigener Aussage zunächst, ob etwaige andere Handlungs-

optionen bestünden:

„Ich habe daher für mich in Gedanken andere Op-
tionen wie den Einsatz von Bodentruppen noch

mal durchgespielt. Ich habe Ihnen allerdings vor-

neweg dargestellt, dass ich maximal eine Kompa-
291) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 46.
292) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 5.

293) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12, 50.

294) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 76.

Drucksache 17/7400 – 60 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nie zur Verfügung gehabt hätte, die auch die einzi-

ge Reserve für eine Krise im Norden gewesen wä-

re und die auf der anderen Seite für den wichtigen

Folgeauftrag – Versorgung Taloqan am 5. Sep-
tember – vorgesehen war. […] Es war […] davon
auszugehen, dass die eigenen Kräfte bei Verlassen

des Lagers aufgeklärt wurden. […] Was wir erlebt
hätten, wären Begegnungsgefechte bei Nacht ge-

wesen, militärisch gesagt: Orts- und Häuserkampf

bei Nacht mit einer erheblichen Gefährdung mei-

ner Soldaten und der Zivilbevölkerung. Ich bin si-

cher: Wenn ich das befohlen hätte, hätte es Tote

und Verwundete bei den Soldaten und auch bei der

Zivilbevölkerung gegeben. Und ich sage auch:

Wenn ich das befohlen hätte, würde ich wahr-

scheinlich auch vor diesem Ausschuss hier sit-

zen.“295

c) Einsatz von Drohnen

Der Einsatz eigener Drohnen zur weiteren Aufklärung des

Geschehens auf der Sandbank war für Oberst Klein nach

eigener Aussage keine Alternative:

„[...] die eigenen Drohnen […] [wären] nur mit ei-
nem sehr großen zeitlichen Vorlauf verfügbar ge-

wesen […] und ich [habe] deswegen auf die Flug-
zeuge zurückgegriffen […] Der zweite Grund war,
dass dieses Personal bis an die Grenzen gefordert

worden war und ich davon ausging, dass ich sie

dringend für den nächsten Tag brauche.“296

6. Abdrehen des B-1B und Anforderung
zweier F-15 Luftfahrzeuge

Gegen 0.30 Uhr meldete die Besatzung des B-1B, auf-

grund Treibstoffknappheit zum Stützpunkt zurückkehren

zu müssen.
297

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu aus-

geführt:

„Um 0.30 Uhr hat mich der JTAC informiert, dass
die B-1 zum Tanker abdrehen müssen. Kurz da-

nach erhielt ich die Meldung, dass die Luftfahr-

zeuge komplett abgezogen wurden. Ich lehnte auch

jetzt noch eindeutig eine Bekämpfung ab, da ich

mich keinesfalls unter Druck setzen lassen wollte,

und ich verwahre mich daher – und das möchte ich
hier deutlich sagen – ausdrücklich gegen die in ei-
nigen Medien erhobene Unterstellung, ich hätte tö-

ten wollen. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich

das mit den B-1-Bombern um 0.30 Uhr schon ma-

chen können, wenn ich der Empfehlung gefolgt

wäre. Nein, ich wollte das nicht; ich wollte ein La-

gebild haben.“298

Oberst Klein erteilte dem JTAC daraufhin den Auftrag,

beim ISAF-Flugkontrollzentrum (ASOC) nachzufragen,
295) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12.
296) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 67 f.

297) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13.

298) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13.

ob weitere Luftunterstützung möglich sei.
299

Gegen

0.48 Uhr kehrte der B-1B zu seinem Stützpunkt zurück.
300

a) Anforderung von Close Air Support

Der JTAC forderte für das PRT Kunduz beim ASOC in

Kabul erneut Luftnahunterstützung („close air support“)
an. Das ASOC lehnte dieses Ansinnen ab und teilte mit,

dass kurzfristige Luftnahunterstützung nur in dem Fall

gewährt werden könne, wenn aufgrund der unmittelbaren

Bedrohung („imminent threat“) erklärt werde, dass eigene
Truppen Feindberührung (troops in contact (TIC)) hätten.

Der JTAC gab diese Information an Oberst Klein wei-

ter.
301

b) Meldung von „Truppen mit Feindberüh-
rung“ durch das PRT Kunduz

Daraufhin befahl Oberst Klein dem JTAC, aufgrund einer

„unmittelbar bevorstehenden Gefahr“ („imminent threat“)
das Vorliegen einer TIC-Situation zu erklären. Der Zeuge

Hauptfeldwebel W. hat in seiner Vernehmung das Ge-

spräch geschildert:

„Irgendwann meldete der B-1B, dass er keinen
Sprit mehr hätte und auch kein Tanker in der Nähe

sei; er müsse gehen. Daraufhin erhielt ich von

Oberst Klein den Auftrag, zu prüfen, ob wir noch

weitere Luftfahrzeuge bekommen könnten. […]
Das ASOC sagte nein. Lediglich wenn eine TIC-

Situation bestünde, wäre hier eine Möglichkeit,

noch mal Luftfahrzeuge zu bekommen. Das mel-

dete ich so dem Oberst Klein weiter. Der Oberst

Klein überlegte eine Zeitlang und sagte dann ir-

gendwann, ich solle einen TIC ‚declaren„. Auf
meine Frage ‚Mit welcher Begründung?„ sagte der
Oberst Klein: Aufgrund von einer unmittelbar be-

stehenden Gefahr.“302

„Ein TIC ist ein aktueller Angriff oder ein bevors-
tehender Angriff. Ich schrieb in den JChat: Wir

haben eine unmittelbare Gefahr; und aufgrund die-

ser Tatsache ‚declare„ ich einen TIC, nach Auftra-
gerhalt von Oberst Klein.“303

Auf die Frage, ob er Oberst Klein hinsichtlich des Vorlie-

gens eines TIC beraten habe, hat der Zeuge geantwortet:

„Nein. […] Das obliegt der Einschätzung meines
Kommandeurs oder des so genannten On-scene-

Commanders.“304
299) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 5.
300) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 23.

301) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 16.
302) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 5.

303) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 10.

304) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 16.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61 – Drucksache 17/7400
aa) Begründung mit dem Vorliegen einer un-

mittelbaren Gefahr

Gegenüber dem JTAC begründete Oberst Klein an jenem

Abend, weshalb seiner Ansicht vom Vorliegen einer un-

mittelbaren Gefahr ausgegangen werden könne. Der Zeu-

ge Hauptfeldwebel W. hat dazu ausgesagt:

„Im ersten Moment sah ich keine Gefahr in der
Geschichte, weil wir das gefunden hatten. Ich

wusste aber nicht zu dem Zeitpunkt, inwiefern alle

eigenen Teile des PRT verteilt sind oder sonst was,

wie diese Situation einzuschätzen ist. Das erklärte

mir der Oberst im Laufe des Abends noch, oder

ich fragte nach, warum wir einen TIC ‚declaren„,
und er sagte: ‚Aufgrund einer unmittelbaren Ge-
fahr„, was ich dann auch verstand.

Auf meine Nachfragen hin, wieso, warum, wes-

halb er eine unmittelbare Gefahr darin sieht, klärte

er mich darüber auf, dass die meisten Teile der ei-

genen Truppen nicht da waren. Er klärte mich auch

darüber auf, dass wohl vier Wochen vorher ein

Anschlag mit zwei Tanklastzügen auf ein Lager in

Helmand stattfand und dass er deshalb jetzt diesen

TIC ‚declaren„ möchte.“305

In seiner Vernehmung hat sich der Zeuge Oberst i. G.

Klein zu seinen Beweggründen wie folgt geäußert:

„Die Begründung für ‚imminent threat„ war für
mich einleuchtend, da durch eine große Gruppe

Bewaffneter und Tankwagen nur wenige Kilome-

ter entfernt von dem Polizeikontrollposten und

dem PRT eine konkrete Bedrohungslage vorlag,

die sich bei erneuter Inmarschsetzung der Tank-

fahrzeuge oder der Aufständischen in kürzester

Zeit dramatisch verschärfen könnte.
306

[…] Dieser
Begriff ‚TIC„ ist eine Überschrift, ‚troops in con-
tact„, und für die Erklärung eines TIC gibt es mei-
nes Wissens vier verschiedene Möglichkeiten.

Zwei davon sind, entweder Truppe steht unmittel-

bar im Feuerkampf, oder es besteht eine unmittel-

bare Bedrohung. Und ich habe die unmittelbare

Bedrohung als ausreichend bewertet, um damit ei-

nen TIC zu erklären.“307

bb) Zur Frage der unmittelbaren Feindberüh-
rung

Oberst Klein war sich der Tatsache bewusst, dass sich

keine eigenen Truppen vor Ort auf der Sandbank befan-

den. Nach seiner Aussage ging er davon aus, dass sowohl

den Bediensteten beim ASOC als auch in der Folge den

Luftfahrzeugbesatzungen aufgrund der Art der Anforde-

rung klar war, dass keine unmittelbare Feindberührung im

Wortsinne vorlag, sondern eine konkrete Bedrohungslage,
305) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 19.

306) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.

307) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 25.

aufgrund derer ein TIC erklärt worden war.
308

Dazu hat er

in seiner Vernehmung geschildert:

„Ich habe den Befehl dazu gegeben. Ich habe diese
Entscheidung getroffen aufgrund meiner Erfah-

rung, die ich Ihnen geschildert habe, und nach Be-

ratung durch den JTAC. Alle Gespräche mit den

Piloten […] hat der JTAC geführt, nicht ich. Ich
habe niemals behauptet, dass eigene Truppen vor

Ort seien, geschweige denn, im Feuerkampf stün-

den. Ich habe auch nicht angewiesen, dies an die

Piloten weiterzugeben. Nach meinem Wissen ist

das auch nicht geschehen. Hätte ich die Anforde-

rung von Luftunterstützung in diesem Fall alleine

auf Feindberührung im Wortsinn beschränkt und

nicht auf die von der Regel abgedeckte Bedro-

hungslage, so hätte ich eine erhebliche Gefährdung

meiner Soldaten, der afghanischen Sicherheitskräf-

te und der Bevölkerung in Kauf genommen. Dem-

gegenüber habe ich diese Regel nach meiner Erin-

nerung mit Einverständnis mit dem ASOC und den

Piloten realistisch – andere würden vielleicht sa-
gen: weit – interpretiert, um damit schnell wieder
ein Lagebild über die Vorgänge auf der Sandbank

zu erhalten.“309

„Ich kann nur sagen, dass wir das Verfahren in
ähnlicher Form immer, wenn es zum Schutz unse-

rer Soldaten oder der afghanischen Sicherheits-

kräfte notwendig war, auch so angewendet haben,

und das ist eine Interpretationssache, inwieweit

man ‚imminent threat„ tatsächlich auslegt. […] Ich
sage, ich habe das angemessen ausgelegt.“310

Nach Einschätzung des Zeugen Hauptfeldwebel W. war

die Erklärung eines TIC aufgrund einer bestehenden un-

mittelbaren Bedrohung in jener Nacht nicht rechtswidrig:

„Zu diesem Zeitpunkt, in der Nacht vom 3. auf den
4., war das […] eine rechtmäßige Maßnahme, ei-
nen Flieger heranzuführen, weil ein TIC zu dem

damaligen Zeitpunkt nicht nur festgeschrieben

war, wenn ich mich richtig erinnere, wo es hieß, es

ist ein aktuelles Gefecht da, sondern auch eine

unmittelbare Bedrohung.“311

Um 1.04 Uhr erklärte der JTAC gegenüber dem ASOC

das Vorliegen eines TIC.
312

Der Zeuge General a. D. Ramms hat vor dem Untersu-

chungsausschuss erklärt:

„Der zweite Grund war der, dass ich dieses nicht
mehr als einen Imminent Threat gesehen habe. Das

heißt, nach meiner Auffassung war dort im Umfeld

dieser beiden Tankwagen und aufgrund der Tatsa-

che, dass die beiden Tankwagen festsaßen, über
308) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.

309) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.

310) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 26.
311) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 39.

312) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 23.
Drucksache 17/7400 – 62 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Stunden hinweg festsaßen, keine unmittelbare Be-

drohung für irgendeinen deutschen Soldaten oder

dergleichen mehr gegeben.“313

cc) Bestätigung des TIC durch den Air Liaison
Officer in Masar-i-Scharif

Nach Aussage des Zeugen Oberstleutnant G., der am 3./4.

September 2009 als Air Liaison Officer (ALO) im Regio-

nal Air Operation and Coordination Center (RAOCC) im

Regionalkommando Nord (RC North) in Masar-i-Scharif

eingesetzt war, sei er vom ASOC um Bestätigung gebeten

worden, dass im Raum Kunduz ein TIC vorlag. Wörtlich

hat er ausgesagt:

„In der entsprechenden Nacht wurde ich im Endef-
fekt von der Seite von Kabul, von den Gefechts-

ständen dort, angefragt, ob es einen entsprechen-

den TIC, also ein Gefecht mit Luftunterstützung

letztendlich, in Kunduz gab. Bis zu dem Zeitpunkt

wusste ich selber nichts davon. Ich habe dann letz-

tendlich dort erst mal angerufen, um überhaupt

rauszufinden, was denn dort läuft, weil ich selber

überhaupt keine Informationen hatte. Ich hatte das

Gleiche natürlich vorher erst mal bei dem Ge-

fechtsstand des RC North versucht, dort aber keine

Auskunft bekommen können – die wussten auch
noch nichts davon –, und habe dann eben den
Oberfeldwebel – damals – W. dran bekommen, um
dann eben von ihm bestätigt zu bekommen, dass

die entsprechende Luftunterstützung haben und

dass sie dort in entsprechenden Gefechten sind.

Das hatte ich dann weitergemeldet an das entspre-

chende Headquarter unten in Kabul.“314

„Zu dem Zeitpunkt, dem ersten, als mir der Ober-
feldwebel W. letztendlich bestätigt hat, dass sie ei-

nen TIC haben, habe ich das JOC informiert,

nachdem der Leiter RAOCC, auf den Sie sich be-

ziehen, nicht anwesend war. Ich hatte ihnen dann

eben diese Information weitergegeben an das JOC

und dann eben entsprechend runter an das Airspa-

ce-Management, nicht persönlich an den Leiter

RAOCC.“315

Weiter hat er ausgeführt:

„[D]iese Dinge [Einsatz der Luftfahrzeuge, Anm.]
sind vom Oberfeldwebel W. dann direkt mit den

entsprechenden Stellen in Kabul koordiniert wor-

den, soweit ich das gehört habe. Ich selber hatte

damit überhaupt nichts zu tun. Diese gesamte

Koordinierung des gesamten Zwischenfalls ist

vollkommen an mir vorbeigegangen. […] Das
[Bestätigung eines TIC, Anm.] war auch nur eine

Hilfeleistung für ihn. Das ist auch nicht meine ei-

gentliche Zuständigkeit. Nur, nachdem noch nie-

mand dort war im JOC, in dem Fall habe ich das
313) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 18.

314) G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 46.

315) G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 53.

für ihn übernommen, dass er da in Ruhe weiterar-

beiten kann.“316

„Das war mehr Zufall, dass ich eben noch erreich-
bar war, weil ich eben noch zu dieser späten Stun-

de zu arbeiten hatte im Gefechtsstand.“317

c) Erscheinen zweier F-15 Luftfahrzeuge im
Luftraum

Gegen 1.08 Uhr
318

erschienen zwei ISAF-Luftfahrzeuge

der US Air Force vom Typ F-15 im Luftraum über der

Sandbank und meldeten sich beim JTAC des PRT Kun-

duz an. Dieser wies die Luftfahrzeugbesatzungen in das

Geschehen ein und informierte sie darüber, dass sich auf

der Sandbank zwischen 50 und 70 Aufständische, aber

keine eigenen Truppen im Zielgebiet befänden.
319

Auf die

Frage der Besatzungen, ob die Fahrer der beiden Tanklas-

ter möglicherweise getötet worden seien, antwortete der

JTAC, dass derzeit keine Informationen über die Kraft-

fahrer vorlägen. Es lägen nachrichtendienstliche Informa-

tionen vor, dass alle Personen am Boden Aufständische

seien.
320

Ausweislich eines internen „vorläufigen Be-
richts“ der Gruppe 85 (siehe dazu unten: B.IV.2.c), S. 75)
beantragte der JTAC bei den F-15-Piloten „die aus seiner
Sicht notwendige Bewaffnung 6 X GBU 38 ‚airburst„„
und bat die Piloten, mit ihren Luftfahrzeugen „so hoch
wie möglich“ zu bleiben.321

Die Flugzeugbesatzungen haben nach Auswertung der

internen Kommunikation Bedenken gehabt, wo hier

Feindberührung sein solle, da keine befreundeten Kräfte

in der Nähe waren. Diese Bedenken wurden von Seiten

der Flugzeugbesatzung jedoch nicht weiter verfolgt,

nachdem der JTAC, Oberfeldwebel W., ihnen dargelegt

hatte, dass eine akute Bedrohungslage bestehe.
322

7. Der Luftschlag

a) Durchführung des Weaponeering und Tar-
geting

Im weiteren Gesprächsverlauf beriet der JTAC mit den

Luftfahrzeugbesatzungen im Rahmen des Weaponeering

und Targeting die Frage, welche Waffen für eine etwaige

Zielbekämpfung in Frage kämen. Nach den Feststellun-

gen des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof

schlugen die Besatzungen zunächst den Abwurf von

2 000-Pfund-Bomben vor. Dies lehnte Oberst Klein vor

dem Hintergrund zu befürchtender Kollateralschäden

ab.
323

Er stellte gegenüber dem JTAC klar, dass ein Waf-
316) G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 51.
317) G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 48.

318) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 44.

319) Redigiertes Transkript der Cockpit-Tapes der F-15E Kampfflug-
zeuge (Dokument 60).

320) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 5.

321) Vorläufiger Bericht für AG 85 (Dokument 61).
322) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319).

323) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 22.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 63 – Drucksache 17/7400
feneinsatz nur gegen die beiden Tanklastwagen in Be-

tracht käme.
324

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu vor

dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:

„Mir war jedoch auch klar, sollte ich den Waffen-
einsatz freigeben, dass die Wirkung auf den ge-

ringstmöglichen Bereich, also unmittelbar auf die

Sandbank, begrenzt werden müsste. Ich habe daher

dem JTAC den Auftrag erteilt, mit den Piloten die

Möglichkeiten eines Waffeneinsatzes zu bespre-

chen. Fachliche Details zur Funktionsweise, Wir-

kung und Zielpunkten habe ich dem JTAC über-

lassen. Als verantwortlicher Kommandeur habe

ich jedoch deutlich gemacht: Ziel des Angriffes

waren nur die Tanklastzüge und damit nur die sie

unmittelbar umgebenden Aufständischen. Der

Waffeneinsatz sollte auf die kleinstmögliche Wir-

kung begrenzt werden, […] nur auf die Sandbank,
nur auf die Tanklastzüge und nur auf die Personen,

die sich unmittelbar an den Tanklastzügen befan-

den.“325

Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat diese Aussage bestä-

tigt:

„Irgendwann im Laufe des Abends sagte der
Oberst, dass, wenn überhaupt, das Ziel nur noch

die beiden Tanklaster wären, der Waffeneinsatz so

klein als möglich zu wählen ist und auch die Pilo-

ten keine Freigabe bekämen, auf die beiden Ufer-

ränder zu wirken oder auf fliehendes Personal; da

die Piloten – da erinnere ich mich auch noch so-
weit dran – mehrfach gefragt hatten, ob sie denn
auch auf das Personal oder die Personen, die am

Boden links und rechts des Flusses waren – ob sie
dort auch angreifen dürfen.“326

„Die Piloten wollten wissen, ob wir einschätzen,
dass diese Tanker dort vor Ort eine Gefahr für uns

darstellen. Ich fragte den Oberst, ob er das so sieht.

Er sagte Ja. Also entgegnete ich den Piloten das.

Ich teilte den Piloten auch mit, dass der Komman-

deur mit vor Ort ist.“327

b) Entschlussfassung zur Durchführung ei-
nes Luftschlages

aa) Lagebild zu diesem Zeitpunkt in der Opera-
tionszentrale

Das Lagebild, das sich ihm in der Operationszentrale zum

Zeitpunkt der Entscheidung bot, hat der Zeuge Oberst

i. G. Klein in seiner Vernehmung beschrieben:

„Ich möchte Ihnen noch einmal das Lagebild dar-
stellen, welches sich bei mir zwischen dem Ein-

treffen der F-15 und der Entscheidung zum Waf-
324) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
325) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.

326) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 5.

327) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 17.

feneinsatz aufbaute. Durch die Luftfahrzeuge wur-

den beiderseits des Flusses mehrere Pick-ups auf-

geklärt. Das war stimmig zum Gesamtlagebild, da

diese ebenso wie Motorräder das bevorzugte

Transportmittel der Aufständischen sind. Nach

meiner Einschätzung wurde mit diesen Fahrzeugen

ein Sicherungsring um die Sandbank gezogen, um

Angriffe oder Zugriffe der afghanischen Sicher-

heitskräfte oder ISAF abzuwehren. Die beobachte-

ten Bewegungen zwischen den Tankfahrzeugen

und den Pick-ups führten zu dem Schluss, dass ge-

zielt Treibstoff für Zwecke der Aufständischen ab-

transportiert wurde. Damit wurden jedoch ebenso

stetig auch die Tanklastzüge immer leichter, so-

dass jederzeit damit zu rechnen war, dass sie wie-

der freikamen, und die Gesamtabsicht der Beweg-

lichmachung bestand nach meiner Bewertung un-

verändert fort, da es sonst keinen Sinn gemacht

hätte, die beiden Schleppfahrzeuge vor Ort zu las-

sen. Also, sie tanken weiter ab, die Schleppfahr-

zeuge waren da, und es war jeden Moment mög-

lich – vielleicht in einer Minute, vielleicht in fünf
Minuten –, dass die Fahrzeuge wieder losrollen.
Durch den J2X wurde mir auf meine Nachfrage

und Rückversicherung über die Quelle mehrfach

versichert, dass sich nur Aufständische und keine

Zivilisten vor Ort befinden. Ich unterstreiche, dass

aufgrund der Präsenz einer starken, bewaffneten

Aufständischengruppe mit vier namentlich be-

kannten Kommandeuren als Führer vor Ort, der

Tatsache, dass es sich um zwei nachweislich durch

diese Aufständischen gestohlene Tankfahrzeuge

handelte, der wiederholten Bestätigung durch eine

zuverlässige Quelle vor Ort, aufgrund der geogra-

fischen Lage – eine Sandbank im Flussbett – au-
ßerhalb einer Ortschaft, an einem bekannten An-

näherungsweg der Aufständischen […], aufgrund
der Tatsache, dass in diesem Raum nachts regel-

mäßig nur Aufständische und deren Unterstützer

unterwegs waren, aufgrund der Uhrzeit und der

Tatsache, dass wir uns mitten im Ramadan befan-

den, wo die Menschen ihre Häuser nachts erfah-

rungsgemäß nicht verlassen, ich es in meiner in

fünf Monaten erwachsenen Gesamtbewertung der

Lage im Großraum Kunduz für ausgeschlossen

hielt, dass unbeteiligte Zivilisten vor Ort sein

könnten. […] Aufgrund der Erfahrungen der ver-
gangenen Tage, bestätigt durch die nachfolgenden

Meldungen, war davon auszugehen, dass durch

vorbereitete Hinterhalte an den Hauptstraßen und

an der einzigen Straße durch die Ortschaft Haji

Saki Dedby sowie den erkannten unmittelbaren Si-

cherungsring ein Eingreifen von ISAF verhindert

werden sollte. […] Aufgrund meiner Erfahrung
hielt ich es für ausgeschlossen, dass Frauen vor Ort

sein könnten. Dies wäre mit der afghanischen Kul-

tur, vor allem mit dem Kodex der Paschtunen, un-

vereinbar gewesen.“328
328) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15 f.

Drucksache 17/7400 – 64 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Mehrfaches Nachfragen beim Informanten

hinsichtlich der Anwesenheit etwaiger Zivi-
listen auf der Sandbank

Vor seiner Entschlussfassung ließ Oberst Klein mehrmals

über den Informanten bestätigen, dass sich keine Zivilper-

sonen auf der Sandbank befanden. Vor dem Untersu-

chungsausschuss hat er dazu ausgesagt:

„Aus der Schilderung der Quelle ging ich davon
aus, dass alle Personen, die sich dort unten befin-

den, zu den Aufständischen gehören. Ob die in

dem Moment ihre Waffe in der Hand halten oder

abgelegt haben, kann ich nicht sagen. An dieser

Darstellung hatte ich keinen Zweifel. Ich habe die-

se Darstellung auch siebenmal hinterfragt, und sie

ist mir entsprechend oft bestätigt worden.“329

Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat diese Darstellung be-

stätigt:

„Irgendwann […], bevor es zu dem Waffeneinsatz
kam, habe ich mich – das weiß ich – über den
Verbleib der Kraftfahrer, also beider, informiert.

Ich kann Ihnen aber nicht mehr sagen, zu welchem

Zeitpunkt das war. […] Es wurde gesagt: ‚Es gibt
keine Information„, wenn ich mich richtig erinne-
re. Es kann aber genauso gesagt worden sein: ‚Die
sind nicht mehr dabei„ – wobei auch vom Oberst
her sehr lange nachgefragt wurde, ob überhaupt

allgemein unbeteiligte Personen vor Ort sind. Das

wurde jedes Mal verneint. Wenn es, wenn ich nach

den Kraftfahrern frage, heißt: ‚Ich habe keine In-
formation darüber„, und mir jedes Mal bestätigt
wird, dass keine Unbeteiligten vor Ort sind – unter
die ich natürlich auch die Kraftfahrer zähle –, dann
muss ich von dieser Information erst mal ausge-

hen.“330

cc) Entschlussfassung

Nach der vorangegangenen Beratung der Möglichkeiten

eines Waffeneinsatzes zwischen dem JTAC und den Luft-

fahrzeugbesatzungen
331

sowie der Bestätigung des Infor-

manten, dass keine Zivilpersonen vor Ort waren, setzte

nach Darstellung des Zeugen Hauptfeldwebel W. bei

Oberst Klein eine längere Überlegungsphase ein:

„Herr Oberst Klein war sehr in sich gekehrt und
überlegte lange darauf herum. Er sagte auch ir-

gendwann, er braucht mehr Zeit. Ich gab das auch

so an die Maschinen weiter, wenn ich mich richtig

erinnere, dass es noch ein bisschen dauert, was die

Entscheidungsfindung angeht. Meiner Meinung

nach, ja, um Gottes willen, war er auch kein

Mensch oder ist er kein Mensch, der irgendwas

überstürzt tut oder nur aus dem Bauch raus ent-

scheidet. Ich glaube, er hat da sehr lange für sich

abgewogen und für sich wirklich einen harten
329) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56.

330) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 48.

331) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.

Kampf geführt, ob er diese Entscheidung treffen

soll oder in welcher Weise er diese Entscheidung

treffen soll.“332

aaa) Wahl des Wirkmittels

Schließlich fasste Oberst Klein den Entschluss, zwei 500-

Pfund-Bomben einzusetzen. Der Zeuge Hauptfeldwebel

W. hat dazu in seiner Vernehmung erklärt:

„Das Abschließende, was die Piloten machen soll-
ten, war, zwei 500-Pfund-Bomben einzusetzen, so,

wie der Oberst es befohlen hatte, die kleinstmögli-

che Waffe, mit einer Zünderverzögerungsstellung,

dass die Waffe so wenig wie möglich Umgebungs-

schaden bringt, und dann auch tatsächlich nur auf

die Tanklaster, keine Personen, die sich irgendwie

danach davon entfernen, und auch auf keinen Fall

auf die beiden Uferränder zu wirken. Das war das

Letztendliche.“333

bbb) Ziel des Luftschlages

Den Piloten war zwischendurch unklar, was denn das

genaue Ziel sein solle. Sie wiesen den JTAC darauf hin,

dass sich weitere möglicherweise feindliche Ziele der

Sandbank näherten und andere wegliefen.
334

Ausweislich der Abschrift des Funkverkehrs zwischen

dem JTAC und den Besatzungen der beiden F-15-

Luftfahrzeuge antwortete Oberfeldwebel W. auf die aus-

drückliche Frage der F-15-Piloten, ob die Fahrzeuge oder

die Personen ausgeschaltet werden sollten:

„F15: „[…] are you trying to take out the vehicles
or are you trying to take out the pax?

JTAC: we‟re trying to take out the pax‟”335

Der JTAC stellte gegenüber den Luftfahrzeugbesatzungen

aber im weiteren Verlauf klar, dass nur die Sandbank

getroffen werden solle.
336

In seiner Vernehmung hat der Zeuge W. hingegen ausge-

führt, Ziel des Luftschlages seien die beiden Tanklastzü-

ge, nicht aber die Personen auf der Sandbank gewesen:

„Als klar wurde, worum es jetzt geht: dass er einen
Waffeneinsatz befiehlt, stand nie zur Debatte, be-

wusst Personen zu treffen, sondern ganz klar nur

die Tanklastzüge.“337

Oberst Klein hat sowohl gegenüber dem Untersuchungs-

ausschuss als auch gegenüber der Bundesanwaltschaft

klargestellt, sein Ziel sei es auch gewesen, die Aufständi-

schen zu treffen und deren Anführer zu töten, wodurch
332) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 35.

333) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 24.

334) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 6.
335) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 7.

336) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 7.

337) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 46.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65 – Drucksache 17/7400
den Aufständischen ein schwerer Schlag versetzt wür-

de.
338

ccc) Interne Bedenken der Luftfahrzeugbesat-
zungen

Ausweislich des Transkriptes über den bordinternen

Funkverkehr der beiden F-15-Luftfahrzeuge bestanden

bei den Luftfahrzeugbesatzungen Bedenken gegen einen

Luftschlag. Zum Teil wurden intern Zweifel geäußert, ob

die Regeln zur Anwendung militärischer Gewalt (ROE) in

der vorliegenden Situation eine solche Aktion gestatten

(„I don‟t know how we‟d be able to drop anything on that
as far as current ROE and stuff like that“)339 oder dass
eine unmittelbar bevorstehende Bedrohung (imminent

threat) vorliege („it‟s not an imminent threat“340). Diese
Bedenken wurden aber nicht gegenüber dem JTAC geäu-

ßert. Allerdings fragte die Besatzung mehrfach beim

Fliegerleitoffizier nach, ob es sich bei den Personen auf

der Sandbank um feindliche Kräfte handele und ob sich

eigene Kräfte in der Nähe aufhielten.
341

dd) Begründung des Entschlusses

Seinen Entschluss, einen Luftschlag gegen die beiden

Tanklaster durchzuführen, hat Oberst Klein an verschie-

denen Stellen wie folgt erläutert:

„Für mich wurde die Bedrohung durch die Tank-
laster durch die Entladung immer größer, weil sie

beweglicher wurden und die Gefahr, dass sie sich

wieder in Bewegung setzen, jede Minute größer

wurde.“342

„Hätte ich es für möglich gehalten, dass Kinder
vor Ort wären, hätte ich den Angriff nicht befoh-

len. Ich war daher der Überzeugung, dass es sich

hier um ein legitimes militärisches Ziel handelte.

Unverändert standen mir zu diesem Zeitpunkt nur

zwei Handlungsmöglichkeiten offen: entweder

Bekämpfung des Ziels und Ausschaltung des

konkreten Bedrohungspotenzials oder weitere Be-

obachtung aus der Luft und damit Hinnahme des

Risikos, dass die Luftfahrzeuge abgezogen wer-

den, ich mein Lagebild verliere und damit ein ho-

hes Risiko für meine Soldaten, die afghanischen

Sicherheitskräfte und die Bevölkerung eingehe.

Und der Schutz meiner Soldaten […] ist mir ein
besonderes Anliegen, ist aber auch Teil meiner Be-

fehlslage gewesen. […] Zudem war mir klar, dass
die gezielte Bekämpfung der Tanklastzüge an

praktisch jedem anderen Ort mit größeren Kollate-

ralschäden einhergehen musste. Hier waren sie auf

einer Sandbank mitten im Fluss, derzeit noch un-
338) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17 f: Vernehmung Klein durch

GBA, Mat. 17-66, Bl. 15 f., Tgb.-Nr. 80/10 – GEHEIM.
339) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 4.
340) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 5.

341) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319), Bl. 6 f.

342) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 67.

beweglich, weit weg von jeder Siedlung. Bei einer

Bewegung sowohl nach Westen als auch zurück

nach Osten wären sie in ein unübersichtliches,

dicht bebautes Gebiet gekommen, was einen Waf-

feneinsatz und damit die Ausschaltung der von den

Tanklastzügen ausgehenden Gefahr unmöglich

gemacht hätte. Ein weiteres Zuwarten war daher

für mich keine Alternative; es musste eine Ent-

scheidung fallen.“343

„[…] Mir war selbstverständlich bewusst, dass der
selbst durch mich allein freigegebene, gezielte

Waffeneinsatz gegen die Tankfahrzeuge bei den

diese unmittelbar umgebenden Aufständischen ei-

ne Anzahl von vermutlich getöteten Opfern zur

Konsequenz haben würde. Ich kann Ihnen versi-

chern, dass ich diese Entscheidung erst nach lan-

ger, fast anderthalbstündiger Prüfung getroffen ha-

be. Andere hatten einen früheren Einsatz empfoh-

len. Ich habe diesen erst freigegeben, nachdem ich

ein für mich schlüssiges Lagebild gewonnen hatte.

Als Christ und als verantwortungsbewusster Offi-

zier bin ich mir über die Tragweite meines Ent-

schlusses im Klaren gewesen. Ich habe diesen

schweren Herzens getroffen, war aber der festen

Überzeugung, damit Schaden von den mir anvert-

rauten Soldaten, den afghanischen Sicherheitskräf-

ten und der Zivilbevölkerung abzuwenden.

Durch die Zerstörung der Tanklastzüge und die

Tötung feindlicher Kämpfer, dabei vermutlich

Führer und die in der Vergangenheit als besonders

gefährlich erkannten ausländischen Kämpfer, wür-

de den Aufständischen ein schwerer Schlag ver-

setzt. Nach meiner damaligen Bewertung war der

Waffeneinsatz auftragsgemäß, rechtmäßig, erfor-

derlich und verhältnismäßig.“344

„Ich habe Ihnen dargestellt, dass eine Bekämpfung
dieser Fahrzeuge an praktisch jedem anderen Ort

ein wesentlich höheres Risiko für die Zivilbevöl-

kerung bedeutet hätte und dass ich auch davon

ausgehen musste, dass, wenn ich sie nicht bekämp-

fe, sie entweder sehr schnell gegen uns selbst ein-

gesetzt werden können – gegen das Lager, wenn
sie nach Osten fahren -oder gegen die afghani-

schen Sicherheitskräfte oder unserer Aufklärung

entzogen werden, wenn sie nämlich über den Fluss

weiter nach Westen fahren, in den Raum des

Zweistromlandes, wo wir mehrfach auch einfach

die Fühlung mit solchen Fahrzeugen verloren hat-

ten.“345

Als Oberst Klein später berichtet wurde, dass der Luft-

schlag möglicherweise auch zivile Opfer zur Folge hatte,

war dieser nach Aussage des damaligen Leiters des Tacti-
343) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16 f.

344) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 17.

345) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 25.
Drucksache 17/7400 – 66 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
cal PsyOps Teams, Stabsfeldwebel B., darüber sehr be-

stürzt.
346

Den Entschluss zum Angriff traf Oberst Klein alleine:

„Ich habe dies weder mit Brigadegeneral Vollmer,
einer weiteren Stelle in Deutschland noch mit ir-

gendeiner anderen Instanz abgestimmt oder besp-

rochen. Ich war der taktische Führer vor Ort. Nie-

mand konnte ein besseres oder vollständigeres La-

gebild als ich haben. Es war daher aus meiner

Sicht keinerlei Veranlassung, bei einer taktischen

Entscheidung in meinem alleinigen Verantwor-

tungsbereich die Zustimmung einer vorgesetzten

Dienststelle einzuholen.“347

Der Zeuge Vollmer hat in seiner Vernehmung Verständnis

für die Entscheidung geäußert, dass sich Oberst Klein

nicht zuvor mit ihm abstimmte. Gemäß seiner Aussage

hätte er aber eine Unterrichtung nach dem Luftschlag

erwartet:

„Ich […] kann […] aus mehrfachen vergleichba-
ren, wenn auch nicht in dieser Dimension, Situa-

tionen, die ich nun ja selber all die Monate erlebt

habe, gut nachvollziehen, wie ihm wirklich die

Zeit da zwischen den Fingern zerronnen ist. Ich

kann mich gut an eine eigene Nacht erinnern in

unserer eigenen JOC, […] Dann rinnt Ihnen die
Zeit weg, und Sie sind am Koordinieren, Machen,

Tun, Sie sammeln Informationen. […] Wie einem
Zeit wegfließt, diese zwei Stunden insgesamt, über

die wir da immer reden, wo der dann entsprechend

geholt wird, das kann ich alles nachvollziehen. Al-

so, bis dahin kann ich nachvollziehen, dass er […]
den Entschluss nachher fasst […]. Ich hätte erwar-
tet, dass er danach anruft.“348

Bezüglich der rechtlichen Grundlage, auf der seine Ent-

scheidung basierte, hat Oberst Klein erklärt:

„Ich hatte ja dargestellt, dass wir zunächst die
Luftfahrzeuge angefordert hatten unter den Maß-

gaben der RoE 421, ‚imminent threat„. Als sich die
Lage weiterentwickelte und wir auch das Lagege-

schehen beobachtet hatten, kamen wir zu dem

Schluss, dass 421 nicht mehr passt. […] Nach
meinem Kenntnisstand haben wir das auch so ge-

meldet, dass die Bekämpfung nach 429 durchge-

führt wurde.“349

Der Zeuge W. hat erklärt, es habe seiner Ansicht nach im

Laufe des Abends keinen Wechsel der ROE gegeben. Er

habe den Oberst auch nicht hinsichtlich der ROE bera-

ten.
350

In seiner Vernehmung hat der Zeuge Klein die Besonder-

heiten eines militärischen Entscheidungsprozesses darges-

tellt:
346) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.

347) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.
348) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 19.

349) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.

350) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 30.

„Ich möchte noch mal auf die Besonderheiten der
militärischen Führung in so einer komplexen Ein-

satzsituation eingehen. Taktische Führung ist keine

exakte Wissenschaft. Die Hoffnung auf ein komp-

lettes Lagebild in allen Facetten ist eine Illusion,

die mit der Realität leider nichts zu tun hat. Das

Lagebild im Kopf des Führers baut sich nicht nur

aufgrund von Einzelmeldungen auf, vor allem

nicht aufgrund aktueller Meldungen, sondern we-

sentlich auf der Basis seiner Erfahrungen, in mei-

nem Fall: mehrmonatige Vorbereitung in Deutsch-

land, fünfmonatige Erfahrung als Kommandeur in

Kunduz. Das ist der große Unterschied zwischen

militärischer Führung zu fast allen Berufsgruppen.

Militärische Führer müssen ins Ungewisse mit

Konsequenzen für Leben und Tod entscheiden und

gehen dabei immer das Risiko ein, dass sie Fehl-

entscheidungen treffen. Zu dieser Verantwortung

stehe ich uneingeschränkt.“351

c) Ablehnung eines Überfluges im Rahmen
der „show of force“

aa) Mehrfaches Nachfragen durch die Luft-
fahrzeugbesatzungen

Nachdem der JTAC die Luftfahrzeugbesatzungen über die

Absicht des Kommandeurs des PRT Kunduz, die beiden

Tanklastwagen zu vernichten, unterrichtete, fragten diese

mehrmals nach, ob sie zuvor einen so genannten „show of
force“ durchführen sollen, einen tiefen Überflug über die
Sandbank, mit dem Ziel, die dort befindlichen Menschen

auseinanderzutreiben.
352

Oberst Klein lehnte dies nach

Aussage des Zeugen Hauptfeldwebel W. ab:

„Wie oft die Piloten das angeboten haben, kann ich
Ihnen nicht sagen. Ich weiß, es war mehr als ein-

mal. Ich habe das auch dem Oberst Klein genauso

vorgetragen. Der Oberst dachte kurz darüber nach,

wollte wissen, welche Folgen es haben kann, wenn

ein ‚show of force„ geflogen wird. Ich erklärte
ihm, wie ich mir die Situation vorstellen konnte,

dass entweder gar nichts passiert – alle bleiben so
da stehen, wie sie stehen –, oder Teile weichen
aus, oder alle weichen aus. Das war das, was man

eigentlich mit einem ‚show of force„ erreichen
möchte. Der Oberst dachte, wie gesagt, auf dieser

Option herum und entgegnete mir irgendwann,

dass die Flieger mittlerweile schon sehr lange über

diesem Gebiet kreisen und er einen ‚show of force„
ablehne. Genau so habe ich das an die Piloten wei-

tergegeben: dass es ein Negativ ist, kein ‚show of
force„.“353

Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat betont, dass er alle

Informationen, die er von den Piloten erhielt, an Oberst

Klein weitergegeben habe. Dieser habe lediglich einmalig
351) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.

352) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 9.

353) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 67 – Drucksache 17/7400
auf die Anfrage reagiert und begründet, warum er den

„show of force“ ablehne.354

bb) Begründung der Ablehnung eines „show
of force“

Die Ablehnung eines Überfluges im Rahmen einer „show
of force“ begründete Oberst Klein damit, dass die über der
Sandbank kreisenden Flugzeuge dort deutlich hörbar

gewesen und die Aufständischen sich der Bedrohung aus

der Luft bewusst gewesen seien. Vor dem Untersu-

chungsausschuss hat Oberst Klein seine Ablehnung erläu-

tert:

„Ich möchte nun auf den Aspekt ‚show of presen-
ce„ und ‚show of force„ eingehen: In der Nacht
vom 4. September ging ich fest davon aus, dass die

Aufständischen sich der Bedrohung durch die

Luftfahrzeuge bewusst waren. Diese Flugzeuge

waren zu diesem Zeitpunkt zwei Stunden in der

Luft. Ich habe sie aus 6 Kilometer Entfernung im

PRT deutlich gehört, wie meine anderen Soldaten

auch, und auch die Bevölkerung in Kunduz hat das

gehört. Also müssen diese vor Ort am Fluss deut-

lich lauter wahrnehmbar gewesen sein, vor allem

die B-1, die sehr, sehr laut ist. Alle nachfolgenden

Zeugenaussagen haben dies bestätigt: Man wusste,

dass Flugzeuge in der Luft waren. Ich habe mit

dem JTAC einen Fall beobachtet, wie Personen

von der Sandbank weggingen, auswichen und wie-

der zurückkamen. Wir haben das gemeinsam so

gewertet, dass die Aufständischen die Flugzeuge

deutlich als Bedrohung erkannt hatten und den-

noch nicht ernst nahmen. Dies entsprach unserer

bisherigen Erfahrung. […] Die Notwendigkeit ei-
ner zusätzlichen ‚show of force„ bestand daher
nicht. […] Nach meiner Erinnerung ist die Frage
nur einmal, unmittelbar vor dem Abwurf gegen

1.40 Uhr, durch den JTAC an mich herangetragen

worden. Ich habe einen zusätzlichen tiefen Über-

flug nach zweistündigem Kreisen der Flugzeuge

über dem legitimen militärischen Ziel aufgrund der

zuvor dargestellten Überlegungen abgelehnt.“355

Der seinerzeit vor Ort anwesende Zeuge A. M. hat bestä-

tigt, dass die Luftfahrzeuge auf der Sandbank zumindest

zeitweise zu hören gewesen seien, aber er habe nicht

geahnt, dass diese Flugzeuge dann an dieser Stelle bom-

bardieren.
356

Auch der Zeuge M. M. hat ausgesagt, dass die Geräusche

der Flugzeuge sowohl im Feldlager Kunduz, als auch

nach Mitteilung der HUMINT-Kontaktperson auf der

Sandbank zu hören gewesen seien.
357
354) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 40.
355) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.

356) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 7.

357) M. M, Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 23.

Der HUMINT-Informant wurde nach übereinstimmenden

Aussagen der Zeugen F. und S. nicht vor dem bevorste-

henden Bombenabwurf gewarnt.
358

d) Der Luftschlag

Um 1.49 Uhr
359

warfen die beiden F-15-Kampfflugzeuge

auf Anforderung von Oberst Klein zwei 500-Pfund-

Bomben ab, die jeweils in der Nähe der beiden Tanklast-

wagen einschlugen.
360

Die Wirkung der Bombeneinschläge hat der Zeuge A. M.

in seiner Vernehmung beschrieben:

„Zum ersten Blick habe ich einen sehr starken
Knall gehört, dann habe ich einen riesigen Feuer-

ball gesehen. Dann war die Luft voll von Rauch

und Splitterstücken von Metallen von Lastwagen,

sodass sie in der Luft schwebten, und konnten wir

nicht unterscheiden, sind sie Metallteile von Last-

wagen oder sind sie auch Gewehrsalven, die in der

Luft bzw. in der Umgebung noch schwebten. […]
Ein bis zwei Personen, Verletzte, habe ich gese-

hen. Die zwei Taliban, die uns bewachten, haben

dann diese zwei Verletzten mitgenommen. Sie

waren völlig verbrannt, sodass ich ihre Gesichter

nicht sehen konnte. Also, ich habe nur diese zwei

schwerverletzten Taliban gesehen, die mit-

geschleppt wurden. Mehr habe ich nicht ge-

sehen.“361

Nach den Erkenntnissen des Generalbundesanwaltes beim

Bundesgerichtshof wurden durch den Bombenangriff die

beiden Tanklaster und die beiden unmittelbar neben ihnen

stehenden Schleppfahrzeuge zerstört.
362

e) Durchführung einer Wirkungsanalyse

Unmittelbar nach dem Luftangriff führten der JTAC und

die Besatzungen der Luftfahrzeuge eine Wirkungsanalyse

durch. Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu ausgesagt:

„[…] Ein Einsatz von Drohnen unterlag ebenfalls
den zuvor geschilderten Einschränkungen. Sie hät-

te auch keine anderen Ergebnisse als die Wir-

kungsanalyse der Jets gebracht. Also habe ich auch

diese Möglichkeit verworfen. Aus den Erfahrun-

gen der vergangenen Monate habe ich erwartet,

dass die Aufständischen sehr schnell alle Opfer

bergen und diese gemäß ihren religiösen Vor-

schriften beisetzen würden. […] Die Aufständi-
schen ließen in keinem Fall Beweise ihrer Verluste

zurück. Warum dann jetzt? Der JTAC hat nun die

geforderte Meldung entworfen, […] nach Ab-
stimmung mit den Piloten hat er die Zahl der Opfer

mit 56 angegeben. Dies ergibt sich aus der Bewer-
358) F., Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 6.

359) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 11.

360) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 61.
361) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 14 f.

362) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 27.

Drucksache 17/7400 – 68 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tung: 70 Personen vor Ort, aus der Abschätzung

der Waffenwirkung etwa 80 Prozent Ausfälle,

deswegen 70 Personen, 56 getötet. Das ist eben ei-

ne mathematische Ausrechnung aus der Zahl der

Personen, die wir vor Ort annahmen. 14 Personen

wurden gemeldet, als vom Ort des Waffeneinsat-

zes geflohen.“363

Bezüglich der Angabe einer Anzahl von Getöteten in der

Meldung hat der Zeuge W. erklärt:

„Ich habe dem Oberst vorgetragen und den Vor-
schlag gemacht, das Ganze [Zahl der Getöteten,

Anm.] unter ‚vermutet„ – weil ja keiner vor Ort
war und nichts war – mit dieser Zahl 70 insgesamt
zu arbeiten […] Irgendwann fiel das Ding, dass es
hieß, 20 Prozent wären ungefähr ausgewichen – so
irgendwie; ich kriege es nicht mehr genau zusam-

men. Das habe ich dann in das vorgefertigte For-

mat eingefügt und an die OpZ geschickt.“364

8. Prüfung einer Beteiligung der TF 47

Da der Luftschlag aus der Operationszentrale der Task

Force 47 vorbereitet und durchgeführt wurde, hat sich der

Untersuchungsausschuss mit der Frage befasst, ob es sich

um eine Operation der Task Force 47 gehandelt habe.

a) Die Task Force 47 und ihr Verhältnis zum
PRT Kunduz

Die Task Force 47 hat den Auftrag, Informationen über

die Aktivitäten von Aufständischen zu sammeln und für

Anschläge verantwortliche Anführer zu identifizieren. Sie

gewinnt Informationen und Erkenntnisse für die eigene

Operationsführung mit Mitteln und Methoden der offenen

Nachrichtengewinnung, insbesondere auch durch ziel-

orientierte Gesprächsführung mit der afghanischen Be-

völkerung. Ihr gehören etwa 120 Bundeswehrsoldaten an.

Unterstützt wird die Task Force 47 durch Mitarbeiter des

Bundesnachrichtendienstes (BND).
365

Truppendienstlich wird die Task Force 47 vom Komman-

do Führung Operationen von Spezialkräften (FOSK) in

Schwielowsee bei Potsdam geführt. Ein Unterstellungs-

verhältnis gegenüber dem PRT Kunduz besteht nicht.

b) Operation des PRT Kunduz

Die vom Untersuchungsausschuss vernommenen Zeugen

haben übereinstimmend ausgesagt, dass es sich bei dem

Luftschlag nicht um eine Operation der Task Force 47,

sondern des PRT Kunduz gehandelt habe.
366
363) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.
364) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 43.

365) Antwort der Bundesregierung vom 8. September 2010, Drs.

17/2884, zu Frage 12 (Dokument 62).
366) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 1, Vollmer, Protokoll-

Nr. 12, Teil II, S. 20; G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 50 ff; N.,

Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 3 f.

Auch die NATO hat sich im COM ISAF-Bericht mit der

Frage beschäftigt, in welchem Grade die Mitwirkung von

Angehörigen der TF 47 die Entscheidung für den Luft-

schlag beeinflusst hat.
367

aa) Gründe für die Nutzung der OPZ der TF 47

Die Operationszentrale der Task Force 47 sei in dieser

Nacht aus technischen Gründen genutzt worden. Der

Zeuge Oberst i. G. Klein hat dazu ausgesagt:

„Der [JTAC, Anm.] war im Gefechtsstand der
Task Force 47, weil er dort ein wesentlich besseres

System hat, mit dem er arbeiten kann. Wer das mal

gesehen hat: Das ist ein großer Bildschirm, wo das

an die Wand projiziert wird. Das ist eine Alternati-

ve zu einem Bildschirm, der so groß ist wie diese

Kladde hier. Er kann dann auf einen Bildschirm

schauen, der etwa 1,5 mal 2 Meter groß ist. Au-

ßerdem ist das technische Gerät dort drüben we-

sentlich besser. Das ist der Grund, warum W. an

diesem Abend dort drüben war, um ein Flugzeug

im Auftrag des PRTs zu führen. Und das Rover-

System – das ist das technische System, was da-
hintersteht – war auch wesentlich besser, was dort
bei der Task Force zur Verfügung stand.“368

Hauptfeldwebel W. hat dies bestätigt.
369

Auch der Zeuge

Oberst i. G. G. B., zum untersuchungsgegenständlichen

Zeitpunkt Kommandeur des Kommandos Führung Opera-

tionen von Spezialkräften (FOSK) hat die gute Ausstat-

tung der Operationszentrale der Task Force 47 bestä-

tigt.
370

bb) Kein Unterstellungsverhältnis zwischen
der Task Force 47 und dem Kommandeur
des PRT Kunduz

Der Zeuge Klein hat betont, ihm sei die Task Force 47

nicht unterstellt gewesen, er habe den Angehörigen dieser

Einheit keine Befehle erteilen können, sondern sich von

diesen beraten und unterstützen lassen.
371

Auf die Rolle des J2X der Task Force 47, Hauptmann N.,

an jenem Abend angesprochen, hat der Zeuge Oberstleut-

nant N., am 3./4. September 2009 Offizier im militäri-

schen Nachrichtenwesen der Task Force 47, bestätigt,

dass Angehörige der Task Force 47 an jenem Abend le-

diglich Unterstützungsleistungen für das PRT Kunduz

erbracht hätten.
372

Diese Unterstützungsleistungen seien allerdings nicht mit

ihm als G 2 besprochen worden.
373
367) Beobachtungen zur Zielspezifischen Waffenauswahl,

COM ISAF-Bericht, Mat. 17-10a, Faxkennung 10:18, S. 4-6, Ziff.

5, Tgb.-Nr. 08/10 – GEHEIM.
368) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.

369) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 8.

370) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 54.
371) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 32 f.

372) OTL N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 3.

373) OTL N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69 – Drucksache 17/7400
Nach Aussage des Zeugen Brigadegeneral Vollmer sei die

Nutzung der Operationszentrale der Task Force 47 durch

das PRT eine Ausnahme gewesen. Wer dies allerdings

genehmigt habe, sei ihm nicht bekannt.
374

Der Zeuge Hauptfeldwebel V., der nach seiner Aussage

Angehöriger der Task Force 47 war, hat vor dem Unter-

suchungsausschuss erklärt, am 3./4. September 2009 den

Fliegerleitfeldwebel des PRT Kunduz unterstützt zu ha-

ben, da an diesem Abend kein anderer Storyboard-

Schreiber verfügbar gewesen sei.
375

Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hatte sich nach seiner

Aussage unter dem Funknamen „Shockwave“ ins Compu-
tersystem eingeloggt. Hierbei habe es sich um den Funk-

namen eines Dritten gehandelt. Nach Aussage des Zeugen

Oberst i. G. Klein sei dies erfolgt, da er sich ansonsten

nicht ins Computersystem der Task Force 47 hätte einlog-

gen können.
376

Zu seiner vom Untersuchungsausschuss vermuteten Zu-

gehörigkeit zur Task Force 47 hat der Zeuge Hauptfeld-

webel W. bekräftigt:

„Ich bin kein Verstärkungselement oder eine Ver-
stärkungskraft oder Angehöriger der Task Force

47.[…] Ich bin auch in allen Papieren und allen
Dokumenten des PRT grundsätzlich mit meinem

Klarnamen aufgeführt als Angehöriger der 1.

Kompanie bzw. der Stabsversorgungskompa-

nie.“377

Der Zeuge Vollmer hat diese Aussage inhaltlich bestätigt:

„[D]er jetzige Hauptfeldwebel W. ist Teil des PRT
Kunduz, gehört nicht zu den Verstärkungskräften,

ist also nicht Teil der Task Force 47. Er ist auch zu

Hause kein Angehöriger des KSK. Das Gleiche

gilt für den […] Hauptmann N.“378

In seinem Bericht vom 5. September 2009 titulierte

Oberst Klein den Fliegerleitoffizier W. als einen ihn „be-
ratenden Kameraden der Verstärkerkräfte“.379 Oberst
Klein hat auf Nachfrage erklärt, es müsse sich dabei um

ein Versehen gehandelt haben.

Der Zeuge Hauptfeldwebel W. hat ausgesagt, die TF 47

lediglich unterstützt zu haben:

„Reine Operationen oder Gesamtoperationen habe
ich gar keine für die TF 47 gemacht, sondern ich

habe lediglich im Rahmen ISAF dort unterstützt,

und zwar nach der Maßgabe, dass alle Angehöri-

gen – die ISAF angehören –, egal welcher Nation,
sich materiell und personell unterstützen können.
374) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 31.

375) V., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 28.
376) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 44; W., Protokoll-Nr. 8, Teil II,

S. 12.

377) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 22.
378) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 56.

379) Bericht von Oberst Klein für GI vom 5. September 2009 („Klein-
Bericht“, Dokument 63).

Aber wirklich reine Operationen für die Task For-

ce habe ich keine durchgeführt.“380

cc) Abwesenheit großer Teile der Task For-
ce 47

Der Kommandeur des Kommandos Führung Operationen

von Spezialkräften (FOSK), der Zeuge Oberst G. B., hat

erklärt, die Spezialkräfte seien damals gar nicht in Kun-

duz gewesen:
381

„Die Task Force 47 hatte am 03. und 04. einen
völlig anderen Auftrag, und sie befand sich des-

halb auch in weit überwiegender Mehrheit nicht in

Kunduz, sondern an einem anderen Standort. In

Kunduz waren nur Restteile verblieben, die im

Schwerpunkt örtlich dort arbeiten […].382

dd) Keine Kommunikation zwischen Oberst
Klein und dem Kommando FOSK in der
Nacht vom 3. auf den 4. September 2009

Der Zeuge G. B. hat weiter ausgesagt, dass es in der

Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 keine Kommu-

nikation zwischen Oberst Klein und dem die Spezialkräfte

führenden Kommando FOSK gegeben habe:

„Es gab keine Einflussnahme, und zum Zeitpunkt,
wo die Entscheidungsfindung von Oberst Klein

stattfand, gab es überhaupt keine Verbindung auch

nach Deutschland in mein Kommando.“383

9. Frage der Beteiligung des Bundesnach-
richtendienstes an der Vorbereitung und
Durchführung des Luftangriffs

a) Erkenntnisse des Ausschusses zu einer
etwaigen Beteiligung des Bundesnachrich-
tendienstes

Die Leipziger Volkszeitung behauptete am 10. Dezember

2009, ein BND-Mitarbeiter vor Ort sei an der Planung

und Entscheidung über den Luftangriff beteiligt gewe-

sen.
384

Der Bundesnachrichtendienst hat die Task Force 47 zum

untersuchungsgegenständlichen Zeitpunkt mit Informa-

tionen unterstützt; zu diesem Zweck waren Mitarbeiter

des BND in Kunduz eingesetzt. Am Abend des 3. Sep-

tember 2009 befanden sich diese Mitarbeiter zeitweise in

der Operationszentrale der Task Force 47. An jenem

Abend habe er sich bis 23 Uhr in der Operationszentrale

der Task Force 47 aufgehalten
385

und sei seiner originären
380) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 2.

381) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 50.
382) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 54.

383) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 55.

384) Leipziger Volkszeitung vom 10. Dezember 2009, „BND-Experte
und KSK-Kräfte stimmten Bombardierung bei Kunduz mit Oberst

Klein ab“ (Dokument 64).
385) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 7.

Drucksache 17/7400 – 70 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Tätigkeit nachgegangen. Mit dem Kommandeur des PRT

Kunduz, Oberst Klein, habe er aber „arbeitstechnisch gar
nichts zu tun“ gehabt.386 Seinen Arbeitsbereich hat der
Zeuge A. R. in seiner Vernehmung wie folgt beschrieben:

„Das sind zwei Zelte. Die sind da, ja, quasi in einer
Art Großraumbüro zusammengefasst, mit einem

kleinen Schlauch miteinander verbunden. Wir ha-

ben zuerst mit den technischen Hilfsmitteln, die

diese Task Force 47 bietet, da unsere Aufgaben er-

ledigt, und dann hatte ich noch so ein bisschen

Administratives zu tun. Also, ich war da im Be-

reich, aber quasi im Nebenraum, wenn man das so

beschreiben will. […] Man muss sehen: Es gibt da
eine Trennung zwischen Bundesnachrichtendienst

und Militär. Das ist ja nicht da alles miteinander

verwoben.“387

Die zur Unterstützung der Task Force 47 in Kunduz ein-

gesetzten Mitarbeiter des BND waren zum Zeitpunkt des

Luftangriffs in den frühen Morgenstunden des 4. Septem-

ber nicht mehr in der Operationszentrale der Task Force

47 anwesend. Alle vom Ausschuss vernommenen BND-

Mitarbeiter haben ausgesagt, dass sich zwei BND-

Mitarbeiter zwischen 19 und 23 Uhr zeitweise in der OPZ

der Task Force aufgehalten hätten, ab 23 Uhr jedoch zu

Bett gewesen seien und erst am Morgen des 4. September

durch einen Mitarbeiter des Field HUMINT-Teams der

Task Force von dem erfolgten Luftangriff erfahren hät-

ten.
388

Daraufhin hätten sie telefonisch Verbindung mit

ihrem Leiter vor Ort in Masar-i-Scharif aufgenommen

und diesen über den erfolgten Luftangriff informiert.
389

Alle zu diesem Komplex befragten Zeugen haben vor

dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass eine etwai-

ge Beteiligung des BND an dem Luftangriff aus ihrer

Sicht ausgeschlossen sei.

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhr-

lau hat jegliche Beteiligung des BND im Vorfeld und an

der Durchführung des Luftangriffs verneint.

„Der Bundesnachrichtendienst […] hatte im Vor-
feld keine Informationen, ist darüber hinaus an der

Einsatzplanung, an der Durchführung nicht betei-

ligt gewesen. Mir ist auch mitgeteilt worden, dass

unsere […] Vertreter, die in Kunduz waren, zu
dem Zeitpunkt nichts von den Ereignissen mitbe-

kommen haben. Dieses ist ihnen dann erst mor-

gens bekannt geworden, nachdem dieses alles ge-

laufen war. Deswegen – auch das hat für uns na-
türlich eine große Rolle in der Klärung des Sach-

verhaltes gespielt -: Haben wir irgendetwas von

dem Vorgang in der Nacht mitbekommen? Sie

werden verstehen, dass bei einem Ereignis, das zu-

nächst so unklar ist in der Vorbereitung, in der

Durchführung, sehr schnell Klarheit geschaffen

werden muss: Ist das eine Angelegenheit, wo der
386) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 21.
387) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 7.

388) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 3, 7, 68.

389) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 5.

Bundesnachrichtendienst Informationen zugelie-

fert hat oder eine sonstige Assistenz geleistet hat,

oder ist das eine militärische Operation, wo dann

noch nicht klar ist, wo die Information herkommt?

Dass innerhalb des ISAF-Bereichs Informationen

eventuell dann von anderen Partnern oder durch

eigene Aufklärung kommen können, das liegt in

der Natur der Sache.“390

b) Keine eigenen Quellen des BND?

Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,

ob es sich bei der unter B.III.3. dargestellten HUMINT-

Quelle auch um eine Kontaktperson des BND gehandelt

haben könnte. Der Zeuge Vorbeck hat ausgesagt:

„Bei der Quelle handelte es sich um eine Kontakt-
person der Bundeswehr; es lägen keine Erkenn-

tnisse vor, dass dieser in Kontakt zu Mitarbeitern

des BND stünde. Was wir damals nicht klären

konnten, war die Frage, ob in früherer Zeit mögli-

cherweise ein solcher Kontakt bestanden haben

könnte. Das war damals nicht ganz auszuschlie-

ßen. Inzwischen ist das aber mittlerweile geklärt.

[…] Die Kontaktperson, die da immer beschrieben
wurde, war eine Kontaktperson der Bundes-

wehr.“391

Der Zeuge F. als zum relevanten Zeitpunkt in Kunduz

anwesenden BND-Mitarbeiter hat in seiner Aussage dies-

bezüglich bestätigt, dass er keinerlei Erkenntnisse zu der

Tanklasterentführung aus eigenen Quellen hatte.
392

IV. Bemühungen um Aufklärung zur Erlan-
gung von Erkenntnissen über den Luftan-
griff

Unmittelbar nach dem Luftschlag wurden vielerseits

Untersuchungen zur Aufklärung der Folgen durchgeführt.

Der Ausschuss hat untersucht wann, von welcher Seite

und in welcher Weise Untersuchungen zur Aufklärung

des Luftangriffs und seiner Folgen stattfanden.

1. Untersuchungen seitens des PRT Kunduz

a) Battle Damage Assessment, 4. September
2009

Das PRT Kunduz selbst erkundete am 4. September 2009

die Einschlagstelle, um ein eigenes Lagebild zu gewin-

nen. Auf Befehl von Brigadegeneral Vollmer wurde durch

Oberst Klein im Laufe des Vormittags des 4. September

ein Element in Kompaniestärke unter Führung des Chefs

der Schutzkompanie, Hauptmann S., zusammengestellt.

Dieses wurde verstärkt durch Feldjäger unter Führung

von Feldjägerstabsoffizier Major T., sowie Fachleuten für
390) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 13.

391) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 5.

392) F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 74.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71 – Drucksache 17/7400
zivil-militärische Zusammenarbeit und psychologische

Operationen.
393

Am Morgen war bereits ein von Brigadegeneral Vollmer

zusammengestelltes Ermittlungsteam aus Masar-i-Scharif

zur Unterstützung der Untersuchungen des PRT Kunduz

geschickt worden.
394

Das insgesamt zehnköpfige Team

wurde geleitet vom Feldjägerführer des 20. Deutschen

Einsatzkontingents, Oberstleutnant B. und bestand aus

insgesamt vier Feldjägern, zwei Soldaten eines Einsatz-

kamerateams, zwei Soldaten aus dem Bereich der takti-

schen Gesprächsaufklärung (Tactical PsyOps) sowie zwei

weiteren Bundeswehrangehörigen.

Im Rahmen seines späteren Berichts führte Major T. aus,

dass durch Hauptmann S. vor Abfahrt des BDA-Konvois

kontrolliert worden sei, dass sich keine Kräfte aus Masar-

i-Scharif im Konvoi befinden, da dies – so war seine
Wahrnehmung – gemäß Befehl des PRT Kommandeurs
nicht gewünscht sei.

395
In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss

hat der Zeuge Oberst i. G. Klein dem widersprochen:

„Die im so genannten Feldjägerbericht, den Sie al-
le kennen, erhobene Behauptung, ich hätte verbo-

ten, Kräfte aus Masar-i-Scharif mit auf die Sand-

bank zu verlegen, entbehrt jeder Grundlage. Dies

war eine Entscheidung des Kompaniechefs, der

seine Truppe aufgrund der Zweckmäßigkeit und

unter Beachtung des Schutzes der eingesetzten

Soldaten zusammengestellt hat. Ich billige aller-

dings diese Entscheidung. Um es deutlich zu sa-

gen: Das war eine Aufklärungsoperation in durch

Aufständische kontrolliertes Gebiet, keine Aus-

flugsreise. Die nachfolgenden Ereignisse haben

dem Kompaniechef recht gegeben, nämlich: Wäh-

rend der Erkundung wurden sie von der Westseite

des Kunduz- Flusses beschossen.“396

Das seitens des RC North bereitgestellte Einsatzkamera-

team wurde im Rahmen der Erkundung der Sandbank

nicht in Anspruch genommen.
397

Oberst Klein war der

Ansicht, dass das Ermittlerteam des PRT Kunduz, beste-

hend aus Feldjägern, Erhebern und Ermittlern in Anbet-

racht der Sicherheitslage ausreiche. Die Belastung wäre

nach seiner Einschätzung für die Infanteristen des Ein-

satzkamerateams zu hoch gewesen.
398

Zudem wurde eine

umfangreiche Fotodokumentation durch das Erkundungs-

team des PRT Kunduz gemacht.
393) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.

394) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 2 f.

395) Gesprächsprotokoll Feldjägerführer: Auswertegespräch Kom-
mandeur PRT Kunduz mit allen Mitgliedern BDA-Team PRT

Kunduz vom 4. September 2009 (Auswertegespräch Kdr PRT

KDZ), Anlage 16 zum „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Doku-
ment 65), B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 37.

396) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.

397) Bericht des Einsatzkamerateams vom 4. September 2009, Anla-
ge 36 zum „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 66), Bl. 83 f.;
B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 38.

398) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 68.

Zum Ergebnis der Untersuchung des BDA-Teams hat der

Zeuge Oberst Klein ausgesagt:

„Der Erkundungsbericht des Kompaniechefs –
[…] hat eigentlich das erwartete Bild bestätigt: Die
Sandbank war wie leergefegt, die Spuren der Ope-

ration waren durch die Aufständischen entfernt

worden. Wenige Gegenstände, dabei auch Waffen-

reste, waren durch die afghanischen Sicherheits-

kräfte eingesammelt worden. Bemerkenswert war

jedoch die fast enthusiastische Begrüßung meiner

Soldaten da unten durch die afghanischen Sicher-

heitskräfte und die Bevölkerung; denen hat man

Geldscheine zugeworfen, als sie da runterka-

men.“399

Der Erkundungsbericht des BDA-Teams wurde zu einer

Anlage des so genannten Feldjägerberichtes (siehe unten:

B.IV.3, S. 77).

Dort heißt es zum Ergebnis dieser Erkundung: Das Team

des PRT habe den Ort des Vorfalls gegen 12.34 Uhr er-

reicht. Es seien „nur noch verbrannte / zerstörte materielle
Überreste, einige Tierkadaver und Fahrzeugwracks zu

sehen“ gewesen. Von Kollateralschäden sei nichts wahr-
zunehmen. Der Ereignisort sei „offensichtlich deutlich
verändert“ und hinterlasse einen „stark gereinigten Ein-
druck“. Vor Ort seien weder Tote noch Verletzte gewe-
sen. Nur noch „minimalste Spuren“ von menschlichen
Überresten seien zu finden gewesen.

400
Nach dem Verlas-

sen der Sandbank sei das Team mit Mörsern beschossen

worden.
401

Nach Rückkehr des BDA-Teams in das PRT Kunduz fand

dort um 14.45 Uhr ein Auswertegespräch mit dem PRT

Kommandeur Oberst Klein statt. Hieran nahm auch der

Feldjägerführer, Oberstleutnant B., teil.
402

In dem später durch ihn erstellten Bericht kritisierte der

Feldjägerführer, dass vor und nach dem Vorfall nicht

adäquat gehandelt worden sei.
403

Nach seiner Wahrneh-

mung hätte das Battle Damage Assessment gemäß der

Tactical Directive des COM ISAF zeitnah nach dem Luft-

schlag durchgeführt werden müssen. Hierdurch solle

gemäß der Tactical Directive ausgeschlossen werden,

dass unbeteiligte Zivilisten getroffen wurden und die

Möglichkeit der Leistung von Erster Hilfe gesichert wer-

den.
404

Der Befehlshaber Einsatzführungskommando, General-

leutnant Glatz, hat dem Untersuchungsausschuss zur

Durchführung eines Battle Damage Assessment erläutert:
399) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.

400) Untersuchungsbericht zum „Close Air Support KUNDUZ“ des
Feldjägerführers i. E. vom 9. September 2009 („Feldjägerbericht“,
siehe unten: B.IV.3, S. 77, Dokument 67).

401) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 4; Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II,
S. 20, 68; Auswertegepräch Kdr PRT KDZ (Fn. 395, Doku-

ment 65), Bl. 43.

402) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35; Auswertegespräch Kdr PRT
KDZ (Fn. 395), Bl. 42.

403) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400), Bl. 8.
404) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 41.

Drucksache 17/7400 – 72 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Das Verfahren für Battle Damage Assessment
war in einer ISAF SOP festgelegt und in der Tacti-

cal Directive des COM ISAF, und das hätte erfor-

dert, auch nach einer SOP des RC North, dass […]
nach einem Luftangriff das entsprechende Gebiet

abgeriegelt wird, um – ich sage mal – das Rein-
und Rausgehen unkontrolliert aus diesem Gebiet

zu verhindern und tatsächlich, bis hin zu biometri-

schen und forensischen Methoden, ein Battle Da-

mage Assessment durchzuführen.“405

Oberst i. G. Klein hat dem Untersuchungsausschuss er-

klärt, er habe über keine Kräfte verfügt, die eine Wir-

kungsanalyse am Boden hätten durchführen können. Eine

solche habe er aber auch nicht für erforderlich gehalten,

da er aus den Erfahrungen der vergangenen Monate er-

wartet habe, dass die Aufständischen sehr schnell alle

Opfer bergen und diese gemäß ihren religiösen Vorschrif-

ten beisetzen würden. Die Aufständischen ließen in kei-

nem Fall Beweise ihrer Verluste zurück.
406

Gegen 17 Uhr begab sich das Erkundungsteam, in das

Krankenhaus Kunduz.
407

Dort befanden sich sechs ver-

letzte und zwei tote Personen, bei denen ein Zusammen-

hang zum Bombenabwurf vermutet werden konnte.
408

Im

Anschluss an den Besuch im Krankenhaus fand ein erneu-

tes Auswertegespräch im PRT Kunduz statt.
409

b) Untersuchung des Tactical Psycological
Operations Teams PRT Kunduz, 4. Sep-
tember 2009

Zur gleichen Zeit erhielt der Stabsfeldwebel B., Leiter des

Tactical Psycological Operations Team (TPT) des PRT

Kunduz, von der Leitung des PRT den Auftrag, mit den

Dorfbewohnern über den Luftangriff und mögliche Tote

zu sprechen. Ziel war es, die Einstellung der Bevölkerung

zu ISAF und den afghanischen Sicherheitskräften sowie

die Stimmung der örtlichen Bevölkerung insgesamt zu

ermitteln.

Als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss hat Stabs-

feldwebel B. ausgesagt, dass er den Auftrag für die Befra-

gung „vom Stab aus Kunduz“ erhalten habe:410

„Der genaue Name ist mir nicht bekannt. Aber es
war jemand vom operativen Kommando, von PRT,

TPT. Wir sind dann zu einem Briefing geladen

worden, und dann sind wir los geschickt worden.

[…] Ja, ich bin mit meinem Team los geschickt
worden mit dem Auftrag, uns ein Bild zu machen

von der Situation vor Ort, über die Situation in der

Nähe vom Dorf Haji Amanmulla. […] Ja, im Dorf
habe ich die Aufgabe bekommen, mit den Dorf-
405) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 90.

406) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.
407) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35.

408) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400), Bl. 6; Auswertegespräch Kdr PRT
KDZ (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43; Klein, Protokoll-Nr. 6,
Teil II, S. 21.

409) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35.

410) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 23 f.

bewohnern zu sprechen. Das habe ich auch ge-

macht. Das war der Stellvertreter des Bürgermeis-

ters. Der hat mir eine Information gegeben. Er hat

mir seinen Namen genannt. Er hat mir auch gesagt,

wie viele zivile Opfer zu betrauern waren. […]
Nach dem Einsatz sind alle Teamleiter, alle Ver-

antwortlichen zunächst einmal zusammengekom-

men. Da gab es so ein Nach-Briefing mit Oberst

Klein und den Vertretern der TPT. Da haben wir

einiges besprochen, und danach habe ich sofort

den Bericht in Angriff genommen.“411

Sein Bericht sei an das PRT Kunduz und von dort an G3

und G9 geschickt worden.
412

In dem Bericht von B. vom

4. September 2009 heißt es, aus einem Dorf seien 14

Zivilpersonen getötet und vier schwer verletzt worden.

Diese Personen seien zuvor von Aufständischen zur Ar-

beitsleistung gezwungen worden. Trotz der eigenen Ver-

luste sei insgesamt eine große Freude über den Tod von

Aufständischen gezeigt worden.
413

2. Untersuchungen seitens ISAF

Durch den Kommandeur der ISAF, General McChrystal,

wurde auf der Grundlage der ISAF-Regeln des Standard-

Einsatzverfahrens (SOP) eine zweistufige Untersuchung

angeordnet.

a) Untersuchung des Initial Action Teams,
4./5. September 2009

aa) Anlass und Einleitung der Untersuchung

Aufgrund von Medienberichten am Morgen des 4. Sep-

tember 2009 über zivile Opfer durch den Luftangriff bei

Kunduz stellte der Kommandeur der ISAF in Kabul gegen

Mittag eine vorläufige Untersuchungskommission zu-

sammen. Entsprechend den neuen Verfahrensvorschriften

der ISAF war im Falle des Verdachts von zivilen Opfern

durch den Waffeneinsatz der ISAF schnellstmöglich ein

so genanntes „Initial Action Team“ (IAT) einzusetzen.414
Zweck des IAT war es zu prüfen, ob eine formale Unter-

suchung durchgeführt werden solle.
415

Ein solches Vor-

gehen solle vor allem dem Zweck dienen, gegenüber allen

Beteiligten, insbesondere aber gegenüber der afghani-

schen Bevölkerung, deutlich zu machen, dass ISAF Vor-

fälle dieser Art sehr ernst nimmt und sich aktiv um Auf-

klärung bemüht.
416

Geführt wurde das insgesamt neunköpfige IAT von dem

britischen Air Commander und stellvertretenden Chef-

koordinator der ISAF-Luftoperationen Paddy Teakle
417
411) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24.

412) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.

413) Auswertegepräch Kdr PRT KDZ (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43.
414) Vermerk des Einsatzführungsstabes vom 18. September 2009 für

den Generalinspekteur (Dokument 68).

415) So die Sprechempfehlung für den Generalinspekteur für die
Obleuteunterrichtung am 11. September 2009 (Dokument 69).

416) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415), Bl. 49.

417) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 21, 34.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 73 – Drucksache 17/7400
und dem Konteradmiral Gregory Smith.

418
Von deutscher

Seite war Oberst i. G. N. Mitglied des IAT.

bb) Eintreffen des Teams in Kunduz

Am späten Nachmittag des 4. September 2009 traf das

IAT erstmals im Feldlager Kunduz ein. Es führte Gesprä-

che mit den Beteiligten des PRT Kunduz, insbesondere

mit Oberst Klein und dem Fliegerleitoffizier W. Das auf-

gezeichnete Filmmaterial der Übertragung aus den Cock-

pits der Flugzeuge wurden ihnen vorgeführt. Das IAT

nahm auch am zweiten Auswertegespräch des BDA mit

Oberst Klein nach dem Besuch im Krankenhaus Kunduz

teil.
419

Am nächsten Tag überflog das Team mit einem Hub-

schrauber die Sandbank.
420

Aufgrund der angespannten

Sicherheitslage hatte Oberst Klein entschieden, über die

Stelle zu fliegen, anstatt auf dem Landweg hinzufahren.
421

Im Anschluss besichtigte das Team in Begleitung von

Oberst Klein das Provinzkrankenhaus in Kunduz. Dort

wurden einige Patienten als Opfer des Luftangriffs vor-

gestellt.
422

Es fanden Gespräche mit afghanischen Offi-

ziellen, insbesondere mit den Distriktmanagern der be-

troffenen Distrikte Chahar Darreh und Aliabad sowie

Vertretern des Provinzrates statt.
423

cc) Besuch von COM ISAF McChrystal in Kun-
duz

Am Nachmittag des 5. September 2009 traf COM ISAF

General McChrystal persönlich in Kunduz ein, um sich

ein Bild der Lage vor Ort zu verschaffen. Das IAT beglei-

tete diesen Besuch. Es wurden sowohl der Ort des Luft-

angriffs als auch das Krankenhaus von Kunduz besucht.

Anders als am Vortag fuhr die Delegation auf dem Land-

weg zu der Sandbank und stieg dort aus. Nach etwas mehr

als 24 Stunden verließ das IAT Kunduz am 5. September

2009 um 18 Uhr afghanischer Ortszeit.
424

dd) Abschlussbericht des IAT

Zurück in Kabul fertigte das IAT am 6. September 2009

einen 20-seitigen Abschlussbericht für den Kommandeur

der ISAF („Smith-Bericht“).425 Aufgrund der vor Ort
gewonnenen Eindrücke empfahl das Team COM ISAF

die Einleitung einer formalen Untersuchung.
426

Der GEHEIM eingestufte Bericht ist dem Untersuchungs-

ausschuss vorgelegt worden und in die Beweisaufnahme

eingeflossen.
418) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.
419) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35.

420) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 2.
421) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 68.
422) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 69; „N.-Bericht“ (Fn. 141),

Bl. 4.

423) „N.-Bericht“ (Fn. 141), Bl. 4.
424) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415), Bl. 50.

425) Mat. 17-12/12a, Tgb.-Nr. 11/10 – GEHEIM.
426) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415), Bl. 50.

ee) „N.-Bericht“

Oberst i. G. N., Deputy Chief CJ2 im HQ ISAF, verfasste

in seiner Eigenschaft als deutsches Mitglied des Initial

Action Teams ein Protokoll über die „Fact Finding Missi-
on Kunduz 05. – 06.09.2009.“427

Der so genannte N.–Bericht wurde durch den Verfasser an
Generalmajor Antoni im HQ ISAF übermittelt.

ff) Begleitung des IAT durch einen Journalis-
ten der Washington Post

In das IAT war ein Reporter der Washington Post, Herr

Rajiv Chandrasekaran, „eingebettet“ gewesen.428 Die
Anwesenheit des Journalisten führte mindestens im

Nachhinein im PRT zu Verärgerung.

Der deutsche Verteidigungsminister Dr. Jung beschwerte

sich über die Begleitung durch den Journalisten später

gegenüber dem COM ISAF General McChrystal.
429

„Ja, ich habe mich ziemlich kritisch mit ihm unter-
halten und habe ihm auch gesagt, dass ich das für

unverantwortlich ansehe, auch im Hinblick darauf,

dass er als COM ISAF gerade gegenüber unserem

Soldaten Oberst Klein sich in einer solchen Art

und Weise äußert.“430

Seinen Pressesprecher Dr. Raabe ließ er gegenüber der

NATO „aktenkundig“ machen, dass dieser Vorgang so
nicht akzeptiert werde.

431
Als Zeuge vor dem Ausschuss

hat Dr. Raabe den Vorwurf erhoben, bei der Begleitung

durch den Reporter der Washington Post habe es sich um

den Versuch gehandelt, das Ansehen der Deutschen in

Afghanistan in Misskredit zu bringen.

„Wie Sie sehen, war es ein konkreter Auftrag, den
er dann umgesetzt hat, nämlich in der Washington

Post. Dieser Washington-Post-Artikel – sehen Sie
es mir nach – war aus meiner Sicht eine Auftrags-
arbeit, die dazu führen sollte, dass die Deutschen

hier in Misskredit gebracht werden, zu einem Zeit-

punkt, wo ich beim besten Willen nicht erkennen

konnte, dass es bereits konsolidierte Informationen

gegeben haben könnte.“432

„Wenn Sie die Arbeitsmethoden von Journalisten
in Afghanistan kennen und wie Sie Zugänge be-

kommen, dann können Sie ja sehen, dass das äu-

ßerst ungewöhnlich ist, dass der ISAF-

Kommandeur bei einem solchen Vorfall einen ein-

zigen Journalisten mitnimmt. Deshalb müssen Sie

davon ausgehen, dass dieser Journalist vorher ein

Gespräch mit McChrystal geführt hat, wo vermut-

lich sehr klargelegt worden ist, um was es geht.“433
427) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54).
428) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 79.

429) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 6.

430) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 11.
431) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 12.

432) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 25.

433) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 37.

Drucksache 17/7400 – 74 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Am 6. September 2009 veröffentlichte Rajiv Chandrase-

karan in der Washington Post folgenden Artikel:

„NATO Probing Deadly Airstrike

Anti-Taliban Operation in Afghanistan May Have

Killed Civilians And Further Complicated the

Strained U.S.-Led Security Mission

By Rajiv Chandrasekaran

Washington Post Foreign Service

Saturday, September 5, 2009

KUNDUZ, Afghanistan, Sept. 4 -- NATO

launched an investigation Friday into a predawn

airstrike in which an American fighter jet bombed

two hijacked fuel trucks in northern Afghanistan,

killing scores of people and prompting accusations

that many of the dead were civilians.

Estimates of the number of dead varied widely.

The governor of Kunduz province, where the at-

tack occurred, said 72 people were killed when the

trucks exploded in a huge fireball, while the Ger-

man military said the death toll was about 50.

German forces under NATO command have re-

sponsibility for the area and had called in the air-

strike out of concern that the Taliban intended to

use the trucks in suicide bombings, German offi-

cials said.

A senior U.S. defense official said 56 people were

counted around and on top of the vehicles in video

taken immediately before the blast. „Nobody that
was close . . . lived,“ he said. „But it's also not
clear whether the individuals who are around the

vehicles there were actually insurgents or not.

A Belgian soldier who visited the village nearest

the site of the attack, Staff Sgt. Filip Bergeman,

said residents told him that Taliban fighters forced

several villagers to help remove fuel from the

trucks after the vehicles got stuck in the Kunduz

River. Bergeman said he was told that 14 of the

villagers were killed.

The airstrike occurred a day after Defense Secre-

tary Robert M. Gates indicated that he is open to

increasing U.S. troop strength in Afghanistan de-

spite earlier concerns about an outsize American

„footprint“ in the country. Gates said his view had
been altered by an assessment submitted this week

to President Obama by Gen. Stanley A. McChrys-

tal, the top U.S. commander in Afghanistan, which

stressed the importance of troops' interactions with

civilians and efforts to reduce civilian casualties.

President Hamid Karzai also ordered an investiga-

tion into the strike, saying that „targeting civilians
is unacceptable for us.“ Civilian deaths as a result
of NATO military operations have fueled intense

anger among many Afghans, including Karzai, and

have sapped public support for the multinational

mission to combat the Islamist Taliban movement,

which has gained ground this year against a gov-

ernment widely viewed as corrupt and incompe-

tent.

In a taped message Friday night, McChrystal ap-

peared to acknowledge the likelihood of civilian

casualties in the airstrike, saying, „I take this poss-
ible loss of life or injury to innocent Afghans very

seriously.“

Translations of the message into the two main

Afghan languages, Pashto and Dari, were distri-

buted to the Afghan media. Addressing „the great
people of Afghanistan,“ McChrystal said the Inter-
national Security Assistance Force (ISAF) had

„launched an attack against what we believed to be
a Taliban target in Kunduz. As commander, noth-

ing is more important [to me] than the safety and

protection of the Afghan people.“

In an effort to reduce civilian deaths, McChrystal

recently issued rules limiting the use of airstrikes.

It was not immediately clear whether Friday's air-

strike conformed to the new rules.

The NATO command in Afghanistan pledged to

fully examine the airstrike, and McChrystal said in

his message that he had dispatched a team of se-

nior officers Friday afternoon to look into the inci-

dent. The officers allowed a Washington Post re-

porter to accompany them.

Footage from the F-15E jet that dropped the

bombs showed that many, if not most, of the

people milling around the trucks in the moments

before the airstrike were killed when the bombs

detonated and the fuel tankers exploded. The grai-

ny, black-and-white video, which was viewed by

the investigating officers at a German military base

here, showed only a handful of people running

away after the explosion.

The German officers said footage from the F-15E

and an earlier overflight of a U.S. B-1B bomber

showed some of the people at the scene carrying

weapons. The Germans also said that an intelli-

gence source told them before the strike that all of

the people around the trucks were insurgents.

„When you're sitting at a command center, it may
look like you're seeing nothing but insurgents, but

the reality can be pretty complex,“ said Rear Adm.
Gregory J. Smith, a senior member of the U.S. as-

sessment team. „We have to do everything we can
to understand the truth and get that truth told as

quickly as possible.“

Insurgent activity has increased markedly in the

Kunduz area in recent months. German forces re-

sponsible for securing the province have encoun-

tered more frequent ambushes and roadside bomb-

ings.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 75 – Drucksache 17/7400
According to the German officers, the incident be-

gan Thursday evening when insurgents hijacked

the two trucks on the main highway connecting

Kunduz to the Tajikistan border. The B-1B bomb-

er, which was flying in the area in support of a dif-

ferent mission, spotted the vehicles several hours

later after they had become bogged down while

trying to cross the river, 13 miles south of Kunduz,

the provincial capital. German commanders de-

clared the scenario an imminent threat and re-

quested air support.

Two F-15Es arrived on the scene about 2 a.m. Fri-

day. After receiving instructions from a German

targeter, one of the planes dropped two 500-pound

bombs, one on each truck, about 30 minutes later.

„While the airstrike was clearly directed at the in-
surgents, ISAF will do whatever is necessary to

help the community, including medical assistance

and evacuation as requested,“ said Canadian Brig
Gen. Eric Tremblay, an ISAF spokesman.

In Washington, U.S. military officials said two

500-pound GBU-38 bombs were dropped on the

trucks. The bombs are guided using Global Posi-

tioning System technology.

The German-led team operating in the area made

the decision to call in the airstrike, said one U.S.

official, who was briefed on the events by the

command in Afghanistan. „We are looking into
any allegations of civilian casualties,“ the official
said. „Any civilian casualties are serious.“

It was not immediately clear at what level in the

U.S. chain of command the strikes were approved

or how the military determined that there were no

civilians in the area.

Staff writers Ann Scott Tyson, William Branigin

and Karen DeYoung in Washington contributed to

this report.“434

b) Untersuchung Joint Investigation Board,
8. September bis 20. Oktober 2009

Den Empfehlungen des IAT folgend, wies der ISAF-

Kommandeur, General Stanley McChrystal, am 8. Sep-

tember 2009 den kanadischen Major General C. S. „Duff“
Sullivan, den deutschen Rechtsberater, Oberstleutnant V.,

sowie den amerikanischen Colonel Keith D. McBride des

Combined Air Operations Center in Katar an, einen ge-

meinsamen Untersuchungsausschuss zu bilden.
435

„Gemäß ISAF SOP 302 werden Sie hiermit als
Gemeinsamer Untersuchungsausschuss eingesetzt,

um eine operationelle Untersuchung der Umstände
434) Rajiv Chandrasekaran, in: Washington Post vom 5. September

2009, „NATO Probing Deathly Airstrike” (Dokument 70).
435) COM ISAF, Appointment of Joint Investigation (J.I.B.), Weisung

zur Einberufung des gemeinsamen Untersuchungsausschusses

vom 8. September 2009 (Dokument 71).

des ISAF-Luftschlages vom 4. September 2009 in

der Provinz Kunduz durchzuführen. Sie sollen alle

Fakten und Umstände im Zusammenhang mit dem

Luftschlag und etwaigen zivilen Opfern untersu-

chen und sowie alle verfügbaren einschlägigen

Beweismittel sichern.“436

Die Leitung der Untersuchung wurde Major General C. S.

„Duff“ Sullivan übertragen.437 Dem Ausschuss wurde
aufgegeben, auf Grundlage verfügbarer Fakten möglichst

viele Einzelheiten zur Ursache von Todesfällen oder zum

Status etwaiger Opfer zusammenzutragen.
438

Die Unter-

suchungsergebnisse wurden gemäß Punkt 6 des „Ap-
pointment of Joint Investigation“439 in einem Bericht
zusammengefasst und General McChrystal vorgelegt. Die

Untersuchungsergebnisse, Beobachtungen und Empfeh-

lungen des Joint Investigation Board wurden am

26. Oktober 2009 durch ihn genehmigt.
440

Das Bundesverteidigungsministerium wandte sich im

November 2009 auf Weisung von Bundesminister Frei-

herr zu Guttenberg mit der Bitte an das Headquarter

ISAF, den als „NATO-/ISAF-Confidential“ klassifizierten
Bericht des Joint Investigation Board herabzustufen bzw.

eine nicht eingestufte Version herauszugeben. Das Head-

quarters ISAF wies dieses Anliegen mit Schreiben vom 4.

November 2009 zurück.
441

Der GEHEIM eingestufte Bericht ist dem Untersuchungs-

ausschuss vorgelegt worden und in die Beweisaufnahme

eingeflossen.

c) Begleitung der ISAF-Untersuchung durch
das Bundesministerium der Verteidigung,
9. September bis 26. Oktober 2009

Am 9. September 2009 wurde durch Staatssekretär

Dr. Wichert die so genannte „Gruppe 85“ eingesetzt.
Deren Auftrag lautete, die Situation in Afghanistan zu

prüfen und dahingehend auszuwerten, dass die Leitung

des Bundesministeriums der Verteidigung auf den

NATO-Abschlussbericht reagieren kann.
442

Minister

Dr. Jung wurde hierüber unterrichtet.
443

Auf die Einrich-

tung der Gruppe wurde in der Regierungspressekonferenz

am 11. September 2009 hingewiesen. Der damalige Spre-

cher des Bundesverteidigungsministers Dr. Raabe sagte

vor der Bundespressekonferenz:

„Ich möchte Ihnen dazu mitteilen, dass wir ein ei-
genes Team aus verschiedenen Vertretern der ver-
436) Deutsche Übersetzung (BMVg) der Weisung zur Einberufung des

gemeinsamen Untersuchungsausschusses (Dokument 72).
437) Untersuchungsweisung (Fn. 436), Bl. 4, Ziff. 1.

438) Untersuchungsweisung (Fn. 436), Bl. 5, Ziff. 3, lit. d. So auch die

Aussage des Zeugen Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I,
S. 11.

439) Untersuchungsweisung (Fn. 436), Bl. 3.

440) COM ISAF-Bericht der NATO vom 28. Oktober 2009, Mat. 17-
10/10a, Tgb.-Nr. 08/10 – GEHEIM.

441) Schreiben HQ ISAF an Leiter Einsatzführungsstab BMVg vom 4.

November 2009 (Dokument 73).
442) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Mat. 17-22a, GI a. D. Schnei-

derhan, Ordn. 3, Bl. 241.

443) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 13.

Drucksache 17/7400 – 76 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schiedenen Abteilungen im Haus zusammenges-

tellt haben, das die Untersuchungen der Nato be-

gleiten wird.“

Es gehe darum, der NATO Hilfestellung bieten zu kön-

nen, indem die Faktenlage zusammengestellt werde.
444

Hierzu wurden im Einsatzland erstellte Dokumente ein-

geholt und ausgewertet.
445

Ein Mitglied der Gruppe 85, der Zeuge Konteradmiral

Krause, hat hierzu in seiner Vernehmung vor dem Unter-

suchungsausschuss ausgesagt:

„Der Einsatzführungsstab war Teil dieser ‚Gruppe
85„. […] ‚85„ war nichts anderes als der Ordner,
der festgelegt wurde. Es war also eine völlig will-

kürliche und unbedeutende Festlegung. Die Grup-

pe ist in Kraft gesetzt worden durch Herrn Staats-

sekretär Dr. Wichert mit dem Ziel, uns darauf vor-

zubereiten, dass das Ministerium, wenn der Joint-

Investigation-Board-Bericht veröffentlicht wird,

schnell reaktionsfähig ist, und letztendlich die Ar-

beit des NATO-Untersuchungsteams quasi mit zu

begleiten, unsere eigenen Positionen darauf aufzu-

bauen und eine schnelle Reaktionsfähigkeit sicher-

zustellen.“446

Hierzu wurde seitens der Gruppe regelmäßig mit dem

deutschen Mitglied des Joint Investigation Board, Oberst-

leutnant V., Verbindung gehalten.
447

Der Zeuge Oberstleutnant V. hat in seiner Vernehmung

erklärt, von einer derartigen Arbeitsgruppe habe er aus

der Presse erfahren. Den Begriff „Gruppe 85“ habe er
erstmals im Spiegel gelesen.

448
Auch könne er sich nicht

an eine Unterstützungsleistung durch die Gruppe erin-

nern. Es habe natürlich Kontakte nach Deutschland gege-

ben; er habe aber keinerlei Unterstützung für seine Arbeit

in dem Board benötigt.
449

Das Ablaufprotokoll der „Gruppe 85“450 dokumentiert ein
Gespräch des Gruppenmitglieds Regierungsdirektor S. mit

Oberstleutnant V. am 14. September 2009, bei dem V.

Informationen über die Erkenntnisse seitens des JIB nach

der Auswertung der Aufzeichnungen des B1-Bombers

sowie der F15-Flugzeuge mitteilte. Das JIB habe den

Eindruck gehabt, dass die Personen auf der Sandbank das

Ziel des Luftschlages gewesen seien, dass sich die Tank-

laster nicht in Richtung des PRT bewegt hätten, dass sich

die F15-Piloten für ein geringeres Waffenmittel eingesetzt

hätten und dass es nach der Wahrnehmung der Untersu-

chungskommission keine Anhaltspunkte für eine beson-

dere Bedrohungslage gegeben habe.
451

Gemäß dem Ab-

laufprotokoll ergingen mehrere Hinweise von S. an V.:
444) Abschrift Regierungspressekonferenz vom 11. September 2009

(Dokument 74).

445) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 244.
446) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 5.

447) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 79.

448) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 21 f.
449) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 22.

450) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 241 - 270.

451) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 246.

„Wir unterstützen mit Hinweisen auf Unklarheiten
in Vorschriften, die dann im JIB-Bericht reflektiert

werden müssen. Intensive Darstellung wichtig.

Geordnetes Verhalten auf der Sandbank gibt ggf.

Anhalte für Art der Beteiligung der CAS. Berück-

sichtigung der AFG Aussagen zur Wirkung des

Einsatzes. Schwachpunkte bei unklarer Ermitt-

lungslage müssen klar hervorgehoben werden. Er

muss immer Umsetzung jeder Vorschrift für PRT

prüfen.“452

Am 16. September 2009 berichtete Regierungsdirektor H.

der Gruppe, es gäbe eine Mitteilung von V., wonach „Pat-
tern of Life“ und LOAC (Law of Armed Conflict) disku-
tiert wurden.

„RDir H. hat OTL V. angewiesen, darauf hinzu-
wirken, dass LOAC nicht weiter betrachtet wird,

da nicht einschlägig.“453

An eine solche Weisung hat sich der Zeuge V. in seiner

Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss nicht

erinnern können.
454

Am 15. September 2009 war im Rahmen einer Dienst-

besprechung der „Feldjägerbericht“ und dessen kritische
Bewertung Thema.

455
Ausweislich des Ablaufprotokolls

wurde auch das JIB hinsichtlich seiner Konformität mit

SOP 302 und dem SACEUR-Memo hinterfragt.
456

Am 16. September wurden die strafrechtlichen Ermittlun-

gen gegen Oberst Klein thematisiert:

„Am 17.09.09 wird H. sich nach einer letzten vor-
bereitenden Besprechung mit O.i.G. S. für den Be-

such bei INES
457

in DD telephonisch melden und

mit B. abstimmen, welche Strategie verfolgt wird

und was inhaltlich ausgesagt werden soll.“458

Der Zeuge Staatssekretär a. D. Dr. Wichert hat zu der

Zusammensetzung und dem Zweck der „Gruppe 85“ vor
dem Ausschuss erklärt:

„Ich wollte sicherstellen, dass eventuelle Anfragen
aus dem NATO-Bereich zentral und fachkundig

beantwortet würden. Ich hatte deshalb juristischen

und militärischen Sachverstand in dieser Gruppe

zusammengeführt, insbesondere durch einen

Oberst der Luftwaffe, der bereits Kommandeur der

Tornado der Bundeswehr in Afghanistan gewesen

war.“

„Ziel dieser Arbeitsgruppe war aber auch, nach
Möglichkeit sicherzustellen, dass die Untersu-

chung nicht einseitig zulasten der Bundeswehr und

von Oberst Klein ausfiel. Ich hatte zu Beginn […]
ernsthaft diese Sorge. Die vorschnellen Äußerun-

gen von General McChrystal verhießen zunächst
452) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 247.
453) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 252.

454) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 31.

455) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 248.
456) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 249.

457) Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen / GStA Dresden.

458) Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85 (Fn. 442), Bl. 250.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 77 – Drucksache 17/7400
nichts Gutes. Hierzu hatte sogar der Generalin-

spekteur nach meiner Erinnerung öffentlich Kritik

üben müssen, worauf die NATO zurückruderte.

Von General McChrystal war bekannt, dass er ei-

nen ungewöhnlich rauen Führungsstil hatte, und

ich hatte Zweifel, ob die ihm unterstellten Unter-

suchungsführer sich frei genug fühlten, um auch

Fehler aufseiten der NATO bzw. der Nationen, die

an dem Luftschlag beteiligt waren, offen und ehr-

lich darzustellen. Dass im Initial Action Team ein

Journalist der Washington Post embedded war, wie

man das nennt, der an internen Besprechungen

teilnehmen durfte, während andere Journalisten,

etwa von AP, den Saal verlassen mussten, weckte

zusätzlich mein Misstrauen. Denn dieser Journalist

hatte mit seinem Insiderwissen wenig freundliche

Artikel in den USA geschrieben, die an Vorverur-

teilungen der Soldaten der Bundeswehr grenz-

ten.“459

Staatssekretär Dr. Wichert ließ sich in unregelmäßigen

Abständen durch die Gruppe berichten, anfangs einmal

pro Woche, dann in längeren Zeiträumen. Ihm sei jedoch

nie etwas berichtet worden, was ihn zum Handeln hätte

zwingen oder veranlassen können.
460

3. Untersuchungsbericht zum „Close Air
Support Kunduz“ des Feldjägerführers, 4.
bis 9. September 2009

Am 4. und 5. September 2009 wurden durch den Führer

des deutschen ISAF-Kontingents, den Kommandeur des

Regionalkommandos Nord in Masar-i-Scharif, Brigade-

general Vollmer, Kräfte aus dem deutschen Einsatzkon-

tingent unter Leitung des Feldjägerführers des 20. Deut-

schen Einsatzkontingents, Oberstleutnant B., von Masar-i-

Scharif zum PRT Kunduz entsandt. Auftrag war es,

Oberst Klein bei der Aufklärung des Bombenabwurfs

vom 4. September 2009 mit Fachexpertise zu unterstützen

und offene Fragen vor Ort zu klären beziehungs-weise für

eine spätere Klärung zu sammeln.
461

Der Feldjägerführer des 20. Deutschen Einsatzkontin-

gents, der Zeuge Oberstleutnant B., hat in seiner Verneh-

mung vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:

„[…] General Vollmer hat sich von uns auch bera-
ten lassen. Er traf dann die Entscheidung, dass ein

insgesamt zehnköpfiges Team aus dem HQ RC

North nach Kunduz verlegt wird, unter meiner Lei-

tung […] Der Auftrag unseres Untersuchungs-
teams und Unterstützungsteams war genau zweige-

teilt. Zum einen hatte ich mit diesen insgesamt

neun weiteren, also gesamt zehn Kameraden den

Auftrag von General Vollmer erhalten, Oberst

Klein in der Nachbereitung dieses Bombenabwurfs

mit der mitgeführten Fachexpertise zu unterstüt-

zen. Alle Fähigkeiten, die wir mitgeführt haben
459) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 79.

460) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 95.

461) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 3.

waren im PRT Kunduz vorhanden. Es ging […]
General Vollmer darum, diese Expertise, die ihm

sehr wichtig erschien, dem Oberst Klein als PRT-

Kommandeur zusätzlich, also zur Verstärkung sei-

ner Kräfte, zur Verfügung zu stellen. Der zweite

Teil des Auftrages war, dass unter meiner speziel-

len Leitung und Führung alle Sachverhalte um den

Bombenabwurf, die sich vor Ort feststellen ließen

– eben genau das an Daten, an Dokumenten, an
Bild- und Videomaterial –, gesammelt, bei der spä-
teren Rückkehr nach Masar-i-Scharif dann auch

ausgewertet werden sollen, um das Lagebild von

General Vollmer vor Ort in Kunduz, im PRT Kun-

duz, auch zu verdichten. Dieser Auftrag wurde in

der Folge, als ich bereits in Kunduz war bzw. als

ich später am 6. September zurück nach Masar-i-

Scharif kam, zweimal erweitert: das erste Mal in

Kunduz im Verlaufe des Nachmittags des

4. September, als die Nachricht bekannt wurde,

dass aus dem HQ ISAF ein so genanntes Incident

Action Team, IAT, nach Kunduz verlegt wird, und

der Auftrag für mich bestand, all diese Gespräche,

die unter Führung des IAT geführt werden, wann

immer möglich, auch zu begleiten. Es war dort be-

reits die Absicht gewesen, dass auch Gespräche

stattfinden werden mit den afghanischen Offiziel-

len – District Manager, Provinzrat –, und genau
dazu, Teilnahme an diesen Gesprächen, war dieser

Auftrag von General Vollmer dann auch erweitert

worden.“462

Im Zuge seiner Untersuchung sei sein Auftrag erneut

erweitert worden:

„Die zweite Erweiterung fand dann statt am
6. September, zurück in Masar-i-Scharif, als von

General Vollmer entschieden wurde, dass alle we-

sentlichen Dokumente, die zwischen Deutschland,

dem HQ RC North in Masar-i-Scharif und dem

PRT Kunduz geflossen sind, in diesen von mir zu

erstellenden Bericht aufgenommen werden – das
sind im Wesentlichen die Anlagen, also die Anla-

gen zu meinem Bericht – und sie in die Auswer-
tung des Gesamtbildes mit einfließen zu lassen,

soweit sich daraus relevante Sachverhalte, mögli-

che unterschiedliche Bilder oder gar Widersprüche

ergeben würden.“463

Dem Feldjägerführer stellte sich sein Auftrag seitens

Brigadegeneral Vollmer zu keinem Zeitpunkt so dar, als

solle er in einer disziplinarrechtlichen Angelegenheit

ermitteln. Nach seiner Wahrnehmung gab es seitens Bri-

gadegeneral Vollmer keinen Anfangsverdacht für ein

Dienstvergehen oder eine Straftat durch Oberst Klein. Das

Thema „disziplinarrechtliche Ermittlungen“ habe zu kei-
nem Zeitpunkt eine Rolle gespielt.

464
Deshalb finde man

in seinem Bericht auch nie den Begriff eines „Ermitt-
lungsberichtes“. Dieser sei vielmehr eine Sachverhalt-
462) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 2 f.

463) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 2 f.

464) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 37.
Drucksache 17/7400 – 78 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sfeststellung gewesen zur Verdichtung des Lagebilds von

Brigadegeneral Vollmer.
465

Im Rahmen seiner Sachverhaltsfeststellungen führte der

Feldjägerführer Gespräche vor Ort. Hierzu gehörten Be-

fragungen des PRT Personals, nicht jedoch Vernehmun-

gen.
466

Ein Gesprächsversuch mit dem JTAC des PRT

Kunduz, Oberfeldwebel W., ging ins Leere. Der JTAC

fragte den Feldjägerführer, ob dieser in irgendeiner Weise

ermächtigt wäre, eine Vernehmung mit ihm durchzufüh-

ren, ob er ihm gegenüber aussagen müsse. Oberstleutnant

B. erklärte ihm, dass es sich lediglich um ein Gespräch im

Rahmen einer Sachverhaltsfeststellung handele. Ober-

feldwebel W. entschied sich daraufhin, gegenüber Oberst-

leutnant B. nichts auszusagen.
467

Wörtlich hat Hauptfeld-

webel W. erklärt:

„Am Morgen des 4. September stand in meinem
Büro plötzlich ein Feldjägerkamerad, der ver-

schiedene Dinge über Close Air Support allgemein

wissen wollte und auch zu verschiedenen Zusam-

menhängen der vorherigen Nacht. Ihm gab ich

keine Auskunft. Ihn habe ich darauf verwiesen,

dass ich erstens nicht weiß, wer er ist, was er hier

tut und dass das auch keine Sachen sind, die frei

zugänglich wären, sondern alle eingestuft. Ich ha-

be ihm deshalb keine Informationen dazu gege-

ben.“468

Die Gespräche mit anderen Angehörigen des PRT, etwa

dem Chef des Stabes PRT Kunduz, dem im PRT Kunduz

befindlichen Rechtsberater, dem Kompaniechef der Feld-

jägerkompanie und dem J3 des PRT Kunduz ergaben für

Oberstleutnant B. das Bild, dass von diesen niemand

Kenntnis darüber hatte, was in den Nachtstunden passiert

war.
469

Zu einem Gespräch mit Oberst Klein kam es trotz zweier

Versuche nicht. Aufgrund der laufenden Geschäfte und

Operationen im PRT konnte ein solches bis zum Eintref-

fen von Brigadegeneral Vollmer am Nachmittag des 5.

September 2009 im PRT nicht stattfinden.
470

Die Ergeb-

nisse der Gespräche meldete Oberstleutnant B. an Briga-

degeneral Vollmer, ebenso den Umstand, dass Oberfeld-

webel W. sich gegen eine Aussage entschieden und ein

Gespräch mit Oberst Klein nicht stattgefunden habe.
471

Der Zeuge Oberst i. G. Klein hat hierzu vor dem Untersu-

chungsausschuss wie folgt Stellung bezogen:

„Oberstleutnant B., der Feldjägerstabsoffizier aus
Masar, wurde mir als Unterstützung für mich, also

ausdrücklich nicht als eigenständiger Ermittler,

angekündigt. Er hatte keinen mir bekannten ei-

genständigen Ermittlungsauftrag, konnte aber an

allen wesentlichen Besprechungen teilnehmen –
465) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 3.
466) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11.

467) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11.

468) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 24.
469) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 31.

470) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 36.

471) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 16.

Sie kennen seine Protokolle – und hätte jederzeit
ausführlich auch mit mir oder anderem Schlüssel-

personal des PRT reden können, wenn er nur dar-

um gebeten hätte.“472

Am Rande des Auswertegespräches, das am Nachmittag

des 4. September 2009 zwischen Oberst Klein und dem

zurückgekehrten PsyOps-Team stattfand, erfuhr der Feld-

jägerführer Oberstleutnant B. erstmals von möglichen

zivilen Opfern.
473

Die Ergebnisse seiner Untersuchungen hielt der Feldjä-

gerführer in einem gleichnamigen Bericht fest.
474

Am

Abend des 9. September 2009 schloss Oberstleutnant B.

den Bericht ab und übergab ihn an Brigadegeneral Voll-

mer.
475

Nach Durchsicht durch Brigadegeneral Vollmer

überführte Oberstleutnant B. am 12. September 2009 das

Dokumente selbst als VS-Kurier nach Deutschland. Am

Flughafen Köln/Bonn habe er die als VS-Material versie-

gelten Dokumente an eine Feldjägerstreife übergeben,

welche den Bericht in der Nacht zum 13. September 2009

in der Operationszentrale des Einsatzführungskommandos

abgegeben habe.
476

4. Einleitung einer nationalen Untersuchung

Der Ausschuss hat untersucht, ob im Fall des Luftschla-

ges auch auf nationaler Ebene ermittelt wurde. Er ist der

Frage nachgegangen, ob auch eine wehrdisziplinarrechtli-

che Ermittlung eines Dienstvergehens von Oberst i. G.

Klein durchgeführt wurde.

a) Verlegung des Feldjägerführers durch den
Kommandeur RC North

Zunächst schickte General Vollmer unmittelbar nach dem

Luftschlag den Feldjägerführer, Oberstleutnant B. nach

Kunduz, um dort Untersuchungen durchzuführen. Die

Entsendung des Feldjägerführers hatte nach Aussage von

Brigadegeneral Vollmer keinen disziplinarrechtlichen

Hintergrund. Hierzu hat er dem Ausschuss erklärt:

„Disziplinar ist ja eine andere Stufe als Ermittlun-
gen insgesamt, und Ermittlungen waren in jedem

Fall durchzuführen, weil zu prüfen war das Einhal-

ten der Rules of Engagement, das Einhalten der

Verfahren vorher und nachher. Also, all diese Din-

ge galt es in jedem Fall zunächst mal neutral zu

untersuchen. Abgeleitet aus dem Ergebnis wäre

dann zu prüfen gewesen, ob in anderer Form Maß-

nahmen ergriffen werden müssen.“477

Auch der Feldjägerführer selbst, bestätigte vor dem Aus-

schuss, dass es zum damaligen Zeitpunkt keinerlei An-

fangsverdacht eines Dienstvergehens gegeben habe:
472) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 21.

473) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11.

474) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67).
475) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 15.

476) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 14 f.

477) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 40.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 79 – Drucksache 17/7400
„[…] dass der Auftrag, der von General Vollmer
erteilt wurde, […] zu keinem Zeitpunkt sich für
mich das Bild darstellte, dass bei General Vollmer

– und das hätte dann auch mein weiteres Handeln
bestimmen müssen – in der Vorgehensweise ein
Anfangsverdacht für ein Dienstvergehen oder gar

einer Straftat bei Oberst Klein vorlag. […], wes-
halb Sie in diesem Bericht, der von mir gefertigt

wurde, auch nirgends den Begriff eines Ermitt-

lungsberichts finden, sondern das ist eine Sachver-

haltsfeststellung gewesen zur Verdichtung […] des
Lagebildes von General Vollmer.“478

b) Kenntnis des INTSUM-Berichtes durch den
Kommandeur RC North

Die Einleitung auch disziplinarer Ermittlungen habe Bri-

gadegeneral Vollmer erst später erwogen, in Zusammen-

hang mit dem Inhalt eines INTSUM-Berichtes, der vom

PRT Kunduz sowohl in das Regionalkommando Nord als

auch an das Einsatzführungskommando in Potsdam

übermittelt wurde,
479

und ihm ein widersprüchliches La-

gebild geliefert habe:

„Am Abend des 4. bekomme ich vorgelegt einen
so genannten INTSUM, also Intelligence Summa-

ry, der von unten nach oben aufwächst, in dem Fall

jetzt aus dem PRT Kunduz über unser Hauptquar-

tier im Regionalkommando Nord, und dann wei-

tergeleitet wird an ISAF. Was ich dort gelesen ha-

be, widersprach dem, was bis dahin auch einer

meiner beiden Leitschnüre während des Tages

war, […].“480

Daraufhin veranlasste Brigadegeneral Vollmer eine Prü-

fung des INTSUM-Berichtes durch den Stab im PRT

Kunduz:

„Ich habe gesagt: Hier habt ihr das Papier noch
mal zurück – im übertragenen Sinne. Ich will wis-
sen: Ist das das, was jetzt auch der Kommandeur

des PRT Kunduz als seinen INTSUM rausgibt mit

der Bewertung „Es hat diese Opfer gegeben“?481

c) Absicht des Kommandeurs RC North, dis-
ziplinarrechtliche Ermittlungen einzuleiten

Der Umstand der widersprüchlichen Darstellung im Ge-

gensatz zu dem, was ihm Oberst Klein gemeldet hatte
482

,

gab Brigadegeneral Vollmer Anlass, auch eine disziplina-

re Ermittlung gemäß § 32 Abs. 1 Wehrdisziplinarordnung

(WDO)
483

gegen Oberst Klein einleiten zu wollen.

Dort heißt es in Satz 1:
478) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 3, 44.

479) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
480) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.

481) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 10.

482) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 65.
483) Wehrdisziplinarordnung vom 16. August 2001 (BGBl. I S. 2093),

zuletzt geändert durch Artikel 86 des Gesetzes vom 17. Dezember

2008 (BGBl. I S. 2586).

„Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht ei-
nes Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Diszip-

linarvorgesetzte den Sachverhalt durch die erfor-

derlichen Ermittlungen aufzuklären.“

Als Kontingentführer des deutschen Einsatzkontingents

ISAF war Brigadegeneral Vollmer für einfache Diszipli-

narmaßnahmen gegenüber Oberst Klein dessen nächster

Disziplinarvorgesetzter.
484

Seine Absicht teilte er dem Befehlshaber Einsatzfüh-

rungskommando, Generalleutnant Glatz telefonisch

mit:
485

„Bei General Glatz habe ich darüber auch meine
Verwunderung zum Ausdruck gebracht, meine,

dass ich gesagt habe, wir haben hier auf der einen

Seite die Meldung des PRT-Kommandeurs, der da

sagt, das war meine Beurteilung der Lage, und

deswegen konnte ich das tun, musste ich es tun,

und auf der anderen Seite haben wir jetzt etwas

ganz anderes aus seinem eigenen Stab, wo ich ihm

gesagt habe, das gebe ich ihm zurück und ich er-

wäge unter anderem jetzt, wenn ich den Verdacht

der Unwahrheit hier habe, disziplinare Ermittlun-

gen. Das war der Auslöser, und das war auch im

Kern das Gespräch mit General Glatz.“486

Die Begründung hat er vor dem Untersuchungsausschuss

vorgetragen:

„Und meine Meldung lautete jetzt als Disziplinar-
vorgesetzter: Ich muss und werde auch gegen den

Oberst Klein – auch durchaus zu seinem Schutz
später – disziplinar ermitteln: War das alles rech-
tens, was er dort gemacht hat: Verfahren, Rules of

Engagement, Verhalten danach und ähnliche Din-

ge mehr?
487

[…] Das war meine Absicht; dazu gab
es dann auch bereits einen Auftrag an den Rechts-

stabsoffizier.“488

d) Einstellung der Ermittlungen

aa) Befehl aus dem Bundesministerium der
Verteidigung

Den Befehl, keine nationale Untersuchung weiter durch-

zuführen, erteilte General Schneiderhan dem Einsatzfüh-

rungskommando. Generalleutnant Glatz habe diese dann

„runterübersetzt“ zu Brigadegeneral Vollmer.489 Die Er-
mittlungen seitens Brigadegeneral Vollmer wurden nach

dessen Darstellung am 7. September 2009 eingestellt, um

zunächst die Untersuchungen durch ISAF abzuwarten.
490

Zur Begründung führte Generalinspekteur Schneiderhan

gegenüber Generalleutnant Glatz aus, dass eine nationale
484) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 3.
485) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 44.

486) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 28.

487) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 5.
488) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 22.

489) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 30.

490) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 7 f.

Drucksache 17/7400 – 80 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Untersuchung hinter die ISAF-Untersuchungen zurück-

gestellt werden solle.
491

Vor dem Ausschuss hat General

Glatz ausgesagt:

„Das ist begründet worden mit der NATO-
Untersuchung, hinter die man das zurückstellen

solle. Ich habe eben gerade gesagt: Es gibt durch-

aus Analogien im deutschen Wehrdisziplinarrecht

im Vergleich mit Strafverfahren und anderen Ver-

fahren. Ich habe damals, nachdem diese Entschei-

dung gefallen war, das mit meinen Rechtsberatern

– das könnten Sie zur Not auch durch eine Ver-
nehmung klären – besprochen und habe gesagt:
Muss ich mich dieser Weisung eigentlich beugen?

Mir ist damals gesagt worden, aufgrund dieser

Analogien, die es gibt, dass diese Entscheidung

des Staatssekretärs rechtens sei, weil der Staatssek-

retär in Einsatzfragen und nach dem Berliner Er-

lass in Vertretung des Ministers auch in truppen-

dienstlichen Angelegenheiten Festlegungen treffen

kann. Diesem Ratschlag bin ich dann gefolgt.“492

Den Inhalt des Gesprächs mit Generalinspekteur Schnei-

derhan hielt Generalleutnant Glatz in einem Brief an

diesen fest. Darin heißt es:

„Nach meiner Erinnerung haben Sie [General
Schneiderhan, Anm.] mich am 7. 9. am späten

Nachmittag oder am 8. 9. vormittags angerufen

und mir mitgeteilt, dass eine nationale Untersu-

chung nicht durchzuführen sei und Oberst Klein

auch national nicht zu vernehmen sei. Dies habe

ich unverzüglich Herrn BG Vollmer umgesetzt, der

dann sofort die Untersuchung durch den Feldjäger-

führer i. E. eingestellt hat.“493

bb) Dissens im Ministerium

Auch seitens des Planungsstabes wurde Minister Dr. Jung

die Einleitung einer nationalen Untersuchung empfohlen.

Dies lehnte Minister Dr. Jung auf Vorschlag des General-

inspekteurs ab.
494

Von den bereits laufenden Ermittlungen des Feldjägerfüh-

rers habe Minister Dr. Jung nach Angaben General

Schneiderhans erst erfahren,

„als der Feldjägerbericht sozusagen körperlich
aufgeschlagen ist.“495

Dies hat der Zeuge Dr. Jung bestätigt:

„Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, dass mich am
5. Oktober der Generalinspekteur informiert hat

über den Bericht, auch gesagt hat, dass er – ich sa-
ge es jetzt mal allgemein – nicht vorteilhaft für un-
sere Soldaten war, und dass ich mich auch noch
491) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67.
492) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 78.

493) Schreiben Befehlshaber Einsatzführungskomando an Generalin-

spekteur vom 25. November 2009 (Dokument 75).
494) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21; Jung, Protokoll-Nr. 16,

Teil I, S. 6.

495) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 14.

darüber geärgert habe, dass es ihn überhaupt gibt,

[…].“496

Er habe erst später erfahren, dass der Feldjägerbericht

dem Generalinspekteur bereits seit dem 14. September

2009 vorlag.
497

Der Zeuge Schneiderhan hat hierzu erklärt:

„Das war eine abstrakte Verfahrensentscheidung
dass wir nicht national untersuchen. Das war ohne

Anlass. Das war eine Entscheidung. Die hat Wi-

chert mit mir zusammen dem Minister so vorge-

schlagen, und der hat es gebilligt. Dann erst kamen

ja die ganzen Meldungen und Berichte und Unter-

suchungen. Da wurde auch entschieden, dass der

Klein jetzt nicht verhört werden kann.“498

Der Zeuge Dr. Wichert hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss bestätigt,

„dass es im Ministerium eine Diskussion gab: Ma-
chen wir eine eigene Untersuchung oder nicht?

Das habe ich gesagt. Mein Votum, mein Votum

war: Das machen wir nicht. – […] Ich kann mich
nicht entsinnen, […], dass bei meinem Votum,
keine eigene Untersuchung zu ma-

chen, ein laufender Feldjäger -

Untersuchungsbericht bereits zur Sprache kam.

Daran kann ich mich nicht entsinnen. Aber ich

stand und stehe auch heute dazu, dass ein eigener

Untersuchungsbericht parallel zu den Untersu-

chungen der NATO keinen Sinn gemacht hätte.

Das war mein Votum. Dem ist dann ja auch Minis-

ter Jung gefolgt.“

Auf die Frage, wer die nationale Untersuchung unterbun-

den hat, gab der Zeuge Schneiderhan an, es sei eine ge-

meinsame Entscheidung von ihm und Staatssekretär

Dr. Wichert gewesen, die vom Minister gebilligt wur-

de.
499

Dem hat Staatssekretär Dr. Wichert widersprochen.

Dass er eine laufende Untersuchung der Feldjäger ge-

stoppt habe, sei nach der Wahrnehmung Dr. Wicherts

nicht richtig.
500

Der Zeuge Dr. Jung hat hierzu erklärt:

„Ich habe keine Untersuchung gestoppt. Ich sage
Ihnen, dass wir von Anfang an darüber gesprochen

haben, dass wir keine eigene Untersuchung ma-

chen, und wenn ich sage ‚wir„, waren das sowohl
der Staatssekretär als auch der Generalinspekteur.

Dann habe ich nachher erfahren, hat mir der Gene-

ralinspekteur gesagt, dass es dann offensichtlich

doch dort eine Untersuchung ja gegeben hat, die er

aber auch dann unterbunden hatte, weil wir besp-

rochen haben: Es gibt keine eigene Untersuchung.

– Deshalb habe ich mich ja auch so geärgert, dass
496) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 22.

497) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 27.
498) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 10.

499) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 30.

500) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 100.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 81 – Drucksache 17/7400
es die trotzdem gab. Deshalb haben wir dann ja

auch gesagt, weil diese Untersuchung eben nicht

unbedingt vorteilhaft war, da wir alles auf die

NATO konzentriert haben, dass wir diesen Bericht

auch der NATO zugänglich machen und den nicht

sozusagen unter den Tisch fallen lassen.“501

Auf die Frage, ob es richtig sei, dass er sich für den ab-

strakten Vorgang „Nationale Untersuchung“ das Plazet
vom Minister habe geben lassen und – nach Kenntniser-
langung vom begonnenen Bericht – diesen gestoppt habe,
ohne von diesem Vorgang dann unmittelbar dem Minister

zu berichten, der Minister gewissermaßen nicht nur einen

abstrakten Vorgang, sondern unwissend eine schon lau-

fende Untersuchung abgebrochen habe, hat der Zeuge

Schneiderhan geantwortet:

„Wenn Sie das so sagen, muss ich mir den Vor-
wurf wohl gefallen lassen.“502

cc) Begründung des Einstellungsbefehls sei-
tens des Bundesministeriums der Vertei-
digung

Generalinspekteur Schneiderhan sei seinerzeit der Auf-

fassung gewesen, Brigadegeneral Vollmer habe den Feld-

jägerführer zur Unterstützung nach Kunduz geschickt,

nicht zur Untersuchung gegen Oberst Klein. Oberstleut-

nant B. habe seinen Auftrag fehlinterpretiert, indem er

unangemessene Anklagepunkte im Feldjägerbericht fest-

gehalten habe.
503

Wörtlich hat der Zeuge Schneiderhan

dem Ausschuss erklärt:

„Ich will es noch mal klarstellen: In unserer Ent-
scheidung ‚keine nationale Untersuchung„ stand
obendran nicht der Feldjägerbericht, sondern die

Entscheidung: keine nationale Untersuchung.

Wenn man die getroffen hat, ist es konsequent und

logisch, den Feldjäger einzustellen, genauso wie

man dann sagt: Es wird nicht disziplinar ermittelt.

– Wir haben uns nicht über die Formen, nicht über
die Menschen und nicht über die Berichte unter-

halten, sondern über die Tatsache, dass es keine

nationalen Paralleluntersuchungen zu ISAF gibt.

Und eine solche wäre der Feldjäger gewesen, und

deshalb wurde er in diesem Verständnis unterbun-

den. So ist der Arbeitsablauf gewesen. Und über

das erste Grundsätzliche gab es Einverständnis,

Wichert und ich. Ich glaube auch, dass der Minis-

ter Jung darüber informiert wurde. Das, meine ich,

hätte Wichert gemacht; das weiß ich jetzt aber

auch nicht mehr. Und ich habe dann mit Glatz über

dieses Thema gesprochen, […].“504
501) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 19.
502) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 18.

503) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 3 f.

504) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 5.

dd) Keine Kenntnis des Befehls seitens des
Feldjägerführers

Oberstleutnant B. erhielt nach eigenen Angaben nie einen

solchen Auftrag seitens Brigadegeneral Vollmer. Ihm sei

nicht zur Kenntnis gelangt, dass er die Ermittlungen ein-

stellen solle, dass nunmehr die NATO untersuche und es

keine nationale Untersuchung gebe.
505

Vor dem Untersu-

chungsausschuss hat der Zeuge Oberstleutnant B. erklärt:

„Ich stimme nicht zu, das es einen derartigen Auf-
trag oder klaren Befehl oder – ich überlege jetzt
gerade – selbst zwischen den Zeilen Gesprochenes
des General Vollmer an mich gegeben hat.“506

Brigadegeneral Vollmer hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss dargestellt, es habe seinerseits einen Auftrag an

Oberstleutnant B. gegeben:

„Aus meiner Erinnerung: Ja. Ich meine, mich dar-
an erinnern zu können, kann Ihnen aber nicht das

Datum dazu sagen; denn nur aufgrund dessen ha-

ben wir ihn ja auch zurückgeholt aus Kunduz. An-

sonsten hätte er ja da selbstständig seinen Auftrag

abgebrochen. Das tut er nicht. Also muss ich ihm

zu gegebener Zeit das umgesetzt haben, befohlen

haben: Einstellen, zurückkehren, und damit ist das

ausgesetzt. – Also, das ist eindeutig. Das ist von
mir an Oberstleutnant B. auch so weitergegeben

worden.“507

ee) Abweichende Ansicht des Befehlshabers
Einsatzführungskommando der Bundes-
wehr

Generalleutnant Glatz hingegen habe großes Interesse an

der Einleitung einer nationalen Untersuchung gehabt und

bedauere, dass eine solche bis zum Zeitpunkt seiner Ver-

nehmung durch den Untersuchungsausschuss nicht erfolgt

sei.
508

Vor dem Untersuchungsausschuss hat er erklärt:

„Wenn es eine nationale Untersuchung gegeben
hätte und wenn diese nationale Untersuchung ge-

führt worden wäre, dann wäre ich als truppen-

dienstlich verantwortlicher Vorgesetzter dafür ver-

antwortlich gewesen, diese Untersuchung zu füh-

ren. Sie ist aber bis heute nicht geführt worden. Ich

habe nicht das Privileg gehabt, zum Beispiel, wie

Sie, den Oberst Klein zu vernehmen. Ich habe

nicht das Privileg gehabt, wie Sie, den Oberfeld-

webel W. zu vernehmen. Das heißt, mir fehlen eine

ganze Reihe von Kenntnissen und Einschätzungen,

um zu einem Urteil zu kommen.“509

Am 5. Oktober 2009 gab der Befehlshaber Einsatzfüh-

rungskommando Generalleutnant Glatz eine rechtliche

Bewertung des Feldjägereinsatzes durch das Regional-

kommando Nord in Auftrag. Darin heißt es:
505) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 19.

506) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 18.
507) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 8.

508) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 85.

509) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 74.

Drucksache 17/7400 – 82 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„3. Die Weisungsgrundlage für die Funktion und

die Tätigkeit der Military Police im Bereich

des RC N ergibt sich aus den HQ ISAF SOP

360 und RC N SOP 363. Hierbei wird festge-

legt, dass die MP neben der direkten Unters-

tützung der Auftragserfüllung im Rahmen der

Operationsführung, auch Untersuchungs- und

Ermittlungsfähigkeiten bereitzuhalten hat.

[…].

5. Im Rahmen der Unterstützung des Stabs RC

N und unter Abstützung auf die spezifischen

Fähigkeiten müssen die vorhandenen MP-

Kräfte zur Untersuchung eines derartigen

Ereignisses herangezogen werden. Bei dem

Bombenabwurf handelt es sich, wie auch in

der RC N SOP 363 aufgeführt, um ein in der

Öffentlichkeit und aufgrund der eingetretenen

Folgen, schwerwiegenden Sonderfall. Ein

solcher Sonderfall führt im Normalfall zur

Erstellung eines Military Police Incident Re-

port. Dieser soll so schnell als möglich erstellt

werden. Daran anschließen kann sich MP-

Report, mit den gewonnenen und abgeschlos-

senen Untersuchungsergebnissen. […].

7. Im vorliegenden Fall ist allerdings nach Ein-

treffen des IAT von den o. a. Möglichkeiten

kein Gebrauch gemacht worden. Insbesondere

wurden auch keine Ermittlungen nach natio-

nalen Vorschriften, z. B. disziplinare Ermitt-

lungen mit Unterstützung der MP vorgenom-

men, welche laut o. a. SOP in Verantwortung

der TCN gelegen hätten.

8. Daher wurde der PM [Provost Marshal –
Anm.] zulässigerweise als Beauftragter und

Beobachter des COM RC N eingesetzt, wel-

cher die gewonnenen Erkenntnisse zur Infor-

mation aufbereitet hat.“510

Generalleutnant Glatz wies am gleichen Tage an, diese

Bewertung der Adjutantur des Generalinspekteurs zu-

kommen zu lassen.
511

e) Unterscheidung zwischen Ermittlungen
des Feldjägerführers und nationaler Unter-
suchung

Um den Unterschied zwischen den Ermittlungen des

Feldjägerführers, aus denen der „Feldjägerbericht“ resul-
tierte und parallelen nationalen Untersuchungen – etwa
disziplinarrechtlichen – zu verdeutlichen, hat General
Schneiderhan vor dem Ausschuss ausgeführt:

„Wir müssen den Feldjägerbericht von anderen
Untersuchungen, die wir nicht gemacht haben,

jetzt trennen. Der Staatssekretär Wichert kannte

den Feldjägerbericht nicht. Auch das war meine
510) Einsatzführungskommando, Rechtliche Bewertung des Feldjäger-

einsatzes, Vermerk vom 5. Oktober 2009 (Dokument 76).

511) Rechtliche Bewertung (Fn. 510), Bl. 26 f.

Entscheidung; das ist mein Ding. […] Das andere
waren die Untersuchungen, die ich vorher andeute-

te – […] –, die in den disziplinaren Bereich hi-
neingegangen wären. Wir müssen sorgfältig tren-

nen. Den Feldjägerbericht habe ich aus dem Ver-

kehr gezogen und dahin geschickt, wo er ausge-

wertet gehört Und der hat ja dann auch gemeldet –
[…] –, dass der Bericht eingegangen ist und ein-
gestampft werden konnte. Damit war das für mich

auch erledigt mit dem Feldjägerbericht. Das andere

waren parallele nationale Untersuchungen, unter

Umständen sogar – […] – disziplinarrechtliche
Untersuchungen. Und das – das bleibt meine
Überzeugung – konnte zu diesem Zeitpunkt nicht
sein.“512

Zur Verdeutlichung des Unterschiedes zwischen einer

nationalen und einer NATO-Untersuchung hat General

a. D. Schneiderhan dem Untersuchungsausschuss erklärt:

„Nationale Untersuchungen folgen den internatio-
nalen Untersuchungen. Deshalb musste auch der

Feldjägerbericht […] dorthin gegeben werden, wo
die Verantwortung für die Untersuchung in der

Phase 1 lag, nämlich bei der NATO; dies tat er,

und dies tat er auch voll inhaltlich. Diese interna-

tionale Führungsstruktur wird erst verständlich in

ihrer Komplexität, wenn man die nationale dane-

benstellt.“513

Auf die Frage, wie es möglich sei, dass von deutscher

Seite ein Bericht, den der Provost Marshall erstellt, von

deutscher nationaler Seite gestoppt werde und nicht von-

seiten des COM ISAF, hat der Zeuge Schneiderhan er-

klärt, er habe nicht die Arbeit des Oberstleutnant B. als

Provost Marshall unterbunden, sondern den von Oberst-

leutnant B. auf deutsch abgefassten Bericht an Deutsche

gestoppt.
514

Zu seinem Umgang mit dem „Feldjägerbericht“ hat der
Zeuge Schneiderhan erklärt, dass er die Verantwortung

auf sich nehme, dass er so lange gebraucht habe, so lange

„gekäfert“ habe bis zu diesem „Feldjägerbericht“, bis er
dann den Weg gegangen sei, den er gegangen sei.

515
Staatssekretär Dr. Wichert war sich mit dem Generalin-

spekteur entgegen der militärischen Einschätzung von

Generalleutnant Glatz und Brigadegeneral Vollmer einig,

eine nationale Untersuchung ergebe keinen Sinn, nach-

dem COM ISAF angekündigt hatte, er mache einen eige-

nen Bericht auf der Basis des Berichts des Initial Action

Teams. Vielmehr habe man die ISAF-Untersuchung ab-

warten wollen. So habe er auch beim Minister votiert. Er

hat sich vor dem Ausschuss überrascht gezeigt über den

Umstand, dass auch die Untersuchungen der Feldjäger

abgebrochen worden seien. Wörtlich hat er ausgesagt:

„Dass dann umgesetzt wurde, nun sollen auch die
Feldjäger nicht weitermachen, das ist nicht zu
512) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 38 f.
513) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 4 f.

514) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 33.

515) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 45.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83 – Drucksache 17/7400
meiner Kenntnis gekommen, […]. Aber dass ein
Feldjägerbericht abgebrochen wurde oder eine

Feldjägeruntersuchung abgebrochen wurde, das

höre ich von Ihnen jetzt […] zum ersten Mal; denn
ich kann nur wiederholen, was ich vorhin sagte:

‚Wenn ich eine nationale Untersuchung für erfor-
derlich gehalten hätte, dann hätte ich dort ein ganz

anderes Team zusammengestellt, in dem vielleicht

auch Feldjäger gewesen wären, weil wir dort ge-

wisse forensische Erfahrungen inzwischen ange-

häuft haben.„ Aber eine nationale Untersuchung zu
dem Vorfall wäre natürlich nicht federführend in

die Hand der Feldjäger gelegt worden.“516

Paralleluntersuchungen durch die Bundeswehr seien ihm

nicht sinnvoll erschienen, da es niemals Zugang zu den

Quellen auf amerikanischer Seite gegeben hätte, insbe-

sondere was die Luftkriegsführung angehe oder die Vor-

gänge in den Befehlszentralen der Luftoperation.
517

Er

habe sich jedoch immer vorbehalten – sollte die NATO-
Untersuchung unvollständig, unfair, oder zulasten der

Bundeswehr sein, dann werde man eine eigene Untersu-

chung machen.
518

Zum Unterschied zwischen einer umfassenden nationalen

Untersuchung und dem Feldjägerbericht hat Dr. Wichert

erklärt:

„Die Feldjäger können doch nur einen ganz klei-
nen Teil abdecken. Ich sagte vorhin ja schon: Dass

die Feldjäger bei einem solchen Zwischenfall vor

Ort sind in angemessener Zeit, das ist Handwerk,

das ist selbstverständlich. Immer, wenn wir Zwi-

schenfälle haben, wenn auf Patrouillen geschossen

wird, wenn wir afghanische Bürger verletzen oder

gefährden, Verkehrsunfall, ist das Sache der Feld-

jäger. So ist es nur selbstverständlich, dass auch

bei diesem Vorfall die Feldjäger vor Ort waren.

Alles andere wäre also contra legem artis gewe-

sen.“519

5. Sonstige Untersuchungen

Parallel zu den Untersuchungen der ISAF führten die

afghanische Regierung, die Vereinten Nationen und das

Internationale Komitee des Roten Kreuzes eigene Unter-

suchungen vor Ort durch.
520

a) Untersuchung der afghanischen Regie-
rung, 4. September 2009

Auf Anordnung des Präsidenten der islamischen Republik

Afghanistan, Hamid Karzai, begab sich am 4. September

2009 eine nationale Untersuchungskommission in den

Distrikt Chahar Darreh der Provinz Kunduz.
516) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 29.
517) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 83.

518) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 91.

519) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 103.
520) Schneiderhan, Unterrichtung des Verteidigungsausschusses des

Bundestages am 8. September 2009, Kurzprotokoll-Nr. 16-112

(Dokument 77), S. 10.

Der durch die Untersuchungskommission vorgelegte

Bericht
521

datiert vom 10. September 2009 kam zu dem

Ergebnis, dass die Entführung der Tanklastzüge durch die

Taliban als Straßenräuberei und eine Tat gegen die Stabi-

lität, Sicherheit und Staatsgewalt in der Region gesehen

werde. Bei dem Luftangriff seien mehr als 150 Personen

getötet oder verletzt worden. Unter den Toten seien 69

Taliban gewesen, wovon 44 bewaffnet gewesen seien.

Von den zivilen Anwohnern seien 30 Personen getötet

und neun verletzt worden.

Der Angriff habe sich nicht gegen Zivilisten, sondern

gezielt gegen Taliban und deren Anhänger gerichtet. Die

Koalitionsstreitkräfte hätten eine umfassende Aufklärung

des Feindes am Ort durchgeführt und größte Anstrengun-

gen unternommen, zivile Verluste zu vermeiden. Mit dem

Luftschlag hätte der Feind wichtige Figuren seiner im

Aufbau befindlichen Strukturen verloren. Insgesamt sei

dieser Angriff ein „tödlicher und vernichtender Schlag“
gegen das sich im Aufbau befindliche Taliban-Netz ge-

wesen.
522

b) Untersuchung der Vereinten Nationen,
10. September 2009

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan

(UNAMA) sammelte Informationen über mögliche zivile

Opfer des Luftanschlags vom 4. September 2009. Über

die Art und Weise der Erhebungen ist dem Ausschuss

nichts bekannt geworden. Vorgelegt worden ist dem Aus-

schuss eine Liste vom 9. September 2009 mit den Namen,

Alter, Beruf und Anschrift von 109 Personen, die bei dem

Luftanschlag getötet, sowie von 33 Personen die verletzt

worden sein sollen.
523

Diese Liste erhielt der zivile Leiter

des PRT Kunduz, der Vortragende Legationsrat D., am

12. September 2009 von der UNAMA-Missionsleiterin

und leitete sie am selben Tag an das Auswärtige Amt

weiter.
524

In ihrem Jahresbericht 2009 über den Schutz von Zivilis-

ten im bewaffneten Konflikt spricht sie davon, dass der

Luftangriff nahe Omer Khel am 4. September 2009 das

Leben von vermutlich 74 Zivilisten gefordert habe, wo-

runter viele Kinder seien.
525

Der zivile Leiter des PRT Kunduz, der Zeuge D., teilte in

seiner E-Mail an das Länderreferat des Auswärtigen Am-

tes vom 12. September 2009 mit:

„[…] heute erhielt ich von der hiesigen UNAMA-
Leiterin eine ihr vom Manager des Distrikts Cha-

har Darreh überlassene Liste möglicher Opfer des

ISAF-Luftangriffs auf zwei geraubte Tanklastzüge

in der Nacht vom dritten auf den vierten Septem-
521) „Karzai-Bericht” (Fn. 122, Dokument 53).
522) „Karzai-Bericht” (Fn. 122, Dokument 53), Bl. 6.
523) E-Mail des zivilen Leiters PRT KDZ an AA-Referat 343 vom 12.

September 2009 mit UNAMA-Bericht über die Folgen des Ang-

riffs (Dokument 78).

524) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 11, 15.
525) UNAMA, Human Rights Kabul, Annual report on Protection of

Civilian in armed conflict, 2009 aus dem Januar 2010, S. 17 f.

(Dokument 79).
Drucksache 17/7400 – 84 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ber 2009 in Kunduz. […] Fraglich ist, wie die Lis-
te zu Stande gekommen ist (vermutlich auf der Ba-

sis von Befragungen der Bewohner in den umlie-

genden Dörfern durch Polizei und/oder Distrikt

Manager). […] Die Leiterin von UNAMA Kunduz
teilte mit, dass zu dieser Liste bereits ein Treffen

zwischen UNAMA und ISAF in Kabul stattgefun-

den hat. Eine Kommentierung seitens UNAMA zu

der Liste gebe es bislang nicht. Die Menschen-

rechtsabteilung von UNAMA arbeite aber an einer

ersten Bewertung der Liste.“526

c) Untersuchung des Internationalen Komi-
tees des Roten Kreuzes

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK)

führte Untersuchungen durch. Das Ergebnis ist in einem

als VS-Vertraulich eingestuften Bericht niedergelegt und

dem Untersuchungsausschuss vorgelegt worden.
527

V. Unmittelbare Folgen des Luftangriffs

Die genaue Anzahl der durch den Luftangriff getöteten

und verletzten Menschen erwies sich als nicht feststellbar.

Ebenso wenig hat der Untersuchungsausschuss abschlie-

ßend feststellen können, bei wie vielen Opfern es sich um

Taliban oder um Zivilisten gehandelt hat (zur Schwierig-

keit der Unterscheidung siehe oben: III.4.c)bb)aaa), S. 55)

Die aus den verschiedenen Untersuchungen hervorgegan-

genen Berichte sowie die hierzu befragten Zeugen treffen

unterschiedliche Aussagen. Die Angaben variieren hierbei

zwischen insgesamt 14 und 142 Toten und zehn bis 33

Verletzten. Die Zahl der getöteten und verletzten Zivilis-

ten rangiert zwischen 14 bis 113 Toten und vier bis neun

Verletzten. Die Quellen, die dem Ausschuss zur Verfü-

gung gestanden haben, geben keinen zuverlässigen Auf-

schluss darüber, wie der jeweilige Status der Opfer ermit-

telt wurde.

1. Erkenntnisse des PRT Kunduz

a) Battle Damage Assessment Team

Das seitens des PRT Kunduz eingesetzte Battle Damage

Assessment Team, das am Vormittag des 4. September

den Einschlagsort untersuchte, fand dort kaum mehr Spu-

ren des Luftschlages vor.
528

Die vorgefundenen Spuren

ließen lediglich den Schluss auf 12 oder 14 getötete Per-

sonen zu.
529
526) E-Mail ziviler Leiter PRT KDZ an AA-Referat 343 (Fn. 523).

527) Mat. 17-14/14a, Tgb.-Nr. 01/10 – VS-VERTRAULICH.
528) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.

529) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 38.

b) Tactical Psychological Operations Team
des PRT Kunduz

Das Tactical Psychological Operations Team (TPT) des

PRT Kunduz ermittelte auf der Grundlage von Befragun-

gen der Bewohner des Dorfes Haji Amanmulla, eine Zahl

von 14 getöteten und vier verletzten Zivilpersonen aus

diesem Dorf.
530

Nach Informationen des Teams habe es

Kinder gegeben, die ihrem Vater aus Neugierde auf die

Sandbank gefolgt seien. Sie seien unter den Opfern des

Luftschlages.
531

Die Ergebnisse der Ermittlungen wurden

im anschließenden Auswertegespräch mit Oberst Klein im

PRT Kunduz vorgetragen.
532

Oberst Klein sei sehr be-

stürzt gewesen, als ihm von möglichen zivilen Opfern

berichtet wurde.
533

Der Leiter des TPT des PRT Kunduz, der belgische Stabs-

feldwebel B., hat hinsichtlich der Frage ziviler Opfer des

Luftangriffs in seiner Vernehmung vor dem Untersu-

chungsausschuss darauf hingewiesen, dass seine Untersu-

chung nur ein Teil der gesamten Untersuchung gewesen

sei. Es seien immer wieder andere Opferzahlen genannt

worden.
534

Es sei auch über vermutliche Opfer aus ande-

ren Dörfern gesprochen worden.
535

Der Zeuge fertigte in

seiner Eigenschaft als Leiter TPT Kunduz einen Bericht,

der auch eine Liste mit den Namen der Opfer enthält.
536

Anschließend schickte er diesen an das PRT Kunduz.
537

Der GEHEIM eingestufte Bericht ist dem Untersuchungs-

ausschuss vorgelegt worden und in die Beweisaufnahme

eingeflossen.

2. Erkenntnisse ISAF

a) Initial Action Team

Beim Eintreffen des Erkundungsteams auf der Sandbank

waren dort nur noch wenige Spuren des Luftschlages

vorhanden. Vor allem befanden sich dort zerstörtes und

ausgebranntes Material, die Tanklastzüge, ein Traktor und

Tierkadaver. Es fanden sich weder verletzte noch getötete

Personen vor Ort. Auf die Soldaten machte der Ereignis-

ort einen vielmehr „klinisch gereinigten“ Eindruck.538

Der Besuch des Initial Action Teams (IAT) im Provinz-

krankenhaus Kunduz am 5. September 2009 lieferte Er-

kenntnisse über verletzte Personen die zum Teil von de-

nen des Vortages abwichen. Gegenüber dem IAT wurde

von zwei Toten, acht von ihren Familien bzw. vom IKRK

nach Kabul verbrachten Verletzten und zwei im Hospital
530) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24; Auswertegespräch Kdr PRT

KDZ (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43.

531) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 31.

532) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35; Auswertegespräch Kdr PRT
KDZ (Fn. 395), Bl. 42.

533) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.

534) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 26.
535) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 32.

536) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24; angekündigt im Auswertege-

spräch Kdr PRT KDZ (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43.
537) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.

538) Auswertegespräch Kdr PRT KDZ (Fn. 395), Bl. 43; B., Protokoll-

Nr. 39, Teil II, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85 – Drucksache 17/7400
verbliebenen Verletzten berichtet. Diese Personen und

ihre anwesenden Verwandten gaben an, dass die nächtli-

che Information über kostenlosen Betriebsstoff sehr

schnell in den umliegenden Dörfern weitergegeben wor-

den sei und sich daher zahlreiche Zivilpersonen zum

Zeitpunkt der Bombenexplosion auf dem Weg oder um

den Ort des Vorfalls herum aufgehalten haben sollen.
539

Das deutsche Mitglied im IAT, Oberst i. G. N., präzisierte

in seinem Bericht:

„Am Vormittag des 5. September waren gegen
9 Uhr von den 12 eingelieferten Patienten vom

Vortag nur noch zwei anwesend. Nach Aussage

des Leiters des Krankenhauses starben zwei von

den Eingelieferten, vier wurden noch am 4. Sep-

tember durch ihre Angehörigen nach Kabul zur

Behandlung gebracht, vier weitere Personen wur-

den durch das IKRK nach Kabul verlegt.“540

Aus einem Gespräch mit den Distriktmanagern Chahar

Darreh und Aliabad ergab sich, dass ca. 80 Taliban getö-

tet wurden, darunter angeblich vier „foreign fighters“. 14
Bewohner der Ortschaft Quara Qheslag seien in der Nacht

von den Taliban gezwungen worden, sie bei der Bergung

der Tank-LKW bzw. der Ladung zu unterstützen, und

seien bei dem Luftschlag ums Leben gekommen.
541

Gegen 14 Uhr am 5. September 2009 sprach das IAT mit

Vertretern des Provinzrates Kunduz.
542

Hieraus ergab sich

eine Gesamtzahl von 73 Toten. Die Vertreter gingen da-

von aus, dass es sich bei den Toten ausschließlich um

Aufständische handeln müsse, da Zivilbevölkerung um

diese Uhrzeit auszuschließen sei. Auch die Kinder und

Heranwachsenden unter den Verletzten seien keine „Un-
beteiligten“ gewesen.543

Abweichend hiervon hat die Zeugin Dr. Erfan, ebenfalls

Mitglied im Provinzrat Kunduz, gegenüber dem Untersu-

chungsausschuss folgendes ausgesagt:

„Sie wissen, dass wir einen Fastenmonat Ramadan
haben. Der Monat ist natürlich heilig. Man wacht

aber auf um die Uhrzeit. Vor dem Morgengrauen

muss man natürlich noch einmal essen. Aufgrund

der Armut, nachdem man das gehört hat und es

viel Krach gegeben hat, sind die Leute halt dorthin

und am Geschehensort erschienen.
544

[…] Sie sind
wegen des Benzins dort hingegangen. Die Leute

sind sehr arm, und das war dann eine gute Gele-

genheit, etwas Benzin abzuzapfen.“545

Am Ende veranschlagte das IAT die Zahl der Getöteten

aufgrund der gewonnenen ersten Eindrücke auf 125. Be-
539) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 7.
540) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 4 f.
541) „N.-Bericht“ (Fn. 141), Bl. 5 f.
542) Gesprächsprotokoll des Feldjägerführers: Auswertegepräch IAT

mit Vertretern Provinzrat KDZ und mit Vertretern AFG Ermitt-

lungsteam aus KBL, Anlage 27 zum „Feldjägerbericht“
(Dokument 80).

543) Auswertegespräch IAT (Fn. 542), Bl. 63 f.

544) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 6.

545) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.

reits zu Beginn stellte das IAT fest, dass es absolut keinen

Zweifel daran habe, dass eine große Anzahl an Aufständi-

schen getötet und verletzt wurde. Es ging allerdings mit

„an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ davon aus,
dass auch Zivilpersonen getötet und verletzt wurden.

546
b) Erkenntnisse des Joint Investigation
Board

Dem ISAF-Untersuchungsbericht ist zu entnehmen, dass

die Quellenangaben zu unbeteiligten Opfern zwischen 17

und 142 Getöteten oder Verwundeten variieren.
547

3. Erkenntnisse der afghanischen Untersu-
chungskommission

Der Untersuchungsbericht für den Präsidenten der islami-

schen Republik Afghanistan Hamid Karzai
548

hält folgen-

den Überblick über die Personenschäden infolge der

Bombardierung fest:

– getötete Taliban: 69 Personen,

– getötete Anwohner: 30 Personen,

– verwundete Taliban: 11 Personen,

– zivile Verwundete: neun Personen,

– Gesamtzahl der getöteten und verwundeten Taliban:
80 Personen,

– Gesamtzahl der getöteten und verwundeten Anwoh-
ner: 39 Personen.

549
4. Erkenntnisse der Vereinten Nationen

Dem Ausschuss hat eine Liste für die UN-Mission

UNAMA vorgelegen, die zu 109 getöteten und 33 verletz-

ten Personen, also insgesamt 142 geschädigten Personen,

gelangt. Auch darin wird nicht zwischen Aufständischen

und Zivilisten differenziert. Diese Liste soll der UNAMA-

Leiterin in Kunduz vom Manager des Distrikts Chahar

Darreh überlassen worden sein. Erkenntnisse, wie diese

Liste zu Stande gekommen kam, liegen nicht vor. Wahr-

scheinlich dürfte sie ebenfalls auf Befragungen der Be-

wohner in den umliegenden Dörfern durch den Distrikt-

manager oder die Polizei beruhen. Eine Kommentierung

seitens der UNAMA liegt nicht vor.
550
546) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415, Doku-

ment 69), Bl. 52 f.

547) Dienst vor der Bundespressekonferenz am 30. Oktober 2009

(Dokument 81). Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.
548) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53).
549) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53), Bl. 2; Schneiderhan,

Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.
550) UNAMA-Bericht (Fn. 523, Dokument 78), Bl. 3; vgl. auch:

Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122), S. 39.
Drucksache 17/7400 – 86 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Erkenntnisse der afghanischen unabhän-

gigen Menschenrechtskommission AIHRC

Der Bericht der afghanischen unabhängigen Menschen-

rechtskommission AIHRC, an der sich auch die Bundes-

regierung im Rahmen ihrer „freiwilligen humanitären
Unterstützungsleistungen“ orientiert, listet 102 Tote als
Opfer des Luftangriffs namentlich auf.

551
6. Erkenntnisse des Internationalen Roten
Kreuzes

Die Ergebnisse der Untersuchung des Komitees des Inter-

nationalen Roten Kreuzes sind in einem VS-

VERTRAULICH eingestuften Bericht festgehalten.

7. Sonstige Erkenntnisse

a) HUMINT-Kontakt

Der HUMINT-Kontakt meldete unmittelbar nach dem

Bombenabwurf, es habe etwa 70 Tote gegeben, dabei

zwei Führer der Aufständischen, und keine zivilen Op-

fer.
552

b) Zeugin Dr. Habibe Erfan

Die Zeugin Dr. Erfan, Mitglied des Provinzrates Kunduz,

war hinsichtlich des Luftangriffs Zeugin vom Hörensa-

gen. Sie hat berichtet, dass die Bevölkerung sie aufgrund

ihrer Mitgliedschaft im Provinzrat Kunduz (Schura) gebe-

ten habe, hinsichtlich der Folgen des Luftangriffs für die

örtliche Bevölkerung tätig zu werden.
553

Im Rahmen ihrer

Nachforschungen vor Ort habe sie festgestellt, dass nur

wenige Taliban durch den Luftschlag getötet worden

seien und dass es sich bei der Mehrzahl der Opfer um

solche aus der Zivilbevölkerung handele. Genaue Anga-

ben über die Anzahl der getöteten Taliban habe sie

nicht
554

:

„Die Taliban haben ja natürlich keinerlei Ver-
bindung zu uns gehabt, sodass wir diese Zahlen

vonseiten der Taliban nicht haben.
555

[…] Wir
können doch nicht zu den Taliban gehen und In-

formationen über sie holen. Wir sind aber hinge-

gangen und haben mit den lokalen Persönlichkei-

ten gesprochen und haben gefragt, was da los war.

Und dann haben wir unseren Bericht zusammen-

gestellt. Aber wir haben uns nicht an die Taliban

gewandt, und das wollten wir auch nicht.“556

„Wir haben Dokumente über unsere Mandanten,
die nachweisen, dass diese keine Taliban sind. Zu-

sätzlich haben wir uns auch auf Zeugenaussagen
551) Liste mit Opfern des Luftschlages (Dokument 82).
552) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18; Offener Einstellungsvermerk

des Generalbundesanwalts (Fn. 122, Dokument 52), S. 37.

553) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 4.
554) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 5.

555) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 10.

556) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 12 f.

von Teilen der Bevölkerung bezogen, um eine sol-

che Statistik aufzustellen.“

Auf die Frage, ob sie bei der Bevölkerung gefragt habe,

ob die Getöteten Angehörige der Taliban gewesen seien,

hat die Zeugin geantwortet:

„Wir hatten keinen Anlass sowas zu fragen.557

Sie habe eine Statistik auf Grundlage von Aussagen der

Bevölkerung erstellt, wonach im Ergebnis 113 Tote und

sieben Verletzte zu beklagen gewesen seien. Sie denke,

25 bis 26 Schulkinder seien dabei gewesen.
558

Aufgrund

der Personalausweise sowie der Unterlagen, die in den

Schulen über diese Schüler vorhanden gewesen seien,

habe sie dies feststellen können.
559

60 bis 70 der Opfer

des Luftangriffs hätten zudem Wahlausweise gehabt.
560

Zu ihrer Vorgehensweise hat die Zeugin dem Ausschuss

erklärt:

„Anfang November 2009 sind ich und Frau Z. mit
Helfern unseres Arbeitsteams zum Geschehensort

gegangen. Wir sind von Haus zu Haus gegangen.

Es war sehr schwierig, dort die Untersuchung

durchzuführen. Damit wir nicht selber gefährdet

werden, haben wir die Hilfe der Einheimischen in

Anspruch genommen. Wir haben gesehen, dass

viele Leute dort getötet worden sind. Wir wollten

Dokumentationen hierzu herstellen. Wir hatten ja

eine Statistik, weil die Bevölkerung, die zu uns

gekommen war, gesagt hat, dass 179 Getötete dar-

unter waren. 20 Personen waren verletzt. Weitere

22 Personen wurden dann weiterhin auch behan-

delt.

Aufgrund der verschiedenen Unterlagen, die wir

zusammengestellt hatten, hatten wir dann auch

Zeugen mit Namen und Adressen gesammelt und

hatten auch die Familien der betroffenen Leute, die

getötet worden sind, gesammelt, sodass wir die

Statistik erfassten, dass 113 Menschen getötet

worden sind, und sieben Personen waren verwun-

det.“561

Mit zwei Verletzten habe sie Gespräche führen können.
562

Sie beschrieb die Verletzungen als Verbrennungen. Teil-

weise hätten die Verletzten auch kein Gefühl in den Ar-

men gehabt.
563

„Dann kam vom Gesundheitsministerium der
stellvertretende Minister Faizullah Kakar zu uns

und brachte einige Akten zu den verwundeten Per-

sonen, die zeigten, dass viele Personen verwundet

worden sind. Wir haben dann unsere Untersuchun-

gen über den Bezirksvorsteher vervollständigt, wie

viele Kinder getötet worden sind. Die getöteten
557) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 6.
558) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.

559) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.

560) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 16.
561) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 4.

562) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 8.

563) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 87 – Drucksache 17/7400
Kinder waren Schulkinder. Wir konnten durch den

Direktor und durch die Lehrer der Schulen wieder

eine Liste zusammenstellen.“564

c) Amnesty International

Vom 30. Oktober 2009 datiert eine Liste von Amnesty

International, die Name, Alter und Herkunftsort von 83

mutmaßlichen zivilen Opfern des Luftschlages nennt. Sie

wurde durch die Dorfältesten erstellt und übergeben.
565

d) Darstellung des Lastwagenfahrers

Der Zeuge A. M. hat ausgesagt, dass sich bis zum Luft-

schlag beide LKW-Fahrer auf der Sandbank befunden

hätten und am Leben gewesen seien. Die Taliban hätten

ihm gegenüber erklärt, dass es ihnen nur auf die Tank-

lastwagen ankomme und keine Notwendigkeit bestehe,

ihn und den anderen LKW-Fahrer zu töten. Er und der

zweite LKW-Fahrer hätten dann unter Bewachung der

Taliban gestanden. Als es kälter geworden sei, habe der

zweite LKW-Fahrer erklärt, dass er friere und er sich in

der Fahrerkabine seines Tanklastwagens ausruhen wolle.

Etwa zehn Minuten vor dem Luftangriff habe er sich in

die Fahrerkabine begeben. Beim Luftangriff auf die Tank-

lastwagen sei der zweite Fahrer ums Leben gekommen.

Wörtlich hat der Zeuge A. M. ausgesagt:

„Sie [Taliban, Anm.] haben uns nur gesagt, dass
wir nicht getötet werden brauchen. Also, sie hatten

nicht getötet. Sie wollen nur das Material, was in

dem Tanklaster hat, einfach dann nehmen. Das ist

alles. […] Die Taliban haben auf uns aufgepasst,
damit wir nicht fliehen. Das Wetter wurde dann

natürlich kälter. Das Wetter war kalt. Der LKW-

Fahrer sagte, dass es kalt ist. Er möchte ein bis-

schen sich ausruhen. Ich habe gesagt: Gehe ich

nicht; ich bin alleine dann hier. – Er soll dableiben.
– Er sagte: Nein. Das Wetter ist kalt. – Er möchte
sich ausruhen. – Ein paar Minuten sind vergangen,
da kamen dann die Luftschläge. Das heißt, zehn

Minuten vor dem Luftangriff war er noch am Le-

ben. Nein, auf ihn ist nicht geschossen worden.

Nur durch den Luftangriff ist er getötet worden.

[…] Wenn die Taliban ihn getötet haben, dann hät-
ten sie mich auch töten können. […] der andere
Lastwagen [Fahrer, Anm.] war in seiner Kabine

und schlief, als dann der Luftschlag kam. Er ist al-

so in seiner Kabine dann getroffen worden. Das

heißt, seinen Leichnam hat man aus der Kabine he-

rausgeholt. […] Von den Lastwagen war ich viel-
leicht 15 bis 20 Meter entfernt.“566

Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung hat der Zeuge

A. M. ausgeführt:
564) Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 3.

565) Amnesty International, „Document – Afghanistan: Background to
the Kunduz airstrike of 4 september 2009” vom 30. Oktober 2009
(Dokument 83).

566) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 4 f.

„Nur, im Nachhinein natürlich kann man dann
nicht sagen, von welcher Seite er [der zweite

LKW-Fahrer, Anm.] getötet worden ist, ob er von

den Taliban, also mit Gewehren erschossen wurde

oder von dem Luftbombardement.
567

[…] Ich habe
nicht gesehen, dass irgendein Talib ihn erschossen

hätte. Wenn die Taliban ihn erschossen haben,

warum haben sie dann mich nicht getötet als Last-

wagenfahrer ebenfalls? Nein, ich kann über 90

Prozent sagen, dass dieser Lastwagenfahrer nicht

von den Taliban getötet worden ist.“568

Gemäß der Aussage des Zeugen A. M. konnten die beiden

Beifahrer fliehen und hätten den Luftangriff überlebt:
569

„Bevor der Luftangriff gestartet wurde, konnten
sie fliehen. Das heißt, sie haben den Luftangriff

überlebt. Die Taliban waren zu stark beschäftigt

mit Benzinverteilung, sodass sie die Flucht der

beiden nicht beobachten konnten.“570

Er selbst habe Verletzungen am Finger der rechten Hand

und am linken Fuß davongetragen.
571
567) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 8.

568) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 16.
569) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 8.

570) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 14.

571) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 7.
Drucksache 17/7400 – 88 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
C. Erste Entwicklungen und Reaktionen bis zur Regierungsbildung am 27. Oktober 2009

I. Erste Reaktionen der internationalen Öf-
fentlichkeit

1. Presse und Rundfunk

Bereits in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009

meldete die Nachrichtenagentur Agence France-Presse

(AFP) unter Berufung auf Offizielle und Zeugen, bei

einem NATO-Luftschlag auf von Taliban entführte Tank-

lastwagen seien Dutzende ums Leben gekommen, darun-

ter auch Zivilisten. Nach Auskunft des regionalen Polizei-

chefs Baryalai Basharyar Parwani seien mehr als 60

Personen verletzt oder verwundet worden. Ein Sprecher

der afghanischen Regierung habe von mindestens einer

getöteten Person gesprochen. Ein Sprecher der ISAF habe

gegenüber AFP bestätigt, dass es ein NATO-Luftschlag

gewesen sei. Nach Angaben eines AFP-Reporters dräng-

ten sich Verletzte mit Brandwunden im Krankenhaus in

Kunduz. Davon seien etwa acht in schrecklichem Zu-

stand. Genaue Zahlen seien nicht verfügbar.

Bezugnehmend auf diese AFP-Meldung berichtete BBC

News am frühen Morgen des 4. September 2009 um

5.41 Uhr britischer Zeit (GMT) von dem NATO-

Luftschlag. Unter der Überschrift „Scores die in Afghan
explosion“ war von 90 Getöteten die Rede. Die Zahlen
seien aber noch nicht bestätigt. Als die Taliban bombar-

diert wurden, seien Zivilisten aus der Umgebung bei ih-

nen gewesen.
572

2. ISAF-Hauptquartier und NATO-General-
sekretär

Das Hauptquartier der ISAF in Kabul kündigte in einer

Presseerklärung vom 4. September 2009 an, mit einer

gründlichen Untersuchung den Berichten über getötete

oder verletzte Zivilisten nachzugehen. Solche Berichte

würden von der ISAF sehr ernst genommen. ISAF habe

auf eine große Zahl von Aufständischen gezielt, die zwei

Tanklastzüge gestohlen hätten. Auch wenn sich der Luft-

schlag eindeutig gegen die Aufständischen gerichtet habe,

werde ISAF alles Notwendige unternehmen, um der örtli-

chen Gemeinde zu helfen, einschließlich medizinischer

Hilfe oder einer Evakuierung. ISAF bedaure jeden unnö-

tigen Verlust menschlichen Lebens und sei sehr besorgt

über das Leid, welches dieser Einsatz den afghanischen

Freunden zugefügt haben mag.
573

Gegenüber dem afghanischen Fernsehen versprach Gene-

ral McChrystal eine umfassende Untersuchung. „Als
Kommandeur der ISAF ist mir nichts wichtiger als die

Sicherheit und der Schutz des afghanischen Volkes. […]
572) Anhang einer innerhalb des Bundeskanzleramtes versandten E-

Mail vom 4. September 2009 (vgl. unten: C.II.3.a)ff), S. 121),

Dokument 84.

573) ISAF, Pressemitteilung Nr. 2009-664 (Dokument 85).

Ich nehme den möglichen Verlust von Menschenleben

oder die Verletzung unschuldiger Afghanen sehr ernst.“574

Der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen

äußerte, es sei „möglich, dass es auch zivile Opfer gab,
aber das ist noch nicht klar“. Es werde eine Untersuchung
geben.

575
In Konflikten wie diesen könnten „natürlich

Fehler passieren“. Das afghanische Volk müsse wissen,
dass der NATO alles daran liege, es zu schützen.

576
3. Äußerungen am Rande des Außenminis-
ter-Treffens

Am Rande eines informellen Treffens der Außenminister

der Mitgliedstaaten der Europäischen Union („Gymnich-
Treffen“) am 4. und 5. September 2009 in Stockholm
äußerten sich die Vertreter einiger Mitgliedstaaten zu dem

Luftanschlag. Der Außenminister der Französischen Re-

publik Bernard Kouchner sprach laut Presseberichten von

einem großen Fehler („grosse erreur“). Die Strategie der
internationalen Truppen in Afghanistan müsse sein, mit

dem afghanische Volk zusammenzuarbeiten – nicht, es zu
bombardieren („pas de le bombarder“). „Wir müssen so
etwas verhindern.“ David Miliband, damaliger Außenmi-
nister des Vereinigten Königreichs, forderte eine sofortige

Untersuchung. Die NATO-Mission bedürfe der Unterstüt-

zung durch die Afghanen. Offensichtlich würde diese

durch solche Ereignisse unterminiert.
577

Der Ministerprä-

sident des Königreichs Spanien José Luis Rodríguez Za-

patero wurde mit den Worten zitiert, der Angriff sei „be-
dauerlich“ und „nicht hinnehmbar“. Der Außenminister
des Königreichs Schweden Carl Bildt habe erklärt, das

tägliche Sterben in dem Konflikt müsse so stark wie mög-

lich verringert werden. Jeder Tote sei eine Tragödie und

durch Töten werde man diesen Krieg nicht gewinnen.

Zu den Äußerungen der Außenminister sagte der Sprecher

des Auswärtigen Amtes Jens Plötner am 7. September

2009 vor der Bundespressekonferenz:
578

„Es hat sich jetzt so verhalten, dass am Freitag
nach der Sitzung, in der ganz andere Themen Ge-
574) BBC News vom 5. September 2009, 17.01 Uhr (GMT), „US

general sees strike aftermath“ (Dokument 86); New York Times
vom 5. September 2009, „NATO Strike Magnifies Divide on
Afghan War“ (Dokument 87).

575) Der Spiegel vom 4. September 2009, 14.24 Uhr, „Uno fordert
Ermittlungen zu Luftangriff auf Tanklaster“ (Dokument 88);
Frankfurter Rundschau vom 5. September 2009, „Viele Tote, vie-
le Fragen“ (Dokument 89); Süddeutsche Zeitung vom 5. Septem-
ber 2009, „Bundeswehr befiehlt Luftangriff – viele Tote“
(Dokument 90).

576) The Guardian vom 4. September 2009, 13.47 Uhr BST, „Nato air
strike in Afghanistan kills scores“ (Dokument 91); Der Tages-
spiegel vom 5. September 2009, „Unklare Lage“ (Dokument 92).

577) BBC News vom 4. September 2009, 20 Uhr (GMT), „Nato pled-
ges Afghan strike probe“ (Dokument 93); The Independent vom
4. September 2009, „Nato airstrike kills 90 in Afghanistan“
(Dokument 94).

578) Plötner, Bundespressekonferenz vom 7. September 2009

(Dokument 57), Bl. 42 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89 – Drucksache 17/7400
genstand waren, die Außenminister, um rechtzeitig

vor Redaktionsschluss ihre Kollegen zu bedienen,

vor die Presse traten und dort mit einem Agentur-

bild konfrontiert worden sind, in dem von Opfern

die Rede war und in dem zum Teil von sehr vielen,

auch zivilen Opfern, die Rede war – all das natür-
lich weit bevor die Untersuchung, auf die hier re-

gelmäßig Bezug genommen wird, abgeschlossen

war. Vor dem Hintergrund dieser Fragen haben

sich die Außenminister so geäußert, wie sie sich

geäußert haben. […] Die Diskussion unter den
Außenministern war am Samstag dann auch schon

wesentlich sachlicher und fundierter, weil bis da-

hin die Möglichkeit bestand, sich ein differenzier-

teres Lagebild zu machen.“

Auf Weisung des Auswärtigen Amtes vom 7. September

2009 hatten die Vertretungen der Bundesrepublik

Deutschland bei der EU, in Luxemburg, Paris, Rom und

Stockholm wegen des Luftangriffs in den jeweiligen Au-

ßenministerien zu demarchieren. Bei dem Luftschlag sei

„eine bisher nicht geklärte Zahl von Aufständischen“
verstorben; offen sei, ob sich unter den Opfern auch

„Nicht-Kombattanten“ befanden. Eine Untersuchung
durch die ISAF sei abzuwarten. Für „vorschnelle Urteile“
bestehe „kein Anlass“. Die Bundesregierung habe „mit
Verwunderung Äußerungen am Rande des Gymnich-

Treffens der AM in Stockholm zur Kenntnis genommen,

dass die Entscheidung für den Lufteinsatz in Kunduz ein

‚schwerer Fehler„ gewesen sei bzw. gegen ISAF-
Einsatzregeln verstoßen habe. […] Solche Äußerungen
schaden nicht nur dem ISAF-Gesamteinsatz, sie stellen

auch eine erhebliche Belastung für den weiteren DEU

Einsatz und dessen innenpolitischen Rückhalt [dar].“ Es
werde gebeten, entsprechende öffentliche Kommentare

vor Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zu unter-

lassen.
579

II. Kenntniserlangung durch die Bundesre-
gierung und interne Berichterstattung

1. Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung

Der Untersuchungsausschuss hat sich mit der Frage be-

fasst, welche Informationen, beginnend vom PRT Kunduz

innerhalb des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums

der Verteidigung (BMVg) wann an welche Stelle bis hin

zum Bundesminister der Verteidigung weitergeben wur-

den.

a) Regionalkommando Nord in Masar-i-
Scharif

Die fünf regionalen Wiederaufbauteams (PRT) im Norden

Afghanistans, zu denen auch das PRT Kunduz gehört,

werden vom multinationalen ISAF-Regionalkommando
579) E-Mail vom 7. September 2009 mit Weisung zur Demarche

(Dokument 95).

Nord (RC N) in Masar-i-Scharif geführt.
580

Kommandeur

des RC N war zum damaligen Zeitpunkt Brigadegeneral

Jörg Vollmer. Dieser bekleidete gleichzeitig das Amt des

Kontingentführers Deutsches Einsatzkontingent ISAF und

war in dieser nationalen Funktion der nächste Diszipli-

narvorgesetzte von Oberst Klein.

aa) Meldungen und Informationserlangung am
4. September 2009

Am 4. September 2009 war das Regionalkommando Nord

nach Darstellung des Zeugen Brigadegeneral Vollmer in

erster Linie bemüht, möglichst viele Informationen über

den Luftschlag und dessen Folgen zu sammeln, um sich

ein erstes Lagebild zu verschaffen. Der Zeuge Vollmer hat

in seiner Vernehmung betont, dass alle Informationen

unverzüglich an das Einsatzführungskommando der Bun-

deswehr in Potsdam weitergegeben worden seien.
581

Di-

rekte Kontakte ins Bundesministerium der Verteidigung

habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben.
582

aaa) Erstmeldung über den Luftschlag gegen
3 Uhr

Nach dem Luftschlag verfasste Oberst Klein am Morgen

des 4. September 2009 zusammen mit dem JTAC eine

Meldung über den erfolgten Luftangriff nebst den vermu-

teten Folgen. Ausgehend von 70 anwesenden Personen

auf der Sandbank und einer angenommenen Trefferquote

von 80 Prozent wurde die Zahl der vermutlich Getöteten

mit 56 angegeben. Diese Meldung wurde vom Gefechts-

stand des PRT Kunduz um 3.13 Uhr afghanischer Ortszeit

an den Gefechtsstand des Regionalkommandos Nord in

Masar-i-Scharif übermittelt. Wörtlich hat der Zeuge

Oberst i. G. Klein ausgesagt:

„Ich hatte Ihnen gesagt, wir gingen von 70 Perso-
nen da aus, davon 80 Prozent getroffen; deswegen

die 56. […] Diese Meldung ist dann an meinen
Gefechtsstand gegangen und ist gegen 3 Uhr nach

meiner Erinnerung Richtung Masar gegangen.“583

Eine persönliche Unterrichtung des Kommandeurs Re-

gionalkommando Nord durch ihn erfolgte nach Darstel-

lung des Zeugen Oberst i. G. Klein zu diesem Zeitpunkt

nicht:

„Die offiziell geforderte Meldung ist pünktlich auf
dem vorgesehenen Weg nach Masar-i-Scharif

übermittelt worden, allerdings nicht an General

Vollmer persönlich, sondern von meinem Ge-

fechtsstand an seinen Gefechtsstand in Masar-i-

Scharif.“584
580) Internetauftritt des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr

(www.einsatz.bundeswehr.de).

581) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
582) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 12.

583) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 54.

584) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 26.
Drucksache 17/7400 – 90 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bbb) Unterrichtung von Brigadegeneral Vollmer

um 7.45 Uhr

Die Information, dass am Morgen des 4. September 2009

im Raum Kunduz auf Veranlassung des Oberst Klein ein

Luftangriff durchgeführt worden war, erhielt Brigadege-

neral Vollmer nach seiner Aussage um 7.45 Uhr desselben

Tages:

„An dem 4. September […] um 7.45 Uhr erhalte
ich die Information, dass in der Nacht um circa

1.50 Uhr im PRT Kunduz auf Befehl und Ent-

scheidung des PRT-Kommandeurs zwei Bomben

abgeworfen worden sind in der Flussschleife des

Kunduz River und dabei – so lautet die Meldung,
und so ist sie ja auch schriftlich hier eingestellt

worden […] 56 getötete Insurgents, Aufständische,
und 14 davon geflüchtet oder plus 14 geflüch-

tet.“585

Brigadegeneral Vollmer zeigte sich verärgert, erst zu

diesem Zeitpunkt unterrichtet worden zu sein und leitete

Maßnahmen zur Sachverhaltsfeststellung ein:

„Die Reaktion war die, zunächst einmal Sach-
standsfeststellung zu machen, und das auf der

Grundlage – das gebe ich hiermit auch zu Proto-
koll –, mit der Verärgerung, erst um diese Uhrzeit
davon zu erfahren. Das sind Verfahrensfehler ge-

wesen, auch bei uns in der so genannten JOC, also

Joint Operation Center, wo diese Meldung ange-

kommen ist in der Nacht und dann eben entspre-

chend nicht Reaktionen zeitgemäß ergriffen wur-

den; die Verärgerung deshalb, um auch das deut-

lich zu machen, weil uns das viel Zeit gekostet hat,

wie wir auch entsprechend darauf reagieren.“586

Zum Verfahren, wie innerhalb des Gefechtsstandes (JOC)

Meldungen zu bearbeiten sind, hat der Zeuge Brigadege-

neral Vollmer erklärt:

„Die Verfahren sahen es vor, dass bei solchen
Ereignissen zunächst mal der JOC Director ent-

scheidet, wenn er diesen INTSUM hat oder diesen

Bericht hat von 3.13 Uhr, der dort eingegangen ist,

wo er entscheiden muss dann entsprechend: Den

Kommandeur informieren oder nicht? – Es ist aber
nicht eindeutig und sauber, klar geregelt gewesen

zu dem Zeitpunkt, weil Sie nicht sagen können: Ab

einer Zahl x wecken Sie mich und ab einer Zahl

minus x eben entsprechend nicht. Insofern sind da

viele Dinge nicht sauber und rund gelaufen.“587

Gemäß seiner Einlassung vor dem Untersuchungsaus-

schuss schloss der Kommandeur RC N bereits zu diesem

Zeitpunkt für sich nicht aus, dass unter den Getöteten

auch zivile Opfer gewesen sein könnten:

„Zu dieser dezidierten Meldung, die da lautete: ‚56
plus 14„, habe ich gesagt: Das ist etwas, was wir
585) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 1.

586) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 1.

587) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 4.

überprüfen müssen, was wir sehr sorgfältig prüfen

müssen und was dann auch aus meiner Einschät-

zung von Beginn an zu meiner persönlichen Ein-

schätzung geführt hat, dass ich sage: Wir werden

immer damit rechnen müssen, dass wir gegebenen-

falls auch zivile Opfer haben in dieser Gemengela-

ge, die Sie dort vor Ort haben und wie ich sie sel-

ber über Monate erlebt habe. Aber das ist meine

persönliche Einschätzung gewesen, die zu gewich-

ten ist zu dem, was den Oberst Klein dort in der

Nacht zu diesem Entschluss geführt hat.“588

ccc) Telefonat von Brigadegeneral Vollmer mit
Oberst Klein

Etwa um 8 Uhr ließ sich Brigadegeneral Vollmer die

Ereignisse der vergangen Nacht telefonisch von Oberst

Klein schildern.
589

ddd) Zusammenstellung eines Ermittlungs-
teams

Brigadegeneral Vollmer informierte in der Folge seinen

Stab und ließ unter Leitung des Feldjägerführers im Ein-

satz ein eigenes Ermittlungsteam, das nach Kunduz verle-

gen sollte, zusammenstellen (s.o. B IV. 4.). Diese Situati-

on hat der Zeuge Brigadegeneral Vollmer wie folgt dar-

gestellt:

„Ich habe dann sofort, nachdem ich das hatte, mei-
nen engeren Stab zusammengeholt, habe sie darü-

ber informiert, was passiert ist, habe mich mit ih-

nen beratschlagt, und die Entscheidungen waren

eigentlich klar: Das, was dann sofort passiert und

was Sie tun müssen, ist, dass Sie entsprechend ein

eigenes Ermittlungsteam nach Kunduz schicken.

Das haben wir dann zusammengestellt unter Füh-

rung des Feldjägerführers,[…], also erst mal ein
eigenes Ermittlungsteam, weil ich wissen wollte:

‚Was passiert da?„ […] Dann liefen parallel Tele-
fonate, Informationen nach Deutschland, zum Ein-

satzführungskommando über das, was mein Sach-

stand war.“590

eee) Videokonferenzen mit dem Hauptquartier
ISAF

Im Laufe des 4. September 2009 fanden zum Zwecke der

Beratung und des Informationsaustausches insgesamt drei

Videokonferenzen zwischen dem Regionalkommando

Nord und dem Hauptquartier (HQ) ISAF in Kabul statt.

Teilnehmer aus Deutschland waren zu diesen Konferen-

zen nicht zugeschaltet. An einer gegen 17 Uhr
591

durchge-

führten Videokonferenz nahm neben dem Kommandeur
588) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
589) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 6.

590) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.

591) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 24.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91 – Drucksache 17/7400
der ISAF auch der Kommandeur des Allied Joint Force

Command in Brunssum, General Ramms, teil.
592

In diesen Besprechungen betonte Brigadegeneral Vollmer

regelmäßig, dass zivile Opfer nicht auszuschließen seien.

Die Protokolle dieser Sitzungen seien unverzüglich dem

Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam

vorgelegt worden.

Der Zeuge hat des Weiteren ausgeführt, dass General

McChrystal über die Informationsweitergabe innerhalb

des Hauptquartiers (HQ) ISAF sowie im Bereich des

Regionalkommandos Nord (RC N) verärgert gewesen sei.

Insbesondere habe er das, so Vollmer wörtlich, „Sehr-
spät-am-nächsten-Morgen-informiert-Werden“ sowohl im
RC N in Masar-i-Scharif als auch im HQ ISAF in Kabul

moniert, weil es Reaktionszeit gekostet habe. Des Weite-

ren habe er alle Teilnehmer vor Spekulationen gewarnt

und „sorgfältige Ermittlungen“ gefordert.593

fff) Telefonate mit afghanischen Dienststellen

Zwecks Informationsbeschaffung und -austausches führte

der Kommandeur Regionalkommando Nord nach seiner

Aussage am 4. September 2009 Telefonate mit dem

Kommandeur des 209. Korps der Afghan National Army

(ANA) sowie seinen Gesprächspartnern bei der Polizei

und dem National Directorate of Security (NDS).
594

ggg) Gespräch mit dem Deputy Chief of Police
Kunduz

Um 14.30 Uhr Ortszeit fand in Kunduz ein Gespräch

zwischen dem Kommandeur des PRT Kunduz und dem

Deputy Chief of Police Kunduz, Colonel Aqtash Rahman,

statt. Colonel Rahman berichtete über die Ergebnisse

einer zusammen mit einer Delegation des Innenministe-

riums vor Ort durchgeführten Untersuchung der Afghan

National Police (ANP). Demnach seien nach Zeugenaus-

sagen ca. 50 bis 60 bewaffnete Personen getötet worden.

Frauen und Kinder hätten sich nicht darunter befunden.

Unter den Verletzten habe sich auch ein Kommandeur der

Taliban befunden. Alle getöteten Personen seien Helfer

der Taliban gewesen, um die Fahrzeuge beweglich zu

machen.
595

hhh) Meldung über den Verbleib der beiden
Tanklastwagenfahrer

Am 4. September 2009 meldete der Offizier im militäri-

schen Nachrichtenwesen des Regionalkommandos Nord

auf Grundlage einer Meldung des PRT Kunduz dem

Kommandeur RC N, dass einer der beiden Tanklastwa-

genfahrer in der Nacht von den Taliban getötet worden

sei, als sich dieser geweigert habe, eine Flussfurt zu über-

queren. Der andere LKW-Fahrer sei geflüchtet und habe
592) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 15.

593) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 15, 53.
594) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.

595) Gesprächsprotokoll COM PRT KDZ/Dep Chief Police KDZ

(Dokument 96).

sich mit der afghanischen Polizei in Verbindung ge-

setzt.
596

iii) Veränderung des Daily Intelligence Sum-
mary vom 4. September 2009

Am Abend des 4. September 2009 ging im Regional-

kommando Nord ein so genannter Daily Intelligence

Summary (INTSUM), also ein Tagesbericht des PRT

Kunduz, ein. Nach Darstellung des Zeugen Schneiderhan

wurden derartige Meldungen täglich verfasst und dem

Einsatzführungskommando der Bundeswehr zur Auswer-

tung übersandt.
597

Das INTSUM war von der Abteilung J2 des PRT Kunduz

erstellt und von deren Leiter, Oberstleutnant K., geneh-

migt worden.
598

Dieser hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss erklärt, dass Grundlage des Berichts die Debrie-

fings der Schutzkompanie, Informationen der ANP
599

sowie die Informationen aus einem Gespräch mit Oberst

Klein gewesen seien.
600

Dem Kommandeur des Regionalkommandos Nord wurde

dieser Bericht am Nachmittag des 4. September 2009

vorgelegt.
601

Dieser Bericht enthielt eine Passage, die sich

mit möglichen zivilen Opfern beschäftigte.
602

Um 17.25 Uhr wurde Generalleutnant Glatz das INTSUM

des PRT Kunduz vom Regionalkommando Nord vorge-

legt. Das Deckblatt des INTSUM versah Generalleutnant

Glatz mit folgender handschriftlichen Notiz:

„04/09/09, BG Vollmer, 1815h, J2 PRT KDZ ein-
gestellt ohne(!) Genehmigung, C/S und/oder COM

PRT KDZ

– Wenn das so stimmt u. durch COMPRT bestä-
tigt werden sollte, ist das ein Verstoß gegen

die Tactical Directive des COM ISAF. Denn

dann hätte man schlimmsten Falls CIVCAS in

Kauf genommen […]

– BG V. wird disziplinar ermitteln. Anzeige an
COM ISAF

– BG V. hat gegen 20.00 (OZeit) veranlasst,
dass dies aus dem Netz genommen wird.“603

Gemäß seiner Aussage habe Brigadegeneral Vollmer ihn

telefonisch darüber unterrichtet, dass das INTSUM weder

mit Genehmigung des Kommandeurs noch des Chefs des

Stabes des PRT Kunduz in das Netz eingestellt worden

sei.
604
596) Schreiben CJ2 MeS an Kdr RC North vom 4. September 2009

(Dokument 97).

597) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 28.

598) K., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 21.
599) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 60.

600) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 20.

601) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2 f.
602) Deckblatt des INTSUM (Dokument 98).

603) Deckblatt des INTSUM (Fn. 602).

604) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 48.
Drucksache 17/7400 – 92 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Seine Bewertung des INTSUM hat Generalleutnant Glatz

in seiner Vernehmung als Zeuge dargelegt:

„Für mich war diese darin enthaltene Begründung
weder nachvollziehbar noch akzeptabel – ja, sie
hat mich entsetzt. […] [Meine, Anm.] Bewertung,
dass, wenn das so stimme und durch COMPRT
[Oberst i. G. Klein, Anm.] bestätigt werden sollte,

man gegen die Tactical Directive des COM ISAF

verstoßen haben könnte und damit schlimmsten-

falls zivile Opfer in Kauf genommen haben könn-

te, bildete aus meiner und Brigadegeneral Vollmers

Sicht nach meiner Erinnerung den Grund für die

Absicht einer Überführung der reinen Sachstand-

sermittlungen, die er mit der Entsendung seines

Teams unter Leitung des Feldjägerführers Oberst-

leutnant B. begonnen hatte, in disziplinare Ermitt-

lungen.“

„Dieser INTSUM war jedoch zu dem damaligen
Zeitpunkt die einzige schriftliche Meldung des

PRT Kunduz zu möglichen zivilen Opfern. Er ba-

sierte auf einem HUMINT Report, der mir zu die-

sem Zeitpunkt noch nicht bekannt war und der [...]

nicht valide war. Er bedurfte somit daher einer

weiteren Überprüfung und Bestätigung. Außerdem

standen die Aussagen des INTSUM inhaltlich im

Widerspruch zu den bis dahin vorliegenden Mel-

dungen des PRT Kunduz gegenüber Brigadegene-

ral Vollmer und mir. Die Überprüfung und Korrek-

tur dieses INTSUM war nach meiner Bewertung

und vor dem Hintergrund der erwähnten Weisung

des COM ISAF, General McChrystal […] folge-
richtig und sowohl fachlich als auch sachlich be-

gründet.“605

Brigadegeneral Vollmer habe sich verärgert gezeigt, da

die Meldung dem ihm bis zu diesem Zeitpunkt vorliegen-

den Meldebild widersprochen habe.

Brigadegeneral Vollmer hat seine diesbezüglichen Aktivi-

täten gegenüber dem Untersuchungsausschuss damit

gerechtfertigt, er habe den INTSUM nur deshalb aus dem

Netz nehmen lassen, weil er nicht von Oberst Klein gebil-

ligt gewesen sei und Oberst Klein ihm gegenüber den

gesamten Tag lang geäußert habe, es habe keine zivilen

Opfer gegeben.
606

Dies habe der Zeuge Vollmer persön-

lich auch so gegenüber Oberst Klein kommuniziert.
607

Er

selbst habe aber keinen Einfluss auf konkrete Änderungen

des INTSUM genommen, dies habe er vielmehr der Füh-

rung des PRT Kunduz überlassen.
608

„Ich habe den Telefonhörer in die Hand genom-
men, habe mit Kunduz telefoniert und habe gesagt:

Ist das das, was jetzt der Sachstand ist, und ist das

auch das, was der PRT-Kommandeur gebilligt hat?

Dabei hat sich rausgestellt: Er hatte diesen

INTSUM überhaupt nicht gesehen. Das heißt, der
605) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 65.
606) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 3.

607) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 12.

608) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 49.

PRT-Kommandeur, der verantwortlich ist für diese

Meldung und der ja auch eine ganz andere bisher

abgibt, hat das nicht gesehen. Daraufhin habe ich

mich entschlossen – ich habe einen Befehl erteilt –
und habe gesagt: Diesen INTSUM habt ihr wieder

zurück. Ich möchte ihn vorgelegt haben, gebilligt

durch den PRT-Kommandeur, weil ich in meiner

Funktion, auch als der Vorgesetzte von Oberst

Klein, zu bewerten habe, was er getan hat, und da-

für will ich einen klaren Sachstand haben: Was

stimmt jetzt: das oder das, was jetzt hier schriftlich

gemeldet worden ist? Deswegen habe ich das wie-

der zurückgegeben. Dann, einige Stunden später,

habe ich das bekommen. Dort ist es dann heraus-

genommen worden, aber damit auch vom PRT-

Kommandeur gebilligt.“609

Hierzu erklärte der Zeuge Oberstleutnant K., der den

INTSUM ursprünglich erstellt und nachträglich auch

verändert habe, keineswegs von der Führung des PRT zu

der Veränderung des INTSUM angehalten worden zu

sein. Er habe diese Veränderung vielmehr allein nach

Einflussnahme telefonischer Art durch RC North vor-

nehmen müssen.
610

Er sei dabei von seinem Vorgesetzten

nicht aufgefordert worden, einen bestimmten Satz aus

dem INTSUM zu streichen, sondern die Frage der Zivil-

personen noch mal zu prüfen.
611

Am Abend des 4. September 2009 ging im Einsatzfüh-

rungskommando der Bundeswehr der von Oberst Klein

autorisierte INTSUM ein. Generalleutnant Glatz vermerk-

te auf dem Deckblatt:

„Dies ist das gem. Weisung COM RC (N) korri-
gierte INTSUM des PRT KDZ (!), das gestern

wieder aus dem ISAF-Netz herausgenommen wor-

den war, da Details noch nicht valide nachgeprüft

waren.“612

bb) Meldungen und Informationserlangung am
5. September 2009

Am 5. September 2009 begab sich Brigadegeneral Voll-

mer persönlich nach Kunduz.
613

Nach seiner Ankunft um

12.30 Uhr informierte ihn der Feldjägerführer im Einsatz,

Oberstleutnant B., über die bis dahin gewonnenen Er-

kenntnisse.
614

Über die Art der gelieferten Informationen,

die zum Teil auch telefonisch übermittelt wurden, hat der

Zeuge Brigadegeneral Vollmer ausgesagt:

„Er hat das weitergegeben, was entsprechend aus
den Gesprächen, in denen er mit dabei war, nach-

dem dann die Kommission aus Kabul da gewesen

ist – Das war die Berichterstattung des Kompanie-
chefs der Schutzkompanie, der mit seiner Kompa-
609) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 3.
610) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 60 f. und 68.

611) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 63.

612) Deckblatt für INTSUM Nr. 19, Mat. 17-26, Ordn. 1, Teil 2,
Bl. 100, Tgb.-Nr.26/10 – GEHEIM.

613) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 25.

614) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 7.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93 – Drucksache 17/7400
nie dann um 12.30 Uhr round about unten gewesen

ist, die von einer insgesamt sehr freundlich ge-

stimmten Bevölkerung aufgenommen worden sind,

die vor Ort an dem Platz, wo die beiden Tanklast-

wagen vernichtet worden sind, Tierkadaver noch

gefunden haben und einen insgesamt sehr aufge-

räumten Ort vorgefunden haben. Das sind die Din-

ge, die er mir gemeldet hat.“615

Brigadegeneral Vollmer besichtigte in Kunduz zusammen

mit General McChrystal die Bombenabwurfstelle und

besuchte später ein Krankenhaus in Kunduz.
616

Der Zeuge

Vollmer hat erklärt, es sei ihm im Krankenhaus unmög-

lich gewesen, zwischen Taliban und Zivilisten zu unter-

scheiden.
617

Gemäß seiner Aussage erlangte Brigadegeneral Vollmer

im Laufe des 5. September 2009 Informationen darüber,

dass durch den Luftschlag auch zivile Personen getötet

worden waren:

„[…] an dem 5. September, als wir die Gespräche
geführt haben, […] mit den Distriktmanagern, und
ab Mittag war ich dann in Kunduz mit vor Ort. Ich

bin dann bei diesen Gesprächen dabei gewesen,

und bei diesen Gesprächen, in denen alle […] Dist-
riktmanager, immer wieder betont haben, wie

dankbar sie sind – ich muss leider das Wort benut-
zen; das ist ihres über diesen Luftschlag –, dass es
längst überfällig gewesen sei – jetzt im Konjunktiv
– und man eben dabei auch nicht ausschließen
kann, dass gegebenenfalls der eine oder andere aus

dem Dorf dort mit zu Tode gekommen ist – Und
einer der Indikatoren dafür – meine persönliche
Bewertung – ist gewesen: Wenn […] gemeldet
wird, dass 14 Männer aus einer Moschee gezwun-

gen werden, zu der Stelle am Fluss zu gehen und

dort Arbeitsdienste zu leisten, dann ist das nicht

zwangsläufig einer, den ich jetzt als Aufständi-

schen einschätze, sondern wo ich davon ausgehen

muss: Der ist nicht freiwillig da unten an dieser

Stelle.“618

Diese Einschätzung resultierte aus einer persönlichen

Bewertung der vorliegenden Informationen. In seiner

Vernehmung hat der Zeuge Vollmer klargestellt, dass es

sich hierbei um keine gesicherten Erkenntnisse gehandelt

habe:

„Ich kann nur noch mal zum Ausdruck bringen,
dass aus meiner Bewertung vor Ort ich nicht aus-

schließen konnte, dass es eben auch zu zivilen Op-

fern gekommen sein kann. […] Ich kann nur war-
nend den Finger heben und sagen: Achtung, meine

persönliche Bewertung; viele Gespräche geführt;

aber es ist weder verifiziert; es ist nicht bestätigt.

Und ich kann Ihnen auch nicht sagen, wann es

denn eigentlich wirklich konkret am Ende bestätigt
615) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 13.
616) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 34.

617) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 38.

618) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 6.

ist; denn nach meinem Kenntnisstand – jetzt auch
lange weg – und nach all dem, was ich ja auch nur
noch durch Hörensagen erfahre – ich kenne die
Berichte ja nicht –, weiß ich nicht, was jetzt ab-
schließend eigentlich der Stand ist beim Umfang

der Zahlen, sondern hier ist immer wieder: war-

nend nur den Finger gehoben.“619

aaa) Meldung über einen ins Krankenhaus
Kunduz eingelieferten verletzten Jungen

Am Mittag des 5. September 2009 gingen im PRT Kun-

duz und im Regionalkommando Nord Informationen ein,

wonach im Krankenhaus in Kunduz mehrere Verletzte

mit Brand- und zum Teil auch mit Schrapnellwunden

aufgenommen worden seien. Unter den Patienten habe

sich ein vermutlich 14-jähriger Junge befunden. Zur In-

formationsübermittlung hat der Zeuge Brigadegeneral

Vollmer ausgesagt:

„Das lief zweigestalt. Das eine lief über den ver-
antwortlichen Leitenden Sanitätsoffizier im Re-

gionalkommando Nord, der seine Telefonate ge-

führt hat mit dem Einsatzlazarett in Kunduz, und

zum anderen über den Oberstleutnant B. selber, die

am späten Nachmittag – ich meine, um 17 Uhr
dann – im Krankenhaus gewesen sind und dort
dann sich mit dem Arzt auch vor Ort unterhalten

haben. Dem vorausgegangen waren am Mittag be-

reits Telefonate mit dem – ich nenne ihn jetzt so –
Klinikdirektor, dem afghanischen, von dem wir

dann erfahren haben, dass es mehrere verwundete

einmal dort Aufgenommene gibt, verletzte Patien-

ten mit Brandwunden, einige auch mit Schrapnell-

wunden, darunter auch vermutlich ein vom Alter

her schwer Einzuschätzender, aber vermutlich 14-

Jähriger. So ist es gemeldet worden, und das Gan-

ze am Abend noch mal.“620

Nach Darstellung des Zeugen Oberst i. G. Klein waren die

eintreffenden Meldungen teilweise widersprüchlich:

„Nach den Meldungen meines beratenden Sani-
tätsoffiziers, Oberstarzt Dr. B., waren die Informa-

tionen zu Zahlen und Alter der Verletzten und der

Verletzungsmuster widersprüchlich. Es wurden

beispielsweise am 5. September zwei minderjähri-

ge Patienten, circa 11 und 13 Jahre, gemeldet. Der

eine hatte Metallsplitter im Oberschenkel, der an-

dere hatte eine offene Unterschenkelfraktur. Beide

hatten keine Verbrennungen. Von diesen beiden

Kindern war am nächsten Tag nur noch eins vor

Ort. Ich will also sagen: Wir hatten widersprüchli-

che Meldungen in der gesamten Zeit von unter-

schiedlichen afghanischen Quellen.“621
619) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 9 f.

620) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 13.

621) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 21.

Drucksache 17/7400 – 94 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bbb) Pressekonferenz des Kommandeurs der

ISAF

Nach Angaben des Zeugen Vollmer erklärte der Kom-

mandeur der ISAF, General McChrystal, in einer Presse-

konferenz am 5. September 2009, dass nicht auszuschlie-

ßen sei, dass der Luftschlag auch zivile Oper gefordert

habe.“622

Über die Pressekonferenz und über die mit General

McChrystal geführten Gespräche wurde nach Aussage des

Zeugen Brigadegeneral Vollmer das Einsatzführungs-

kommando der Bundeswehr in Potsdam unterrichtet.
623

cc) Fertigstellung und Übergabe des so ge-
nannten Feldjägerberichtes am 9. Septem-
ber 2009

Am 9. September 2009 legte der Feldjägerführer im Ein-

satz, Oberstleutnant B., seinen „Untersuchungsbericht
zum „Close Air Support KUNDUZ“ vom 4. September
2009 Brigadegeneral Vollmer vor. Nach Aussage des

Zeugen Brigadegeneral Vollmer existierten davon zwei

Exemplare, eine DVD und ein Ordner mit einer DVD, die

ihm beide von Oberstleutnant B. ausgehändigt worden

seien. Ein Exemplar sei im Einsatzland verblieben, die

zweite DVD habe Oberstleutnant B. am 12. September

2009 als Kurier nach Deutschland gebracht und am Mor-

gen des 13. September 2009 im Einsatzführungskomman-

do der Bundeswehr „in der dortigen Operationszentrale
abgegeben“.624 Wörtlich hat der Zeuge Brigadegeneral
Vollmer ausgesagt:

„Der Oberstleutnant B. hat dann, weil er dann sei-
nen Dienstposten übergeben hat, diesen gesamten

Bericht – alles das, was er bis dahin ermittelt hatte,
was er zusammengeführt hatte an Quellen, an Un-

terlagen – zusammengefasst und mir diesen Be-
richt dann vorgelegt am 9. September, quasi im

Rahmen seiner Übergabe an seinen Nachfolger. Er

hat gesagt: Ich übergebe jetzt. Jetzt schließe ich

das für mich noch ab und übergebe Ihnen diese

Unterlagen.
625

Den in Masar-i-Scharif verbliebenen Bericht habe sich

der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der

Bundeswehr, Generalleutnant Glatz, während eines späte-

ren Besuches in Afghanistan aushändigen lassen und

diesen mit nach Deutschland genommen.
626

Als Grund dafür, dass er den Bericht mit nach Deutsch-

land nahm, hat der Zeuge Glatz vor dem Untersuchungs-

ausschuss angegeben:

„Bei meiner ersten Afghanistanreise nach dem
Luftangriff, vom 15. bis 19. 9., bin ich am 17. 9. in

Kunduz […] im Zimmer des PRT-Kommandeurs
angerufen worden durch den Oberst R., dass der
622) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 37.

623) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 37.
624) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11.

625) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 8.

626) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 23.

General Schneiderhan Wert darauf lege, dass die-

ser Feldjägerbericht ganz eng – ‚close hold„ hat er
damals, glaube ich, gesagt – gehalten werde, und
dass ich gebeten wurde, das Exemplar des Feldjä-

gerberichtes, was noch bei COM RC North lag –
dort gab es nur eine Ausfertigung – mit zurückfüh-
ren sollte nach Deutschland und im Kommando

bei mir unter Verschluss nehmen sollte. Das habe

ich auch getan.“627

b) Einsatzführungskommando der Bundes-
wehr in Schwielowsee bei Potsdam

Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr (Ein-

sFüKdoBw) in Schwielowsee bei Potsdam führt als ope-

rative Führungsebene grundsätzlich alle nationalen und

multinationalen Einsätze der Bundeswehr. Die Führer der

Kontingente in den Einsatzgebieten erhalten von dort ihre

nationalen Weisungen. Die Weiterleitung von Informatio-

nen aus den Einsatzkontingenten nach Deutschland und

umgekehrt in die Einsatzkontingente erfolgt über das

Einsatzführungskommando der Bundeswehr.

Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bun-

deswehr ist seit dem 22. April 2009 Generalleutnant Rai-

ner Glatz. Gegenüber dem Generalinspekteur der Bun-

deswehr trägt dieser die Verantwortung für die Führung

der ihm unterstellten Einsatzkräfte. Truppendienstlich ist

er dem Inspekteur der Streitkräftebasis unterstellt.
628

aa) Meldungen und Informationserlangung am
4. September 2009

aaa) Meldung an die Operationszentrale des
Einsatzführungskommandos der Bundes-
wehr

Am 4. September 2009 ging in der Operationszentrale des

Einsatzführungskommandos der Bundeswehr um

0.45 Uhr mitteleuropäischer Zeit (MEZ) über „JOC
Watch“ die Meldung ein, wonach in Kunduz/Afghanistan
um 1.49 Uhr afghanischer Ortszeit ein Luftschlag gegen

zwei Tanklastwagen durchgeführt worden sei, bei dem

etwa 56 Aufständische getötet worden seien.
629

bbb) Informationsweitergabe auf dem Fach-
strang Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Um 5.15 Uhr MEZ informierte der Public Affairs Officer

(PAO) des PRT Kunduz den Sprecher vom Dienst im

Einsatzführungskommando der Bundeswehr über den

erfolgten Luftschlag. Dieser gab die Information an den

Sprecher vom Dienst des Presse- und Informationsstabes
627) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 72.
628) Internetauftritt des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr

(www.einsatz.bundeswehr.de).

629) JOCWatch-Meldung (Dokument 99).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 95 – Drucksache 17/7400
im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) wei-

ter.
630

(1) Um 6.42 Uhr eingestellte Meldung

Um 6.30 Uhr übermittelte der Presse- und Informations-

stab im Bundesverteidigungsministerium dem Sprecher

vom Dienst im Einsatzführungskommando der Bundes-

wehr folgenden vom Leiter des Einsatzführungsstabes im

BMVg gebilligten Textbaustein zur Veröffentlichung:

„Erfolgreicher Einsatz gegen Aufständische im
Raum Kunduz

In der Nacht zum Freitag den 04.09.2009 wurden

durch Aufständische an einem vorgetäuschten

Checkpoint, ungefähr 7 km südwestlich vom Pro-

vincial Reconstruction Team (PRT) KUNDUZ,

gegen 1.50 Uhr Ortszeit zwei beladene Tanklast-

züge gekapert, um den Treibstoff für eigene Zwe-

cke in den Distrikt Chahar Darah zu verbringen.

Dabei wurden sie aufgeklärt und um 2.30 Uhr

Ortszeit erfolgreich bekämpft. 56 Aufständische

wurden getötet, Zivilpersonen kamen nicht zu

Schaden. Deutsche Kräfte verzeichneten keine

Schäden.

Ansprechpartner für die Presse: Einsatzführungs-

kommando der Bundeswehr“631

Um 6.42 Uhr wurde diese Meldung auf die Internetseite

„www.bundeswehr.de“ eingestellt.632

(2) Erste um 8.34 Uhr vorgenommene Ände-
rung der Meldung

Um 8.34 Uhr wurde die Meldung im Wesentlichen dahin-

gehend geändert, dass der Satz „Zivilpersonen kamen
nicht zu Schaden.“ gestrichen wurde.633

(3) Zweite um 8.39 Uhr vorgenommene Ände-
rung der Meldung

Die Meldung im Internet wurde um 8.39 Uhr im zweiten

Absatz erneut geändert. Sie lautete nunmehr:

„…56 Aufständische wurden getötet. Zivilisten kamen
vermutlich nicht zu Schaden. Deutsche Kräfte verzeichne-

ten keine Schäden. Der Vorfall wird derzeit unter-

sucht.“634

(4) Meldung am 6. September 2009, 15.47 Uhr

Die Meldung im Internet erfuhr in den nächsten Tagen

weitere Änderungen. Am 6. September 2009 wurde um
630) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß zum Luft-

angriff vom 4. September 2009 EinsFüKdoBw/KdoFOSK,

Mat. 17-26, Ordn. 1, Tgb.-Nr.26/10 – GEHEIM, Bl. 8.
631) Textbausteine für www.bundeswehr.de (Dokument 100).
632) Textbausteine (Fn. 631), Bl. 16.

633) Textbausteine (Fn. 631), Bl. 16.

634) Textbausteine (Fn. 631, Dokument 100), Bl. 17.

15.47 Uhr auf der Internetseite www.bundeswehr.de ein-

gestellt:

„Erfolgreicher Einsatz gegen Aufständische im
Raum Kunduz

In der Nacht zum Freitag den 04. September 2009

wurden durch Aufständische an einem vorge-

täuschten Checkpoint, ungefähr 7 km südwestlich

vom Provincial Reconstruction Team (PRT)

KUNDUZ, vor Mitternacht zwei beladene Tank-

lastzüge gekapert, um den Treibstoff für eigene

Zwecke in den Distrikt Chahar Darah zu verbrin-

gen.

Sie wurden aufgeklärt und um 1.49 Uhr Ortszeit

erfolgreich bekämpft. Nach derzeitigen Erkenn-

tnissen wurden über 50 Aufständische getötet, Un-

beteiligte kamen vermutlich nicht zu Schaden.

Deutsche Kräfte verzeichneten keine Schäden. Das

Headquarter ISAF hat die Ermittlungen zum Vor-

fall aufgenommen.

Zur detaillierten Untersuchung der Ereignisse in

der vergangenen Nacht hat der Kommandeur des

PRT Kunduz eigene Kräfte angesetzt. Die deut-

schen Kräfte erreichten gegen 12.30 Uhr afghani-

scher Ortszeit den Ort de Ereignisse und haben mit

der Untersuchung begonnen.

Gegen 13.09 Uhr afghanischer Ortszeit wurden

diese Kräfte von Aufständischen mit Handfeuer-

waffen beschossen, erwiderten das Feuer und setz-

ten ihren Auftrag fort.

Ansprechpartner für die Presse: Einsatzführungs-

kommando der Bundeswehr.“635

ccc) Unterrichtung des Befehlshabers des Ein-
satzführungskommandos der Bundeswehr
über den Luftschlag

Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der

Bundeswehr wurde am 4. September 2009 um 6.15 Uhr

MEZ über den Luftschlag unterrichtet. Der Zeuge Glatz

hat dazu in seiner Vernehmung ausgesagt:

„Ich bin am 4. 9. um 6.15 Uhr mitteleuropäischer
Zeit durch meine Operationszentrale unterrichtet

worden, dass es einen Luftangriff in Kunduz gege-

ben habe, dass vermutlich 56 Insurgents getötet

worden seien bei diesem Luftangriff und 14 geflo-

hen seien. Ich habe dann die Rückfrage gestellt, ob

die Meldung an das BMVg bereits erfolgt sei; mir

wurde versichert, dass es gleich anschließend ge-

macht wurde.“636

Angesprochen auf den Umstand, dass die Meldung bereits

um 0.45 Uhr eingegangen war, hat der Zeuge Glatz er-

klärt, für die späte Unterrichtung keine befriedigende

Antwort erhalten zu haben:
635) Textbaustein (Dokument 101).

636) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62.
Drucksache 17/7400 – 96 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Warum das in der Nacht nicht aufgefallen ist,
kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich kann Ihnen

auch nicht sagen, warum das im Ministerium nicht

aufgefallen ist, im Führungszentrum der Bundes-

wehr, wo man JOC Watch auch lesen kann.“

Er habe daher als Sofortmaßnahme angewiesen, dass

„diese JOC Watch kontinuierlich gelesen wird, auch des
Nachts.“637

Hinsichtlich des Luftschlages hat der Zeuge Glatz weiter

ausgeführt, die Brisanz des Vorganges sofort erkannt zu

haben:

„Ich habe die Bedeutung und die Brisanz dieses
Vorganges von Anfang an erkannt und habe diesen

Vorgang mit entsprechend hoher Priorität behan-

delt. Ich habe ihn auch persönlich begleitet, was

Sie, wenn Sie in die Akten des Einsatzführungs-

kommandos hineinschauen, aufgrund meiner Viel-

zahl von Verfügungen auch nachvollziehen kön-

nen, und ich habe dem BMVg unverzüglich alle

Informationen, die ich hatte, zur Verfügung ge-

stellt.“638

Gegen 7.25 Uhr habe er mit Brigadegeneral Vollmer tele-

foniert. Der Zeuge Generalleutnant Glatz hat dazu ausge-

führt:

„Er wies mich in diesem Telefongespräch explizit
darauf hin, dass er nach seiner persönlichen Ein-

schätzung, obwohl er zu diesem Zeitpunkt über

keine eigenen Erkenntnisse verfüge, zivile Opfer

nicht ausschließen könne.“639

ddd) Telefonat mit dem Leiter des Einsatzfüh-
rungsstabes

Am Morgen des 4. September 2009 erfuhr Generalleut-

nant Glatz gemäß seiner Einlassung in einem Telefonat

mit dem Leiter des Einsatzführungsstabes im BMVg,

Konteradmiral Krause, von der Pressemeldung aus

www.bundeswehr.de. Der Zeuge Glatz hat diesbezüglich

ausgesagt:

„Ich habe nach Rücksprache mit dem Konteradmi-
ral Krause – das muss noch vor dieser VTC um
8 Uhr gewesen sein – von ihm erfahren – ich kann-
te die Pressemeldung und das Statement zu diesem

Zeitpunkt noch nicht –, dass es eine Abstimmung
zwischen dem Einsatzführungsstab und dem IP-

Stab gegeben hat, in dem das Pressestatement ab-

gesegnet worden ist, was um 6.30 Uhr – das habe
ich dann erst im Laufe des Vormittags erfahren,

und dann habe ich es auch gesehen – in das Netz
eingestellt worden ist über die entsprechenden

Server beim Streitkräfteamt.“640
637) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 81.
638) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62.

639) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62.

640) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 84.

eee) Morgendliche Videokonferenz mit dem
Stellvertreter des Generalinspekteurs der
Bundeswehr

Im Rahmen einer um 8 Uhr MEZ
641

durchgeführten Vi-

deokonferenz mit dem Stellvertretenden Generalinspek-

teur der Bundeswehr, Generalleutnant Dora, dem stell-

vertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr und

Inspekteur der Streitkräftebasis, Vizeadmiral Kühn, dem

Leiter Einsatzführungsstab im BMVg, Konteradmiral

Andreas Krause sowie dem stellvertretenden Chef des

Stabes des Führungsstabes der Streitkräfte (Fü S), Briga-

degeneral Steiner, informierte Generalleutnant Glatz

gemäß seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss

über den Luftschlag und berichtete von dem Inhalt des

Telefonats mit Brigadegeneral Vollmer. Demnach seien

nach ersten Informationen 56 Aufständische getötet wor-

den, 14 Aufständische seien geflohen. Generalleutnant

Glatz habe in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit

ziviler Oper hingewiesen.
642

Wörtlich hat er als Zeuge

dazu erklärt:

„Ich habe ihm die Informationen aus dem Telefon-
gespräch mit General Vollmer vorgetragen und ha-

be zur Frage nach zivilen Opfern darauf hingewie-

sen, bestärkt durch die Ausführungen von General

Vollmer, auch auf meine Zweifel an der Darstel-

lung des Kontingentes, dass ausschließlich Insur-

gents getötet worden seien, und mahnte zur Vor-

sicht an, da ich diese Darstellung aufgrund meiner

militärischen Erfahrung – ich glaube, ich habe
dann später in einem Aktenvermerk, der auch in

den Akten ist, ‚Bauchgefühl„ geschrieben – für
unwahrscheinlich hielt.“643

fff) „Erste rechtliche Bewertung“

Um 9.56 Uhr erreichte das Einsatzführungskommando

der Bundeswehr eine „erste rechtliche Bewertung des
Vorfalls“ durch den Rechtsberaterstabsoffizier
20. Deutsches Einsatzkontingent ISAF in Masar-i-Scharif.

Darin wird festgestellt, dass der Kommandeur des PRT

Kunduz grundsätzlich befugt gewesen sei, einen Waffen-

einsatz anzuordnen. Die Frage, ob die Voraussetzungen

für den Waffeneinsatz im konkreten Fall vorlagen, wurde

nicht geprüft.
644

ggg) Mögliche zivile Opfer laut einer ISAF-
Presseerklärung

Gegen 10 Uhr erhielt Generalleutnant Glatz nach seiner

Aussage die Information, dass es laut einer Presseerklä-

rung von ISAF auch Opfer unter Zivilisten gegeben habe.

Wörtlich hat der Zeuge Glatz ausgeführt:
641) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630,

Dokument 99), Bl. 10.

642) Vermerk Glatz vom 4. September 2009 (Dokument 102).
643) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62 f.

644) DEU EinsKtgt ISAF, Erste rechtliche Bewertung Vorfall KDZ

(Dokument 103).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97 – Drucksache 17/7400
„Am 4. 9. erhielt ich dann kurz vor 10 Uhr einen
Telefonanruf vom Adjutanten des Generalinspek-

teurs, dem Oberst im Generalstab R., der mich dar-

auf hinwies, nach dem man Informationen erhalten

habe, dass auch Zivilisten betroffen seien. Kurz

vor 10 Uhr sandte er mir eine E-Mail […] mit ei-
nem Pressestatement aus dem Hauptquartier ISAF

in Kabul, die überschrieben war mit dem Titel –
ich übersetze jetzt – ‚Einziges Statement zu Kun-
duz„. In diesem Statement hieß es:

‚ISAF hat Informationen erhalten, nach denen
während dieses Angriffs Zivilisten getötet und

verwundet wurden, und ISAF-Kräfte führen mit

afghanischen Offiziellen eine Untersuchung

durch.“645

hhh) Unterschiedliche Einschätzung von Oberst
Klein und Brigadegeneral Vollmer bezüg-
lich möglicher ziviler Opfer

Oberst Klein teilte dem Befehlshaber des Einsatzfüh-

rungskommandos der Bundeswehr in einem ersten Tele-

fonat mit, dass ihm keine Hinweise auf zivile Opfer vor-

lägen. Den Verlauf des Telefongesprächs hat der Zeuge

Generalleutnant Glatz in seiner Vernehmung dargestellt:

„Am 4. 9. führte ich dann ein erstes Telefonge-
spräch gegen 10 Uhr mit dem Oberst Klein, in dem

er mir bestätigte, dass er persönlich und eigenstän-

dig den Luftangriff ausgelöst habe. Er betonte,

dass für ihn die Entscheidungsgrundlage das für

ihn vorhandene Lagebild, konkretes, aktuelles La-

gebild, sowie der Zusammenhang zur Gesamtent-

wicklung der Bedrohungslage gewesen sei und er

den Einsatz erst freigegeben habe, nachdem er auf

mehrfache Nachfrage sicher gewesen sei, dass es

sich ausschließlich um Insurgents handle. Außer-

dem berichtete er über ausschließlich positive

Reaktionen aus dem Kreis der offiziellen Vertreter

der Afghanen in der Provinz und in Kunduz-Stadt.

In diesem Zusammenhang meldete er mir nach

meiner Erinnerung, dass er keine Hinweise auf zi-

vile Opfer habe.“646

Gegen Mittag erlangte Generalleutnant Glatz Kenntnis

von Protokollen aus Videokonferenzen, aus denen her-

vorging, dass der Kommandeur Regionalkommando

Nord, Brigadegeneral Vollmer, bereits um 10.30 MEZ

gegenüber seinen „Vorgesetzten in der NATO-
Befehlskette“ geäußert habe, er könne zivile Opfer nicht
ausschließen. Diese Protokolle seien an den Einsatzfüh-

rungsstab im Bundesministerium der Verteidigung wei-

tergeleitet worden.
647
645) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 63.

646) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 63.

647) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 63.

iii) Eingang eines Protokolls einer Videokon-
ferenz mit weiteren Hinweisen auf mögli-
che zivile Opfer

Im Laufe des 4. September 2009 erreichte das Einsatzfüh-

rungskommando der Bundeswehr das Protokoll einer

Videokonferenz, an der unter anderem der Kommandeur

des Regionalkommandos Nord, der Kommandeur der

ISAF, General McChrystal, sowie der Kommandeur des

Allied Joint Force Command in Brunssum, General

Ramms, teilgenommen hatten. Darin informierte Brigade-

general Vollmer, dass es laut Aussage des Polizeichefs der

Provinz Kunduz möglicherweise auch zivile Opfer gege-

ben habe. Des Weiteren befinde sich im Krankenhaus in

Kunduz unter den Verletzten auch ein zehnjähriger Junge.

Der Zeuge Glatz hat dazu ausgesagt, er habe die entspre-

chenden Unterlagen umgehend dem Leiter Einsatzfüh-

rungsstab vorgelegt.
648

jjj) Erste Stellungnahme aus Sicht des Kom-
mandeurs des Regionalkommandos Nord

Um 18.16 Uhr erhielt das Einsatzführungskommando der

Bundeswehr die „erste Stellungnahme aus Sicht COM RC
N“. Brigadegeneral Vollmer stellte darin unter anderem
fest, dass die Reaktion in Bezug auf den Luftschlag auf

afghanischer Seite von Beginn an positiv gewesen sei.

Die Stimmung könne aber „jederzeit kippen, wenn die
Berichterstattung in den Medien die zwangsläufig einget-

retenen Verluste unter der Zivilbevölkerung weiter fort-

schreibt.“649

Der Zeuge Generalleutnant Glatz hat in seiner Verneh-

mung erklärt, dass Brigadegeneral Vollmer, ihm, „den
Verantwortlichen in der NATO und dem BMVg zu dem

Zeitpunkt der Korrektur des INTSUM eine Vielzahl von

Hinweisen vorlagen, die auf mögliche zivile Opfer hin-

deuteten“.650

Der Bericht wurde am 6. September 2009 dem Einsatz-

führungsstab im BMVg zur Kenntnis gegeben.
651

bb) Meldungen und Informationserlangung bis
zum 13. September 2009

aaa) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein
am 5. September 2009

Am Nachmittag des 5. September 2009 traf im Einsatz-

führungskommando der Bundeswehr ein von Oberst Klein

erstellter Bericht ein, in dem dieser die Gründe für seinen

Entschluss, einen Luftschlag durchzuführen, darlegte.

Demnach habe Oberst Klein im Ergebnis die Weisung

zum Einsatz der Bomben erteilt, weil:
648) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 63 f.

649) DEU EinsKtgt ISAF, Erste Stellungnahme COM RC N

(Dokument 104).
650) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 66.

651) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),

Bl. 24.
Drucksache 17/7400 – 98 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Ort und Zeitpunkt des Geschehens sowie der
Aufbau des Lagebildes nach meiner Bewertung so

eindeutig waren, dass ich nach allen mir zum Zeit-

punkt des Waffeneinsatzes zur Verfügung stehen-

den Informationen davon ausgehen konnte, durch

den Einsatz eine Gefahr für meine anvertrauten

Soldaten frühzeitig abwenden zu können und an-

dererseits mit höchster Wahrscheinlichkeit dabei

nur Feinde des Wiederaufbaus AFGHANISTANS

zu treffen.“652

Der Bericht von Oberst Klein enthielt zudem noch den

folgenden Satz:

„Am 040151Dsep09 entschloss ich mich, zwei am
Abend des 03 sep09 auf der LOC PLUTO durch

INS entführte Tanklastwagen, sowie die an den

Fahrzeugen befindlichen INS durch den Einsatz

von Luftstreitkräften zu vernichten.“653

In seiner Vernehmung hat der Zeuge Klein dazu ausge-

führt:

„Meine zusammengefasste militärische Lagebeur-
teilung habe ich in Form eines Entschlusses mit

Begründung – das ist ein militärisches Format –
am 5. September meinem höchsten militärischen

Vorgesetzten, dem Generalinspekteur General

Schneiderhan, vorgelegt. Auch dieses Dokument

liegt Ihnen vor. Auf Anweisung des Befehlshabers

Einsatzführungskommando, Generalleutnant

Glatz, wurde dieser unmittelbar nach Potsdam

übermittelt. In diesem habe ich mein Lagebild in

der Nacht in der angemessenen militärischen Dik-

tion dargestellt.“654

bbb) Eintreffen des Protokolls Fact Finding
Mission („N.-Bericht“) am 6. September
2009

Am Abend des 6. September 2009 wurde dem Einsatzfüh-

rungskommando der Bundeswehr das von Oberst i. G. N.

gefertigte „Protokoll der Fact Finding Mission Kunduz
05. – 06.09.2009“ (sog. N.-Bericht) aus dem HQ ISAF in
Kabul übersandt.

655
Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der

Bundeswehr, der diesen Bericht gemäß seiner Aussage für

besonders bedeutend hielt, veranlasste, dass dieser dem

Generalinspekteur der Bundeswehr, General Schneider-

han, zur Kenntnis gegeben wird.
656
652) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 3.
653) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2.
654) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.

655) Fax-Sendebericht, Mat. 17-26, Ordn. 3, Bl. 67, Tgb.-Nr. 26/10 –
GEHEIM. Wegen des „N.-Berichts“, siehe: (Fn. 141, Doku-
ment 54).

656) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 68 f.

ccc) Eintreffen des Berichts des Initial Action
Teams

Der VS-VERTRAULICH (Confidential) eingestufte Be-

richt des Initial Action Teams (IAT) erreichte das Einsatz-

führungskommando der Bundeswehr am 6. September

2009 um 18.32 Uhr.
657

ddd) Gespräch des Befehlshabers des Einsatz-
führungskommandos der Bundeswehr mit
dem Generalinspekteur der Bundeswehr
am 7. September 2009

Im Rahmen eines am Nachmittag des 7. September 2009

geführten Gespräches zwischen dem Befehlshaber des

Einsatzführungskommandos der Bundeswehr und dem

Generalinspekteur der Bundeswehr wurde Generalleut-

nant Glatz über die Entscheidung von Staatssekretär

Dr. Wichert informiert, derzeit keine nationale Untersu-

chung durchzuführen, sondern das Ergebnis der NATO-

Untersuchung abzuwarten.
658

In diesem Gespräch gab

Generalleutnant Glatz gegenüber General Schneiderhan

eine Einschätzung des Luftangriffs ab. Der Zeuge Glatz

hat dazu vor dem Untersuchungsausschuss ausgeführt:

„Ich habe damals sinngemäß geäußert […]: Ers-
tens. Ich bin der Auffassung, dass es möglicher-

weise zu Versäumnissen und Fehlern im Füh-

rungsvorgang gekommen sei, vor der Entschei-

dung zum Luftangriff; […] in der Anwendung der
Standing Operation Procedures und der RoE, und

wenn dieses beides so wäre, es zu einer fehlerhaf-

ten Entscheidungsfindung und auch zu einer feh-

lerbehafteten Entscheidung gekommen sein könn-

te. Ich habe die Aussage dann sinngemäß damit

beendet, dass es dann möglicherweise ein Fehler –
ich glaube, ich habe sogar gesagt: Riesenfehler –
des Oberst Klein gewesen sein könnte; allerdings

unter dem Vorbehalt […], dass zu diesem Zeit-
punkt noch niemand angehört war […], ohne eine
Anhörung des Oberst Klein, ohne eine Anhörung

des anderen Personals hätte man zu einer abschlie-

ßenden Bewertung […] nicht kommen können.“659

Abschließend erteilte General Schneiderhan dem Befehl-

shaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr

die Weisung, dass keinerlei Abgabe einer Bewertung vor

Abschluss der ISAF-Untersuchung zu erfolgen habe.
660

eee) Eintreffen von Gesprächsprotokollen aus
dem PRT Kunduz am 7. September 2009

Am Abend des 7. September 2009 gingen in der Operati-

onszentrale des Einsatzführungskommandos der Bundes-

wehr Gesprächsprotokolle aus dem PRT Kunduz ein. In

einem am 7. September mit Oberst Klein im Feldlager
657) Mat. 17-26, Ordn. 3, Bl. 26, Tgb.-Nr. 26/10 – GEHEIM.
658) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67.
659) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67.

660) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),

Bl. 26.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 99 – Drucksache 17/7400
Kunduz geführten Gespräch erklärte der Gouverneur der

Provinz Kunduz, Mohammad Omar, dass die Bevölke-

rung den Luftschlag gutheiße und er sich dafür bedanke.

Der Polizeichef der ANP in der Provinz Kunduz, Rasaq,

führte ergänzend aus, dass es sich bei den Personen auf

der Sandbank um Taliban und deren Unterstützer gehan-

delt habe.
661

Die Protokolle wurden am selben Tag an den

Generalinspekteur der Bundeswehr sowie an den Leiter

Einsatzführungsstab im BMVg weitergeleitet.
662

fff) Videokonferenz am 11. September 2009

In einer Videokonferenz am 11. September 2009 gegenü-

ber dem BMVg berichtete Generalleutnant Glatz gemäß

seiner Darstellung:

„Das war diese wöchentliche, 8 Uhr freitags. Da
hat der COM ISAF [...] noch mal sehr deutlich in

einem Office Call gemacht, er verstehe nicht, war-

um der Oberst Klein die Situation am Boden zu ei-

ner ‚troops in contact„-Situation erklärt habe. Er
habe nicht verstanden, warum der Oberst Klein

hinterher keine Bodentruppen geschickt hätte, dass

er das Battle Damage Assessment nicht nach sei-

nen, McChrystals, Vorstellungen vor Ort gemacht

habe, sondern das ist ja erst viel, viel später er-

folgt. Er hat die Frage gestellt, warum Oberst

Klein die Afghanen nicht zeitnah oder vorab in-

formiert hat über diesen Luftangriff, warum der

Oberst Klein das Krankenhaus nicht besucht habe.

Er persönlich glaube, der Luftangriff sei ein Fehler

gewesen; Fehler können passieren, jetzt müssten

aber alle Rahmenbedingungen aufgeklärt werden,

die zu einer möglichen Fehlentscheidung geführt

hätten, und er, McChrystal, sei sicher, dass es zivi-

le Opfer gegeben habe.“663

ggg) Eintreffen des so genannten Feldjägerbe-
richtes am 13. September 2009

Am Morgen des 13. September 2009 traf der so genannte

Feldjägerbericht im Einsatzführungskommando der Bun-

deswehr ein. Generalleutnant Glatz nahm nach seiner

Aussage den Inhalt zur Kenntnis und ließ diesen durch

seinen Leitenden Rechtsberater prüfen. Am 14. Septem-

ber 2009 wurde der Bericht dem Einsatzführungsstab im

BMVg vorgelegt.
664

hhh) Untersuchungsbericht der afghanischen
Untersuchungskommission

Am 23. September 2009 wurde der Operationszentrale

des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr der

Bericht der vom afghanischen Präsidenten Karzai einge-
661) Gesprächsprotokoll PRT KDZ (Dokument 105).
662) E-Mail vom 7. September 2009 (Dokument 106).

663) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 82.

664) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 71.

setzten afghanischen Untersuchungskommission nebst

einer „unredigierten Rohübersetzung“ übersandt.665

c) Kommando Führung Operationen von
Spezialkräften

Das Kommando Führung Operationen von Spezialkräften

(FOSK) hat seinen Sitz ebenfalls in Schwielowsee bei

Potsdam. Auf operativer Ebene plant und führt es die

Operationen von Spezialkräften.
666

Truppendienstlich

untersteht das Kommando FOSK dem Einsatzführungs-

kommando der Bundeswehr, hinsichtlich der streitkräfte-

gemeinsamen Fachaufgabe dem Bundesministerium der

Verteidigung (Einsatzführungsstab).
667

Kommandeur des Kommandos FOSK ist seit dem

1. Oktober 2008
668

Oberst i. G. G. B. Dieser führt trup-

pendienstlich die Kontingentführer der für den Einsatz

unterstellten Kräfte.

Am 4. September 2009 wurde einem Offizier der Füh-

rungsbereitschaft im Kommando FOSK um 3.40 Uhr

gemeldet, dass im Raum Kunduz ein Luftschlag durchge-

führt worden sei. Der Zeuge Oberst i. G. G. B. hat dazu in

seiner Vernehmung ausgesagt:

„Der Luftschlag wurde zunächst meinem Offizier
der Führungsbereitschaft gemeldet. […] und dieser
ist am 4. September morgens gegen 3.40 Uhr an-

gerufen worden und ihm ist mitgeteilt worden,

dass eine so genannte Sofortmeldung aus dem Ein-

satzgebiet auf dem Weg nach Deutschland ist. Er

hat sich dann den Inhalt melden lassen und fest-

gestellt, dass es eine reine Meldung ist, die von ei-

ner Operation des PRT handelt. Er hat daraufhin

entschieden, dass dieses Zeit hat, morgens bei

Dienstbeginn gesichtet zu werden.“669

aa) Unterrichtung des Kommandeurs des
Kommandos FOSK

Der Zeuge Oberst i. G. G. B. hat weiter ausgeführt, er

persönlich sei am 4. September 2009 um 6.40 Uhr über

den Luftschlag unterrichtet worden. Dabei sei ihm auch

mitgeteilt worden, dass eine diesbezügliche Sofortmel-

dung vorliege.
670

Zu den getroffenen Maßnahmen hat er

ausgesagt:

„Ich bin an diese erste Meldung – das ist aber eine
gewisse Erfahrung, dass erste Meldungen häufig

nicht exakt und richtig sind – herangegangen und
665) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),

Bl. 45. Wegen des Untersuchungsberichts vgl. Fn. 122.

666) Internetauftritt des Kommando FOSK
(www.streitkraeftebasis.de).

667) BMVg – Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr
und Inspekteur der Streitkräftebasis – Organisationsbefehl
Nr. 126/2005 (SKB) für die Aufstellung Kommando Operative

Führung von Spezialkräften (KdoFOSK) vom 3. März 2005,

Stand: 1. April 2009 mit 4. OrgÄWsg.
668) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 49.

669) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 49 f.

670) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 50.

Drucksache 17/7400 – 100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
habe Auftrag gegeben, da noch mal nachzufassen,

dranzubleiben, wie sich das Lagebild tatsächlich

entwickelt, weil erste Zahlen und erste Schilderun-

gen nach so einer Situation meistens nicht stim-

men, zumal meine Leute daran ja nicht beteiligt

waren, sondern quasi als Zaungäste andere Infor-

mationsquellen abschöpfen mussten, um dieses

Lagebild zu generieren.“671

Am Vormittag erging an die Task Force 47 (zur Rolle der

Task Force 47, siehe oben: B.III.8, S. 68) der Auftrag,

eine Meldung hinsichtlich der Beteiligung der Task Force

47 am Luftschlag vorzulegen.
672

Eine „umfangreichere Meldung der Task Force 47“673
ging im Kommando FOSK um 14.22 Uhr ein,

674
die dem

Befehlshaber EinsFüKdoBw zur Kenntnis gegeben wur-

de. Gemäß der Einlassung des Zeugen G. B. sei am 4.

September 2009 die Möglichkeit ziviler Opfer in keiner

Meldung erwähnt worden.
675

bb) Gespräch zwischen dem Kommandeur des
Kommandos FOSK und dem Kommandeur
der Task Force 47

Der Zeuge Oberst i. G. G. B. hat vor dem Untersuchungs-

ausschuss erklärt, er habe mit dem Kommandeur der Task

Force 47 über den Luftschlag gesprochen und betont, dass

es sich um eine Operation des PRT Kunduz und nicht der

Task Force 47 gehandelt habe.
676

d) Meldungen in das Bundesministerium der
Verteidigung

aa) Einsatzführungsstab

Der Einsatzführungsstab im Bundesministerium der Ver-

teidigung wurde am 1. Juni 2008 als Arbeitsstab des Ge-

neralinspekteurs der Bundeswehr zur Wahrnehmung

seiner Verantwortung für die Einsätze der Bundeswehr

aufgestellt. Für die jeweiligen Einsätze sind aktuell fünf

Einsatzteams (Afghanistan, Balkan, Maritime Operatio-

nen, UN/EU-Missionen, Nationale Krisenvorsorge) zu-

ständig. Geführt wird der Einsatzführungsstab vom Leiter

Einsatzführungsstab, Konteradmiral Andreas Krause.
677
671) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 56.
672) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),

Bl. 10.

673) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 53.
674) Chronologische Übersicht über den Informationsfluß (Fn. 630),

Bl. 15.

675) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 75.
676) G. B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 78.

677) www.bmvg.de (Ministerium/Aufbau und Funktion/Die militäri-

schen Führungsstäbe/Einsatzführungsstab).

aaa) Meldungen und Informationserlangung am
4. September 2009

(1) Erstinformation über den Luftschlag

Am Morgen des 4. September 2009 wurde der Leiter des

Einsatzführungsstabes im Bundesministerium der Vertei-

digung (BMVg) nach seiner Darstellung vom Bereit-

schaftszentrum Bundeswehr darüber unterrichtet, dass „in
der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 dieser Bom-

benangriff stattgefunden hat [und] dass diese Information

bereits in den Nachrichten über den Ticker gelaufen ist.“
Er habe daraufhin angewiesen, dass eine weitere Sachauf-

klärung zu erfolgen habe und die Leitung des BMVg

durch den Bereitschaftsdienst vorab zu informieren.
678

Der Zeuge Krause hat dargelegt, dass der Einsatzfüh-

rungsstab diese erste Information nicht auf dem „operati-
ven Strang“ sondern auf dem „Pressestrang“ erhalten
habe.

„Idealtypisch wäre es, wenn wir die Informationen
zunächst auf dem operativen Strang bekämen. In

der Realität hat sich aber erwiesen, dass wir zu-

nehmend Informationen zunächst über den Presse-

strang bekommen. So war es auch in diesem Fall:

dass mir gemeldet wurde, dass halt eben diese In-

formationen aus dem Einsatzgebiet auf dem Pres-

sestrang nach Potsdam kamen, dann zum Stabsof-

fizier des Bereitschaftszentrums und dann zu mir.

Und das ist letztendlich – das kann ich aus Erfah-
rung sagen – in einem hohen Prozentsatz der Fall,
die Normalität.“679

(2) Freigabe des Inhaltes der ersten Presse-
meldung

Um 6.20 Uhr billigte der Leiter des Einsatzführungsstabes

den Entwurf einer ersten Pressemeldung des Presse- und

Informationsstabes zum Luftschlag (siehe oben:

C.II.1.b)aa)bbb)(1), S. 95). Den Ablauf hat er wie folgt

dargestellt:

„Ich habe dann circa 20 Minuten später – das muss
dann um […] 6.20 Uhr, 6.25 Uhr gewesen sein –
eine Pressemeldung des Inhalts vorgelegt bekom-

men, dass bei dem Luftanschlag in der Nacht des

4. 9. 56 Insurgents getötet worden seien und keine

Zivilisten. Diese Aussage habe ich dreimal hinter-

fragt. Man hat mir gesagt, das sei bestätigt. Dar-

aufhin habe ich diese Pressemeldung freigege-

ben.“680

(3) Erste Zweifel in der morgendlichen Video-
konferenz

In der morgendlichen Videokonferenz um 8 Uhr kamen

nach Darstellung des Zeugen Krause erste Zweifel auf, ob
678) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 2.

679) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 6 f.

680) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 2.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101 – Drucksache 17/7400
die Aussage, dass keine zivilen Opfer zu beklagen sind, in

dieser Form aufrechterhalten werden kann:

„[…] im Verlauf dieses Führungsgespräches waren
schon Zweifel da, dass angesichts der Komplexität

dieser Situation die Aussage so apodiktisch, wie

sie getroffen worden war, von Bestand bleiben

könnte.
681

[…]

Es wurde während des Gesprächs nicht über zivile

Opfer gesprochen, sondern [..] über die Komplexi-

tät der Situation […] und dass ich mich da mögli-
cherweise zu sehr festgelegt hatte mit der Aussage,

[…] dass zivile Opfer oder dass Zivilisten nicht zu
Schaden gekommen sind, sodass wir gesagt haben,

diese Aussage ist in ihrer Ausschließlichkeit so

möglicherweise nicht haltbar.“682

(4) Änderung der Online-Meldung auf der
Internetseite www.bundeswehr.de

In der Folge sei die Online-Meldung nach Darstellung des

Zeugen Konteradmiral Krause durch den Presse- und

Informationsstab im Internet dahingehend geändert wor-

den, dass „vermutlich keine Zivilisten“ getötet worden
seien. Später habe man den Begriff „Zivilisten“ durch
„Unbeteiligte“ ersetzt.683

(5) Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers
in Kabul mit möglichen zivilen Opfern

Um 9.56 Uhr erreichte den Einsatzführungsstab eine

Presseerklärung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul, wo-

nach Informationen vorlägen, dass durch den Luftschlag

auch Zivilisten getötet oder verwundet worden seien.
684

(6) Telefonat mit General Ramms am 4. Sep-
tember 2009

Am 4. September wurde Konteradmiral Krause in einem

Telefonat mit General Ramms darauf hingewiesen, dass

zivile Opfer nach seiner Auffassung wohl nicht mehr

auszuschließen seien. Der Zeuge Ramms hat dazu ausge-

sagt:

„Ich habe in einem Telefongespräch mit dem Ge-
neralleutnant Dora und in einem Telefongespräch

mit dem Admiral Krause […] darauf hingewiesen,
dass mir Meldungen vorliegen, dass, […] Patien-
ten in Kunduz im Krankenhaus liegen, die einer

Altersklasse oder Altersgruppe von 10 bis 14 Jah-

ren zuzuordnen sind. Das war auch einer der Punk-

te, der mich dazu gebracht hat […], den Rück-
schluss zu ziehen, dass wir zumindest die Beteili-

gung von Zivilisten in dieser Situation nicht mehr

ausschließen können.“685
681) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 3 f.

682) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 5.
683) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 3 f.

684) Pressestatement ISAF vom 4. September 2009 (Dokument 107).

685) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 6.

bbb) Meldungen und Informationserlangung bis
zum 30. September 2009

(1) Eintreffen weiterer Berichte und Meldun-
gen bis zum 30. September 2009

Zwischen dem 5. und dem 30. September 2009 gingen

unter anderem folgende Meldungen und Dokumente im

Einsatzführungsstab ein:

– Bericht von Oberst Klein: Der Bericht des Komman-
deurs des PRT Kunduz ging am 5. September 2009

ein.
686

– Protokoll der Fact Finding Mission („N.-Bericht“):
Am 6. September 2009 erhielt der Einsatzführungs-

stab das Protokoll der Fact Finding Mission von

Oberst i. G. N. („N.-Bericht“).687

– Bericht des Initial Action Teams (IAT): Der
GEHEIM eingestufte Bericht des Initial Action

Teams (IAT) erreichte den Einsatzführungsstab am 6.

September 2009 um 19.32 Uhr.
688

– Gesprächsprotokolle aus dem PRT Kunduz: Am 7.
September gingen die Gesprächsprotokolle aus dem

PRT Kunduz ein.
689

– UNAMA-Liste möglicher Opfer: Am 12. September
2009 übersandte das Einsatzführungskommando der

Bundeswehr an den Einsatzführungsstab eine Liste

der UNAMA mit möglichen Opfern des Luftschla-

ges.
690

– „Feldjägerbericht“: Am 14. September 2009 traf im
Einsatzführungsstab der Bericht des Feldjägerführers

vom 9. September 2009 ein.
691

– Untersuchungsbericht der afghanischen Regierung:
Am 22. September 2009 erhielt der Einsatzführungs-

stab den Bericht der vom afghanischen Präsidenten

Karzai eingesetzten afghanischen Untersuchungs-

kommission nebst einer „unredigierten Rohüberset-
zung“.692

(2) Vorlage einer „presseverwertbaren Stel-
lungnahme“ des Einsatzführungsstabes
am 7. September 2009

Am 7. September legte der Einsatzführungsstab Staats-

sekretär Dr. Wichert eine „presseverwertbare Stellung-
nahme zum Luftangriff gegen Opposing Militant Forces
686) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63).
687) Übersendungs-E-Mail, Mat. 17-30, Ordn. 2, Bl. 178, Tgb.-Nr.

30/10 – GEHEIM. Zum „N.-Bericht“ siehe Fn. 141.
688) Mat. 17-30, Ordn. 2, Bl. 184, Tgb.-Nr. 30/10 – GEHEIM.
689) Übersendungs-E-Mail, Mat. 17-30, Ordn. 3, Bl. 257, Tgb.-Nr.

30/10 – GEHEIM.
690) Übersendungs-E-Mail, Mat. 17-30, Ordn. 6, Bl. 7, Tgb.-Nr. 30/10

– GEHEIM. Zu der UNAMA-Liste (siehe Fn. 523, Doku-
ment 78).

691) Inhaltsübersicht zur Aktenvorlage an den Verteidigungsaus-
schuss, Mat. 17-30, Ordn. 6, Bl. 1, Tgb.-Nr. 30/10 – GEHEIM.

692) Übersendungs-E-Mail, Mat. 17-30, Ordn. 6, Bl. 74, 75, Tgb.-Nr.

30/10 – GEHEIM.

Drucksache 17/7400 – 102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
(OMF) am 4. September 2009“ vor. Darin heißt es unter
anderem:

„Im Laufe des 4. September 2009 wurden 12
männliche Verletzte, darunter ein zehnjähriger

Junge, in das Krankenhaus in der Stadt Kunduz

zumeist mit Brandverletzungen eingeliefert.“693

In der Stellungnahme wird weiter erwähnt, dass ein ISAF-

Team Voruntersuchungen in Kunduz durchgeführt und

einen Bericht gefertigt habe. Demnach gehe das Team

davon aus, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahr-
scheinlichkeit (‚high degree of certainty„) auch Zivilisten
getötet oder verletzt“ worden seien.694

(3) Kurzauswertung des so genannten Feldjä-
gerberichts durch den Einsatzführungs-
stab

Das Einsatzteam Afghanistan im Einsatzführungsstab

fertigte unter dem 16. September 2009 eine „Kurzauswer-
tung Untersuchungsbericht Feldjägerführer im Einsatz“
für den Leiter des Einsatzführungsstabes. Darin heiß es

unter anderem:

„[…] Der Untersuchungsbericht ist in der Diktion
häufig schärfer formuliert als der IAT-Report, ob-

wohl die Grundlage des Untersuchungsberichts

aufgrund der Kürze der Zeit nicht wesentlich grö-

ßer ist.“

Abschließend wird in der „Kurzauswertung“ angemerkt,
dass eine negative Implikation nicht auszuschließen sei,

würde der Bericht ohne begleitende fachliche Kommen-

tierung in eine Untersuchung eingebracht werden.
695

Der Zeuge Oberst i. G. G., zum damaligen Zeitpunkt

Teamleiter des Einsatzteams Afghanistan, hat zur ab-

schließenden Anmerkung im Bericht ausgesagt:

„Als ich den Feldjägerbericht erhalten habe und
mich mit meinen Mitarbeitern an die Auswertung

gemacht habe, haben wir dem Anschreiben ent-

nehmen können, dass der Oberst Klein als Kom-

mandeur PRT im Grunde genommen nicht durch

denjenigen gehört werden konnte, der diesen Un-

tersuchungsbericht erstellt hat. Aufgrund der be-

wertenden Aussagen in diesem Bericht bin ich der

Auffassung gewesen, dass eine Bewertung, die

dort durchgeführt ist, durchaus einer Kommentie-

rung bedarf. Das ist der Hintergrund gewesen.“696

Aus Sicht des Leiters des Einsatzführungsstabes erfolgten

die im „Feldjägerbericht“ vorgenommenen Bewertungen,
obwohl der Sachverhalt noch nicht hinreichend ermittelt

war. Der Zeuge Krause hat dazu ausgeführt:
693) Vorlage einer Presseverwertbaren Stellungnahme zum Luftangriff

vom Einsatzführungsstab an Sts Dr. Wichert vom 7. September
2009 (Dokument 108).

694) Presseverwertbare Stellungnahme zum Luftangriff (Fn. 693),

Bl. 26 [29].
695) EinsFüStab, Kurzauswertung Vorläufiger Feldjägerbericht für

Gespräch mit GI (Dokument 109).

696) H. G., Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 38.

„Der ganze Bericht war im Wesentlichen, sowie
ich es vorhin versuchte darzustellen, eine Sachdar-

stellung. Ungefähr ein Absatz oder anderthalb,

wenn ich das erinnere, da hat er einen bewertenden

Teil genommen. Diese Bewertung ist aus unserer

Sicht vorschnell gewesen, zu schnell gewesen, da

er letztendlich noch überhaupt gar nicht das komp-

lette Lagebild gehabt hat, noch gar nicht mit allen

Menschen gesprochen hatte. Insbesondere war,

wenn ich das recht erinnere, Oberst Klein noch gar

nicht weiter befragt worden zu diesem Zeitpunkt,

um halt eben letztendlich zu dieser Bewertung

kommen zu können.“697

bb) Planungsstab

Der Planungsstab gehört zum Leitungsbereich im Bun-

desministerium der Verteidigung (BMVg). Leiter des

Planungsstabes war im Untersuchungszeitraum und ist

aktuell Ministerialdirektor Dr. Ulrich Stefan Schlie. Die

Aufgaben des Planungsstabes hat der Zeuge Dr. Schlie in

seiner Vernehmung wie folgt beschrieben:

„Zu den Aufgaben des Planungsstabs gehören die
unmittelbare Beratung des Bundesministers in al-

len für ihn relevanten Fragen und seine Vorberei-

tung auf alle mündlichen und schriftlichen Einlas-

sungen. Der Planungsstab ist nicht in die Hierar-

chie des Hauses eingebunden und untersteht direkt

dem Minister, der ihm gegenüber allein weisungs-

befugt ist. Der Planungsstab besitzt keine formale

Weisungsbefugnis in das Ministerium, und die Ge-

schäftsordnung des Ministeriums sieht lediglich

vor, dass alle an den Minister adressierten Vorla-

gen dem Planungsstab in Nebenabdruck rechtzeitig

vorgelegt werden müssen. Das ist die wesentliche

Grundlage für die Beratung durch den Planungs-

stab. Der Planungsstab ist in keinem Bereich für

die originäre Sacharbeit zuständig, auch nicht bei

militärischen Bewertungen. Diese obliegen allein

dem Generalinspekteur der Bundeswehr.“698

aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009

Gemäß seiner Darstellung vor dem Untersuchungsaus-

schuss erfuhr Dr. Schlie am Vormittag des 4. September

2009 vom Luftschlag durch eine Sofortmeldung des Ein-

satzführungsstabes im BMVg, wonach 56 Aufständische

getötet worden seien, Zivilpersonen aber keinen Schaden

genommen hätten.
699
697) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 6.

698) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.

699) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 103 – Drucksache 17/7400
bbb) Zweifel an der Darstellung, dass Opfer

unter der Zivilbevölkerung ausgeschlos-
sen werden können

An dieser Darstellung gegenüber der Öffentlichkeit, dass

Opfer unter der Zivilbevölkerung ausgeschlossen werden

könnten, hatte Dr. Schlie nach seiner Aussage von Anfang

an Zweifel.

„Ich erinnere mich daran, dass ich mit Staatssekre-
tär Wichert telefonierte und wir uns einig in der

Beurteilung waren, dass die Presseverlautbarungen

des Hauses eine Wertung vorgenommen hatten, für

die ich zu diesem Zeitpunkt die Grundlage als

nicht gegeben ansah. […] Ich hatte von Anfang an
Zweifel, dass die Behauptung, es könne ausge-

schlossen werden, dass bei dem Luftschlag auch

Zivilisten ums Leben gekommen seien, zutreffend

sei. […] Auch wenn zum damaligen Zeitpunkt ei-
ne ganze Reihe von Fragen zum Ablauf offen war,

so waren mir doch von Anfang an die Dimension

des Ereignisses und mögliche Implikationen be-

wusst.“700

Dr. Schlie verfasste daraufhin eine Sprechempfehlung für

den Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung. Wörtlich

hat der Zeuge Dr. Schlie dazu ausgeführt:

„Ich habe dann vor diesem Hintergrund gegen Mit-
tag eine Sprechempfehlung für Bundesminister

Jung […] verfasst, auf der Grundlage der bis dahin
vorliegenden Informationen, in der ich auf die

noch laufenden Untersuchungen durch ISAF ver-

wies. In der Vorlage zu dieser Sprechempfehlung

findet sich auch der entscheidende Hinweis, dass

die Sachverhaltsfeststellung noch nicht abge-

schlossen sei und Aussagen ausschließlich auf der

Linie des beigefügten ISAF-Pressestatements er-

folgen sollten. In diesen Pressestatements wurde

bereits am 4. September nicht ausgeschlossen, dass

es bei dem Luftschlag auch zu Opfern unter Unbe-

teiligten gekommen sein könnte.“

Zusätzlich habe Dr. Schlie am 4. September um 14 Uhr

Bundesminister Dr. Jung per SMS mitgeteilt, dass seiner

Auffassung nach Opfer unter der Zivilbevölkerung nicht

ausgeschlossen werden könnten.
701

ccc) Vorschlag einer Untersuchung des Vorfalls
durch eine Bundeswehrkommission

In Vorbereitung der Obleuteunterrichtung am 11. Sep-

tember 2009 fertigte der Leiter des Planungsstabes am 10.

September 2009 neben einer Sprechempfehlung auch den

Entwurf einer „Ministerweisung zu Sachstandsaufklärung
Kunduz“. Darin wird dem Minister empfohlen, den Gene-
ralinspekteur der Bundeswehr durch Staatssekretär
700) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.

701) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.

Dr. Wichert mit der Aufklärung des „Sachverhaltes Kun-
duz“ zu beauftragen.702

Der Zeuge Dr. Schlie hat dazu erläutert:

„Ich hatte das Verständnis, dass nun umgehend ei-
ne nationale Untersuchung des Kunduz-Vorfalls

zwingend erforderlich sei und täglich über Sach-

standsfortschritte mit dem Ziel maximaler Trans-

parenz im Leitungsbereich berichtet werden sollte.

[…] Mein Verständnis war, dass nur bei einer kla-
ren Auftragslage nach innen und einer offensiven

Kommunikation nach außen die bereits damals im

Raum stehenden Vorwürfe der Untätigkeit und

Führungsschwäche gegen Bundesminister Jung

hätten ausgeräumt werden können und es auch

darum gehen musste, die sicherheitspolitischen

Aspekte des Luft-Boden-Einsatzes vom

4. September anzusprechen.“703

Staatssekretär Dr. Wichert, der die Vorlage am 10. Sep-

tember 2009 erhielt, vermerkte auf der Vorlage hand-

schriftlich, dass er eine eigene Untersuchung für falsch

halte.
704

In seiner Vernehmung durch den Untersuchungs-

ausschuss hat der Zeuge Dr. Wichert dazu erklärt:

„Es ist zutreffend, dass es einen Dissens zwischen
dem Leiter Planungsstab und mir sowie General

Schneiderhan auf der anderen Seite in der Frage

gab, wie wir den Minister beraten sollen, eine ei-

gene nationale Untersuchung kurz nach dem Luft-

schlag selbst aufzusetzen. Hier war das Votum des

Planungsstabes, dies zu tun. General Schneiderhan

und ich haben den Minister gegenteilig beraten.

Die Gründe dafür waren, dass der Bericht des Ini-

tial Action Teams eine NATO-Untersuchung emp-

fohlen hatte, und zwar sehr schnell nach dem 4. 9.

Ich glaube, es war am 5. oder 6. 9., dass diese

Empfehlung des Initial Action Teams kam. Da es

sich hier um eine NATO-Operation handelte und

nicht um eine Operation der Bundeswehr, sah ich

zu diesem Zeitpunkt keine Veranlassung. Ich hatte

mir allerdings vorbehalten, eine eigene Untersu-

chung anzusetzen und dem Minister zu empfehlen,

wenn sich zeigen sollte, dass die NATO-

Untersuchung zu kurz greifen würde oder Aspekte

außer Acht lassen würde, die für die Bundeswehr

und insbesondere für Oberst Klein von Bedeutung

gewesen wären.

Der Minister hat sich diesem Votum an-

geschlossen. Es hat nach meiner Erinnerung hierzu

keine Diskussion beim Minister selbst gegeben,

wo Herr Schlie und ich bzw. General Schneider-

han unsere Argumente hätten offenlegen können.

Herr Schlie hat nach meiner Erinnerung auch nicht

Rücksprache bei mir gesucht, um das zu erörtern,

sondern er hatte einen Vermerk gemacht. Ich hatte
702) Ministerweisung zur Aufklärung des Sachverhalts

(Dokument 110).

703) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19 f.

704) Vermerk Wichert auf Ministerweisung (Dokument 111).

Drucksache 17/7400 – 104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nach meiner Erinnerung einen Vermerk gemacht,

und der Minister hatte dann entschieden. So war

der Ablauf der Dinge.“705

Der Zeuge Dr. Schlie hat ausgesagt:

„Zunächst hatte Oberst R., der Adjutant des Gene-
ralinspekteurs, signalisiert, dass die entsprechende

Vorlage des Planungsstabs durchaus der Linie des

Generalinspekteurs entspräche. Im Resultat indes

hat sich General Schneiderhan dann für eine ande-

re Beratungslinie entschieden. Die von mir damals

gesuchte persönliche Aussprache mit General

Schneiderhan kam nicht zustande. Auch mein da-

mals gemachter Vorschlag, eine hochrangige Bun-

deswehrkommission unter Leitung des stellvertre-

tenden Generalinspekteurs nach Kunduz zu ent-

senden, stieß bei General Schneiderhan auf Ableh-

nung. Auch Staatssekretär Dr. Wichert ist meinem

Vorschlag, eine nationale Untersuchung einzulei-

ten, nicht nachgekommen.“706

Daraufhin wurde die entworfene Ministerweisung nach

Darstellung des Zeugen Dr. Schlie verworfen:

„Die von mir entworfene und empfohlene Minis-
terweisung zur Sachstandsaufklärung […] wurde
infolge der abweichenden Position von Staatssek-

retär Dr. Wichert und General Schneiderhan von

Bundesminister Jung verworfen, und die für die

Obleuteunterrichtung vom 11. September ausgear-

beitete Sprechempfehlung […] wurde von ihm
nicht aufgegriffen.“707

cc) Presse- und Informationsstab

Für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist im Bundes-

ministerium der Verteidigung (BMVg) der Presse- und

Informationsstab zuständig. Ebenso wie der Planungsstab

gehört der Presse- und Informationsstab zum Leitungsbe-

reich im BMVg.
708

Leiter des Presse- und Informations-

stabes und Sprecher des Verteidigungsministeriums war

im Untersuchungszeitraum bis zum 15. November 2009

Dr. Thomas Raabe.

aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009

Am Morgen des 4. September 2009 erhielt der Sprecher

vom Dienst des Presse- und Informationsstabes vom

Sprecher vom Dienst des Einsatzführungskommandos der

Bundeswehr (EinsFüKdoBw) die Information, dass am

Morgen des 4. September 2009 in Kunduz auf Weisung

eines deutschen Oberst ein Luftschlag gegen zwei Tank-

lastwagen durchgeführt worden war. Eine diesbezügliche

vom Leiter des Einsatzführungsstabes gebilligte Meldung

wurde nach Rücksprache mit dem stellvertretenden Leiter
705) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 52.

706) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21.
707) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19 f.

708) www.bmvg.de (Ministerium/Aufbau und Funktion/Der Leitungs-

bereich/Presse- und Informationsstab), Dokument 112.

des Presse- und Informationsstabes, Kapitän zur See

Dienst,
709

um 6.42 Uhr auf der Internetseite

www.bundeswehr.de eingestellt (siehe oben:

C.II.1.b)aa)bbb), S. 94). Parallel dazu erschien diese Mel-

dung auf der Internetseite des EinsFüKdoBw.
710

Der Leiter des Presse- und Informationszentrums

Dr. Raabe wurde gemäß seiner Angabe vor dem Untersu-

chungsausschuss per SMS zwischen 7 und 8 Uhr dessel-

ben Tages über den Luftschlag unterrichtet. In einem

daraufhin mit Kapitän zur See Dienst geführten Telefonat

sei Dr. Raabe über die Online-Meldung auf

www.bundeswehr.de informiert worden.
711

Der Zeuge Dr. Raabe hat weiter ausgeführt, dass er gegen

8 Uhr Bundesminister Dr. Jung über diesen Sachverhalt

unterrichtet habe.
712

Der Minister sei zudem regelmäßig

über die jeweilige Presselinie unterrichtet gewesen bezie-

hungsweise habe diese vorgegeben.
713

bbb) Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers
in Kabul mit möglichen zivilen Opfern

Am 4. September 2009 erreichte den Presse- und Infor-

mationsstab um 9.13 Uhr eine vom ISAF-Hauptquartier

in Kabul herausgegebene Pressemeldung, nach der es

durch den Luftschlag möglicherweise auch zu Verletzten

und Toten unter der Zivilbevölkerung gekommen sei.
714

ccc) Keine Sprachregelung durch Staatssekre-
tär Dr. Wichert

In Vorbereitung auf eine für 11.30 Uhr angesetzte Presse-

konferenz wurde das Büro von Staatssekretär Dr. Wichert

gebeten, eine Sprachregelung für das BMVg vorzugeben.

Der Zeuge Dr. Raabe hat die Situation wie folgt geschil-

dert:

„Es war am 4. 9. so, dass um 11.30 Uhr die erste
Pressekonferenz war, die Herr Dienst bestritten

hat. Wir haben relativ frühzeitig das Büro von

Herrn Wichert darauf hingewiesen, dass die ISAF

eine Pressemitteilung herausgeben würde, und ha-

ben dringend um eine Stellungnahme und eine

Sprachregelung gebeten, wie es so üblich ist, dass

wir immer um eine Sprachregelung gebeten haben

beim Staatssekretärbüro Wichert. Wir haben bis

11.30 Uhr keine Antwort bekommen aus dem Bü-

ro Staatssekretär Wichert. Deshalb hat es eine

Besprechung gegeben unmittelbar vor dieser Pres-

sekonferenz, an der meines Wissens auch Admiral

Krause beteiligt war, der damalige Büroleiter

Krauses und Herr Dienst. Dort wurde grob eine

Linie besprochen. Aber zu dem Zeitpunkt gab es
709) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 3.

710) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 3.

711) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 2 f.
712) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 9.

713) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 21.

714) Pressemitteilung HQ ISAF (Dokument 113).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105 – Drucksache 17/7400
keine schriftliche Unterrichtung seitens des Staats-

sekretärbüros.“715

Der Zeuge Dr. Wichert hat, auf die Unterrichtung der

Öffentlichkeit angesprochen, in seiner Vernehmung er-

klärt, dass die Pressearbeit im BMVg keinem der beiden

Staatssekretäre zugeordnet, sondern direkt beim Minister

angesiedelt gewesen sei.
716

Mit Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung wurde der

Inhalt der in der Pressekonferenz getätigten Aussagen

zuvor ebenfalls nicht abgestimmt. Dies war nach Aussage

des Zeugen Dr. Jung auch nicht erforderlich:

„[…] wenn ein Pressesprecher in der Bundespres-
sekonferenz sitzt, dann stimmt der nicht irgend-

welche Erklärungen mit dem Minister ab, sondern

dann geht er im Grundsatz von den Dingen aus,

die es zu berichten gibt.“717

ddd) Bundespressekonferenz am 4. September
2009

Am 4. September 2009 fand ab 11.30 Uhr eine Pressekon-

ferenz statt, in der Kapitän zur See Dienst über den Luft-

schlag informierte. Diesem war um 11.32 Uhr in einer

SMS vom Büroleiter des Bundesministers der Verteidi-

gung, Malte Krause, empfohlen worden, „den Umstand
des Festfahrens auf der Sandbank zunächst wegzulas-

sen.“718 Bundesminister Dr. Jung hatte von dieser Emp-
fehlung nach seiner Aussage keine Kenntnis.

719
In der Pressekonferenz erklärte Kapitän zur See Dienst,

dass „Unbeteiligte […] nach derzeitigem Kenntnisstand
nicht zu Schaden gekommen“ seien.720 Mit Blick auf
Aussagen zu zivilen Opfern in Agenturmeldungen wies er

darauf hin, dass die angegeben Zahlen „sehr stark variie-
ren, von sehr wenig bis sehr viel“. Insoweit sei man gut
beraten, in diesem Fall eine „gefestigte Erkenntnislage“
abzuwarten.

721
Zur grundsätzlichen Problematik von Äußerungen in der

Öffentlichkeit hat der Zeuge Dr. Raabe ausgeführt:

„Wenn man für ein Ministerium in einer Regie-
rung spricht, dann ist das, was geäußert wird, dort

auch rechtsverbindlich und muss deshalb auch

möglichst nach bestem Wissen und Gewissen und

auch richtig sein. Das kann ich erst, wenn ich ei-

nen Beleg habe aus dem Hause von den führenden

Stellen, dass sie tatsächlich Kenntnis darüber ha-

ben, dass es diese zivilen Opfer gab.“722
715) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7.

716) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 72.

717) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 17.
718) SMS von Krause an Dienst (Dokument 114).

719) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 29.

720) Manuskript Pressekonferenz 98/2009 vom 4. September 2009
(Dokument 115).

721) Pressekonferenz 98/2009 (Fn. 720), Bl. 31.

722) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 20.

eee) Eigene Nachforschungen des Presse- und
Informationsstabes

Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge

Dr. Raabe dargelegt, dass der Presse- und Informations-

stab mangels vorhandener weiterer Informationen über

den Luftschlag und dessen Folgen eigene Nachforschun-

gen angestellt habe.
723

So habe Kapitän zur See Dienst am Nachmittag des 4.

September 2009 direkt im PRT Kunduz angerufen, um

Informationen über etwaige zivile Opfer zu erlangen. Der

Zeuge Dr. Raabe hat dazu ausgeführt:

„[I]ch [habe] Herrn Dienst gebeten […], am 4. 9.
nachmittags Kontakt mit Herrn Klein aufzuneh-

men. Offensichtlich hatte bisher keiner versucht

gehabt, Kontakt mit Herrn Klein aufzunehmen.

Wir haben das getan. Herr Klein war nicht ans-

prechbar für Herrn Dienst, sondern wir haben mit

dem Oberstleutnant G. gesprochen, stellvertreten-

der PRT-Kommandeur. Wir haben natürlich ge-

fragt: Habt ihr Hinweise auf zivile Opfer? – Dies
ist verneint worden.“724

In diesem Gespräch am 4. September 2009 nachmittags

habe Oberstleutnant G. des Weiteren geäußert, dass es

eine weitere Informationsquelle gegeben habe. (siehe

oben: B.III.3.e), S. 52).

Der Zeuge Oberstleutnant G. hat in seiner Vernehmung

bestritten, dass er in diesem Gespräch eine dritte Quelle

erwähnt habe:
725

„Nein, ich kenne keine dritte Quelle. Ich habe auch
in dem Gespräch mit Kapitän Dienst definitiv kei-

ne dritte Quelle genannt, die dem Oberst Klein zur

Entschlussfindung beigetragen hätte.“726

Gemäß der Einlassung des Zeugen Dr. Raabe war der

Presse- und Informationsstab auch am 5. und 6. Septem-

ber 2009 bemüht, an Informationen zu gelangen. Am 6.

September 2009 telefonierte Dr. Raabe mit dem zuständi-

gen Sprecher der ISAF und bat im Hinblick auf die ISAF-

Pressemeldung um konsolidierte Informationen über

getötete Zivilisten:

„Ich habe am Sonntag mit dem zuständigen ISAF-
Sprecher telefoniert, dem kanadischen General

Tremblay, habe ihn gefragt, ob er mir konsolidierte

Informationen geben könne über getötete Zivilis-

ten. Das konnte er nicht.“727

In einem anderen Gespräch am 6. September 2009 kriti-

sierte Dr. Raabe nach seiner Aussage im Auftrag des

Verteidigungsministers Dr. Jung gegenüber dem NATO-

Sprecher die Vorgehensweise von General McChrystal,

der Oberst Klein in Kunduz im Beisein des Journalisten

Rajiv Chandrasekaran von der Washington Post zum
723) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5.

724) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 4.
725) G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 1.

726) G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 2.

727) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5.

Drucksache 17/7400 – 106 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Luftschlag befragt hatte. Am 6. September 2009 war

daraufhin ein Artikel des Journalisten in der Washington

Post über den Luftschlag vom 4. September 2009 er-

schienen.
728

Der Zeuge Dr. Raabe hat zu dem Gespräch

ausgesagt:

„Mir ging es um zwei Punkte. Der eine Punkt war,
dass ich es als ungehörig empfunden habe, dass

McChrystal einen Journalisten von der Washington

Post in einem Gespräch dabei hatte, in dem sich

Oberst Klein zum ersten Mal zum Sachverhalt ge-

äußert hat. Dies war eine sehr unübliche Regelung,

und der Minister hat mich auch darum gebeten,

dass ich das bei der NATO aktenkundig mache,

dass dieser Vorgang so nicht akzeptiert wird.

Zum Zweiten habe ich natürlich den NATO-

Sprecher gefragt: Habt ihr denn konsolidierte Be-

weise darüber, dass es zivile Opfer gab? Er hat ge-

sagt: Nein, die hat er nicht. Deshalb bin ich auf

meiner Ebene mit meinem Sprecherkollegen davon

ausgegangen, dass, wenn er mir das nicht bestätigt,

ich das auch nicht öffentlich bekanntgeben

kann.“729

Zum Hintergrund der Kritik an General McChrystal hat

der Zeuge Dr. Raabe erläutert:

„[…] aus meiner Sicht [war] die Art und Weise
sehr ungewöhnlich, wie McChrystal mit dem Jour-

nalisten von der Washington Post vorgegangen ist.

Insbesondere ist dem Oberst Klein vor Ort gesagt

worden, dass dieser Journalist nur dabeisitzen

würde, weil es um eine abstrakte Arbeit ginge und

nicht um einen konkreten Auftrag. Wie Sie sehen,

war es ein konkreter Auftrag, den er dann umge-

setzt hat, nämlich in der Washington Post.“730

fff) Bundespressekonferenz am 7. September
2009

Am 7. September 2009 äußerte sich der Sprecher des

BMVg Dr. Raabe in der Bundespressekonferenz zum

Luftschlag auf der Grundlage der ihm vorliegenden In-

formationen und einer von Staatsekretär Dr. Wichert

vorgegebenen Sprachregelung.
731

Hierbei erwähnte er

neben den Luftfahrzeugen und der HUMINT-Quelle eine

„weitere Quelle“, über die aber nicht öffentlich gespro-
chen werde

732
(siehe oben: B.III.3.e), S. 52). Zu der Mög-

lichkeit ziviler Opfern erklärte Dr. Raabe, dass „bis zum
jetzigen Zeitpunkt keine konsolidierten Erkenntnisse über

getötete zivile Personen“ vorlägen.733

Auf die Frage in seiner Vernehmung, weshalb er diese

Formulierung gebrauchte, obwohl der zu diesem Zeit-

punkt bereits vorliegende Bericht des Initial Action
728) Washington Post vom 6. September 2009 „Sole Informant Guided

Decision On Afghan Strike“ (Dokument 116).
729) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 12.

730) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 25.
731) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 17.

732) Manuskript Pressekonferenz (Fn. 214), Bl. 179.

733) Manuskript Pressekonferenz (Fn. 214), Bl. 185 f.

Teams (IAT) von einer hohen Wahrscheinlichkeit ziviler

Opfer spreche, hat der Zeuge Dr. Raabe erklärt, den IAT-

Bericht zum Zeitpunkt der Pressekonferenz nicht gekannt

zu haben:

„Ich habe den IAT-Bericht zum ersten Mal auf
dem Tisch liegen gesehen und konnte ihn durch-

blättern am 7. 9., circa 19.25 Uhr, im Beisein von

Admiral Krause, Oberst S., Herrn Schnurr und

Herrn L.. Das war mehrere Stunden nachdem ich

mich bei der Bundespressekonferenz äußern muss-

te.“734

Der Zeuge Dr. Wichert hat in seiner Vernehmung erklärt,

Dr. Raabe habe am 7. September 2009 aus dem Staats-

sekretärbüro um 10.50 Uhr
735

– zehn Minuten vor der
Pressekonferenz – eine aus zwei Seiten bestehende, von
Dr. Wichert genehmigte Stellungnahme,

736
in die auch der

wesentliche Inhalt des IAT-Berichts eingearbeitet gewe-

sen sei,
737

erhalten.

ggg) Informationsweitergabe innerhalb des
BMVg

Der Zeuge Dr. Raabe hat weiter ausgeführt, auch andere

Berichte zum Luftschlag erst später erhalten zu haben:

„Ich muss dazu eingangs ohnehin sagen, dass ich
sämtliche Berichte, also den ‚N.-Bericht„, den ‚B.-
Bericht„ [‚Feldjägerbericht„, Anm.], zum ersten
Mal gesehen habe am 26. November 2009. […]
Damals wurde ein Aktenordner per Kurier vom

Bundesverteidigungsministerium ins Arbeits- und

Sozialministerium transportiert. Ich arbeitete da-

mals im Arbeits- und Sozialministerium und habe

dort diesen dicken Aktenordner durchgeguckt und

habe dort Vermerke gefunden, die ich dort zum

ersten Mal gesehen habe, unter anderem auch mit

der handschriftlichen Bemerkung auf dem ‚N.-
Bericht„, dass dieser um 19.25 Uhr am 6. 9. an den
Generalinspekteur Schneiderhan gefaxt worden

sei. […]738

Ich darf vielleicht noch hinzufügen, dass dieser

Bericht von Oberst Klein vom 5. 9., der nach mei-

nen Recherchen dann in den Raum Siegburg, dem

Generalinspekteur gefaxt worden ist, mir auch

nicht zur Kenntnis gelangt ist.“739

Auf die Frage, wer ihm die Berichte seiner Ansicht nach

hätte zukommen lassen müssen, hat der Zeuge geantwor-

tet:

„Nach der Geschäftsordnung, glaube ich, kann
man sagen, dass alle relevanten Informationen
734) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 4.

735) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 53.
736) EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes zum Luftangriff auf

Opposing Militant Forces (OMF) am 4. September 2009

(Dokument 117).
737) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 76.

738) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 4 f.

739) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 107 – Drucksache 17/7400
auch dem Presse- und Informationsstab zur Verfü-

gung gestellt werden müssen. […] Ich bin eigent-
lich der Auffassung, dass vom Büro des General-

inspekteurs ein Hinweis hätte kommen können,

weil, glaube ich, jedem klar war, dass am 7. 9. in

der Bundespressekonferenz dieses Thema auf der

Tagesordnung stehen würde.“740

Mit dem Vorwurf konfrontiert, den Presse- und Informa-

tionsstab nicht hinreichend informiert zu haben, hat der

Zeuge Schneiderhan erklärt:

„In dieser Phase hat es keinerlei Kontaktaufnah-
meversuche von Herrn Raabe zu mir gegeben. –
Das mal als Erstes.

Ich weiß, dass Herr Raabe ins Einsatzgebiet tele-

foniert hat. Er hat mit dem ISAF-Spokesman ge-

sprochen, zweimal. […] Das weiß ich deshalb,
weil der General Antoni aus ISAF das dem Leiter

Einsatzführungsstab berichtet hat. Ich habe diesen

Bericht sehr genau im Kopf, weil ich mich

furchtbar geärgert habe, dass an uns vorbei in die-

sen Tagen im Einsatzgebiet telefoniert wurde. Der

Vertreter von Herrn Raabe hat mit dem Chef des

Stabes von Herrn Oberst Klein geredet. Das war

nun genau der Falsche, weil den der Klein ja hat

schlafen lassen, als seine Entscheidung durchge-

führt wurde. All dieses hat nicht zu einer stringen-

ten Beurteilung der Lage und Pressearbeit beitra-

gen können. Ich wusste von diesen Telefonaten an

diesem Tag nichts.

Zweitens. Herr Raabe bringt in seiner Stellung-

nahme die Kleiderordnung etwas ins Schwanken.

Er ist zwar Teil des Leitungsstabes, aber der Gene-

ralinspekteur ist keine ihm unterstellte ministeriel-

le Instanz.

Drittens. Herr Raabe wird versorgt von seinem

Chef, und das ist der Bundesminister der Verteidi-

gung. Der ist verantwortlich, dass sein Pressespre-

cher das weiß, was er im Namen des Ministers sa-

gen soll. Dafür ist nicht der Generalinspekteur in

Verantwortung zu nehmen. […] Ich will Ihnen
auch nicht verhehlen, dass mein Adjutant am Frei-

tagmorgen eingegriffen hat in das laufende Ge-

schehen im Pressestab. Am 4. 9. morgens, in der

so genannten Leitungslage, hat mein Adjutant ein-

gegriffen und auf die ‚NATO-Sprache„ verwiesen,
die man zu diesem Zeitpunkt schon kennen kann.

[…] Das hat der Herr Dienst am 4. 9. um 9.42 Uhr
zur Kenntnis genommen. […] Wichtig ist nur, dass
danach diese Erstmeldungen des Pressestabes kor-

rigiert wurden und dann dieses Wort der Unbetei-

ligten eingeführt wurde; Sie erinnern sich. Das war

die erste Intervention in meinem Auftrag, durch

meinen Adjutanten am 4. morgens in der Leitungs-

lage um 8.30 Uhr. – So viel zu meiner Kooperati-
740) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5 ff.

onsfähigkeit, was diese Dinge im Einzelnen an-

geht.

Auch vom Büro von Staatssekretär Dr. Wichert wurde der

Presse- und Informationsstab nach Darstellung des Zeu-

gen Dr. Raabe nicht mit den nötigen Informationen ver-

sorgt:

„Nach der Geschäftsordnung gibt es feste Rege-
lungen, was alles zur Information auch an den

Presse- und Informationsstab geht. Aber ich könn-

te Ihnen mehrere Beispiele nennen, wo Vermerke

nicht vom Staatssekretärsbüro an den Presse- und

Informationsstab gegangen sind. […] Es gibt
überwiegend eine Stelle, die dafür Verantwortung

trägt, dass Informationen an die Leitungsstäbe ge-

hen. Das ist das Staatssekretärsbüro Wichert gewe-

sen.“741

Zum Informationsaustausch mit dem Presse- und Infor-

mationsstab sowie dem Planungsstab hat der Zeuge

Schneiderhan ausgesagt:

„Es gab erste Meldungen schon in aller Frühe an
diesem Freitag, die beim Einsatzfüh-

rungskommando aufgelaufen sind und dort in der

Presse- und Öffentlichkeitszentrale verarbeitet

wurden, wohl auch dann an den Einsatzführungs-

stab und an den Pressestab gegangen sind. Das hat

uns, mich leider nicht eingeschlossen, obwohl der

Adjutant davon erfahren hat. Wir hatten sehr früh

eine Meldung, wie ISAF pressemäßig reagiert, und

die wurde unserem Sprecher vom Dienst, also dem

Kapitän, der da aktiv war, zugeleitet. Das war

nicht besonders, sagen wir mal, stringent organi-

siert, weil, der Presse- und Informationsstab des

Ministeriums ist ja ein Stab der Leitung; das ist

kein Stab, auf den der Generalinspekteur in irgen-

deiner Form Zugriff oder Weisungsbefugnis hat.

Der Pressestab, der Planungsstab und der Organi-

sationsstab sind Leitungsstäbe, genauso wie der

Protokollstab. Da bin ich auf Zusammenarbeit an-

gewiesen, aber alles andere – nur nicht weisungs-
befugt. Und deshalb ist es ein Kommunikations-

problem, ob man einbindet oder nicht. In militäri-

schen Fragen bietet sich es ja an, sich sachkundig

zu machen.“742

dd) Generalinspekteur der Bundeswehr

Der Generalinspekteur der Bundeswehr ist ranghöchster

Soldat der Bundeswehr und militärischer Berater der

Bundesregierung. Er ist für die Entwicklung und Realisie-

rung der Gesamtkonzeption der militärischen Verteidi-

gung verantwortlich. Für die ihm übertragene Bundes-

wehrplanung hat er Weisungsrecht gegenüber den Inspek-

teuren. Im Einsatz ist der Befehlshaber des Einsatzfüh-

rungskommandos der Bundeswehr dem Generalinspek-
741) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 42.

742) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 19.

Drucksache 17/7400 – 108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
teur unterstellt.

743
Im Untersuchungszeitraum bekleidete

General Wolfgang Schneiderhan das Amt des Generalin-

spekteurs der Bundeswehr.

aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009

Am 4. September 2009 wurde General Schneiderhan

gemäß seiner Zeugenaussage gegen 7 Uhr über den Luft-

schlag unterrichtet. An diesem Tag und dem darauf fol-

genden Wochenende befand er sich nach eigener Aussage

nicht im Ministerium, seine Erreichbarkeit sei aber so-

wohl telefonisch als auch über seinen Adjutanten sicher-

gestellt gewesen.
744

Vor dem Untersuchungsausschuss hat

der Zeuge Schneiderhan erklärt, zunächst einen „Arbeits-
plan“ erstellt und über seinen Adjutanten den Einsatzfüh-
rungsstab sowie das Einsatzführungskommando der Bun-

deswehr angewiesen zu haben, danach zu verfahren:

„Ich habe mir sechs Punkte vorgenommen an die-
sem Morgen:

Erstens. Einordnen dieser Entscheidung von

Oberst Klein in die Gesamtlage in und um Kunduz,

und zwar über einen längeren Zeitraum.

Zweitens. Einhaltung der Zuständigkeiten zur

Vermeidung eines Aufklärungs- und Meldechaos.

Drittens. Vermeiden von zu frühen Festlegungen

und vor allem Sicherstellung der Trennung von

Tatsachen, Vermutungen und Spekulationen.

Viertens. Schutz der Verantwortlichen vor Vorve-

rurteilungen.

Fünftens. Erhaltung der Einsatzstabilität in den

Einsatzgebieten, weil dort die kriegsähnlichen Zu-

stände nicht unterbrochen wurden.

Sechstens. Kommunikation mit den lokalen Auto-

ritäten, um emotionale Eskalationen und damit zu-

sätzliche Gefährdungen für unsere Truppe zu ver-

meiden.

Diesen Arbeitsplan habe ich kommuniziert im Ge-

spräch, unter anderem mit meinem Adjutanten.

Der Einsatzführungsstab, das Einsatzführungs-

kommando, das Regionalkommando Nord sind

dann entsprechend im Rahmen dieser Grundsatz-

weisung tätig geworden.“745

In den nächsten Tagen erkannte General Schneiderhan,

dass sich diese Verfahrensweise hinsichtlich der Vermei-

dung eines „Aufklärungs- und Meldechaos‟“ nicht voll-
ständig umsetzen ließ. Der Zeuge Schneiderhan hat dazu

erklärt:

„Das ließ sich nicht ganz so, wie ich es mir ge-
dacht habe, umsetzen. Dafür gab es mehrere Grün-
743) www.bmvg.de (Ministerium/Aufbau und Funktion/Die militäri-

schen Führungsstäbe/Führungsstab der Streitkräfte).

744) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 54.

745) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 5 f.

de, von denen ich drei nennen möchte: Der erste

Grund war die frühe öffentliche und sehr harsche

Bewertung der Entscheidung des Oberst Klein

durch den COM ISAF selbst. Der zweite Grund

war die Einbettung eines US-Journalisten in das

erste Besuchsteam des COM ISAF und dessen

journalistische Tätigkeiten ab Freitagnachmittag in

der Washington Post.“746

bbb) „Frühe Festlegungen“ des BMVg in der
ersten Pressekonferenz am 4. September
2009

Als ein weiteres Problem hat der Zeuge Schneiderhan in

seiner Vernehmung die Aussagen in der ersten Pressekon-

ferenz des Bundesministeriums der Verteidigung am 4.

September 2009 identifiziert. Wörtlich hat der Zeuge

ausgeführt:

„Das Dritte war ein hausgemachtes Problem: Das
waren die Aussagen und zu frühen Festlegungen

unseres Hauses am 4. 9., in der ersten Pressekonfe-

renz. Die Aussagen, die dort getätigt wurden, sind

aufgrund eigener Ermittlungen der aussagenden

Einrichtung entstanden und nicht mit der militäri-

schen Seite des Hauses abgestimmt gewesen. Wir

haben also genau dort die Parallelermittlungen ge-

habt. Ich selber war ab Nachmittag, nach dieser

Pressekonferenz, auf der Defensivlinie gelandet,

weil ich mich nur noch wehren musste gegen

COM ISAF, Washington Post und die ersten Vor-

festlegungen – die auch Minister Jung sehr gebun-
den haben – des eigenen Hauses […].“747

ccc) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein
am 5. September 2009

Gegen Abend des 5. September 2009 wurde General

Schneiderhan der Bericht von Oberst Klein vorgelegt.

Dieser Bericht wurde nach Aussage des Zeugen Schnei-

derhan sowohl dem Bundesminister der Verteidigung,

Dr. Franz Josef Jung, als auch dem Staatssekretär

Dr. Peter Wichert zur Kenntnis gegeben.
748

Dem Planungsstab wurde der „Klein-Bericht“ nicht vor-
legt.

749
ddd) Erste Telefonate mit dem Bundesminister
der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung

Dieser „Arbeitsplan“ General Schneiderhans sowie der
Bericht von Oberst Klein waren gemäß der Einlassung des

Zeugen Schneiderhan vor dem Untersuchungsausschuss

auch Gegenstand seiner ersten Telefonate mit dem dama-

ligen Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef

Jung am Abend des 4. September 2009. General Schnei-
746) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 7.
747) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 7 f.

748) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.

749) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 28
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 109 – Drucksache 17/7400
derhan habe dem Minister geraten, bei der Angabe von

Zahlen oder Fakten Zurückhaltung zu wahren. Wörtlich

hat der Zeuge ausgesagt:

„Diese Punkte waren auch Gegenstand meiner ers-
ten Telefonate mit dem Bundesminister der Ver-

teidigung am Freitagnachmittag. Ab diesem ersten

Gespräch ging es mit Minister Jung ständig um die

Frage: Wie gehen wir mit dem Informationsgehalt,

wie wir ihn jetzt haben, um? Was ist belastbar?

Was ist Spekulation? Ab diesen ersten Telefonaten

– der Minister war im Wahlkampf gebunden – gab
es auch immer meine Bitte, meinen Hinweis, mei-

nen Rat: Vorsicht mit Zahlen und vorsichtig mit

Fakten und Vermutungen.“750

eee) Eintreffen weiterer Berichte am 6. Septem-
ber 2009

Am 6. September 2009 erhielt General Schneiderhan laut

seiner Darstellung weitere Berichte zur Kenntnis, die er

jeweils auch Staatssekretär Dr. Wichert und Verteidi-

gungsminister Dr. Jung vorlegen ließ:
751

– Bericht der Provinz Kunduz an den Präsidenten der
Islamischen Republik Afghanistan,

– Protokoll der Fact Finding Mission (so genannter
„N.-Bericht“);

Zumindest der „N.-Bericht“ wurde nicht an den Planungs-
stab weitergeleitet.

752
fff) Vorlage an das Bundeskanzleramt am
7. September 2009

Am 7. September wurde General Schneiderhan nach

seiner Aussage eine Vorlage an Staatssekretär

Dr. Wichert zur Weiterleitung an das Bundeskanzleramt

vorgelegt. Darin wurde erwähnt, dass der Luftschlag

möglicherweise auch zu zivilen Opfern geführt hat. Der

Zeuge Schneiderhan hat dazu erklärt:

„Es gab an diesem Montag früh eine Vorlage an
Staatssekretär Wichert von meinem Büro zur Billi-

gung und Weiterleitung an das Kanzleramt. Diese

Information ist wohl am Montag per E-Mail erbe-

ten worden. Auf der Seite 2 dieser Vorlage vom

7. 9. finden Sie dann Hinweise auf den Bericht des

Initial Action Teams, sodass es – Und das war die
Aussage, die sich von da an durchgezogen hat:

dass das Team davon ausgeht, dass mit an Sicher-

heit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Zivilisten

getötet oder verletzt wurden. Diesen Satz finden

Sie auch in dem Hintergrund zur Vorlage an den

Minister über Wichert zur presseverwertbaren Stel-

lungnahme.“753
750) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 6.
751) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.

752) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 27.

753) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10.

ggg) Einrichtung des Joint Investigation Teams
durch den COM ISAF

General Schneiderhan erhielt gemäß seiner Aussage vor

dem Untersuchungsausschuss am 8. September 2009 die

Information, dass der Kommandeur der ISAF (COM

ISAF), General McChrystal, zur Untersuchung des Vor-

falls ein so genanntes Joint Investigation Team eingesetzt

habe. Aus dem vom COM ISAF festgelegten Untersu-

chungsauftrag, wonach unter anderem die Anzahl von

durch den Luftschlag verursachter ziviler Opfer ermittelt

werden sollte, hat der Zeuge Schneiderhan abgeleitet,

„wie unklar die Lage auch bei ISAF an diesem Dienstag,
den 8., immer noch war.“754

hhh) Kritik an der Zurückhaltung des Generalin-
spekteurs der Bundeswehr mit öffentli-
chen Äußerungen

Der Zeuge Dr. Raabe hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss kritisiert, dass sich General Schneiderhan anfäng-

lich mit öffentlichen Äußerungen zum Luftschlag zurück-

gehalten habe:

„Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert gewe-
sen, sich relativ frühzeitig zu äußern. General

Vollmer hatte sich damals am Donnerstag, einen

Tag vorher, öffentlich geäußert. Die Gefechtslage,

wenn man so sagen darf, war ja die, dass relativ

schnell der Eindruck entstehen konnte, Oberst

Klein habe vielleicht einen Fehler gemacht. Ich

glaube, man kann mit Fug und Recht sagen, dass

das Ministerium von Anfang an versucht hat,

Oberst Klein zu schützen, auch öffentlich, durch

Äußerungen. Ich glaube, dass die Stimme des

obersten Soldaten der Bundeswehr doch beeindru-

ckend gewesen wäre in diesem Sachverhalt und

dass es vielleicht zielführend gewesen wäre, wenn

er zu einem früheren Zeitpunkt sich schützend vor

Oberst Klein gestellt hätte, öffentlich.“755

Der Zeuge Schneiderhan hat dazu erklärt:

„Manche haben mir vorgeworfen, ich hätte mich
zu spät öffentlich geäußert. Ich habe das alles sehr

bewusst so gemacht, weil ich nicht zu denen gehö-

ren wollte, die vielleicht zu früh zu allem etwas

gesagt haben.“756

iii) Afghanistan-Reise des Generalinspekteurs
der Bundeswehr

Vom 14. September 2009 bis zum 15. September 2009

hielt sich General Schneiderhan im Einsatzland Afghanis-

tan auf. Dort sprach er nach eigenem Bekunden mit Bri-

gadegeneral Vollmer, Oberst Klein sowie mit dem Kom-

mandeur der ISAF, General McChrystal. Begleitet wurde
754) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 11.

755) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7.

756) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 12 f.

Drucksache 17/7400 – 110 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Generalinspekteur der Bundeswehr von drei Journalis-

ten.
757

jjj) Bewertung und Behandlung des so ge-
nannten Feldjägerberichtes

Nach seiner Rückkehr aus Afghanistan wurde General

Schneiderhan gemäß seiner Aussage von dem Untersu-

chungsausschuss der so genannte Feldjägerbericht mit

einer vom Einsatzführungsstab im BMVg vorgenomme-

nen Bewertung vorgelegt. Dass ein diesbezüglicher Be-

richt in Arbeit war, wusste General Schneiderhan laut

seiner Aussage „um den 7. 9. herum.“758

Inhaltlich schätzte General Schneiderhan den Bericht für

die weitere Sachaufklärung als untauglich ein. Zudem

befürchtete er nach seiner Aussage, dass der Bericht im

Falle eines Bekanntwerdens in der Öffentlichkeit zu Fehl-

interpretationen führen könnte.
759

Zu seiner persönlichen

Bewertung des Berichts hat der Zeuge Schneiderhan vor

dem Untersuchungsausschuss ausgesagt :

„Ich selbst habe mich mit diesem ‚Feld-
jägerbericht„ sehr intensiv beschäftigt, muss jetzt
leider öffentlich sagen, dass ich mit der Qualität

dieses ‚Feldjägerberichts„ zutiefst unzufrieden war,
weil er mehr Vermutungen und mehr Spekulatio-

nen und mehr Fragen als Fakten und Tatsachen ge-

liefert hat und zum Zeitpunkt des Aufschlags eher

geeignet war, Vorverdächtigungen und Vorvermu-

tungen auszulösen, als selbige zu verhindern oder

gar auszuräumen.
760

[…]

Der ‚Feldjägerbericht„ war nicht der Einstieg in ei-
ne – nach ‚Ansprechen, Beurteilen, Folgern„ – so-
lide, Fakten von Vermutungen trennende Arbeits-

weise. Das war er nicht; das konnte er zu diesem

Zeitpunkt ja gar nicht sein. Als er den geschrieben

hat, hat er doch auch nur die Fragen gehabt, die

wir alle miteinander haben, und die musste man

mir nicht mehr berichten.“761

Der Zeuge Schneiderhan hat weiter ausgeführt, dass er

sich über die Frage, was nun mit dem Bericht geschehen

solle, mit Generalleutnant Glatz beraten habe. General-

leutnant Glatz habe ihm dabei mitgeteilt, dass der Vorsit-

zende der ISAF-Untersuchungskommission, Major Gene-

ral Sullivan, von dem Bericht gehört und darum gebeten

habe, ihn im Rahmen der Untersuchung zur Verfügung

gestellt zu bekommen. Generalleutnant Glatz hat angege-

ben, dass er um den 17. 9. von General Schneiderhan

angewiesen wurde, das zweite Exemplar des Feldjägerbe-

richtes, welches sich noch im RC North befand, an sich zu

nehmen und unter Verschluss zu halten.
762

Der Zeuge
757) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 12 f.

758) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 37.

759) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 37.
760) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 11.

761) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 37.

762) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 72.

Dr. Jung hat bestätigt, von der Existenz dieses Berichtes

erst am 5. Oktober 2009 erfahren zu haben.
763

Auch hat er angegeben, dass ihm dieser Bericht nie vorge-

legt wurde, sondern General Schneiderhan daraus nur

vorgetragen habe.
764

Der Zeuge Glatz gab an, am 30. 9. Schneiderhan darauf

angesprochen zu haben, dass der Bericht des JIB am

29. 9. angefordert wurde.

Der Zeuge Glatz hat dazu ausgesagt:

„Ich weiß […], dass ich mit dem Generalinspek-
teur persönlich über den ‚Feldjägerbericht„ gespro-
chen habe, mindestens am 30. 9. Das weiß ich so-

gar relativ genau, weil am 29. 9. das so genannte

Joint Investigation Board des COM ISAF den

‚Feldjägerbericht„, weil man Kenntnis davon er-
halten hatte, angefordert hatte. Ich habe […] den
Generalinspekteur darauf angesprochen, dass das

Joint Investigation Board den ‚Feldjägerbericht„
vorgelegt bekommen möchte. Er hat mir dann

gleich geantwortet: ‚Dem können wir uns wohl
nicht entziehen„, und hat den im Prinzip freigege-
ben.

Dann haben wir im Einsatzführungskommando ein

Anschreiben entworfen an den Major General Sul-

livan, an den Leiter des Joint Investigation Boards,

und haben dieses Anschreiben weisungsgemäß

zum Einsatzführungsstab und damit auch für die

Rechtsabteilung zur Abstimmung in das Ministe-

rium gegeben. Unser Vorschlag ist fast zu 100

Prozent verworfen worden. […] Ich hatte den Ein-
druck bei diesem Gespräch, dass der Generalin-

spekteur sehr wohl wusste, dass es diesen ‚Feldjä-
gerbericht„ gibt, aufgrund der Art und Weise, wie
er reagiert hat.“765

Generalleutnant Glatz nahm gemäß seiner Schilderung

den Bericht mit Anschreiben nach Afghanistan:

„Ich war dann wieder auf dem Weg nach Afgha-
nistan, weil der Kommandowechsel vollzogen

werden sollte zwischen General Vollmer und Ge-

neral Setzer. Ich habe ihn dann General Setzer

übergeben, weil er nach Kabul gebracht werden

sollte mit einem Kurier. Dann bin ich am 4. 9.

noch mal angerufen worden von Oberst R., dass

die Freigabe dieses ‚Feldjägerberichtes„ wieder
angehalten sei; warum, erschließt sich mir nicht –
4. 10., Entschuldigung –, und bin dann am 5. 10.
abends wieder angerufen worden, der ‚Feldjäger-
bericht„ sei nun freigegeben. Daraufhin habe ich
gebeten, dass ich das auch noch schriftlich be-

komme. Das habe ich am 6. 10. bekommen. Am

7. 10. ist dann der ‚Feldjägerbericht„ in Kabul an
das Team General Sullivan übergeben worden.“766
763) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 7.
764) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 22.

765) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 71 f.

766) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 71 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111 – Drucksache 17/7400
Den Hintergrund dieser Maßnahme hat der Zeuge Schnei-

derhan in seiner Vernehmung erläutert:

„Der Herr Glatz war schneller, und ich hatte noch
nicht das Gespräch mit dem Minister zu der Ent-

scheidung, den ‚Feldjägerbericht„ in die NATO zu
geben. Mein Vorbehalt war ja: Ich will das ma-

chen; aber ich will mit dem Minister vorher darü-

ber reden. Dann wurde schon kommuniziert, dass

ich das vorhatte, und der Glatz war schneller und

hat es im Grunde sofort umgesetzt und hat meinen

Vorbehalt ‚Ich will erst mit dem Minister reden„
nicht beachtet. Das hat die Adjutantur mitgekriegt,

und da habe ich gesagt: Das geht jetzt nicht. Ich

will da den Minister eingebunden haben in diese

Entscheidung, wissend, dass das in diesem Fall

zweckmäßig ist, dass ich das nicht alleine mache,

weil das ein sehr komplexes Unternehmen war.

Deshalb haben wir das noch mal gebremst.“767

General Schneiderhan habe daraufhin am 5. 10. 2009

Bundesminister Dr. Jung zum Bericht vorgetragen und

empfohlen, den „Feldjägerbericht“ der NATO zur Verfü-
gung zu stellen, da dort die Untersuchung laufe. Nach

dem Gespräch mit dem Bundesminister der Verteidigung

sei die Freigabe des Berichts erfolgt. General Schneider-

han habe dann den „Feldjägerbericht […] aus dem Ver-
kehr gezogen“ und ihn der NATO für die vom Komman-
deur der ISAF angeordneten Untersuchungskommission

zur Verfügung stellen lassen.
768

Sowohl Dr. Jung
769

als

auch Staatssekretär Dr. Wichert hätten den Bericht nicht

vorgelegt bekommen.
770

Der Zeuge Dr. Jung hat in seiner Vernehmung bestätigt,

den Bericht nicht gelesen, wohl aber den Inhalt gekannt

zu haben.
771

Er hat weiter erklärt, in dem Gespräch mit

General Schneiderhan von diesem nicht über den Um-

stand, dass die NATO den „Feldjägerbericht“ bereits
angefordert hatte, informiert worden zu sein.

772
Wörtlich hat Dr. Jung auf diese Frage angegeben:

„Nein, denn sonst hätte ich ja nicht darüber ge-
sprochen, ob wir den jetzt weitergeben oder nicht

weitergeben. Das war ja gerade Diskussionsthe-

ma.“773

Der Zeuge Dr. Jung hat weiter angegeben, von Schnei-

derhan nicht darüber informiert worden zu sein, dass der

Bericht bereits seit dem 14. September 2009 im Ministe-

rium vorlag.

Nach Aussage des Zeugen Krause sei der Bericht erst

nach Anforderung durch das Joint Investigation Board

(JIB) zur Verfügung gestellt worden.
774
767) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 20.

768) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 38.
769) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 11.

770) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 38.

771) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 22.
772) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 27.

773) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 27.

774) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 6 f.

ee) Staatsekretär Dr. Peter Wichert

Im Bundesministerium der Verteidigung unterstützen

zwei beamtete Staatssekretäre den Minister in der fachli-

chen Leitung des Ministeriums und in der Ausübung der

Befehls- und Kommandogewalt im Frieden.
775

Beamtete

Staatssekretäre im Untersuchungszeitraum waren

Dr. Peter Wichert bis zum Ablauf des 3. Dezember 2009

sowie Rüdiger Wolf.

Seine Zuständigkeit in Bezug auf Auslandseinsätze der

Bundeswehr hat der Zeuge Dr. Wichert wie folgt be-

schrieben:

„[N]ach dem Berliner Erlass von Bundesminister
Dr. Struck […] bin ich […] für die Einsätze ver-
antwortlich, für die Einsatzführung, und der Gene-

ralinspekteur ist mir in dieser Beziehung in jeder

Beziehung unterstellt. Das heißt, der Dienstweg

läuft vom Generalinspekteur über mich zum Mi-

nister. Ich vertrete den Minister; der Generalin-

spekteur handelt im Auftrag des Ministers. Nur die

Staatssekretäre vertreten den Minister.“776

aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009

Staatssekretär Dr. Wichert wurde gemäß seiner Aussage

vor dem Untersuchungsausschuss am 4. September 2009

„kurz vor 7 Uhr zu Hause angerufen und über den Luft-
angriff informiert.“ Er erteilte daraufhin den Auftrag, die
Unterrichtung der Obleute des Verteidigungs- und Aus-

wärtigen Ausschusses vorzubereiten.
777

bbb) Online-Meldung auf www.bundeswehr.de

Nachdem er im Bundesministerium der Verteidigung

eingetroffen war, erfuhr er von der Pressemeldung der

Bundeswehr auf der Internetseite. Der Zeuge Dr. Wichert

hat dazu ausgesagt:

„Als ich wie üblich kurz vor 7.30 Uhr in Bonn ins
Büro kam, erfuhr ich von Presseverlautbarungen

der Bundeswehr, deren wesentlicher Inhalt war:

56 Aufständische getötet, Zivilpersonen kamen

nicht zu Schaden, beides als feststehende Tatsa-

chen. Ich fand also die veröffentlichte Presseerklä-

rung bereits vor. Sie wurde von mir nicht gebilligt.

Wenn ich Informationen aus dem Hause bekam,

‚an den Pressestab zur Billigung„, habe ich immer
auf schriftlichen Vorlagen bestanden.“

Den Umstand, dass ihm die Pressemeldung nicht vor

Veröffentlichung vorgelegt worden war, hat der Zeuge

Dr. Wichert in seiner Vernehmung als „ungewöhnlichen
Vorgang“ bezeichnet.778
775) www.bmvg.de (Ministerium/Aufbau und Funktion/Die Staatssek-

retäre).
776) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 80.

777) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68.

778) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 80.
Drucksache 17/7400 – 112 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge hat weiter ausgeführt, dass er durch sein Büro

im Einsatzführungsstab im BMVg habe rückfragen las-

sen, welche Quellen den bisherigen Meldungen zugrunde

lagen. Dabei habe er erfahren, dass diese Meldungen auf

dem „Pressestrang“, „also nicht von der Truppe auf dem
Dienstweg und damit also nicht autorisiert von den ver-

antwortlichen militärischen Führern“, ins Ministerium
gelangt seien. Er habe daraufhin angewiesen, präzisere

Auskünfte einzuholen und ihm diese bis 12 Uhr desselben

Tages vorzulegen.
779

„Persönliche Kontakte zur Truppe in
Afghanistan“ habe Staatssekretär Dr. Wichert nach dem
3. September 2009 keine gehabt.

780
ccc) Unklares Lagebild bezüglich möglicher
ziviler Opfer am 4. September 2009

In seiner Vernehmung hat der Zeuge Dr. Wichert klarges-

tellt, dass am 4. September keine eindeutigen Informatio-

nen über mögliche durch den Luftschlag verursachte

Opfer unter der Zivilbevölkerung vorlagen:

„Definitive Kenntnis, dass es nun wirklich Zivilis-
ten getroffen hat, hatten wir ja auf der anderen Sei-

te auch nicht. Auch McChrystal hat am 4. 9. gesagt

– viele Journalisten berichteten aus dem Einsatz-
gebiet -: vermutlich auch Zivilisten. – Also, die
Gefechtslage war unklar, und deshalb habe ich auf

eine definitive Aussage in die eine oder andere

Richtung zunächst einmal verzichtet […].“781

ddd) Eintreffen des Berichts von Oberst Klein
sowie weiterer Berichte

Am 6. September 2009 erhielt Staatssekretär Dr. Wichert

nach seiner Aussage den Bericht von Oberst Klein, den er

am Morgen des 7. September 2009 Bundesminister

Dr. Jung vorlegen ließ.
782

Des Weiteren seien an den

nächsten Tagen weitere Berichte in seinem Büro einget-

roffen:

– Am 7. September 2009 erhielt Staatssekretär
Dr. Wichert den Bericht der Provinz Kunduz an den

Präsidenten der Islamischen Republik Afghanistan, in

dem berichtet werde, dass „ausschließlich Aufständi-
sche ums Leben gekommen“ seien.

– Am 8. September sei dem Büro von Staatssekretär
Dr. Wichert um 10.20 Uhr der Bericht des Initial Ac-

tion Teams (IAT) zugestellt worden.

– Ebenfalls am 8. September 2009 habe der Adjutant
des Generalinspekteurs der Bundeswehr seinem Büro

das Protokoll der Fact Finding Mission (so genannter

N.-Bericht) übermittelt.
783
779) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68.

780) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 78.
781) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 81.

782) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.

783) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.

Der am 14. September 2009 im Einsatzführungsstab des

BMVg eingegangene „Feldjägerbericht“ wurde Staatssek-
retär Dr. Wichert nicht vorgelegt.

ff) Bundesminister der Verteidigung

Der Bundesminister der Verteidigung ist als Ressortchef

Mitglied der Bundesregierung. Im Frieden und im Span-

nungsfall ist er der Inhaber der Befehls- und Kommando-

gewalt (IBuK). Er ist höchster Vorgesetzter aller Solda-

tinnen und Soldaten und gleichzeitig deren oberster Dis-

ziplinarvorgesetzter. Er steht ferner an der Spitze der

Bundeswehrverwaltung und ist damit auch Vorgesetzter

aller zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bun-

deswehr und des Ministeriums.
784

Bundesminister der

Verteidigung war im Untersuchungszeitraum bis zum 27.

Oktober 2009 Dr. Franz Josef Jung.

aaa) Erstunterrichtung über den Luftschlag am
4. September 2009

Am Morgen des 4. September 2009 wurde Bundesminis-

ter der Verteidigung Dr. Jung nach seiner Darstellung vor

dem Untersuchungsausschuss über die Durchführung des

Luftschlages in Kunduz unterrichtet. Zu seinen getroffe-

nen Maßnahmen hat er ausgesagt:

„Ich habe sowohl mit dem Generalinspekteur als
auch mit Staatssekretär Dr. Wichert telefoniert;

denn ich war unterwegs in Baden-Württemberg zu

einem mittelständischen Betrieb, der Zulieferer für

unsere wehrtechnische Industrie war. […] Wir ha-
ben dann darüber beratschlagt, wie wir am sinn-

vollsten jetzt die Obleute unterrichten; […] Wir
haben gesagt: Das ist alles noch so ungenau. Wir

nehmen keine konkrete Zahl; denn wenn wir eine

Zahl nennen und nachher sich die Opferzahl ver-

ändert, dann heißt es: falsche Information usw.

[…] Deshalb haben wir in der ersten Obleuteunter-
richtung auch nur von dem Luftangriff gegen die

OMF gesprochen.“785

bbb) Erste öffentliche Äußerung

Am Abend des 4. September 2009 verteidigte der damali-

ge Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung

in einem Interview der ARD den Luftangriff und begrün-

dete diesen damit, dass durch den Raub der Tanklastzüge

eine „sehr konkrete Gefahrenlage“ für die deutschen Sol-
daten in Kunduz vorgelegen habe.

786
ccc) Interview in der Bild am Sonntag

Am 5. September 2009 gab Bundesminister Dr. Jung der

Bild am Sonntag ein Interview, das wesentlich vom Spre-
784) www.bmvg.de (Ministerium/Der Minister).
785) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.

786) Spiegel Online vom 5. September 2009, 20.14 Uhr, „Tanklastzug-
Attacke zwingt Minister Jung in die Defensive“ (Dokument 3).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 113 – Drucksache 17/7400
cher des BMVg Dr. Raabe vorbereitet worden war

787
und

in der Ausgabe am 6. September 2009 veröffentlicht wur-

de.
788

In dem Interview erklärte er unter anderem:

„Nach allen mir zurzeit vorliegenden Informatio-
nen sind bei dem durch ein US-Flugzeug durchge-

führten Einsatz ausschließlich terroristische Tali-

ban getötet worden.“

Der Zeuge Dr. Jung hat dazu vor dem Untersuchungsaus-

schuss erklärt, dass diese Aussage seinem Kenntnisstand

am 5. September 2009 entsprochen habe, als er das Inter-

view genehmigte.
789

ddd) Gespräch mit der Bundeskanzlerin am
5. September 2009

Über das gegebene Interview informierte Bundesminister

Dr. Jung am 5. September 2009 in einem Telefonge-

spräch Bundeskanzlerin Dr. Merkel. Die Bundeskanzlerin

bat daraufhin nach eigener Aussage nochmals darum,

„alle Informationen, insbesondere auch die über den Be-
such von General McChrystal, in seinem Interview zu

berücksichtigen und sie dabei einzubeziehen.“790

Der Zeuge Dr. Jung erklärte vor dem Ausschuss, er habe

mit der Kanzlerin am 6. September anlässlich der Wahl-

kampfveranstaltung in Düsseldorf gesprochen.
791

eee) Telefonat mit Oberst Klein am 5. Septem-
ber 2009

Am 5. September 2009 ließ sich Bundesminister der Ver-

teidigung Dr. Jung gemäß seiner Darstellung fortlaufend

telefonisch durch den Generalinspekteur der Bundeswehr

über den jeweils aktuellen Informationsstand unterrichten.

Dabei erfuhr er auch von den Reaktionen einiger europä-

ischer Außenminister zum Luftschlag.

Um Informationen über den Luftangriff „aus erster Hand“
zu bekommen und um Oberst Klein nach den „negativen
Stellungnahmen […] vonseiten der europäischen Außen-
minister […] deutlich zu sagen, dass der deutsche Vertei-
digungsminister eindeutig an seiner Seite steht“792, führte
Bundesminister Dr. Jung mit Oberst Klein an diesem Tag

ein Telefonat. In seiner Vernehmung hat der Zeuge

Dr. Jung dazu erläutert:

„[I]ch [habe] gesagt: Ich will, was ich sonst in de-
rartigen Fällen nicht gemacht habe, mit Oberst

Klein telefonieren, will ihm a) meine Unterstüt-

zung zusagen und b) mich auch noch einmal über

den Sachstand aus erster Hand informieren. Ich

war an diesem Nachmittag dann nach Stadtallen-

dorf unterwegs; […] und ich habe von dort auch
dann aus der Kaserne mit Oberst Klein telefoniert.
787) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 9.
788) Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift, wird

bekämpft“ (Dokument 4).
789) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 37.
790) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 36.

791) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 32.

792) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 18.

Ich habe ihm zunächst noch einmal meine eindeu-

tige Unterstützung zugesagt; denn ich habe es als

meine Verpflichtung empfunden, dass, wenn ein

Soldat in einer solch schwierigen Situation zu

solch einer Entscheidung kommt und dann öffent-

lich in die Kritik gerät, der deutsche Verteidi-

gungsminister sich vor ihn stellt. Ich habe dann

auch von ihm noch mal erfahren, dass es seine

Überzeugung war, dass es nur Taliban waren an

diesem Ort, dass er unter dem Eindruck dieser ent-

führten Tanklastwagen stand, auch unter dem Ein-

druck des kurz vorher stattgefundenen Ereignis-

ses […] in Kabul, und dass er der Überzeugung
war, zum Schutze unserer Soldaten müsse er diese

Entscheidung treffen, zumal seine Informationen

so gewesen seien, dass es sich hierbei nur um Ta-

liban handele.

Er hat mir auch noch gesagt, es seien dann an dem

Ort verkohlte Gewehre gefunden worden, und ich

weiß noch, dass er formuliert hat, dass in den Fäl-

len, wenn es dort zivile Opfer gegeben hätte, die

Taliban bewusst diese zivilen Opfer hätten liegen

lassen, um genau das zu demonstrieren, dass aber

hier alle Leichen weggeräumt worden wären, so-

dass er auch aus dieser Tatsache geschlossen hat,

dass es sich hierbei nur um Taliban handele.“793

Der Zeuge Klein hat in seiner Vernehmung im Hinblick

auf das Telefonat ausgesagt:

„Er rief mich an, wollte zunächst einmal meine
Lageeinschätzung hören, die ich ihm in groben

Zügen skizziert habe. Ich muss sagen, ich war sehr

erfreut über die Art und Weise, wie er Verständnis

für unsere Situation da gezeigt hat und wie er sich

hinterher auch öffentlich vor die Soldaten des PRT

gestellt hat. Ich habe ihm geschildert, dass ich auf-

grund meines Lagebildes in der Nacht eine harte

militärische Entscheidung getroffen habe, weil ich

der Überzeugung war, in dieser Nacht durch die-

sen Waffeneinsatz nur Aufständische zu treffen.

Ich habe ihm auch gesagt, dass wir von allen afg-

hanischen Stellen, mit denen wir sprechen, zu die-

sem Zeitpunkt die Signale bekommen, es hat nur

Aufständische getroffen. […]

Ich habe aber auch gesagt, dass es Verletzte gibt,

auch Menschen mit Verbrennungen im Kranken-

haus gibt und dass wir derzeit versuchen, heraus-

zubekommen, ob diese eindeutig dem Luftwaffen-

einsatz zuzuordnen sind. Es gilt das, was ich allen

gesagt habe: Wir empfehlen eben nicht, zwischen

Taliban und Zivilisten zu unterscheiden, weil das

immer eine sehr schwierige Diskussion ist, son-

dern wir haben empfohlen, zwischen Unbeteiligten

und Beteiligten des Luftwaffeneinsatzes zu unter-

scheiden.“794
793) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.

794) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.
Drucksache 17/7400 – 114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
fff) Presseerklärung am 6. September 2009,

dass zivile Opfer nicht mehr auszuschlie-
ßen sind

Am 6. September 2009 traf Bundesminister Dr. Jung im

Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung in Düsseldorf mit

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zusammen. Zuvor

hatte die Washington Post in einem Artikel gemeldet,

dass durch den Luftschlag 125 Personen, darunter auch

Zivilisten, getötet worden seien.
795

Mit der Bundeskanzle-

rin sei er sich einig gewesen, dass zivile Opfer nicht mehr

auszuschließen seien. Der Zeuge Dr. Jung hat diese Situa-

tion wie folgt beschrieben:

„Als ich nach Düsseldorf in die Halle kam, hatten
wir ein Vorgespräch, wie die Veranstaltung jetzt

ablaufen solle. Ich habe auch dort mit der Bundes-

kanzlerin gesprochen, die in Sorge war im Hinb-

lick auf diese Meldungen, die über die Washington

Post dort verbreitet wurden. Ich habe ihr gesagt,

was mir Oberst Klein sozusagen aus erster Hand

gesagt hat. Aber wir waren uns darüber einig, dass

wir die Frage der zivilen Opfer jetzt nicht mehr

ausschließen könnten.“

Der Zeuge Dr. Jung hat weiter ausgeführt, er sei nach

diesem Gespräch vor die Presse getreten und habe eine

Presseerklärung abgegeben. Unter anderem habe er for-

muliert, dass „wenn es dort bei diesem Luftschlag zivile
Opfer gegeben hat, dass wir das sehr bedauern und dass

auch unser Mitgefühl den Angehörigen und den Familien

gilt.“796

ggg) Telefonat mit General McChrystal am
6. September 2009

Am Rande der Wahlkampfveranstaltung telefonierte

Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung mit dem

Kommandeur der ISAF, General McChrystal. Der Zeuge

Dr. Jung hat den Verlauf des Gesprächs in seiner Ver-

nehmung geschildert:

„Er [General McChrystal, Anm.] hat mir gesagt,
dass er diese Darstellungen – 56 Tote und
14 Verletzte, und das seien Taliban und Ver-

bündete – für falsch ansehe. Er sei der Über-
zeugung, es gebe zivile Opfer, zumindest gebe es

zivile Verletzte, und er sei vor Ort gewesen und

habe dort auch im Krankenhaus die Berichte be-

kommen. Ich habe ihm entgegengehalten, was mir

Oberst Klein gesagt hat. Er hat gesagt, er hielte

dies für falsch, und wir haben uns verständigt, dass

eine Untersuchung vonseiten der NATO erfolgen

solle. Ich weiß noch, wie er immer von ‚investiga-
tion„ gesprochen hat. Das Gespräch fand in Eng-
lisch statt. Ich habe ihm unsere Unterstützung für
795) Washington Post vom 6. September 2009, „Sole Informant

Guided Decision On Afghan Strike“ (Fn. 728, Dokument 116).
796) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.

diese NATO-Untersuchung auch im Rahmen die-

ses Gesprächs zugesagt.“797

In dem Telefonat hat sich Verteidigungsminister Dr. Jung

auch kritisch zu den öffentlichen Verlautbarungen von

General McChrystal und die Tatsache, dass er bei der

dienstlichen Anhörung von Oberst i. G. Klein einen Jour-

nalisten der „Washington Post“ zugelassen hatte, geäu-
ßert:

„[I]ch habe mich ziemlich kritisch mit ihm unter-
halten und habe ihm auch gesagt, dass ich das für

unverantwortlich ansehe, auch im Hinblick darauf,

dass er als COM ISAF gerade gegenüber unserem

Soldaten Oberst Klein sich in einer solchen Art

und Weise äußert. […] Nach dem Gespräch war er
auch etwas vorsichtiger mit dem Thema Opfer, da

sprach er nur noch von Verletzten. […] Ich habe
doch ziemlich deutlich, sagen wir einmal, meine

Verärgerung diesbezüglich zum Ausdruck ge-

bracht.“798

hhh) Eingang weiterer Berichte

Am Abend berichtete Dr. Jung dem Generalinspekteur

der Bundeswehr General Schneiderhan telefonisch von

dem Gespräch und seiner Presseerklärung. General

Schneiderhan teilte ihm mit, dass weitere Berichte im

Ministerium eingegangen seien.
799

„Ich habe ihn [General Schneiderhan, Anm.] ers-
tens von den Gesprächen unterrichtet, und er hat

mir im Rahmen dieses Gespräches von einem afg-

hanischen Bericht berichtet. Das war der Bericht

des Vorsitzenden des Provinzrates, des Gouver-

neurs, des Polizeichefs, des Armeechefs und des

Geheimdienstchefs, die von 56 Toten und 12 Ver-

letzten von diesem Luftschlag gesprochen haben

und die formuliert hatten, nach Gesprächen mit

Dorfbewohnern und Augenzeugen seien es nur Ta-

liban und deren Verbündete. Er hat mir auch be-

richtet von einem Bericht von Oberst N., der die-

sem Untersuchungsteam von General McChrystal

angehört hat […].“800

Der Zeuge Dr. Jung hat des Weiteren berichtet, dass er in

diesem Gespräch auch über den vorliegenden schriftli-

chen Bericht von Oberst Klein unterrichtet worden sei.

General Schneiderhan und er hätten sich zudem darüber

verständigt, in der Frage möglicher ziviler Opfer „etwas
vorsichtiger“ dahingehend zu formulieren, dass nach
derzeit vorliegenden Erkenntnissen zivile Opfer nicht

mehr auszuschließen seien.
801
797) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.

798) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 11.
799) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.

800) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.

801) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 115 – Drucksache 17/7400
iii) Rede des Bundesministers der Verteidi-

gung im Deutschen Bundestag am 8. Sep-
tember 2009

Am 8. September 2009 hielt Bundesverteidigungsminister

Dr. Jung im Bundestag anlässlich einer Regierungserklä-

rung der Bundeskanzlerin eine Rede zu den aktuellen

Ereignissen in Afghanistan. Darin stellte er unter anderem

dar, dass es in der Frage, ob der Luftschlag Opfer unter

der Zivilbevölkerung zur Folge hatte, unterschiedliche

Informationen gäbe und dass dies weiterer Aufklärung

bedürfe:

„Weil es jetzt auch andere Informationen gibt, ist
es notwendig und richtig, dass wir alles daranset-

zen, unseren Beitrag zur sachgerechten Aufklärung

zu leisten. Ich sage noch einmal: Wenn es zivile

Opfer gegeben hat, fordert dies unsere Anteilnah-

me und unser Mitgefühl.

Wir werden uns auch darum kümmern, dass die Si-

tuation vor Ort geregelt wird. Das halte ich für ei-

nen wichtigen Punkt. Aber um Entscheidungen in

dieser Richtung treffen zu können, muss erst das

abschließende Untersuchungsergebnis vorlie-

gen.“802

2. Auswärtiges Amt

Die Federführung für Anträge der Bundesregierung, mit

denen sie den Deutschen Bundestag um Zustimmung zu

einem Streitkräfteeinsatz ersucht
803

, liegt beim Auswärti-

gen Amt. Dieses ist für die Vertretung der Bundesrepub-

lik Deutschland in den internationalen Organisationen, in

deren Rahmen Auslandseinsätze regelmäßig durchgeführt

werden, zuständig. Die operative Durchführung eines

Streitkräfteeinsatzes ist dem Bundesministerium der Ver-

teidigung und den Befehlshabern vor Ort übertragen.
804

Im Hinblick auf diese Federführung des Auswärtigen

Amtes wurde auch der damalige Bundesminister des

Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, im Ausschuss

als Zeuge vernommen.

Auf die Frage, warum er nicht bereits am 4. September

zivile Opfer eingeräumt habe, erklärte Dr. Steinmeier vor

dem Untersuchungsausschuss:

„[W]as machen Sie, wenn Sie in einer solchen Si-
tuation verantwortlich öffentlich Aussagen treffen

wollen? Dann müssen Sie die Aussage treffen, die

aufgrund einer solchen Situation einigermaßen

tragfähig ist. Und ich war nicht am Kunduz-Fluss,

habe die Ereignisse nicht selbst gesehen und kann

aus eigener Zeugenschaft deshalb auch nicht auf-

klären, ob und wie viele Opfer es an diesem Tag

bei diesem Einsatz gegeben hat. Und deshalb ist es
802) Jung, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26305.

803) Hierbei handelt es sich im Bundeskabinett um so genannte „Dop-
pelvorlagen”, die wegen der vielfältigen militärpolitischen Fragen
in erheblichen Teilen im Bundesministerium der Verteidigung

vorbereitet werden.

804) Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Artikel 87a, Rn. 154.

doch gut und richtig, wenn man dann nicht aus-

schließt, was eine spätere Aufklärung noch erge-

ben kann, aber sich auf der anderen Seite auch

nicht zu sicher ist, dass es auf keinen Fall zivile

Opfer gegeben haben kann. Das war doch in der

gegebenen Situation bei der Informationslage, die

Sie selbst eben geschildert haben, aus meiner Sicht

das einzig richtige Verhalten.“805

a) Erste öffentliche Äußerungen des Bundes-
außenministers

aa) Gegenüber der Presse

Von dem Luftschlag erfuhr der damalige Bundesaußen-

minister Dr. Frank-Walter Steinmeier nach eigenem Be-

kunden am Freitagmorgen. Es habe an diesem Morgen

eine ausführlichere Presselage gegeben, in welcher der

Vorfall bekannt gewesen sei. Hinsichtlich möglicher

ziviler Opfer habe er sich auf die Berichterstattung aus

seinem Hause gestützt, mit dem Hinweis darauf, dass es

eine vielfältige Berichterstattung aus Afghanistan und aus

anderen öffentlich zugänglichen Quellen gebe, die einen

nicht sicher sein ließen, ob zivile Opfer tatsächlich ausge-

schlossen seien.
806

Öffentlich äußerte sich Dr. Frank-Walter Steinmeier zum

Luftangriff erstmals am Nachmittag des 4. September

2009 gegenüber der Ostsee-Zeitung:

„Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Stein-
meier hat sich besorgt über den jüngsten Vorfall in

Afghanistan geäußert. […]

Dieser Fall zeige, wie schwierig und gefährlich die

Lage dort ist. Die Taliban schrecken offensichtlich

vor nichts zurück, um die Sicherheit zu destabili-

sieren und Wiederaufbau unmöglich zu machen.

Derzeit wird untersucht, wie viele Opfer es gege-

ben hat und ob unschuldige Zivilisten darunter

waren. Das müssen wir abwarten. Gerade Deutsch-

land hat innerhalb der internationalen Truppen

immer wieder gedrängt, alles zu tun, um zivile Op-

fer zu vermeiden. Das werden wir auch in Zukunft

tun.“807

Ähnlich äußerte er sich gegenüber der Bild am Sonntag

am 6. September 2009:

„Das ist ein sehr schwerwiegender und gravieren-
der Vorfall. Deshalb müssen wir gemeinsam mit

unseren Verbündeten dafür sorgen, dass die Vor-

gänge von Donnerstagnacht schnellstmöglich und

genauestens aufgeklärt werden. Ich rate davon ab,

voreilige Schlüsse zu ziehen. Gegen verbrecheri-

sche Terroristen muss entschieden vorgegangen
805) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 16 f.

806) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 6.

807) dpa-Tickermeldung vom 4. September 2009, 16.51 Uhr.
Drucksache 17/7400 – 116 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
werden. Gleichzeitig müssen wir aber alles tun, um

unschuldige zivile Opfer zu vermeiden.“808

bb) Rede vor dem Deutschen Bundestag

In der Aussprache zu der Regierungserklärung der Bun-

deskanzlerin am 8. September 2009 vor dem Deutschen

Bundestag erklärte Dr. Steinmeier u. a:

„Noch wissen wir nicht genau, wie viele Men-
schen bei dem Luftangriff am vergangenen Freitag

in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Noch

wissen wir nicht, wie viele Zivilisten unter den

Opfern waren. Aber eines wissen wir: Dieser Luft-

angriff war nicht irgendein bedauerlicher Zwi-

schenfall, und wir können nach diesem Ereignis

natürlich nicht ohne weiteres zur Tagesordnung

übergehen. Dieser Freitagmorgen hat – ob wir das
wollen oder nicht – ein Schlaglicht auf unseren
Afghanistan-Einsatz geworfen und ihn neu ins

Rampenlicht gerückt. Natürlich gibt es – das ver-
stehe ich – darüber eine öffentliche Diskussion.
Ich verstehe auch, dass Diskussionen nicht nur bei

uns, sondern auch im europäischen und außereuro-

päischen Ausland geführt werden. Eines allerdings

verstehe ich nicht – das können wir auch nicht so
lassen –, nämlich dass, bevor die Untersuchungen
abgeschlossen sind, Vorverurteilungen, auch im

Ausland, stattfinden.“809

In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss

am 10. Februar 2011 hat der Zeuge Dr. Steinmeier seinen

damaligen Redebeitrag erläutert:

„Ich habe das nicht so formuliert, weil ich oder wir
über eigene und besondere Erkenntnisse verfügt

haben, sondern, wenn Sie so wollen, weil man

nach ein paar Jahren Erfahrung in diesem Amt

oder in unterschiedlichen Ämtern weiß, dass sich

die ersten Nachrichten nach einem solchen Ereig-

nis auch noch ändern können und dass man vor-

sichtig ist mit Festlegungen gegenüber der Öffent-

lichkeit, bevor Aufklärungsbemühungen überhaupt

begonnen haben und bevor erste Ergebnisse dieser

Aufklärungsbemühungen auch nur bei einem der

Ressorts in der Bundesregierung angekommen

waren. Das ist der Hintergrund, weshalb ich in der

Öffentlichkeit relativ zurückhaltend war. Und ich

glaube, dass das nach meiner Beurteilung in der

damaligen Situation auch die verantwortliche Hal-

tung war, zurückhaltend zu sein, was die Möglich-

keit ziviler Opfer angeht, zurückhaltend zu sein,

die Gefahr völlig auszuschließen, und gleichzeitig

schnellstmöglich Untersuchungen und Aufklärun-

gen auf den Weg zu bringen.“810
808) Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift wird

bekämpft“ (Fn. 5, Dokument 4).
809) Steinmeier, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26302.

810) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 5.

b) Informationslage des Auswärtigen Amtes
in den ersten Tagen

Der Zeuge Dr. Steinmeier hat vor dem Ausschuss erklärt,

die Informationslage sei in den ersten Tagen nach dem 4.

September unklar, diffus und teilweise widersprüchlich

gewesen.
811

Wörtlich hat er gesagt:

„Und natürlich haben sich auch die Mitarbeiter im
Auswärtigen Amt bemüht, sich möglichst frühzei-

tig ein Bild von der Lage zu verschaffen, wo natür-

lich – das verstehen Sie – den Mitarbeitern des
Auswärtigen Amtes auch Grenzen gesetzt sind.

Bei der Vorbereitung des militärischen Einsatzes

war das Auswärtige Amt natürlich nicht einbezo-

gen, was Sie auch daran sehen können, dass der

zivile Leiter des PRT in Kunduz, Herr D., den Sie

hier hatten, über eine Nachrichtenseite aus dem

Internet von dem Vorfall selbst erfahren hat. Ich

sage das deshalb, weil, wenn das Auswärtige Amt

nicht in die militärische Planung einbezogen war,

natürlich auch von denselben Menschen der Unter-

suchung dieses Vorfalls, über den wir zu reden ha-

ben, dieser Untersuchung durch das Auswärtige

Amt selbst Grenzen gesetzt waren: kaum eigene

Möglichkeiten, vor Ort eigene Recherchen anzus-

tellen. Aber soweit ich das jetzt aus den paar Ak-

tenstücken gesehen habe, die ich mir noch mal

durchgesehen habe, gab es da keine Sonderinfor-

mationen im Auswärtigen Amt, die nicht anderen

auch zugänglich gewesen wären. Ich habe jeden-

falls mir berichten lassen von der Nachrichtenlage,

von der Informationslage, die es am 4., 5., rund um

diesen Zeitpunkt, gegeben hat. Ich habe aufgrund

dieser Lage davon abgesehen, öffentlich zu sagen,

dass es keine zivilen Opfer gegeben hat.“812

Die Informationslage im Auswärtigen Amt nach dem

Luftangriff, insbesondere im Hinblick auf zivile Opfer,

wird auch durch E-Mail-Verkehr zwischen Mitarbeitern

des Auswärtigen Amtes dokumentiert:

„NATO könne insbesondere nicht bestätigen, dass
hier in erster Linie Aufständische getötet wurden,

sondern sieht Mehrzahl der Getöteten wohl als Zi-

vilisten an.“813

„NATO-Sprecher warnte mich, so zu tun als seien
wahrscheinlich keine Zivilen getötet worden. So

stünde es auf BW webpage. Das würde ihn in Wi-

derspruch zwingen. Wir sollten dies ISAF/NATO

machen lassen.“814

Auf die Frage, welche Informationen ihn als Minister

direkt erreicht hätten, hat Minister a. D. Dr. Steinmeier

erklärt:

„Mich hat erreicht, dass es Informationen aus Afg-
hanistan und auch aus dem NATO-Bereich gege-
811) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 4 f.
812) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 5.

813) E-Mail 1 (Dokument 118).

814) E-Mail 2 (Dokument 119).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 117 – Drucksache 17/7400
ben hat, wonach dort behauptet wird, zivile Opfer

seien vorgekommen, […].“815

Zu den Zielen des Luftangriffs wurde in einer internen E-

Mail vom 4. September 2009 durch einen Mitarbeiter des

Länderreferates Afghanistan im Auswärtigen Amt fol-

gende Einschätzung formuliert:

„Absicht war wohl eher, die Tankwagen zunächst
zu sichern und für Anschläge umzubauen, was al-

lerdings kaum verborgen geblieben wäre, da

Tankwagen nicht einfach über mehrere Tag ver-

schwinden und dann wieder auftauchen, vor PRTs

oder ähnlichem, kurz gesagt: Eindruck aus dem

PRT, das war keine ‚Notwehr„, sondern ein extrem
gutes ‚high value target„, allerdings auf der Grund-
lage der vorhandenen Aufklärung.“816

c) Informationsgewinnung seitens des Aus-
wärtigen Amtes

Das Auswärtige Amt hatte abgesehen von der öffentli-

chen Berichterstattung im wesentlichen zwei Informati-

onsquellen. Zum einen wurde es aus dem Bundesministe-

rium der Verteidigung über das Geschehen unterrichtet.

Andererseits hatte es über die Botschaft in Kabul und den

zivilen Leiter des PRT Kunduz, den damaligen Vortra-

genden Legationsrat D., einen unmittelbaren Zugang zu

dem Geschehen vor Ort.

aa) Informationserlangung durch die zivile
Leitung des PRT Kunduz

Zum Zeitpunkt des Luftangriffs war im PRT Kunduz der

Zeuge D. im Auftrag des Auswärtigen Amtes in der Funk-

tion des zivilen Leiters eingesetzt. Dort trug er nach eige-

ner Darstellung für den Kontakt mit all denjenigen, die

am Wiederaufbau im zivilen Bereich in der Provinz Kun-

duz beteiligt waren Sorge und stellte gleichzeitig die

Verbindung zum militärischen Teil des PRT her. Das

Auswärtige Amt war zum Zeitpunkt des Luftschlages mit

insgesamt drei Personen vertreten, der zivile Leiter D.

sowie zwei weitere Mitarbeiter.
817

Seinen Kontakt mit

dem militärischen Leiter des PRT Kunduz – zum untersu-
chungsgegenständlichen Zeitpunkt der Oberst Klein –, hat
er in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-

schuss als regelmäßig beschrieben. Er habe an den Lage-

besprechungen teilgenommen, die im PRT stattfanden,

und habe auch darüber hinaus die Gelegenheit gehabt,

jederzeit mit dem Oberst Dinge zu besprechen, die von

gemeinsamem Interesse waren. Beide hätten ein sehr

offenes, ein sehr direktes Arbeitsverhältnis gehabt.
818

Zur

Verdeutlichung beschrieb der Zeuge D. dem Ausschuss

seine Position innerhalb des PRT Kunduz:

„Ich bin dort als ziviler Leiter des PRTs eingesetzt
und hatte die Position neben dem militärischen
815) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 20.
816) E-Mail 3 (Dokument 120).

817) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 8.

818) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 4.

Leiter des PRTs. Wir hatten eine Aufgabenteilung

zwischen uns beiden, wonach ich mich um zivile

Aufgaben gekümmert habe: Wiederaufbau, Kon-

takt mit der Wiederaufbaugemeinde Deutschlands

und internationalen Aufbauhelfern. Der militäri-

sche Leiter des PRTs hat sich um die militärischen

Dinge gekümmert, die mit dem militärischen Auf-

trag zusammenhingen. Wir hatten dort keine ge-

meinsame Aufgabenstellung.“819

Kenntnis erlangte D. von dem Luftangriff nach eigener

Aussage zunächst aus der Presse. Daraufhin habe er sich

sofort zu Oberst Klein begeben. Dieser habe den Luft-

schlag bestätigt:

„Ich bin am Freitagmorgen wie üblich morgens in
mein Büro gegangen, […], habe dort meinen PC
hochgefahren, bin dann in die Schlagzeilen Ti-

ckermeldung gegangen und habe dort das erste

Mal über den Luftschlag Kenntnis erhalten, habe

dann auf einer Webseite eines ganz allgemein be-

kannten Magazins in Deutschland weitere Infor-

mationen über diesen Luftschlag gelesen, und das

war meine erste Quelle, wie ich über diesen Luft-

schlag Kenntnis erlangt habe. […] Nachdem ich
das gelesen habe, habe ich das Büro verlassen, bin

rübergegangen in das Stabsatrium 1 und habe dort

nach dem Kommandeur gesucht, um ihn danach zu

fragen, inwieweit diese Meldung der Tatsache ent-

spricht. […] Ich habe ihn in seinem Büro angetrof-
fen, und er hat mir bestätigt, dass es diesen Nacht-

einsatz gegeben hat, und im Prinzip auch die Er-

gebnisse, dass zwei entführte Tanklastwagen das

Angriffsziel dieser Operation gewesen sind. In al-

ler Kürze hat er mir das bestätigt, und dann lief

den Tag über weitere Aktivität, Erkundung und

Ähnliches, ab.“820

aaa) Erste Hinweise auf zivile Opfer

Während Oberst Klein nur davon gesprochen habe, es

seien Aufständische bzw. Taliban getroffen worden, habe

er anschließend im Internet Hinweise auf zivile Opfer

gefunden, jedoch ohne Beweise oder Hinweise, die dies

zu dem Zeitpunkt in irgendeiner Form bekräftigt hätten.
821

Seine Erkenntnisse leitete D. an seine Ansprechpartner im

Auswärtigen Amt weiter:

„Ich habe dem Länderreferat eine Kopie der Pres-
seinformation, die ich gefunden habe, übersandt

und dann in kurzen Zeilen bestätigt, was mir

Oberst Klein zu dieser Pressemitteilung gesagt hat,

und habe dann auch einen Satz mit aufgenommen,

dass es Verlautbarungen von den Insurgenten über

mögliche zivile Opfer gegeben hat, aber alles unter

dem Vorbehalt, dass ich dazu keine eigenen Er-

kenntnisse hatte.
822

[…] Ich habe zwischendurch je
819) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 14.
820) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 4 f.

821) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 5.

822) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 5.
Drucksache 17/7400 – 118 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nach Ereignissen weiter berichtet über die Dinge,

die dann eingetreten sind.
823

[…] Für mich war
ausschließlich Kontaktstelle das Referat 343, das

Länderreferat. Diesem Referat habe ich die Aus-

künfte übermittelt, und das war für mich die

Hauptkontaktstelle. Weitere Stellen im Auswärti-

gen Amt habe ich nicht direkt kontaktiert.“824

„Das erste Mal, dass ich in einer etwas klareren
Form Kenntnis erhalten habe, dass es zivile Opfer

gegeben haben könnte, ist durch den Bericht eines

belgischen Aufklärers erfolgt, der davon sprach,

dass es bis zu 14 zivile Opfer gegeben haben könn-

te. Ich habe das dann selbstverständlich sofort

auch dem Auswärtigen Amt, dem Länderreferat,

mit einer Mail berichtet.“825

Der Zeuge hat angegeben, auf diese Meldungen keine

Rückmeldung erhalten zu haben.
826

bbb) Die Liste der Vereinten Nationen

Am 12. September 2009 erhielt D. von einer Vertreterin

der Vereinten Nationen eine Liste mit Namen von insge-

samt 109 Personen getöteten und 33 verletzten Personen,

darunter unter anderem Achtjährige
827

(vgl. B.IV.5.b))

und B.V.4, S. 85).

Diese Liste wurde durch den Zeugen am gleichen Tag als

Anhang einer erläuternden E-Mail an den zuständigen

Leiter des Länderreferats im Auswärtigen Amt übersen-

det.
828

ccc) Kritik an der Kommunikation innerhalb des
PRT

Der Zeuge Dr. Steinmeier hat in seiner Vernehmung die

Informationspolitik innerhalb des PRT Kunduz zwischen

militärischem und zivilem Strang moniert:

„Aber, ich glaube, auch in Kunduz war man sich
bewusst, dass das ein gravierender Vorfall war. In-

sofern hätte ich mir in der Tat gewünscht, dass

schnell und umfassend auch die zivile Seite des

PRT unterrichtet worden wäre. Das ist offensich-

tlich nicht der Fall gewesen, aus welchen Gründen

auch immer – möglicherweise deshalb, weil die
militärische Führung zunächst mal die Priorität

darin gesehen hat, das eigene Verteidigungsminis-

terium zu unterrichten, und deshalb die Unterrich-

tung der zivilen Seite unterblieben ist.“829

„[…] Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass in
der betroffenen Nacht des 4. September die Nach-

richt an den Leiter des zivilen PRT schneller ge-
823) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 6.

824) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 10.
825) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 6; E-Mail vom 4. September 2009,

15.52 Uhr (Dokument 121).

826) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 6.
827) UNAMA-Bericht (Fn. 523, Dokument 78), Bl. 3.

828) E-Mail vom 12. September 2009 (Fn. 526).

829) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 7.

gangen wäre. – Aber in Antwort auf Ihre Frage
muss auch Klarheit bestehen, dass der Leiter des

zivilen PRT nicht einbezogen ist in die militäri-

schen Planungen. Seine Aufgabe als ziviler Leiter

des PRT ist etwas anderes, nämlich Kontakt zu den

zivilen Aufbauhelfern zu halten, helfend mit sei-

nen Möglichkeiten dazu beizutragen, zivilen Wie-

deraufbau in Afghanistan voranzubringen, Kontakt

zur Zivilgesellschaft zu halten. Deshalb sage ich –
so wünschenswert es ist, dass in diesem Fall die

Information schneller und besser geflossen wäre -:

Ich würde und habe in meiner Zuständigkeit als

Außenminister nicht verlangt, dass der Leiter des

zivilen PRT in militärische Planungen einbezogen

wird.“830

Zur Verbesserung der Kommunikation zwischen den

beiden Leitungsebenen innerhalb des PRT Kunduz hat der

Zeuge Dr. Steinmeier dem Ausschuss vorgeschlagen:

„Also, eine Sache haben wir besprochen, das ist
die dichtere Kommunikation zwischen dem militä-

rischen und zivilen Teil des PRT, weil von der

Spitze des PRTs die jeweilig zuständigen Ministe-

rien informiert werden.“831

Zur Zusammenarbeit mit dem militärischen Strang im

PRT Kunduz hat der seinerzeitige zivile Leiter D. vor

dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:

„Wir hatten regelmäßige Gespräche. Ich habe teil-
genommen an den Lagebesprechungen, die im

PRT stattfanden, und ich hatte auch darüber hinaus

die Gelegenheit, jederzeit mit dem Oberst Dinge

zu besprechen, die von gemeinsamem Interesse

waren. Wir hatten ein sehr offenes, ein sehr direk-

tes Arbeitsverhältnis.”832

bb) Zusammenarbeit mit dem Bundesministe-
rium der Verteidigung

aaa) Informationserlangung auf Arbeitsebene

Wie der Informationsaustausch zwischen dem Bundesmi-

nisterium der Verteidigung und dem Auswärtigen Amt

verlief, hat der Ausschuss nicht im Einzelnen untersucht.

Der Zeuge Dr. Steinmeier hat diesbezüglich angegeben:

„Es gab Ärger darüber in unserem Hause, dass ein
offensichtlich im Verteidigungsministerium vor-

handener Bericht des IAT dem Außenministerium

nicht zugegangen ist. Deshalb haben wir uns noch

mal bemüht, ihn zu bekommen, und hatten ihn am

Ende dieser Woche, am 11.“833
830) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 15.
831) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 21.

832) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 4.

833) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 27.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 119 – Drucksache 17/7400
bbb) Abstimmung auf Ministerebene

Unzufriedenheit herrschte im Auswärtigen Amt über die

Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverteidigungsministe-

riums. Bereits am 4. September 2009 wurde dessen

Kommunikation unter Mitarbeitern des Auswärtigen

Amtes kritisiert. In einer hausinternen E-Mail heißt es:

„Die Argumentationslinie des BMVg wird immer
verworrener, vor allem steigt die Verärgerung über

die unterbliebene Unterrichtung der Obleute und

das Stillschweigen von BM Jung. Die Inkaufnah-

me ziviler Opfer nun durch eine vermeintliche An-

schlagsplanung erklären zu wollen, für die es bis-

lang in der Kommunikation keine Hinweise gab,

wird dem BMVg auf die Füße fallen!“834

Mit dem damaligen Bundesminister der Verteidigung,

Dr. Jung, traf sich der Zeuge Dr. Steinmeier nach eige-

nem Bekunden am Montag, dem 7. September 2009, bei

einem Festakt in Bonn sowie am Dienstag am Rande der

Plenardebatte, am Mittwoch im Rahmen der Kabinettssit-

zung und auch in den folgenden Tagen.
835

Im Verlauf des Gesprächs bei dem Festakt am Montag in

Bonn habe Dr. Jung mit ihm über ein Schreiben gespro-

chen, von dem er bis dahin nichts gewusst habe. In die-

sem Schreiben, von zehn afghanische Offiziellen aus

Kunduz oder der Region Kunduz sei dargestellt worden,

dass es keine zivilen Opfer bei diesem Einsatz gegeben

habe. Dies habe er zur Kenntnis genommen.
836

An einen Austausch über die öffentliche Darstellung mit

dem Auswärtigen Amt hat sich auch der damalige Bun-

desverteidigungsminister als Zeuge nicht erinnern kön-

nen.
837

Nach seiner Wahrnehmung habe die Parlaments-

debatte am 8. September 2009 eine relative Vereinheitli-

chung in der öffentlichen Sprache gebracht.
838

3. Bundeskanzleramt sowie Bundesnachrich-
tendienst

Im Bundeskanzleramt waren mit dem Luftangriff vom 4.

September 2009 zwei Abteilungen befasst. Federführend

war die Abteilung 2 „Außen-, Sicherheits- und Entwick-
lungspolitik“839 und innerhalb dieser Abteilung die Grup-
pe 22 „Bundesministerium der Verteidigung, Bundessi-
cherheitsrat“. Daneben war die für die Dienst- und Fach-
aufsicht über den Bundesnachrichtendienst zuständige

Abteilung 6 „Bundesnachrichtendienst, Koordinierung
der Nachrichtendienste des Bundes“ des Bundeskanzler-
amtes, insbesondere deren Gruppe 62 „Lageinformation
und Auftragssteuerung, Controlling, Auslandsbeziehun-

gen“ involviert.840 Während die Abteilung 2 auf „fremde“
834) E-Mail Referatsleiter 011 (Dokument 122).

835) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 10.

836) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 12.
837) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 46.

838) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 15.

839) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.
840) Siehe hier zur Erläuterung der Struktur des Bundeskanzleramtes

dessen Organisationsplan (Dokument 123); Vorbeck, Protokoll-

Nr. 47, Teil I, S. 2; Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 26.

Informationen aus den Geschäftsbereichen Auswärtiges

Amt und Bundesministerium der Verteidigung angewie-

sen ist, verfügt die Abteilung 6 über „eigene Informatio-
nen“ aus dem ihr ressortmäßig zugeordneten Bundesnach-
richtendienst.

a) Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes und
Bundesnachrichtendienst

Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,

ob sich das Bundeskanzleramt bei der Einschätzung des

Luftschlags bei Kunduz auf „eigene“ Erkenntnisse des
ihm nachgeordneten Bundesnachrichtendienstes stützen

konnte.

Dazu hat der Ausschuss als Zeugen aus dem Bundeskanz-

leramt den damaligen Leiter der Abteilung 6, Klaus-

Dieter Fritsche, jetzt Staatssekretär im Bundesministe-

rium des Inneren, und den zuständigen Gruppenleiter,

Ministerialdirigent Hans-Josef Vorbeck, gehört. Aus dem

Bereich des Bundesnachrichtendienstes hat der Ausschuss

dessen Präsidenten Ernst Uhrlau sowie die zwei zur Zeit

des Luftangriffs in Kunduz eingesetzten BND-

Bediensteten M. F. und A. R. vernommen.

aa) Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes
vor Ort

Nach seinem gesetzlichen Auftrag sammelt der BND zur

Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von

außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bun-

desrepublik sind, erforderliche Informationen und wertet

sie aus (§ 1 Abs. 2 BNDG
841

).
842

Er sollte die Bundeswehr

vor Anschlägen warnen und erfolgte Anschläge analysie-

ren.
843
841) Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz –

BNDG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), zuletzt

geändert durch Artikel 1b des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl.
I S. 2499).

842) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 2.

843) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 10.

Drucksache 17/7400 – 120 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Zur Frage eigener Aufklärungsmaßnahmen

des BND

Der Bundesnachrichtendienst beteiligte sich vor Ort nicht

an der Untersuchung des Luftangriffs. Er war vor Ort im

PRT Kunduz mit Mitarbeitern vertreten; unter ihnen be-

fanden sich die vom Ausschuss als Zeugen vernommenen

M. F. und A. R. In die Vorbereitung und Durchführung

des Luftangriffs waren sie nach ihren Angaben nicht

involviert (siehe oben: B.III.9, S. 69). Von dem Luftan-

schlag selbst hatten die beiden nichts mitbekommen. Sie

waren zu der Zeit nicht im Dienst und erfuhren davon erst

am folgenden Morgen
844

– nach Aussage des Zeugen
A. R. zwischen 8 und 9 Uhr,

845
nach Aussage des Zeugen

M. F. nach dem Frühstück.
846

Sowohl eine Beteiligung an der militärischen Auswertung

als auch an der Sachverhaltsaufklärung im Nachhinein hat

der Zeuge Uhrlau in seiner Aussage ausgeschlossen:

„Der Bundesnachrichtendienst, wie ich eingangs
sagte, hatte im Vorfeld keine Informationen, ist

darüber hinaus an der Einsatzplanung, an der

Durchführung nicht beteiligt gewesen. Mir ist auch

mitgeteilt worden, dass unsere […] Vertreter, die
in Kunduz waren, zu dem Zeitpunkt nichts von den

Ereignissen mitbekommen haben.“847

Es habe darüber hinaus auch keine gezielte Aufforderung

aus dem Kanzleramt an den Bundesnachrichtendienst

gegeben, weitere eigene Erkenntnisse zu dem Luftangriff

zu sammeln.
848

M. F., einer der BND-Mitarbeiter vor Ort, hat vor dem

Untersuchungsausschuss erklärt, dass es keinerlei Auftrag

übergeordneter Stellen an ihn und seinen Kollegen bei der

Task Force 47 gegeben habe, den Luftangriff nachrich-

tendienstlich weiter aufzuklären, insbesondere die Wir-

kungen auf das regionale Umfeld zu untersuchen.
849

Ge-

zielt hätten er und sein Kollege gar nichts in Bezug auf

den Luftangriff unternommen.
850

A. R. hat angegeben, von

seinem Leiter beziehungsweise Chef aus Deutschland die

Weisung bekommen zu haben, im Rahmen der vorhande-

nen Möglichkeiten Informationen zu sammeln.
851

cc) Erkenntnisaufkommen des BND

Die in der ersten Woche nach dem Luftangriff beim Bun-

desnachrichtendienst vorhandenen Informationen hat der

Zeuge Uhrlau als insgesamt „ungewiss“ bewertet.
844) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 13.

845) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 5.
846) F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 68.

847) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 13.

848) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 18.
849) F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 62.

850) F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 71.

851) R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 23.

aaa) Eigene Einschätzung des BND-
Präsidenten

Nach eigener Darstellung war dem Präsidenten des Bun-

desnachrichtendienstes klar, dass es zivile Opfer gegeben

haben müsse:

„Das müsste der Sonntag oder Anfang der Woche
gewesen sein. Es kam ja auch eine Reihe von zu-

sätzliche Bildern.“852

Das sei die Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes

gewesen. Schon in den ersten „wenigen Tagen“ habe sich
das konkretisiert und verdichtet.

853
Die Information über zivile Opfer habe der Bundesnach-

richtendienst nicht aus eigener Inaugenscheinnahme,

sondern „aus der Fülle der Informationen.“ Nachträglich
seien Informationen aus anderen Quellen dazugekom-

men.
854

bbb) Meldeaufkommen des Bundesnachrich-
tendienstes

Der Bundesnachrichtendienst darf nach § 1 Abs. 1 Nr. 2

des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und

Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10)855 im
Rahmen seiner Aufgaben Telekommunikation überwa-

chen und aufzeichnen, um die Gefahr unter anderem der

Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit

unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland

rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu be-

gegnen, oder soweit erforderlich, um eine im Einzelfall

bestehende Gefahr für Leib oder Leben einer Person im

Ausland rechtzeitig zu erkennen oder ihr zu begegnen und

dadurch Belange der Bundesrepublik Deutschland unmit-

telbar in besonderer Weise berührt sind. Die auf diese

Weise gewonnene „Signal Intelligence” (SIGINT)856 wird
vom Bundesnachrichtendienst unter anderem für Vorgän-

ge im Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer

Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind,

verwertet und genutzt (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 BNDG).

Nach Auskunft seines Präsidenten setzte der Bundesnach-

richtdienst in Afghanistan entsprechend der gesetzlichen

Möglichkeiten auch Instrumente der Informationsbeschaf-

fung ein:

„Wir haben das Recht, das ganze Besteck nach-
richtendienstlicher Instrumente einzusetzen.“857

Die Informationen über den Luftanschlag und seine Fol-

gen standen dem BND nach Angaben der Zeugen erst
852) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 25, Tgb.-Nr. 89/10 –

GEHEIM.
853) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 33, Tgb.-Nr. 89/10 –

GEHEIM.

854) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 17, 36, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.

855) Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geän-

dert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S.
2499).

856) Bundesnachrichtendienst, Der BND heute, www.bnd.de.

857) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 121 – Drucksache 17/7400
später zur Verfügung. Daraus zu entnehmen waren Hin-

weise über Zahl und Zuordnung von Opfern des Luft-

schlags.

Die so der Bundeswehr zugeleiteten Informationen wür-

den nicht direkt von der Bundeswehr – etwa zur Weiter-
leitung nach Kunduz – genutzt, sondern zunächst über die
Zentrale des Bundesnachrichtendienstes ausgewertet.

Nach Auskunft des Zeugen Uhrlau kann, soweit geboten,

auch parallel unterrichtet werden.
858

Aus diesem „Informationswust“ aus lauter Einzelmeldun-
gen versuchen schließlich die Auswerter Informationen zu

gewinnen. Hierbei geht es insbesondere darum, Informa-

tionen zu- und ihre Relevanz einzuordnen. Nach Auskunft

des Zeugen Uhrlau stelle sich dem Auswerter auch stets

die Frage: „Was ist Information, was ist Desinformati-
on?“859

dd) Informationsweg innerhalb des BND und
Unterrichtung des BND-Präsidenten Uhr-
lau

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhr-

lau wurde über den Luftangriff am 6. September 2009

unterrichtet, da dieser sich vorher im Urlaub befand. Al-

lerdings hatte er schon vorher aus der Medienberichters-

tattung Kenntnis von den Ereignissen.
860

Die Einzelmeldungen wurden dem Präsidenten des Bun-

desnachrichtendienstes nach eigenem Bekunden nicht zur

Kenntnis gebracht.
861

ee) Koordination des Aufkommens nachrich-
tendienstlicher Informationen innerhalb
der Bundesregierung

Für das Aufkommen von SIGINT gibt es innerhalb der

Bundesregierung eine vereinbarte Koordination und Ab-

stimmung. Eine vergleichbare Koordinierung auf Bundes-

ebene im Bereich der operativen Aufklärung mit men-

schlichen Quellen, der „Human Intelligence“ (HUMINT)
gibt es nicht.

862
Auch die Bundeswehr hält zu Personen Kontakte, um

Informationen zu erlangen. Allerdings wendet sie – im
Gegensatz zum BND – keine nachrichtendienstlichen
Mittel an. Ein Problem könnte entstehen, wenn die Bun-

deswehr von Kontaktpersonen Informationen erhält, die

vom Bundesnachrichtendienst als Quelle geführt werden.

Hierdurch könnte der falsche Eindruck entstehen, eine

nachrichtendienstliche Meldung werde durch eine Kon-
858) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 23, Tgb.-Nr. 89/10 –

GEHEIM.

859) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 20, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.

860) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 10.

861) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 24, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.

862) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 15, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.

taktperson der Bundeswehr bestätigt, obwohl es sich um

ein und denselben Ursprung der Meldung handelt.
863

Der Zeuge Vorbeck hat dazu vorgetragen, wenn die Bun-

deswehr solche „Informationsgeber“ habe, sei es natürlich
sinnvoll, dass der BND das wisse, damit er nicht dieselbe

Person auch als Quelle führt.

„Die Bundeswehr hat Personen, zu denen sie Kon-
takte hält und die auch Informationen geben. Aber

im Gegensatz zu dem, was die Nachrichtendienste

und hier im Beispiel der BND macht, dürfen sie

keine nachrichtendienstlichen Mittel anwenden.

Das ist, glaube ich, die grobe Unterscheidung. Wir

haben nur ein Problem dabei: Wenn die Bundes-

wehr zu solchen Informationsgebern – so will ich
sie mal nennen, nicht Quellen; es sind keine nach-

richtendienstlichen Quellen […] – Informanten
hat, dann ist es natürlich sinnvoll, dass der BND

das weiß, damit er nicht dieselbe Person auch als

Quelle führt.“864

ff) Weitergabe von Informationen des BND an
die Abteilung 6 im Bundeskanzleramt

Der Untersuchungsausschuss hat sich mit einer als „Un-
verbindliche Erstinfo des BND“ überschriebenen E-Mail
beschäftigt, welche im Bundeskanzleramt intern am frü-

hen Morgen des 4. September 2009 um 8.06 Uhr u. a. an

den Zeugen MDg Vorbeck versandt wurde.
865

Darin wur-

de mitgeteilt, die US-Seite habe einen Luftangriff durch-

geführt, weil sie offenbar einen terroristischen Anschlag

mittels gestohlener Tanklastzüge für wahrscheinlich hielt.

In der E-Mail heißt es:

„Das Verheerende daran ist, dass bei dem Luftang-
riff zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen

sind (Zahlen variieren von 50 bis 100).“

Im Anhang der E-Mail befand sich eine Meldung der

BBC vom gleichen Morgen, welche auf zivile Todesopfer

und zahlreiche Verletzte in Kunduz aufgrund des Luft-

angriffs aufmerksam machte.
866

Diese E-Mail war von einem Mitarbeiter der Gruppe 62

im Bundeskanzleramt verfasst worden und hielt den In-

halt eines Telefonats mit einem BND-Mitarbeiter fest. Sie

ging an andere Stellen im Bundeskanzleramt, die mit

Afghanistan befasst waren, insbesondere an die für militä-

rische Fragen zuständige Gruppe 22.
867

Zum Zustandekommen dieser Information und ihrer Wei-

tergabe hat sich MDg Vorbeck vor dem Untersuchungs-

ausschuss geäußert:

„Zum Zustandekommen dieser Mail nach meiner
Erinnerung […]: der Anruf des BND-Mitarbeiters
863) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 18 f.

864) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 18 f.

865) E-Mail vom 4. September 2009, Betreff: „Scores die in Afghan
explosion“ (Fn. 572, Dokument 84), Bl. 1.

866) E-Mail vom 4. September 2009 (Fn. 865), Bl. 2.

867) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 3 f.
Drucksache 17/7400 – 122 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bei meinem Mitarbeiter, der schriftlich festgehal-

ten wird. Dann hat mein Mitarbeiter gleichzeitig in

der Presse recherchiert und hat die anschließende

Mail gefunden. – Dann haben wir technisch die
Besonderheit: Wenn Sie diese Mail oder diese

Presseagentur oder diese Pressemeldung versen-

den, übernimmt die Mail, mit der Sie das versen-

den, das automatisch als Betreff. Das erklärt auch

den Betreff ‚Scores died in Afghan Explosion„.
Aber es war im Grunde genommen nur eine Er-

gänzung, eine Dienstleistung für den Empfänger:

Der BND hat uns das gesagt, BBC hat das auch

schon gemeldet. So war das nach meinem Ver-

ständnis zu verstehen.“868

Der Anruf sei durch den damaligen Leiter des für Afgha-

nistan zuständigen Referats des BND an das Bundeskanz-

leramt erfolgt.
869

Nachfragen bezüglich der Erkenntnis-

quellen des Anrufers unter den BND-Mitarbeitern in

Afghanistan selbst seien nicht gestellt worden. Dies sei

weder MDg Vorbeck noch wohl seinem Vorgesetzten

oder anderen Mitarbeitern der Abteilung 6 notwendig

erschienen.
870

MDg Vorbeck hat den vorläufigen und unsicheren Cha-

rakter dieser Meldung betont. Nicht nur sei er an diesem

Morgen noch davon ausgegangen, dass es sich bei dem

Luftangriff um eine reine US-Aktion handele, sondern

sein Augenmerk habe – entsprechend seiner Zuständigkeit
– auf der Aufgabenstellung des BND und nicht auf der
Frage ziviler Opfer gelegen.

„Ich habe diese E-Mail vielleicht ganz anders gele-
sen als viele andere Leute. In der E-Mail […] wird
doch sehr deutlich, dass auch der Anrufer davon

ausgegangen ist, dass es hier sich um eine US-

Aktion handelte – im deutschen Verantwortungs-
bereich.“871

Wann genau der Leiter der Abteilung 6 im Bundeskanz-

leramt unterrichtet wurde, hat sich nicht klären lassen.

Der Zeuge Vorbeck hat sich erinnert, seinen Vorgesetzten

am Montag, dem 7. September 2009 unterrichtet zu ha-

ben.
872

Der damalige Leiter der Abteilung 6, Fritsche, hat ausge-

sagt, er sei von Vorbeck bereits am 4. September 2009

unterrichtet worden.
873

Über die E-Mail aus seiner Abteilung zu der BBC-

Meldung wurde Fritsche nach eigenem Bekunden nicht

unterrichtet. Erst im Zusammenhang mit den Medienver-

öffentlichungen habe er erfahren, dass es die erwähnte E-

Mail gegeben habe.
874

Nach der Erinnerung des Zeugen
868) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 12.
869) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 12.

870) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 9 – GEHEIM.
871) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 10.
872) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 5.

873) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 26.

874) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 29.

Vorbeck hingegen soll auch der Abteilungsleiter Empfän-

ger dieser „Erstinfo“ gewesen sein.875

gg) Zur Frage von Einzelmeldungen an das
Bundeskanzleramt

Die Einzelmeldungen des Bundesnachrichtendienstes

über den Luftanschlag und seine Folgen wurden zur da-

maligen Zeit nicht an das Bundeskanzleramt weitergelei-

tet. Da es sich bei solchen Abschriften nicht um so ge-

nannte „Finished Intelligence“ handele, sei diese nach
Aussage des Zeugen Vorbeck auch nicht dem Bundes-

kanzleramt zugeleitet worden.
876

Der Bundesnachrichten-

dienst gebe – so der Zeuge Uhrlau – nicht alle Einzelmel-
dungen weiter, weil damit keiner etwas anfangen kön-

ne.
877

Der BND leitet nach Aussage des Zeugen Vorbeck

nur wertende Zusammenfassungen vorliegender Informa-

tionen weiter.
878

hh) Überprüfung der Rolle des BND

Das Bundeskanzleramt erkundigte sich mehrfach beim

Bundesnachrichtendienst nach dessen Rolle bei dem Luft-

schlag.

Der Zeuge Vorbeck hat vor dem Untersuchungsausschuss

ausgesagt, dass er am 4. September 2009 sogleich beim

BND habe nachfragen lassen, ob dieser an dem Luftang-

riff in irgendeiner Form beteiligt gewesen sei:

„Nach meiner Erinnerung habe ich dann mit mei-
nen Mitarbeitern noch am Freitagmorgen die Not-

wendigkeit erörtert, den BND zu fragen, ob er eine

Rolle in diesem Vorgang, bei diesem Luftangriff

gespielt hat. In der Annahme, es handle sich um

einen Angriff in Verantwortung der US-

Streitkräfte, bestand da aber zunächst Einverneh-

men, dass dies nicht erforderlich sei; die US-Seite

verfüge über so gute Aufklärungsmöglichkeiten,

dass sie nicht auf Informationen des BND ange-

wiesen sei. Das war die damalige Einschät-

zung.“879

„Erst gegen Mittag, nachdem im Medienbild nicht
näher spezifizierte nachrichtendienstliche Informa-

tionen als mögliche Auslöser für den Luftangriff

genannt wurden und sich inzwischen auch für

mich herausgestellt hatte, dass der Luftangriff auf

deutsche Anforderung erfolgt war, habe ich mei-

nen für die Lage in Afghanistan zuständigen Refe-

ratsleiter gebeten, beim BND nachzufragen, ob bei

diesen in dem Medienbild erscheinenden nachrich-

tendienstlichen Informationen eine nachrichten-

dienstliche Verbindung des BND eine Rolle ge-
875) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 16.

876) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 2, Tgb.-Nr. 94/11 –
GEHEIM.

877) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 22, Tgb.-Nr. 89/10 –
GEHEIM.

878) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 2, Tgb.-Nr. 94/11 –
GEHEIM.

879) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 4.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 123 – Drucksache 17/7400
spielt habe oder ob der BND entsprechende Part-

nerinformationen – auch das ist ja seine Aufgabe
in Afghanistan – an die Bundeswehr weitergeleitet
habe.“880

Aufgrund des Artikels in der Leipziger Volkszeitung,

welcher eine Beteiligung des BND am Abend des 3. Sep-

tember 2009 im Gefechtsstand der Task Force 47 behaup-

teten (siehe oben: B.III.9.a), S. 69), habe Vorbeck erneut

die Beteiligung des BND prüfen lassen. Durch den Dienst

habe er die Mitteilung erhalten, dass es sich hierbei nicht

um Mitarbeiter des BND gehandelt habe.
881

Auch Staatssekretär Fritsche hat vor dem Ausschuss die

Bedeutung dieses Verdachts für die Aufklärungsarbeit der

Abteilung 6 in Bezug auf den Luftangriff betont:

„Ich betone noch mal das, was ich in meinem Ein-
gangsstatement gesagt habe: Für die Abteilung 6

war damals natürlich auch von ungeheurer Bedeu-

tung – angesichts des in der letzten Legislaturpe-
riode stattgefundenen Untersuchungsausschusses –
, Fragen beantworten zu können, ob dieser am

Freitag, Samstag, Sonntag in den Medien mit stei-

gender Tendenz beschriebene Hinweisgeber an die

Bundeswehr, ob das nicht eine Quelle des Bundes-

nachrichtendienstes sein könnte; denn dann hätten

wir eine direkte Verbindung des Bundesnachrich-

tendienstes zu diesem Vorfall gehabt. Deswegen

haben wir am Montag – da erinnere ich mich noch
sehr gut – mindestens viermal beim Bundesnach-
richtendienst nachgefragt, bis die Information so

war, dass ich sie aus meiner Sicht zufriedenstel-

lend fand, nämlich mit dem Ergebnis: Es ist keine

Quelle des Bundesnachrichtendienstes gewe-

sen.“882

ii) Weitere Befassung der Abteilung 6 mit
dem Luftangriff

Nach Angaben des Zeugen Vorbeck war der Luftschlag

Gegenstand der von der Abteilung 6 vorbereiteten „Nach-
richtendienstliche Lage“ (ND-Lage) am 8. September
2009 und der Staatssekretärsrunde am 20. Oktober

2009.
883

Staatssekretär Fritsche hat ausgesagt, dass die

Abteilung 6 mit dem Vorgang auch im Zusammenhang

mit dem vom BND zu erstattenden Behördengutachten

für die Generalstaatsanwaltschaft Dresden befasst war.
884

Übereinstimmend haben beide aus der Abteilung 6 gela-

denen Zeugen vor dem Ausschuss die federführende Rol-

le der Abteilung 2 bei der Aufklärung des Luftangriffs

und die Nichtbeteiligung des BND betont.
880) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 4.

881) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 8 f.
882) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 30.

883) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 5.

884) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.

jj) Kommunikation zwischen den Abteilungen
6 und 2

Für die in der Abteilung 6 auflaufenden Nachrichten und

Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Be-

deutung war somit einer der wichtigsten Abnehmer die

Abteilung 2.
885

Die Abteilung 6 hatte dieser zuzuarbei-

ten.
886

Dementsprechend wurde die bereits genannte Erstmel-

dung per E-Mail vom 4. September auch an die Abtei-

lung 2 im Bundeskanzleramt weitergeleitet.
887

Nach Erin-

nerung des Zeugen Vorbeck habe die Abteilung 2 keine

Rückfragen an die Abteilung 6 zu zivilen Opfern ge-

stellt.
888

Auf Nachfrage, wie sich die Zusammenarbeit der Abtei-

lung 6 einerseits mit dem Bundesministerium der Vertei-

digung und andererseits mit der Abteilung 2 insgesamt

gestaltete bzw. ob es zu möglichen Kommunikationsprob-

lemen zwischen den einzelnen Stellen gekommen sein

könnte, hat der Zeuge Fritsche betont:

„Das ist mir in internen Gesprächen nicht zu Oh-
ren gekommen, sondern nur über die Medien. […]
Ich schätze die Abteilung 2, und die Zusammenar-

beit läuft gut.“889

kk) Unterrichtung des Chefs des Bundeskanz-
leramtes durch die Abteilung 6

Der Zeuge Staatssekretär Fritsche hat ausgesagt, dass er

den Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister

Dr. Thomas de Maizière am Nachmittag des 7. September

2009 über die Vorgänge in der Abteilung 6 im Zusam-

menhang mit dem Luftschlag unterrichtet habe.
890

Insbe-

sondere habe sich dieses Gespräch um die Frage gedreht,

ob es sich bei der Quelle, auf die sich Oberst Klein bei

seinem Angriffsbefehl stützte, um eine Quelle des BND

handeln könnte. Aber auch die Möglichkeit ziviler Opfer

sei Thema gewesen.
891

Ob dieser die Bundeskanzlerin

hierüber unterrichtete, ist nicht bekannt. Rückfragen aus

dem Büro der Bundeskanzlerin wurden an die Abteilung 6

nicht gestellt.
892

Die primäre Verantwortlichkeit bei der

Unterrichtung der Bundeskanzlerin lag jedoch nicht bei

der Abteilung 6, sondern bei der für Außen- und Sicher-

heitspolitik zuständigen Abteilung 2. So hatte bei der

Vorbereitung der Regierungserklärung der Bundeskanzle-

rin am 8. September 2009 die Abteilung 6 der Abteilung 2

zuzuarbeiten.
893

In diesem Fall beschränkte sich die Zuar-

beit darauf, die Frage zu beantworten, ob Tanklastzüge
885) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 2.

886) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.

887) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.
888) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 13.

889) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 38.

890) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 35.
891) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 37 f.

892) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 13.

893) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.

Drucksache 17/7400 – 124 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
überhaupt als Waffe eingesetzt werden können und ob die

Taliban dazu in der Lage seien.
894

ll) ND-Lage am 8. September 2009

Am 8. September 2009 fand die regelmäßige so genannte

ND-Lage statt. Daran nehmen üblicherweise teil:

„[…] die Chefs der drei Dienste, also MAD, BND
und BfV, bzw. ihre Vertreter, Staatssekretär Justiz,

Staatssekretär Auswärtiges Amt, Staatssekretär

Verteidigung und der Innenstaatssekretär und Mi-

tarbeiter aus der Abteilung 6 und in der Regel auch

aus der Abteilung 2.“895

Geleitet wurde die Lage an diesem Tag stellvertretend für

den Chef des Bundeskanzleramtes von dem damaligen

Leiter der Abteilung 6 im Bundeskanzleramt. Einer der

Beratungsgegen-stände war der Luftangriff bei Kunduz.

Dazu hat der Zeuge Fritsche ausgesagt:

„Am gleichen Tag hatte ich in Vertretung des
Chefs des Bundeskanzleramtes, der die Bundes-

kanzlerin in den Bundestag begleitete, die so ge-

nannte Nachrichtendienstliche Lage geleitet. Die

Abteilung 6 hatte dafür Sorge getragen, dass zum

Luftangriff vorgetragen wurde. Für die Aufklärung

des Luftangriffs war innerhalb der Bundesregie-

rung aufgrund des Ressortprinzips das Bundesmi-

nisterium der Verteidigung zuständig. Folgerichtig

ergriff Staatssekretär Dr. Wichert das Wort und

trug die Erkenntnisse des Bundesministeriums der

Verteidigung zu dem Luftangriff zusammenfas-

send vor. Im Anschluss äußerte sich kurz auch

Herr BND-Präsident Uhrlau.“896

Dem Vertreter der Abteilung 6 und dem BND-

Präsidenten kamen an diesem Tag die Aufgabe zu, eine

erste Einschätzung zur Auswirkung des Luftangriffs auf

die Sicherheitslage für die deutschen Soldatinnen und

Soldaten vor Ort in Afghanistan insgesamt und insbeson-

dere im Bereich des RC North abzugeben. MDg Vorbeck

hat sein Ergebnis der Nachrichtendienstlichen Lage in

seiner Vernehmung wie folgt zusammengefasst:

„Das Fazit war, dass eine umfassende Untersu-
chung des Vorgangs erforderlich sei und dass –
das war für mich jetzt wieder aus meiner Zustän-

digkeit her das Wichtige – ein Stimmungsum-
schwung in der Bevölkerung zulasten der Bun-

deswehr nicht zu erwarten war, dass dieser Vor-

gang also keine negativen Auswirkungen auf die

Sicherheitslage unserer Bundeswehrsoldaten oder

auch der anderen deutschen Helfer im Norden ha-

be. Diese Einschätzung wurde nach meiner Erinne-

rung auch von Präsident Uhrlau, dem BND-

Präsidenten, kurz vorgetragen. Eine Diskussion zu
894) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 28.

895) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 36.

896) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27.

diesem Punkt hat, soweit ich mich erinnere, nicht

stattgefunden.“897

BND-Präsident Uhrlau hat diese Ausführungen vor dem

Ausschuss bestätigt:

„Ich habe am 8. die Ausführung des Staatssekre-
tärs des Verteidigungsministeriums ergänzt unter

dem Gesichtspunkt, welche Auswirkungen wir er-

kennen oder noch nicht erkennen oder wo wir an-

setzen. Denn das unmittelbare Lagebild des Ang-

riffs, der Information, der Information der Bun-

deswehr vor Ort, das ist zunächst eine Lagefest-

stellung durch die Bundeswehr. Unsere Aufgabe

ist dann, unter dem Gesichtspunkt der nachrich-

tendienstlichen Beurteilung der Auswirkung, nicht

des militärischen Schlages – sinnhaft oder nicht? –
sondern: Welche Auswirkungen hat das für die un-

terschiedlichen Seiten, und welche Auswirkungen

hat das im Zweifelsfall dann auch für die Sicher-

heit deutscher Einrichtungen im Bereich des RC

North? Oder aber lässt sich daraus eine ganz be-

sondere Gefährdungszuordnung für Deutschland

auch außerhalb des RC North ableiten?“898

b) Abteilung 2 des Bundeskanzleramtes

Die primäre Zuständigkeit für die Aufklärung der Folgen

des Luftangriffs vom 4. September 2009 lag im Bundes-

kanzleramt bei der Abteilung 2 „Außen-, Sicherheits- und
Entwicklungspolitik“ unter Leitung von Ministerialdirek-
tor Dr. Christoph Heusgen und hier im Besonderen bei

der Gruppe 22 „Bundesministerium der Verteidigung,
Bundessicherheitsrat“ unter Leitung von Oberst Dr. Erich
Vad, heute Brigadegeneral. Letzterer hat seinen Aufga-

benbereich innerhalb der Abteilung 2 in seiner Verneh-

mung durch den Untersuchungsausschuss wie folgt skiz-

ziert:

„Mein Aufgabenbereich als Gruppenleiter besteht
in der Beratung der Bundeskanzlerin, des Chefs

des Bundeskanzleramtes und des Abteilungsleiters

2, den ich in oben angegebenen Themenbereichen

auch vertrete. Um diese Beratung durchführen zu

können, bedarf es der ständigen Verbindung zur

politischen Leitung und militärischen Führung des

BMVg. Meine Ansprechpartner für Sachfragen,

die in die Zuständigkeit des BMVg fallen, sind in

der Regel die beamteten und Parlamentarischen

Staatssekretäre des BMVg und ihre Büros sowie

der Leiter Planungsstab und der Generalinspek-

teur, die – genauso wie der Bundesminister der
Verteidigung – gegenüber der Gruppe 22 nicht
weisungsbefugt sind. Disziplinar bin ich dem Bun-

desminister der Verteidigung, fachlich dem Chef

des Bundeskanzleramtes unterstellt.“899
897) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 5.

898) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 17.

899) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 8.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125 – Drucksache 17/7400
aa) Erste Kenntniserlangung der Abteilung 2

von dem Luftangriff

Die Abteilung 2 im Bundeskanzleramt war am 4. Sep-

tember 2009 um kurz nach 8 Uhr durch eine E-Mail aus

der Abteilung 6 über den Luftschlag unterrichtet (siehe

oben: C.II.3.a)ff), S. 121).

Erste Details zum Luftangriff erfuhr der zuständige Grup-

penleiter, Dr. Vad, um 10 Uhr bei einem Besuch bei dem

Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bun-

deswehr in Potsdam, Generalleutnant Glatz. Dieser habe

hier ein „erstes Bauchgefühl“ geäußert, dass bei diesem
Zwischenfall auch zivile Opfer nicht ausgeschlossen

werden könnten. Diese Äußerung ist bestätigt worden

durch den Zeugen Glatz (siehe oben: C.II.1.b)aa)eee),

S. 96). Konkrete Hinweise diesbezüglich hätten aus Sicht

von Dr. Vad am Freitagmorgen noch nicht vorgelegen.

Nach seiner Rückkehr ins Büro habe er von der E-Mail

aus der Abteilung 6 über die BBC-Meldung Kenntnis

erlangt. Für ihn habe festgestanden, dass zivile Opfer

nicht ausgeschlossen werden konnten. Darüber habe er

anschließend seinen Abteilungsleiter Dr. Heusgen unter-

richtet und alle zur Verfügung stehenden Berichte über

den Luftangriff vom Bundesministerium der Verteidigung

angefordert.
900

Gegen 13 Uhr desselben Tages erhielt er aus dem Büro

des Staatssekretärs im Verteidigungsministerium

Dr. Wichert eine Obleuteunterrichtung, die keine Aussa-

gen zu eventuellen zivilen Opfern enthielt.
901

Weitere

Unterlagen habe das Büro des Staatssekretärs an diesem

Tage nicht übersandt.
902

Am Abend habe er aus einem Telefonat mit General Glatz

erfahren, dass General McChrystal den Ort des Gesche-

hens besichtigen wolle. Auch dies sei für ihn ein Indiz

gewesen, dass Verluste unter der Zivilbevölkerung nicht

auszuschließen gewesen seien.
903

MD Dr. Heusgen hat vor dem Untersuchungsausschuss

ausgesagt, von dem Luftangriff am 4. September 2009,

ähnlich wie MDg Vorbeck und Staatssekretär Fritsche aus

der Abteilung 6, am Vormittag des 4. durch die BBC-

Meldung in der genannten E-Mail erfahren zu haben:

„Ich habe vom Kunduz-Luftangriff am Vormittag
des 4. September durch eine BBC-Meldung erfah-

ren, in der von rund 90 Toten die Rede war – eine
alarmierend hohe Zahl. Die Sorge bestand, dass es

zivile Opfer gegeben hatte. Seit diesem Vormittag

des 4. September habe ich mich, haben sich meine

Mitarbeiter, insbesondere die von General Vad ge-

leitete Gruppe 22, im Kanzleramt mit der Aufar-

beitung des Luftangriffs befasst. Die Tragweite des

Zwischenfalls war uns von Anfang an bewusst. Ich

persönlich habe eine für das auf den 4. 9. folgende
900) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 8 f.

901) Obleuteunterrichtung durch Sts Dr. Wichert vom 4. September
2009 (Dokument 124).

902) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 29.

903) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 29.

Wochenende geplante Dienstreise in den Nahen

Osten abgesagt. Herr Vad und seine Mitarbeiter

haben sich von der ersten Stunde an intensivst dar-

um bemüht, auf allen ihnen zugänglichen Wegen

Informationen über den Vorfall als solchen und

seine Hintergründe sowie die sich anschließenden

Untersuchungen und ihre Ergebnisse zu beschaf-

fen.“904

An diesem Wochenende, so MD Dr. Heusgen, habe er

praktisch nichts anderes getan, als sich um diesen Zwi-

schenfall zu kümmern.
905

Die Zeit bis zum Sonntagabend

habe er genutzt, um so viele Informationen wie nur mög-

lich einzuholen, um die Kanzlerin vorzubereiten. Er habe

daher in regem Austausch mit Dr. Vad und den Mitarbei-

tern der Gruppe 22 gestanden.
906

Auch mit der NATO in

Brüssel habe er gesprochen, um an die dort vorliegenden

Informationen zum Luftangriff zu gelangen.
907

Aus dem

Auswärtigen Amt kam am 7. September 2009 eine E-Mail

an Dr. Heusgen, in welcher die Bitte des ISAF-Sprechers

an ihn weitergeleitet wurde, dass sich die Bundesregie-

rung nicht auf eine Aussage, dass allein Aufständische

durch den Luftangriff getötet worden seinen, fixieren

möge.
908

Dr. Vad unterrichtete den Chef des Bundeskanzleramtes

per E-Mail am 7. September 2009 über mögliche straf-

rechtliche Konsequenzen für Oberst Klein:

„Im Falle Klein könnten die staatsanwaltlichen
Ermittlungen aber zu einem anderen Ergebnis

kommen. Die möglichen Folgen für zukünftiges

initiatives Handeln von Truppenführern im Einsatz

sowie in das Vertrauen in vorgesetzte Dienststellen

lägen auf der Hand.
909

Das Bundeskanzleramt hat sich in diesen ersten Tagen

nicht öffentlich zu den Geschehnissen geäußert oder eine

Bewertung abgegeben.

bb) Kommunikation zwischen der Abteilung 2
im Bundeskanzleramt und dem Bundesmi-
nisterium der Verteidigung

Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,

ob es Kommunikationsdefizite innerhalb der Bundesre-

gierung und hier speziell zwischen der Abteilung 2 im

Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium der Ver-

teidigung gegeben habe.

aaa) Weitergabe von Berichten durch das BMVg
an die Abteilung 2

Nach Auskunft des damaligen Staatssekretärs im Bundes-

verteidigungsministerium Dr. Wichert lagen dem Bun-

deskanzleramt am 7. September 2009, also am Tag vor
904) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 3.

905) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 8.

906) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 5.
907) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 5.

908) E-Mail AA an BK (Dokument 125).

909) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 32.

Drucksache 17/7400 – 126 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin im Deut-

schen Bundestag, „alle Informationen“ vor.910 Das Bun-
deskanzleramt habe am 7. September 2009 um 10.40 Uhr

einen zusammenfassenden Vermerk angefordert. Ein

solcher sei mit seiner Billigung – der Bundesminister war
außer Hause – am Nachmittag an das Kanzleramt geleitet
worden. Die Billigung durch den Minister sei um ca.

21 Uhr nachgeholt worden.
911

Aus den vorgelegten Akten ergibt sich, dass um

17.05 Uhr eine zweieinhalbseitige Stellungnahme des

Einsatzführungsstabes in der zuständigen Gruppe 22 im

Bundeskanzleramt einging, bei der es sich um eine Erwei-

terung der bereits vorliegenden Obleuteunterrichtung

handelt. Darin wird die Vorgeschichte des Luftschlags

einschließlich der Informationslage des deutschen Kom-

mandeurs dargestellt. Zu den Folgen des Luftschlags wird

das Ergebnis der Überprüfung aus der Luft, der Ortsbe-

sichtigung durch die Schutzkompanie des PRT Kunduz

sowie des Krankenhausbesuchs mitgeteilt. General

McChrystal habe sich ein Bild der Lage vor Ort verschafft

und eine formale Untersuchung angeordnet. Zu mögli-

chen Opfern heißt es:

„Im Laufe des 4. September 2009 wurden 12
männliche Verletzte, darunter ein zehnjähriger

Junge, in das Krankenhaus in der Stadt Kunduz

zumeist mit Brandverletzungen eingeliefert. […]
Das ISAF-Team […] hat mittlerweile einen Be-
richt an COM ISAF vorgelegt. In dem Bericht

wird festgestellt, dass es ‚absolut keinen Zweifel
gibt, dass eine erhebliche zahl regierungsfeindli-

cher Kräfte getötet und verletzt wurde„. Darüber
hinaus geht das Team davon aus, dass mit an Si-

cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (‚high
degree of certainty„) auch etliche Zivilisten getötet
oder verletzt wurden.“912

Die afghanische Regierung, die Vereinten Nationen und

das Rote Kreuz hätten Untersuchungen angekündigt.

Afghanische Offizielle der Provinz begrüßten die Opera-

tion als erfolgreich und würden feststellen, dass aus-

schließlich regierungsfeindliche Kräfte getötet worden

seien.
913

Um 15.43 Uhr hatte das Bundeskanzleramt per E-Mail

aus dem NATO-Hauptquartier in Brunssum den Bericht

des deutschen Mitgliedes im IAT („N.-Bericht“) erhal-
ten.

914
Vom Einsatzführungskommando Potsdam wurde

ebenfalls am Montag, dem 7. September 2009 der Bericht

afghanischer Offizieller an Präsident Karzai übermit-

telt.
915
910) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 59.
911) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 59.

912) EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes (Fn. 736, Doku-

ment 117), Bl. 49.
913) EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes (Fn. 736, Doku-

ment 117), Bl. 50.

914) E-Mail JFC Brunssum an BK, Mat. 17-29a, Ordn. 6, Bl. 51.
Wegen des Berichts siehe: Fn. 141.

915) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30. Wegen des „Karzai-
Berichts“ siehe: Fn. 122.

Der Zeuge Dr. Vad hat vor dem Ausschuss ausgesagt,

dass er in den ersten Tagen nach dem Luftangriff versucht

habe, an alle vorhandenen Berichte, welche zu den Vor-

fällen verfasst worden waren, zu kommen:

„Ich glaube, es ist aus den Ihnen vorliegenden Do-
kumenten klar ersichtlich, dass ich versucht habe,

erst mal in den Besitz aller verfügbaren Berichte

und Dokumente zu gelangen, was, wie Sie sicher-

lich auch gesehen haben, etwas schleppend, was

einige Berichte anbelangt, vonstattenging. Es war

mein Bemühen auch deshalb, um ein klares, abge-

schlossenes Gesamtlagebild zu bekommen, damit

wir fortlaufend auch den Gang der Dinge da rich-

tig bewerten konnten aus Sicht des Kanzleram-

tes.“916

Sofort im Anschluss an die ersten Turbulenzen des Wo-

chenendes habe Dr. Vad am Montag, dem 7. September

2009, mit Staatssekretär Dr. Wichert im BMVg persön-

lich telefoniert, um sich nach der Übersendung der dort

vorhandenen Berichte durch das BMVg an das Bundes-

kanzleramt zu erkundigen. Staatssekretär Dr. Wichert

habe ihm mitgeteilt, dass diese erst nach politischer Billi-

gung des Hauses an das Bundeskanzleramt übermittelt

werden könnten.
917

Den Grund dafür hat Dr. Vad sich laut

eigener Aussage so erklärt, dass der Staatssekretär die

Informationskanäle auf sich zulaufen lassen wollte, um

diese besser steuern zu können.
918

Die „lückenhafte Informationspolitik“ des BMVg habe
durch „informelle Quellen“ ausgeglichen werden müssen,
um der Leitung des Hauses vor der Erklärung der Bun-

deskanzlerin die damals vorliegenden Informationen

zugänglich zu machen.
919

So lag Dr. Vad der Bericht des Initial Action Teams erst

am 10. September 2009 vor.
920

Auch den Kurzbericht von

Oberst Klein vom 5. September 2009 hatte er zu der Zeit

noch nicht.
921

Seiner eigenen Einschätzung zufolge, hät-

ten Dr. Vad diese Berichte für seine Bewertung gefehlt:
922

„Mir fehlten diese beiden Berichte, die ich auch
angemahnt habe am Montag, für mich persönlich;

die fehlten mir.“923

Den Bericht der afghanischen Untersuchungskommission

habe er hingegen am Abend des 7. Septembers 2009, also

noch vor der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin,

vorliegen gehabt.
924
916) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 44.
917) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 9; Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30,

34.

918) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 9.
919) Vermerk für AL 2, BK, vom 29. November 2009

(Dokument 126).

920) Vermerk für Bundeskanzerin vom 10. September 2009
(Dokument 127).

921) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 13, 19; Protokoll-Nr. 41, Teil II,

S. 29 f.
922) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 22.

923) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 21.

924) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 13.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 127 – Drucksache 17/7400
Andererseits hat er ausgesagt, dass er nach der Regie-

rungserklärung keinen Zweifel daran hatte, wie der Luft-

schlag zu dem damaligen Zeitpunkt zu bewerten war:

„Aber ich denke – das hat die Regierungserklärung
auch gezeigt –, dass wir mit den uns zur Verfü-
gung stehenden Informationen, die vielleicht auch

über das hinausgehen, was ich hatte, die Bundes-

kanzlerin hinreichend informiert und aufgestellt

hatten für die Regierungserklärung.“925

Auch MD Dr. Heusgen hat sich zur Informationsweiter-

gabe durch das BMVg an das Kanzleramt gegenüber dem

Untersuchungsausschuss kritisch geäußert:

„Es hat während des Zwischenfalls, der Aufberei-
tung, Aufarbeitung des Zwischenfalls immer wie-

der Situationen gegeben, wo Informationen, die

wir gern hätten, nicht in dem Tempo ans Kanzler-

amt gekommen sind, wie wir es gern gehabt hät-

ten.“926

Dr. Heusgen hat weiterhin betont, dass es „sicherlich sehr
gut gewesen“ wäre, wenn der IAT-Bericht dem Kanzler-
amt „angesichts der Dimension dieses Zwischenfalls“ und
zugunsten einer „möglichst breiten Informationsbasis“,
auch im Hinblick auf die zu erstellende Regierungserklä-

rung, schon früher vorgelegen hätte.
927

Dr. Wichert hat vor dem Ausschuss bestritten, dem Bun-

deskanzleramt irgendwelche Informationen vorenthalten

zu haben. Das Bundeskanzleramt habe nicht nur die Ob-

leuteunterrichtung erhalten, sondern auch einen eigens für

das Kanzleramt erstellten Bericht. In diesem sei der Inhalt

des – am 6. September 2009 im Verteidigungsministe-
rium eingegangenen – IAT-Berichts genauestens verar-
beitet gewesen. Sowohl auf den zwölfjährigen Jungen, der

verletzt im Krankenhaus in Kunduz gelegen habe, als

auch auf die Haltung von McChrystal, dass mit an Sicher-

heit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Zivilisten zu

Schaden gekommen seien, sei hingewiesen worden. Den

IAT-Bericht habe er – Dr. Wichert – zu diesem Zeitpunkt
selbst noch nicht gehabt:

„[E]s gab einen eigenen Bericht an das Kanzleramt
zur Vorbereitung der Regierungserklärung. […]
dass wir dem Kanzleramt nicht Dokumente vor die

Tür kippen, ist doch selbstverständlich. Er hatte

einen Bericht gefordert, und den hat er gekriegt.

Aber da heften wir doch nicht den Bericht von

Meyer, Müller und Schulze für die Bundeskanzle-

rin hintendran.“928

Hierbei handelt es sich um die in den Akten befindliche

zweieinhalbseitige Stellungnahme des Einsatzführungs-

stabes.

Im Laufe der ersten Woche telefonierte neben Dr. Vad

auch Abteilungsleiter Dr. Heusgen mit dem Verteidi-

gungsministerium, um an so viele Informationen wie
925) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 21.
926) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 4.

927) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 15.

928) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 59.

möglich zu gelangen. Nach der Aussage von Dr. Heusgen

habe Staatssekretär Dr. Wichert insbesondere auf Vorlage

des Berichts des Initial Action Teams an die Abteilung 2

gedrängt werden müssen.
929

Schließlich wurde im Dezember 2009 im Bundeskanzler-

amt festgestellt, dass die UNAMA-Liste vom 12. Sep-

tember 2009, der Bericht des Internationalen Roten Kreu-

zes vom 6. November 2009 und bestimmte Anlagen zum

COM ISAF-Bericht nach wie vor nicht vorlagen.
930

bbb) Kritik der Gruppe 22 an der Informations-
weitergabe des BMVg

Das Informationsmanagement des Bundesverteidigungs-

ministeriums in der ersten Phase nach dem Luftangriff am

4. September 2009 wurde durch Bedienstete der Abtei-

lung 2 des Bundeskanzleramts offen kritisiert. So hat

Dr. Vad in seiner Aussage betont:

„Und ich habe die Kommunikationsstrategie des
BMVg intern wie auch extern gegenüber dem Par-

lament auch an einigen Stellen – wenn ich mich
nicht irre, auch in einigen internen E-Mails – sehr
kritisch gesehen in dieser Zeit.“931

Diese Kritik an der Art und Weise der Informationswei-

tergabe durch das BMVg habe er an MD Dr. Heusgen

und den Chef des Bundeskanzleramtes Dr. de Maizière

weitergegeben.
932

So beschwerte sich Dr. Vad bereits am

8. September 2009 in einer E-Mail an den Büroleiter des

Kanzleramtschefs, Herrn Beemelmans:

„Im VgA wurden […] wichtige Punkte angespro-
chen, die uns vorher durch BMVg nicht zugäng-

lich gemacht wurden, aber […] wichtig für die
Vorbereitung der Bundeskanzlerin gewesen wären

[…]

Bis heute wird mir – trotz mehrfachen Bemühens –
der Zwischenbericht der NATO zum Vorfall, der

GenInsp seit Sonntagabend vorliegt, nicht zugäng-

lich gemacht. Hier sperrt sich offenbar Sts W.

Fazit: Nicht nur die Informationspolitik des BMVg

nach Außen ist verbesserungsfähig, sondern auch

zu uns.“933

In einer anderen E-Mail heißt es:

„Erst nach persönlicher und nachdrücklicher Inter-
vention bei Staatssekretär Wichert seien in dieser

Phase Unterlagen an das Kanzleramt übermittelt

worden; das BMVg habe sich zunehmend vor der

Übersendung geziert.“934
929) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, S. 6.

930) E-Mail Referat 222, BK an BMVg vom 9. Dezember 2009

(Dokument 128).
931) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 50.

932) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 12.

933) E-Mail Vad an Bemelmanns vom 8. September 2009
(Dokument 129).

934) E-Mail Vad an Baumann und Beemelmans vom 21. September

2009 (Dokument 130).
Drucksache 17/7400 – 128 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Vor dem Untersuchungsausschuss hat Dr. Vad diesen

Ablauf bestätigt.
935

Auch der Abteilungsleiter Dr. Heusgen stellte den verzö-

gerten Informationsfluss aus dem BMVg in das Kanzler-

amt fest. Am 7. September 2009 schrieb er in einer E-

Mail:

„Gegenwärtig hat Gruppe 22 den Auftrag, den ge-
nauen Ablauf des Kunduz-Vorfalls aufzuschrei-

ben. Allerdings kommen sie – aufgrund Wichert-
Weisung – an bestimmte Infos nicht ran.“936

Das hat er als Zeuge vor dem Ausschuss bestätigt:

„Also, ich kann mich in der Tat daran erinnern,
dass sich Herr Vad im Laufe auch der […] ersten
Woche nach dem Zwischenfall darüber beschwert

hat, dass die Informationen nicht so schnell kom-

men, so umfassend kommen, wie er sich das vor-

stellt, um seine Arbeit zu tun.“937

ccc) Bestreben der Abteilung 2 nach gemein-
samer Sprachregelung mit dem BMVg

Von Beginn an gab es Bestrebungen von Seiten der Ab-

teilung 2, eine gemeinsame Sprachregelung mit dem

Verteidigungsministerium, insbesondere in Bezug auf die

Frage ziviler Opfer, zu finden. Bereits am 6. September

2009 wies BG Dr. Vad nach eigener Darstellung in einem

Telefonat mit dem Sprecher des Verteidigungsministe-

riums Dr. Raabe auf eine unterschiedliche Sichtweise der

Ressorts hin:

„Aber ich hatte Ihnen ja geschildert, dass ich am
Sonntag auch ein Telefonat mit dem damaligen

Pressesprecher, Dr. Raabe eben, hatte. Der hat mir

schon eine, was den Bereich Ziviltote anbelangt,

unterschiedliche Einschätzung vermittelt. Soweit

ich mich erinnere, hatte mir Herr Raabe eben – Ich
hatte ihm schon gesagt, dass da Informationen vor-

liegen, die darauf hinweisen, dass Ziviltote nicht

ausgeschlossen werden. Soweit ich mich erinnere,

hat er eben gesagt: Das mag sein; aber es sind eben

keine Beweise. – Das war, denke ich, auch die Li-
nie des BMVg in den Tagen danach.“938

Dr. Vad leitete seine Einschätzung, dass zivile Opfer nicht

kategorisch ausgeschlossen werden könnten, auch an den

Regierungssprecher Wilhelm weiter. Auf Nachfrage hat

Dr. Vad ausgesagt:

„Ich wollte ihn halt informieren, dass entgegen –
so wie meine Ausführungen auch waren – der
Presselinie des BMVg aus meiner Sicht Ziviltote

nicht ausschließbar seien, weil das natürlich für

seine Beurteilung auch wichtig war. Soweit ich

mich erinnere, hat er mir dann auch das bestätigt,
935) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30 f.
936) E-Mail von Heusgen vom 7. September 2009 (Dokument 131).

937) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 6.

938) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 15.

indem er auf diesen Washington Post-Artikel vom

Wochenende verwies.“939

Der Zeuge Dr. Heusgen hat bestätigt, dass das Bundes-

kanzleramt das BMVg in Bezug auf Äußerungen zu zivi-

len Opfern drängen musste:

„Wir hatten von Anfang an auch bemerkt, dass im
Verteidigungsministerium zu Beginn gesagt wor-

den ist: Wir schließen zivile Opfer aus. Wir haben

dann dem Verteidigungsministerium auch bedeu-

tet, dass wir in unseren Äußerungen da vorsichti-

ger sind, weil wir es eben nicht ausschließen kön-

nen, zumal – Wie gesagt, die erste Meldung kam
von BBC, wo von zivilen Opfern die Rede war.

Und dann zu sagen: ‚Das stimmt nicht„, […] das
wollten wir nicht tun.“940

Auf die Nachfrage hin, ob von Seiten des Bundeskanzler-

amtes demnach bewusst versucht worden sei, eine ge-

meinsame Sprachregelung mit dem BMVg in diesen ers-

ten Tagen herzustellen, hat der Zeuge Dr. Heusgen ausge-

führt:

„Also, wir haben aus dem Bundeskanzleramt den
Regierungssprecher mit der Sprache versorgt, mit

dem Entwurf für seine Äußerung auf der Bundes-

pressekonferenz und gegenüber Journalisten usw.,

und wir haben darüber hinaus den BMVg auch

nicht im Unklaren gelassen darüber, dass unsere

Einschätzung eben sehr viel vorsichtiger war als

seine, ja.“941

c) Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

aa) Kenntniserlangung der Bundeskanzlerin
über den Luftangriff und erste Kommuni-
kation mit anderen Ressorts

Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel erfuhr am Mor-

gen des 4. Septembers 2009 über Presseberichte und Mel-

dungen von Nachrichtenagenturen von dem bei Kunduz

in der Nacht erfolgten Luftangriff. Bei der von ihr geleite-

ten Morgenlage desselben Tages mit ihren engsten Mitar-

beitern habe sie die Geschehnisse des Vortages in Afgha-

nistan aufgrund der Meldungen, dass es zu zahlreichen

Todesopfern gekommen sei, sogleich zum Thema ge-

macht. Sie habe in diesem Rahmen um nähere und fort-

laufende Informationen durch die Mitarbeiter der Abtei-

lung 2 für Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik

des Bundeskanzleramtes gebeten.
942

Am Morgen des 4. September habe sie außerdem umge-

hend telefonisch Kontakt mit Regierungssprecher Staats-

sekretär Ulrich Wilhelm aufgenommen, da für den glei-

chen Tag eine Regierungspressekonferenz anberaumt war.

In diesem Telefonat habe sie darum gebeten, dass der
939) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 17.
940) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 6.

941) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 8 f.

942) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 34.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129 – Drucksache 17/7400
stellvertretende Regierungssprecher, welcher an diesem

Tag in der Regierungspressekonferenz sprechen sollte,

„sich zu allen unklaren Fragen dieses Vorfalls mit großer
Zurückhaltung äußern und schnelle Klärung in Aussicht

stellen möge, da ausweislich der Nachrichtenlage zu der

Zeit nicht klar war, ob und gegebenenfalls wie viele zivile

Opfer, Tote wie Verletzte, zu beklagen waren, und schon

am Vormittag des 4. September absehbar war, dass genau

diese Frage den Tag über im Vordergrund stehen wür-

de.“943 Die damalige Nachrichtenlage führte die Bundes-
kanzlerin schon zu diesem frühen Zeitpunkt zu der Ein-

schätzung, dass es sich hier „um eine der schwersten,
wenn nicht die schwerste militärische Auseinanderset-

zung der Bundeswehr mit den Taliban im Rahmen des

ISAF-Einsatzes in Afghanistan und damit um einen der

schwerwiegendsten Vorfälle seit Bestehen der Bundes-

wehr“944 handele.

Die Bundeskanzlerin führte nach ihren Angaben in diesen

ersten Tagen nach dem Luftangriff mehrfach Gespräche

mit Verteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung, um eine

zurückhaltende Formulierung in Bezug auf die Möglich-

keit ziviler Opfer in offiziellen Äußerungen auch des

BMVg zu erzielen.
945

Zu einem Telefonat zwischen der Bundeskanzlerin und

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen kam es

an diesem Wochenende. Hierzu hat die Zeugin

Dr. Merkel vor dem Untersuchungsausschuss ausgeführt:

„In diesem Telefonat erläuterte ich ihm darüber
hinaus mein Befremden über die zahlreichen öf-

fentlichen Kommentierungen des NATO-

Luftangriffs in Kunduz, die Vorverurteilungen

gleichkämen, obwohl anschließende Untersu-

chungsergebnisse noch nicht vorlägen. Ich sicherte

ihm zu, dass Deutschland alles tun werde, um den

Luftangriff und seine Folgen gemeinsam mit der

ISAF-Führung schnell aufzuklären.“946

bb) Erste öffentliche Äußerungen der Bundes-
kanzlerin zum Luftangriff

Am Sonntag, dem 6. September 2009, äußerte sich die

Kanzlerin erstmals öffentlich zu dem von Oberst Klein

veranlassten Luftangriff. In einer Pressekonferenz im

Anschluss an einen Empfang des britischen Premierminis-

ters Gordon Brown im Bundeskanzleramt erklärte sie:

„Ich möchte zuerst zu dem Vorfall in Kunduz
deutlich machen, dass es der Bundesregierung und

mir persönlich darum geht, dass jetzt schnell ein

Nato-Untersuchungsteam bereitgestellt wird, das

umfassend und zügig aufklärt, wie die Zusammen-

hänge dort sind, und auch aufklärt, ob es zivile Op-

fer gegeben hat. Wenn es zivile Opfer gegeben hat,

dann werde ich das natürlich zutiefst bedauern. Sie

wissen, dass unsere gesamte Strategie darauf aus-
943) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.
944) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.

945) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35 f.

946) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.

gerichtet ist, Vertrauen bei der Bevölkerung zu er-

reichen und zu erarbeiten, und dass deshalb unser

Ansatz der vernetzten Sicherheit die Basis unseres

Afghanistan-Einsatzes ist.“947

cc) Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
am 8. September 2009

aaa) Zustandekommen und Inhalt

Am 6. September entschied sich die Bundeskanzlerin, am

folgenden Dienstag, dem 8. September 2009, eine Regie-

rungserklärung im Deutschen Bundestag abzugeben.
948

Zur Vorbereitung der Regierungserklärung bat sie daher

die Abteilung 2 des Bundeskanzleramtes darum, einen

ersten Entwurf zu erarbeiten und ihr diesen bis zum spä-

ten Nachmittag bzw. frühen Abend des 7. Septembers

vorzulegen, zusammen mit einer detaillierten Zusammen-

stellung aller bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Fak-

ten.
949

Wie gewünscht habe sie daraufhin einen Entwurf

sowie eine Vorlage zum Sachstand durch die Abteilung 2

erhalten. Dem Entwurf hätten zwei Anlagen beigelegen:

eine Schilderung des Bundesverteidigungsministeriums

zum Luftangriff bei Kunduz und eine Kopie der Obleu-

teunterrichtung des Verteidigungsausschusses durch das

BMVg vom 7. September 2009. Weitere schriftliche Un-

terlagen, etwa auch der Zwischenbericht des Initial Action

Teams vom 6. September 2009, hätten ihr bis zum Zeit-

punkt der Regierungserklärung nicht vorgelegen.
950

Vor

dem Ausschuss hat die Zeugin Dr. Merkel ihren Kenn-

tnisstand zum Zeitpunkt ihrer Regierungserklärung wie

folgt bewertet:

„Die mir bis dahin vorliegenden schriftlichen Un-
terlagen, also die Vorlage des Bundeskanzleramtes

mit den genannten zwei Anlagen sowie die aus den

zahlreichen Telefonaten und persönlichen Begeg-

nungen des Wochenendes mit dem Verteidi-

gungsminister, mit Dr. Heusgen, zahlreiche Tele-

fonate, SMS, persönliche Begegnungen bei Gor-

don Brown sowie am Montag im Laufe des Tages

– All diese Erkenntnisse, all das formte sich zu ei-
nem aussagekräftigen Bild und diente mir als aus-

reichende Informationsgrundlage für meine Regie-

rungserklärung.“951

Die Bundeskanzlerin sprach in ihrer Regierungserklärung

von widersprüchlichen Angaben zu den Opfern des Luft-

angriffs und Trauer über den Verlust von Menschenleben:

„Zahlreiche Menschen haben ihr Leben verloren.
Über die Folgen, insbesondere über zivile Opfer,

gibt es widersprüchliche Meldungen. Das genau zu

klären, wird uns heute Morgen nicht möglich sein.
947) Mitschrift Pressekonferenz (Dokument 132); Merkel, Protokoll-

Nr. 49, Teil I, S. 36.

948) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 34.
949) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.

950) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.

951) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.
Drucksache 17/7400 – 130 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
[…] Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode ge-
kommene Mensch ist einer zu viel. Wir trauern um

jeden Einzelnen. Jeder unschuldig Verletzte ist ei-

ner zu viel. Wir fühlen mit ihnen und ihren Ange-

hörigen. Unschuldig verletzte und zu Tode ge-

kommene Menschen, auch und gerade infolge

deutschen Handelns, bedauere ich zutiefst. Es ist

mir wichtig, dies heute als deutsche Bundeskanzle-

rin vor diesem Hohen Haus und genauso dem afg-

hanischen Volk gegenüber zum Ausdruck zu brin-

gen.“952

Sie versprach „lückenlose Aufklärung“ durch die Bundes-
regierung mit Unterstützung aller zur Verfügung stehen-

den Kräfte der Bundeswehr. Dies sei für sie und die ganze

Bundesregierung ein „Gebot der Selbstverständlichkeit;“
deren Ergebnis könne und wolle sie jedoch nicht vorgrei-

fen. Sie stünde dafür ein, dass nichts beschönigt werde:

„Eine schonungslose und rückhaltlose Aufarbei-
tung von Versäumnissen und möglichen Fehlern,

auch schweren Fehlern, bleibt davon völlig unbe-

nommen. Ebenso bleiben öffentliche Bewertungen

davon völlig unbenommen, wenn alle Untersu-

chungsergebnisse vorliegen. Beides bleibt unver-

zichtbar, beides muss erfolgen im Interesse aller

Betroffenen, um auch für die Zukunft ähnliche

Zwischenfälle nach bestem Wissen und Gewissen

vermeiden zu können.“953

Jedoch verwahrte sie sich gegenüber Vorverurteilungen:

„Ich verbitte mir das, und zwar von wem auch
immer, im Inland genauso wie im Ausland.“954

Aus Sicht der Kanzlerin selbst, so hat sie es in ihrer Ver-

nehmung erläutert, sei eine grundlegende Erwägung ihrer

Regierungserklärung gewesen, dass eine abschließende

Schilderung und Wertung aller Umstände und Abläufe

des Luftangriffs zum Zeitpunkt ihrer Rede noch nicht

möglich gewesen sei. Schon in diesem Moment sei jedoch

bereits hinreichend klar gewesen, dass es zivile Opfer mit

hoher Wahrscheinlichkeit zu beklagen galt – sowohl Ver-
letzte wie auch Tote. Eine umfassende Untersuchung habe

ihrer Meinung nach insbesondere durch ISAF stattfinden

müssen, wobei Deutschland nach besten Kräften Unters-

tützung leisten wolle.
955

Die Kernaussagen der Regierungserklärung aus ihrer

Sicht hat die Zeugin Dr. Merkel vor dem Untersuchungs-

ausschuss folgendermaßen zusammengefasst:

„Zum einen war es mir wichtig, deutlich zu ma-
chen, dass ich Vorverurteilungen nicht akzeptierte

und sie mir verbitte, von wem auch immer, im In-

land wie im Ausland. […] Das führt mich zu dem
zweiten Punkt, der mich mit Blick auf den Gegens-

tand dieses Untersuchungsausschusses bei der

Erarbeitung meiner Regierungserklärung intensiv
952) Merkel, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26298.
953) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 38.

954) Merkel, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26298.

955) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.

beschäftigt hat. Er berührt konkret die Frage einer

deutschen Verantwortung für den Luftangriff am

4. September. Nach dem mir vorliegenden Sach-

stand, wie ich ihn vorher geschildert habe, war mir

klar, dass ich in der Regierungserklärung zivile

Opfer nicht nur nicht ausschließen konnte; das hat-

ten sowohl die Regierungssprecher in den vergan-

genen Tagen als auch ich zu keinem Zeitpunkt ge-

tan. Mir war vielmehr zudem klar, dass ich es auch

nicht mehr bei der konditionierten ‚Wenn-dann„-
Formulierung belassen konnte, die ich am Sonn-

tagabend noch in meiner ersten öffentlichen Äuße-

rung zum Vorfall in Kunduz im Rahmen der Pres-

sekonferenz mit Gordon Brown gewählt hatte.

Gleichzeitig hatte ich, wie bei allen Äußerungen,

die ich in meinem Amt als Bundeskanzlerin der

Bundesrepublik Deutschland vornehme, in einer

Regierungserklärung zumal, auch hier zu berück-

sichtigen, dass jedes meiner Worte sowohl von po-

litischem wie von rechtlichem Gewicht war und

ich zu beachten hatte, dass ich zivile Opfer nun

auch nicht ausdrücklich bestätigen konnte, da dies

die Faktenlage nicht ermöglichte, und deshalb

sorgsam abzuwägen war. In diesem Spannungsfeld

entschied ich mich für die Worte ‚auch und gerade
infolge deutschen Handelns„ […].“956

bbb) Unterrichtung der Bundeskanzlerin vor der
Regierungserklärung

Der Ausschuss hat aufgrund kritischer Nachfragen unter-

sucht, ob die Bundeskanzlerin in dieser ersten Phase der

Aufklärung des Luftangriffs und im Besonderen mit Blick

auf ihre Regierungserklärung ausreichend durch die Be-

diensteten des Bundeskanzleramtes unterrichtet wurde.

An der Vorbereitung der Regierungserklärung der Bun-

deskanzlerin am 8. September 2009 war die Abteilung 2

des Bundeskanzleramtes maßgeblich beteiligt. Dr. Vad

hat vor dem Ausschuss geschildert, dass er im Vorfeld der

Regierungserklärung „mit mehrfachen Vorlagen und
Vermerken die Bundeskanzlerin informiert und ihr die

Entwicklung und den Sachstand, das Lagebild, das sich zu

dem jeweiligen Zeitpunkt ergab,“ mitgeteilt habe.957 Zum
Zustandekommen der Regierungserklärung insgesamt hat

Dr. Vad erklärt, dass dies „immer das Ergebnis der Zuar-
beit vieler im Hause“ sei, wobei die Abteilung 2 im Falle
des Luftangriffs bei Kunduz „sicherlich maßgeblichen
Anteil daran“ hatte, auch was die „Einschätzung über den
Hergang und hinsichtlich der Ziviltoten“ anging.958 Im
Zeitraum um die Regierungserklärung der Kanzlerin habe

die Gruppe 22 jedoch zum Beispiel mit dem Auswärtigen

Amt nicht in Kontakt gestanden und sei durch dieses auch

nicht gesondert über die aktuellen Vorgänge informiert

worden.
959
956) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37 f.
957) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 9.

958) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 21.

959) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 18.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131 – Drucksache 17/7400
Angesprochen auf etwaige Kommunikationsschwierigkei-

ten zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Bundes-

verteidigungsministerium hielt er die Bundeskanzlerin

trotz der verzögerten Lieferung von verschiedenen Be-

richten, welche konkrete Hinweise auf zivile Opfer

enthielten, für ausreichend unterrichtet. Auf Nachfrage,

ob Dr. Vad es für vorstellbar halte, dass die Bundeskanz-

lerin vor dem Deutschen Bundestag zu einem solchen

Vorgang uninformiert eine Regierungserklärung abgege-

ben habe, hat dieser ausgesagt:

„Die Bundeskanzlerin hatte ja in ihrer Regierungs-
erklärung, soweit ich mich erinnere, doch am An-

fang sehr prominent diese Verantwortung Deutsch-

lands vor möglichen zivilen Opfern angesprochen,

und zwar sehr prominent. Ich gehe davon aus, dass

ihr auch klar war zu dem Zeitpunkt, dass die Indi-

katoren, die wir ja auch erarbeitet haben, die wir

ihr auch aufgezeigt haben, so stark waren, dass sie

davon überzeugt war, dass das eben auch der Fall

war. Sie hat ja auch darauf hingewiesen in ihrer

Rede, dass Deutschland die Verantwortung auch

dafür übernimmt. Sie hat aber dann auch gesagt,

dass sie sich jede Vorverurteilung verbittet, weil

die ja auch international geäußert wurde an dem

Wochenende aus mehreren Hauptstädten, soweit

ich mich erinnere. Da hat sie eben auch gesagt,

dass sie das von sich weist. Aber sie hat deutlich

gemacht, dass, wenn es so genannte Kollateral-

schäden gab, wenn es Ziviltote gegeben habe,

Deutschland dafür auch die Verantwortung über-

nimmt. Ich denke mal, daraus können Sie ableiten,

dass sie zu dem Zeitpunkt ein umfassendes Lage-

bild auch hatte, trotz der fehlenden Dokumente.“960

Auf die Frage, ob Dr. Vad davon ausgehe, dass die Bun-

deskanzlerin gewusst habe, dass zum Zeitpunkt der Ab-

gabe der Regierungserklärung eine defizitäre Informati-

onslage in der Gruppe 22 bestand, hat dieser bemerkt,

dass der Inhalt der genannten E-Mails an das Büro des

Chefs des Bundeskanzleramts und auch an die Büroleite-

rin der Bundeskanzlerin, „ihr natürlich mit Sicherheit
bekannt“ gewesen seien.961

Dr. Vad kam vor dem Ausschuss zu dem Fazit, dass sei-

ner Ansicht nach die Bundeskanzlerin zum Zeitpunkt

ihrer Regierungserklärung „hinreichend informiert und
aufgestellt“962 war.

Auch die Kanzlerin selbst fühlte sich laut eigener Aussage

vor dem Untersuchungsausschuss mit den nötigen Infor-

mationen für ihre Regierungserklärung versorgt – trotz
der verspäteten Lieferung insbesondere des IAT-Berichts:

„Aber der Bericht des Verteidigungsministeriums
über die Abläufe enthielt die Formulierung, ‚high
degree of certainty„ für zivile Opfer, und damit
war der Kernsatz dessen, was für die Regierungs-
960) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 10.

961) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 12.

962) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 21.

erklärung notwendig war, mir bereits am Abend

des 7. 9. bekannt.“963

dd) Weiteres Vorgehen der Bundeskanzlerin

Die Bundeskanzlerin ließ sich nach Abgabe ihrer Regie-

rungserklärung über die weiteren Erkenntnisse zu dem

Luftschlag unterrichten. Am Donnerstag, dem 10. Sep-

tember 2009 verlangte sie die sofortige Vorlage des IAT-

Berichts.
964

Am Freitag, dem 11. September 2009 ließ sie

sich über die Befehlskette oberhalb von Oberst Klein und

über die einzelnen Regeln, nach denen eine Luftnahun-

terstützung angefordert werden kann, unterrichten.
965

Drei Tage nach ihrer Regierungserklärung, ebenfalls am

Freitag den 11. September 2009, habe die Bundeskanzle-

rin schließlich eine Vorlage der Abteilung 2 zum Zwi-

schenbericht des Initial Action Teams vom 6. September

erhalten, welche durch die Abteilung am Vortag erstellt

worden war. Die Kanzlerin hat dazu vor dem Ausschuss

ausgesagt, dass sie von den Mitarbeitern der Abteilung 2

wusste, dass sie sich in den Tagen zuvor intensiv und wie

gesehen zunächst auch vergeblich bemüht hatten, den

IAT-Bericht vom Bundesverteidigungsministerium über-

mittelt zu bekommen.
966

Sie hat weiter angegeben, dass, als gesagt worden sei, die

Kanzlerin wünsche es, die Unterlagen herausgegeben

wurden.
967

Zusammenfassend hat die Zeugin Dr. Merkel in ihrer

Vernehmung alle Vorwürfe, die Bundesregierung habe

nicht auf die umfassende Aufklärung des Luftangriffs

hingewirkt, von sich gewiesen:

„Diese Chronologie der Ereignisse, wie ich sie
wahrgenommen und erlebt habe, seit ich am Mor-

gen des 4. September 2009 von einem NATO-

Luftangriff auf entführte Tanklastwagen im Raum

Kunduz über Agenturmeldungen erfahren habe,

macht deutlich, dass alle Unterstellungen, die

Bundesregierung sei nicht an einer umfassenden

Aufklärung des Vorfalls interessiert gewesen, sie

habe diese Aufklärung gar verhindert, Umstände

des Luftangriffs möglicherweise im Vorfeld der

nahenden Bundestagswahl vertuschen wollen oder

sogar das Mandat des Deutschen Bundestages für

den Einsatz verletzt, jeder Grundlage entbehren.

Das Gegenteil war der Fall, und zwar von Beginn

an.“968
963) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 86.
964) E-Mail BK an Büro Sts Dr. Wichert vom 10. September 2009,

10.58 Uhr (Dokument 133).

965) E-Mail Heusgen an Baumann (Dokument 134).
966) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 38.

967) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 46 f.

968) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.

Drucksache 17/7400 – 132 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ee) Keine Bewertung des Luftangriffs durch

das Bundeskanzleramt

Eine abschließende Bewertung des Luftangriffs, so

Dr. Vad in seiner Vernehmung durch den Untersuchungs-

ausschuss, sei der Abteilung 2 nicht möglich gewesen:

„Wir haben niemals, zu keinem Zeitpunkt, eine ab-
schließende Bewertung abgegeben und abgeben

können, und über die Angemessenheit und Nicht-

angemessenheit haben wir uns auch eines ab-

schließenden Urteils enthalten.“969

Die weitestreichende Bewertung des Luftangriffs durch

das Bundeskanzleramt hat Dr. Vad wie folgt formuliert:

„Wir haben in der fortlaufenden Bewertung des
Vorfalls und der eingehenden Erkenntnisse schon

die kritischen Punkte in der Bewertung des Ge-

samtvorfalls erkannt und auch dargelegt und auch

die Leitung des Kanzleramtes darüber informiert.

Wir haben aber nach Vorlage des abschließenden

Berichtes in einer Stellungnahme gesagt, dass man

abhängig von der Perspektive einer kriegsähnli-

chen Situation sicherlich bei der Bewertung des

Vorfalls zu anderen Ergebnissen kommen kann,

als wenn man die ganze Sache unter der Perspekti-

ve dieser möglichen Regelverstöße sieht. Das war

aber das am weitesten gehende wertende Ur-

teil.“970

III. Unterrichtung des Verteidigungsaus-
schusses und des Auswärtigen Aus-
schusses

1. Erstunterrichtung der Obleute am Freitag,
dem 4. September 2009

Die erste Unterrichtung der Obleute des Verteidigungs-

ausschusses und des Auswärtigen Ausschusses des Deut-

schen Bundestages erfolgte schriftlich am 4. September

2009 um 12.17 Uhr durch Staatssekretär Dr. Wichert.
971

Mitgeteilt wurde, dass es im deutschen „Verantwortungs-
bereich […] zu einem Luftangriff gegen eine Gruppe von
Opposing Militant Forces“ gekommen sei und der Vorfall
zuständigkeitshalber durch ISAF untersucht werde.

972
In

gleicher Weise wurden nachrichtlich das Bundeskanzler-

amt und das Auswärtige Amt unterrichtet.
973

Angaben über die Zahl der Opfer enthielt das Fax nicht.

Es wurde auch nicht auf die bereits seit 6.42 Uhr im

Internet eingestellte Pressemitteilung des Bundesverteidi-

gungsministeriums (siehe oben: C.II.1.b)aa)bbb)(1),

S. 95) und auf die verfügbare Pressemitteilung des
969) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 42.
970) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 43.

971) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68.

972) Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009 (Fn. 901, Doku-
ment 124), Bl. 8 ff.

973) Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009 (Fn. 901, Doku-

ment 124), Bl. 10.

NATO-Hauptquartiers der ISAF (siehe oben: C.I.2, S. 88)

hingewiesen.

Der Inhalt der Unterrichtung beruhte nach Angaben des

Zeugen Dr. Wichert nicht auf Angaben der verantwortli-

chen militärischen Führer, sondern kam „auf der Presse-
schiene“ in die Leitung. Präzisere Auskünfte seien trotz
wiederholter Rückfragen seines Büros nicht zu erlangen

gewesen. Angesichts des nicht gesicherten Meldeauf-

kommens sei auf die Angabe einer Zahl der getöteten

Personen und vor allem auch auf die Aussage, es seien

keine Zivilpersonen oder Unbeteiligte zu Schaden gekom-

men, verzichtet worden. Man habe auf jeden Fall eine

Falschinformation des Parlaments verhindern wollen.
974

Der Zeuge hat darauf hingewiesen, dass schon im einlei-

tenden Satz der Obleuteunterrichtung von einem Luftang-

riff gegen eine Gruppe von „opposing militant forces“ die
Rede sei. Damit sei von Anfang an klar gewesen, „dass
der Angriff auch Menschen galt und eben nicht nur ste-

cken gebliebenen Lastwagen.“975

Die Unterrichtung der Obleute war vorher von Bundes-

minister Dr. Jung inhaltlich gebilligt worden.
976

Auch

dieser legte nach eigenen Angaben angesichts divergie-

render Meldungen Wert darauf, keine konkreten Zahlen

über Opfer zu nennen, die später vielleicht hätten korri-

giert werden müssen.
977

Dass parallel auf der Internetseite

des Ministeriums von 56 Toten die Rede war, hat er wie

folgt erklärt:

„[D]ie Obleute wussten ja von mir, dass oft
manchmal in der Öffentlichkeit Dinge berichtet

werden, die sich nachher auch anders dargestellt

haben, und dass wir die Obleuteunterrichtung so

gemacht haben, dass möglichst die Fakten auch

stimmen, nicht nachher noch mal korrigiert werden

müssen.“978

Dass zu diesem Zeitpunkt kein klares Lagebild verfügbar

war, hat auch der Zeuge Dr. Ulrich Schlie bestätigt. Aus

Sicht des damaligen Leiters des Planungsstabes des Bun-

desministeriums der Verteidigung war „eine zuverlässige
Bewertung der Umstände des Luftangriffs und insbeson-

dere eine Einschätzung der Opfer zum damaligen Zeit-

punkt nicht möglich.“979

2. Obleuteunterrichtung am 5. September
2009: Untersuchungsteam der NATO

Am Samstag, dem 5. September 2009 unterrichtete

Dr. Wichert die Obleute des Verteidigungs- und des

Auswärtigen Ausschusses erneut. Um 16.03 Uhr teilte er

ihnen schriftlich mit, dass die NATO ein eigenes Unter-

suchungsteam nach Kunduz gesandt habe und der Kom-
974) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 109; Jung, Protokoll-Nr. 16,

Teil I, S. 3, 9.
975) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68. So auch: Schneiderhan,

Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.

976) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68.
977) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3, 9.

978) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 50.

979) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 133 – Drucksache 17/7400
mandeur der ISAF, General McChrystal, in Kunduz ein-

getroffen sei. Auch hätte die United Nations Assistance

Mission in Afghanistan (UNAMA) eine Untersuchung

vor Ort angekündigt.
980

Hierbei erfolgten keinerlei Hinweise auf den Bericht des

PsyOps-Teams vom Nachmittag des 4. September 2009

oder auf die Hinweise auf die Verletzten im Krankenhaus

von Kunduz. Auch fehlten jegliche Hinweise auf mögli-

che Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem Luft-

angriff.

3. Obleuteunterrichtung am 7. September
2009: Zivile Opfer möglich

Anschließend wurden die Obleute von Staatssekretär

Dr. Wichert am Montag, dem 7. September 2009 um

11 Uhr informiert. Den Obleuten wurde vorab eine „Pres-
severwertbare Stellungnahme“ zugänglich gemacht, die
später in der Bundespressekonferenz Verwendung fand.

981
Darin hieß es, nach dem Luftschlag habe eine Überprü-

fung aus der Luft stattgefunden, wonach 56 Personen

getötet worden und 14 Personen geflohen seien. Am

nächsten Morgen habe die Anzahl der Getöteten nicht

mehr verifiziert werden können, da die Leichen bereits

geborgen gewesen seien. Im Krankenhaus in Kunduz

seien zwölf männliche Verletzte mit Brandwunden einge-

liefert worden, darunter ein zehnjähriges Kind. Ein ISAF-

Team habe mit Voruntersuchungen begonnen.
982

Dass die

Voruntersuchungen bereits beendet waren und der IAT-

Bericht dem Ministerium vorlag, und insbesondere die

Äußerungen General McChrystals, wonach mit an Si-

cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit („high degree of
certainty“) auch Zivilisten getötet oder verletzt worden
seien, wurde nicht erwähnt. Auch die weiteren Inhalte des

Berichts wurden in der Unterrichtung nicht ausdrücklich

eingearbeitet.
983

Während sich in einem Entwurf der Un-

terrichtung noch der Hinweis fand, dass festgestellt wur-

de, dass neben einer erheblichen Anzahl regierungsfeind-

licher Kräfte auch Zivilisten getötet oder verletzt wurden,

waren diese Passagen in der finalen Fassung der Unter-

richtung nicht mehr zu finden.

In einem Schreiben afghanischer Offizieller an Staatsprä-

sident Karzai hingegen heiße es, es seien „ausschließlich
regierungsfeindliche Kräfte getroffen worden.“984

In der Unterrichtung wurde mitgeteilt, dass nach Angaben

afghanischer Sicherheitskräfte einer der beiden Fahrer der

Tanklastwagen bei der Entführung an Ort und Stelle er-

mordet worden sei und dass ein US-Flugzeug nach Über-

fliegen der Sandbank gemeldet habe, „dass von etlichen
980) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.

981) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.

982) Presseverwertbare Stellungnahme (Fn. 693, Dokument 108),
Bl. 26 [28].

983) Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 7. September 2009

(Dokument 135).
984) Presseverwertbare Stellungnahme (Fn. 693, Dokument 108);

Bl. 26 [28].; Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10; Wi-

chert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 69.

(‚several„) Personen Waffen getragen werden (Handwaf-
fen AK-47 und Panzerfaust RPG).“985

4. Ausschussunterrichtung am Dienstag,
dem 8. September 2009

In ihrer Ausgabe vom 8. September 2009 berichtete die

Frankfurter Allgemeine, seit Sonntagabend liege „ein
vorläufiger Bericht des ISAF-Hauptquartiers (‚Initial
Action Team Report„)“ vor, der zu dem Ergebnis komme,
dass bei dem Luftschlag „die Einsatzregeln verletzt wor-
den sein könnten.“986

Bereits um 7.30 Uhr unterrichtete Generalinspekteur

Schneiderhan in Anwesenheit des Bundesministers der

Verteidigung zunächst die Obleute des Verteidigungsaus-

schusses und des Auswärtigen Ausschusses über den

neuesten Stand zu dem Luftangriff. Dabei soll Schneider-

han nach Angaben des Zeugen Dr. Schlie angeboten ha-

ben, den IAT-Bericht zu übergeben.

„Bundesminister Jung hat meiner Einschätzung
nach erst bei dieser Gelegenheit von der Existenz

der Beauftragung des Vorblatts dieses Dokuments

Kenntnis genommen und wurde dadurch vom Ge-

neralinspekteur folglich während der Sitzung des

Ausschusses mit einem Dokument konfrontiert,

das er bis dahin nicht gekannt hatte.“987

Dies bestätigt auch ein in den Akten enthaltener hand-

schriftlicher Vermerk des Bundesministers der Verteidi-

gung Dr. Jung an Staatssekretär Dr. Wichert, in dem der

in Bezug auf den IAT-Bericht schreibt:

„Ich halte es für ein Unding, wenn der […] Bericht
am 6. September eingeht und ich bis zum 8. Sep-

tember – Obleuteunterrichtung – keine Kenntnis
davon erhalte.“988

Anschließend erstatteten Schneiderhan und Dr. Jung

unmittelbar vor der Regierungserklärung der Bundeskanz-

lerin dem Verteidigungsausschuss Bericht.
989

Laut Protokoll der 112. Sitzung des Verteidigungsaus-

schusses berichtete Schneiderhan zunächst darüber, wie

das deutsche Feldlager Kunduz von der Entführung der

Tanklaster erfuhr, was die Besatzung des Luftfahrzeugs

B-1B, das später abdrehen musste, meldete und dass die

später angeforderten F-15E Jagdbomber Live-Videos an

das Feldlager übermittelte. Über die afghanische Quelle

berichtete er, dass diese vor Ort als sehr zuverlässig ein-

gestuft worden sei und diese mehrfach ausdrücklich be-

stätigt habe, bei den Personen in der Nähe der Treibstoff-

LKWs habe es sich ausschließlich um OMF-Kräfte, dar-
985) Presseverwertbare Stellungnahme (Fn. 693, Dokument 108),

Bl. 26 [27].

986) Frankfurter Allgemeine vom 8. September 2009, „Isaf-
Einsatzregeln offenbar nicht eingehalten“ (Dokument 136).

987) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19.

988) Vermerk auf Volage einer Presseverwertbaren Stellungnahme
(Dokument 137).

989) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 5; Schneiderhan, Protokoll-

Nr. 14, Teil I, S. 8, 10.

Drucksache 17/7400 – 134 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
unter vier namentlich bekannte Taliban-Führer, gehan-

delt. Beim Befehl des Luftangriffs sei der Kommandeur

ausdrücklich davon ausgegangen, dass eine Gefährdung

von unbeteiligten Zivilisten ausgeschlossen sei. Es habe

Warnhinweise gegeben, dass Anschläge mit LKW gegen

das Lager Kunduz geplant seien. Der Empfehlung der

Flugzeugbesatzung, eine 907 kg-Bombe zu werfen, sei

der Kommandeur nicht gefolgt, sondern habe sich für

zwei 227 kg-Bomben entschieden. Zu den späteren Er-

kenntnissen über Verletzte und Getötete sowie über den

Besuch des ISAF-Teams und des ISAF-Kommandeurs

wiederholte er die Angaben aus der bereits schriftlich

übermittelten Unterrichtung. Aus dem Bericht an den

ISAF-Kommandeur zitierte Schneiderhan, dass es „abso-
lut keinen Zweifel gibt, dass eine erhebliche Zahl regie-

rungsfeindlicher Kräfte getötet und verletzt wurde“ und
dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit –
„high degree of certainty“ – auch Zivilisten getötet oder
verletzt worden seien.

990
Übergeben wurde dieser Bericht

nicht.
991

Bundesminister Dr. Jung ergänzte, Oberst Klein sei ein

besonnener Mann und habe sich wegen der konkreten

Hinweise auf bevorstehende Anschläge in einer besonde-

ren Lage befunden. Die Videoaufnahmen hätten bewaff-

nete Personen gezeigt. Er zitierte aus dem Schreiben afg-

hanischer Autoritäten: „Nach Gesprächen mit Dorfbe-
wohnern und Augenzeugen wurde bewiesen, dass alle

Getöteten zu den Taliban und ihren Verbündeten gehö-

ren.“992 Wenn es denn zivile Opfer gegeben haben sollte,
sei dies zu bedauern. Der Luftangriff habe keinen Bezug

zum Bundesministerium der Verteidigung oder zum Ein-

satzführungskommando, da er von der ISAF durchgeführt

worden sei.
993

Auf im Verteidigungsausschuss geäußerte Kritik trug der

Generalinspekteur vor, Oberst Klein habe bei seiner Ab-

wägung in Betracht ziehen müssen, dass er einerseits die

Möglichkeit gehabt habe, gegen einen eindeutig erkann-

ten Feind in einer beachtlichen Größenordnung vorzuge-

hen und andererseits die Chance gehabt habe, eine die

eigenen Kräfte schonende Vorgehensweise zu wählen.

Wegen einer anderen laufenden Operation habe Klein

schlichtweg nicht die Kräfte für andere Optionen zur

Sicherheit seiner eigenen Leute gehabt. Klein habe sich

für seine Entscheidung über zwei Stunden Zeit genom-

men. Er habe ausdrücklich verboten, auf Fliehende zu

schießen.
994

Den Bericht des Oberst i. G. N. vom 6. September 2009,

in dem darauf hingewiesen wurde, dass sich Dorfbewoh-

ner zu den Tanklastwagen wegen der Aussicht auf kosten-

loses Benzin aufgemacht haben sollen,
995

erwähnten –
990) Kurzprotokoll der 112. Sitzung des Verteidigungsausschusses der

16. Wahlperiode (Fn. 520, Dokument 77), Bl. 8 ff. Vgl. auch die

Zeugenaussage: Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10 f.
991) Der Tagesspiegel vom 9. September 2009, „Es gab zivile Opfer“

(Dokument 138).

992) Kurzprotokoll 16/112 (Fn. 990), Bl. 10 f., 21.
993) Kurzprotokoll 16/112 (Fn. 990), Bl. 10 f., 21.

994) Kurzprotokoll 16/112 (Fn. 990), Bl. 21 f.

995) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 3.

anders als zuvor gegenüber den Obleuten – weder der
Minister noch der Generalinspekteur.

5. Obleuteunterrichtung am Mittwoch, dem
9. September 2009: Eingang des IAT-
Berichts

Über den Eingang des Berichts des Initial-Action-Teams

wurden die Obleute am Mittwoch, dem 9. September

2009 schriftlich unterrichtet. Der Bericht sei GEHEIM

eingestuft und am 8. September im BMVg eingegangen.

Tatsächlich lag der Bericht bereits seit dem 6. September

dem Ministerium vor. Auftrag des IAT sei es gewesen,

eine erste Chronologie der Ereignisse zu erstellen und ein

Votum abzugeben, ob eine förmliche Untersuchung des

Vorfalls veranlasst werden solle. Der Bericht des Teams

stelle „erste vorläufige Erkenntnisse zum Geschehensab-
lauf“ auf der Grundlage von Befragungen beteiligter
Dienststellen dar. Im Ergebnis werde eine förmliche Un-

tersuchung empfohlen.

In der Unterrichtung wurde weiter mitgeteilt, der Kom-

mandeur der ISAF habe aufgrund des Berichts eine Un-

tersuchungskommission zusammengestellt, die unter

anderem die Anwendung der Einsatzregeln (ROE), die

Informationsqualität, Zahl und Status der bei dem Angriff

getöteten oder verletzten Personen untersuchen sowie

Empfehlungen für eine Ergänzung der Einsatzregeln und -

verfahren geben solle.
996

6. Obleuteunterrichtung am Freitag, dem
11. September 2009

Aus dem Verteidigungsausschuss des Bundestages kam

die Bitte, den IAT-Bericht einsehen zu können. Entspre-

chend dem Votum von Staatssekretär Dr. Wichert gab

Bundesminister Dr. Jung den Bericht nicht zur Einsicht

frei, da es sich um einen NATO-Geheimbericht handelte.

Jedoch veranlasste der Minister eine Obleuteunterrichtung

für den 11. September 2009 durch ihn persönlich.
997

Das

hat der Zeuge Dr. Wichert vor dem Untersuchungsaus-

schuss begründet:

„Ich habe in einem Vermerk an den Minister vo-
tiert, ihn nicht an die Parlamentarier zu übersen-

den; denn ich meine, wir händigen nicht Akten ans

Parlament aus. Wir berichten dem Parlament. Es

war NATO-Geheim. Diesem Votum ist der Minis-

ter gefolgt. Aber er hat entschieden […], dass ans-
telle dessen eine mündliche Unterrichtung am

11. 9. stattfindet, und die hat stattgefunden.“998

„Ich habe immer die Auffassung vertreten […],
dass dieses ständige Übersenden von Akten ans

Parlament nicht die richtige Aufgabenteilung ist.

Akten legt man im Untersuchungsausschuss vor.
996) Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 9. September 2009

(Dokument 139); Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 71; Jung,
Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 6.

997) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 71.

998) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 110.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 135 – Drucksache 17/7400
Im Übrigen berichtet man dem Parlament. Aber in

der Staatspraxis hat sich, weil die Minister da zu-

nehmend nachgegeben haben – Wenn einer einen
Vorgang haben wollte, haben wir die Akten über-

sandt. Ich habe immer versucht, da ein bisschen

gegenzuhalten, und so ist auch mein Vermerk zu

verstehen. NATO-eingestuft, und dann geben wir

das dem Parlament. Wir berichten dem Parlament,

was in den Berichten steht, in den Dokumenten. So

hat ja auch Minister Dr. Jung entschieden: Wir

übersenden nicht, aber wir bieten eine Information

an über diesen Bericht; die hat dann am 11. 9.

stattgefunden [...].“999

Am 10. September 2009 berichtete die Süddeutsche Zei-

tung unter Berufung auf hochrangige NATO-Kreise, nach

dem IAT-Bericht sei der Befehl zur Bombardierung eine

Fehlentscheidung gewesen. Oberst Klein habe seine

Kompetenz überschritten und die Lage falsch einge-

schätzt.
1000

Einen Tag später berichtete die Frankfurter

Rundschau, in dem Bericht heiße es, Klein hätte das

Bombardement nicht anordnen dürfen, da keine unmittel-

bare Gefahr für ISAF-Soldaten bestanden habe und die

Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt worden

sei.
1001

Für die Obleuteunterrichtung am 11. September 2009 lag

dem Minister eine Sprechempfehlung des Generalinspek-

teurs vor. Staatssekretär Dr. Wichert war von Bonn aus

per Video zugeschaltet. Die Unterrichtung dauerte ca.

eineinhalb Stunden.

In dem von dem Einsatzführungsstab erstellten Sprechzet-

tel heißt es zu den „gewonnenen Eindrücken“ des IAT:

„Vermutete Diskrepanzen im Verständnis der an-
zuwendenden Einsatzregeln zwischen dem PRT

Kunduz und der Luftfahrzeugbesatzung […].

Unstimmigkeiten hinsichtlich der visuellen Auf-

klärung der Zahl der vor Ort befindlichen Personen

[…].

Am Ende dieses Abschnitts veranschlagt (‚estima-
ted„) das Team die Zahl der Getöteten aufgrund
der gewonnenen ersten Eindrücke auf 125.

Bereits zu Beginn hat das Team festgestellt, dass

es absolut keinen Zweifel daran hat, dass eine gro-

ße Zahl an Militanten getötet und verletzt wurde.

Es geht allerdings mit an Sicherheit grenzender

Wahrscheinlichkeit davon aus, dass auch Zivilper-

sonen getötet und verletzt wurden.“1002

Der Bundeminister der Verteidigung erhielt für die Ob-

leuteunterrichtung auch Zuarbeit aus seinem Leitungsstab.
999) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 40.
1000) Süddeutsche Zeitung vom 10. September 2009, „Deutscher Oberst

durfte Angriff nicht befehlen“ (Dokument 140).
1001) Frankfurter Rundschau vom 11. September 2009, „Gegen alle

Regeln“ (Dokument 141).
1002) Sprechempfehlung für den Generalinspekteur (Fn. 415, Doku-

ment 69), Bl. 52 f.

Dazu hat der Leiter des Planungsstabes, der Zeuge

Dr. Schlie, bekundet:

„Am 11. September, in der Vorbereitung der Ob-
leuteunterrichtung. – Ich hatte das Verständnis,
dass nun umgehend eine nationale Untersuchung

des Kunduz-Vorfalls zwingend erforderlich sei

und täglich über Sachstandsfortschritte mit dem

Ziel maximaler Transparenz im Leitungsbereich

berichtet werden sollte. Ich zitiere aus meiner ent-

sprechenden Vorlage an Bundesminister Dr. Jung:

In der öffentlichen Begleitung der gegen Oberst

Klein erhobenen Vorwürfe und der damit verbun-

denen Afghanistandebatte muss es darum gehen:

1. die Debatte einzuhegen und auf ihre Kernge-

genstände – den Kampf gegen die Taliban und
die von den Taliban ausgehende Bedrohung

gegen unsere Sicherheit – zurückzuführen,

2. die gegen Sie als Bundesminister erhobenen

Vorwürfe zu widerlegen, indem Sie sichtbar

das Heft des Handelns ergreifen. Dies erfordert

eine klare Auftragslage nach innen und eine of-

fensive Kommunikation nach außen.

Es wird bei der Kommunikationslinie nach außen

darauf ankommen, deutlich zu machen, dass auch

der Nachweis eines möglicherweise begangenen

Regelverstoßes nicht zwingend zu einer anderen

Entscheidung hätte führen müssen. Die weitere

Argumentation wird auch davon abhängen, ob die

im Zwischenbericht enthaltenen gravierenden

Vorwürfe bestätigt werden. Und es wird, je nach

Ergebnis, darauf ankommen, auf geeignete Weise

die Führungs- und Kommunikationsfehler von

COM ISAF zu thematisieren, ohne die Wirksam-

keit und das Binnenklima der ISAF-Mission zu

beeinträchtigen.“1003

Zum Inhalt der Unterrichtung der Obleute hat der Zeuge

Dr. Wichert bekundet:

„Es wurde dort zu den Ergebnissen des Berichts
Initial Action Team […] ausgiebig vorgetragen,
vor allem zu den Einsatzregeln. Nach meiner Erin-

nerung wurden die Problematik der Einsatzregeln,

ihre Anwendung im konkreten Fall, mögliche Un-

genauigkeiten recht intensiv diskutiert, wobei ja zu

diesem Zeitpunkt auch bereits eine öffentliche De-

batte stattfand und Zeitungen unter Berufung auf

NATO-Kreise berichteten, Oberst Klein habe ge-

gen das Regelwerk der NATO bei seiner Anforde-

rung des Luftangriffs verstoßen.“1004

Der Zeuge Schneiderhan hat dies bestätigt und ergänzt:

„Am 11. September, von 11 bis 12 Uhr, war wie-
der eine Unterrichtung der Obleute beider Aus-

schüsse. Da habe ich über die Einsetzung des Initi-

al Action Teams informiert. Ich muss da jetzt nicht
1003) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19 f.

1004) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 71.

Drucksache 17/7400 – 136 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
in die Details gehen, weil Sie das aus den anderen

Berichten alles kennen. Ich habe sehr ausführlich

vorgetragen, was das Initial Team für einen Auf-

trag hatte. Ich habe in diesem Zusammenhang

auch vorgetragen, welche Problempunkte in die-

sem Report aufgeworfen wurden. Das waren

‚troops in contact„ und die Anwendung der Rules
of Engagement. All dies ist in diesem Bericht auf-

geworfen worden als Problemstellung. Darüber

habe ich am 11., morgens, unterrichtet. Am Ende

dieses Berichtes war wieder eine andere Zahl von

Toten zu finden. Das war jetzt die fünfte Variante,

die ich gerade aufgezählt habe. Interessant in die-

sem Bericht ist natürlich, wie die örtliche Reaktion

war auf diesen Luftschlag, die uns sicherlich am

Ende in ihrer sehr befürwortenden und unterstüt-

zenden Art eher auch noch zu Schwierigkeiten hät-

te führen können. – Das war der Bericht.“1005

7. Obleuteunterrichtung durch Generalin-
spekteur nach Rückkehr aus Kunduz

Nach seiner Rückkehr aus Kunduz am 15. September

2009 unterrichtete der Generalinspekteur auf Weisung des

Ministers telefonisch in einer Konferenzschaltung die

Obleute.
1006

Dazu hat der Zeuge Dr. Wichert bekundet:

„Zum Inhalt kann ich nichts sagen. Ich meine aber
zu wissen, dass der Generalinspekteur bei seiner

Reise auch mit Oberst Klein gesprochen hatte und

darüber auch den Obleuten berichtete.“1007

IV. Der Luftangriff im Bundestagswahlkampf

Der Luftschlag in Kunduz fand 19 Tage vor der Wahl

zum 17. Deutschen Bundestag statt. Der Bundeswehrein-

satz in Afghanistan war in der Öffentlichkeit umstritten.

Nach einer Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag der

ARD waren Anfang September 2009 mehr als die Hälfte

der Deutschen (57 Prozent) dafür, dass sich die Bundes-

wehr möglichst schnell aus Afghanistan zurückzieht.
1008

Der Luftangriff in Kunduz brachte den Einsatz wieder

verstärkt ins öffentliche Bewusstsein.

Es ist die Frage gestellt worden, ob der Bundestagswahl-

kampf die Aufklärungsbemühungen der Bundesregierung

beeinflusste bzw. der Wahlkampf die zwischen NATO

und Bundesregierung unterschiedliche öffentliche Bewer-

tung des Luftangriffs erklärt.
1009
1005) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 12.
1006) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 13.

1007) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 72.

1008) Frankfurter Rundschau vom 11. September 2009, „Gegen alle
Regeln“ (Dokument 141).

1009) Vgl. Der Tagesspiegel vom 7. September 2009, „Afghanistan
wird zum Wahlkampfthema“ (Dokument 142).

1. Zur Frage der Einflussnahme auf die Auf-
klärung

Aus den Akten hat sich ergeben, dass auch die Ministeri-

alebene die Brisanz des Luftschlages für den Bundes-

tagswahlkampf erkannte: So heißt es in einer E-Mail aus

Faizabad an das Auswärtige Amt vom 4. September 2009,

„dass diese Welle in deutscher Öffentlichkeit‚ „Tsunami-
Qualität„ im Wahlkampf erreichen könnte.“1010 In einer
anderen E-Mail wird auf den Hinweis, die NATO sehe die

Mehrzahl der Getöteten wohl als Zivilisten an, bereits am

4. September 2009 geantwortet, das Bundesverteidi-

gungsministerium werde gerade in der Bundespressekon-

ferenz intensiv dazu befragt. „Auch Überschwappen auf
allgemeine ‚Krieg oder nicht„ Diskussion.“1011

Der Zeuge B. V., der Mitglied der NATO-

Untersuchungskommission war, hat bekundet, es sei nicht

versucht worden, ihn zu beeinflussen. Ob es Versuche

gegeben habe, die Untersuchung bis nach der Bundes-

tagswahl hinauszuzögern, wisse er nicht. Jedenfalls habe

das Joint Investigation Board „seine Arbeit so durchge-
führt, wie der Präsident des Board, der kanadische Gene-

ral Sullivan, es wollte.“1012

Dem Zeugen Dr. Wichert war nicht erinnerlich, nach dem

4. September 2009 mit irgendjemandem darüber gespro-

chen zu haben, wie sich die Ereignisse in Kunduz auf die

Bundestagswahl auswirken könnten. Solche Gespräche

lägen ihm auch nicht:

„Ich habe mein Handwerk als Staatssekretär bei
Minister Stoltenberg und Minister Rühe gelernt.

Da wurde nicht politisiert.
1013

Von Beamten jeden-

falls nicht. […]

[W]ir haben unsere Tagesarbeit gemacht. Also, ich

habe mir um den Ausgang der Bundestagswahl

keine großen Sorgen gemacht in Bezug auf Kun-

duz […].

Ich war mir natürlich im Klaren, dass dieser in der

Geschichte der Bundeswehr einzigartige Vorfall

von hoher politischer Bedeutung ist. Nur, die De-

battenlage politisch war ja nach dem 4. 9. eine

ganz andere, nicht? Es überboten sich ja zum Teil

manche Leute in den Aussagen zugunsten von

Oberst Klein. Auf der anderen Seite machte der

Spiegel eine große Geschichte: ‚Ein deutsches
Verbrechen„, und zwar ohne Fragezeichen. Das
heißt, dass das politisch enorm bedeutsam ist, das

war mir als Staatsbürger schon klar. Aber dass ich

nun gesagt habe: ‚Jetzt machen wir dies und jenes,
weil sonst die Bundestagswahl verloren geht„,
nein, wirklich nicht.“1014

Dem damaligen Pressesprecher des Bundesverteidi-

gungsministerium Dr. Raabe wie auch seinen Mitarbei-
1010) E-Mails (Dokument 143), B. 9.

1011) E-Mails (Dokument 143), Bl. 13.
1012) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 26.

1013) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 78.

1014) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 79.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137 – Drucksache 17/7400
tern war die Relevanz des Luftanschlags für die Bundes-

tagswahl durchaus bewusst:

„[D]en Mitarbeitern des Presse- und Informations-
stabes war klar, dass drei Wochen später Bundes-

tagswahl war, und deshalb brauchte ich keinen

Hinweis zu geben.“

Er sei aber Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums

und mache keinen Wahlkampf.

„Das darf ich ja gar nicht.“1015

Gleiches hat die Vernehmung des Zeugen Dr. Vad erge-

ben.
1016

Der Zeuge Dr. Jung hat hierzu erklärt, er habe sich Sor-

gen gemacht, ob wegen der Bundestagswahl für die An-

gehörigen der Bundeswehr in Afghanistan eine zusätzli-

che Bedrohung ausginge:

„Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass wir im Hinb-
lick auf die Gesamtlage permanent herausgefordert

waren – mit ‚wir„ meine ich die deutschen Solda-
ten – in Gefechtssituationen, dass wir auch eine
Warnung hatten, dass hier ein größerer Anschlag

gegen uns geplant ist, und dass wir von daher in

einem angespannten Verhältnis waren. Ich habe

nicht jetzt in irgendeiner Art und Weise, sozusagen

im Hinblick Luftschlag, Bundestagswahl – Mein
Punkt war, dass es den Taliban gelingt, noch einen

Schlag gegen die deutschen Soldaten vor der Bun-

destagswahl gegen uns entsprechend durchzufüh-

ren. Das war meine große Sorge.“1017

Auch die Zeugin Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat eine

Beeinflussung der Aufklärung aufgrund des Bundestags-

wahlkampfes ausgeschlossen.
1018

Die Frage, ob der Luftschlag in Kunduz für sie als Partei-

vorsitzende in Lagen oder taktische Besprechungen über

den Wahlkampf eine Rolle gespielt habe, hat die Zeugin

Dr. Merkel verneint.
1019

2. Unterrichtung der Politik durch die Bun-
deswehr

In Bezug auf Bundesverteidigungsminister Dr. Jung hat

der Zeuge Schneiderhan erklärt, der Minister sei stets

zeitnah unterrichtet worden. Es sei seine große Sorge

gewesen, den Minister stets zu informieren.

„Deshalb habe ich am 4., am 5., am 6. und am 7.
mit ihm auch ständig gesprochen und telefoniert

und alles, was ich bekommen habe, ihm zugeleitet.

Genau diesen Minister habe ich nach besten Kräf-

ten mit dem versorgt, was ich zur Verfügung hatte

und was belastbar war.“1020
1015) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 30.

1016) Vad, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 49.

1017) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 45.
1018) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.

1019) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 85.

1020) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 17.

Das hat der Zeuge Dr. Wichert bestätigt. Der Minister sei

immer erreichbar gewesen.
1021

Der Zeuge Dr. Steinmeier hat bekundet:

„Ich habe verschiedentlich in der Presse gelesen,
dass auch hier im Ausschuss oder mindestens au-

ßerhalb des Ausschusses gelegentlich die Frage

erörtert worden ist, ob das nicht eine Zeit gewesen

sei, in der die Republik oder die Spitze der Repub-

lik sich überwiegend schon im Wahlkampf befun-

den hätte. Ich glaube, damit unterschätzt man die

Bedeutung, die das Ereignis für die beteiligten Mi-

nisterien und auch für mich persönlich gehabt hat.

[…]“1022

Aber auch in diesen Zeiten und obwohl Wahl-

kampf war, standen meine Mitarbeiter natürlich

auch in Kontakt mit dem Verteidi-

gungsministerium. Das Verteidigungsministerium

wusste über meine Mitarbeiter auch, dass wir an

einer schnellen und umfassenden Aufklärung

interessiert waren.“1023

Auch der wahlkampfbedingte Wettbewerb zwischen den

Regierungsmitgliedern habe nach Aussage der Zeugin

Dr. Merkel die Aufklärung nicht behindert. Mit dem da-

maligen Bundesaußenminister sei in der Frage Kunduz

kollegial und vertrauensvoll zusammengearbeitet worden.

„Aber in diesen Fragen […] gab es eine gute Zu-
sammenarbeit. Wir haben einen Wahlkampf ge-

schafft, in dem wir alle relevanten Aufgaben, die

eine Regierung zu erledigen hatte, kollegial mitei-

nander besprochen haben, obwohl wir dann an den

Abenden unsere eigenständigen politischen Prog-

ramme vorgetragen haben. […]1024

[I]ch habe keine Veranlassung gesehen, in irgen-

deiner Weise Kritik am Bundesaußenminister in

diesen Tagen zu üben, sondern hatte mit mir und

auch den Beschäftigungen des Vorgangs zu tun.

Ich hatte auch den Eindruck, dass der Außenminis-

ter die Tragweite des Vorgangs in vollem Maße er-

fasst hat, und ich hatte weiterhin den Eindruck,

dass er es nicht benutzt hat, um gegen CDU-Teile,

sage ich jetzt mal, der Regierung das polemisch

auszunutzen, und das ist innerhalb eines Wahl-

kampfes schon eine vernünftige Grundlage.“1025
1021) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 83.

1022) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 2 f.
1023) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 8.

1024) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 43.

1025) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 45.

Drucksache 17/7400 – 138 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
D. „Militärisch angemessen“

I. Regierungswechsel, Amtsübernahme
durch Bundesminister zu Guttenberg

Infolge des Ergebnisses der Wahl zum 17. Deutschen

Bundestag am 27. September 2009 bildeten die Bundes-

parteien CDU, CSU und FDP eine neue Koalition.
1026

Nach der Wiederwahl von Dr. Angela Merkel zur Bun-

deskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland wurde am

28. Oktober 2009 Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg

vom Bundespräsidenten zum Bundesminister der Vertei-

digung ernannt und vereidigt.
1027

Zwischen dem neuen Bundesverteidigungsminister und

seinem Amtsvorgänger Dr. Franz Josef Jung fand am 26.

Oktober 2009 im Verteidigungsministerium ein Überga-

begespräch unter vier Augen statt, in dem verschiedene

Themenstellungen im Ministerium und die Lage in Afg-

hanistan erörtert wurden.
1028

Im Gespräch wies Dr. Jung

seinen Amtsnachfolger auch auf den alsbald zu erwarten-

den NATO-Bericht über den Luftschlag bei Kunduz

hin
1029

sowie auf die Tatsache, dass im Anschluss nach

Eingang des Berichts, der Planungsstab eine entsprechen-

de Stellungnahme für den Minister und den Generalin-

spekteur ausarbeiten werde.
1030

Über den „Feldjägerbe-
richt“ wurde nicht gesprochen.1031 Eine weitere Kommu-
nikation dieser Art zwischen den Ministern fand im Fol-

genden nicht statt.
1032

Die eigentliche Einweisung würde

im Ministerium durch den Generalinspekteur erfolgen.
1033

II. Eingang und Bewertung des COM ISAF-
Berichts durch Bedienstete des Bundes-
ministeriums der Verteidigung

Am Tag der Bildung der neuen Bundesregierung ging

abends im Bundesministerium der Verteidigung der von

der Untersuchungskommission Joint Investigation Board

(JIB) unter der Leitung von Major General Sullivan für

den COM ISAF, General McChrystal, am 26. Oktober

2009 fertiggestellte NATO-Bericht (COM ISAF-Bericht)

ein.
1034

1. Übermittlung des Berichts von ISAF an
Deutschland

Auf welchem Weg dieser Bericht nach Deutschland ge-

langte, ist im Detail nicht festgestellt worden. Bundesmi-

nister Dr. Jung hatte nach eigenem Bekunden den dama-
1026) Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Okto-

ber 2009; http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-

cducsu-fdp.pdf.
1027) BT-PlPr. 17/2, S. 21 f.

1028) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 8 ff.; zu Guttenberg, Protokoll-

Nr. 18, Teil I, S. 4 f., 17.
1029) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 17.

1030) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 8.

1031) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 15.
1032) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 15.

1033) Jung, Protokoll Nr.-16, Teil I, S. 19

1034) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.

ligen Chef des Stabes des ISAF Headquarters in Kabul,

Generalleutnant Wieker, gebeten, ihm den Bericht sofort

zu beschaffen, sobald er fertig sein würde.
1035

Der ehemalige Kommandeur des Allied Joint Force

Command (JFC) in Brunssum, General a. D. Egon

Ramms, hat ausgesagt, der Bericht sei per Kurier von

Kabul nach Deutschland gebracht worden.
1036

Er habe

von einem Telefongespräch zwischen Generalleutnant

Wieker und „irgendjemandem anderen auf der anderen
Seite“ Kenntnis erlangt. Infolge dieses Telefonats habe
Generalleutnant Wieker „einen seiner Feldwebeldienst-
grade am 28. morgens in Marsch gesetzt“.1037

Aus Sicht des damaligen Befehlshabers des für den ISAF-

Einsatz zuständigen NATO-Kommandos JFC Brunssum,

des Zeugen Ramms, hätte der Bericht auf dem Dienstweg

über das Allied Joint Force Command nach Deutschland

übermittelt werden müssen.
1038

Das Allied Joint Force

Command in Brunssum ist eines der drei operativen

Hauptkommandos der NATO. Es untersteht dem Kom-

mando des Supreme Allied Commander Europe

(SACEUR), dem Oberkommandierenden des Obersten

Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte in Europa

(SHAPE). Dem Kommando in Brunssum, dem JFC, ist

der Kommandeur der ISAF (COM ISAF) unmittelbar

unterstellt (siehe oben: Graphik in B.I.1, S. 39).
1039

General Ramms erhielt den COM ISAF-Bericht nach

seiner Aussage ebenfalls am 28. Oktober 2009 während

seines Aufenthalts in Kabul.
1040

Noch am selben Abend

habe er sich damit zweieinhalb bis drei Stunden beschäf-

tigt. Zu dieser Zeit sei der Bericht schon per Kurier nach

Deutschland unterwegs gewesen.
1041

Abgesprochen gewesen sei, den Bericht auf dem Dienst-

weg über das Allied Joint Force Command nach Deutsch-

land zu übermitteln.
1042

Das Joint Investigation Team

habe lediglich den Auftrag gehabt, Sachverhalte festzus-

tellen, nicht aber die Einhaltung nationaler Bestimmungen

zu überprüfen oder den Vorfall dienstrechtlich zu bewer-

ten. Daher habe er mit General McChrystal abgesprochen,

für den Fall, dass eine solche Bewertung erforderlich

werden würde, solle diese durch sein – Ramms„ – Perso-
nal in Brunssum gefertigt werden.

1043
Ursprünglich habe

er vorgehabt, zu dem NATO-Bericht eine Bewertung zu

schreiben.
1044

Da der Bericht nicht über ihn, d. h. auf dem
1035) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil II, S. 8.

1036) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3.
1037) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 7.

1038) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

1039) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 2;
www.jfcbs.nato.int/jfcbrunssum.aspx.

1040) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5.

1041) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3.
1042) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 4.

1043) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

1044) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 15.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 139 – Drucksache 17/7400
Dienstweg über Brunssum nach Berlin gegangen sei, habe

sich diese Bewertung erübrigt.
1045

„Wir haben den Bericht des COM ISAF, den ich
mitgebracht habe aus Afghanistan, selber bei uns

im Hause noch mal bewertet und ausgewertet, ha-

ben uns dort auch noch mal in einem größeren

Kreis darüber unterhalten und haben auch die Fra-

ge, ob ich noch eine Bewertung schicken soll nach

Deutschland unter deutschen Regeln, dann bei mir

im Headquarter ausdiskutiert und sind zu dem Er-

gebnis gekommen: Der Bericht ist in Deutschland.

Warum wollen Sie jetzt noch eine Bewertung hin-

terherschicken?“1046

Wenn der Bericht über ihn nach Deutschland gegangen

wäre, hätte er nach eigener Darstellung auf der Basis des

COM ISAF-Berichts empfohlen, „eine gerichtliche und
disziplinare Untersuchung dieses Vorfalls“ durchzufüh-
ren.

1047
Am 2. Dezember 2009 soll sich General Ramms gegenü-

ber dem Einsatzführungskommando darüber beschwert

haben, dass bei der Übermittlung des COM ISAF-

Berichts nach Berlin der Dienstweg über das JFC Bruns-

sum „unterlaufen“ worden sei. Laut eines Telefonver-
merks von Generalleutnant Glatz insistierte General

Ramms darauf, dass der Bericht nicht von der NATO,

sondern von ISAF übergeben worden sei. Ursprünglich –
so General Ramms am Telefon zu Glatz – sei vorgesehen
gewesen, dass der JIB-Report mit einer NATO-

Bewertung an Deutschland weitergegeben werde. Die

Bewertung habe im JFC Brunssum erstellt werden sollen.

In diesem Telefonat habe Ramms deutlich gemacht, dass

er persönlich den COM ISAF-Bericht wesentlich kriti-

scher bewerte, als dies anscheinend in Deutschland der

Fall sei.
1048

2. Eingang des COM ISAF-Berichts im Bun-
desministerium der Verteidigung

Noch am Abend des Eingangs des COM ISAF-Berichts

im Bundesverteidigungsministerium
1049

wurde dieser auf

Anweisung des Staatssekretärs Dr. Peter Wichert an den

Einsatzführungsstab und die Rechtsabteilung des Bun-

desministeriums der Verteidigung zur Auswertung wei-

tergeleitet. Zeitgleich wurden durch den Leiter des Pla-

nungsstabes des Ministeriums Dr. Ulrich Schlie zwei

seiner Mitarbeiter mit einer Erstbewertung des Berichts

befasst. Die am Abend von Staatssekretär Dr. Wichert in

Auftrag gegebene Erstbewertung lag am nächsten Morgen

vor.
1050

Über diese erste Bewertung des COM ISAF-

Berichts und einer erforderlichen ersten öffentlichen Stel-
1045) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2, 15.

1046) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 22.

1047) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 15.
1048) Vermerk Glatz vom 2. Dezember 2009 (Dokument 144).

1049) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.

1050) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20.

lungnahme fand am Vormittag des 29. Oktober 2009 eine

Unterredung statt.
1051

Zum Verfahren nach Eingang des Berichts im Bundesver-

teidigungsministerium hat Ministerialdirektor Dr. Ulrich

Schlie in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-

schuss als Zeuge ausgesagt:

„Staatssekretär Dr. Wichert hatte über Nacht eine
Auswertung des Berichtes durch den Einsatzfüh-

rungsstab und die Rechtsabteilung beauftragt. Ich

hatte parallel dazu zwei Mitglieder des Planungs-

stabs beauftragt, über Nacht den Bericht durchzu-

arbeiten. Beide berichteten mir am darauf folgen-

den Morgen grosso modo ihre erste Einschätzung,

wonach Verfahrensfehler bestätigt wurden, das

Vorgehen von Oberst Klein sich als durchaus mili-

tärisch nachvollziehbar und völkerrechtskonform

bewerten lasse. Die von Staatssekretär Dr. Wichert

angewiesene erste Bewertung war am Morgen des

29. Oktober abgeschlossen.

Es bestand zwischen Staatssekretär Wichert, Gene-

ral Schneiderhan und mir Einvernehmen, dass es

angesichts des militärfachlichen Schwerpunktes

des COM ISAF-Berichtes angebracht sei, dass sich

zunächst der Generalinspekteur der Bundeswehr

vor der Presse äußern sollte.

Bei meiner Empfehlung zur ersten Bewertung des

COM ISAF-Berichtes am Morgen des 29. Oktober

stützte ich mich in erster Linie auf die in der Nacht

durchgeführte Bewertung der Fachabteilungen und

meiner beiden Mitarbeiter sowie auf eine kursori-

sche eigene Lektüre des Berichtes, den ich aus-

führlich erst am Nachmittag studieren konnte.

Gegen 8.30 Uhr kam ich mit Staatssekretär Wi-

chert zur Besprechung des weiteren Vorgehens zu-

sammen. Ich erinnere mich, dass dann weitere

Mitglieder des Hauses zu der Besprechung hinzut-

raten. Der Generalinspekteur der Bundeswehr ließ

sich durch seinen Adjutanten, Oberst R., vertreten.

Ich plädierte dafür, als Sprachregelung für die

Presse anstelle von ‚militärisch angemessen„ von
‚militärisch vertretbar„ zu sprechen. Dieser Vor-
schlag wurde jedoch von Staatssekretär Wichert

mit dem Argument verworfen, dass die Linie ‚mi-
litärisch angemessen„ so mit General Schneiderhan
abgestimmt gewesen sei. Da es sich bei dem Be-

richt um einen militärisch-operativen NATO-

Untersuchungsbericht handelte, war es nur natür-

lich, dass das Urteil des Generalinspekteurs bei der

Beratung des Ministers im Vordergrund stehen

müsste, und jeder, der zu diesem Zeitpunkt zu ei-

ner anderen Einschätzung des Berichts gelangt wä-

re, hätte seine Abweichung vom Urteil des ersten

militärischen Beraters nicht nur dem Bundesminis-

ter, sondern der ganzen Bundesregierung plausibel

mit guten Argumenten begründen müssen. Ein
1051) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20.
Drucksache 17/7400 – 140 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dissens mit dem obersten militärischen Berater in

einer so gravierenden, auch außen- und sicher-

heitspolitisch bedeutenden Angelegenheit wie der

Beurteilung des COM ISAF-Berichtes wäre in der

Öffentlichkeit ohne Zweifel als Geringschätzung

der militärischen Expertise durch den gerade ins

Amt gekommenen neuen Minister begriffen wor-

den.“1052

Im weiteren Verlauf des Vormittags des 29. Oktober 2009

fand unter Vorsitz von General Schneiderhan die allge-

meine Einweisung des Ministers bezüglich der laufenden

Einsätze der Bundeswehr im Ministerium statt. Es handel-

te sich um den ersten Arbeitstag des Ministers. Während-

dessen wurde der Vorfall vom 4. September 2009 nicht

erwähnt.
1053

Im Anschluss an die Einweisung wurde über

den COM ISAF-Bericht im kleinen Kreis gesprochen.
1054

Bei dieser Unterredung mit dem Minister waren laut des

Zeugen Dr. Schlie General Schneiderhan und Staatssekre-

tär Dr. Wichert ebenfalls zugegen.
1055

Der damalige Bundesminister der Verteidigung zu Gut-

tenberg hat dazu ausgesagt:

„Im Anschluss fand jedoch ein Gespräch im klei-
neren Kreis mit General Schneiderhan und Staats-

sekretär Dr. Wichert über den eingegangenen

COM ISAF-Bericht in meinem Dienstzimmer

statt. Staatssekretär Dr. Wichert hatte die englische

Originalversion dabei und trug äußerst knapp, cir-

ca fünf Minuten lang, die Ergebnisse der nächtli-

chen Auswertung vor.

In diesem Zusammenhang stellte er fest, der Be-

richt falle für die Bundeswehr sehr positiv aus. Er

wies darauf hin, es gebe lediglich einige kritische

Punkte, und fügte deutlich hinzu, wir müssten uns

diesbezüglich nun wirklich keine Sorgen machen.

Staatssekretär Wichert und General Schneiderhan

erklärten einvernehmlich, dass sie den Luftschlag

auch im Lichte des NATO-Untersuchungsberichts

als militärisch angemessen bewerten. Danach ver-

las General Schneiderhan sein vorbereitetes Sta-

tement, mit dem er am selben Tag vor die Presse

treten wollte.

Bei mir entstand der Eindruck, dass sich die militä-

rische Führung, aber auch Staatssekretär

Dr. Wichert über die Bewertung des Luftschlages

völlig einig waren und auch den COM ISAF-

Bericht so verstanden, dass er diese Bewertung

zumindest nicht infrage stellte. Anlass für weitere

Untersuchungen bestand zu diesem Zeitpunkt so-

mit nicht. Mir gegenüber wurde aber auch in kei-

ner Weise weiterer Handlungsbedarf erwähnt. Mir

schien die Lage auch deshalb relativ klar zu sein,

da die Fachebene des Hauses schon nach nur einer
1052) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.

1053) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21; Schneiderhan, Protokoll-
Nr. 14, Teil I, S. 14, 24.

1054) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5, 48 f.

1055) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 6, 14.

Nacht zu einer so eindeutigen Bewertung gekom-

men war.

Nachdem Herr Wichert den COM ISAF-Bericht zu

meiner Überraschung wieder wegpackte, verlangte

ich, dass mir zeitnah eine schriftliche Auswertung

des Berichts und auch der Bericht selbst unverzüg-

lich vorgelegt werden. Darüber hinaus wies ich an,

den Bericht dem Deutschen Bundestag zur Verfü-

gung zu stellen und ihn auch ins Deutsche zu über-

setzen. Ich fragte noch, wie eigentlich immer in

Unterrichtungen, ob es darüber hinaus noch weite-

re relevante Informationen gebe oder etwas ande-

res, was ich wissen müsste. Das wurde ver-

neint.“1056

„[…] Die Bewertung des Einsatzführungsstabes
habe ich beauftragt, habe ich angewiesen, als ich

über den COM ISAF-Bericht dann am 28., 29. er-

fahren habe. Nach dem Gespräch mit General

Schneiderhan und Staatssekretär Wichert habe ich

gesagt: Ich will eine Bewertung haben. Diese Be-

wertung des Einsatzführungsstabes war keine Be-

wertung, die als Grundlage der Rede von General

Schneiderhan diente, sondern sollte eine Bewer-

tung für mich sein und stellte eine Auswertung des

COM ISAF-Berichts dar.“1057

Der Zeuge Dr. Schlie hat bestätigt:

„Dabei wiesen sowohl General Schneiderhan als
auch Staatssekretär Wichert auf die positive Aus-

wirkung des Berichtes für die Bundeswehr hin und

bestätigten die Einschätzung als militärisch ange-

messen.“1058

Daran, dass er gegenüber dem Minister den ISAF-Bericht

als für die Bundeswehr positiv bewertet haben soll, hat

sich Schneiderhan vor dem Ausschuss nicht erinnern

können.
1059

Der Zeuge Schneiderhan hat in seiner Vernehmung be-

kundet:

„Vor der Presseerklärung von mir wurde der Mi-
nister zu Guttenberg von 9.20 Uhr bis 11.30 Uhr in

Anwesenheit der beamteten, der Parlamentarischen

Staatssekretäre und meines Stellvertreters, Admiral

Kühn, in zwei Themenbereiche eingewiesen: ers-

tens eine militärpolitische Tour d‟Horizon und
zweitens die Lage in den Einsatzgebieten mit

Schwerpunkt Afghanistan ohne 4. September –
ohne 4. September. Nach dieser Unterrichtung, um

11.45 Uhr, bin ich mit Staatssekretär Wichert in

den Ministerraum gegangen, und der Staatssekre-

tär – die Leiterin Ministerbüro war noch anwesend
– hat den Minister in die Presseerklärung einge-
wiesen, die ich jetzt gleich abgeben werde, und hat

ihm erklärt, warum der Generalinspekteur nach
1056) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5, 28.
1057) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32 f.

1058) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20.

1059) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 31.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141 – Drucksache 17/7400
seiner und auch meiner Meinung – wobei die Ini-
tiative nicht so sehr von mir ausgegangen ist – eine
Erklärung abgeben soll: Erstens. Wir können nicht

unendlich warten mit der Auswertung des Berich-

tes – die Öffentlichkeit erwartet eine schnelle erste
Reaktion –, und die sollte nur militärisch erfolgen;
das hing auch mit dem Ministerwechsel zusam-

men.“1060

Der Zeuge Staatssekretär a. D. Dr. Wichert gab zur Unter-

richtung des Ministers an:

„Wir saßen zusammen, der Generalinspekteur, ei-
nige Mitarbeiter des Ministers wohl, und ich war

dabei. Es war ein relativ kurzes Gespräch, Herr

Abgeordneter. Ich möchte mich jetzt nicht festle-

gen, ob 10 oder 15 Minuten, aber ein sehr kurzes

Gespräch. Ergebnis dieses Gesprächs war – ich
muss mich jetzt wiederholen –, dass ich den Minis-
ter auf zwei besonders kritische Passagen hinge-

wiesen habe, dass ich ihm den Policy-Rat gegeben

habe, sich auf den militärischen Sachverstand des

Generalinspekteurs zu berufen, und dass der Mi-

nister den COM ISAF-Bericht in englischer Fas-

sung erhielt.“1061

„[…] An eine gezielte Frage des Ministers: ‚Gibt
es noch was, was ich wissen müsste?„, kann ich
mich nicht erinnern. Wenn er diese Frage gestellt

hätte, wäre ich wahrscheinlich auch nicht angesp-

rungen; denn ich meine, er hatte den COM ISAF-

Bericht; er hatte den Rot-Kreuz-Bericht. Was gibt

es noch? Klar, ich hätte mir jetzt einen Vortrag da

– Aber so gezielt an diese Frage, an dieses Allge-
meine –: ‚Was gibt es denn noch? „, kann ich mich
nicht entsinnen.“1062

General Schneiderhan hat sich zu einer etwaigen geziel-

ten Nachfrage seitens des Ministers vor dem Untersu-

chungsausschuss wie folgt geäußert:

„An die Fragestellung, so wie sie gerade eben mir
vorgehalten wurde, kann ich mich in der Form

nicht erinnern. Ich hätte die Frage, hätte ich sie so

verstanden, hätte ich sie gehört – ich kann mich
wirklich nicht daran erinnern –, auch als rhetorisch
an diesem ersten Arbeitstag aufgefasst. Natürlich

gab es einen Haufen, was der Minister zu diesem

Zeitpunkt noch nicht hat wissen können. Dazu hät-

ten wir dann fünf Stunden gebraucht, und wir hät-

ten den normalen Tag so gar nicht weitermachen

können.“1063

3. Öffentliche Stellungnahme von General
Wolfgang Schneiderhan

General Schneiderhan trat im Anschluss an die Unterrich-

tung des Minister am 29. Oktober 2009 gegen 12.15 Uhr
1060) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.
1061) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 66.

1062) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 53.

1063) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 15.

vor die Presse. Er las den vorbereiteten Text „Wort für
Wort“ ab. Fragen ließ er nicht zu.1064

a) Der Wortlaut der Erklärung

In der Stellungnahme heißt es:

„Die Untersuchung, deren Ergebnis uns jetzt vor-
liegt, wurde von COM ISAF angewiesen, um in

erster Linie zu prüfen, ob die Vorgänge, die zum

Luftangriff führten mit ISAF-internen Regelungen

übereinstimmten. […] stelle ich fest, dass im Un-
tersuchungsbericht eine ganze Reihe von Empfeh-

lungen enthalten sind, die darauf abzielen, die hier

angewandten Verfahren und Vorschriften zu ver-

bessern. Das schließt auch die Fachausbildung ein.

Dazu wird der Bericht durch uns noch gesondert

bewertet.

[…] Haben die deutschen beteiligten Soldaten auf
die Lage des 4. September in Kunduz, militärisch

angemessen reagiert und gehandelt? […] ich habe
keinen Grund daran zu zweifeln, dass deutsche

Soldaten auf der Grundlage des Mandates der Ver-

einten Nationen angesichts der schwierigen Lage

in operativer Hinsicht militärisch angemessen ge-

handelt haben.

Es handelte sich um eine Kombination aus übli-

cher Vorgehensweise feindlicher Kräfte, den vor-

handenen Warnhinweisen über einen geplanten

Anschlag und dem Versuch der feindlichen Kräfte,

sich die Mittel für einen solchen Anschlag zu be-

schaffen. Das führte nach meiner Bewertung zu

der richtigen Lagebeurteilung, dass der Luftangriff

zum damaligen Zeitpunkt militärisch angemessen

war.

Der Bericht zeigt auf, dass die Anzahl der bei dem

Luftschlag ums Leben gekommenen und verletzten

Personen nicht mehr ermittelbar ist. Der Bericht

gibt lediglich verschiedene Quellen wieder, bei

denen die Anzahl der Toten und Verwundeten

zwischen 17 und 142 variiert. Der NATO-Bericht

führt lediglich an, dass lokale Führer vor Ort von

möglicherweise 30 – 40 toten und verletzten – wie
es im Bericht heißt – ‚Civilians„ berichteten. Er
bestätigt damit nicht, dass durch den Luftschlag

unbeteiligte Personen getötet wurden. […] Ich
kann sehr gut nachvollziehen, dass es sich in der

Nacht zum 4. September für Oberst Klein so dar-

stellte, dass keine Unbeteiligten vor Ort war-

en.“1065
1064) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.

1065) Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-

Untersuchungsbericht (Fn. 119, Dokument 51), Bl. 315 ff.
Drucksache 17/7400 – 142 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Erläuterung der Stellungnahme vor dem

Ausschuss

Von den Beratern im Bundesverteidigungsministerium

wurde dem Generalinspekteur nach eigenem Bekunden

eine präzise Wortwahl nahegelegt. Mit seiner Formulie-

rung „aus operativer Sicht militärisch angemessen“ wollte
General Schneiderhan ausdrücken: „Man konnte so han-
deln.“

„Und das Haus hat mir unter juristischer Hochbe-
ratung gesagt, dass ich in diesem Fall genau sein

muss und nicht ins Schwätzen kommen darf. Und

deshalb habe ich mich an diesen Ratschlag halten

müssen, weil es ja eine hoch brisante Geschichte

war. Ich war der erste deutsche Militär, der öffent-

lich dazu was sagen musste. Ich wusste, dass das

auch ein Ritt auf der Rasierklinge ist, was ich da

mache. Und deshalb habe ich mich an die Sprache

derer gehalten, deren Fachsprache das ist.“1066

Zur der von ihm gebrauchten Formulierung hat der Zeuge

Schneiderhan ausgeführt:

„Das Operative reflektiert die Lagebeurteilung, die
ich heute schildern durfte, wie der Oberst Klein sie

gesehen habe und wie ich sie, […] auch nachvoll-
ziehen konnte. Ich habe in den Gesprächen mit

Oberst Klein verstanden, wie sein Lagebild war,

das ihn dazu geführt hat. Der 3., die Kämpfe und

die Verletzten am Tag vorher und dann da oben im

Norden, dann die Taloqan-Geschichte – all das ha-
be ich verstanden und eingeordnet. Das ist der ope-

rative Teil. Aus dieser operativen Bewertung der

Gesamtlage heraus habe ich das so gesehen. Der

andere ist der Einsatz militärischer Mittel. Insofern

sind die beiden Worte für mich eben – Das eine ist
das operative Feld, in dem er handelt, und das an-

dere waren die Mittel, die er eingesetzt hat, und die

waren militärisch. Das ist meine Erklärung für ‚aus
operativer Sicht militärisch angemessen„.“1067

c) „Überraschung“ über die Erklärung des
Generalinspekteurs auf Seiten der NATO

Über die Presseerklärung des Generalinspekteurs war der

zuständige NATO-Befehlshaber des JFC Brunssum

„überrascht“. In seinen Augen – so der Zeuge Ramms –
sei der Bericht „weitaus kritischer“ gewesen als das, was
der Generalinspekteur in seiner Erklärung öffentlich be-

kannt gegeben habe. Die Erklärung des Generalinspek-

teurs habe nach seinem „Dafürhalten – ich sage es mal
ganz vorsichtig – den Inhalt des Berichtes nicht richtig
wiedergegeben.“1068 Aus Sicht von General Ramms war
der Luftschlag bei Kunduz „nicht angemessen“.1069

Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung berichteten

NATO-Militärangehörige, der COM ISAF-Bericht sei zu
1066) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 34.
1067) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 42.

1068) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5.

1069) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

dem Ergebnis gekommen, „dass der Vorfall nicht hätte
passieren können, wenn alle Befehle und Vorschriften

eingehalten worden wären.“1070 Dieses Ergebnis hat der
Zeuge Ramms bestätigt: Das, was da passiert sei, hätte

nicht passieren dürfen. Wenn man den Bericht als Ganzes

sehe – einschließlich seiner Anlagen – erlaube das Ergeb-
nis der Untersuchung nicht, den Luftschlag als „militä-
risch angemessen“ zu werten.1071

Der Zeuge Ramms hat ausgesagt, der COM ISAF-Bericht

zu dem Luftangriff habe für ihn „eindeutig“ die Anwen-
dung von NATO-Bestimmungen beanstandet.

1072
Die in

dem Untersuchungsbericht enthaltene Feststellung, es sei

von Oberst Klein gegen gültige NATO-Bestimmungen für

den ISAF-Einsatz verstoßen worden, teilte General

Ramms nach eigener Darstellung.
1073

Der erste Grund, warum der Luftschlag als „nicht ange-
messen“ zu bezeichnen gewesen sei, sei die unübersichtli-
che Situation vor Ort gewesen:

„[M]it Blick auf die Situation, die wir dort gehabt
haben, dass, wenn ich eine solche Menge von Per-

sonal habe, ich die Existenz von Zivilisten in die-

sem Kreis nicht ausschließen kann.“1074

Es habe zur Taktik der Taliban gehört, Zivilisten in solche

Situationen hineinzutreiben, um einen Zwischenfall mit

Zivilisten herbeizuführen. Hier seien Zivilisten durch das

Angebot, sich von den Tanklastern Sprit besorgen zu

können, angelockt worden.
1075

Dass die Taliban versu-

chen, Zivilisten in Konflikte hineinzuziehen, sei eine in

Kreisen der NATO verbreitete Erkenntnis. Es habe schon

etliche solcher Fälle gegeben.
1076

Laut übereinstimmender Presseberichte schilderte General

Ramms einige Tage nach der Pressekonferenz von Gene-

ral Schneiderhan – am 6. November 2009 in Linnich –
gegenüber Journalisten den Hergang des Bombardements:

Die Piloten „fragten die Bodenleitstelle, ob sie die Tank-
lastzüge zerstören oder auf die darum versammelten Per-

sonen zielen sollten.“1077 Danach hätten sie darum gebe-
ten, „mit einer Machdemonstration die versammelten
Leute zu verscheuchen, bevor sie Bomben auf die Tank-

lastzüge abwerfen.“1078 Die Kampfpiloten hätten sogar
1070) Süddeutsche Zeitung vom 6. November 2009, „Piloten schlugen

Drohgeste vor“ (Dokument 145).
1071) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3, Tgb.-Nr. 84/10 –

GEHEIM.

1072) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5.
1073) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 1, 24, Tgb.-Nr. 84/10 –

GEHEIM.

1074) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 18.
1075) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 18.

1076) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 25.

1077) Süddeutsche Zeitung vom 6. November 2009, „Piloten schlugen
Drohgeste vor“ (Fn. 1070, Dokument 145); Neue Züricher Zei-
tung vom 6. November 2009, „Guttenberg hält Angriff in Kunduz
für angemessen“ (Dokument 146); Berliner Zeitung vom 7. No-
vember 2009, „Entlastungsschlag für Oberst Klein“
(Dokument 147); Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009,

„Luftschlag war in jedem Fall angemessen” (Dokument 148).
1078) Focus vom 6. November 2009, „US-Piloten zögerten mit Bom-

bardierung“ (Dokument 149); Süddeutsche Zeitung vom 6. No-
vember 2009, „Piloten schlugen Drohgeste vor“ (Fn. 1070); Neue

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 143 – Drucksache 17/7400
fünfmal nachgefragt, ob sie die Menschen wirklich ohne

Vorwarnung bombardieren sollten.
1079

Doch Oberst Klein

hätte abgelehnt.
1080

Seine damalige öffentliche Stellungnahme hat der Zeuge

Ramms dem Untersuchungsausschuss erläutert:

„Ich habe mich eigentlich nach meinem Wissen
nur einmal geäußert in einer einzigen Frage. Das

war, als in der deutschen Presse eine Darstellung

da war, die ein bisschen die Schuld verschob für

diese Frage – Schuld oder Nichtschuld? –, die
Verantwortung für diese Handlungsweise […] in
Richtung der amerikanischen Piloten […] die durf-
ten also nicht mehr fliegen. Ich habe damals nur

eine Äußerung gemacht und habe gesagt: Die Pilo-

ten haben nichts falsch gemacht.“1081

Inhaltlich hat der Zeuge Ramms angemerkt: Zwar sei er

nicht vor Ort gewesen; gleichwohl sei er der Auffassung,

dass auf die von den Piloten vorgeschlagene „Show of
Force“ nicht hätte verzichtet werden dürfen. Das wäre
sogar „die Ideallösung“ gewesen.1082 Die Warnung der
Personen durch eine Machtdemonstration abzulehnen, sei

unangemessen gewesen. Da eigene Truppen keiner Ge-

fährdung ausgesetzt gewesen seien, habe es keinen Grund

gegeben, vor der Bombardierung der beiden LKW auf die

von den Piloten angebotene „Show of Force“ zu verzich-
ten.

1083
Eine drohende Gefahr („imminent threat“) für das Lager
Kunduz habe aus seiner Sicht nicht bestanden. Die Tank-

lastwagen seien bereits seit vier Stunden fest gesessen, da

sei nicht zu erwarten gewesen, dass sie in der nächsten

halben Stunde von der Sandbank losgekommen wären.
1084

Im Nachgang zu der Pressekonferenz des Generalinspek-

teurs äußerte General Ramms seine davon abweichende

Auffassung gegenüber mehreren Stellen der Bundeswehr.

Vor dem Untersuchungsausschuss hat er als Zeuge ange-

geben:

„Ich habe, wenn ich das richtig erinnere, noch
einmal mit dem stellvertretenden Generalinspek-

teur, Generalleutnant Dora, über dieses Thema ge-

sprochen, ich habe mich mit dem General Glatz

über dieses Thema unterhalten, und ich habe mich
Züricher Zeitung vom 6. November 2009, „Guttenberg hält Ang-
riff in Kunduz für angemessen“ (Fn. 1077); Berliner Zeitung vom
7. November 2009, „Entlastungsschlag für Oberst Klein“
(Fn. 1077); Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009, „Luft-
schlag war in jedem Fall angemessen” (Fn. 1077); Der Tages-
spiegel vom 7. November 2009, „Eine Prüfung für alle“
(Dokument 151).

1079) Frankfurter Allgemeine vom 7. November 2009, „Guttenberg:
Luftschlag bei Kunduz war militärisch angemessen“
(Dokument 150).

1080) Der Tagesspiegel vom 7. November 2009, „Eine Prüfung für
alle“ (Fn. 1078, Dokument 151).

1081) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 20.
1082) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9 f., Tgb.-Nr. 84/10 –

GEHEIM.

1083) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 18, Tgb.-Nr. 84/10 –
GEHEIM.

1084) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9, Tgb.-Nr. 84/10 –
GEHEIM.

mit dem stellvertretenden Leiter des Einsatzfüh-

rungsstabes, dem Brigadegeneral Warnecke, über

dieses Thema unterhalten. […] In der Weise, dass
ich darauf hingewiesen habe, dass ich eine andere

Auffassung vertrete.“1085

Da der COM ISAF-Bericht sich nicht eindeutig zu der

Frage verhielt, ob und wie viele Zivilisten bei dem Luft-

angriff zu Schaden kamen, hat der Untersuchungsaus-

schuss den damals für den ISAF-Einsatz zuständigen

NATO-General nach seiner Einschätzung gefragt. Als

Zeuge hat Ramms bekundet, er sei schon vor der Lektüre

des COM ISAF-Berichts, aufgrund der Berichte über

minderjährige Opfer im Krankenhaus von Kunduz bereits

am 4. September 2009 von „zahlreichen zivilen Opfern“
ausgegangen. Vor diesem Hintergrund sei von seinem

Stab eine entsprechende „Sprachregelung“ mit den
NATO-Sprechern in Brüssel und Kabul vereinbart wor-

den, wonach mit „civilian casualties zu rechnen“ sei.1086
General Ramms hat dem Ausschuss berichtet, die Erfah-

rung zeige, dass Zwischenfälle dieser Größenordnung

während seiner Amtszeit bei der NATO immer auch zivi-

le Opfer gefordert hätten.
1087

„Dies ist mein zehnter Zwischenfall dieser Art ge-
wesen, und wir hatten einen Fall mit einer solchen

Größenordnung von Opfern – ganz allgemein ge-
sprochen, ohne zivile Opfer – vorher nie gehabt.
Das waren, wenn Sie so wollen, Erfahrungswerte,

die Sie hatten, weil Sie in Brunssum Kommandeur

sind und weil Sie mit solchen Sachen umgegangen

sind, und aus diesen Erfahrungswerten ziehen Sie

irgendwann, wenn Sie bestimmte Tatsachen wis-

sen, dann auch Schlüsse.“1088

Die von dem Generalinspekteur in seiner Stellungnahme

gebrauchte Formulierung, „Unbeteiligte“ seien nicht zu
Schaden gekommen, sei kein terminus technicus und

nirgendwo definiert.
1089

Der Begriff „Unbeteiligte“ werde
von der NATO nicht benutzt. Die NATO verwende den

Begriff „Zivilisten“; dies bezeichne die Zivilbevölkerung,
die keine Waffen in die Hand nehme und nicht gegen

ISAF-Soldaten oder afghanische Sicherheitskräfte kämp-

fe. Ein Problem sei aber, diese zu unterscheiden, da ein

Aufständischer jederzeit seine Waffe verstecken und als

Zivilist wieder auftauchen könne.
1090

Auftragsgemäß durfte der COM ISAF-Bericht nicht dazu

Stellung nehmen, ob der Luftschlag rechtmäßig war.

Nach seiner – Ramms – Auffassung sei das Kriegsvölker-
recht möglicherweise gebrochen, wenn die hier einschlä-

gigen Rules of Engagement nicht eingehalten seien.
1091
1085) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 7.

1086) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 10.
1087) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 4 und Teil II, S. 2.

1088) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

1089) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 16.
1090) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 25.

1091) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 22, 27, Tgb.-Nr. 84/10 –
GEHEIM.
Drucksache 17/7400 – 144 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Gespräch des Bundesministers mit Gene-

ral Schneiderhan

Nach der Pressekonferenz des Generalinspekteurs begeg-

neten sich General Schneiderhan und Bundesminister zu

Guttenberg auf einem gemeinsamen Flug nach Nörve-

nich. Schneiderhan sprach zu Guttenberg auf den

COM ISAF-Bericht an. Er hat angegeben, er habe ihm zur

Vorsicht und Zurückhaltung geraten.
1092

Er habe zu dem Minister gesagt – so der Zeuge Schnei-
derhan vor dem Untersuchungsausschuss:

„Es mag nicht alles so einfach sein, wie es heute
Morgen geklungen haben mag. – Der Minister hat
dann gesagt: Ja, ja; es gibt Hinweise, Pres-

seanfragen zu Zivilopfern. – Darauf bin ich des-
halb nicht weiter eingegangen, weil das ja im

Grunde ein Stück Allgemeinwissen zu diesem

Zeitpunkt war, seit dem 4. September. Aber der

Minister hat das Wort ‚zivil„, ‚zivile Opfer„ durch-
aus benutzt. Ich habe gesagt Ja, bin aber nicht ein-

gegangen darauf. Dann habe ich mich wieder hin-

gesetzt […].“1093

Nach eigener Darstellung habe Scheiderhan damit ge-

meint, man könne die Entscheidung von Oberst Klein

auch anders beurteilen, als er es am Vormittag gemacht

habe.
1094

Nach Auskunft des Zeugen zu Guttenberg maß

er, der Minister, dem Hinweis jedoch einen anderen Sinn

bei:

„Richtig ist, dass General Schneiderhan mich ans-
prach und ich ihm daraufhin mitteilte, dass es Me-

dienanfragen bezüglich des Berichts und insbeson-

dere ziviler Opfer gebe. Daraufhin sagte General

Schneiderhan nach meiner Erinnerung: Mit den

zivilen Opfern ist dies nicht so einfach, wie vor-

mittags vielleicht der Eindruck entstanden sein

könnte. […] Ich verstand General Schneiderhan
mit meinem dabeistehenden Adjutanten damals

und übrigens bis heute so, dass er mir davon abriet,

mich allzu präzise zu unbeteiligten Opfern einzu-

lassen. Wenn ich mich recht erinnere, fragte ich

ihn noch, ob er den COM ISAF-Bericht dabei ha-

be, in den ich bis dahin noch nicht hatte hinein-

schauen können, weil er mir in dem Zeitpunkt

noch nicht vorgelegen war, was General Schnei-

derhan jedoch verneinte.“1095

Weitere Hinweise oder eine Präzisierung dieses Satzes

seitens General Schneiderhan seien nicht erfolgt.

Bundesminister zu Guttenberg trat am Tag nach seiner

Unterrichtung einen dreitägigen Kurzurlaub bis zum 3.

November 2009 an. In dieser Zeit studierte er nach eige-

nen Angaben die von Dr. Wichert zusammengestellten

Unterlagen, um ein Bild über die aktuellen Themenstel-

lungen im Ministerium zu erhalten. Teil dieser Unterlagen
1092) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.
1093) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 24.

1094) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 32.

1095) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6.

sei unter anderem der COM ISAF-Bericht in englischer

Fassung ohne Anlagen gewesen.
1096

Vor dem Untersuchungsausschuss hat zu Guttenberg

bekundet:

„Den COM ISAF-Bericht habe ich, wie ich schon
dargestellt habe, in der Zeit, als ich diesen Kurzur-

laub nach dem 30. Oktober angetreten hatte – In
der Zeit 30. Oktober bis 3. November habe ich

mich sehr intensiv mit diesem Bericht befasst.

[…]“1097

„Es fanden natürlich dazwischen auch immer wie-
der Gespräche, auch Telefonate und Ähnliches,

statt, die sich natürlich auch auf den Punkt bezo-

gen hatten, wo wir Nachfragen hatten und Ähnli-

ches, weil ich mir vieles erklären lassen musste,

was auch in diesem Bericht war. […]“1098

„Die Anlagen hatte ich sozusagen in den Tagen
des Kurzurlaubs nicht dabei. Ich hatte mich aller-

dings zwischen dem 3. und 6. sehr, sehr intensiv

auch mit diesen Anlagen befasst und immer wieder

auch die Anlagen mir herbeigezogen, wobei – Sie
kennen ja die Anlagen auch – manche von denen
für einen Laien und auch für manchen Fachmann

schier unverständlich sind mit den Abkürzungen

und ähnlichen Dingen, die da laufen. Aber überall

dort, wo ich es aus dem Bericht heraus – er ist ja
auch sehr umfangreich mit seinen 70 plus Seiten –
für nötig erachtet habe, dass man da noch mal die

Anlage heranzieht, um sich die Frage zu stellen,

die Dinge auch noch mal zu vertiefen, habe ich das

in den Tagen auch gemacht.“1099

Im weiteren Verlauf der Zeugenvernehmung hat der Mi-

nister erklärt, den COM ISAF-Bericht in englischer Fas-

sung gelesen zu haben.
1100

5. Weitergabe des COM ISAF-Berichts

a) Bundeskanzleramt

Auf Anforderung wurde der COM ISAF-Bericht am 29.

Oktober 2009 gegen Mittag an das Bundeskanzleramt

weitergegeben. Hierzu hat der damalige Staatssekretär

Dr. Wichert vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:

„Wie ich bereits ausführte, ging der Bericht am
späten Abend des 28. 10. um 22.30 Uhr im BMVg

in Berlin ein. Am 29. 10. forderte der Referatslei-

ter im Kanzleramt um 8.05 Uhr den Bericht bei

meinem Büroleiter an.“1101
1096) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21; zu Guttenberg, Protokoll-

Nr. 18, Teil I, S. 6, 50.

1097) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.

1098) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 19.
1099) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.

1100) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 50.

1101) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 75, 89.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145 – Drucksache 17/7400
„[…] die Anforderung aus dem Kanzleramt, diesen
Bericht zu übersenden, was ja nicht normaler Ge-

schäftsgang ist, dass ein Bundesministerium Akten

ins Kanzleramt gibt, sondern das Kanzleramt

kriegt Berichte auf Anforderung, es kriegt Stel-

lungnahmen auf Anforderung. Aber es ist schon

etwas ungewöhnlich, Aktenvorlage durch das

Kanzleramt zu fordern. Aber das habe ich nicht

weiter zu kommentieren.“1102

„[…] Eine Kopie wurde gefertigt – es war ja ein
Geheimbericht – und um circa 12 Uhr dem Kanz-
leramt ebenso wie dem Auswärtigen Amt durch

Kurier überbracht.“1103

Nach Eingang des COM ISAF-Berichts im Bundeskanz-

leramt unterrichtete die Abteilung 2 am gleichen Tag die

Bundeskanzlerin mittels einer Vorlage.
1104

In dieser Vor-

lage werden als „Kernpunkte des Berichts“ die Erörterung
der Frage der „Angemessenheit des militärischen Vorge-
hens“ einschließlich der „wesentlichen Kritikpunkte am
Vorgehen des PRT Kdr“ sowie die Frage der „zivilen
Opfer“ dargestellt.1105 Das dreiseitige Dokument endet
mit einer Bewertung des COM ISAF-Berichts.

Unter anderem wird dargestellt, dass der Bericht die An-

forderung der Luftunterstützung, die Frage „show of
force“, die Quellenlage und die komplexe Situation am
Boden und auf der Sandbank kritisch thematisiert.

In der „Bewertung“ der Vorlage heißt es, der Bericht gehe
„umfassend, ausführlich und ausgewogen auf die Vor-
gänge um den Luftangriff ein und enthält sich auftrags-

gemäß jeder rechtlichen Bewertung“. Strafrechtliche
Folgen für den deutschen Kommandeur seien „derzeit
nicht abschätzbar“. Eine abschließende Bewertung des
Vorfalls hänge davon ab, „ob und wieweit man die Pers-
pektive des in einer kriegsähnlichen, besonderen Hand-

lungssituation stehenden Kommandeurs einnimmt oder

den Vorfall primär unter dem Blickpunkt möglicher Re-

gelverstöße sieht.“1106

Die Bundeskanzlerin hielt nach eigenem Bekunden eine

über die Ermittlungen des COM ISAF hinausgehende

Untersuchung des Luftangriffs vonseiten der Bundesre-

gierung nicht für erforderlich. Vor dem Untersuchungs-

ausschuss hat sie dazu ausgesagt:

„Ich habe es zu dem damaligen Zeitpunkt […] für
geradezu zwingend gehalten nach dem Initial-

Action-Team-Bericht, dass das durch die NATO

weitergemacht wird. […] Ich glaube nicht, dass
uns irgendeine Information – […] ich bin jetzt kei-
ne Militärexpertin; aber nach allem, was ich weiß
1102) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 61.

1103) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 75, 89; Protokoll-Nr. 31,
Teil I, S. 61.

1104) Vorlage zum Luftangriff auf Tanklastfahrzeuge in AFG am

04.09.2009 hier: Offizieller ISAF-Untersuchungsbericht
(Dokument 152); Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.

1105) Vorlage zum Luftangriff für die BK (Fn. 1104), Bl. 183.

1106) Vorlage zum Luftangriff für die BK (Fn. 1104), Bl. 184.

–, eine relevante Information verloren gegangen ist
dadurch, dass die ISAF dieses aufgeklärt hat.“1107

Auch für eine eigene Bewertung des Luftangriffs durch

das Bundeskanzleramt sah die Bundeskanzlerin keine

Veranlassung. Hierzu hat sie erklärt:

„Eine eigenständige Bewertung der militärischen
Angemessenheit des Luftangriffs am 4. September

hat das Bundeskanzleramt nicht vorgenommen –
aus guten Gründen nicht; denn weder obliegt eine

solche Bewertung dem Bundeskanzleramt, noch

hat es dazu die nötige Expertise. Dies obliegt dem

zuständigen Fachministerium, dem Bundesvertei-

digungsministerium.“1108

Allerdings überprüfte sie, ob sie ihre ersten Äußerungen

zu dem Luftangriff aufgrund der neuen Erkenntnisse

korrigieren müsste. Dazu habe es – so die Bundeskanzle-
rin vor dem Ausschuss – keinen Anlass gegeben:

„Ich habe dann natürlich, nachdem im November
dann noch einmal die Existenz neuer Berichte, die

dem Kanzleramt ja auch nicht vorlagen, bekannt

wurde, Wert darauf gelegt, wie ich es auch dar-

stellte, dass ich noch einmal überprüfe: Kommt

durch diese neuen Berichte jetzt sozusagen in dem,

was ich gesagt habe, was ich geäußert habe, eine

neue Faktenlage hinzu? Das konnte ich aber nach

gründlicher Befassung verneinen.“1109

b) Obleuteunterrichtung am 29. Oktober 2009

Kurz nach der Weiterleitung des COM ISAF-Berichts an

das Bundeskanzleramt unterrichtete Staatssekretär

Dr. Wichert am Nachmittag des 29. Oktobers 2009 um

15.24 Uhr die Obleute des Verteidigungsausschusses

schriftlich über den Eingang des Berichts. Er kündigte

ihnen eine Übersetzung an, die zur Einsichtnahme in der

Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt

werde. Außerdem bot er ergänzende Auskünfte durch die

Leitung des Ministeriums an. Hiervon wurde kein Ge-

brauch gemacht.
1110

Zugeleitet wurde den Obleuten die

schriftliche Vorbereitung des Generalinspekteurs für sein

Pressestatement am 29. September 2009 (siehe oben:

D.II.3.a), S. 141).

Am 2. November 2009 wurde der Bericht in englischer

Fassung nebst Anlagen samt einer Übersetzung gegen

15 Uhr in der Geheimschutzstelle des Bundestages hinter-

legt.
1111

6. Auswertung des COM ISAF-Berichts durch
den Einsatzführungsstab

Am 3. November 2009 kehrte Minister zu Guttenberg

nach Berlin zurück. Zu diesem Zeitpunkt war die, am 29.
1107) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.

1108) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.
1109) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 42.

1110) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74, 89.

1111) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.
Drucksache 17/7400 – 146 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Oktober 2009 vom Minister angeforderte, eingehende

Bewertung des COM ISAF-Berichts
1112

durch den Ein-

satzführungsstab abgeschlossen.

Die angewiesene Bewertung des Einsatzführungsstabes

wurde dem Minister am 3. November vorgelegt.
1113

Dazu der Zeuge Dr. Schlie:

„Als der Minister am Dienstag, dem 3. November,
aus dem Arbeitsurlaub nach Berlin zurückkam,

hatte er nicht nur diese Papiere, sondern auch den

englischen COM ISAF-Bericht gelesen. Dann lag

auch jene Bewertung des Einsatzführungsstabes

vor, die die Grundlage für die Unterrichtung der

Vertreter der Fraktionsvorsitzenden der im Deut-

schen Bundestag vertretenen Parteien am Freitag,

dem 6. November, und die anschließende erste öf-

fentliche Einlassung des Ministers war.“1114

Die acht Seiten starke „Auswertung ISAF Untersu-
chungsbericht“ beginnt mit einer Zusammenfassung.1115
In dieser wird nicht die Bewertung von ISAF, sondern die

des BMVg zusammengefasst; die in dem Bericht der

ISAF-Untersuchung enthaltenen Feststellungen und

„Empfehlungen“ fehlen. In der Zusammenfassung heißt
es:

„Aufgrund der Komplexität der vorhandenen Vor-
schriften […] zu den Einsatzverfahren von Luft-
streitkräften sind die im Bericht aufgezeigten Ver-

fahrensfehler durch den COM PRT KDZ und Joint

Terminal Attack Controller (JTAC) nachvollzieh-

bar. […] Trotz einiger Verfahrensfehler ist festzu-
halten, dass der Kommandeur PRT KDZ (COM

PRT KDZ) auf der Grundlage der ihm zum dama-

ligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informa-

tionen und vor dem vorliegenden Bedrohungshin-

tergrund militärisch angemessen gehandelt

hat.“1116

Nach einer Vorbemerkung über den Untersuchungsauf-

trag und -verlauf sowie einer Kurzfassung der Ereignisse

und des allgemeinen Bedrohungshintergrundes werden

die Vorwürfe der Untersuchung im Einzelnen aufgelistet.

Jeder einzelnen „Empfehlung“ von ISAF ist eine „Bewer-
tung BMVg“ angehängt.

Weil sich die Zahl der Toten und Verwundeten nicht

mehr habe aufklären lassen, empfehle der Bericht,

„dass Bereiche, in denen ein Luftangriff stattge-
funden hat bei dem es möglicherweise zu unbetei-

ligten Opfern kam, entsprechend der Tactical Di-

rective COM ISAF unverzüglich gesichert und

überwacht werden müssen […].“1117
1112) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5.

1113) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6, 19.
1114) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21 f.

1115) EinsFüStab, Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luft-

angriff am 4. September 2009, Mat. 17-30a, Ordn. Chronologie
EinsFüStab, Teil 8, Bl. 3 ff. (VS-NfD).

1116) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 3.

1117) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 5.

Das BMVg bewertet, die Entscheidung über die Siche-

rung und Überwachung müsse wegen einer möglichen

Gefährdung der eigenen Kräfte beim taktischen Führer

vor Ort liegen.

Die ISAF-Untersuchung stelle fest, dass die „positive
Identifizierung der Taliban“ durch eine HUMINT Quelle
und die Luftaufklärung

„für ein solch komplexes Szenario […] als nicht
hinreichend beurteilt wird.“1118

Der ISAF-Bericht stelle fest,

„dass die verfügbaren Informationen vor dem
Luftangriff und die Informationen der HUMINT-

Quelle keine konkrete Bedrohung für das PRT

KDZ aufzeigten.“1119

Die im Zeitpunkt der Entscheidung verfügbaren INTEL-

Informationen seien „unzureichend für ein solch komple-
xes Szenario.“

In der Bewertung des BMVg hierzu heißt es, es stehe

gleichwohl „außer Frage, dass das Verhalten des COM
PRT KDZ auf Grundlage seines Gesamtbildes militärisch

angemessen war“.

Der Bericht stelle fest,

„dass […] keine hinreichende Klarheit darüber be-
stand, auf Grundlage welcher ROE gehandelt wur-

de. […] Sie [die Flugzeugbesatzung, Anm.] ver-
standen die ‚imminent threat„-Situation im natio-
nalen US-Sinne als ‚self-defence„ und nicht als
ISAF-ROE.“1120

Nach der Bewertung des BMVg sei „die durch COM PRT
KDZ getätigte Bestätigung des 'imminent threat' und

damit letztendlich die Entscheidung zum Waffeneinsatz

insbesondere vor dem Hintergrund der Gesamtbedro-

hungslage nachvollziehbar“ gewesen.

Es folgen Ausführungen zur fehlerhaften Anwendung von

ISAF Vorschriften und Direktiven im Bereich „dynamic
targeting procedures“. Hier waren sich ISAF und BMVg
einig, dass diese Vorschriften der Überarbeitung bedürf-

ten und die Ausbildung intensiviert werden müsse. Des-

weiteren werden Mängel in der Ausbildung thematisiert.

Der Bericht stelle weiter fest,

„dass COM PRT KDZ die F-15E […] nur deswe-
gen zugeteilt bekommen habe, weil er ‚troops in
contact„ erklärt habe, obwohl eigene Kräfte nicht
in Nähe der Sandbank waren. […] Es wird emp-
fohlen, Kommandeure stärker in die Verantwor-

tung zu nehmen, wenn TIC erklärt wird, ohne dass

die Voraussetzungen dafür vorliegen.“1121

Das BMVg weist darauf hin, die „declaration of TIC“ sei
nur für die Anforderung der Flugzeuge, nicht aber für den
1118) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 5.
1119) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 5.

1120) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 6.

1121) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 7 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147 – Drucksache 17/7400
Waffeneinsatz genutzt worden. Darüber sei sich auch die

Flugzeugbesatzung im Klaren gewesen. Die Flugzeug-

Anforderung unter Zuhilfenahme der „declaration of TIC“
sei „durchaus nachvollziehbar“.

Der Bericht sei der Ansicht,

„dass der Luftangriff auf eine so große Ansamm-
lung von Personen, ohne dass eine bevorstehende

Bedrohung (imminent threat) für eigenen Truppen

vorliegt, und bei Zugrundelegung nur einer Infor-

mationsquelle, nicht in Übereinstimmung mit

‚COM ISAF‟s intent und guidance„ ist.“1122

Das BMVg hielt dagegen, nachrichtendienstliche Erkenn-

tnisse zu geplanten Anschlägen hätten „nachvollziehbar
einen verdichteten Bedrohungshintergrund geschaffen“,
durch den der Luftschlag „militärisch angemessen“ sei.

Der Bericht stelle fest,

„Die vorschnelle Weitergabe sensitiver und ein-
gestufter Informationen an die Medien nach dem

ersten Vorwurf über Verluste von Unbeteiligten

hat in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt,

dass die Befehlskette schon vor Beginn der formel-

len Untersuchung Schlussfolgerungen gezogen hat.

EMPFEHLUNG ISAF:

Diesbezüglich wird daran erinnert, dass die Offen-

legung von eingestufter Information möglicher-

weise gesetzwidrig ist und den Untersuchungspro-

zess untergräbt.“1123

Unter der Überschrift „Show of Force (SoF)“ wird er-
wähnt, der Bericht führe aus,

„dass die F-15 Besatzung fünfmal vorgeschlagen
habe, im Tiefflug (SoF) über die Sandbank zu flie-

gen, um die Personen von den Tanklastfahrzeugen

zu vertreiben.“1124

Das BMVg bewertete, es sei Absicht des COM PRT KDZ

gewesen, „nicht nur die Tanklastzüge zu zerstören, son-
dern auch die Taliban auf der Sandbank zu bekämpfen.

Hätte er Show of Force zugelassen, wäre dieses Ziel nicht

erreicht worden.“

Abschließend rechtfertigt die Auswertung des BMVg das

gesamte Verhalten des Kommandeurs:

„Er hatte gem. der formalen Anforderungen der
ISAF Vorschriften ausreichende Informationen,

dass sich ausschließlich Taliban, insbesondere

auch führende Köpfe der Taliban, auf der Sand-

bank aufhielten. Darüber hinaus konnte COM PRT

KDZ aufgrund der Uhrzeit, der Lage der Sandbank

sowie den Tatumständen davon ausgehen, dass es

sich bei den Personen auf der Sandbank aus-

schließlich um Taliban, also um Personen, die di-

rekt an Feindseligkeiten bzw. feindseligen Hand-
1122) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 9.

1123) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 9.

1124) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 10.

lungen teilnehmen, handelte. Aus dem Gedäch-

tnisprotokoll mit COM PRT KDZ geht deutlich

hervor, dass es sein vorrangiges Ziel war, keine

unbeteiligten Personen zu schädigen. Dies war

auch der Grund dafür, dass der Entscheidungspro-

zess für den Luftangriff relativ lange dauerte und

er sich mehrfach durch die HUMINT Quelle bestä-

tigen lies, dass keine unbeteiligten Personen vor

Ort waren.“1125

Der Leiter des Einsatzführungsstabes des BMVg, der

Konteradmiral Krause, hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss die Kernaussage in der Zusammenfassung seiner

damaligen Auswertung korrigiert:

„Der ISAF-Untersuchungsbericht bestand ja aus
80 Seiten und 400 Seiten Anlagen. Letztendlich

hat er für uns, als er erschien, aufgrund der Tatsa-

che, dass wir natürlich – jetzt komme ich zurück
zur ‚Gruppe 85„ – die Arbeit des NATO-
Untersuchungsteams auch parallel mitbegleitet

hatten, keine großen Überraschungen enthalten.

Wir haben im Vorfeld aus der eigenen Analyse,

die parallel lief, schon gewusst, dass Fehler ge-

macht worden sind, dass aber auch noch eine gro-

ße Unsicherheit in vielen Bereichen der NATO-

Vorschriftengebung bestanden hat. So waren also

gerade im Bereich der Standard Operation Proce-

dures einige Dinge tatsächlich überholt und unklar

ausgedrückt. Es war klar, dass das zu einem nicht

eindeutigen Umgang mit den Rules of Engagement

geführt hatte zwischen den Soldaten der F-15 und

der B-1 und der am Boden eingesetzten Soldaten,

sodass also letztendlich dort Missverständnisse da

gewesen waren, unter welchen Rules of Engage-

ment gehandelt wurde und dass aus diesem ISAF-

Untersuchungsbericht Folgerungen zu ziehen seien

hinsichtlich der Aktualisierung von Vorschriften,

von Verfahren, aber auch mit Blick auf Ausbil-

dung. Der ISAF-Untersuchungsbericht hat aus

meiner Erinnerung auch darauf abgehoben, dass

Oberst Klein in manchen Dingen formal richtig,

aber der Komplexität der Situation nicht angemes-

sen gehandelt hat. Das heißt, er hätte also eigent-

lich anders handeln müssen; aber er hat sich an die

formalen Kriterien, die ISAF festgelegt hatte zu

dem Zeitpunkt, gehalten. Insofern war der ISAF-

Untersuchungsbericht für uns keine inhaltlich gro-

ße Überraschung.
1126
1125) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Bl. 10.

1126) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 1.

Drucksache 17/7400 – 148 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
III. Öffentliche Festlegung des Ministers am

6. November 2009

1. Empfehlung zur Presselinie

Am 2. November 2009 wurde dem Minister von Ministe-

rialdirektor Dr. Schlie eine Vorlage gereicht.
1127

Sie bein-

haltete eine Empfehlung zur weiteren Presselinie des

Ministeriums nach Abgabe der Stellungnahme von Gene-

ral Schneiderhan vom 29. Oktober. In dieser heißt es:

„[…], wobei jedes Abrücken von der bisherigen
Linie – ‚militärisch angemessen„ – erhebliche
Probleme bereiten würde.“1128

In seiner Vernehmung gab Dr. Schlie hierzu an:

„Aus meiner Erinnerung […] muss sich der Minis-
ter in einer so entscheidenden Frage auch auf den

obersten militärischen, auf seinen obersten militä-

rischen Ratgeber, der ja auch der oberste militäri-

sche Ratgeber der Bundesregierung ist, verlassen

können, und es hätte – im Gegenteil – Fragen auf-
geworfen, wenn der Minister, der sich gerade ein-

mal ein paar Tage im Amt befindet, zu einer ande-

ren Einschätzung als sein oberster militärischer

Ratgeber gelangt wäre. Das hätte vor allem dann

auch die Frage provoziert, auf wessen militärisches

Urteil er sich bei dieser Einschätzung stützt.“1129

2. Telefonat mit Generalinspekteur Schnei-
derhan

Nachdem einige Details aus dem COM ISAF-Bericht an

die Öffentlichkeit durchgesickert waren, wurde am 5.

November 2009 in einigen Zeitungen spekuliert, Bun-

desminister zu Guttenberg werde sich von der öffentli-

chen Stellungnahme des Generalinspekteurs der Bundes-

wehr distanzieren.
1130

Bundesminister zu Guttenberg rief am selben Abend den

Generalinspekteur an, der sich gerade in Bratislava auf-

hielt. Der Minister versicherte ihm, er werde ihn nicht im

Regen stehen lassen.
1131

Zu Guttenberg hat bestätigt, dass

sich die beiden in dem Telefonat über Zeitungsberichte

unterhielten. Für ihn habe aber im Vordergrund gestanden

abzustimmen, was am folgenden Tag gegenüber der Pres-

se zu sagen sei.
1132

3. Vorbereitung des Ministers

Am Morgen des 6. November 2009 fand eine Unterre-

dung zwischen Minister zu Guttenberg und Staatssekretär

Dr. Wichert statt. Im Anschluss, aber noch vor Abgabe

des Pressestatements, wurden die Bundestagsfraktionen
1127) Ministervorlage vom 2. November 2009 zu COM ISAF-Bericht

(Dokument 153).

1128) Ministervorlage vom 2. November 2009 (Fn. 1127), Bl. 83.

1129) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 30 f.
1130) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 15.

1131) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 15.

1132) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 53.

über die Erkenntnisse des ausgewerteten ISAF-Berichts

unterrichtet.
1133

Staatssekretär a. D. Dr. Wichert hat in seiner Vernehmung

vor dem Untersuchungsausschuss hierzu ausgesagt:

„Nach kurzem Vortrag durch den Leiter des Ein-
satzführungsstabes empfahl ich dem Minister, sich

auf den militärischen Sachverstand des Generalin-

spekteurs zu berufen, und ich las zwei Passagen

aus der englischen Fassung des ISAF-Berichts

vor,
1134

[…] in denen klar gesagt war – erstens –,
dass Ziel des Angriffs Menschen waren, neben den

Lastwagen, und dass die Anforderungen des Luft-

schlages nicht in Übereinstimmung mit der Inten-

tion des COM ISAF gestanden haben.“1135

„[…] Bei dieser sehr kurzen Besprechung, bei der
der Minister nach meiner Erinnerung keine Rück-

fragen stellte, ging es nach meiner Erinnerung

auch ‚nur„ um die Information der Fraktionsvorsit-
zenden. Dass der Minister selbst vor die Presse ge-

hen wollte, nachdem doch bereits der Generalin-

spekteur am 29. 10. unterrichtet hatte, war mir

nach meiner heutigen Erinnerung nicht präsent.

Ebenso wenig erinnere ich mich, einen vom Haus

vorbereiteten Text für ein Pressestatement gesehen

oder gar gebilligt zu haben. Wo dieser Text ent-

stand, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe jetzt

auch, als ich noch Akteneinsicht nehmen konnte,

da nicht gefunden, dass das über meinen Schreib-

tisch gelaufen sei. Ich hoffe, ich habe nichts über-

sehen.
1136

[…] Zur Vorbereitung des Pressetermins
muss es eine weitere Besprechung beim Minister

gegeben haben, zu der ich aber nicht hinzugezogen

wurde, wohl aber der stellvertretende Generalin-

spekteur. Hiervon habe ich erst nachträglich erfah-

ren.“1137

Hierzu hat der Zeuge Dr. Schlie bekundet:

„Die Vorbereitung der Sprechempfehlungen für
den Minister erfolgte, wie immer in solchen Fäl-

len, durch den Planungsstab. Es bestand Einver-

nehmen, dass die Unterrichtung vor allem durch

die militärische Spitze des Hauses erfolgen müsse

und dem Minister lediglich einleitend einführende

Bemerkungen oblägen.

In Vorbereitung der Unterrichtung der Vertreter

der Fraktionsvorsitzenden hatte ich mehrere Ab-

stimmungsgespräche mit General Dora und Admi-

ral Krause und erhielt die in Verantwortung des

Generalinspekteurs vom Einsatzführungsstab ers-

tellten Unterlagen.

Wiederum wurde in diesen Unterlagen klar und

unmissverständlich darauf hingewiesen, dass der
1133) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.

1134) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.
1135) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 25.

1136) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.

1137) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149 – Drucksache 17/7400
Kommandeur des PRT Kunduz auf der Grundlage

seines damaligen Lagebilds militärisch nachvoll-

ziehbar gehandelt habe und dies militärisch zum

Schutz deutscher Soldaten angemessen gewesen

sei.“1138

General Schneiderhan war aufgrund einer anderweitigen

Verpflichtung an diesem Tage nicht anwesend. Nach

eigenem Bekunden hatte er mit seinem Stellvertreter

Dora am Telefon „kein sehr eingehendes Gespräch“ über
die Inhalte dieser Erklärung geführt. Weder an dem Text

des Ministers für die Fraktionsvorsitzenden noch an der

Presseerklärung habe er mitgearbeitet.
1139

In der Sitzung zur Unterrichtung der Fraktionsvorsitzen-

den fiel nach Auskunft des Zeugen Dr. Schlie erstmals die

Äußerung des Ministers, der Angriff hätte auch bei der

Einhaltung aller Verfahrensregeln erfolgen müssen:

„Diese Formulierung, die in den von mir vorberei-
teten Unterlagen nicht vorgeschlagen war, habe ich

immer als eine rhetorische Zuspitzung verstanden,

mit der Minister zu Guttenberg zum Ausdruck

bringen wollte, dass er die Verfahrensfehler durch-

aus sehe, er sie aber nicht als ursächlich für den

Luftschlag ansehe; das heißt, dass diese auch bei

einer Gesamtbeurteilung als nicht so gravierend

ins Gewicht fielen, als dass sie im Resultat nach

seiner damaligen Einschätzung zu einem anderen

Entschluss des Kommandeurs als dem Bomben-

abwurf hätten führen müssen. In der Vorbespre-

chung entspann sich zu diesem Punkt auf Einwurf

von General Dora ein kurzer Meinungsaustausch,

ohne dass dies freilich zu einer anderen Bewertung

geführt hatte. Etwaige Alternativen für Oberst

Klein wurden von General Dora nicht er-

wähnt.“1140

4. Öffentliche Stellungnahme des Ministers

Nach Unterrichtung der Bundestagsfraktionen gab Minis-

ter zu Guttenberg eine öffentliche Stellungnahme zum

Luft-Boden-Einsatz bei Kunduz ab.

Warum er sich überhaupt und an jenem Tag äußerte, hat

er vor dem Ausschuss erläutert:

„Warum dieser Tag? Weil ich an diesem Tag den
Eindruck hatte, dass ich genug Informationen, Ein-

schätzungen und Bewertungsgrundlage meines

Hauses hatte, um mich äußern zu können und die

Bewertung und die jeweilige Fachberatung das

auch nahegelegt hatte.

Ich hatte – Weil das auch immer eine Frage ist,
warum ich mich überhaupt noch geäußert habe,

nachdem sich der Generalinspekteur geäußert hat:

De facto war es absehbar, dass, wenn der General-

inspekteur sich zu einem solchen Bericht äußert –
1138) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 22.

1139) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5.

1140) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 23.

und es waren auch entsprechend viele Anfragen

da –, sich auch die politische Führung des Hauses
noch dazu zu äußern hat. Das habe ich gemacht,

und das fiel halt auf diesen Tag.“1141

Bis zu diesem Zeitpunkt standen dem Minister als Quel-

len zum Luftschlag vom 4. September 2009 der

COM ISAF-Bericht, die Sprechempfehlung für den Gene-

ralinspekteur, die acht Seiten starke Auswertung des Ein-

satzführungsstabs vom 3. November 2009 sowie der Rot-

Kreuz-Bericht
1142

, welcher noch am selben Tage vor Ab-

gabe der Presseerklärung eintraf, zur Verfügung.
1143

Generalinspekteur Schneiderhan erklärte, dem Minister zu

Guttenberg weder den Bericht von Oberst Klein, den „N.-
Bericht“, den Bericht der afghanischen Offiziellen, den
IAT-Bericht, den Karzai-Bericht noch den „Feldjägerbe-
richt“ vorgelegt zu haben.1144

Gleichwohl hat der Zeuge Schneiderhan zum Informati-

onsstand des Ministers am Tage des Pressestatements in

seiner Vernehmung bekundet:

„Ich meine, mit dem, was dem Minister zuge-
arbeitet wurde, als der Stab wusste, dass er am

6. 11., also sehr kurz nach seiner Amtsübernahme,

zu dem Vorfall in Kunduz etwas sagen will, mit

dem war der Minister, zusammen mit dem Roten-

Kreuz-Bericht, glaube ich, urteilsfähig ausgestat-

tet. […] Der Generalinspekteur und sein Stab ha-
ben den Auftrag, den Minister urteilsfähig zu ma-

chen. Für sein Urteil selbst ist aber er verantwort-

lich. Das ist die Situation, wie ich sie beurtei-

le.“1145

In der öffentlichen Stellungnahme des Ministers vom 6.

November 2009 heißt es:

„Meine Damen und Herren […]

Ich will vorausschicken, dass ich den Generalin-

spekteur beauftragt hatte, eine Bewertung dieses

Berichts vorzunehmen. Und ich selbst komme zum

Schluss, dass ich keinen Zweifel an der Einschät-

zung des Generalinspekteurs hege, nämlich dass

die Militärschläge und die Luftschläge vor dem

Gesamtbedrohungshintergrund als militärisch an-

gemessen zu sehen sind.

Ich setzte neben diese militärische Betrachtung

und Einschätzung einen wichtigen politischen

Punkt, nämlich den, dass der Bericht zu dem

Schluss kommt, dass es Verfahrensfehler gab, dass

es in gewissen Bereichen Ausbildungsmängel gab,

dass es Fragestellungen bei der Auswertung etwa

von Rules of Engagement und anderen Dingen gab
1141) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 51 f.

1142) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8, 41; Schneiderhan,
Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 36, 41, 50; Abzeichnung von zu Gut-

tenberg am 11. November 2009 (Dokument 154), Bl. 310.

1143) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 15, 32, 36; zu Gutten-
berg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.

1144) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 26 f.

1145) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.
Drucksache 17/7400 – 150 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und dass es wichtig ist für die politische Führung,

dass man solche Verfahrensmängel nicht ver-

schweigt, dass man über sie spricht, dass man sich

auch mit dem Parlament über diese austauscht und

insbesondere, dass man daraus die entsprechenden

Konsequenzen zieht, national, aber auch interna-

tional mit Blick auf die NATO.

Ich darf allerdings auch sagen, dass ich nach mei-

ner Einschätzung zu dem Schluss komme: Selbst

wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hät-

te es zum Luftschlag kommen müssen. Das ist eine

Abwägung vieler Umstände. Das ist eine Abwä-

gung, die sich darauf begründet, dass wir jetzt die

Möglichkeit hatten, über Tage hinweg diese Be-

wertung vorzunehmen. Das ist übrigens etwas, was

sich sehr davon unterscheidet, ob jemand nur ei-

neinhalb Stunden Zeit hat, all diese Fragen und

Bewertungen vorzunehmen. Und ich selbst komme

allerdings auch dann zu diesem Schluss.

Ich will an dieser Stelle auch noch einmal sagen,

obgleich die Berichte widersprüchlich sind, was

die zivilen Opfer anbelangt – auch der Bericht, der
vom COM ISAF kommt – dass ich persönlich da-
von ausgehe, dass es zivile Opfer gab – wir haben
heute ja auch noch mal einen Bericht des Roten

Kreuzes bekommen – und dass ich jedes unbetei-
ligte Opfer, jedes zivile Opfer von Herzen und zu-

tiefst bedaure. Es ist wichtig, darauf noch einmal

hinzuweisen, auch wenn keine letzte Gewissheit

laut Berichten gegeben sein mag. Ich selbst gehe

davon aus. Und auch diesbezüglich ist es wichtig,

künftig alles zu tun, dass zivile und unbeteiligte

Opfer vermieden werden können.“1146

Der Zeuge zu Guttenberg hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss zum damaligen Geschehen vorgetragen:
1147

„Ich bin bei meiner Erstbewertung, dieser Erstbe-
wertung am 6. November, von drei entscheidenden

Punkten ausgegangen, die ich auch zu Kernaussa-

gen meiner damaligen Stellungnahme gemacht ha-

be:

Erstens. Es gab Opfer unter Unbeteiligten.

Zweitens. Bei dem Luftschlag wurden ISAF- und

NATO-interne Verfahrensbestimmungen verletzt.

Drittens. Der Luftschlag sei, auch bei Annahme

von Verfahrensverstößen und unbeteiligten Op-

fern, gleichwohl als militärisch angemessen zu be-

urteilen, und es hätte auch bei Hinwegdenken der

unbestrittenen Verfahrensfehler zu dem Luftschlag

kommen müssen.“1148

Seine Wertung, der Angriff sei „militärisch angemessen“
gewesen, habe auf der fachlichen Beratung des Verteidi-

gungsministeriums beruht. Ihm sei vermittelt worden,
1146) Pressestatement des Ministers zu Guttenberg zum COM ISAF-

Bericht vom 6. November 2009 (Dokument 155).

1147) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5 ff.

1148) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5.

sowohl die militärische Führung als auch die zivile Spitze

des Hauses seien sich völlig einig gewesen:

„Wie kam ich damals zu dieser Einschätzung als
‚angemessen„? […] Sie beruhte auf der mir gege-
nüber einvernehmlich erfolgten Beratung der da-

maligen militärischen und zivilen Spitze im Bun-

desministerium der Verteidigung. Nach einer Wo-

che im neuen Amt war ich auf das Urteil, die Bera-

tung und die fachliche Einschätzung meines Hau-

ses angewiesen, und ich sah auch keinen Anlass,

an dieser Expertise zu zweifeln. […] Staatssekretär
Wichert und General Schneiderhan erklärten ein-

vernehmlich, dass sie den Luftschlag auch im

Lichte des NATO-Untersuchungsberichts als mili-

tärisch angemessen bewerten. […] Bei mir ent-
stand der Eindruck, dass sich die militärische Füh-

rung, aber auch Staatssekretär Dr. Wichert über die

Bewertung des Luftschlages völlig einig waren

und auch den COM ISAF-Bericht so verstanden,

dass er diese Bewertung zumindest nicht infrage

stellte. Anlass für weitere Untersuchungen bestand

zu diesem Zeitpunkt somit nicht. Mir gegenüber

wurde aber auch in keiner Weise weiterer Hand-

lungsbedarf erwähnt. Mir schien die Lage auch

deshalb relativ klar zu sein, da die Fachebene des

Hauses schon nach nur einer Nacht zu einer so

eindeutigen Bewertung gekommen war […].“1149

Er habe den Eindruck gehabt, diese Einschätzung werde

auch von dem COM ISAF-Bericht gestützt. Jedenfalls

habe sich dies aus der von ihm erbetenen Auswertung

durch den Einsatzführungsstab ergeben.
1150

Ihm sei ver-

mittelt worden, die ministeriumsinterne Auswertung

pflichte dem ISAF-Bericht bei. Nur in drei Punkten habe

es Abweichungen gegeben: Die Beteiligung der Task

Force 47, ob der Informationsstand des Kommandeurs

zureichend war und ob der Luftangriff der Intention der

übergeordneten ISAF-Führung entsprach. Hierzu hätten

aber „begründete Positionen“ des eigenen Ministeriums
vorgelegen.

1151
„Angesichts der Aussagen insbesondere in der Ab-
schlussbewertung des NATO-Berichts waren für

mich allerdings die mir gegenüber bereits geäußer-

ten Einschätzungen des Generalinspekteurs und

von Herrn Wichert trotz einiger Fragezeichen nicht

völlig fernliegend, nämlich dass im Rahmen einer

militärisch-operativen Bewertung die Fachleute

meines Hauses, deren Urteil ich, wie erwähnt, bis

dahin lediglich mündlich vorgetragen bekommen

hatte, letztendlich zu dem Schluss kamen, der

Luftschlag sei insgesamt militärisch angemessen

gewesen.

Am 3. November 2009, nach meiner Rückkehr

nach Berlin, erhielt ich die geforderte schriftliche

Auswertung des ISAF-Untersuchungsberichts
1149) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5.
1150) Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luftangriff

(Fn. 1115), Bl. 3 ff.

1151) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 151 – Drucksache 17/7400
durch den Einsatzführungsstab. An deren Erarbei-

tung hatten auch andere zuständige Abteilungen

des Ministeriums mitgewirkt. Damit, meine Da-

men und Herren, lag eine einvernehmliche Bewer-

tung der militärischen und zivilen Spitze des

BMVg vor. Auf acht Seiten wurden darin die

Kernaussagen sowie die Empfehlungen des Be-

richts zusammenfassend dargestellt und jeweils

mit einer Bewertung durch das Ministerium verse-

hen.

Dieses Papier war nicht Ergebnis eigenständiger

Untersuchungen des Vorgangs. Es setzte sich aus-

schließlich mit dem NATO-Untersuchungsbericht

auseinander. Dabei floss selbstverständlich der mi-

litärische Sachverstand des BMVg in die Bewer-

tung ein. Auf andere nationale oder internationale

Dokumente außer dem NATO-

Untersuchungsbericht wurde jedoch nicht Bezug

genommen.

Diese Auswertung – ich gehe davon aus, dass sie
dem Ausschuss inzwischen vorliegt – war seiner-
zeit das erste durch mein Ministerium erstellte Do-

kument zum Luftschlag von Kunduz, das mir vor-

gelegt wurde. Kern der Bewertung war, dass – ich
zitiere –

'der Kommandeur PRT Kunduz trotz einiger Ver-

fahrensfehler auf der Grundlage der ihm zum da-

maligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden In-

formationen und vor dem vorliegenden Bedro-

hungshintergrund militärisch angemessen gehan-

delt habe.'

Damit entsprach die Vorlage genau der Auffas-

sung, die mir Staatssekretär Dr. Wichert und Gene-

ral Schneiderhan bis dahin in ihren mündlichen

Vorträgen vermittelt hatten. Entscheidend war für

mich nach der Lektüre, dass die ministeriumsinter-

ne Auswertung im Grundsatz den Bewertungen

und Empfehlungen des ISAF-Berichts beipflichte-

te – den Bewertungen und Empfehlungen. Weder
gab es Kritik am Vorgehen und an den Ergebnis-

sen der NATO-Untersuchung, noch wurde auf Wi-

dersprüche und Unschlüssigkeiten im COM ISAF-

Bericht hingewiesen. Ich hatte somit auch nicht

den Eindruck, dass weiterhin Unklarheiten bestan-

den, noch stellte sich mir demzufolge das Erfor-

dernis weiterer Untersuchungen dar.

In drei Aspekten, meine Damen und Herren, setzte

die Auswertung des Ministeriums kontrastierende

bzw. abweichende Akzente gegenüber der NATO-

Untersuchung. Ich will hierauf kurz eingehen, bitte

aber um Verständnis, dass ich die Einstufung des

COM ISAF-Berichts und auch den nach wie vor

bestehenden Charakter der Auswertung als VS-

NfD-Dokument berücksichtigen muss; daher nur

so viel, wie in öffentlicher Sitzung gesagt werden

kann.
1152

Zum Ersten. Der ISAF-Bericht erwähnt mehrere

Male die Task Force 47 und erläutert, dass es sich

dabei um Spezialkräfte handle. Nach der Auswer-

tung des Ministeriums könnte durch diese Passage

der Eindruck entstehen, dass das KSK an der Ope-

ration beteiligt war. Dies sei so jedoch nicht der

Fall gewesen. Ich erinnere mich, diesen Umstand

auch explizit nachgefragt zu haben. Die Sensibili-

tät eines KSK-Einsatzes war mir als langjährigem

Mitglied des Auswärtigen Ausschusses durchaus

bekannt. Ich erhielt von Staatssekretär Dr. Wichert

nach meiner Erinnerung die eindeutige Antwort,

dass es sich nicht um einen KSK-Einsatz gehandelt

habe.

Zum Zweiten. Die Auswertung zeigte weiterhin

auf, dass in der NATO-Untersuchung die dem

Kommandeur des PRT Kunduz zum Zeitpunkt des

Ereignisses vorliegenden Informationen – so ge-
nannte Intelligence-, Intel-Informationen – als un-
zureichend für ein solch komplexes Szenario ge-

wertet wurden. In diesem Zusammenhang wird in

der Auswertung des Ministeriums darauf hinge-

wiesen, dass die Beurteilung der Lage vor Ort al-

lein dem Kommandeur des PRT zustehe und kein

Zweifel daran bestehe, dass sein Verhalten auf

Grundlage seines Gesamtlagebildes militärisch an-

gemessen war.

Zum Dritten wird darauf hingewiesen, dass nach

dem NATO-Bericht ein Luftangriff auf eine große

Ansammlung von Menschen, ohne dass eine be-

vorstehende Bedrohung für die eigenen Truppen

vorliege, und auf der Grundlage nur einer Informa-

tionsquelle nicht in Übereinstimmung mit Intent

and Guidance, also der, wie wir im deutschen mili-

tärischen Sprachgebrauch sagen, Absicht der über-

geordneten Führung des COM ISAF stehe.

Dieser Aussage im NATO-Bericht wurde die Be-

wertung gegenübergestellt, dass der Luftangriff

zum damaligen Zeitpunkt gleichwohl militärisch

angemessen war und dem Schutz der afghanischen

Bevölkerung galt. Der Kommandeur PRT Kunduz

sei infolge der allgemeinen Gefährdungslage zu

einer richtigen Lagebeurteilung gekommen, und

bei der Abwägung zwischen dem COM ISAF In-

tent und dem aktiven und passiven Schutz

deutscher Soldaten werde von deutschen Kom-

mandeuren erwartet, dass sie die nationalen Vor-

gaben umsetzen.

Meine Damen und Herren, ich konnte nach alldem

davon ausgehen, dass die Sachverhaltsdarstellung

im NATO-Bericht, aber auch ein Großteil der dort

getroffenen Bewertungen und Empfehlungen von

den zuständigen Fachleuten meines Hauses geteilt
1152) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 7.

Drucksache 17/7400 – 152 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wurden. In den Fällen, in denen Wertungsunter-

schiede erkennbar wurden – der Frage ausreichen-
der Informationen und der so genannten über-

geordneten Absicht des COM ISAF –, lagen be-
gründete Positionen des eigenen Ministeriums vor,

wonach der Luftschlag gleichwohl militärisch an-

gemessen sei.“1153

Unmittelbar vor der Äußerung sei er schriftlich mittels

Unterlagen des Einsatzführungsstabes sowie mündlich

durch den stellvertretenden Generalinspekteur General-

leutnant Dora vorbereitet worden. Beides habe die Ein-

schätzung „militärisch angemessen“ nochmals bestätigt:

„Am 6. November fand die Unterrichtung der
Bundestagsfraktionen statt. Zur Vorbereitung er-

hielt ich die in Verantwortung des Generalinspek-

teurs vom Einsatzführungsstab erstellten Unterla-

gen. In diesen Unterlagen, also in diesen neu ers-

tellten Unterlagen, wurde wiederum klar und un-

missverständlich darauf hingewiesen, dass der

Kommandeur des PRT Kunduz auf der Grundlage

seines damaligen Lagebildes militärisch nachvoll-

ziehbar gehandelt habe und dies militärisch zum

Schutz deutscher Soldaten angemessen gewesen

sei.

Diese Darstellung, die voll auf der bisherigen Li-

nie lag, hat mir General Dora in einem Vorgesp-

räch nochmals unterbreitet. Auf dieser Grundlage

hat Generalleutnant Dora dann auch die Vertreter

der Fraktionsvorsitzenden am 6. November 2009

unterrichtet.“1154

Seine Formulierung, „der Luftschlag hätte auch bei Ein-
haltung aller Verfahrensbestimmungen erfolgen müssen“,
sei über die fachliche Beratung des Hauses hinausgegan-

gen und stamme von ihm persönlich. Weder Schneider-

han noch Dora hätten hiergegen Einwände vorgebracht.

Er habe damit Verständnis für Oberst Klein zum Aus-

druck bringen wollen.

„In diesem Zusammenhang hatte ich unter ande-
rem die später zu Recht kritisierte, weil missver-

ständliche Formulierung gewählt, der Luftschlag

hätte auch bei Einhaltung aller Verfahrensbestim-

mungen erfolgen müssen. Mit dieser Formulie-

rung, die mir nicht vorgeschlagen wurde, sondern

von mir persönlich stammt, wollte ich mein dama-

liges Verständnis der Bewertung des Verhaltens

von Oberst Klein zum Ausdruck bringen.

Ich habe die Bewertungen des Einsatz-

führungsstabes auch unter Berücksichtigung des

COM ISAF-Berichts so verstanden, dass bei der

Anordnung des Luftschlages zwar Verfahrensfeh-

ler erfolgten, diese aber für den Luftschlag nicht

zwingend ursächlich gewesen sind. Anders gesagt:

Auch wenn Oberst Klein alle Regularien beachtet

hätte, wäre er unter militärischen Gesichtspunkten
1153) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 7.

1154) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.

zur gleichen Entscheidung gekommen. Zudem

musste ich nach der Facheinschätzung meines

Hauses davon ausgehen, dass sich für Oberst Klein

keine Alternative zu dem Luftschlag stellte. Nach

meiner damaligen Einschätzung wäre es also auch

bei der Beachtung der Verfahrensvorschriften zu

dem Luftschlag gekommen.

Allein General Dora stellte ohne weitere Begrün-

dung die Frage, ob es dieser zusätzlichen – dieser
zusätzlichen – Formulierung bedürfte. Ich gab ihm
meine Begründung und fragte, ob er etwa eine an-

dere militärische Einschätzung habe als die mir

dargestellte, was er ausdrücklich verneinte. Etwai-

ge Alternativen für Oberst Klein wurden von Ge-

neral Dora nicht erwähnt, und an der militärischen

Angemessenheit des Handelns ließ auch er keinen

Zweifel.

Ich berichtete ihm noch von einem Telefonat, das

ich am Vorabend mit General Schneiderhan ge-

führt hatte, der sich zu diesem Zeitpunkt auf einer

Dienstreise in Bratislava befand. Dabei hatte ich

mich mit General Schneiderhan auf diese Linie

und den konkreten Wortlaut verständigt und ihm

auch mitgeteilt, dass ich so gegenüber der Öffent-

lichkeit zu argumentieren beabsichtige. Wohlge-

merkt: General Schneiderhan äußerte mir gegenü-

ber keinerlei Einwände, auch nicht bezüglich einer

der Formulierungen.
1155

Meine Damen und Herren, meine der Öf-

fentlichkeit vorgetragene Bewertung am

6. November beruhte auf einer eindeutigen, un-

missverständlichen Fachberatung, auf die ich in

der ersten Woche meiner Amtszeit fraglos ange-

wiesen war, die allerdings lediglich den

COM ISAF-Bericht mit seinen Anlagen zur

Grundlage hatte. Hinweise über den an diesem Tag

eingegangenen IKRK-Bericht hinaus auf andere

Berichte, auf andere Untersuchungen, auf Meldun-

gen, insbesondere auch zu nationalen Einschät-

zungen oder Berichten, gab es zu keinem Zeit-

punkt. Weder gab es durch das Ministerium Hin-

weise auf militärische Alternativen, die Oberst

Klein gehabt hätte, noch auf andere, auch abwei-

chende Einschätzungen und Beurteilungen zur

Frage der Angemessenheit.“1156

Später in der Vernehmung hat der Zeuge zu Guttenberg

bekundet, er habe den Text, den er der Presse geben woll-

te, Schneiderhan am Vorabend wörtlich vorgelesen.

„Also, auf jeden Fall erinnere ich mich, dass ich
die wesentlichen Sätze ihm wörtlich vorgelesen

habe. […] Das war ein Gespräch – ich kann mich
jetzt nicht mehr an jedes letzte Detail dieses Ge-

spräches erinnern –, wo wir über diesen morgigen
Tag gesprochen hatten, wo ich ihm insbesondere

auch noch mal gesagt habe, in welche Richtung, in
1155) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.

1156) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153 – Drucksache 17/7400
welche Stoßrichtung es gehen kann und gehen

sollte. Und dann habe ich ihm diese Sätze vorgele-

sen, und er hat diese Sätze – In keiner Form gab es
diesbezüglich eine Korrektur oder einen Hinweis

noch, dass er mit diesen Sätzen nicht leben könnte

oder dass das falsch wäre oder dass das in irgen-

deiner Form für ihn nicht vertretbar sei. […] Einen
Hinweis kann ich noch machen, […] dass dieser
Zusatz, dieser Satz einer war, den ich selbst hinzu-

gefügt habe […], der sozusagen nicht der militäri-
schen und politischen Beratung meines Hauses

entspringt. Den habe ich selbst hinzugefügt. […]
Aber diesen Satz habe ich General Schneiderhan

definitiv mit vorgelesen. In meiner Erinnerung ist

das sehr sicher.“1157

„[…] Ich habe ihm in diesem Gespräch auch den
zusätzlichen Passus ‚hätte kommen müssen„ vor-
gelesen.“1158

Dass sich der Minister am Vorabend mit ihm abgestimmt

haben soll, daran konnte sich der damalige Generalin-

spekteur nicht erinnern:

„Der Minister hat mich abends angerufen […] und
mir gesagt, dass er vor die Presse geht. […]1159 Der
Minister hat mir gesagt, dass er sich mit meiner

Linie weiterhin identifiziert, die ich da gesagt ha-

be. An weitere Abstimmungen oder Vorlesen von

etwas kann ich mich nicht erinnern. Es wurde mir

auch nicht gesagt: ‚Passen Sie auf, ich gehe da
noch ein Stück weiter. Tragen Sie das mit?„, oder
Ähnliches. Das habe ich nicht zur Kenntnis ge-

nommen. Es war ein allgemeines Gespräch am

Mobiltelefon. Ich war alleine. Ich weiß nicht, ob

beim Minister jemand mitgehört hat; das kann ich

alles nicht beantworten. Aber es war kein Ab-

stimmungsgespräch.“1160

„Wenn ich die Berichterstattung nach der Anhö-
rung des Herrn Minister richtig interpretiere, hat

der Minister ja auch immer wieder selbst gesagt –
so die öffentliche Berichterstattung –, dass der
Passus ‚hätte stattfinden müssen, auch bei Verfah-
rensfehlern„ nicht auf militärischen oder zivilen
Rat des Hauses zurückgeht; so ist zumindest die

Berichterstattung gewesen. Das würde ja nicht

stimmen, wenn er sich sozusagen im Telefonat mit

mir doch abgestimmt hätte. Das wäre ja eine Bera-

tung von mir gewesen, auch wenn es nur eine ge-

wesen wäre ohne Widerspruch.“1161

Er habe ganz genau gewusst, dass es hier auf eine präzise

Wortwahl ankomme.
1162

Es habe seinerseits keine Emp-
1157) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 69 f.

1158) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 52.

1159) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 30.
1160) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 21.

1161) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 21.

1162) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 21.

fehlungen gegeben und er habe auch keine Kenntnis sol-

cher aus dem Einsatzführungsstab.
1163
1163) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 42.

Drucksache 17/7400 – 154 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
E. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts“ und Neubewertung des Luftangriffs

I. Bekanntwerden des „Feldjägerberichts”

Am 26. November 2009 behauptete die Bild-Zeitung,

einen bislang geheim gehaltenen Bericht der deutschen

Militärpolizei exklusiv vorliegen zu haben.
1164

Dieser

beweise, dass das Bundesministerium der Verteidigung

von Anfang an klare Hinweise auf zivile Opfer sowie auf

unzureichende Aufklärung vor dem Bombenabwurf ge-

habt habe.

In der gleichen Ausgabe wurde der damalige Verteidi-

gungsminister zu Guttenberg zitiert:

„Sollten mir zu Kunduz nicht alle relevanten In-
formationen aus der Legislaturperiode vorgelegt

worden sein, werde ich unverzüglich Konsequen-

zen ziehen müssen.“1165

Der Zeuge Bundesminister zu Guttenberg hat dem Unter-

suchungsausschuss dargestellt, wie er Kenntnis von der

Existenz des „Feldjägerberichts“ erlangte:

„Am Morgen des 25. November erfuhr ich durch
meinen Sprecher, Herrn Moritz, dass die Bild-

Redaktion im Besitz eines deutschen Berichtes

über den Luftschlag sei, der von den Feldjägern

stamme und mit dem Vermerk ‚Nur Deutschen zur
Kenntnis„ gekennzeichnet sei. Dieser Bericht gäbe
Anlass für eine Berichterstattung, die den Luft-

schlag in einem gänzlich neuen Licht erscheinen

lasse. Er teilte mir mit, dass er bereits am Tag zu-

vor einen ersten Hinweis erhalten habe, dass die

Bild-Zeitung auf der Grundlage neuer Informatio-

nen, bei denen es sich auch um ein brisantes

deutsches Dokument handeln solle, eine aktuelle

Berichterstattung zu dem Kunduz-Vorfall erwäge.

Laut Herrn Moritz wurde dies damals nicht näher

konkretisiert.

Ich konnte mir zunächst keinen Reim darauf ma-

chen. Bislang war ich der Auffassung gewesen,

dass ich vollumfänglich über den Luft-Boden-

Einsatz informiert worden sei und mir alle relevan-

ten Dokumente im Zusammenhang damit vorge-

legt worden wären. Erst gegen Mittag, nachdem

ich aus dem Bundestag – ich glaube, aus dem Ver-
teidigungsausschuss – zurückgekehrt war, fragte
ich beim Leiter des Planungsstabes, Herrn

Dr. Schlie, nach einem entsprechenden Dokument,

das offensichtlich der Bild-Zeitung vorlag. Doch

dieser erklärte, hiervon keine Kenntnis zu haben.

Er sei bereits gestern Abend von meiner Büroleite-

rin, Frau Bastek, darauf angesprochen worden. Im

Planungsstab läge ein solches Dokument jedoch

nicht vor.
1164) Bild-Zeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime

Bomben-Video der Bundeswehr“ (Dokument 156).
1165) Bild-Zeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime

Bomben-Video der Bundeswehr“ (Fn. 1164), „Guttenberg leitet
Untersuchung ein“ (Fn. 1171).

Zu diesem Gespräch mit Dr. Schlie stieß dann

mein Adjutant Oberst Braunstein hinzu. Er sei bei

Nachfragen darauf gestoßen, dass es sich dabei

möglicherweise um einen ‚Feldjägerbericht„ mit
Anlagen handeln könne, der aber eingestuft sei.

Dr. Schlie zeigte sich in dem Gespräch sehr ver-

wundert, dass ein solcher nationaler Bericht exis-

tiere. Er teilte mir in diesem Zusammenhang mit,

dass der Planungsstab schon kurz nach dem

4. September angeregt hatte, den gesamten Vor-

gang einer nationalen Untersuchung zuzuführen.

Dies sei von meinem Amtsvorgänger auf aus-

drückliche Empfehlung von Staatssekretär

Dr. Wichert und General Schneiderhan, die expli-

zit keine nationale Untersuchung wünschten, abge-

lehnt worden.

Die Erstellung nationaler Untersuchungsberichte

sei demzufolge ausdrücklich untersagt gewesen.

[…], das war eine Aussage, die mich, gelinde ge-
sagt, verwunderte. Vom Dissens zwischen Pla-

nungsstab auf der einen sowie Staatssekretär und

Generalinspekteur auf der anderen Seite erfuhr ich

erstmalig in diesem Zusammenhang.“1166

II. Personelle Konsequenzen

1. Gespräch im Ministerbüro am 25. Novem-
ber 2009

Am 25. November 2009 kam es daher zu einem Gespräch

zwischen Minister zu Guttenberg, Staatssekretär

Dr. Wichert und General Schneiderhan im Ministerbüro.

Dieses war im Nachhinein Gegenstand breiter Berichters-

tattung, die unterschiedliche Versionen des Gesprächsver-

laufs darstellte.
1167

Der Minister habe laut eigener Darstel-

lung mehrmals nach der Existenz weiterer Berichte, die

den Luftschlag vom 4. September betreffen, fragen müs-
1166) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 9.

1167) Statt vieler: Frankfurter Allgemeine vom 14. Dezember 2009,
„Was sagten Schneiderhan und Wichert dem Minister wirklich?“
(Dokument 157); Die Zeit vom 17. Dezember 2009, „Da sagt er
die Unwahrheit“ (Dokument 158); Spiegel vom 30. November
2009, „Die Schweigespirale“ (Dokument 160, Anm.: Im Rahmen
einer gerichtlichen Auseinandersetzung über diesen Artikel vor

dem Landgericht Köln erklärten die beklagte Spiegel-Verlag Ru-
dolf Augstein GmbH & Co. KG sowie der beklagte Georg Masco-

lo am 9. März 2011 vergleichsweise: „Nachdem nach dem Ergeb-
nis des Kundus-Untersuchungsausschusses auch für den
SPIEGEL feststeht, dass auf entsprechendes Nachfragen die Exis-

tenz weiterer Berichte nicht geleugnet, sondern solche Berichte

erwähnt wurden, Herr Dr. Wichert insofern mithin nicht gelogen
hat, erklären die Beklagten, dass sie sich verpflichten, es zu unter-

lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, ‚Guttenberg
fragt Schneiderhan und Wichert noch einmal. Als beide wieder
leugnen, entlässt er sie‟, wie im Beitrag ‚Die Schweigespirale‟
[…] des SPIEGEL geschehen.“); Spiegel vom 1. Februar 2010,
„Ein deutsches Verbrechen“ (Dokument 159).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155 – Drucksache 17/7400
sen.

1168
Er habe kurz zuvor von der Bild-Zeitung erfahren,

dass ein weiterer, ein geheim eingestufter Bericht der

deutschen Feldjäger in Kunduz, existiere. Eine andere

Version stellt dar, weder Schneiderhan noch Dr. Wichert

hätten den „Feldjägerbericht“ für erwähnenswert gehal-
ten.

1169
Auch die Anzahl der während des Gespräches

anwesenden Personen wurde unterschiedlich dargestellt.

Der Untersuchungsausschuss hat versucht, die Umstände

und den Verlauf des Gespräches vom 25. November 2009

im Ministerbüro zu ermitteln.

a) Darstellung General a. D. Schneiderhan

In seiner ersten Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-

schuss hat der ehemalige Generalinspekteur der Bundes-

wehr, General a. D. Schneiderhan, den Ablauf der Unter-

redung wie folgt dargestellt:

„Ich wurde gegen 14 Uhr aufgefordert, um
14.20 Uhr im Ministerbüro zu sein; es wurden mir

keine Gründe genannt.“1170

„Ich war um 14.19 Uhr im Vorzimmer Minister
und traf dort auf Staatssekretär Wichert, der auch

nicht wusste, warum wir zum Minister gerufen

wurden. Dieses Ministergespräch wurde eröffnet

mit Hinweisen des Bundesministers auf die große

Verantwortung, die er übernommen hat durch die

Presseerklärung zugunsten von Klein, und wie er

sich vor Klein gestellt habe. Große politische Ver-

antwortung, hat der Minister uns beiden, Wichert

und mir, noch mal erzählt.

Dann hat der Minister hingeführt zur Frage, ob es

noch andere Berichte gäbe als diesen COM ISAF-

Bericht. Es war eine nicht ganz klare Situation,

weil die Frage auch nicht ganz klar war. Und es

gab eine erste Antwort von Staatssekretär Wichert,

die hieß: Nein, wir haben keine nationalen Ermitt-

lungen geführt. – Dann hat der Minister noch ein-
mal eine Frage gestellt, und dann habe ich ge-

merkt, dass der Minister was anderes meint, näm-

lich Berichte zwischen Luftschlag und

COM ISAF-Bericht. Das war eine erste, für mich

unklare Runde, weil ich nicht präzise gefragt wur-

de, sondern selber herausfinden musste – und das
ging Wichert auch ähnlich -: Was liegt hier an? –
Das war ja aus dem blauen Himmel. Wir waren

gerade eben noch zusammen im Ausschuss, kein

Hinweis, kein gar nichts; wir haben nie mehr über

ISAF gesprochen. Und nun war die Frage.

Und dann habe ich drei Berichte genannt. Erstens

die Meldung von Klein, zweitens den ‚N.-Bericht„
und drittens den ‚Feldjägerbericht„. Und da sagte
der Minister: Ja, dann muss es wohl bei der Bild-
1168) Spiegel vom 30. November 2009, „Die Schweigespirale“ (Fn.

1168).
1169) Spiegel vom 30. November 2009, „Die Schweigespirale“ (Fn.

1168).

1170) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 16.

Zeitung um diesen Bericht gehen. – Dann war de-
finiert, um welchen Bericht es geht, an der Stelle.

Und dann hat Wichert nachgeschoben: Und den

Rot-Kreuz-Bericht. – Das erwähne ich deshalb,
weil die Unklarheit der Situation deutlich wurde;

denn jetzt hätte der Minister oder der Schneider-

han sagen müssen: Um den kann es ja nicht gehen,

den kannte der Minister ja. – Der ist aber wider-
spruchslos erwähnt worden als Bericht, den es

auch noch gibt, obwohl er schon bekannt war. Ich

will nur skizzieren, dass die Lage nicht so eindeu-

tig war.

Also, es ging um den ‚Feldjägerbericht„. Ich habe
dann erzählt, vorgetragen, dass ich dem Minister

Jung den ‚Feldjägerbericht„ vorgestellt habe und
der auf meine Empfehlung hin den ‚Feldjägerbe-
richt„ zur NATO gegeben habe. Das war es. Wir
bekamen dann den Auftrag, nun so schnell wie

möglich die in Rede stehenden Berichte – also die
drei, die ich nun schon mehrfach genannt habe –
dem Minister vorzulegen und uns für ein Gespräch

bereitzuhalten.

Ich bin zurück ins Büro. Wie das dann so ist. Die,

die das Militär kennen, wissen, wie das jetzt geht:

Alles halt. Neue Lage. Ich brauche sofort. – Dann
haben die mich gefragt: Was ist jetzt los? Dann

habe ich es erklärt, und dann haben die begonnen,

zu arbeiten. Ich bin noch mal zu Wichert, um zu

versuchen, abzustimmen, dass der jetzt nicht den-

selben Auftrag noch mal gibt und der Stab endgül-

tig ins Schleudern gerät. Kurz vor 17 Uhr hat das

Büro Wichert dem Minister gemeldet, dass wir ge-

sprächsfähig seien.

Ich wurde kurz vor 17 Uhr für 17 Uhr ins Minis-

terbüro gerufen. Mein Oberst folgte mir mit flie-

henden Rockschößen und diesem Aktenordner mit

diesen Berichten. Im Vorzimmer des Ministerbü-

ros wurde ich getrennt von Oberst und Bericht, in-

dem die Leiterin des Ministerbüros dem Oberst ge-

sagt hat: Legen Sie den Bericht da hin. – Und ich
wurde ins Ministerbüro geschoben, und die Türe

ging zu.

Und da habe ich erfahren, dass wir ein gestörtes

Vertrauensverhältnis haben, was dem Minister

sehr weh tut und leid tut. – Ich habe dann gesagt:
Dann müssen wir jetzt eine Lösung finden. – Und
die Lösung kennen Sie.“1171

Sein Entlassungsgesuch habe er dann selbstständig ver-

fasst:

„Herr Minister, Sie haben Ihre Erklärung vom
6.11.09 zum Luft-Boden-Einsatz in Kunduz [am

4.9.] auf der Grundlage des Abschlussberichts

COM ISAF abgegeben. Andere Zwischenberichte,

Berichte und Meldungen wurden Ihnen nicht vor-

gelegt. Dafür übernehme ich die Verantwortung.
1171) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 16.

Drucksache 17/7400 – 156 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Deshalb bitte ich Sie, mich von meinen Dienst-

pflichten zu entbinden und in den Ruhestand zu

versetzen.

Mit respektvollen Grüßen

Wolfgang Schneiderhan“

Er habe diesen Bericht bewusst im Passiv geschrieben,

weil er ja nicht agiert habe in dieser Woche, sondern sein

Stab in seiner Abwesenheit.

„Also nicht ich habe nicht vorgelegt, sondern: Es
wurden.“1172

Anwesend bei dem Gespräch waren nach seiner Wahr-

nehmung der Minister, die Leiterin Ministerbüro, Staats-

sekretär Dr. Wichert und er selbst. Die Leiterin Minister-

büro habe sich Notizen gemacht.

Ihm sei auch die neue Sitzordnung aufgefallen. Dort, wo

sonst der Minister gesessen habe, habe die Leiterin Minis-

terbüro gesessen, während der Minister mit dem Rücken

zur Wand gesessen habe.
1173

Erst vier Monate später habe er aus der Bild-Zeitung er-

fahren, dass der Adjutant des Ministers, Oberst Braun-

stein bei dem Gespräch dabei gewesen sei.
1174

„Ich habe den Oberst Braunstein nicht registriert,
und ich habe ihn bis heute nicht auf meinem Bild-

schirm. Ich kann mich martern in der Vorbereitung

auf diese Sitzung, solange ich will: Er taucht für

mich nicht in meiner Erinnerung auf. Das ist der

Sachverhalt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Wenn der Herr Braunstein sagt, dass er da war,

dann habe ich da eben nicht aufgepasst und habe

ihn nicht gesehen, und ich habe eine schlechte

Erinnerung oder wie Sie das interpretieren. Wie es

interpretiert wird, habe ich ja schon gelesen in der

Bild-Zeitung; das ist damit auch klar. Dass es auch

benutzt wird, Schwächen meiner Erinnerung zu

dokumentieren, das habe ich alles verstanden.

Darüber muss man mit mir nicht streiten; das ist

so. Ich habe den Oberst an diesem Nachmittag

nicht registriert; so ist das. Mehr kann ich dazu

nicht sagen.“1175

b) Aufzeichnungen der Leiterin Ministerbüro

Im Rahmen seiner Beweisaufnahme hat der Ausschuss

die handschriftlichen Notizen, die die Leiterin Minister-

büro während des Gespräches anfertigte, beigezogen
1176

und in die Beweisaufnahme mit einfließen lassen. Oberst

Braunstein wurde dort als einer der Anwesenden aufge-

führt.
1172) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 17.

1173) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 25.

1174) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 19.
1175) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 20.

1176) Beweisbeschluss 17-179; Schreiben BMVg vom 9. Juni 2010

(Dokument 161).

Den Gesprächsverlauf hielt die Büroleiterin wie folgt

fest:
1177

„25. 11.
BM, St W, GI

O Braunstein

BM

Grundl. seiner Einlassungen war COM ISAF-

Bericht.

Gibt es weitere Berichte?

Pause

St W

Außerdem noch Bericht d. Intern. Roten Kreuzes.

Kenne keinen weiteren Bericht.

GI

Weist auf die 1. Meldung von Oberst Klein hin.

BM

Gibt es einen nationalen U-Bericht?

St W

BM J. hat ang. keinen eigenen Bericht.

Es gibt keine eigenen Quellen.

BM

COM ISAF-Bericht hat mehrere Quellen.

Was haben wir dazu beigetragen.

St W

Es gab Zuarbeit von deutschen Soldaten.

Rechtsberater in Uniform –

Regularien der NATO …

BM

Gab es keine mündl. od. schriftl. Berichte?

GI

Meinen Sie den N[…]-Bericht oder Untersu-
chungsteam von Gen Maj. Sullivan

BM

Hat es von unserer Seite vor Ort eine Untersu-

chung gegeben?

GI

Es gab einen „ungefragten Bericht“ von Feldjä-
gern. Bericht -> sehr ungünstig für O. Klein.

BM

Wer hat Kenntnis vom Feldjägerbericht?

GI
1177) Bastek, handschriftliche Notizen (Fn. 1176, Dokument 161).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 157 – Drucksache 17/7400
Muss ich überprüfen, ob Bericht weitergeleitet

wurde.

BM

Der FeldJgBericht soll Medium vorliegen.

Ist von großer Relevanz für meine Bewertung.

GI

Bericht sei nicht über das hinaus gegangen, was im

ISAF-Bericht stand.

GI

Gespräch im Kunduz mit Sullivan.

Treffen mit Klein im Maritim Bonn

BM

Bitte Vorlage gesamtes Material, insb. Feldjäger-

bericht

Darstellung Abläufe d. Berichte.

Muss alle Inform. haben.“

Die Aufzeichnungen der Leiterin Ministerbüro hat der

Zeuge Schneiderhan als „korrekt“ bezeichnet.1178 Insbe-
sondere träfen sie Aussagen darüber, dass er nichts ge-

leugnet habe.
1179

„Was für einen Sinn hätte es denn gehabt, die
Existenz eines solchen Berichtes zu leugnen? Es

hätte den Minister mit seinem Planungsstab keine

fünf Minuten gekostet, dann wäre die Nummer ge-

platzt, weil sie diese Berichte teilweise alle in Ko-

pie in ihren Akten hatten.“1180

c) Darstellung Staatssekretär a. D.
Dr. Wichert

Der Zeuge Staatssekretär a. D. Dr. Wichert hat in seiner

Vernehmung den Verlauf des Gesprächs aus seiner Sicht

geschildert:

„Um circa 14.20 Uhr wurden der Gene-
ralinspekteur und ich zum Minister gebeten. An-

wesend war nach meiner Erinnerung auch die Lei-

terin des Ministerbüros; wir saßen so um den Tisch

herum. Der Minister berichtete, dass morgen die

Bild-Zeitung einen großen Artikel mit Angaben

zum Luftangriff vom 4. 9. bringen werde. Der Ar-

tikel stütze sich auf einen bisher ihm nicht bekann-

ten Untersuchungsbericht. Er fragte, ob es einen

solchen Bericht gebe. Ich verstand seine Frage so,

dass ein neuer eigener oder NATO-Un-

tersuchungsbericht von der Bild-Zeitung präsen-

tiert würde, und wies darauf hin, dass wir keine ei-

gene Untersuchung beauftragt hätten und mir eine

neue Untersuchung nicht bekannt wäre.
1178) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 35.

1179) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 36, 41.

1180) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 18.

Dann wurde aber sehr schnell klar, dass der Minis-

ter nicht nach neuen Untersuchungen, sondern

nach Berichten und Meldungen zeitnah nach dem

Luftangriff fragte. Der Generalinspekteur nannte

sofort und ohne erneute Nachfrage die ‚N.„-
Meldung, den Bericht durch Oberst Klein und den

‚Feldjägerbericht„, und ich meine, mich zu erin-
nern, dass der Minister bei der Erwähnung des

Wortes ‚Feldjägerbericht„ bestätigte, es handele
sich wohl um einen Bericht der Feldjäger. Er

wusste also nach meiner Erinnerung, dass es einen

solchen Bericht gab. Wie er die Information über

die bevorstehende Veröffentlichung erhielt, wer-

den Sie ihn ja sicher fragen. Ich ergänzte noch um

den Rot-Kreuz-Bericht und erklärte, dass ich den

‚Feldjägerbericht„ nicht kenne. Ich könne mir aber
gut vorstellen, dass es nach dem Vorfall eine Fülle

von Einzelmeldungen und Berichten gegeben ha-

ben könne, zum Beispiel in den so genannten Ein-

satztagebüchern.

Der Generalinspekteur berichtete dem Minister,

dass er den ‚Feldjägerbericht„ direkt und persön-
lich Minister Dr. Jung vorgelegt habe. Man sei ei-

nig gewesen, ihn der NATO für die damals laufen-

de Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Dies

sei auch geschehen.

Das Gespräch dauerte nur circa 10 bis 15 Minuten.

Es endete mit dem Auftrag des Ministers, sehr

kurzfristig alle Meldungen und Berichte zusam-

menzustellen und uns für ein weiteres Gespräch

mit ihm im Laufe des Nachmittags bereitzuhalten.

Diesen Auftrag nahm der Generalinspekteur mit.

Im Laufe des Nachmittags meldeten wir dem Mi-

nisterbüro, dass wir ab 17 Uhr mit den Unterlagen

zur Verfügung stünden. Über mein Büro erhielt ich

die Mitteilung, um 17.35 Uhr zum Minister zu

kommen. Der Minister führte mit mir ein Vierau-

gengespräch. Die von mir mitgeführten Unterlagen

interessierten ihn nicht. Er eröffnete das Gespräch,

indem er mir mitteilte, er habe kein Vertrauen in

meine Amtsführung und werde mich in den Ruhes-

tand versetzen. Er bedaure dies angesichts meiner

Verdienste in der Vergangenheit und werde künf-

tig meinen Rat suchen.“1181

Zur Frage der anwesenden Personen hat sich der Zeuge

Dr. Wichert erinnert, es hätten vier Personen um den

Tisch gesessen. Links neben ihm habe General Schnei-

derhan gesessen, rechts von ihm Frau Bastek. Rechts von

ihr habe der Minister gesessen. Nach seiner Erinnerung

habe an dem Tisch keine fünfte Person gesessen.
1182

Er

wisse nicht, wo Herr Braunstein behaupte, gesessen zu

haben. Er habe ihn nicht in Erinnerung.
1183
1181) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 75 f.

1182) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 99.

1183) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 54.

Drucksache 17/7400 – 158 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Entgegen den Notizen von Frau Bastek sei seine Erinne-

rung, dass der Minister nach „Untersuchungen“ gefragt
habe, nicht nach „Berichten“.1184

d) Darstellung Bundesminister der Verteidi-
gung zu Guttenberg

Das Gespräch in seinem Amtszimmer hat der Zeuge

zu Guttenberg ebenfalls aus seiner Sicht geschildert:

„Ich bat daher umgehend – es muss am frühen
Nachmittag des 25. November kurz nach 14 Uhr

gewesen sein – Staatssekretär Dr. Wichert und
General Schneiderhan zu mir, um sie zu befragen.

An der Besprechung nahmen außerdem meine Bü-

roleiterin, Frau Bastek, sowie mein damaliger Ad-

jutant, Oberst Braunstein, teil. Es waren also in-

sgesamt fünf Personen bei dem Gespräch anwe-

send.

Da ich noch immer nicht wusste, um welche Do-

kumente es sich handelte, erkundigte ich mich bei

beiden, also bei General Schneiderhan und Staats-

sekretär Dr. Wichert, ob es zum Kunduz-Vorfall

noch weitere, vor allem deutsche Berichte gebe.

Dies wurde verneint. Auf eine zweite Nachfrage

verwies Staatssekretär Dr. Wichert auf den IKRK-

Bericht. Dieser war mir bekanntlich längst be-

kannt. Ich fragte daher erneut, ob es einen nationa-

len Untersuchungsbericht zu Kunduz gäbe. Dies

wurde nach meiner Erinnerung von Staatssekretär

Dr. Wichert verneint mit dem Hinweis, dass auf

die Durchführung einer nationalen Untersuchung

verzichtet worden sei, um die Arbeit der NATO-

Untersuchungskommission in jeder Hinsicht un-

beeinflusst zu gewährleisten.

Ich insistierte, dass es zumindest einen nationalen

Bericht geben müsste. Ich wies auf die Recherche

der Bild-Zeitung hin. Erst daraufhin erwähnte Ge-

neral Schneiderhan von sich aus die Meldung von

Oberst Klein und den Bericht von Oberst N. und

einen so genannten Bericht des Feldjägerführers.

Von sich aus fügte General Schneiderhan ebenfalls

hinzu, dass dieser für Oberst Klein möglicherweise

nachteilig sei.“1185

Minister zu Guttenberg hat weiter geschildert:

„Insbesondere auch diese Einschätzung, meine
Damen und Herren, war nicht dazu angetan, meine

zwischenzeitlich eingetretene Irritation und Verun-

sicherung zu zerstreuen.

Herr Wichert erklärte, dass er einen Bericht des

Feldjägerführers nicht kenne. In Gedanken fragte

ich mich in diesem Moment schon: Der für Einsät-

ze verantwortliche Staatssekretär kennt nicht einen

‚Feldjägerbericht„, der nach Auffassung des Gene-
1184) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 54.

1185) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 9 f.

ralinspekteurs für Oberst Klein möglicherweise

nachteilig ist?

Ich wies an, mir diese Berichte unverzüglich vor-

zulegen, worauf General Schneiderhan anmerkte,

ihm sei momentan nicht bekannt, wo sich diese

Berichte befänden. Dies konnte ich nicht gelten

lassen und blieb bei meiner Forderung, die Berich-

te umgehend zu erhalten. Das Gespräch war been-

det.“1186

Zur Sitzordnung hat sich Minister zu Guttenberg erinnert,

sein Adjutant habe neben General Schneiderhan gesessen.

Er selbst habe mit Blick ins Zimmer gesessen, gegenüber

von ihm saßen Herr Schneiderhan und Staatssekretär

Dr. Wichert. Neben ihm habe Frau Bastek gesessen.
1187

e) Darstellung Brigadegeneral Braunstein

Gemäß der Zeugenaussage von Brigadegeneral Braun-

stein seien bei dem Gespräch der Minister, Staatssekretär

Dr. Wichert, der Generalinspekteur, Frau Bastek und er

anwesend gewesen.
1188

Den Verlauf des Gesprächs hat

Brigadegeneral Braunstein dem Untersuchungsausschuss

so dargestellt:

„Wir haben uns dann alle im Vorzimmer des Mi-
nisters versammelt. […] Daraufhin habe ich die
Herren hereingebeten. Frau Bastek ist mit mir zu-

sammen dann in den Raum eingetreten. Der Minis-

ter hat einen großen, ich sage mal: ovalen Bespre-

chungstisch. An dem haben wir gesessen, er an

seinem Stammplatz, wenn ich das mal so sagen

möchte, vorne, wenn man reinkommt in den

Raum, auf der linken Seite. […] Am Kopfende,
mir gegenüber, hat Frau Bastek gesessen, auf der

rechten Seite, also dem Minister sozusagen gege-

nüber, Staatssekretär Dr. Wichert. Danach kam der

Generalinspekteur, und ich habe sozusagen auf der

anderen Seite am Kopfende gesessen, in der Nähe

zur Tür, und der andere Platz neben dem Minister

ist frei geblieben. Der Minister […] hat dann die
Frage gestellt, inwiefern es noch weitere Erkenn-

tnisse, Unterlagen oder so etwas geben würde. Das

haben die beiden Herren, also Herr Dr. Wichert

und General Schneiderhan, verneint mit dem Hin-

weis darauf, dass es ja eine Entscheidung gegeben

hatte von Dr. Jung, keine nationale Untersuchung

durchzuführen, sondern ISAF zu unterstützen, und

demzufolge gebe es sonst nichts. Daraufhin hat der

Minister nachgefasst, […]. Daraufhin hat Herr
Staatssekretär Dr. Wichert dann den Bericht des

Internationalen Roten Kreuzes erwähnt. Daraufhin

hat der Minister noch mal die Frage nach weiteren

Unterlagen gestellt, woraufhin der Generalinspek-

teur den zweiseitigen Bericht von Oberst Klein er-

wähnte und, ich meine – jetzt ist mir der Name –
Ich meine, er hieß N., auf jeden Fall der Offizier,
1186) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 9 f.

1187) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 40.

1188) Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 10.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159 – Drucksache 17/7400
der in diesem Fact Finding Team gewesen ist, das

unmittelbar am Anfang in Kunduz gewesen ist. Ich

möchte vielleicht zu meiner persönlichen Befind-

lichkeit sagen, dass ich mich – ja, es geht mir jetzt
eigentlich fast immer noch so – in diesem Ge-
spräch, in Bezug auf dieses Gespräch eigentlich

sehr unwohl gefühlt habe, weil Minister zu Gut-

tenberg – zumindest war das so meine Wahrneh-
mung – immer wieder in den Zwischenfragen aus-
führte, dass es ja durchaus sein könnte, dass Unter-

lagen auch im Einsatz entstehen von Leuten, die

das gut meinen, gar nichts Böses im Schilde füh-

ren, und dass wir vielleicht diese Unterlagen, die

halt so im Einsatz produziert werden, gar nicht alle

kennen würden. Er führte dann auch noch aus,

dass es ja sein könnte, dass aufgrund der Regula-

rien, die er nicht kennen würde, nationaler, inter-

nationaler Regularien, eventuell auch Ermittlungen

begonnen würden, die quasi gar nicht von oben,

wenn ich das jetzt mal so sagen will, angeschoben

werden. Also, aus meiner Wahrnehmung – das will
ich eigentlich damit sagen – hat er da versucht,
goldene Brücken sozusagen zu bauen, und auf die-

se letzte Einlassung seinerseits, nämlich, ob nicht

vielleicht qua Amt sowieso Ermittlungen begon-

nen würden im Einsatz, hat der Generalinspekteur

dann geantwortet, es könnte sein, dass der Minister

vielleicht einen Bericht meint, der von den Feldjä-

gern geschrieben wurde. […] Ich, weil es auch zu
meinen Funktionen so ein bisschen gehört, bin

dann, nachdem der Minister das Gespräch beende-

te, zur Tür gegangen, habe dieselbige geöffnet. Die

Herren sind dann mit mir zusammen rausgegan-

gen. Ich habe dann die Tür hinter mir geschlossen,

und damit war das Gespräch beendet.“1189

Ihm sei bei dem Gespräch „unwohl“ gewesen,

„weil ich das Gefühl hatte, dass der Minister – ja,
wie soll ich das jetzt ausdrücken? – den Herren
ganz einfach die Möglichkeit gab, selber mit die-

sem Wissen sozusagen an ihn heranzutreten, und

obwohl er alle möglichen Hinweise gegeben hat,

sind die über diese Brücke, wenn ich das mal so

sagen möchte, ganz einfach nicht drüber gegan-

gen.“1190

Er habe das Gefühl gehabt, man müsse den beiden Herren

etwas „aus der Nase ziehen“.1191

General a. D. Schneiderhan hat gegenüber dem Aus-

schuss erklärt, er habe das wiederholte Nachfragen des

Ministers nicht so wahrgenommen, dass dieser ihm hier-

durch eine „goldene Brücke gebaut“ hätte:1192
1189) Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 10 f.
1190) Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 14.

1191) Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 14.

1192) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 41.

2. Berichterstattung über das Gespräch im
Ministerbüro

Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,

wie die Informationen aus dem vertraulichen Gespräch im

Ministerbüro an die Öffentlichkeit – insbesondere durch
die Berichterstattung im Magazin Spiegel – gelangt sind.
Hierzu hat der Ausschuss die Beteiligten vernommen.

Feststellungen konnte er jedoch nicht treffen.

3. Unterrichtung des Deutschen Bundesta-
ges über Entlassung und Ankündigung ei-
ner Neubewertung

Am Morgen des 26. November 2009 unterrichtete Bun-

desminister der Verteidigung zu Guttenberg den Deut-

schen Bundestag darüber, dass der Bericht, über den die

Bild-Zeitung am gleichen Tage berichte, ihm zum Zeit-

punkt seiner Erklärung zu dem Bericht des ISAF-

Kommandeurs am 6. November 2009 nicht bekannt ge-

wesen sei. Er habe ihn jetzt zum ersten mal vorgelegt

bekommen. Dieser Bericht sei – wie andere Berichte und
Meldungen aus der letzten Legislaturperiode – nicht vor-
gelegt worden. Hierfür sei an maßgeblicher Stelle Ver-

antwortung übernommen worden und es seien personelle

Konsequenzen erfolgt. Der Generalinspekteur habe ihn

gebeten, ihn von seinen Dienstpflichten zu entbinden.

Ebenso habe Staatssekretär Dr. Wichert Verantwortung

übernommen.
1193

Er erklärte weiter, er werde selbstver-

ständlich eine eigene Neubewertung der Fälle auf der

Grundlage der Berichte, die ihm in einer Gesamtschau

gegeben worden seien, vornehmen.
1194

4. Rücktritt Bundesminister für Arbeit und
Soziales Dr. Jung

Einen Tag später, am 27. November 2009, unterrichtete

der damalige Bundesminister für Arbeit und Soziales

Dr. Jung die Bundeskanzlerin, dass er sein Amt zur Ver-

fügung stelle. Er übernehme damit die politische Verant-

wortung für die interne Informationspolitik des Bundes-

verteidigungsministeriums gegenüber dem Minister be-

züglich der Ereignisse vom 4. September in Kunduz. Er

habe sowohl die Öffentlichkeit als auch das Parlament

über seinen Kenntnisstand korrekt unterrichtet.
1195

III. Neue Erkenntnisse aus der Dokumenten-
lage nach dem 25. November 2009

Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,

welche Erkenntnisse Minister zu Guttenberg zu seiner

Neubewertung des Luftschlages bei Kunduz kommen

ließen.

Der Zeuge zu Guttenberg hat dem Untersuchungsaus-

schuss erklärt:
1193) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/7 (Fn. 13, Dokument 13), S. 388.
1194) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/7 (Fn. 13, Dokument 13), S. 390.

1195) Mitschrift Pressekonferenz, Pressestatement von Bundesminister

Dr. Franz Josef Jung vom 27. November 2009 (Dokument 162).
Drucksache 17/7400 – 160 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Insgesamt ergab sich im Zuge des 25. November
ein weit kritischeres Bild der Abläufe am

4. September und ihrer Behandlung im BMVg, als

es mir bis zum 6. November gezeichnet wur-

de.“1196

Dieses Bild habe sich aus der für ihn neuen Dokumenten-

lage ergeben. Kurz nach dem Gespräch mit Generalin-

spekteur Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Wichert

habe der Adjutant des Generalinspekteurs dem Büro des

Ministers den „Feldjägerbericht“ übergeben. Dem „Feld-
jägerbericht“ sei eine Bewertungsvorlage des Einsatzfüh-
rungsstabes vom 16. September 2009 vorgeheftet gewe-

sen. Darin sei bereits von eigenständigen Bewertungen

des „Feldjägerberichts“ die Rede gewesen. Es sei darauf
hingewiesen worden, dass dem „Feldjägerbericht“ zahl-
reiche Anlagen beigefügt seien. Dazu hätten auch Videos

gehört, von deren Existenz er, Minister zu Guttenberg, bis

dahin nie gehört hätte. Der Bericht sei dieser Vorlage

zufolge als Geheim eingestuft und nur in wenigen Exemp-

laren vorhanden gewesen. Bei dieser Bewertung des

„Feldjägerberichts“ habe es sich um eine Bewertung ge-
handelt, die im BMVg, wie auch der „Feldjägerbericht“
selbst, schon länger vorgelegen habe und nicht erst jetzt

erstellt worden sei.
1197

Im weiteren Verlauf des Nachmittags sei dem Minister

ein zusätzlicher Ordner mit den während des vorangegan-

gen Gesprächs genannten Dokumenten sowie weiteren

ihm bis dahin ebenfalls nicht bekannten Unterlagen über-

geben worden.
1198

Dem Minister sei relativ schnell klar

gewesen, dass diesen Dokumenten für eine Gesamtbeur-

teilung, wie sie von einem Bundesminister der Verteidi-

gung erwartet werde, eine zentrale Bedeutung zukom-

me.
1199

Die Gründe hierfür hat er in seiner Vernehmung

dargelegt:

„Erstens. Es handelt sich zum Teil um nationale
Bewertungen deutscher Dienststellen mit Anlagen

und Videos. Diese muss ich auch bei Vorlagen

internationaler Berichte in jedem Fall kennen.

Zweitens. Alle Berichte stellen unmittelbar auf das

konkrete Geschehen ab und orientieren sich am

Sachverhalt. Meine kurzfristig selbst vorgenom-

mene Überprüfung ergab zudem, dass sie nicht in

der Anlage zum COM ISAF-Bericht aufgeführt

waren, dessen Auswertung bislang die einzige

Grundlage war, die mir vorgelegt wurde.

Drittens. Der Hinweis von General Schneiderhan,

dass der ‚Feldjägerbericht„ möglicherweise nach-
teilig für Oberst Klein sei, während der

COM ISAF-Bericht bis dahin von ihm und Staats-

sekretär Dr. Wichert als uneingeschränkt positiv

beurteilt wurde, ließ es zumindest als möglich er-

scheinen, dass dort eine andere Sichtweise des
1196) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12 f.
1197) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 10 f.

1198) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11.

1199) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11.

Vorgangs dargelegt war. Allein dies machte es

unabdingbar, diese Dokumente auszuwerten.“1200

Ein Großteil dieser Dokumente sei zwar der Untersu-

chungskommission des COM ISAF zur Verfügung ge-

stellt worden. Diese seien jedoch in dessen Abschlussbe-

richt nicht namentlich erwähnt gewesen.

Im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden neuer Do-

kumente stellte der Planungsstab dem Minister eine Liste

zusammen, in der neben den genannten auch noch weitere

Dokumente aufgeführt wurden. Diese diente auch als

Grundlage für seine Information der Öffentlichkeit und

des (Verteidigungs-, Anm.) Ausschusses.
1201

1. Erkenntnisse aus dem IAT-Bericht

Der Umfang der zivilen Opfer, auf den der Bericht des

Initial Action Teams hinweist, habe das Lagebild, das der

Minister bis zu diesem Zeitpunkt hatte, verändert. Bis

zum 6. November habe es nach seiner Darstellung seitens

des Ministeriums geheißen, man könne den COM ISAF-

Bericht auch so lesen, dass es möglicherweise gar keine

zivilen Opfer gegeben hätte, da dieser lediglich von einer

Spanne zwischen 17 und 142 Opfern ausgehe und offen

lasse, ob darunter Unbeteiligte fallen. Minister zu Gutten-

berg habe die Lage jedoch damals bereits anders einge-

schätzt und dies auch öffentlich dargestellt. Er habe auch

erst später erfahren, dass

„hier in der ursprünglichen Kommunikationsstra-
tegie direkt nach dem 4. September nicht alles –
um es gelinde zu sagen – optimal lief […].“1202

2. Erkenntnisse aus dem „Feldjägerbericht“

Bundesminister zu Guttenberg hat anhand des „Feldjäger-
berichtes“ geschlussfolgert, dass von Anfang an in größe-
rem Umfang von zivilen Opfern ausgegangen wurde. Der

Umstand, dass im Bericht zivile Opferzahlen festgelegt

wurden und von einer Notwendigkeit von Entschädi-

gungszahlungen ausgegangen wurde, habe hierfür gespro-

chen.
1203

Anlagen des „Feldjägerberichts“, wie zum Bei-
spiel Gesprächsprotokolle, hätten Hinweise auf ein mög-

licherweise beabsichtigtes „Ausschlachten“ der Tanklast-
wagen durch die Aufständischen geliefert, welches die

von ihnen ausgehende Gefährdung hätte reduzieren kön-

nen und den Luftschlag damit gegebenenfalls hätte obso-

let machen können, mit Blick auf Alternativen.
1204

Eine

Aussage des Feldjägerführers Oberstleutnant B. in dessen

Bericht habe den Minister besonders beunruhigt. Sie

lautete: ‚Die Klärung der offenen Punkte bzw. möglichen
Versäumnisse hat besondere Bedeutung, da aufgrund der

im PRT Kunduz vorhandenen Aufklärungsergebnisse

offensichtlich war, dass der Bombenabwurf zu zahlrei-
1200) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11.
1201) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11; Verteidigungsaus-

schuss vom 27. November 2009, Protokoll-Nr. 3

(Dokument 163), S. 10 f.
1202) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.

1203) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.

1204) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 161 – Drucksache 17/7400
chen Toten und Verletzten führen wird bzw. geführt hat,

ohne dass unmittelbar vor und nach dem Vorfall adäquat

gehandelt wurde.„1205

In die Bewertung des „Feldjägerberichts“ floss auch eine
Bewertung des Einsatzführungsstabes vom 16. September

2009
1206

ein. Sie lautet:

„Würde der Bericht ohne begleitende fachliche
Kommentierung in eine zum Beispiel juristische

Untersuchung eingebracht, ist eine negative Impli-

kation nicht auszuschließen.“1207

Für ihn sei ein „Feldjägerbericht“ ein nationaler Ansatz
und ein nationaler Untersuchungsteil. Er sehe einen gro-

ßen Unterschied zwischen einer nationalen und einer

internationalen Untersuchung.
1208

Die Zeugen Schneiderhan, Dr. Wichert, Dr. Schlie Gene-

ral Ramms, Konteradmiral Krause und OTL B. V. haben

erklärt, dass der Feldjägerbericht aus ihrer Sicht keinen

wesentlichen zusätzlichen Informationen enthielt, die

nicht im COM ISAF-Bericht enthalten waren.
1209

Der

Zeuge V. hat hierzu vor dem Untersuchungsausschuss

ausgesagt, dass er als Einziger aus dem JIB den Bericht

gelesen habe aufgrund der Kennzeichnung „nur für
Deutsche“.1210

3. Erkenntnisse seitens des Befehlshabers
Einsatzführungskommando

Der damalige Bundesminister zu Guttenberg ging nach

eigener Darstellung bis zu seiner Erklärung am 6. No-

vember 2009 und auch darüber hinaus bis zum 25. No-

vember 2009 davon aus, dass hinsichtlich der Angemes-

senheit des Luftschlages auf fachlicher Ebene Einhellig-

keit geherrscht habe.
1211

Er habe erst im Zuge des 25.

November 2009 erfahren, dass innerhalb der Generals-

ebene von Anfang an ein unterschiedliches Meinungs-

spektrum vorhanden gewesen sei. Dies habe sich nicht

zuletzt aus dem Bericht von Brigadegeneral Vollmer er-

geben.
1212

Am 30. November 2009 führte Minister zu Guttenberg

ein Gespräch mit dem Befehlshaber Einsatzführungs-

kommando der Bundeswehr Generalleutnant Glatz.

„General Glatz wies mich dabei auch auf den bis-
herigen Umgang mit dem ‚Feldjägerbericht„ hin.
Darüber hinaus war in dem Gespräch unter ande-

rem die Rede davon, dass auch ein Verzicht auf
1205) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12 f.
1206) EinsFüStab, Kurzauswertung Vorläufiger Feldjägerbericht für

Gespräch mit GI (Fn. 695, Dokument 109).

1207) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
1208) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 66.

1209) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 15, Teil I, S. 33, 39, 41; Wichert,

Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 72, 83, 96; Schlie, Protokoll-Nr. 27,
Teil I, S. 34, 35, 51, 52; Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5;

Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 4 und 5; V., Protokoll-Nr. 22,

Teil I, S. 21; Mat. 17-22a, Ordn. 4, GI, Bl. 66.
1210) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 22, 29.

1211) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.

1212) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12 f., 69.

den Luftschlag vertretbar gewesen wäre. Auch

wurde – ich erinnere mich daran sehr genau – von
der Möglichkeit eines Riesenfehlers gespro-

chen.“1213

Hinsichtlich seiner Bewertung der Angemessenheit des

Luftangriffs hat Generalleutnant Glatz vor dem Untersu-

chungsausschuss ausgeführt:

„Das habe ich dann auch dem Minister zu Gutten-
berg so vorgetragen am 30. 11. Ich habe damals

sinngemäß geäußert, wenn ich mich richtig erinne-

re: Erstens. Ich bin der Auffassung, dass es mögli-

cherweise zu Versäumnissen und Fehlern im Füh-

rungsvorgang gekommen sei, vor der Entschei-

dung zum Luftangriff; dass es möglicherweise –
und das ergab sich ja schon aus dem Bericht des

Initial Action Teams, der zu diesem Zeitpunkt vor-

lag – Fehler, Versäumnisse gegeben haben könnte
– alles bewusst im Konjunktiv – in der Anwen-
dung der Standing Operation Procedures und der

RoE, und wenn dieses beides so wäre, es zu einer

fehlerhaften Entscheidungsfindung und auch zu

einer fehlerbehafteten Entscheidung gekommen

sein könnte. Ich habe die Aussage dann sinngemäß

damit beendet, dass es dann möglicherweise ein

Fehler – ich glaube, ich habe sogar gesagt: Riesen-
fehler – des Oberst Klein gewesen sein könnte; al-
lerdings unter dem Vorbehalt – das habe ich da-
mals sehr deutlich gemacht –, dass zu diesem Zeit-
punkt noch niemand angehört war und damit auch

der Rechtsgrundsatz des ‚audiatur et altera pars„
nicht gewahrt war. Das heißt, ohne eine Anhörung

des Oberst Klein, ohne eine Anhörung des anderen

Personals hätte man zu einer abschließenden Be-

wertung – und deswegen habe ich sehr wohl sehr
vorsichtig im Konjunktiv formuliert – nicht kom-
men können.“1214

Diese Einschätzung hatte Generalleutnant Glatz nach

eigener Darstellung zu einem früheren Zeitpunkt dem

Generalinspekteur schon vorgetragen.
1215

Vor dem Aus-

schuss hat General a. D. Schneiderhan die Einschätzung

von Generalleutnant Glatz wie folgt kommentiert:

„Ja, da kann ich sagen: Ja, wenn alle diese Kon-
junktive zutreffen, hast du recht. Aber er hat mir

nicht gesagt, dass die zutreffen. Insofern: To

whom it may concern. Was soll ich damit anfan-

gen? Das kann ich im Grunde auch selber sagen,

nicht: Wenn das und das so gewesen wäre, dann

wäre – Ich meine, ich erwarte vom Befehlshaber
Einsatzführungskommando hier eine klare Beurtei-

lung der Lage, dass er sagt: ‚Das war so, und folg-
lich war das ein Fehler„, und nicht, mir so ein Ding
hinzulegen mit Tausend hypothetischen Gedanken.

Darauf komme ich alleine; ich bitte um Entschul-

digung. Damit kann ich nichts anfangen, von ei-
1213) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.
1214) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67.

1215) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 70; Schneiderhan, Protokoll-

Nr. 14, Teil II, S. 21.
Drucksache 17/7400 – 162 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nem Dreisternegeneral; das muss ich sehr hart sa-

gen. Das ist Absicherungsgerede: Ich habe alles

dem Generalinspekteur hingeschoben, und für den

Rest ist der zuständig.“1216

General Schneiderhan habe Generalleutnant Glatz immer

gesagt, man müsse sich in die Lage von Oberst Klein zum

Zeitpunkt seiner Entscheidung hineinversetzen, und aus

dieser Perspektive beurteilen.

„Und jetzt darf viel passieren, nur nicht eines: dass
wir öffentlich über Alternativen reden. Dann ist

der Oberst Klein kaputt, bevor es richtig losgeht an

Untersuchungen.“1217

4. Erkenntnisse aus dem Bericht von Oberst
Klein

Im Rahmen seiner Neubewertung habe den Minister die

Wortwahl von Oberst Klein in seinem Bericht stutzig

gemacht. Sie lautete:

„Am 4. September 2009 um 1.51 Uhr entschloss
ich mich, zwei am Abend des 3. September 2009

auf der LOC Pluto durch INS entführte Tanklast-

wagen, sowie die an den Fahrzeugen befindlichen

INS durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu

vernichten.“1218

Zunächst habe er geglaubt, die offenbar drastische subjek-

tive Lage – der Begriff „vernichten“ tauchte nach seiner
Wahrnehmung so zum ersten mal auf – könnte objektive
Handlungs-alternativen überlagert haben. Der Minister

wisse jedoch jetzt, dass „vernichten“ ein militärfachlicher
Begriff ist, der in den einschlägigen Dienstvorschriften

klar definiert ist.
1219

Für die Neubewertung des Ministers

am 3. Dezember 2009 habe damals jedoch gerade diese

Begrifflichkeit, das Lesen auch dieser Meldung, durchaus

eine entsprechende Wirkung gehabt.
1220

General a. D.

Schneiderhan hat die Meldung von Oberst Klein vom 5.

September 2009 als „wichtiges Dokument“ bezeichnet,
weil sie die Erstmeldung des „Verursachers“ war.1221

IV. Militärischer Ratschlag für die politische
Leitung zur Vorbereitung einer Neubewer-
tung

Nach dem Gespräch des Ministers mit Generalleutnant

Glatz am 30. November 2009 fand ein weiteres Gespräch

in größerer Runde statt.
1222

Hierzu lud der Minister neben

Generalleutnant Glatz auch den Staatssekretär im Bun-

desministerium der Verteidigung Wolf, den stellvertreten-

den Generalinspekteur und Inspekteur Streitkräftebasis,

den Leiter Einsatzführungsstab, sowie den Leiter Presse-
1216) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 21.

1217) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 41.
1218) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2.
1219) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 13.

1220) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 28.
1221) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.

1222) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 25; E-Mail Braunstein

(Dokument 164).

und Informationsstab ein. Ebenfalls teil nahmen die Leite-

rin Ministerbüro Bastek sowie der Adjutant des Ministers,

Oberst Braunstein. Ziel des Gesprächs war es, vor dem

Hintergrund der vorliegenden Unterlagen die Bewertung

des Vorfalls zu überprüfen und gegebenenfalls zu einer

Neubewertung zu kommen. Aus diesem Gespräch sollte

ein militärischer Ratschlag für die politische Leitung

formuliert und dem Minister vorgelegt werden.
1223

Der Zeuge Staatssekretär Wolf leistete gemäß seiner Aus-

sage vor dem Untersuchungsausschuss keinen Beitrag

hinsichtlich der Einschätzung der militärischen Angemes-

senheit des Luftschlages.
1224

Er habe den Eindruck ge-

habt, dass der Minister dazu geneigt habe, seine Bewer-

tung zu korrigieren, nicht aber, dass der Minister bereits

mit einem vorgefassten Entschluss in diese Besprechung

gegangen sei.
1225

Der Zeuge Vizeadmiral Kühn gab auf die Frage, ob es bei

diesem Gespräch am 30. November 2009 um eine Kor-

rektur der Bewertung ging, an:

„Nein, nach meinem Eindruck war das vollkom-
men offen […]“.1226

Der stellvertretende Generalinspekteur und Inspekteur

Streitkräftebasis, der Zeuge Vizeadmiral Kühn, wurde im

Rahmen der Gesprächsrunde um einen Vorschlag zum

weiteren Vorgehen auch und gerade vor dem Hintergrund

der umfassenden Erkenntnisse und damit verdichteten

Informationen gebeten.
1227

Er machte daraufhin deutlich,

dass die am 29. Oktober vom Generalinspekteur und

Anfang November vom Minister getroffene Bewertung

als „im Kern militärisch angemessen“ für ihn aufgrund
der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse nach-

zuvollziehen gewesen war. Er machte aber auch deutlich,

dass er vor dem Hintergrund der fast drei Monate später

vorliegenden Erkenntnisse und vor allem aus der Distanz

zum Ereignis auch eine Weiterentwicklung der Bewer-

tung für möglich halte und vor allem aus der Gesamt-

schau der heute vorliegenden Erkenntnisse es auch Alter-

nativen des Handelns gegeben hätte.
1228

Dies sei eine

Erkenntnis, die natürlich auch mit seiner Lebenserfah-

rung, auch aus seinem Erfahrungsschatz als Soldat, ver-

bunden sei.
1229

Eine darüber hinaus gehende Beratung fand mit Vizead-

miral Kühn nicht statt.
1230

Es habe seinerseits weder eine

schriftliche Bewertung gegeben, noch habe er an irgen-

deiner Vorlage mitgewirkt. Er habe sich ausschließlich in

dieser mündlichen Bewertung gegenüber dem Minister

eingelassen.
1231

Was seine eigene Bewertungsgrundlage

betraf, hat der Zeuge Vizeadmiral Kühn erklärt, er habe

erstmals am 30. November 2009 die Gelegenheit gehabt,
1223) E-Mail Braunstein (Fn. 1222, Dokument 164).

1224) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 8.

1225) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 9
1226) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 7

1227) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 2 f.

1228) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 3.
1229) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6.

1230) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 3.

1231) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 163 – Drucksache 17/7400
sich in die Unterlagen zum Luftschlag in Kunduz ein-

schließlich der VS-Unterlagen einzulesen, um sich einen

persönlichen Eindruck über die Lageentwicklung seit dem

4. September 2009 zu verschaffen.
1232

Er hat erklärt:

„Für meine Bewertung reichte dieses Scannen die-
ser Unterlagen auch vollkommen aus, um zu er-

kennen, dass sich im Nachhinein aus dem warmen

Sessel heraus – ich sage das ganz bewusst so: aus
dem warmen Sessel heraus – und aus der Gesam-
theit – das ist entscheidend –, aus der Gesamtheit
dieser Unterlagen, aus der Gesamtheit des Bildes

eben durchaus auch Alternativen des Handelns er-

geben hätten.“1233

Er habe sich „diesen ganzen Berg“ – an einem Tag, so gut
es ging, zu Gemüte geführt, sodass er sich dann auch

hinreichend ein Urteil bilden konnte. Welcher Bericht,

welches Dokument ausschlaggebend für seine Beurtei-

lung war, vermöge er nicht zu sagen.
1234

Er habe sich bei

der Durchsicht keine Notizen gemacht.
1235

Im Einzelnen

erinnere er sich daran, dass der COM ISAF-Bericht Be-

standteil dieser Unterlagen gewesen sei.
1236

Der „Feldjä-
gerbericht“ sei nach seiner Wahrnehmung einer von vie-
len gewesen und habe keinen nachhaltigen Eindruck bei

ihm hinterlassen.
1237

Zu den Alternativen, die aus seiner

Sicht möglich gewesen wären, ließ der Zeuge Vizeadmi-

ral Kühn sich gegenüber dem Untersuchungsausschuss so

ein:

„Die erste Alternative wäre, nichts zu tun, die
zweite Alternative: ‚show of force„, die dritte Al-
ternative, eine Gruppe für eine weitere Aufklä-

rungsmission hinauszubringen – um einige Mög-
lichkeiten noch einmal aufzuzählen.“1238

Über die einzelnen Alternativen, die es seiner Ansicht

nach gegeben hätte, sei in der Runde am 30. November

2009 nicht gesprochen worden.
1239

Der Leiter Einsatzführungsstab, der Zeuge Konteradmiral

Krause, hat sich erinnert, dass während des Gespräches

die Korrektur der Bewertung durch den Minister nicht

festgelegt worden sei. Man habe darüber diskutiert, wie

man die Dinge sehen könne. Der Minister habe gesagt,

dass man diese Bewertung im Nachhinein, mit dem

kompletten Lagebild, das nun da sei, unabhängig von

dem, was Oberst Klein vorher als Lagebild hatte, korrigie-

ren könne.
1240

Auch in einem kleineren Kreis im An-

schluss an die Gesprächsrunde, an der der Zeuge Krause

teilnahm, habe der Minister angedeutet, dass er nun, vor

dem Hintergrund aller vorliegenden Informationen, zu

einer neuen Bewertung kommen könnte.
1241
1232) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 2.
1233) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 5.

1234) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 7 f.

1235) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 20.
1236) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 7.

1237) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 8.

1238) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 19.
1239) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 25.

1240) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 2.

1241) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 14 f.

Der Leiter Planungsstab im Bundesministerium der Ver-

teidigung, der Zeuge Ministerialdirektor Dr. Schlie, war

bei dem Gespräch am 30. November 2009 ebenfalls an-

wesend. Den Ablauf hat er dem Untersuchungsausschuss

in seiner Vernehmung so dargestellt:

„So hat der Bundesminister am 30. November aus-
führlich mit dem Befehlshaber des Einsatzfüh-

rungskommandos und anschließend in großer

Runde, an der unter anderem der Leiter des Ein-

satzführungsstabes, der damals amtierende Gene-

ralinspekteur Admiral Kühn, Staatssekretär Wolf

und ich teilgenommen hatten, eine Bewertung des

Luftschlages von Kunduz in all seinen Aspekten

vorgenommen, ohne dass es dabei damals zu einer

eindeutigen Schlussfolgerung und Empfehlung für

den Bundesminister gekommen wäre. Bestätigt

hingegen wurde, dass die frühe Absetzung von

Bundesminister zu Guttenberg von der Aussage, es

habe keine unbeteiligten Opfer gegeben, richtig

gewesen war. Ebenso richtig war es von ihm ge-

wesen, frühzeitig auf die in der Analyse jetzt im-

mer deutlicher hervortretenden Verfahrensfehler

hingewiesen zu haben.

Es waren diese Diskussionen in ihrer Gesamtheit

und meiner Einschätzung nach nicht eine abschlie-

ßende, mit Brief und Siegel festgehaltene Stel-

lungnahme des Hauses, die den Minister dann zur

Korrektur seiner Einschätzung der Angemessen-

heit des Luft-Boden-Einsatzes vom 4. September

gebracht haben.“1242

Der Zeuge Dr. Schlie hat sich vor dem Untersuchungs-

ausschuss erinnert, dass der Redebeitrag von Vizeadmiral

Kühn am Abend des 30. November 2009 nach seiner

Wahrnehmung „eher zurückhaltend“ gewesen sei.1243

Der Zeuge Dr. Schlie hat auf Nachfrage angegeben, dass

sich alle Anwesenden geäußert hätten, dass es aber kein

abschließendes Urteil oder Bewertung gegeben habe. Es

sei eher eine freie Diskussion gewesen.
1244

V. Untersuchung des Informationsflusses
innerhalb des Ministeriums

Am 1. Dezember 2009 erklärte Minister zu Guttenberg im

Rahmen einer fraktionsoffenen Sitzung der CDU/CSU-

Bundestagsfraktion mit dem Thema „Die Situation in
Afghanistan“:

„Ich habe Staatssekretär Wolf beauftragt, eine in-
terne Kommission zu leiten, die nicht nur eine

vollständige Aufklärung des Informationsprozes-

ses zum Gegenstand hat, sondern auch Folgerun-

gen und Empfehlungen vorlegt, um künftig sicher-

zustellen, dass die politische Leitung des Hauses

immer angemessen und unverzüglich informiert

wird. Ich habe zudem den Stellvertreter des Gene-
1242) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 24 f.

1243) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 38.

1244) Schlie, Protokoll-Nr. 27. Teil I, S. 57.

Drucksache 17/7400 – 164 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ralinspekteurs, Admiral Kühn, angewiesen weitrei-

chende ergänzende Untersuchungen durchzufüh-

ren. Die Ergebnisse lasse ich gegenwärtig in einer

Gesamtschau neu bewerten. Ich behalte mir vor,

auf Grundlage des neuen militärischen Ratschlags

durch Admiral Kühn meine eigene Bewertung,

falls notwendig, zu justieren.“1245

Sein mündlicher Auftrag an Staatssekretär Wolf hierzu

stammte aus dem November 2009. In seiner Folge beauft-

ragte Staatssekretär Wolf am 30. November 2009 den

zuständigen Leiter des Organisationsstabes um Vorlage

eines dezidierten Sachstandes, insbesondere zum internen

Informationsfluss im BMVg. Diese Weisung habe er

später dahingehend ergänzt, als es um die im Zusammen-

hang mit dem Luftschlag wesentlichen elf Kerndokumen-

te ging.
1246

Gegenüber dem Minister habe er am 30. März 2010 das

Untersuchungsergebnis vom 25. Februar wie folgt bewer-

tet:

„Aus den Bearbeitungshinweisen bzw. Geschäfts-
gangverfügungen der einzelnen Dokumente erge-

ben sich keine Anhaltspunkte für eine fehlende

oder für eine lückenhafte Information des Ministe-

riums durch nachgeordnete Dienststellen.“1247

Weiter hat er auf Nachfrage im Ausschuss angegeben:

„[…] nach den objektiven Sachverhalten in den
entsprechenden Registraturen, in den Übersichten

und auf den entsprechenden Dokumenten ist klar

erkennbar, dass diese Dokumente unverzüglich die

jeweiligen Adressaten im Ministerium erreicht ha-

ben, also insbesondere in der Leitung des Vertei-

digungsministeriums unverzüglich zumindestens

dem zuständigen Staatssekretär und den zuständi-

gen Generalsinspekteur erreicht haben“.1248

Er habe aufgrund der Erkenntnisse aus dieser Untersu-

chung allerdings Herrn Minister zu Guttenberg empfoh-

len, die be-stehenden Weisungen, insbesondere zum Um-

gang mit eingestuften Dokumenten, einer Revision zu

unterziehen, mit dem Ziel, insbesondere durch geeignete

Mittel der Dienst- und Fachaufsicht die Einhaltung beste-

hender Weisungen zukünftig sicherzustellen.
1249

Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge Staats-

sekretär Wolf darauf aufmerksam gemacht, dass es sich

bei den beiden Weisungen des Ministers, die er im Rah-

men der Fraktionssitzung erwähnt habe, um zwei unter-

schiedliche Untersuchungsgegenstände handelte:

„Beide Untersuchungsgegenstände haben nichts
miteinander zu tun. Der eine Teil waren die Infor-

mationsflüsse. Ich habe Ihnen das Ergebnis dazu

genannt. Der zweite Teil – wie ist es zu der Ent-
scheidung des Ministers ‚angemessen„/‚nicht an-
1245) Redemanuskript (Dokument 165).

1246) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 3.
1247) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 3.

1248) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 5.

1249) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 3.

gemessen„ gekommen? – ist nicht Gegenstand
meiner Untersuchungen gewesen.“1250

Vizeadmiral Kühn hat vor dem Ausschuss die Vorlage des

Ministers wie folgt kommentiert:

„Wenn ich jetzt auf die Frage Bezug nehmen darf:
Ich habe dieses Original – Ich habe den Auftrag
des Ministers, der ja normalerweise schriftlich he-

rausgegeben wird, zurzeit nicht mehr vorliegen,

und ich kann mich daran auch nicht erinnern. Ich

habe auch keine weiteren Aufträge in dieser Form

gegeben, sondern in dem Absatz darüber wird

deutlich, dass der Minister einen Parallelauftrag an

den Staatssekretär Wolf erlassen hat. Ich habe kei-

nerlei Aktivitäten in diesem Sinne, wie der Minis-

ter das hier dargestellt hat, getroffen, weil das

durch den Auftrag des Staatssekretärs abgedeckt

war.“1251

Staatssekretär Wolf hat sich im Rahmen der Befragung

durch den Untersuchungsausschuss an keine gleichlau-

tende Weisung an Vizeadmiral Kühn erinnern können. Er

hat sich hierzu wie folgt eingelassen:

„Herr Abgeordneter, ich darf zunächst sagen, dass
mir dieses Papier bisher nicht bekannt war. Ich

weiß deswegen auch nicht, wie es zustande ge-

kommen ist und ob es dann in dieser Form durch

den Minister auch tatsächlich umgesetzt worden

ist.

Was ich zu dem Inhalt des Gespräches sagen kann,

auf das sich, wenn ich das recht sehe, das Papier

eigentlich nur beziehen kann – denn es gab nur ein
einziges Gespräch, an dem Admiral Kühn und ich

gemeinsam beim Minister vor dem 1. Dezember

teilgenommen haben -: Mir ist aus diesem Ge-

spräch nicht erinnerlich, dass ein Auftrag unmit-

telbar in diesem Gespräch an Admiral Kühn er-

gangen ist.“1252

Auch könne er die Darstellung des Zeugen Admiral Kühn

nicht bestätigen.
1253

VI. Neubewertung als „militärisch nicht an-
gemessen“

Nach alledem sei Minister zu Guttenberg klar geworden,

dass allein auf der Grundlage des COM ISAF-Berichts

und der ihm bis dahin zuteil gewordenen Beratung eine

abschließende und umfassende Bewertung des Vorgangs

nicht hätte vorgenommen werden können. Die Vorberei-

tung seiner öffentlichen Darstellung am 6. November

2009 durch sein Haus sei allein auf der Basis des

COM ISAF-Berichts erfolgt. Den Bericht des IKRK habe

er damals im Rahmen seiner Presseerklärung selbst ein-

gebracht. Eine abschließende Bewertung des Vorgangs, in
1250) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 5.
1251) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 9.

1252) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 7.

1253) Wolf, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165 – Drucksache 17/7400
die diese, für ihn neuen Dokumente, nicht eingeflossen

seien, wäre aus seiner Sicht angreifbar gewesen. Vor dem

Untersuchungsausschuss hat er erklärt:

„Ich hatte am 6. November vergangenen Jahres
hinsichtlich unbeteiligter Opfer und Verfahrens-

fehler Aussagen getroffen, die bis heute gültig sind

und sich sogar im Nachhinein weiter bestätigt ha-

ben. Dagegen hatte ich, was die Angemessenheit

des Luft-Boden-Einsatzes betrifft, eine Fehlein-

schätzung abgegeben.“1254

Bundesminister zu Guttenberg stellte sich im Rahmen

seiner Korrektur zwei Fragen. Zum einen die nach unbe-

teiligten Opfern unter Einhaltung von Verfahrensregeln,

zum anderen die nach der Angemessenheit des Luftang-

riffs. Erstere bewegte sich nach seiner Wahrnehmung im

tatsächlichen Bereich, weil sie sich objektiv ermitteln und

beantworten ließe. Die Frage der Angemessenheit eines

Waffeneinsatzes wie desjenigen vom 4. September hinge-

gen sei für ihn eine Wertungsfrage gewesen. Überdies

setzte sich der Minister in Vorbereitung seiner Neubewer-

tung auch mit der Frage auseinander, was mit „militärisch
angemessen“ oder „unangemessen“ gemeint sei.1255 Der
nächstliegende Maßstab für ihn war der rechtliche Rah-

men, insbesondere die völkerrechtlichen Vorgaben für

militärisches Vorgehen. Für ihn verbot es sich jedoch,

hierzu aus juristischer Sicht Erklärungen abzugeben,

solange zivile Justizbehörden in dieser Angelegenheit

Untersuchungen führten.

Ihm blieben damit zwei weitere Bewertungsmaßstäbe:

Die rein militärisch-operative Bewertung aus der Sicht im

Zeitpunkt des Handelns, bei der Dinge im Vordergrund

stehen wie die konkrete Bedrohungslage der eigenen

Kräfte und die Gelegenheit, einen immer wieder auftre-

tenden Gegner nachhaltig in seiner Wirksamkeit einzu-

schränken.

Der andere Maßstab, den es für ihn zu berücksichtigen

galt, war der, der für die politische Führung von entschei-

dender Bedeutung war, wie etwa die Angemessenheit von

Handlungen im Verhältnis zur politischen Zielsetzung des

Gesamtauftrags. In seine Bewertung flossen zudem mit

ein

– die Vorgaben des Bundestages und des einschlägigen
UN-Mandats,

– die NATO-/ISAF-internen Vorgaben und Regularien
unter Einbeziehung der Absicht des COM ISAF,

– die konkreten Auswirkungen des Einsatzes, ob beab-
sichtigt oder unbeabsichtigt, für das deutsche – nicht
nur militärische – Engagement in Afghanistan,

– die allgemeinen politischen und diplomatischen Fol-
gen,
1254) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 13.

1255) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 13.

– die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, wie die
Bundeswehr bei ihren Einsätzen vorgeht.

1256
Sein Ziel sei eine „ganzheitliche Betrachtung“ im Nach-
gang zum Einsatz gewesen. Hierbei habe er erkannt, dass

seiner Beratung im Vorfeld der Erstbewertung bis zum 6.

November ausschließlich eine rein militärisch-operative

Sichtweise zugrunde gelegen hat. Nach dem 25. Novem-

ber 2009 sei ihm immer deutlicher geworden, dass allein

diese Sichtweise nicht der ausschließliche Maßstab zur

Bewertung des Ereignisses durch den Bundesminister sein

durfte. Ihm sei klar geworden, dass eine rein militärfach-

liche Bewertung durch einen militärischen Führungsstab

oder auch durch eine Untersuchungskommission zu deut-

lich anderen Positionen kommen könne als die übergrei-

fende und nachträgliche Bewertung durch den Bundesmi-

nister der Verteidigung. Nach seiner Wahrnehmung sei in

diesem Fall in erster Linie auf das zeit- und raumgebun-

dene Handeln von Soldaten und deren Wahrnehmung

abzustellen. Der Bewertung durch den Bundesminister

müsse dagegen immer der Charakter einer politischen

Gesamtbeurteilung zukommen.
1257

So habe eine differen-

ziertere Bewertung militärischen Handelns ergeben, dass

seine Einschätzung der militärischen Angemessenheit

vom 6. November 2009 so nicht aufrechterhalten werden

konnte.

Das seien die Überlegungen gewesen, die im Ergebnis

dazu geführt hätten, dass der Bundesminister seine urs-

prüngliche Bewertung korrigierte. Dabei habe für ihn

gegolten, eine sehr komplexe und auch sehr differenzierte

Fragestellungen aufzuwerfen.
1258

VII. Neubewertung gegenüber dem Deutschen
Bundestag

Am 3. Dezember trug der damalige Bundesminister der

Verteidigung zu Guttenberg dem Parlament seine Neube-

wertung des Luftschlages vom 4. September 2009 in

Kunduz vor:

„Wie viel leichter erscheint es jetzt, sich ein Urteil
über die Frage der Angemessenheit zu bilden – aus
der Distanz, mit auch für mich zahlreichen neuen

Dokumenten und mit neuen Bewertungen, die ich

am 6. November dieses Jahres noch nicht hatte.

Diese weisen im Gesamtbild gegenüber dem gera-

de benannten COM ISAF-Bericht deutlicher auf

die Erheblichkeit von Fehlern und insbesondere

von Alternativen hin. Zu dem Gesamtbild zählt

auch ein durch das Vorenthalten der Dokumente

leider mangelndes Vertrauen gegenüber damaligen

Bewertungen. Ich wiederhole: Obgleich Oberst

Klein – […] – zweifellos nach bestem Wissen und
Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten ge-

handelt hat, war es aus heutiger, objektiver Sicht,
1256) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.

1257) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.

1258) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 15.

Drucksache 17/7400 – 166 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
im Lichte aller, auch der mir damals vorenthalte-

nen Dokumente, militärisch nicht angemessen.“1259

In seiner Vernehmung hat Minister zu Guttenberg bekräf-

tigt, dass außer Frage stehe, dass der Angriff nicht hätte

erfolgen müssen und nicht hätte erfolgen dürfen, wenn

von Anfang an klar gewesen wäre, dass er mit an Sicher-

heit grenzender Wahrscheinlichkeit in einem größeren

Umfang Unbeteiligte töte oder verletze. So unmittelbar

sei die Bedrohungslage am 4. September 2009 nicht ge-

wesen, um bewusst und gezielt in einem derartigen Um-

fang Opfer unter Unbeteiligten in Kauf zu nehmen.
1260
1259) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/9 (Dokument 166), S. 682.

1260) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 167 – Drucksache 17/7400
F. Weitergabe von Erkenntnissen an weitere Stellen (auch unter Berücksichtigung von Punkt 4

des Untersuchungsauftrages)

Im Rahmen seiner Ermittlungen hat sich der Untersu-

chungsausschuss auch mit der Frage befasst, welche Er-

kenntnisse von der Bundesregierung an weitere Stellen

übermittelt wurden.

Im Wesentlichen betraf dies die Informationsweitergabe

an die jeweilige zuständige Staatsanwaltschaft, bei der

hinsichtlich des Luftschlages die Zuständigkeit für die

strafrechtlichen Ermittlungen lag.

I. Staatsanwaltschaft Potsdam

Am 7. September 2009 wurden Oberstaatsanwalt S. von

der Staatsanwaltschaft Potsdam durch den Leitenden

Rechtsberater (LRB) im Einsatzführungskommando der

Bundeswehr, Regierungsdirektor (RDir) H., die zum

Luftschlag gefertigten Meldungen des Deutschen Ein-

satzkontingents ISAF übergeben. Im Rahmen eines Ge-

spräches wurde die Staatsanwaltschaft Potsdam darüber in

Kenntnis gesetzt, dass sowohl die NATO als auch die

Vereinten Nationen Untersuchungen angekündigt hätten.

An der NATO-Untersuchung werde auch ein Deutscher

beteiligt sein.

Zu diesem Zeitpunkt wurde von der Staatsanwaltschaft

Potsdam im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Eilzu-

ständigkeit
1261

geprüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt,

der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gebie-

tet.
1262

Im Nachgang zu dem Gespräch übermittelte das Ein-

sFüKdoBw der Staatsanwaltschaft Potsdam weitere Do-

kumente zu völkerrechtlichen und nationalen Rechts-

grundlagen des ISAF-Einsatzes, unter anderem die „Ta-
schenkarte für die Soldatinnen und Soldaten deutscher

Anteile ISAF in Afghanistan – Regeln für die Anwendung
militärischer Gewalt“ vom 24. Juli 2009.1263

II. Generalstaatsanwaltschaft Dresden

Am 8. September 2009 teilte der Leitende Oberstaatsan-

walt S. von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden dem

Leitenden Rechtsberater im Einsatzführungskommando

der Bundeswehr mit, dass die Integrierte Ermittlungsein-

heit Sachsen (INES) bei der Generalstaatsanwaltschaft

Dresden mit der Bearbeitung des Vorganges beauftragt

worden sei, da die Staatsanwaltschaft Leipzig die Bear-

beitung aus Kapazitätsgründen von der Staatsanwaltschaft

Potsdam nicht übernehmen könne.
1264

Im Rahmen dieses

Gespräches wurde der Leitende Rechtsberater EinsFüK-
1261) Schreiben des GStA des Landes Brandenburg vom 2. Januar 2002

(Dokument 167, Bl. 110).

1262) Vermerk BMVg vom 7. September 2009 (Dokument 168,

Bl. 107).
1263) Einsatzführungskommando, Schreiben vom 7. September 2009

(Dokument 169, Bl. 108).

1264) Dokument 170, Bl. 27.

doBw um Übersendung von Unterlagen zum rechtlichen

Rahmen der ISAF gebeten.
1265

Am 9. September 2009 unterrichtete der leitende Rechts-

berater des EinsFüKdoBw die Generalstaatsanwaltschaft

Dresden darüber, dass die ISAF-

Untersuchungskommission unter Beteiligung von Ober-

regierungsrat V. am 12. September 2009 ihre Arbeit auf-

nehmen werde.
1266

In einer E-Mail teilte RDir H. dem

unter anderem für Strafrecht zuständigen Referat R I 5 im

Bundesministerium der Verteidigung bezüglich dieses

Gespräches mit, dass er „Überlegungen, Oberst K.[lein]
aus dem Einsatzgebiet nach DEU zur Einvernahme zu

holen, […] unter Hinweis auf die NATO-Untersuchung,
den erheblichen Aufwand sowie die politische Wirkung

zurückgewiesen [habe]. Oberst K. steht nach seinem Kon-

tingentende zur Verfügung.“1267

Im weiteren Verlauf wurden der Generalstaatsanwalt-

schaft Dresden weitere Dokumente mit Bezug zum Luft-

schlag aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums

der Verteidigung übersandt.
1268

Am 18. September 2009 fand in Dresden ein offizielles

Gespräch zwischen Vertretern der Generalstaatsanwalt-

schaft des Freistaates Sachsen und zwei Rechtsberatern

des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr statt.

Dabei wurde von Seiten der Bundeswehr unter anderem

mitgeteilt, dass mangels Annahme eines Anfangsverdach-

tes bislang noch keine disziplinaren Ermittlungen gegen

Oberst Klein eingeleitet worden seien.
1269

III. Generalbundesanwalt beim Bundesge-
richtshof

Nachdem der Generalbundesanwalt beim Bundesge-

richtshof den Vorgang übernommen hatte, übersandte das

Bundesministerium der Verteidigung weitere Dokumente.

Darunter befanden sich unter anderem der so genannte

Feldjägerbericht, der „N.-Bericht“ sowie der Bericht von
Oberst i. G. Klein.
1265) Dokument 170, Bl. 14.

1266) Dokument 171, Bl. 12.
1267) E-Mail Bw an BMVg vom 9. September 2009 über Telefonat mit

GStA Dresden (Dokument 172).

1268) EinsFüKdo Bw an GStA Dresden vom 10. September 2009
(Dokument 173).

1269) EinsFüKdo Bw, Vermerk über Gespräch mit GStA Dresden am

18. September 2009 (Dokument 174).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 169 – Drucksache 17/7400

Dritter Teil:
Bewertungen des Untersuchungsausschusses

A. Verfahren

I. Verfahrensbeschlüsse

1. Der gemäß Artikel 45a Abs. 2 Grundgesetz eingesetzte

Untersuchungsausschuss hat zu Beginn seiner Tätigkeit

die erforderlichen Verfahrensbeschlüsse gefasst. Diese

sind im Verfahrensteil im Einzelnen dargelegt (Erster

Teil, B.II, S. 11).

2. Bedingt durch die Vorschrift in Artikel 45a Abs. 3

Grundgesetz weichen die Verfahrensbeschlüsse von den-

jenigen zu Untersuchungsausschüssen nach Artikel 44

Grundgesetz ab, da Absatz 3 des Artikel 45a Grundgesetz

eine Beweiserhebung in öffentlicher Sitzung nach Arti-

kel 44 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz für den Verteidigungs-

ausschuss als Untersuchungsausschuss ausschließt. Hier

war zunächst zu klären, ob der Verteidigungsausschuss

als Untersuchungsausschuss im Hinblick auf die grund-

sätzliche Erforderlichkeit der Nichtöffentlichkeit dieses

Ausschusses seine Beweisaufnahme überhaupt öffentlich

durchführen darf.

Zu dieser Frage gehen die Meinungen in der Literatur

weit auseinander. So äußert Klein in Maunz/Dürig
1270

die

Auffassung, dass die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen

des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsaus-

schuss zwingend und ausnahmslos gelte. § 69 Abs. 1 GO-

BT (ausnahmsweise Öffentlichkeit von Fach-

Ausschusssitzungen) sei hier nicht anzuwenden. § 34

Abs. 4 Satz 1 PUAG bedürfe insoweit einer verfassungs-

konformen restriktiven Auslegung
1271

.

Achterberg/Schulte äußern sich in Mangoldt/Klein
1272

,

dass Beweiserhebungen in nichtöffentlicher Verhandlung

stattfinden müssten. Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz gehe

von der grundsätzlichen Nichtanwendbarkeit des Arti-

kel 44 Abs. 1 Grundgesetz aus, sehe aber seine umgekehr-

te Anwendbarkeit gerade nicht vor. Der Verteidigungs-

ausschuss könne daher auch nicht im Einzelfall eine Be-

weiserhebung öffentlich durchführen.

Berg teilt im Bonner Kommentar
1273

zutreffend die An-

sicht Kleins, dass durch den Ausschluss des Artikel 44

Abs. 1 GG, der die öffentliche Beweisaufnahme bei Un-

tersuchungsausschüssen nach dieser Vorschrift vorsieht,

nicht auf § 69 GO-BT rekurriert werden könne. Die Nor-

men von Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz als abschließen-

de Regelung einerseits und § 69 Abs. 1 GO-BT anderer-

seits seien qualitativ unterschiedlich. Aus dem Ausschluss

nach Artikel 44 Abs. 1 Grundgesetz sei allerdings ledig-
1270) Maunz/Dürig, Lfg. 55, Mai 2009, Kommentar zum Grundgesetz,

Artikel 45a, Rn. 45.

1271) Maunz/Dürig, a.a.O. (Fn. 1270), Rn. 46.
1272) Mangold/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 2005, Artikel 45a,

Rn. 39.

1273) Berg, Bonner Kommentar, Artikel 45a, Rn. 237 f.

lich zu folgern, dass der Verteidigungsausschuss nicht

gezwungen sei, die Beweiserhebung öffentlich durchzu-

führen. Er legt jedoch zutreffend dar, dass der Verteidi-

gungsausschuss das Recht hat, selbst darüber zu entschei-

den, ob er Beweise in öffentlicher oder nichtöffentlicher

Verhandlung erhebt. Diese Position bezieht sich auch auf

Hans-Joachim Berg
1274

, der eine öffentliche Beweiserhe-

bung auch zu militärischen Fragen für möglich hält, so-

weit sich diese im Rahmen der Geheimschutzordnung des

Bundestages halte. In der Monografie von Frost
1275

heißt

es ebenso, dass die Öffentlichkeit bei der Beweiserhebung

lediglich „im Regelfall“ ausgeschlossen sei.

Der Untersuchungsausschuss vertrat insgesamt die Auf-

fassung, dass er selbst darüber entscheiden könne, ob und

zu welchem Umfang Beweiserhebungen öffentlich durch-

zuführen seien. Aus dem Ausschluss des Artikel 44

Abs. 1 Grundgesetz folge kein Verbot öffentlicher Sit-

zungen.

Entsprechend wurde nach dem Grundsatz der „Transpa-
renz“ vom Untersuchungsausschuss am 16. Dezember
2009 der Verfahrensbeschluss Nr. 8 gefasst. Dessen zwei-

ter und dritter Absatz lauten:

„Mitglieder der politischen Leitungsebene (Mitg-
lieder der Bundesregierung, beamtete und Parla-

mentarische Staatssekretäre, Abteilungsleiter und

Pressesprecher) und militärischen Führung (Gene-

ralinspekteur und Stellvertreter) werden grundsätz-

lich in öffentlicher Sitzung einvernommen. Die

Vorschrift des § 14 PUAG bleibt unberührt.

Im Einzelfall können auch Personen aus dem

nachgeordneten Bereich öffentlich gehört wer-

den..“

Dieser Teil des Verfahrensbeschlusses wurde späterhin

wegen seiner relativ weiten Fassung der Herstellung von

Öffentlichkeit rechtlich überprüft. Ein von Abg. Siegfried

Kauder veranlasstes und von Prof. Dr. Korioth gefertigtes

Kurzgutachten zur Rechtmäßigkeit des Beschlusses er-

kannte hier eine Verletzung des § 69 Abs. 1 GO-BT und

wertete diesen Teil des Verfahrensbeschlusses insoweit

als rechtswidrig, sofern im Vorhinein und pauschal für

einen bestimmten Personenkreis das Verfahren der öffent-

lichen Einvernahme beschlossen worden war.
1276

Entge-

gen einer davon abweichenden Stellungnahme des Wis-

senschaftlichen Dienstes des Bundestages schloss der
1274) Der Verteidigungsausschuss, Bernhard und Graefe Verlag Mün-

chen 1982, S. 241.

1275) Parlamentsausschüsse, Rechtsgestalt und Funktion, in AöR 95

(1970), S. 38 ff., S. 72.
1276) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP im Ausschuss,

die sich in ihrer Begründung auf die Argumentation von Korioth

stützen, Beratungsunterlage 17-218 (Dokument 175).
Drucksache 17/7400 – 170 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ausschuss sich mit seiner Mehrheit den im Kurzgutachten

geäußerten Bedenken an und beschloss die Streichung der

beanstandeten Passagen
1277

. Die Frage der auch in der

Literatur streitig diskutierten
1278

Anwendbarkeit von § 69

Abs. 1 GO-BT im Rahmen der Artikel 45a Abs. 2, 44

Abs. 1 Grundgesetz wurde hier nicht weiter verfolgt. Im

Ergebnis blieb der Untersuchungsausschuss bei seiner

politischen Linie der Transparenz und beschloss, Angehö-

rige der politischen und militärischen Führung ohne Auf-

gabe seiner Rechtsposition auch weiterhin in öffentlicher

Sitzung zu befragen.

II. Gegenüberstellung/Rechtsstreit BGH

Verfahrensrechtlich hat ein streitig gestelltes Thema im

Wege einer BGH-Entscheidung eine Klärung hinsichtlich

der Voraussetzungen und der Durchsetzungsmöglichkei-

ten für eine so genannte Vernehmungsgegenüberstellung

gem. § 24 Abs. 2 PUAG erbracht.

1. Die Ausschussminderheit hatte scheinbare und tatsäch-

lich divergierende Aussagen der Zeugen Schneiderhan,

Dr. Wichert und des damaligen Bundesministers zu Gut-

tenberg zum Anlass genommen, eine möglichst spektaku-

läre Gegenüberstellung zu inszenieren (Zum Sachverhalt

vgl. insoweit oben: Erster Teil, B.V.4, S. 20).

Der Antrag auf Gegenüberstellung wurde in der Sitzung

vom 20. Mai 2010 gestellt, dann jedoch wieder zurückge-

zogen. Die Ausschussmehrheit hatte erklärt, für die rech-

tliche Bewertung des Antrages sei mehr Zeit erforderlich.

Späterhin verlangte auch die Ausschussminderheit zusätz-

liche Zeit, um die bereits am 9. Juni 2010 übergebene

elfseitige Begründung der Ausschussmehrheit einer Ab-

lehnung des Antrages (Beratungsunterlage 17-217) einge-

hend zu prüfen.

Trotz der in der Ablehnungsbegründung dargelegten,

zutreffenden Auffassung, dass es sich beim abzulehnen-

den Antrag der Minderheit

– nicht um einen Beweisantrag handelte, eine Gegenü-
berstellung nicht geboten und damit nicht zulässig sei

und

– dass zudem der Antrag auch kein Minderheitsrecht
im Sinne des § 17 PUAG darstelle und somit gem.

§ 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG durch den Ausschuss als

Ganzes mit Mehrheit zu entscheiden sei,

wurde der bereits einmal gestellte Antrag unverändert am

17. Juni 2010 eingebracht und vom Ausschuss mit Mehr-

heit zurückgewiesen.

2. Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2010 wurde durch die Aus-

schussminderheit beim Bundesgerichtshof (BGH) ein

Antrag auf Entscheid zugunsten einer Gegenüberstellung

eingereicht. Die zunächst ungewöhnlich kurz bemessene

Frist zur Erwiderung wurde vom BGH auf Antrag der

Ausschussmehrheit bis zum 14. August 2010 verlängert.

Die Erwiderung der Ausschussmehrheit wurde am 11.
1277) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Dokument 176), S. 16.

1278) Vgl. insoweit nur Klein, in: Maunz/Dürig (Fn. 1270).

August 2010 auf den Weg gebracht. Bereits am 17. Au-

gust 2010 erging der Beschluss des BGH, in dem sämtli-

che Anträge der Ausschussminderheit zurückgewiesen

wurden
1279

.

Der BGH hat in seiner Entscheidung unter anderem aus-

geführt:

„Ob eine Gegenüberstellung durchzuführen ist,
entscheidet gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG die

Ausschussmehrheit. Deren Entscheidung ist ab-

schließend. Das Untersuchungsausschussgesetz

enthält keine Bestimmung, die der qualifizierten

Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des

Ausschusses die Befugnis einräumt, gegen den

Willen der Ausschussmehrheit die Gegenüberstel-

lung durchzusetzen oder die Entscheidung der

Mehrheit gerichtlich überprüfen zu lassen.“1280

Ferner heißt es dort:

„Die eindeutige gesetzliche Regelung im Untersu-
chungsausschussgesetz, die bei den weniger wich-

tigen Verfahrensfragen die demokratische Mehr-

heitsregel vorschreibt, kann auch nicht durch die

undifferenzierte Annahme einer ‚maßgeblichen
Geltungsmacht„ der Minderheit im Untersu-
chungsausschuss unterlaufen werden [gemeint war

wohl ‚Gestaltungsmacht„, Anm.] (vgl. Brocker,
BayVBI. 2007, 173, 174). Zwar ist der Mitgestal-

tungsanspruch der qualifizierten Minderheit

grundsätzlich dem der Ausschussmehrheit vom

Gewicht her gleich zu erachten (vgl. BVerfG, Ur-

teil vom 8. April 2002 – 2 BvE 2/01, BVerfGE
105, 197, 222; Glauben/Brocker, a.a.O., § 27

Rn. 5). Jedoch ist es grundsätzlich Sache des ein-

fach-rechtlichen Gesetzgebers, wie er diesen – ver-
fassungsrechtlich in Artikel 44 Abs. 1 Satz 1

Grundgesetz verankerten – Anspruch für das Ver-
fahren vor den Untersuchungsausschüssen im Ein-

zelnen ausformt und mit dem an sich auch für die-

se Arbeit dieser Ausschüsse zu respektierenden

demokratischen Grundprinzip der Mehrheitsent-

scheidung zum Ausgleich bringt. Die hierzu erfor-

derliche Grenzziehung hat der Gesetzgeber mit

den dargestellten differenzierten Regelungen des

Untersuchungsausschussgesetzes zu den Gestal-

tungs- und Rechtschutzmöglichkeiten qualifizierter

Minderheiten im Beweiserhebungsverfahren eines

Untersuchungsausschusses vorgenommen.“1281

Die Entscheidung des BGH überrascht inhaltlich wie

bezüglich ihrer Schnelligkeit nicht. Die Ausschussmin-

derheit hat trotz der ihr schon bei erster Antragstellung im

März eröffneten, inhaltlich schwerwiegenden Ableh-

nungsgründe ihren Antrag in völlig unveränderter Form

beim BGH eingereicht. Überdies wurde mit der An-

tragsschrift sowohl eine in der Sache bedeutsame Ver-
1279) BGH, Beschluss vom 17. August 2010, Az. 3 ARs 23/10 (Fn. 49,

Dokument 19).

1280) BGH, a.a.O. (Fn. 49, Dokument 19), Rn. 23

1281) BGH, a.a.O. (Fn. 49, Dokument 19), Rn. 25.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 171 – Drucksache 17/7400

nehmung (Zeuge Braunstein) als auch ein inhaltlich we-

sentliches Beweisstück, namentlich die Gesprächsnotiz

der Büroleiterin von Minister zu Guttenberg über den

Verlauf des Gesprächs zwischen dem Minister mit Gene-

ral Schneiderhan und Dr. Wichert, in der die vom Minis-

ter im Ausschuss und öffentlich dargelegten Inhalte des

Gespräches bestätigt werden, in eklatanter Unterlassung

des Gebotes der vollständigen Unterrichtung des BGH in

einem Streitfalle nicht vorgelegt.

III. Die Reihenfolge von Zeugen (§ 17 PUAG
i. V. m. § 28 GO-BT) Exkurs: zur Misslich-
keit des Begriffs vom so genannten „Reiß-
verschluss“

1. Die Frage, wie bei Uneinigkeit des Ausschusses über

die Reihenfolge von Zeugen zu verfahren sei, stellt in

Untersuchungsausschüssen häufig einen streitigen Ge-

genstand und somit auch einen Anlass für Verfahrens-

streitigkeiten dar. Wie auch in Untersuchungsausschüssen

zuvor, gab es auch in diesem keine Neigung, diese rech-

tlich nicht letztlich geklärte Frage vor dem BGH streitig

zu stellen und zur Entscheidung vorzulegen. Hier richtete

sich die Vorgehensweise des Ausschusses nach § 17

Abs. 3 Satz 1 PUAG, wonach die Reihenfolge der Zeugen

„möglichst einvernehmlich“ festgelegt werden soll.

Dabei wurde ein modus vivendi dergestalt gefunden, dass

die Ausschussmehrheit am 18. März 2010 der Aus-

schussminderheit zugestand, Zeugen im jeweiligen Wech-

sel zwischen Mehrheit und Minderheit, also im Verfahren

1:1, zu benennen und zu vernehmen. Dies geschah in

einem spezifischen Kontext und stellte ein politisches und

verfahrenstechnisches Entgegenkommen dar, nachdem

die Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 25. Februar

2010 bei der Zeugenreihenfolge General a. D. Schneider-

han – Staatssekretär a. D. Dr. Wichert – Minister a. D.
Dr. Jung – Minister zu Guttenberg ihr Recht durchgesetzt
und die Ausschussminderheit diesem Beschluss formell

widersprochen hatte (§ 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG). Die

Erklärung der Ausschussmehrheit diente erneut einer

„möglichst einvernehmlich“ festzulegenden Reihenfolge
der Zeugen über den gesamten Verlauf der Zeugenbefra-

gungen.

2. Die Beratungen insbesondere in den Sitzungen vom 25.

Februar 2010, 4. März 2010 und 18. März 2010 belegen

einmal mehr die Notwendigkeit, den unter Bezug auf § 17

Abs. 3 PUAG und § 28 GO-BT verwendeten Begriff des

so genannten „Reißverschlussverfahrens“ zu überprüfen,
da er eine Symmetrie suggeriert, die es im Rahmen der

Kriterien des § 28 GO-BT nicht zwingend geben kann.

Die Minderheitsfraktionen führten hierzu eine Stellung-

nahme aus dem Parlamentsrechtsreferat des Deutschen

Bundestages ein (Beratungsunterlage 17-137), welche

zum nachfolgend zu widerlegenden Ergebnis gelangt,

dass der Ausschussminderheit jeweils drei und der Aus-

schussmehrheit jeweils zwei Zeugen im Wechsel zustün-

den, wenn gem. § 17 Abs. 3 PUAG i. V. m. § 28 GO-BT

verfahren werde. Dieses Ergebnis widerspricht nicht nur

prima vista der Systematik rechtlich geordneter Verfah-

ren; es weist zudem schwere formale Mängel auf.

a) Der Verfasser der Stellungnahme verkennt offenbar die

Notwenigkeit einer dem Einzelfall entsprechenden Ausle-

gung und legt irrigerweise eine unmittelbare, direkte

Anwendung des § 28 GO-BT auf die Zeugenreihenfolge

für den Fall der Nicht-Einigung zugrunde. Dieser grund-

legende Fehler bereits im Einstieg führt konsequent zu

einem fehlerhaften Ergebnis.

b) Der Verfasser der Stellungnahme verkennt völlig die

gegenüber dem Plenum deutlich andere Rechtslage in

einem Untersuchungsausschuss. Die Fraktionen können

zwar im all-gemeinen Verfahren der Untersuchung Ant-

räge stellen, über die der Untersuchungsausschuss mit

Mehrheit beschließt. In allen Fällen allerdings, in denen

es um durch das Grundgesetz verfassungsmäßig garantier-

te oder unmittelbar aus ihm abgeleitete oder durch das

PUAG statuierte Minderheitsrechte geht, sind jedoch

nicht die Fraktionen die rechtlich entscheidende Größe.

Sowohl beim Einsetzungsrecht nach Artikel 44 bzw. 45a

Abs. 2 Grundgesetz wie auch, diesem folgend, beim Be-

weisantragsrecht, ist die entscheidende Größe, also die

handelnde Einheit, ein Quorum, namentlich ein „Viertel
der Mitglieder“ des Bundestages bzw. des Untersu-
chungsausschusses (§ 17 Abs. 2 PUAG). Gleichermaßen

verhält es sich bei einem Widerspruch des relevanten

Quorums der Ausschussminderheit (des Viertels) gegen

eine von der Ausschussmehrheit festgelegte Reihenfolge

der Zeugenvernehmung (§ 17 Abs. 3 PUAG).

c) Der Verfasser der Stellungnahme verwechselt offen-

kundig selbst in den auch von ihm selbst mehrfach zitier-

ten Kommentar- und Literaturstellen, in denen auf die

notwendige Berücksichtigung der Stärke der Fraktionen

hingewiesen wird, deutlich erkennbar die Stärke der Frak-

tionen mit deren Anzahl. So zitiert er die Begründung

eines aus der 14. Wahlperiode stammenden Gesetzent-

wurfs zur Regelung des Rechts der Untersuchungsaus-

schüsse
1282

.

Er kommt durch diese Verwechslungen zu dem auch der

von ihm selbst zitierten Literatur widersprechenden Er-

gebnis, dass in unmittelbarer Anwendung des § 28 GO-

BT die Zeugenreihenfolge in einem völlig abwegigen

Verhältnis von 2:3 zugunsten der Minderheit erfolgen

müsse (S. 7 der Stellungnahme, Ziff. 4 a.).

Dies würde die rechtlich zwingend gebotene Berücksich-

tigung der Fraktionsstärke auf den Kopf stellen, indem es

zu dem verfälschenden Ergebnis führte, dass eine Min-

derheit umso mehr Zeugen benennen könnte, je zersplit-

terter sie wäre. Bei theoretisch möglichen acht Fraktionen

im Deutschen Bundestag mit einer Stärke von jeweils 5 %

könnte die Minderheit gar im Verhältnis 8:2 die Verneh-

mung von Zeugen dominieren. Dies ist ganz offenkundig

rechtlich nicht haltbar.
1282) BT-Drs. 14/2363, S. 14 – Fn. - (Stellungnahme S. 5 a.E., S. 6), -

Fn.- Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 2003,

S. 226 f.

Drucksache 17/7400 – 172 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Sowohl Teile der Literatur als auch die Verfasser der

früheren Entwürfe, die damals gemeinsam mit dem Ent-

wurf der seinerzeitigen rot-grünen Mehrheit die Grundla-

ge des jetzigen PUAG bildeten, sind offenkundig in ihren

Begrifflichkeiten dem damaligen Denken in der Kategorie

der Fraktionen verhaftet geblieben. Wie oben ausgeführt,

sind es jedoch bei der Wahrnehmung von Rechten in

Untersuchungsausschüssen die Ausschussmehrheit und

die Ausschussminderheit als jeweiliges Ganzes, die agie-

ren und teils konkurrierend ihre Rechte wahrnehmen.

Nicht ohne Grund wurde § 28 GO-BT nur für lediglich

entsprechend anzuwenden, also eben nicht unmittelbar

geltend, formuliert. Die Gewichtung der Zeugenreihen-

folge im Rahmen der Beweisaufnahme kann daher nicht

der Anzahl der Fraktionen folgen, sondern muss dem

entsprechenden Verhältnis von Mehrheit zu Minderheit

folgen. Im rechtlichen Sinne wäre es zudem geboten, dass

die jeweilige Mehrheit wie die Minderheit, sofern sie aus

mehreren Fraktionen gestellt werden, ihre jeweiligen Zeit-

Kontingente in eigener Regie unter sich aufteilen. Bei der

hier bedeutsamen Frage der Reihenfolge der Zeugen spie-

len allerdings ausschließlich Mehrheit und qualifizierte

Minderheit (das Quorum des Viertels) eine Rolle.

4. Es gibt einen Präzedenzfall, der in diesem Sinne gelöst

wurde. Im so genannten BND-Untersuchungsausschuss

ergab sich mehrfach die Situation, dass mangels Einigung

das so genannte, gleichwohl rechtlich nicht gebotene

Reißverschlussprinzip in einer einvernehmlich abge-

stimmten Weise Anwendung fand. In der Beschlussemp-

fehlung des Berichts des 1. Untersuchungsausschusses

nach Artikel 44 Grundgesetz in der 16. Wahlperiode, eben

dem BND-Untersuchungsausschuss, heißt es in der Bun-

destags-Drs. 16/13400, S. 24/25 unter Gliederungsnum-

mer IV. 1.:

„Auch wenn diese Grundsätze während des Ver-
fahrens mehrfach auf ihre Belastbarkeit hin geprüft

wurden – bis zu dem Punkt, dass terminierte Zeu-
genbefragungen wegen fehlender Akten abgesetzt

wurden –, konnten die Fraktionen sich stets so ei-
nigen, dass die nach § 17 Absatz 3 Satz 2 PUAG

für den Konfliktfall vorgesehene Formulierung der

Festlegung der Zeugenreihenfolge nach den Re-

geln der Geschäftsordnung des Bundestages zur

Reihenfolge der Redner (‚Reißverschlussverfah-
ren„) nicht streitig, jedoch sinngemäß angewendet
wurde:

Eine Einigung wurde in mehreren aufgetretenen

Streitfällen dadurch erzielt, dass unter Zugrunde-

legung der Vorgaben des ‚Reißverschlussverfah-
rens„ eine gemeinsame Zeugenliste erarbeitet wur-
de, die dann einvernehmlich beschlossen werden

konnte. Dabei wurde das ‚Reißverschlussprinzip„
auf Vorschlag des Abg. Ströbele (BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN) einvernehmlich so angewandt,

dass nach der Bestimmung von drei Zeugen durch

die Koalition ein Zeuge durch die Opposition be-

nannt wurde.“

Dieser Präzedenzfall belegt eindeutig, dass Einvernehmen

über das konkrete Verfahren im „Reißverschlussprinzip“
hergestellt wurde und dass es zwischen Mehrheit und

Minderheit, und eben nicht nach der Zahl der Fraktionen

angewendet wurde.

Dass bei den im Kunduz-Untersuchungsausschuss gege-

benen Mehrheitsverhältnissen das damalige Verhältnis

nicht angewendet werden könnte, ergibt sich aus den

anderen Stärkeverhältnissen im Ausschuss. Ein Verhältnis

von 2:1 zwischen Ausschussmehrheit und Ausschussmin-

derheit erscheint vertretbar. Eine noch weiter ausdifferen-

zierte Austarierung, hier etwa ein Verhältnis von 7:5,

wäre rein formal möglicherweise gerechter, stellt sich

jedoch in der konkreten Umsetzung als eher problema-

tisch dar, da sie sich für die Ausschussminderheit nachtei-

liger gestaltete, weil sie erst nach dem siebenten Zeugen

der Mehrheit zum Zuge käme. Jedenfalls zeigt sich selbst

nach der in o. g. Beratungsunterlage 17-137 zitierten

Literatur, dass im Rahmen der Abwägung das Stärkever-

hältnis von Ausschussmehrheit und Ausschussminderheit

keineswegs außer Betracht bleiben kann.

Es wäre sinnvoll und geboten, vor einer nächsten Not-

wendigkeit zur Klärung solcher Verfahren eine politische

Entscheidung durch den Deutschen Bundestag oder nöti-

genfalls formalrechtlich durch den BGH zu erwägen.

IV. Zum Umgang mit Zeugen und mit Vorhal-
ten aus Akten

In einzelnen Fällen gab der Umgang mit Zeugen im Zu-

sammenhang mit Vorhalten von Akten deutlichen Anlass

zu grundsätzlicher Kritik.

1. In einem Fall ging es um die Zitierung eines Aktenstü-

ckes, dessen Inhalt durch die politische Führung nicht

bestätigt war (sog. Rotstrich-Vermerk). Dennoch wurde

auf dieser ungesicherten Grundlage, und somit faktenwid-

rig, eine nicht gegebene frühe und vollständige Informati-

on des Bundeskanzleramtes zur Frage des Luftschlages

vom 4. September 2009 im Ausschuss suggeriert. Der

angesprochene Zeuge, der sich schlusslogisch nicht an das

Schriftstück erinnern konnte, bat den befragenden Ab-

geordneten um Vorlage der Quelle. Der Zeuge hatte zuvor

ausgesagt, dass zum fraglichen Zeitpunkt trotz Anforde-

rung zwei Berichte in der Angelegenheit nicht vorgelegen

hatten. Der befragende Abgeordnete konnte hier lediglich

auf ein Sitzungsprotokoll verweisen, in dem wiederum

nur von einem solchen Schriftstück die Rede gewesen

sein sollte. Nachdem die Vorsitzende den Fragesteller

darauf verwies, dem Zeugen das Aktenstück vorzulegen,

um das dieser nachgesucht hatte, und eben nicht ein auf

ein Schriftstück verweisendes Protokoll, konnte der fra-

gende Abgeordnete die Fundstelle nicht benennen und sah

sich gezwungen, die Frage zurückzuziehen.

Trotz Rücknahme der Frage blieb dennoch die Behaup-

tung im Raum, ein lediglich in einem Protokoll vage

erwähntes Aktenstück weise eine vollständige Informie-

rung des Bundeskanzleramtes nach. Somit wurde ohne

Beleg der Eindruck erweckt, der befragte Zeuge habe

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 173 – Drucksache 17/7400

nicht richtig ausgesagt
1283

. Als während der Befragung

desselben Zeugen Gelegenheit zur Korrektur dieser Un-

terstellung gegeben war, wurde dieses nicht präsente

Aktenstück nicht mehr erwähnt, eine Entschuldigung

blieb aus.

Es darf sich nicht als Methode verfestigen, die gegebene

Glaubwürdigkeit eines aussagebereiten Zeugen in unkor-

rekter Weise dadurch unrechtmäßig anzugreifen, dass

quasi unechte Vorhalte gemacht werden, die [selbst] auf

Nachfrage des Zeugen nicht belegt werden können. Dies

widerspricht dem guten parlamentarischen Umgang und

beschneidet die Rechte vorgeladener Zeugen in unzuläs-

siger Weise.

2. In einem anderen Fall wurde einem Zeugen vom Ab-

geordneten ein Auszug aus einem Aktenstück vorgelesen,

welches dem Zeugen bekannt und von ihm angeblich an

den früheren Minister Dr. Jung weitergeleitet sein sollte.

Das Aktenstück enthielt eine Empfehlung für eine

Sprachregelung für die Aktuelle Stunde des Bundestages

am 8. September 2009. Der Zeuge selbst sowie danach

auch weitere Ausschussmitglieder baten den Fragesteller

um die genaue Bezeichnung der Fundstelle. Der befra-

gende Abgeordnete gab zunächst an, diese nicht zur Hand

zu haben; er verzichte auf eine Antwort. Der Zeuge selbst

drängte darauf, er wolle die Frage gerne beantworten. Auf

dann erfolgtes Nachfragen der Ausschussvorsitzenden

gab der befragende Abgeordnete dann schließlich die –
nunmehr doch bei ihm vorhandene – exakte Fundstelle
an. Das Aktenstück wurde dem Zeugen vorgelegt. Es trat

durch diese Aktenvorlage an den Zeugen zutage, dass der

befragende Abgeordnete beim Verlesen des Aktenstückes

eine auffällige handschriftliche Notiz des Zeugen im

Ausschuss nicht erwähnt hatte, aus der sich eindeutig

ergab, dass diese Unterlage eben nicht an den Minister

weitergeleitet worden war. Der befragende Abgeordnete,

hiermit konfrontiert, suchte sein Vorgehen mit der nicht

haltbaren Behauptung zu rechtfertigen, er habe die hand-

schriftliche Notiz nicht lesen können.

Zum Schluss der Vernehmung dieses Zeugen wurde die-

ses skandalträchtige Vorgehen des Fragestellers von ei-

nem Abgeordneten der Ausschussmehrheit hart kritisiert

und die Methode nicht zu Unrecht mit Vernehmungsme-

thoden von „vor 1989“ – gemeint waren die Unrechtsme-
thoden und Unterstellungen der DDR-Justiz – verglichen.

Zwingend geboten wäre es hier sicherlich gewesen, dass

der befragende Abgeordnete sich bei dem Betroffenen

wie beim Ausschuss insgesamt für den letztlich erst durch

Nachbohren des Zeugen zutage getretenen, gescheiterten

Versuch entschuldigt hätte, einen Zeugen und den Aus-

schuss insgesamt kalt hinters Licht zu führen.
1284
1283) Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 16 f.

1284) Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 63 f., S. 70 (VS-NfD).

Drucksache 17/7400 – 174 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
B. Bewertungen der Untersuchungsergebnisse

I. Allgemeine Feststellungen

1. Zusammenfassung

Nach Abschluss aufwändiger und intensiver Befragungen

kann festgestellt werden, dass die Bundesregierung nach

dem Luftschlag von Kunduz am 4. September 2009 sich

unmittelbar um Aufklärung der Lage vor Ort bemüht und

sehr rasch die deutsche wie die afghanische Öffentlichkeit

nach bestem verfügbaren Wissen unterrichtet hat.

Dabei haben vor allem das Bundesministerium der Ver-

teidigung (BMVg) und das Bundeskanzleramt größtmög-

liche Transparenz hergestellt, um Parlament und Öffent-

lichkeit über diesen militärischen Vorfall voll umfassend

zu informieren und jedweden Zweifel an der Darstellung

der Lage vor Ort im Umfeld des Luftschlages auszuräu-

men. Die Bundeskanzlerin sowie der amtierende und der

erst nach dem Luftschlag durch die Bundestagswahl 2009

neu ins Amt gekommene Bundesminister der Verteidi-

gung Karl-Theodor zu Guttenberg haben gegenüber Par-

lament, Öffentlichkeit sowie gegenüber den internationa-

len Partnern Deutschlands sämtliche Fragen nach dem

Stand der jeweils ihnen vorliegenden Informationen zeit-

nah beantwortet und somit die Interessen der Bundesre-

publik Deutschland wahren können.

Gegenüber den Opfern sowie deren Angehörigen haben

die Bundeskanzlerin, der Bundesverteidigungsminister

und die Bundesregierung insgesamt von Anfang an eine

von Bedauern und Respekt gegenüber den unschuldigen

Opfern gekennzeichnete Haltung eingenommen, die in-

sbesondere von afghanischer Seite sehr beachtet und

respektiert wurde.

Die Angehörigen der Bundeswehr im Einsatz vor Ort

konnten sich zu jedem Zeitpunkt der vollen Unterstützung

der Bundesregierung und der großen Mehrheit des Deut-

schen Bundestages für ihren ebenso wertvollen wie ris-

kanten Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan

sicher sein.

Seit dem September 2009 hat sich die Lage unter anderem

durch den aktiven Beitrag der Bundeswehr und der Inter-

nationalen Schutztruppe ISAF sowie durch die nachhalti-

ge Stärkung der afghanischen militärischen und zivilen

Kräfte positiv entwickelt, so dass eine Abzugsperspektive

für die internationalen Streitkräfte erreicht werden konnte.

Trotz der Opfer des Jahres 2009 bis zum aktuellen Jahr

2011, darunter neben vielen zivilen Opfern der Taliban

auch Soldaten der Bundeswehr, ist die Strategie der ISAF

zunehmend erfolgreich, Afghanistan zur Selbstverteidi-

gung zu befähigen.

Während der Deutsche Bundestag die Umstände des Luft-

schlages vom September untersuchte, hat er das Afghanis-

tan-Mandat für die Bundeswehr im Jahr 2010 wie auch im

Jahr 2011 jeweils bekräftigt und verlängert. Auch aus der

parteiübergreifenden, großen Zustimmung des deutschen

Parlamentes für die Bundeswehr lässt sich erkennen, dass

die vorliegende Untersuchung sich auf einen Einzelfall

und dessen Umstände konzentrierte. Der Einsatz der Bun-

deswehr wurde bis auf eine kleine Minderheit im Parla-

ment nicht in Frage gestellt.

Diese breite Unterstützung des Bundeswehreinsatzes in

Afghanistan wird nicht geschwächt dadurch, dass Teile

der Opposition der Versuchung nicht widerstanden haben,

die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss durch

den Versuch zu torpedieren, dass parteitaktische Polemik

gegen den erst nach dem Luftschlag und nach der Bun-

destagswahl ins Amt berufenen Bundesverteidigungsmi-

nister wichtiger war als die Schlussfolgerungen aus dem

Luftschlag für die zukünftige Ausrichtung der Bundes-

wehr in Afghanistan.

Der Untersuchungsausschuss attestiert der Bundesregie-

rung angesichts der besonderen Schwere und der schwie-

rigen Umstände einen durchweg korrekten Umgang mit

den Folgen des Luftschlages vom 4. September 2009.

Die aus Sicht des Ausschusses gegebenen Schlussfolge-

rungen aus den Erkenntnissen zu Ablauf und Information

über den Luftschlag finden sich am Ende dieses Bewer-

tungsteils und werden den zuständigen Ministerien zur

Beachtung und Umsetzung empfohlen.

2. Verlauf der Ausschussarbeit

Der Verteidigungsausschuss hat sich am

17. Dezember 2009 auf Grundlage eines gemeinsamen

Antrags aller Fraktionen gemäß Artikel 45a Abs. 2

Grundgesetz als Untersuchungsausschuss konstituiert, um

den Luftschlag auf zwei Tanklastwagen in Afghanistan

vom 4. September 2009 sowie die darauf erfolgte Aufklä-

rungs- und Informationspraxis der Bundesregierung zu

untersuchen.

Der Generalbundesanwalt hat entsprechend der einschlä-

gigen Rechtsvorschriften bereits wenige Wochen nach

Konstituierung des Untersuchungsausschusses, nämlich

am 12. März 2010, eine eigenständige und umfangreiche

Untersuchung zur Frage eingeleitet, ob im Zusammen-

hang mit dem Luftschlag deutsches oder internationales

Recht verletzt wurde. Diese intensive und inhaltlich um-

fassende Untersuchung konnte sich auf die zahlreichen,

bereits seit September 2009 verfügbaren, Unterlagen der

deutschen und internationalen Stellen stützen.

Am 16. April 2010 gab der Generalbundesanwalt das

Ergebnis bekannt: Er stellte das Ermittlungsverfahren

gegen den seinerzeitigen Kommandeur des PRT Kunduz,

Oberst Klein, zum Luftschlag vom 4. September 2009 ein,

nachdem sich keine Anhaltspunkte für ein rechtswidriges

Verhalten ergeben hatten und somit die rechtlich korrekte

Handhabe durch Oberst Klein als erwiesen galt.

Wenige Tage nach diesem Untersuchungsergebnis erfolg-

te am 22. April 2010 die Aussage des Verteidigungsmi-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 175 – Drucksache 17/7400

nisters Karl-Theodor zu Guttenberg vor dem Ausschuss.

Dabei wurden inhaltlich sowohl die Ergebnisse der Unter-

suchung des Generalbundesanwaltes bestätigt als auch der

zweite wesentliche Teil des Auftrages, namentlich der

korrekten Information des Parlaments und der Öffentlich-

keit durch das Bundesministerium der Verteidigung,

durch die eingeleiteten Maßnahmen des Ministers zur

Herstellung größtmöglicher Transparenz bestätigt.

Durch die umfassende Unterrichtung und die gemachten

Feststellungen waren weiterführende neue Erkenntnisse

für den Untersuchungsauftrag nicht mehr zu erwarten und

wurden im Nachgang auch nicht mehr gewonnen. Folge-

richtig empfahl die Ausschussmehrheit, die Beweisauf-

nahme abzuschließen, um dadurch zeitnah nach dem

Luftschlag schon die Schlussfolgerungen ziehen zu kön-

nen.

Die Opposition nutzte hier ihr Minderheitsrecht und be-

stand darauf, trotz der bereits gewonnenen Erkenntnisse

und trotz inhaltlich voll umfänglich erfolgter Aufklärung,

eine große Zahl zusätzlicher Zeugen zu vernehmen und

zahlreiche, oftmals klassifizierte Dokumente in erhebli-

chem Umfang aufarbeiten und dem Ausschuss zuleiten zu

lassen. Kein Zeuge und kein Dokument haben dem Aus-

schuss wesentlich neue Erkenntnisse für den Untersu-

chungsauftrag erbracht. Die Fakten waren bereits ermit-

telt, der Ausschuss wurde zur Bühne parteitaktischer

Angriffe instrumentalisiert.

Es ist zu kritisieren, dass es der Ausschussminderheit hier

im Kern nicht um die Aufklärung der Umstände des Luft-

schlages ging. Stattdessen wurde im Ergebnis zum Scha-

den der parlamentarischen Arbeit sowie der Bundeswehr

und im Übrigen erfolglos für die Opposition die Strategie

verfolgt, völlig fragwürdige, an Konspiration grenzende

Theorien künstlich am Leben zu erhalten, die schon vor

Beginn der Ausschussarbeit in die Welt gesetzt worden

waren und auf die mangels Gehalt und Beweis hier nicht

eingegangen werden kann.

Zur Umsetzung dieser als destruktiv zu kritisierenden

Strategie wurden teils äußerst problematische Befra-

gungsmethoden angewandt, die erkennbar nur den Zweck

verfolgten, wahrheitsgemäß aussagende Zeugen durch

Ermüdung und Verwirrung zu Widersprüchen und fäl-

schlich belastenden Aussagen zu verleiten. Diese Metho-

de, die einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht entspricht,

scheiterte allerdings an bereits erwiesenen Sachverhalten

wie an der Geduld und der Korrektheit der einvernomme-

nen Zeugen.

Die Kampagne, politische Skandale generieren zu wollen,

hatte als zentrales Element, den erst nach der Bundes-

tagswahl ins Amt berufenen Bundesverteidigungsminister

zum Ziel der Angriffe zu machen aufgrund eines Luft-

schlages, der vor seinem Amtsantritt erfolgte und dessen

Aufarbeitung unmittelbar danach, noch vor der Bundes-

tagswahl im Kern durch nationale wie internationale Stel-

len begonnen wurde.

Der Hintergrund dieser schwerwiegendsten militärischen

Aktion der Bundeswehr und das Risiko für die Bundes-

wehr in Afghanistan wurden dabei sträflich missachtet

und gebotene fachliche Analyse entsprechend den Vorga-

ben des Deutschen Bundestages beiseite geschoben. Zum

Zweck dieser rein parteitaktisch motivierten Strategie

wurden erwiesene Fakten ausgeblendet und statt Unters-

tützung für die Bundeswehr durch rasche Aufklärung ein

politischer Generalangriff nach innen versucht.

Dass es gar zu Geheimnisverrat kam und entsprechende

Ermittlungen eingeleitet werden mussten, ist alarmieren-

der Beleg für ein Klima, in dem der politische Kampf

gegen den Minister wichtiger zu werden drohte als der

Schutz der Sicherheitsinteressen unseres Landes und der

Bundeswehr in einem hoch riskanten Einsatz.

Die Ausschussmehrheit hat durch umsichtiges Verhalten

erreichen können, dass die Versuche, den Einsatz der

Bundeswehr in Kunduz und gar den Afghanistan-Einsatz

der Bundeswehr insgesamt durch konspirative Theorien

und wilde Spekulationen zu skandalisieren und zu diskre-

ditieren, ins Leere gingen und Schaden von der Bundes-

wehr abgewendet wurde.

Nicht zuletzt durch die konsequente Orientierung an Fak-

ten wurde in schwierigem Umfeld eine breite öffentliche

Zustimmung und das klare Bekenntnis der großen Mehr-

heit des Deutschen Bundestages zum Einsatz in Afghanis-

tan gefestigt, und es gelang trotz der destruktiven Strate-

gie der Opposition, die Untersuchung zur Lage im Um-

feld des Luftschlages sowie mögliche Konsequenzen für

die Bundeswehr und für die Zusammenarbeit in NATO

und in ISAF zu einem verwertbaren Ende zu bringen.

3. Unsichere Sicherheitslage im PRT Kunduz
vor dem 4. September 2009

Die Sicherheitslage im Umfeld des Luftschlages ist für

die Beurteilung des Geschehens am 3./4. September 2009

als Grundlage der Entscheidungen vor Ort das entschei-

dende Kriterium.

Aus den Feststellungen im Teil A.I (S. 39) ergibt sich,

dass sich die Sicherheitslage in der Provinz Kunduz schon

in den Monaten vor dem Luftschlag erheblich verschlech-

tert hatte und die Risiken eines Angriffs auf das PRT

Kunduz als drastisch gestiegen gelten mussten.

Bereits Monate vor dem Luftschlag, am 29. April 2009,

war deutschen Soldaten nordwestlich von Kunduz von

den Taliban ein Hinterhalt gestellt worden, bei dem zum

ersten Male nach dem 2. Weltkrieg ein deutscher Soldat

in einem Gefecht fiel.

Am selben Tag wurden an anderer Stelle fünf weitere

deutsche Soldaten bei einem Selbstmordanschlag schwer

verletzt. Die Beweisaufnahme im Untersuchungsaus-

schuss im Jahre 2010 förderte zutage, dass die Bundes-

wehr seit Mai 2009 nahezu täglich im direkten Feuer-

kampf stand. Die Befragungen im Ausschuss ergaben

zudem, dass die Bundeswehr bereits in 2009 immer stär-

ker zum Ziel mörderischer Angriffe der Taliban gewor-

den war.

Drucksache 17/7400 – 176 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zur Gefährdungslage des Herbstes im Jahr 2009 zählt

auch die gefährliche Entwicklung, dass die gewaltbereiten

Taliban in den Monaten vor dem Luftschlag bereits mehr-

fach Kleintransporter und andere Fahrzeuge entführt

hatten, um sie danach als Autobomben mit vernichtender

Wirkung einzusetzen.

So war unter anderem wenige Tage vor dem Luftschlag

nahe Kunduz, am 25. August 2009, östlich von Kunduz

ein mit Treibstoff beladener Tanklaster von den Taliban

mit Waffengewalt entführt worden. Zur damaligen Gefah-

renanalyse gehörte auch, dass die Taliban allein bis zum

4. September 2009 fünf schwerste Anschläge mit vielen

Toten und Verwundeten sowie schweren Zerstörungen

unter Einsatz von zuvor erbeuteten Tank- oder anderer

Lastkraftwagen verübt hatten.

Darüber hinaus war es im Umfeld der nur zwei Wochen

vor dem Anschlag und unter massivem Schutz der ISAF

ermöglichten afghanischen Präsidentschaftswahlen am

20. August 2009 zu einem massiven Anstieg bei Anschlä-

gen auch in der Provinz Kunduz gekommen.

So gab es allein im Monat Juli 2009 mindestens 30 Ang-

riffe auf ISAF-Truppen und afghanische Sicherheitskräf-

te. Im dem Luftschlag vorausgegangenen Monat August

bis einschließlich nach der Präsidentschaftswahl wurden

sogar mehr als 50 Anschläge registriert.

Der Ausschuss hat zudem zweifelsfrei erwiesen, dass der

Bundeswehr ein überaus glaubwürdiger nachrichten-

dienstlicher Warnhinweis vom 15. Juli 2009 vorlag, in

dem berichtet wurde, dass die Taliban einen sehr massi-

ven Anschlag auf das PRT Kunduz planten.

Nach den gewonnenen Informationen war der schwere

Angriff so geplant, dass zunächst an der Einfahrt des PRT

Kunduz eine gewaltige Explosion unter Einsatz eines mit

Sprengstoff voll gepackten Fahrzeuges, zum Beispiel

eines entführten Tanklastzuges, mit entsprechend verhee-

render Wirkung ausgelöst werden sollte. Unmittelbar

nach diesem massiven Selbstmordanschlag sollte ein

zweites mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug durch die

von der ersten Explosion gesprengte Lücke der Sicherung

des PRT Kunduz hindurch in den Bundeswehr-Stützpunkt

eindringen und dann mitten im Stützpunkt eine zweite

schwere Explosion auslösen. Nach dieser zweiten

Schockwelle würden weitere Selbstmordattentäter zu Fuß

in das PRT Kunduz eindringen und so viele Bundeswehr-

angehörige wie möglich töten bzw. mit in den Tod reißen.

Völlig zu Recht musste diese Warnung ernst genommen

und erhöhte Alarmbereitschaft angeordnet werden, zumal

die Taliban bereits massive Anschläge solcher Art gegen

ISAF-Truppen ausgeübt hatten.

Vor diesem Hintergrund entpuppten sich die politisch

motivierten Behauptungen, es habe zum Zeitpunkt des

Luftangriffes keine besondere Gefährdungslage bestan-

den, da sich die Warnungen ausschließlich auf die Phase

vor den afghanischen Präsidentschaftswahlen am 20.

August 2009 bezogen hätten, als naiv bis bewusst irrefüh-

rend.

Diese irrige und im Ergebnis gefährliche Betrachtung

wurde schon durch die schweren Zwischenfälle vom

3. September 2009 als völlige Fehleinschätzung oder gar

bewusste politische Fehlinterpretation enttarnt.

An diesem 3. September 2009, unmittelbar vor dem späte-

ren Luftschlag, wurde eine Bundeswehrkompanie des

PRT Kunduz von den Taliban aus dem Hinterhalt derart

massiv unter Beschuss genommen, dass nur durch vor-

bildliches und tapferes Verhalten bei der Selbstverteidi-

gung der Bundeswehr weit Schlimmeres als drei verwun-

dete Soldaten und mehrere beschädigte Fahrzeuge verhin-

dert werden konnte.

In einer solchen Situation von vorgeblich nicht mehr

bestehender Gefährdungslage zu sprechen, kann nur als

völlig unverantwortlich gegenüber den dort im Kampf

stehenden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr

gewertet werden.

4. Ablauf des Luftangriffs

a) Entführung der Tanklastzüge

Am Nachmittag des 3. September 2009 hielten die beiden

voll betankten Tanklaster in der Nähe des Dorfes Haji

Sakhi Ded By, ca. 8 km vom Feldlager des PRT Kunduz

entfernt, an, um bei einem der beiden Tanklaster eine

Panne zu reparieren.

Bei diesem Stopp brachten die Taliban die Tanklastzüge

mit Waffengewalt und unter Morddrohung gegen die

Fahrer unter ihre Kontrolle. Es ist nach den Erkenntnissen

des Ausschusses davon auszugehen, dass diese Aktion

geplant war, um später mit der gewaltigen Sprengkraft

zweier voll beladener Tanklastzüge ein Anschlag der

schwersten Kategorie durchführen zu können.

Am Abend des 3. September 2009 gegen 18.15 Uhr blie-

ben die Tanklaster nach dem Befehl der Taliban, sie ge-

gen den Rat der Fahrer über den Fluss zu bringen, in der

Mitte des Flusses auf einer Sandbank stecken. Diese Stel-

le befindet sich ca. 7 km vom Feldlager Kunduz entfernt.

Es kann nach den Erkenntnissen des Ausschusses als

sicher gelten, dass die Taliban über professionelle Aus-

stattung wie Mobiltelefone und mehr verfügten und aus

der Umgebung von anderen Taliban Unterstützung zur

Befreiung der Fahrzeuge anforderten. Zudem haben die

Untersuchungen ergeben, dass die Taliban in das Dorf

Haji Sakhi Ded By gingen und dort von Dorfbewohnern

Hilfe anforderten. Ebenso ergaben die Untersuchungen,

dass die Taliban mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest

Teile der lokalen Bevölkerung mit Waffengewalt und

Morddrohungen gezwungen haben, bei der Bergung des

Tanklastzuges zu helfen. Im weiteren Verlauf begaben

sich Dorfbewohner zu Fuß und teilweise auch mit Fahr-

zeugen zur Sandbank, um Treibstoff aus den Tanklastern

abzuzapfen, damit diese an Gewicht verlieren und die

Sandbank wieder verlassen können.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 177 – Drucksache 17/7400

Nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte in diesem Zu-

sammenhang, ob das Benzin zum eigenen Verbrauch

überlassen werden sollte oder befohlen wurde, das Benzin

abzuzapfen, um es später in die Tanklaster zurück zu

füllen. Zu dieser Frage waren sowohl die Aussagen, als

auch im Ergebnis die entsprechenden Unterlagen wider-

sprüchlich
1285

.

Aufgrund der Feststellungen unter B.III.1.a) (S. 45) steht

fest, dass die Task Force 47 gegen 20 Uhr durch einen

Informanten über die Entführung der Tanklaster in Kenn-

tnis gesetzt wurde. Diese Information wurde an den

Kommandeur des PRT Kunduz, Oberst Klein, weiterge-

geben.

Oberst Klein begab sich daraufhin in die Taktische Opera-

tionszentrale (TOC) der Task Force 47, in der sich der

Fliegerleitoffizier des PRT Kunduz (JTAC) aufhielt.

Aufgrund der erhobenen Beweise, insbesondere der über-

einstimmenden Zeugenaussagen, gelangte die Aus-

schussmehrheit zu der Gewissheit, dass sich der JTAC

des PRT Kunduz eindeutig und nachvollziehbar aufgrund

der besseren technischen Ausstattung in der Taktischen

Operationszentrale (TOC) der Task Force 47 aufhielt.

Sowohl Oberst Klein als auch Hauptfeldwebel W. und

Hauptmann N. haben in Ihrer Zeugenaussage bestätigt,

dass es vor diesem Hintergrund durchaus üblich war, dass

das PRT Kunduz die technisch überlegene Taktische

Operationszentrale der Task Force 47 für ihre Zwecke

nutzte.

Es besteht aufgrund der Feststellungen unter B.III.2.a)

(S. 48) kein Zweifel daran, dass Hauptfeldwebel W. sich

am 3. September 2009 nur deshalb in der TOC der Task

Force 47 aufhielt, um Luftunterstützung zur endgültigen

Zerstörung eines anderen am selben Tages im Rahmen

des Gefechts der Bundeswehr mit den Taliban beschädig-

ten LKW-Zweitonner anzufordern, um kein sicherheitsre-

levantes Material mit entsprechendem Risiko für die

Bundeswehr in die Hände der Taliban fallen zu lassen.

Die Zeugen W. und N. bestätigten übereinstimmend, dass

Oberst Klein von der Zerstörung dieses Zweitonners Ab-

stand nahm, da aufgrund eines ca. 65 Meter vom Fahr-

zeug entfernten Gebäudes Kollateralschäden zu befürch-

ten waren, die er vermeiden wollte.

b) Volle Kontrolle durch PRT Kunduz – tech-
nische Unterstützung der Task Force 47 im
gebotenen Rahmen

Die Untersuchungen ergaben eindeutig, dass es sich we-

der um eine Operation der Task Force 47 handelte, noch

dass Oberst Klein in irgend einer Weise durch Angehörige

der Task Force 47 in seiner Entscheidungsfindung be-

drängt oder gar beeinflusst wurde.

Die Opposition versuchte seit Beginn des Untersuchungs-

ausschusses vergeblich, ihre Unterstellung zu bewahren,
1285) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 18.

dass es sich bei dem Befehl zum Luftschlag nicht etwa

um eine Aktion des Kommandeurs des PRT Kunduz,

sondern um eine eigenmächtige Handlung der Task Force

47 gehandelt habe, womit sie der Bundeswehr ein man-

dats- bzw. völkerrechtswidriges Verhalten unterstellte.

Dieser Versuch ist jedoch durch die klare Beweislage voll

umfänglich widerlegt und der Versuch der Skandalisie-

rung der Bundeswehr durch die Opposition ist auch in

dieser Frage gescheitert.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es sich eindeutig

um eine Aktion des PRT Kunduz gehandelt hat. Alle zu

diesem Thema vernommenen Zeugen haben übereins-

timmend bestätigt, dass es keine Operation der Task For-

ce 47 war. (siehe oben: B.III.8.b), S. 68). Darüber hinaus

steht auch fest, dass die Task Force 47 das PRT Kunduz,

insbesondere Oberst Klein, entsprechend der Vorschriften

mit den ihr zur Verfügung stehenden Fähigkeiten in der

gebotenen Weise unterstützt hat. Dass Oberst Klein als

Kdr des PRT Kunduz die TOC der Task Force 47 nutzte,

liegt in der deutlich besseren technischen Ausstattung des

TOC der Task Force 47 im Vergleich zum PRT Kunduz

begründet.

Das wird noch einmal besonders daran deutlich und nach-

vollziehbar, dass der für einen Luftschlag erforderliche

JTAC des PRT Kunduz sich zum Zeitpunkt der Entfüh-

rung wegen einer völlig abgekoppelten Einsatzplanung –
Zerstörung des Bundeswehrfahrzeuges, siehe oben –
bereits in der TOC der TF 47 aufhielt und dann auch von

dort aus den Einsatz des Luftschlages leitete (vgl. hierzu

unter: B.III.8, S. 68).

Darüber hinaus steht fest, dass es keinerlei Einflussnahme

von TF 47-Angehörigen, auf die Entscheidungsfindung

von Oberst Klein gab. Zum einen ist zunächst festzustel-

len, dass lediglich Hauptmann N. sowie der Storyboard-

Schreiber als Mitglieder der Task Force 47 anwesend

waren. Hauptfeldwebel W. war kein Angehöriger der

TF 47, sondern zählte zur Truppe des PRT Kunduz. Auch

dies ist durch die Aussagen sämtlicher zu dieser Frage

vernommen Zeugen eindeutig belegt (vgl. hierzu unter:

B.III.8.b)bb), S. 68). Auch diese klar zutage geförderte

Tatsache wurde von der Opposition mehrmals in Frage

gestellt.

Die Opposition missbrauchte hierzu faktenwidrig einen

später korrigierten Fehler im Bericht von Oberst Klein, in

dem Hauptfeldwebel W. als Verstärkerkraft bezeichnet

wurde
1286

, obwohl Oberst Klein in seiner Vernehmung vor

dem Ausschuss ausdrücklich und auch auf wiederholtes

Nachfragen klarstellte, dass es sich bei Hauptfeldwebel

W. keineswegs um ein Mitglied der TF 47 gehandelt und

er dies in seinem o. g. Bericht nur falsch abgefasst ha-

be.
1287

In ihrer Vernehmung haben sowohl Hauptmann N. als

auch Hauptfeldwebel W. und Oberst Klein bestätigt, dass

Oberst Klein in seiner Entscheidung entsprechend der
1286) vgl. „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63).
1287) vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 40, 41 und 43.

Drucksache 17/7400 – 178 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Vorschriften beraten wurde, es aber keinerlei Beeinflus-

sung gab. Auch dieser Vorwurf wurde somit in der Be-

weiserhebung widerlegt.

Weiterhin ergibt sich aus den Feststellungen in B.III.2.a)

(S. 48), dass die B1-Bomber für die Suche nach den am

Nachmittag entführten Tanklastern eingesetzt wurden und

Oberst Klein gegen 23 Uhr die TOC verließ, nachdem die

Tanklaster zunächst nicht gefunden werden konnten. Er

gab vor dem Hintergrund der Bedrohungs- und Gefähr-

dungslage die Anweisung, ihn sofort zu informieren, falls

die Tanklaster geortet sein sollten.

Nachdem die Tanklaster dann gegen 0.15 Uhr nur 7 km

entfernt vom PRT Kunduz geortet wurden, begab sich

Oberst Klein unmittelbar zurück in die TOC der Task

Force 47. Dort befanden sich zu diesem Zeitpunkt der

JTAC, Hauptmann N. und der Storyboard-Schreiber.

c) Keinerlei Beteiligung des Bundesnachrich-
tendienstes

Die Opposition versuchte es auch in der Frage einer even-

tuellen Beteiligung des BND mit einem untauglichen

Skandalisierungsansatz. Sie behauptete, es hätten sich zu

diesem Zeitpunkt Mitarbeiter des BND in der TOC auf-

gehalten, die zudem – so die Unterstellung – an der Vor-
bereitung oder Durchführung des Luftschlages beteiligt

gewesen seien. Dieser Ansatz wurde ebenfalls überzeu-

gend widerlegt. Aufgrund der Feststellungen in B.III.9

(S. 69) steht fest, dass sich zwar zeitweise zwei BND-

Mitarbeiter in der TOC der TF 47 aufhielten, diese aber

zum Zeitpunkt des Auffindens der Lastwagen die TOC

bereits wieder verlassen hatten und auch nicht an Planung

und Durchführung des Luftschlages beteiligt waren.

Laut Aussage der Zeugen R. und F. hielten sich die bei-

den in einem abgetrennten Teil der TOC auf, gingen ihren

eigenen Aufgaben nach, die keinen Bezug zum Luftschlag

hatte.

Der Zeuge R. hat in diesem Zusammenhang bestätigt,

dass sie mit Oberst Klein „arbeitstechnisch gar nichts zu
tun“ gehabt haben (siehe oben: B.III.9.a), S. 69).

Darüber hinaus haben die Untersuchungen ergeben, dass

die beiden BND-Mitarbeiter schon vor dem Zeitpunkt der

Entscheidungsfindung den Gefechtsstand bereits verlas-

sen hatten und sich nicht mehr im Dienst befanden. Von

dem Luftschlag haben beide nachweislich erst am näch-

sten Morgen erfahren.

Auch sämtliche hierzu befragten Zeugen, insbesondere

der damalige Leiter der Gruppe 22 im Bundeskanzleramt,

wie auch der damalige Leiter der Abteilung 6 des Bun-

deskanzleramtes sowie der Präsident des Bundesnachrich-

tendienstes haben bestätigt, dass der Bundesnachrichten-

dienst in keiner Weise an dem Vorfall beteiligt war.

Das Bundeskanzleramt hat sich nach der behaupteten

Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes mehrfach

beim BND nach dessen Rolle bei dem Luftschlag erkun-

digt. Alle diesbezügliche Nachfragen und Überprüfungen

haben eindeutig ergeben, dass es keine Beteiligung des

Bundesnachrichtendienstes gab. Alle anderslautenden

Behauptungen haben sich als gegenstandlos erwiesen und

müssen nach den gewonnenen Erkenntnissen teils als

bewusst irreführend qualifiziert werden.

Auch eine weitere Unterstellung der Opposition, es habe

sich bei dem Informanten zu den Tanklastzügen und zu

den Plänen der Taliban um eine Quelle des BND gehan-

delt, wurde durch die durchgeführte Beweisaufnahme klar

widerlegt. Mehrfache Überprüfungen des Bundeskanzler-

amtes beim BND haben zweifelsfrei ergeben, dass es sich

bei dem Informanten nicht um eine Quelle des BND,

sondern um einen Informanten der Bundeswehr handelte.

Dies hat vor dem Ausschuss auch der Zeuge Uhrlau be-

stätigt.
1288

Die Unterstellung einer sachwidrigen, gar mandats- oder

völkerrechtswidrigen Handlung oder auch nur unzulässi-

ger Einflussnahme ist damit in sich zusammengebrochen.

d) Der Luftschlag

Weiterhin ist aufgrund der Feststellungen in

B.III.4.c)bb)ccc) (S. 56) eindeutig nachvollziehbar, dass

Oberst Klein vor seiner Entscheidung mehrfach bei dem

Informanten nachfragen ließ, ob sich auf der Sandbank

Zivilpersonen bzw. Unbeteiligte befänden. Diese mehr-

fach wiederholten Anfragen wurden durch den Informan-

ten stets verneint. Der Informant gab in allen Telefonaten

an, dass sich ausschließlich Taliban auf der Sandbank

befänden und alle Personen auf der Sandbank bewaffnet

seien.

Es steht nach den Untersuchungen auch zweifelsfrei fest,

dass sich Oberst Klein bei Hauptmann N. mehrfach über

die Glaubwürdigkeit des Informanten informierte. Sowohl

gegenüber Oberst Klein als auch in seiner Aussage vor

dem Ausschuss gab Hauptmann N. an, dass man sich –
vor dem Hintergrund der Lage im Einsatzgebiet – bei
einem Informanten nie hundertprozentig sicher sein könn-

te, es aber keinerlei konkreten Zweifel an der Richtigkeit

der Angaben gab. Hauptmann N. wies zudem darauf hin,

dass sich die Angaben des Informanten bei früherem

Zusammenarbeiten als zuverlässig und richtig erwiesen

hatten.

Wie Oberst Klein in seiner Vernehmung angab, deckten

sich die Schilderungen des Informanten mit den durch die

Flugzeuge in die TOC übertragenen Videobildern. Durch

den Informanten wurden die Sandbank, die festgefahre-

nen Tanklaster, die zur Freischleppung der Tanklaster

herangeführten Fahrzeuge und die Bewegungen der Per-

sonen so beschrieben, wie es auch die übermittelten Vi-

deobilder der Luftaufklärung zeigten.

Oberst Klein gewann dadurch die Überzeugung, dass die

Angaben des Informanten den Tatsachen entsprachen.

Oberst Klein ging zum damaligen Zeitpunkt davon aus,

dass die Kontaktperson direkten Blickkontakt zum Ge-
1288) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 15.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 179 – Drucksache 17/7400

schehen hatte. Dies hat sich im Nachhinein jedoch als

nicht richtig herausgestellt. Die Untersuchungen haben

ergeben, dass der Informant zwar nicht vor Ort war, je-

doch über eine weitere Person, die sich vor Ort befand,

seine Informationen erhielt, die er weiter gab.

Zwar meinte sich der Sprachmittler in seiner Vernehmung

daran zu erinnern, der Informant habe sich direkt auf der

Sandbank befunden. Nach Überzeugung der Ausschuss-

mehrheit hat sich dies jedoch nicht bestätigt. Zum einen

gaben die beiden HUMINT-Operatoren an, dass der In-

formant ihrer Erinnerung nach weder vor Ort war noch

Blickkontakt hatte, sondern von einer weiteren Person

bzw. von mehreren weiteren Personen über das Gesche-

hen informiert wurde. Diese Angaben decken sich wiede-

rum mit der Aussage des Sprachmittlers, der angab, der

Informant hätte sich nach dem Luftschlag nochmals ge-

meldet und mitgeteilt, er müsse sich jetzt hin zur Sand-

bank begeben, damit er nicht auffalle.

Unabhängig davon, ob der Informant direkt auf der Sand-

bank war oder weiter entfernt, ergab sich für Oberst Klein

aus den übermittelten Informationen ein mit den Video-

bildern der Luftaufklärung übereinstimmendes Lagebild.

Unstreitig ist, dass der B1-Bomber gegen 0.48 Uhr den

Luftraum über der Sandbank verlassen musste, weil sich

der Treibstoff dem Ende zuneigte.

Weiterhin steht fest, dass Oberst Klein, nachdem er durch

die Erklärung einer „Troops in Contact“-Lage (vgl. hierzu
unter Punkt VI.1.a), S. 204) zwei ISAF-Kampfflugzeuge

angefordert hatte, Hauptmann N. noch ca. sieben Mal den

Befehl erteilte, den Informanten zu kontaktieren und nach

etwaigen Veränderungen der Lage zu befragen. Der In-

formant antwortete hierbei stets, dass sich ausschließlich

Aufständische auf der Sandbank aufhalten würden.

Nachdem Oberst Klein den von den Kampfflugzeugen

angebotenen „Show-of-Force“ als ungeeignet abgelehnt
hatte (vgl. hierzu unter Punkt VI.1.b), S. 205), erfolgte ein

Austausch über die Auswahl der einzusetzenden Waffen

für einen Luftschlag. Aufgrund der durchgeführten Be-

weisaufnahme ist unstreitig, dass die Besatzung der Flug-

zeuge zunächst 2 000-Pfund-Bomben vorschlug. Oberst

Klein lehnte dies ab, da er Kollateralschäden an einem

nahegelegenen Gehöft nicht ausschließen konnte. Allein

dieses Verhalten dokumentiert eindeutig, dass Oberst

Klein darauf bedacht war, dass keine Zivilisten zu Scha-

den kommen.

Vielmehr war es Ziel von Oberst Klein, einen Bomben-

einsatz nur mit minimaler Waffenwirkung, eng auf die

Tanklastwagen und die Sandbank zu begrenzen, um mög-

liche Kollateralschäden zu vermeiden. Auch dies zeigt

nach Ansicht der Ausschussmehrheit eindeutig und klar,

dass Oberst Klein alles Erforderliche unternahm, um eine

Schädigung Unbeteiligter zu vermeiden.

Dies wird nicht zuletzt dadurch untermauert, dass Oberst

Klein sich nicht nur für den Abwurf zweier 500-Pfund

Bomben mit im Verhältnis deutlich geringerer Spreng-

kraft entschied als ihm seitens der Bomberpiloten mit

einer 2 000-Pfund-Bombe empfohlen worden war. Zudem

entschied er, die Bomben mit Zündzeitverzögerung ab-

werfen zu lassen, um damit die Splitterwirkung zu redu-

zieren und somit die Gefahr der Tötung oder Verletzung

für unbeteiligte Personen, die sich nicht in unmittelbarer

Nähe der Tanklaster befanden, weitestgehend auszu-

schließen.

Die Beweisaufnahme vor dem Ausschuss hat ergeben,

dass Oberst Klein um 1.40 Uhr den Befehl zum Waffen-

einsatz gab, nachdem er aufgrund mehrfacher Prüfung

und mehrfacher Nachfragen zu dem Schluss gelangt war,

dass die nur wenige Kilometer vom PRT Kunduz entfern-

ten Tanklaster eine erhebliche Bedrohung für das PRT

darstellten und er aus seiner damaligen Perspektive keine

Handlungsalternativen zur Verfügung hatte, außer dieses

Risiko mittels eines Luftschlages auszuschalten (vgl.

hierzu weiter unter Punkt VI.4, S. 209).

Um 1.49 Uhr wurden die beiden 500-Pfund-Bomben

abgeworfen, die jeweils in der Nähe der Tanklaster ein-

schlugen.

Die Folgen des Bombenabwurfs, insbesondere die Frage,

bei wie vielen der Toten und Verletzten es sich um zivile

Opfer handelt, konnte eindeutig bis heute weder durch die

zahlreichen Untersuchungen und Berichte unmittelbar

nach dem Vorfall noch im Untersuchungsausschuss ge-

klärt werden (siehe unter Punkt VI.2.a), S. 206).

Die Ausschussmehrheit hat ebenso wie die große Mehr-

heit des Deutschen Bundestages von Anfang an den Kurs

für Entschädigung und Hilfen für die Opfer und die An-

gehörigen unterstützt und den Kurs der Bundeskanzlerin

und des Bundesverteidigungsministers gestützt, aktiv auf

die Bewohner des nahe gelegenen Dorfes und die zivilen

afghanischen Autoritäten zuzugehen. Dass die Klärung

nicht einfach herbeizuführen war, ist der Unübersichtlich-

keit der Lage vor Ort geschuldet.

II. Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 1
und 2 des Untersuchungsauftrages

Der Ausschuss hat sich auch mit der Frage beschäftigt,

welche Informationen im Zusammenhang mit dem Luft-

schlag wann innerhalb der Bundeswehr und innerhalb der

Bundesregierung kommuniziert wurden.

1. Völlig korrektes Meldeverhalten innerhalb
der Bundeswehr

Aufgrund der Feststellungen in C.II.1.a), b) und c)

(S. 89 ff.) hat sich ergeben, dass die Informationsweiter-

gabe und das Meldeverhalten innerhalb der Bundeswehr

anstandslos verlaufen sind.

Sämtliche Informationen im Zusammenhang mit dem

Vorfall in Kunduz wurden vollständig und unverzüglich

auf den vorgesehenen Meldewegen weitergeleitet.

Weder beim PRT Kunduz, noch beim Regionalkomman-

do Nord oder dem Einsatzführungskommando der Bun-

deswehr haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass

Drucksache 17/7400 – 180 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Informationen verzögert oder unvollständig weitergeleitet

wurden.

Brigadegeneral Vollmer kritisierte als Kommandeur des

RC North den Sachverhalt, dass die Information über den

Luftschlag ihn erst am Morgen des 4. September 2009 um

7.45 Uhr erreichte. Allerdings haben die Untersuchungen

hierzu ergeben, dass Oberst Klein unmittelbar nach dem

Luftschlag, um 3.13 Uhr, vom Gefechtsstand des PRT

Kunduz aus die Meldung über den Luftschlag an das RC

North übermitteln ließ (siehe oben: C.II.1.a)aa)aaa),

S. 89). Auch dieses Vorgehen ist völlig korrekt, da es sich

um den vorgesehenen Meldeweg handelt. Eine unmittel-

bare persönliche Unterrichtung in der Nacht an Brigade-

general Vollmer ist nicht vorgesehen und hatte daher auch

nicht zwingend zu erfolgen.

Dass General Vollmer von seinem Stab erst mit der um

7.45 Uhr eingegangenen Information unterrichtet wurde,

ist nicht auf fehlerhaftes Meldeverhalten zurückzuführen.

Wie der Zeuge Vollmer in seiner Vernehmung angab ist,

nicht genau geregelt, wie innerhalb des Gefechtsstandes

mit Meldungen umzugehen ist. Insbesondere gibt es keine

klaren Angaben, wann eine Meldung sofort an den Kom-

mandeur des RC North weitergeleitet werden muss und

wann bis zum Morgen gewartet werden kann (siehe oben:

C.II.1.a)aa)bbb), S. 90). Ein Fehlverhalten ist daher nicht

gegeben.

Aus Sicht der Mehrheit wäre es allerdings sinnvoll, diese

Meldewege entsprechend klarer zu formulieren und ge-

naue Richtlinien zu erstellen.

2. Unterrichtung des Bundesministeriums
der Verteidigung

a) Meldungen von außerhalb in das Bundes-
ministerium der Verteidigung

Die Untersuchungen haben nach Ansicht der Ausschuss-

mehrheit keinerlei Anlass zur Kritik bezüglich der von

außen eingehenden Informationen ergeben.

Alle Informationen aus Afghanistan bzw. aus dem Ein-

satzführungskommando und alle eingegangenen Berichte

wurden unverzüglich über die jeweiligen Meldewege an

das BMVg weitergeleitet.

Die Beweisaufnahme hat keinerlei Anhaltspunkte erge-

ben, dass Informationen nicht oder auch nur mit Verspä-

tung weitergegeben worden wären.

Die unverzügliche Weiterleitung der maßgeblichen Do-

kumente an das BMVg lässt sich anhand einiger Beispiele

sehr gut erkennen.

So wurde der „Klein-Bericht“ vom 5. September 2009
noch am selben Tag dem Ministerium zugeleitet. Auch

der „N.-Bericht“ vom 6. September 2009 ging im Bun-
desministerium der Verteidigung noch an diesem Tag ein.

Auch der IAT-Bericht wurde am 6. September 2009 er-

stellt und ging noch am Abend des 6. dem Ministerium zu

(siehe oben: C.II.1.d)aa)bbb)(1), S. 101).

Auch die vom seinerzeitigen Minister zu Guttenberg in

Auftrag gegebene Untersuchung des Informationsflusses

kommt zu dem Ergebnis, dass sich keine Anhaltspunkte

für eine fehlende oder lückenhafte Information des BMVg

durch nachgeordnete Behörden ergeben haben (siehe

oben: E.V, S. 163).

b) Informationsfluss innerhalb des Bundes-
ministeriums der Verteidigung

Neben den Meldewegen in das Bundesverteidigungsmi-

nisterium war es auch Aufgabe des Untersuchungsaus-

schusses, den Informationsfluss innerhalb des Ministe-

riums zu untersuchen.

Hier haben die Untersuchungen des Ausschusses ergeben,

dass die Informationsweitergabe im Zusammenhang mit

dem Vorfall in Kunduz bis zur Ebene des verantwortli-

chen Staatssekretärs und des Generalinspekteur beanstan-

dungsfrei erfolgte.

aa) Ordnungsgemäßer Informationsfluss bis
zur Ebene von Generalinspekteur und
Staatsekretär Dr. Wichert

Der damalige Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg

hat im November 2009 Staatssekretär Wolf damit beauft-

ragt, den Informationsprozess innerhalb des BMVg im

Zusammenhang mit dem Vorfall in Kunduz zu untersu-

chen. Insbesondere wurde der Informationsfluss der elf

Kerndokumente untersucht.

Diese Untersuchung kam zum Ergebnis, dass die entspre-

chenden Dokumente unverzüglich an die zuständigen

Adressaten im Ministerium weitergeleitet wurden und

„zumindest den zuständigen Staatssekretär und den zu-
ständigen Generalinspekteur erreicht haben“ (siehe oben:
E.V, S. 163).

Dieses Ergebnis wird auch durch die Aussage des Zeugen

Schneiderhan bestätigt, der angegeben hat, dass er den

„Klein-Bericht“ vom 5. September taggleich am
5. September 2009 erhalten hatte

1289
, und ihm auch der

„N.-Bericht“ vom 6. September 2009 noch am selben Tag
zugeleitet wurde.

Dies belegt, dass die einzelnen Referate im Bundesminis-

terium der Verteidigung die Berichte bzw. Dokumente

ordnungsgemäß weitergeleitet haben.

bb) Weitergabe relevanter Informationen durch
Generalinspekteur und Staatssekretär

Die Untersuchungen haben ergeben, dass Defizite im

Informationsfluss nicht erst nach dem Koalitionswechsel

vorgekommen sind, sondern bereits im unmittelbaren

Zeitraum nach dem Luftschlag die Weitergabe von In-

formationen durch Generalinspekteur und zuständigen

Staatsekretär nicht völlig beanstandungsfrei erfolgte.
1289) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 181 – Drucksache 17/7400

aaa) Keine Weitergabe von Informationen an
den Presse-/Informationsstab

Der damalige Leiter des Presse- und Informationsstabes

sagte vor dem Ausschuss aus, dass keiner der Berichte im

Zusammenhang mit dem Luftschlag in Kunduz vom Ge-

neralinspekteur an ihn weitergeleitet wurde, obwohl ge-

mäß der Geschäftsordnung des BMVg alle relevanten

Informationen auch dem Presse- und Informationsstab zur

Verfügung gestellt werden müssen.
1290

Auch wurde vom Büro des zuständigen Staatssekretärs

für eine Pressekonferenz am 7. September 2009 keine

Sprachregelung geliefert, obwohl dies übliche Praxis war

und obwohl der Presse- und Informationsstab ausdrück-

lich darum gebeten hatte (siehe oben: C.II.1.d)cc)ccc),

S. 104).

Die Empfehlung für eine Sprachregelung zur Pressekon-

ferenz wurde vom Büro des Staatssekretärs erst wenige

Minuten vor der Pressekonferenz an den Presse- und

Informationsstab weitergeleitet.

Zudem wurde dem Pressesprecher des BMVg auch nicht

vom Generalinspekteur der bereits seit dem

6. September 2009 vorliegende IAT-Bericht weiter gelei-

tet, so dass auf der Pressekonferenz die Ergebnisse des

Berichts, insbesondere die Hinweise auf mögliche zivile

Opfer, nicht erwähnt wurden.

Insbesondere diese fehlende Darstellung möglicher ziviler

Opfer hat in der Folgezeit erhebliche und berechtigte

Kritik innerhalb der Bundesregierung, seitens des Kanz-

leramtes und im politischen wie öffentlichen Raum insge-

samt hervorgerufen. Mit einer frühzeitigen und transpa-

renten Vorgehensweise wären dem seinerzeitigen Minis-

ter, dem Bundesministerium der Verteidigung und der

Bundeswehr große Teile der nachfolgenden Debatte ers-

part geblieben.

Dem Pressesprecher des BMVg wurde nicht nur der IAT-

Bericht nicht vorgelegt. Auch von anderen zentralen Do-

kumenten wie dem „N.-Bericht“, dem „Klein-Bericht“
und dem Feldjägerbericht erfuhr er erst Wochen später,

am 26. November 2009.
1291

Auf dem Dienstweg wurden diese Dokumente dem Pres-

se- und Informationsstab des BMVg nicht etwa nur ver-

zögert, sondern gar nicht vorgelegt.

Mit diesen offensichtlichen Defiziten in der Unterrichtung

im Ausschuss konfrontiert, reagierten sowohl der Zeuge

Dr. Wichert als auch der Zeuge Schneiderhan nach Be-

fund der Ausschussmehrheit insoweit unangemessen, als

sie die Verantwortung für ihre Handlungen und Unterlas-

sungen in diesem Zusammenhang auf den damaligen

Minister Dr. Jung abwälzten und versuchten, ihn für die

Unterrichtung des Pressesprechers verantwortlich zu

machen.

Aber selbst wenn der Minister den Pressesprecher unter-

richten würde, ist dafür erforderlich, dass zuvor der Mi-
1290) vgl. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5.

1291) vgl. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 5.

nister selbst mit den relevanten Unterlagen versorgt wur-

de. Dies war vorliegend aber nicht der Fall. Auch Minis-

ter Dr. Jung war zu diesem Zeitpunkt durch Staatssekretär

Dr. Wichert und General Schneiderhan nicht umfassend

informiert worden. Daher ist der von General Schneider-

han unternommene Versuch, die Verantwortung allein auf

Minister Dr. Jung zu verschieben, hier eher unangemes-

sen.

Zum Zeitpunkt der Pressekonferenz am

7. September 2009 war nämlich selbst dem damaligen

Bundesverteidigungsminister Dr. Jung der IAT-Bericht

noch gar nicht vorgelegt worden. Minister Dr. Jung erfuhr

erst am Tag nach der Pressekonferenz, am

8. September 2009, von der Existenz dieses Berichtes.

Aufgrund der mangelnden Unterrichtung des Presse- und

Informationsstabes durch GI und Staatssekretär war der

Pressesprecher des BMVg gezwungen, eigene Nachfor-

schungen anzustellen.

Vor dem Hintergrund der mangelnden Unterrichtung und

Unterstützung wirkt die vom Zeugen Schneiderhan dies-

bezüglich geäußerte harsche Kritik (siehe oben:

C.II.1.d)cc)ggg), S. 106) umso unverständlicher. Wenn

General a. D. Schneiderhan den Pressestab entsprechend

der Geschäftsordnung ordnungsgemäß unterrichtet hätte,

wären die eigenen Nachforschungen des Presse- und

Informationsstabes nicht erforderlich geworden und nicht

erfolgt.

Durch die aufgrund der mangelnden Information durch

Generalinspekteur und Staatssekretär erforderlich gewor-

denen eigenen Nachforschungen kam es in der Pressekon-

ferenz zu der Erwähnung einer „dritten Quelle“. Diese
„dritte Quelle“ soll in einem Telefonat zwischen dem
damaligen stellvertretenden Pressesprecher des BMVg

und dem stellvertretenden Kommandeur des PRT Kunduz

Oberstleutnant G. erwähnt worden sein (siehe oben:

C.II.1.d)cc)eee), S. 105).

Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass es sich

hierbei lediglich um ein Missverständnis handeln muss.

Eine solche „dritte Quelle“ hat es ausweislich der durch-
geführten Untersuchung nicht gegeben. Auch der Zeuge

G. hat in seiner Vernehmung eindeutig angegeben, dass es

zum einen keine „dritte Quelle“ gegeben hat und dass er
eine solche in dem Telefonat auch nicht erwähnt hat (sie-

he oben: C.II.1.d)cc)eee), S. 105). Darüber hinaus haben

sämtliche zu diesem Thema vernommenen Zeugen bestä-

tigt, dass es keine „dritte Quelle“ gegeben hat.

Auch dieses Missverständnis hätte verhindert werden

können, wenn der Presse-/Informationsstab genügend

eingebunden worden wäre.

bbb) Unterrichtung des Planungsstabes

Auch die Informationsweitergabe an den Planungsstab

des BMVg durch General Schneiderhan und Staatssekre-

tär Dr. Wichert ist teilweise nicht vollständig erfolgt.

Drucksache 17/7400 – 182 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Aufgabe des Planungstabes ist es, den Bundesminister der

Verteidigung in grundlegenden sicherheitspolitischen und

militärstrategischen Fragen zu beraten und alle mündli-

chen und schriftlichen Einlassungen des Ministers vorzu-

bereiten. Der Planungsstab ist jedoch in keinem Bereich

für die originäre Sacharbeit zuständig, auch nicht bei

militärischen Bewertungen. Diese obliegt allein dem

Generalinspekteur der Bundeswehr.

Aus diesem Grund ist es zwingend, dass dem Planungs-

stab alle relevanten Dokumente vorgelegt werden, da

ansonsten eine ordnungsgemäße und verantwortliche

Beratung des Ministers durch den Planungsstab nicht

möglich ist.

Der Zeuge Schneiderhan hat in seiner Vernehmung vor

dem Ausschuss einräumen müssen, dass die Geschäfts-

ordnung des BMVg vorsieht, dass alle Vorlagen an den

Minister auch an den Planungsstab zu gehen haben.

Der Zeuge Schneiderhan hat dazu ausgesagt:

„Das Verfahren im Verteidigungsministerium ist
so, dass es keine Vorlage an den Minister gibt, die

nicht als Kopie über den Planungsstab auch zum

Minister kommt.“1292

Die Untersuchung hat jedoch ergeben, dass der Zeuge

Schneiderhan dieser Vorschrift in der Geschäftsordnung

nicht immer ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Der Zeuge Schneiderhan hat in seiner Vernehmung hierzu

eingeräumt, dass er weder den „Klein-Bericht“ noch den
„N.-Bericht“ an den Planungsstab weitergeleitet hat.1293

Dies ist umso mehr kritikwürdig, als der Zeuge Schnei-

derhan den „Klein-Bericht“ als ein wichtiges Dokument
einschätzt.

1294
Es ist daher nicht zu rechtfertigen, dass

dieses wichtige Dokument vom GI nicht an den Pla-

nungsstab übermittelt wurde.

Hierbei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. So

wurde dem Planungsstab auch der Feldjägerbericht nicht

vorgelegt.

Zudem hat der Leiter des Planungsstabes in seiner Ver-

nehmung angegeben, dass ihm zunächst auch der IAT-

Bericht nicht vorgelegt wurde und er von diesem eher

zufällig am 8. September 2009 Kenntnis erhielt.
1295

Weiter hat der Zeuge Dr. Schlie dargelegt, dass es sich

hierbei nicht um ein grundsätzlich neues Problem gehan-

delt hat, sondern dass bereits in der Zeit 2005 bis 2009,

insbesondere bei militärisch-operativen Fragen, häufig

Vorlagen des GI an den Minister den Planungsstab nicht

erreicht haben.
1296
1292) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 32.

1293) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 32.
1294) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.

1295) vgl. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20.

1296) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 27.

ccc) Defizite bei der Unterrichtung des Vertei-
digungsministers nach dem Luftschlag

Deutlich werden die Defizite in der Unterrichtung durch

Generalinspekteur und Staatssekretär auch in der Unter-

richtung des Ministers.

Zum einen wurde dem Minister der IAT-Bericht nur ver-

zögert vorgelegt. Während ihm noch der „Klein-Bericht“
und der „N.-Bericht“ umgehend durch den GI zugeleitet
wurden, wurde der wichtige IAT-Bericht, in dem erstmals

konkret die Möglichkeit ziviler Opfer aufgezeigt wurde,

nicht mehr an den Minister übermittelt.

Vielmehr erfuhr der Minister durch die Obleuteunterrich-

tung am 8. September 2009, während der Sitzung des

Verteidigungsausschusses, von der Existenz des Berich-

tes.

Dass der deutsche Verteidigungsminister erst in der Sit-

zung des Verteidigungsausschusses von dem bis zu die-

sem Zeitpunkt wichtigsten Bericht im Zusammenhang mit

dem schwersten Luftschlag in der Geschichte der Bun-

deswehr erfährt, ist ein nicht hinnehmbares Verhalten

gegenüber dem obersten Dienstherrn und dem Inhaber der

Befehls- und Kommandogewalt. Eine selektive Unterrich-

tungspraxis des Ministers muss unterbunden werden.

Die verzögerte Vorlage des IAT-Berichtes an den Minis-

ter stellt keinen Einzelfall dar. Die Beweisaufnahme er-

gab, dass dem Minister auch der Umstand nicht mitgeteilt

wurde, dass bereits nationale Ermittlungen („Feldjägerbe-
richt“) eingeleitet wurden. Obwohl der Generalinspekteur
von der Einleitung dieser nationalen Untersuchung bereits

am 7. September 2009 erfuhr und sie unmittelbar am

selben Tag unterband, wurde der Minister über diesen

wichtigen Sachverhalt nicht informiert (nähere Ausfüh-

rungen hierzu finden sich unter Punkt V.2, S. 202).

Schwer wiegt, dass diese Unterbindung durch den Gene-

ralinspekteur selbst noch am 11. September 2009 in der

Beratung des Ministers von ihm ausgeklammert wurde,

obwohl Anlass dieser Beratung eine Vorlage des Pla-

nungsstabes an den Minister war, in der ausdrücklich die

Einleitung einer nationalen Untersuchung angeraten wur-

de.
1297

Nachdem diese nationale Untersuchung vom GI gestoppt

worden war, wurde der Minister vom Generalinspekteur

und vom zuständigen Staatssekretär dann gleichlautend

dahingehend beraten, eine solche nationale Untersuchung

nicht durchzuführen, ohne den Stopp der begonnenen

Untersuchungen zu erwähnen. Stattdessen sollten die

Ermittlungen des Joint Investigation Board abgewartet

werden.

Hier stellt der Untersuchungsausschuss fest, dass es die

Pflicht des GI gewesen wäre, dem Minister im Zusam-

menhang mit der Frage nach einer eventuell zu beauftra-

genden nationalen Untersuchung des Luftschlages zwin-
1297) Ministerweisung zur Aufklärung des Sachverhalts (Fn. 702,

Dokument 110).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183 – Drucksache 17/7400

gend über die gestoppte Feldjägeruntersuchung zu infor-

mieren, was jedoch unterblieb.

Zudem wurde der Feldjägerbericht dem Minister nicht

vorgelegt. Obwohl der Bericht bereits am

15. September 2009 beim Generalinspekteur einging,

wurde der Minister weder über Existenz noch über Inhalt

des Berichtes unterrichtet (siehe oben: C.II.1.d)dd)jjj),

S. 110).

Erst nach einer Anforderung durch internationale Partner

(hier das Joint Investigation Board) und dem daraus fol-

genden Zwang zur Thematisierung sprach der GI am

5. Oktober 2009, nahezu drei Wochen nach Eingang, den

Feldjägerbericht gegenüber dem Minister an.

Allein der Umstand, dass der Minister so spät mit dem

Feldjägerbericht befasst wurde, legt die Schlussfolgerung

nahe, dass der Minister über das Vorliegen des Feldjäger-

berichtes erst dann in Kenntnis gesetzt wurde, als die

Anforderung des Berichtes durch die NATO eine Befas-

sung unausweichlich machte.

Dem Minister wurden selbst in diesem Gespräch vom

5. Oktober 2009 nicht alle relevanten Informationen

eröffnet. So trug der Generalinspekteur zwar aus dem

Bericht vor, legte dem Minister den Bericht selbst jedoch

nicht vor. Der GI hat auch zu diesem Termin den Minister

nicht darüber informiert, dass er vom Feldjägerbericht

bereits am 7. September 2009 erfahren hatte und weitere

Ermittlungen unmittelbar unterbunden hatte. Stattdessen

hat der Generalinspekteur gegenüber dem Minister ausge-

führt, erst Mitte September 2009 während eines Afghanis-

tan-Aufenthaltes von den Untersuchungen erfahren und

diese dann dort vor Ort unterbunden zu haben. Es liegt

der Schluss nahe, dass der GI auch deshalb diese Informa-

tion vorenthielt, weil der Bericht bereits seit fast drei

Wochen vorlag. Es ist gesichert anzunehmen, dass er als

GI in große Erklärungsnot geraten wäre, warum er den

Bericht nicht bereits früher erwähnt bzw. vorgelegt hatte.

Gravierender ist der Umstand, dass dem Minister vom

Generalinspekteur auch nicht mitgeteilt wurde, dass die

NATO den Feldjägerbericht bereits angefordert hatte.

Vielmehr hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der GI

gegenüber dem Minister offenbar den Eindruck erwecken

wollte, es sei seine eigene Idee gewesen, diesen tatsäch-

lich von NATO angeforderten Bericht aus eigener Initia-

tive der NATO für ihre Untersuchungen zur Verfügung zu

stellen (siehe oben: C.II.1.d)dd)jjj), S. 110). Eine solche

Vorgehensweise ist kritikwürdig.

Die aufgezeigten Punkte belegen, wie teils eigenmächtig

und selektiv schon Minister Dr. Jung vom Generalinspek-

teur unterrichtet wurde und dass dabei der Analyse des

Generalinspekteurs zuwiderlaufende Informationen in

mehr als einem bedeutsamen Vorgang nicht wie geboten

unverzüglich, sondern teils stark verzögert oder erst dann

weitergeleitet wurden, wenn es unausweichlich wurde.

ddd) Information nach Bildung der Koalition aus
CDU/CSU und FDP

Auch der neue Bundesverteidigungsminister zu Gutten-

berg wurde durch Generalinspekteur und Staatssekretär

unzureichend informiert (siehe hierzu unten Punkt

III.2.a)bb) und cc), S. 188).

Die Art und Weise der Unterrichtung lässt den Schluss zu,

dass Generalinspekteur und Staatssekretär dem neuen

Minister so wenig wie möglich über solche Fakten zum

Luftschlag informieren wollten, die sie für ihre Position

als nicht zielführend einschätzten.

Dies ergibt sich auch daraus, dass in der eineinhalbstün-

digen Einweisung des neuen Ministers in die laufenden

Einsätze der Bundeswehr am 29. Oktober 2009 der Luft-

schlag von Kunduz mit keinem Wort erwähnt wurde.

Es muss mehr als verwundern, dass der Sachstand zur

folgenschwersten und politisch bedeutsamsten Entwick-

lung in der Geschichte der Bundeswehr weder vom Gene-

ralinspekteur noch vom Staatssekretär zum Gegenstand

bei der Einweisung des neu ins Amt berufenen Verteidi-

gungsministers gemacht wurde.

Vielmehr musste erst der Leiter des Planungsstabes dar-

auf drängen, im Anschluss an die Einweisung in kleiner

Runde mit dem Minister über den in der Nacht zuvor zum

Luftschlag eingegangenen COM ISAF-Bericht zu spre-

chen.

In dieser kleinen Runde gaben Generalinspekteur und

Staatssekretär dann eine kurze Einweisung von etwa 15

Minuten, in der nur zwei Passagen des Berichtes vorgele-

sen wurden und der Staatssekretär dabei den gerade ins

Amt gekommenen Minister darauf einzustimmen ver-

suchte, wie positiv der tatsächlich in Teilen überaus kriti-

sche Bericht für die Bundeswehr ausfalle.

An der Folge unzureichender Unterrichtungen und an der

völlig unzureichenden Art der Information für den neuen

Minister lässt sich eindeutig ablesen, dass Generalinspek-

teur und Staatssekretär offenkundig ein sehr eigenes

Interesse daran hatten, die eigene Einschätzung nicht

korrigieren zu müssen und den neuen Minister über den

Vorfall in Kunduz lediglich mit Teilen der gesamten Lage

bekannt zu machen und nicht ein umfängliches Lagebild

schildern zu wollen.

Diese Haltung wird durch das weitere Vorgehen von

Staatssekretär und Generalinspekteur in der Folgezeit

bestätigt. So wurde dem neuen Minister kein einziger

Bericht und kein Dokument im Zusammenhang mit dem

Luftschlag vorgelegt, die vor seiner Amtszeit im Ministe-

rium eingegangen waren, wodurch ihm erhebliche und

sehr relevante Informationen in einer in der deutschen wie

internationalen Öffentlichkeit und vor allem auch in der

NATO und in ISAF sehr relevanten Frage zur Einschät-

zung der Bundeswehr und der deutschen Alliierten nicht

zur Verfügung gestellt wurden. Zum anderen bleibt es

hoch erstaunlich, dass weder Staatssekretär Dr. Wichert

noch General Schneiderhan das Thema Kunduz überhaupt

Drucksache 17/7400 – 184 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
noch einmal von sich aus gegenüber dem Minister an-

gesprochen haben.

Die Beweisaufnahme legt den Schluss nahe, dass Gene-

ralinspekteur und Staatssekretär das Thema Kunduz mit

der Presserklärung des Generalinspekteurs vom

29. Oktober 2009 zum Ende bringen wollten und gemein-

sam erreichen wollten, dass sich der neue Minister aus

Nachforschungen zum Thema weitestgehend heraus hält.

Diese Annahme stärkte der Zeuge Dr. Wichert mit seiner

Aussage, in der er sich verwundert darüber zeigte, dass

Minister zu Guttenberg überhaupt eine Presserklärung

abgegeben hatte, nachdem doch bereits der Generalin-

spekteur unterrichtet hatte.
1298

Es ist eine kritikwürdige Auffassung der Informations-

pflichten, dass Staatssekretär und Generalinspekteur es

für nicht erforderlich hielten, in einer national wie inter-

national so bedeutsamen Angelegenheit die Beratung des

neuen Ministers – wie auch der Bundeskanzlerin und des
Bundesaußenministers – im politisch erforderlichen Maße
durchzuführen.

3. Unterrichtung des Auswärtigen Amtes

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass auch dem Aus-

wärtigen Amt bereits im Laufe des 4. September 2009

konkrete Hinweise auf zivile Opfer vorlagen.

Der seinerzeitige Außenminister und Vizekanzler

Dr. Steinmeier hat als Zeuge vor dem Ausschuss ausge-

sagt, dass auch ihn persönlich Informationen erreicht

haben, wonach die NATO von zivilen Opfern ausgegan-

gen sei.

Darüber hinaus hatte das Auswärtige Amt mit dem zivilen

Leiter des PRT Kunduz, D., einen unmittelbaren Kon-

taktmann vor Ort. Der zivile Leiter des PRT Kunduz hat

nach eigenen Aussagen noch am Morgen des

4. September 2009 über konkrete Hinweise auf zivile

Opfer informiert.

Fragwürdig bleibt in diesem Zusammenhang, dass von

Seiten des Auswärtigen Amtes als dem für den Einsatz in

Afghanistan federführenden Ministerium keinerlei Nach-

frage auf die Hinweise zu zivilen Opfern erfolgte, obwohl

dem Auswärtigen Amt dahingehende Informationen vor-

lagen. Der damalige Außenminister und SPD-

Kanzlerkandidat war im Ergebnis nur unzureichend um

Aufklärung des Vorfalls bemüht und hat erkennbar ver-

sucht, sich von den Ereignissen fernzuhalten, um politisch

möglichst nicht davon betroffen zu werden. Der damalige

Außenminister hat sich im Ergebnis um seine Verantwor-

tung als politisch federführender Minister gedrückt und

die Aufräumarbeiten für den Luftschlag der Bundeskanz-

lerin und dem Bundesverteidigungsminister und somit

dem Koalitionspartner politisch vor die Tür kehren wol-

len.

In diesem Kontext erscheint auch die geäußerte Kritik an

der Kommunikation zwischen dem militärischen und dem
1298) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74.

zivilen Strang des PRT Kunduz als parteitaktisches Ab-

lenkungsmanöver.

Dr. Steinmeier übte indirekt Kritik, er hätte sich ge-

wünscht, dass der zivile Leiter (aus seinem Ressort)

schnell und umfassend informiert worden wäre und dass

eine dichtere Kommunikation zwischen dem (vom BMVg

gestellten) militärischen und dem (vom AA gestellten)

zivilen Teil des PRT bestanden hätte, weil von diesen die

jeweilig zuständigen Ministerien informiert würden.
1299

Diese Kritik ist umso mehr als politisches Ablenkungs-

manöver zu bewerten, weil der zivile Leiter in seiner

Aussage vor dem Ausschuss die vom Zeugen Steinmeier

behaupteten Kommunikationsmängel selbst nicht bestä-

tigte. Er gab vielmehr an, dass der Kontakt zum militäri-

schen Leiter des PRT regelmäßig war, er an den Lage-

besprechungen beteiligt und darüber hinaus jederzeit die

Gelegenheit gehabt habe, sich mit der militärischen Spitze

des PRT zu besprechen (siehe oben: C.II.2.c)aa), S. 117).

Umso kritikwürdiger wirkt, wenn der damalige Außenmi-

nister selbst in Kenntnis der Möglichkeit ziviler Opfer zu

keinem Zeitpunkt auch nur einen Versuch unternahm,

sich durch Mitarbeiter oder andere Informationskanäle

seines Hauses genauere Informationen über die Vorgänge

in Kunduz zu beschaffen. Und umso stärker wirkt der

Kontrast zum verantwortungsvollen und umsichtigen

Verhalten der Bundeskanzlerin, die sich trotz der Proble-

me bei der Informationsbeschaffung rasch um eine erste

Übersicht bemühte und dadurch bereits am

8. September 2011 eine überzeugende Regierungserklä-

rung abgeben konnte.

4. Unterrichtung durch das Bundeskanzler-
amt

Gegenüber dem Verhalten des Bundeskanzleramtes und

der Bundeskanzlerin ist im Zusammenhang mit dem Luft-

schlag in Kunduz keinerlei Kritik vorzubringen, im Ge-

genteil: das Kanzleramt hat sich vom ersten Tag an – im
Unterschied zum damals noch von der heutigen Oppositi-

onspartei SPD geführten Auswärtigen Amt – aktiv und
energisch darum bemüht, ein möglichst vollständiges und

belastbares Lagebild zu erhalten.

Die Versuche der Ausschussminderheit, dem Kanzleramt

bzw. der Bundeskanzlerin ein Fehlverhalten zu unterstel-

len, gingen konsequenter Weise ins Leere.

Die Beweisaufnahme ergab, dass das Kanzleramt nicht

über eigene, gar weitergehende Erkenntnisse verfügte.

Vor allem wurde nachgewiesen, dass in keiner Form auch

nur der Versuch einer Vertuschung oder Einflussnahme

mit Bezug auf die Untersuchungen unternommen wurde.

Im Gegenteil wurde erwiesen, dass das Kanzleramt von

Beginn an eine zügige und vollumfängliche Aufklärung

des Vorfalls anstrebte und dies, einschließlich der Bun-

deskanzlerin, persönlich, aktiv und hartnäckig betrieb.
1299) vgl. Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 7, 16 und 21.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185 – Drucksache 17/7400

Auch die Informationswege innerhalb des Kanzleramtes

funktionierten einwandfrei und geben keinerlei Anlass zur

Kritik.

a) Nicht belastbare, „unverbindliche Erstmel-
dung“ des BND

Der Untersuchungsausschuss hat auf Betreiben der Aus-

schussminderheit die „unverbindliche Erstmeldung“ des
Bundesnachrichtendienstes (BND) vom

4. September 2009 an das Kanzleramt eingehend geprüft.

Der Versuch, hier ein Fehlverhalten zu unterstellen, ist an

den ermittelten Fakten gescheitert.

Die parteitaktisch motivierte Unterstellung, das Kanzler-

amt sei frühzeitig über zivile Opfer informiert gewesen

und hätte diese Information nicht veröffentlicht, wurde

durch die Beweisaufnahme entkräftet und widerlegt. Die

Beweisaufnahme ergab, dass es sich hier um eine inhalt-

lich nicht belastbare „unverbindliche Erstinfo“ handelte,
in der zudem spekulative Elemente enthalten waren, die

zum damaligen Zeitpunkt keiner seriösen Überprüfung

unterzogen waren. Eine Weitergabe lediglich spekulativer

Meldungen durch das deutsche Bundeskanzleramt wäre

vor dem Hintergrund der Schwere des Vorgangs nicht

vertretbar gewesen.

So wurde die Nachricht nicht vom BND vor Ort in Afg-

hanistan verfasst, sondern in Berlin von einem Mitarbeiter

der Gruppe 62 im Bundeskanzleramt, der in dieser E-Mail

den Inhalt eines Telefonates mit einem BND-Mitarbeiter

festhielt (siehe oben: C.II.3.a)ff), S. 121). Zudem doku-

mentiert auch der Inhalt der E-Mail, dass es sich hierbei

nicht um validierte Informationen handelt.

Der Zeuge Vorbeck, der als Leiter der Gruppe 62 unter

anderem mit der Steuerung und Kontrolle der Informati-

onsbeschaffung durch den BND befasst ist und einer der

Adressaten dieser E-Mail war, hat in seiner Vernehmung

überzeugend dargelegt, dass er dieser E-Mail aus seiner

Erfahrung heraus keine besondere Bedeutung beigemes-

sen hat. Die Beweisaufnahme hat zudem ergeben, dass

diese Einschätzung des Zeugen Vorbeck gerechtfertigt

war.

Wie er vor dem Ausschuss ausführte, müsse man allge-

mein gegenüber nachrichtendienstlichen Erstinformatio-

nen vorsichtig reagieren. „Wer weiß, wie nachrichten-
dienstliche Informationen zustande kommen, wird das

relativ schnell verstehen“1300. Im Vorliegenden handelte
es sich aber nicht einmal um eine Erstinformation, son-

dern gar lediglich um eine „unverbindliche Erstinfo“, so
dass die Belastbarkeit der Information nochmals relati-

viert wurde. Das Wort „unverbindlich“ weist hier bewusst
darauf hin, dass die Information äußerst unsicher ist und

es sich bei den geschilderten Inhalten um Spekulationen

und noch nicht um überprüfte Fakten handelt.

Die „unverbindliche Erstinfo“ enthält nicht nur reine
Spekulationen hinsichtlich möglicher Opfer, sie enthält
1300) Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 4.

auch eine Vielzahl von im Nachhinein als objektiv falsch

erwiesener Angaben. So geht die „Erstinfo“ unter ande-
rem davon aus, dass es sich bei dem Luftschlag um eine

Aktion der US-Streitkräfte gehandelt hätte. Eine Beteili-

gung deutscher Soldaten wird gar nicht erwähnt.

Es ist völlig klar, dass diese in der Erstinformation völlig

falsch dargestellte Konstellation, ein Luftschlag ohne

deutsche Beteiligung, die Brisanz für die Bundeswehr und

für Deutschland ganz weitreichend aus dem Vorgang

heraus genommen hätte. Die Fragen richten sich zu Recht

an den Partner in der ISAF, dessen Kontingent unmittel-

bar verantwortlich für die Handlungen ist, die hinterfragt

werden. Es wäre zweifelsfrei ein sehr großer internationa-

ler Vertrauensschaden entstanden, wenn das Bundeskanz-

leramt eine solch krasse Fehlinformation über eine nicht

durchgeführte Aktion von Verbündeten kommuniziert

hätte. Nochmals potenziell größer wäre der außen- und

bündnispolitische Schaden gewesen, wenn – wie es die
Fakten dann ergaben – eine solche Fehlinformation aus-
gerechnet mit Bezug auf die eigene Federführung beim

Luftschlag hätte korrigiert werden müssen.

Allein dieser Umstand reicht aus, um die Handlungsweise

des Bundeskanzleramtes als nicht nur korrekt, sondern als

politisch zwingend geboten zu bewerten. Vor dem Hin-

tergrund solcher Risiken, wie von der Minderheit ver-

sucht, dem Kanzleramt implizit die Notwendigkeit einer

Veröffentlichung dieser Falschmeldung zu diesem Fall

unterschieben zu wollen, zeugte entweder von außen- und

verteidigungspolitisch unverantwortlichem Handeln oder

belegt, wie im vorliegenden Fall, den verzweifelten Ver-

such, nach völliger Aufklärung der Sachverhalte zuguns-

ten von Bundeswehr und Bundesregierung doch noch

etwas konstruieren zu wollen. Letzteres wurde versucht

und ist allerdings durch die Beweisaufnahme zum Nach-

teil der Urheber enttarnt worden.

Im Vergleich dazu waren die dem Auswärtigen Amt und

dem damaligen Außenminister Dr. Steinmeier durch den

zivilen Leiter des PRT Kunduz zugegangenen Informa-

tionen wesentlich konkreter und belastbarer.

Dass die vom Kanzleramt gegenüber dieser „unverbindli-
chen Erstinfo“ geübte Skepsis völlig berechtigt war, hat
sich bereits in den Stunden und Tagen danach deutlich

bestätigt. Folgerichtig wurde die Unterstellung, das Kanz-

leramt habe irgendetwas vertuschen wollen, durch die

Beweiserhebung vollständig entkräftet. Im Gegenteil hat

sich herausgestellt, dass das Kanzleramt nicht nur voll

umfänglich korrekt und angemessen, sondern äußerst

professionell und umsichtig verhalten hat.

b) Keine eigenen Erkenntnisse des Bunde-
kanzleramtes durch den Bundesnachrich-
tendienst

Die Untersuchung hat in diesem Zusammenhang auch

ergeben, dass das Bundeskanzleramt auch in der Folgezeit

keine „eigenen“ Erkenntnisse vom BND zum Luftschlag
erhielt.

Drucksache 17/7400 – 186 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Es ist dagegen erwiesen, dass der BND weder in den

Vorfall selbst involviert, noch dass eine Beteiligung des

BND an Maßnahmen nach dem Luftschlag unterstellt

werden kann. Insbesondere hat der BND keinerlei eigene

Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt. Der BND-

Präsident Uhrlau hat in seiner Aussage vor dem Aus-

schuss erklärt, dass es weder vor, während noch nach dem

Luftschlag eine Beteiligung des BND gab (siehe oben:

C.II.3.a)bb), S. 120).

Zudem hat der Zeuge M. F. bestätigt, dass es keinen Auf-

trag zur Aufklärung des Luftschlages gab. Dazu steht

nicht die Aussage des Zeugen A. R. in Widerspruch, da es

sich bei dem vom Zeugen A. R. angeführten Weisung,

nach Möglichkeit Informationen im Zusammenhang mit

dem Luftschlag zu sammeln (siehe oben: C.II.3.a)bb),

S. 120), lediglich um die allgemeine Aufgabenstellung

des BND handelt, als Auslandsnachrichtendienst Erkenn-

tnisse zu sammeln und auszuwerten, die von außen- und

sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik

Deutschland sind. Wäre der BND in ausgerechnet diesem

Fall seiner zentralen Aufgabe nicht nachgekommen, hätte

gerade dieses Anlass zu Nachfragen geben müssen. Dass

der BND hier im Rahmen seiner Aufgabenstellung ermit-

telte, war geboten und entspricht korrektem Vorgehen.

Bei dieser Informationssammlung handelte es sich um das

Sammeln bereits vorliegender Informationen. Eigene

Ermittlungen von Seiten des BND wurden nicht getätigt.

Somit konnten dem Bundeskanzleramt keine „eigenen“
Erkenntnisse des BND vorliegen, die es als solche gar

nicht gab. Dem Bundeskanzleramt lagen keinerlei Infor-

mationen vor, die nicht auch dem BMVg oder dem Aus-

wärtigen Amt vorlagen; vielmehr hat das Bundeskanzler-

amt seine Informationen aus dem Bundesministerium der

Verteidigung erhalten.

c) Zurückhalten von Nachrichtenübermittlung
an BK, AA und BMZ durch Staatssekretär
BMVg

Die zögerliche Unterrichtung des Bundeskanzleramtes

durch das BMVg hat in den ersten Tagen nach dem Luft-

schlag Anlass zur Kritik gegeben.

Diese Kritik richtet sich dabei nicht an das BMVg insge-

samt, sondern auf die geübte Praxis durch den dafür zu-

ständigen Staatssekretär.

Die Beweisaufnahme im Ausschuss ergab, dass der

Staatssekretär wichtige Informationen und Berichte im

Zusammenhang mit dem Luftschlag trotz Aufforderung

zunächst nicht und dann auch erst nach mehrfacher Inter-

vention und zudem mit erheblicher Verzögerung an das

Bundeskanzleramt weitergegeben hat.

So wurde insbesondere der bereits am 6. September 2009

dem BMVg vorliegende IAT-Bericht, trotz mehrfacher

Anforderung, erst am 10. September 2009 durch den

Staatssekretär an das Kanzleramt übersandt. Davor hatte

sich das Bundeskanzleramt vergeblich um die Übermitt-

lung des Berichtes bemüht, wie sich aus der Aktenlage

des Bundeskanzleramtes ergibt. Die beigezogenen Akten

beinhalten eine E-Mail, in der ausgeführt wird, dass das

Kanzleramt „aufgrund Wichert-Weisung“ an bestimmte
Informationen nicht rankommt

1301
und an einer anderen

Stelle, dass die Anforderung des Berichtes nach „Inter-
vention Büro Staatssekretär Dr. Wichert“ nicht erfüllt
wurde

1302
. An anderer Stelle heißt es, dass erst nach per-

sönlicher und nachdrücklicher Intervention beim Staats-

sekretär die Unterlagen an das Kanzleramt übermittelt

wurden (siehe oben: C.II.3.b)bb)bbb), S. 127).

Die zögerliche Unterrichtung durch den Staatssekretär

wird auch dadurch bestätigt, dass auch andere Ressorts

die Informationspraxis des Staatssekretärs kritisierten.

So bestätigte der seinerzeitige Bundesaußenminister und

Vizekanzler Dr. Steinmeier als Zeuge vor dem Ausschuss,

dass auch dem für Auslandseinsätze federführenden Res-

sort, nämlich dem Auswärtigen Amt, der IAT-Bericht

vom BMVg erst mit erheblicher Verzögerung am

11. September 2009 übersandt wurde und dass dies im

Außenministerium entsprechende Verärgerung auslöste

(siehe oben: C.II.2.c)bb)aaa), S. 118).

Aus den Akten ergibt sich, dass auch das in Afghanistan

involvierte Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-

sammenarbeit und Entwicklung zunächst vergeblich ver-

sucht hatte, an Informationen vom BMVg zu gelangen.
1303

Vor diesem Hintergrund wurde im Ausschuss sehr ver-

wundert zur Kenntnis genommen, dass der seinerzeitige

Staatssekretär bei der Konfrontation mit diesen Vorwür-

fen darauf bestand, dass er die Unterrichtung ordnungs-

gemäß durchgeführt habe. Dies wird durch seine Begrün-

dung für die verzögerte Unterrichtung deutlich, in der er

anführte, das Kanzleramt hätte einen Bericht gefordert

und auch bekommen, um dann hinzuzufügen: „aber da
heften wir doch nicht den Bericht von Meyer, Müller und

Schulze für die Bundeskanzlerin hintendran“1304. Dieser
sehr eigene Vortrag dokumentiert das Verständnis des

Staatssekretärs über seine Unterrichtungspflichten gege-

nüber der Bundeskanzlerin, spiegelt sein Verständnis von

Amtsführung in diesem Zusammenhang wider, das spä-

terhin auch einen wesentlichen Beitrag zur Entscheidung

des neuen Ministers zu Guttenberg leistete, sich von dem

langjährigen und verdienten Staatssekretär zu trennen.

Die Beweisaufnahme ergab, dass Bundeskanzlerin

Dr. Merkel trotz dieser verzögerten Unterrichtung in ihrer

Regierungserklärung vom 8. September 2009 umfassend

und umsichtig zum Luftschlag Stellung nahm und damit

neben der Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die von

ihr gewählten offenen Formulierungen trotz der noch

unübersichtlichen Informationslage weiteren Schaden für

die Bundeswehr und für die deutsche Position bei interna-

tionalen Partnern verhindern konnte.
1301) vgl. E-Mail von Heusgen vom 7. September 2009 (Fn. 936,

Dokument 131).

1302) vgl. Vermerk für die Bundeskanzlerin vom 10. September 2009
(Fn. 920, Dokument 127).

1303) vgl. E-Mail BMZ vom 7. September 2009 (Dokument 177).

1304) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 59.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 187 – Drucksache 17/7400

Auch wird erkennbar, wie stark sich das Kanzleramt trotz

der mangelhaften Unterrichtung mit Erfolg darum bemüht

hatte, ein möglichst klares Gesamtlagebild zu erhalten.

Die Sorgfalt und Umsicht dieser Regierungserklärung

sind angesichts der geschilderten Umstände und vor dem

Hintergrund der Schwere des Vorfalls umso höher zu

bewerten, als sie bis heute keiner sachlichen Korrektur

bedarf und zudem seinerzeit wesentliche Anstöße zur

weiteren Klärung gab.

Neben dem Bemühen des Bundeskanzleramtes, auch

außerhalb des BMVg an Informationen zu gelangen,

wurde dem Bundeskanzleramt am 7. September 2009 eine

vom Einsatzführungsstab erarbeitete Stellungnahme

übermittelt, in der die bis dahin bekannten Fakten kurz

zusammen gefasst wurden. Hintergründe oder auch ge-

naue Herkunft der Fakten werden in dieser Stellungnah-

me, etwa durch Quellenangabe, nicht weiter ausgeführt.

Wie der zuständige Ministerialdirektor Heusgen als Zeuge

vor dem Ausschuss betonte, wäre es „sicherlich sehr gut
gewesen“, wenn der für die Stellungnahme maßgebliche
IAT-Bericht dem Kanzleramt „angesichts der Dimension
des Zwischenfalls“ und zugunsten einer „möglichst brei-
ten Informationsbasis“, schon früher vorgelegt worden
wäre.

1305
Dieser Aussage ist nachdrücklich zuzustimmen. Zwar

wurden dem Kanzleramt wichtige Eckdaten übermittelt,

dennoch muss die anhaltende Weigerung, die zugrunde

liegenden Berichte dem Bundeskanzleramt zu übermit-

teln, als Fehler im Ablauf kritisiert und festgehalten wer-

den.

III. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 3
des Untersuchungsauftrages

1. Einseitige Bewertung des damaligen Ge-
nerals Schneiderhan

Der für die Erst- und Folgebewertung zentrale Bericht des

Befehlshabers der ISAF, General McChrystal, ging am

Abend des 28. Oktober 2009 im BMVg als COM ISAF-

Bericht ein.

Am Mittag des folgenden 29. Oktober 2009 gab General

Schneiderhan eine Stellungnahme zu diesem COM ISAF-

Bericht ab. In seiner Presseerklärung erläuterte der Gene-

ralinspekteur seine Einschätzung des COM ISAF-Be-

richtes und bewertete das Vorgehen von Oberst Klein

beim Luftschlag als „militärisch angemessen“. Aus der
Presseerklärung

1306
geht nicht hervor, dass in dem

COM ISAF-Bericht auch Kritikpunkte am Verhalten von

Oberst Klein aufgeführt werden. Der damalige GI hat

dennoch den COM ISAF-Bericht als positiv für die Bun-

deswehr dargestellt.
1305) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 15.

1306) vgl. Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-

Untersuchungsbericht (Fn. 119, Dokument 51), Bl. 315 ff.

Im Unterschied zu dieser Festlegung der deutschen Posi-

tion durch den GI hat der Leiter des Planungsstabes des

BMVg, wie er vor dem Ausschuss ausführte, bei der Erör-

terung der Formulierungen gegen die Sprachregelung

„militärisch angemessen“ und statt dessen für „militärisch
vertretbar“ plädiert. Dies habe der zuständige Staatssekre-
tär Dr. Wichert mit dem Hinweis verworfen, die Sprach-

regelung „militärisch angemessen“ sei so mit dem Gene-
ralinspekteur abgestimmt.

1307
Aus diesem Ablauf wird deutlich, dass die Bewertung des

Luftschlages als „militärisch angemessen“ durch Staats-
sekretär und GI bereits vorab gemeinschaftlich und ohne

Abstimmung mit anderen Beteiligten festgelegt worden

war, wodurch eine sachgerechte, differenzierte Bewertung

in der Führung des BMVg erschwert und später auch

öffentliche Konflikte ausgelöst wurden.

2. Bewertung durch Verteidigungsminister zu
Guttenberg

Die Bewertung des Vorfalls durch Minister zu Guttenberg

und dessen Korrektur seiner ersten Bewertung des Vor-

falls wurde im Ausschuss ebenfalls thematisiert. Der

dabei von der Minderheit unternommene, letztlich erfolg-

lose Versuch, den neu ins Amt gekommenen Minister

wegen dessen später offen als fehlerhaft eingestandenen,

durch unzureichende Beratung und Information verur-

sachte Fehleinschätzung und der vom Minister später

sachgemäß begründeter Neubewertung anzugreifen, be-

schäftigte Ausschuss, Parlament und Öffentlichkeit.

Die überzogene und polemische Kritik am Minister, nach

dessen Korrektur, auf Grundlage neuer Informationen

seine erste Bewertung des Luftschlages als „angemessen“
in die Beurteilung „nicht angemessen“ zu ändern, ging
völlig daneben. Im Gegensatz zur Opposition erhielt der

Minister in Parlament wie in der Bevölkerung für seine

Offenheit große Anerkennung.

Es ist im Übrigen eine fragwürdige intellektuelle Haltung,

einen Minister dafür zu kritisieren, dass er nach Vorliegen

aller, auch vorher vorenthaltener, Informationen eine erste

Einschätzung ändert und den Luftschlag als „nicht ange-
messen“ bezeichnet – so wie ihn die Kritiker des Minis-
ters, allerdings ohne ausreichende Informationen, gleich

zu Beginn kritisiert hatten.

Es war vielmehr die Pflicht und ist Zeichen der politi-

schen Souveränität des Ministers, neue Fakten zu prüfen,

aufzunehmen und die Bewertung entsprechend zu verän-

dern.

Vor dem Ausschuss konnte der Minister sowohl das Zu-

standekommen seiner ersten Bewertung als auch die

Gründe für die Neubewertung überzeugend und glaubhaft

darlegen. Auch deshalb ist der Versuch, diese sehr offene

und gut nachvollziehbare Haltung des Ministers als

Schwäche und Taktik zu diffamieren, sowohl im Aus-

schuss als auch im Bundestag wie vor allem in der Öffent-
1307) vgl. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.
Drucksache 17/7400 – 188 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lichkeit nachhaltig gescheitert und zu Lasten der partei-

taktisch und polemisch agierenden Opposition verbucht

worden.

a) Erste Bewertung des Ministers vom
6. November 2009 auf Grundlage der Bera-
tung durch den Generalinspekteur

Die erste Bewertung zum Luftschlag nahm der Minister

am 6. November 2009 vor – auf Grundlage der vorherigen
Fachberatung vor allem durch den GI, auf die jeder neu

ins Amt berufene Minister in den ersten Wochen zwang-

släufig angewiesen ist.

Diese Beratung hatte ausschließlich den COM ISAF-

Bericht zur Grundlage. Hinweise auf die weiteren Berich-

te, Untersuchungen und Meldungen waren dem Minister

nicht mitgeteilt worden, darunter auch nicht auf die be-

reits seit längerem im BMVg vorhandenen Hinweise auf

militärische Alternativen für Oberst Klein oder auf abwei-

chende Einschätzungen und Beurteilungen zur Frage der

Angemessenheit (siehe oben: D.III.4, S. 149).

In dem Zusammenhang sagte der Leiter des Planungssta-

bes im BMVg vor dem Ausschuss aus, dass sich der Mi-

nister, zumal in einem solch schwerwiegenden Fall, auf

den GI als dem obersten militärischen Ratgeber verlassen

muss (siehe oben: D.III.4, S. 149). Folglich musste die

vom Generalinspekteur vorgenommene Bewertung „an-
gemessen“ gerade für einen neu im Amt befindlichen
Minister den Ausschlag geben.

Der Zeuge Schneiderhan gab vor dem Ausschuss eben-

falls an, zu den wesentlichen Aufgaben des Generalin-

spekteurs im Bundesministerium der Verteidigung gehö-

re, dass er als GI mit seinem Stab dafür zuständig war,

den Minister urteilsfähig zu machen.
1308

Nachdem die Beratung durch den GI in der Bewertung zu

einseitig und im Vortrag der Lage vor Ort wie auch mit

Blick auf Analysen und Berichte zu lückenhaft war, sah

sich der Minister nach der ersten, auf solchermaßen unzu-

reichende Informationen gestützten, Bewertung des Vor-

gehens durch Oberst Klein als „angemessen“, und vor
allem nach intensiver Prüfung der ihm bis dahin nicht,

nun erstmals verfügbar gemachter Informationen dazu

veranlasst, am 3. Dezember 2009 seine erste Bewertung

vom 6. November 2009 in aller Öffentlichkeit vor dem

Deutschen Bundestag zu korrigieren.

aa) Hintergrund der zusätzlichen Formulierung
des Ministers, es hätte zum Luftschlag
„kommen müssen“

Der Minister hatte am 6. November 2009 erklärt, dass er

sich der Bewertung des Luftschlages durch den General-

inspekteur als „militärisch angemessen“ anschließe und
hatte, auf Grundlage ihm damals nur lückenhaft vorlie-

gender Informationen, analysiert, dass es auch ohne Ver-
1308) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.

fahrensfehler zu dem Luftschlag „hätte kommen müssen“
(siehe oben: D.III.4, S. 149).

Im Ausschuss hat der Minister ausgeführt, dass es sich bei

diesem Zusatz um seine eigene Formulierung handelte,

die er hinzugefügt hatte, um dadurch seine politische

Unterstützung für den in einer kritischen Situation um-

sichtig handelnden Oberst Klein zum Ausdruck bringen

wollte. Er habe die ihm gegebene Bewertung des Einsatz-

führungsstabes so verstanden, dass bei der Anordnung des

Luftschlages zwar Verfahrensfehler unterliefen, diese

aber nicht zwingend ursächlich gewesen wären (siehe

oben: D.III.4, S. 149).

Die Beweisaufnahme ergab zudem, dass der Minister den

GI über seine Stellungnahme einschließlich der von ihm

hinzugefügten Formulierung informiert hatte und der GI

keine Einwände erhoben hatte.

Zwar konnte sich der Zeuge Schneiderhan vor dem Aus-

schuss an diesen Sachverhalt nicht mehr erinnern (siehe

oben: D.III.4, S. 149). Vor dem Ausschuss hat jedoch der

Zeuge Braunstein die Angaben des Ministers bestätigt

und dabei ausgeführt, dass der Minister ihn am Morgen

des 6. November 2009 über das Gespräch mit dem GI

informiert hatte.
1309

Es ist somit folgerichtig, wenn der

Minister davon ausging, dass auch die zusätzliche Formu-

lierung vom GI geteilt und damit fachlich abgesichert

war.

Das Zustandekommen der Formulierung ist insgesamt

unerheblich für die erste Bewertung des Ministers, die

allein der lückenhaft erfolgten Beratung geschuldet ist.

bb) Beratung durch Generalinspekteur und
Staatssekretär

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die erste Bewer-

tung des Luftschlages des Ministers maßgeblich auf die

Beratung durch Generalinspekteur und Staatssekretär

zurückging.

Aus den Unterlagen geht hervor, dass die Beratung durch

den GI in wesentlichen Punkten lückenhaft bzw. unvoll-

ständig war. Es wurden weder problematische Elemente

und Berichte erwähnt, noch wurde dargelegt, dass die

Bewertung des Luftschlages kritischer hätte erfolgen

sollen.

Dem Minister wurde durch die allzu selektive Auswahl

der Informationen und Argumente ein Lagebild vermit-

telt, dass sich militärische Führung in Person des General-

inspekteurs und politische Spitze in Person des Ressort-

chefs völlig einig und vor allem in der Bewertung des

Vorfalls urteilssicher waren. Bei der Beratung des Minis-

ters wurden von den beiden die Kritikpunkte am Verhal-

ten von Oberst Klein aus dem COM ISAF-Bericht deut-

lich relativiert. Dies ergibt sich unter anderem deutlich

aus der achtseitigen BMVg-Auswertung, in dem die Kri-
1309) vgl. Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 31.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189 – Drucksache 17/7400

tikpunkte des COM ISAF-Berichts
1310

von den Verfassern

des BMVg-Auswertungsberichts relativiert bis beschönigt

werden.

Nach Prüfung dieser Unterlagen und nach den Zeugen-

vernehmungen ergibt sich das Bild, dass dem neuen Mi-

nister kein voll umfängliches Lagebild vermittelt wurde,

um kritische Nachfragen zur vorherigen öffentlichen

Bewertung des Luftschlages durch den Generalinspekteur

als „militärisch angemessen“ nicht in Frage stellen zu
lassen. Die Informationen waren mit Blick auf diese be-

reits vorgenommene Bewertung gefiltert und wurden dem

Minister gefiltert vorgetragen.

Wenngleich eine sorgfältige Prüfung der seinerzeit zur

Verfügung stehenden Fakten durch den Generalinspekteur

bei der Bewertung „militärisch angemessen“ nicht in
Abrede gestellt werden kann, so ist die erkennbare Ver-

kürzung der fachlichen Beratung des neuen Ministers zur

Absicherung einer vorab öffentlich vorgenommenen Fest-

legung des GI bei einem solchen Einschnitt für Auslands-

einsätze der Bundeswehr wie dem Luftschlag von Kunduz

nicht mehr vertretbar.

aaa) Einweisung des Ministers zum Amtsantritt
am 29. Oktober 2009

Wie der vormalige Generalinspekteur als Zeuge vor dem

Ausschuss selbst angab, erfolgte am Morgen des

29. Oktober 2009 eine zweistündige Ersteinweisung des

Ministers in die Gesamtlage des Ressorts, in der der

schwerwiegende Vorfall in Kunduz trotz seiner überra-

genden Bedeutung für die Bundeswehr und der interna-

tionalen Diskussion um das deutsche Verhalten mit kei-

nem Wort erwähnt wurde.

Im Anschluss an diese Ersteinweisung wurde dem Minis-

ter in einer nur wenige Minuten andauernden Bespre-

chung eine im Anschluss zur Veröffentlichung vorgese-

hene Presseerklärung des GI vorgestellt.
1311

Wie aus übereinstimmenden Aussagen des anwesenden

Leiters des Planungsstabs des BMVg und des Ministers

nachvollziehbar ist, wurde in dieser kurzen Erörterung des

COM ISAF-Berichts gegenüber dem Minister dargestellt,

wie positiv dieser Bericht für die Bundeswehr sei und

dass man sich auch im Hinblick auf mögliche Kritikpunk-

te keinerlei Sorgen zu machen brauche.
1312

Der durchaus auch sehr kritische Anmerkungen beinhal-

tende COM ISAF-Bericht wurde durchweg zu positiv

dargestellt, was sich im Ergebnis auch in der Pressemittei-

lung des Generalinspekteurs widerspiegelt, in der eben-

falls keinerlei kritische Punkte aufgeführt werden.
1313
1310) vgl. EinsFüSt, Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum

Luftangriff am 4. September 2009 (Fn. 1115), Bl. 4 ff.

1311) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 14.

1312) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 5, 28 und Schlie,
Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 22.

1313) vgl. Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-

Untersuchungsbericht (Fn. 119, Dokument 51), Bl. 315 ff.

Durch dieses Vorgehen wurde dem neuen Minister ein

faktisch unkorrektes Bild der in Berichten bereits kriti-

scher beschriebenen Lage vermittelt.

Dass der COM ISAF-Bericht bereits damals – anders als
vom Generalinspekteur gegenüber dem Minister darges-

tellt – deutlich kritischer bewertet wurde, belegen die
Angaben des, zumal deutschen, NATO-Befehlshabers des

JFC Brunssum (siehe oben: D.II.3.c), S. 142). Dass es

Generalinspekteur und Staatssekretär unterließen, den

Minister auf die bereits vorhandene andere Bewertungen

hinzuweisen, muss als Versäumnis im Ablauf des Verfah-

rens und im Verhalten festgehalten werden.

bbb) Informationsweitergabe auf dem Flug nach
Nörvenich

Zwar führte der damalige Generalinspekteur später als

Zeuge vor dem Ausschuss aus, er habe den Minister vor

einem gemeinsamen Flug nach Nörvenich am

29. Oktober 2009 auf eine mögliche kritischere Bewer-

tung hinweisen wollen (siehe oben: D.II.4, S. 144). Diese

Erklärung konnte jedoch nicht überzeugen.

Zwar gibt es hinsichtlich dieser Ausführungen divergie-

rende Erinnerungen. Doch selbst wenn man den Ausfüh-

rungen des Zeugen Schneiderhan folgen würde, ergeben

sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es

sich bei diesem Versuch um den Hinweis auf andere Be-

wertungen des Luftschlages gehandelt habe.

Zweifelsfrei erwiesen ist, dass der Minister gegenüber

dem Generalinspekteur geäußert hatte, dass es bezüglich

des Berichts und ziviler Opfer Medienanfragen gebe, was

auch nicht bestritten wurde (siehe oben: D.II.4, S. 144).

Die Antwort des GI gegenüber dem Minister war, dass die

Frage der zivilen Opfern nicht so einfach sei, wie am

Vormittag des 29. Oktober 2009 durch die eigenen Äuße-

rungen des GI vielleicht der Eindruck entstanden sein

könnte.

Der Zeuge Schneiderhan sagte hierzu aus, er habe ledig-

lich in allgemeiner Bedeutung gesagt, dass alles nicht so

einfach sei, wie es am Vormittag geklungen habe. Dieser

Aussage kann aufgrund der Beweisaufnahme nicht ge-

folgt werden, denn diese Aussage passt nicht zur Frage

des Ministers und spezifisch zu den zivilen Opfern. Der

Zeuge Schneiderhan gab zudem auch selbst an, dass ihn

Minister zu Guttenberg auf Presseanfragen zu zivilen

Opfern angesprochen hatte.

Darüber hinaus bestätigte der Zeuge Braunstein vor dem

Ausschuss als weiterer Anwesender des Gesprächs vom

29. Oktober 2009, dass sich der Generalinspekteur konk-

ret auf zivile Opfer bezogen hatte.
1314

Diese Reaktion des

GI musste der Minister seinerzeit so verstehen, dass ihm

der GI vor dem Hintergrund seiner Kompetenz als ober-

ster militärischer Berater des Ministers von einer allzu

präzisen Äußerung zu zivilen Opfern abriet.
1314) vgl. Braunstein, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 26.
Drucksache 17/7400 – 190 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Unstreitig ist, dass der Generalinspekteur diese generelle

Äußerung nicht weiter detaillierte (siehe oben: D.II.4,

S. 144). Es kann grundsätzlich dahin stehen, ob die Ant-

wort auf zivile Opfer bezogen oder allgemein gehalten

war. Nicht nachvollzogen werden kann, dass diese gene-

relle Äußerung als umfangreiche Beratung des Ministers

herhalten soll. Es hätte zwingend einer weitergehenden

Erläuterung bedurft, die weder auf dem Flug nach Nörve-

nich noch später erfolgte.

Zeuge Schneiderhan führte vor dem Ausschuss aus, seine

Bewertung des Luftschlages vom September 2009 als

„militärisch angemessen“ sei ein „Ritt auf der Rasierklin-
ge“ gewesen (siehe oben: D.II.3.b), S. 142). Diese im
Nachgang offene Einschätzung der seinerzeit als GI vor-

genommenen öffentlichen Bewertung des Luftschlages

lässt auf bereits früh vorhandene Bedenken und Kritik-

punkte schließen. Warum Generalinspekteur und zustän-

diger Staatssekretär es unterließen, solche zwingend vor-

zutragenden Punkte zu erläutern, bleibt vor dem Hinter-

grund dieser offenen eigenen und wie auch anderer Ein-

schätzungen ebenso fraglich wie problematisch. Es wäre

hier Obliegenheit des GI als oberstem militärischem Bera-

ter des Ministers gewesen, diese Lage gegenüber dem

Minister klar darzustellen.

cc) Nicht vorgelegte Berichte und Unterlagen

Zusätzlich zur nicht voll umfänglichen Unterrichtung und

Beratung des Ministers wurden wichtige Teile der vorlie-

genden Berichte und Unterlagen dem neuen Minister

nicht vorgelegt.

Der Zeuge Schneiderhan hat dazu ausgeführt, als Gene-

ralinspekteur dem Minister bis auf den COM ISAF-

Bericht und den Bericht des IKRK/ICRC keine weiteren

Berichte vorgelegt zu haben. So wurde dem Minister

weder der „Klein-Bericht“, noch der „N.-Bericht“, noch
der Brief der afghanischen Offiziellen, noch der IAT-

Bericht, noch der sog. „Karzai-Bericht“ und auch nicht
der deutsche Feldjägerbericht vorgelegt.

1315
Damit wurden dem Minister vom GI von insgesamt acht

Berichten von zentraler Bedeutung lediglich zwei vorge-

legt, und hier nur die beiden, die während seiner noch

jungen Amtszeit im BMVg eingegangen waren. Hier ist

kritisch festzuhalten, dass der Minister vom GI trotz der

politischen Brisanz dieses einzigartigen Falles nur unvoll-

ständig informiert wurde.

Die Beweisaufnahme hat dabei zweifelsfrei ergeben, dass

es sich bei diesen o. g. Berichten um Dokumente von

höchster Relevanz handelte.

So gab auch der Zeuge Schneiderhan selbst an, bei dem

Bericht von Oberst Klein handele es sich um ein wichti-

ges Dokument, da es die „Erstmeldung des sozusagen
Verursachers war“.1316
1315) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 26 f.

1316) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.

Auch bei dem Feldjägerbericht handelt es sich unbestrit-

ten um ein solch wichtiges Dokument, das dem Minister

zwingend hätte vorgelegt werden müssen. Die Brisanz

dieses einzigen eigenen nationalen Berichts über den

Luftschlag leitet sich schon aus der bereits früh, nämlich

am 16. September 2009, vorgenommenen Bewertung

durch den Einsatzführungsstab ab. In dieser Bewertung

wird u. a. ausgeführt, „ohne begleitende fachliche Kom-
mentierung in eine (z. B. juristische) Untersuchung ein-

gebracht werden“ für den Fall einer solchen juristische
Untersuchung „eine negative Implikation nicht auszu-
schließen“ sei.1317

Die spätere Darstellung, dieser und andere Berichte seien

nicht vorgelegt worden, weil sie nicht relevant gewesen

seien, kann schon daher nicht überzeugen.

Die parteitaktisch aufgeworfene Frage, ob sich aus den

vorenthaltenen Berichten, insbesondere dem Feldjägerbe-

richt, überhaupt neue Fakten ergaben, ist irreführend und

der untaugliche Versuch, die Bedeutung der Dokumente

und die Notwendigkeit für deren Vorlage an den Minister

herunterzuspielen. Politisch läuft diese durchsichtige

Parteitaktik dem Aufklärungsauftrag des Untersuchungs-

ausschusses zuwider.

Entscheidend ist hier, dass diese nicht vorgelegten Berich-

te die Vorgänge um den 4. September 2009 in deutlich

differenzierterer Form darstellen als der COM ISAF-

Bericht und diese Berichte somit für ein vollständiges

Lagebild unverzichtbar sind. Für die verantwortungsvolle

Beurteilung eines Vorfalls kommt es ganz maßgeblich auf

die differenzierte Darstellung der Faktenlage auch aus

unterschiedlichen Blickwinkeln an. Hierin unterscheiden

sich die einzelnen Berichte wesentlich, weshalb erst die

lückenlose Vorlage sämtlicher Berichte ein umfassendes

Lagebild ermöglicht hätte. Umso zwingender war die

umfassende Vorlage sämtlicher verfügbarer Informatio-

nen, zumal an einen neuen Minister, in dieser Situation

die selbstverständliche Aufgabe des GI gewesen.

Der Generalinspekteur ist nach den einschlägigen Be-

stimmungen, wie auch der Zeuge Schneiderhan selbst

ausführte, dafür verantwortlich, den Minister urteilsfähig

zu machen.
1318

Das darf jedoch, zumal bei einem solchen

Fall wie dem Luftschlag von Kunduz mit seinen enormen

Auswirkungen, nicht bedeuten, den Minister, ob allzu

stark oder gar einseitig nur mit solchen Informationen zu

versorgen, die eine vorgefasste Bewertung des GI oder

anderer Spitzen des BMVg weiterhin abstützen.

Die Urteilsfähigkeit des Ministers zu fördern, bedeutet

vielmehr, das vollständige Bild darzustellen, inklusive

solcher Teile, die der Analyse und Bewertung der militä-

rischen Führung zuwiderlaufen. Sicherlich kann und muss

daraufhin eine Beratung erfolgen – aber um einer einfa-
cheren Handhabe dieser Beratung des Ministers wesentli-

che Fakten und Dokumente nicht vorzulegen, ist ein

Missverständnis der Amtsführung des GI. Diese Schluss-
1317) vgl. EinsFüStab, Kurzauswertung Vorläufiger Feldjägerbericht

für Gespräch mit GI (Fn. 695, Dokument 109).

1318) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 27.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191 – Drucksache 17/7400

folgerung sollte für die Zukunft der Arbeit des GI gege-

nüber dem Bundesminister der Verteidigung berücksich-

tigt werden, um eine Wiederholung solcher Entwicklun-

gen wie im Fall Kunduz zu vermeiden.

Im Fall des Luftschlages von Kunduz bleibt festzustellen,

dass der Minister so beraten wurde, dass er aufgrund der

selektiven Zusammenstellung der Fakten und Dokumente

und mangels nicht zur Verfügung gestellter anderer Kenn-

tnisse zwingend der Bewertung des GI folgen musste.

b) Neubewertung am 3. Dezember 2009

Die Gründe für die Korrektur seiner Erstbewertung hat

der Minister als Zeuge vor dem Ausschuss ausführlich

dargelegt.
1319

Am 3. Dezember 2009 erklärte der Minister gegenüber

dem Parlament, dass er aufgrund des Gesamtbildes der

neuen Dokumentenlage den Luftschlag angesichts des

neuen Kenntnisstandes als „militärisch nicht angemessen“
bewerte (siehe oben: E.VII, S. 165). Dabei unverändert

hat er seine Haltung zu Oberst Klein bekräftigt und ausge-

führt, dass Oberst Klein zweifellos nach bestem Wissen

und Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten gehan-

delt habe.

Diese Neubewertung des Ministers deckte sich mit der

Bewertung der Oppositionsparteien, die in großen Teilen

von Anfang an den Luftschlag als „nicht angemessen“
beurteilt hatten. Umso unverständlicher erscheint vor

diesem Hintergrund, diese Bewertung des Ministers nun

weiterhin zu kritisieren.

Der von der Minderheit im Ausschuss erhobene Vorwurf,

der Minister habe mit der Entlassung des Generalinspek-

teurs und des verantwortlichen Staatssekretärs „Bauern-
opfer“ für die – oben in Entstehung und späterer Korrek-
tur nachgezeichnete – anfängliche Fehlbewertung ge-
sucht, entbehren nach der Beweiserhebung jeder Grund-

lage und sind vollumfänglich widerlegt.

Für die Opposition stand statt der notwendigen Aufklä-

rung der Umstände und der nachfolgenden Information

zum Luftschlag vom 4. September 2009 erkennbar der

Versuch einer politischen Beschädigung des erst nach

dem Luftschlag und nach den ersten Kommunikationsfeh-

lern ins Amt gekommenen Bundesministers der Verteidi-

gung im Vordergrund. Ein solch massiver Versuch der

Verkehrung und Verfälschung des Untersuchungsauftrags

ist in der Geschichte parlamentarischer Untersuchungs-

ausschüsse nahezu ohne Beispiel. Auf diese durchsichtige

und polemisch vorgetragene Strategie hat die Öffentlich-

keit mit zunehmender Ablehnung und entsprechend mit

steigenden Zustimmungswerten für den neuen Ministers

reagiert.

Die Oppositionsparteien haben in völliger Verdrehung des

Untersuchungsauftrags versucht, ihren Schwerpunkt auf

die für keinen der Beteiligten erfreuliche, dennoch rech-

tlich völlig einwandfreie Entlassung des Generalinspek-
1319) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 10 ff.

teurs und des zuständigen Staatssekretärs zu legen. Das

war dezidiert nicht Gegenstand des Untersuchungsaus-

schusses und trug nicht zur Aufklärung der Umstände des

Luftschlages bei. Für nahezu alle Beobachter war es er-

kennbar das Hauptziel, einen in der Bevölkerung sehr

populären Minister diskreditieren zu wollen – was im
Übrigen den exakt gegenteiligen Effekt hatte, zumal zum

Zeitpunkt des Luftschlages und während der Aufklä-

rungsarbeit von ISAF und NATO sowie anderer Beteilig-

ter der zur Zielscheibe parteitaktischer Angriffe erkorene

Minister noch gar nicht im Amt war und insofern schlicht

keine Verantwortung für das Ereignis und dessen Aufar-

beitung trug.

aa) Bekanntwerden des Feldjägerberichts erst
durch Presse

Die Beweisaufnahme ergab, dass der so genannte Feldjä-

gerbericht nicht die Ursache für die Neubewertung war,

sondern politisch der Auslöser für die Skepsis des Minis-

ters gegenüber der bisherigen Beratung und schlussend-

lich indirekt für seine Neubewertung war.

Der Minister erfuhr am 25. November 2009 von der Exis-

tenz des Feldjägerberichts, als er von seinem Pressespre-

cher erstmals darüber informiert wurde, dass der Presse

ein dem Minister nicht vorliegender Bericht vorliege, der

den Luftschlag in einem ganz neuen Licht erscheinen

lasse.

Als auf Nachfrage dann sowohl der Leiter des Planungs-

stabes als auch der Adjutant des Ministers angaben, eben-

falls erst durch die Presse von einem solchen Bericht

erfahren zu haben und ihnen der Bericht ebenfalls nicht

vorliege, reagierte der Minister nachvollziehbar irritiert

und verwundert. Immerhin musste der Minister bis zu

diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass er von den Ver-

antwortlichen vollumfänglich über den Luftschlag infor-

miert und ihm alle relevanten Informationen vorgelegt

worden seien (siehe oben: E.I, S. 154).

Die Zeugen Dr. Schlie und Brigadegeneral Braunstein

haben übereinstimmend angegeben, dass beide erst durch

den Pressesprecher am Tag vor der Nachfrage des Minis-

ters von der Existenz eines solchen Berichtes bei der

Presse erfahren hatten, jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht

wussten, worum es sich hierbei handeln könnte.

Der Zeuge Dr. Schlie hat hierzu ausgesagt
1320

:

„Ich konnte mir darauf keinen Reim machen. Nach
den ernüchternden Erfahrungen am 8. September

konnte ich allerdings nichtmehr mit Sicherheit da-

von ausgehen, dass alle relevanten Berichte auch

tatsächlich den Planungsstab erreicht hatten.“

Der inzwischen unter drei Bundesverteidigungsministern

Leiter des Planungsstabes im BMVg bezog sich mit dem

Hinweis auf den Umstand, dass ihm bereits am

8. September 2009 aufgefallen war, dass der Generalin-
1320) vgl. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 24.

Drucksache 17/7400 – 192 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
spekteur nicht alle Dokumente auch dem Planungsstab

vorgelegt hatte.
1321

Aus Sicht der Mehrheit des Ausschusses hätte der Minis-

ter nach diesen Informationen Grund gehabt, das Ver-

trauensverhältnis zum GI und zum zuständigen Staatssek-

retär in Zweifel zu ziehen. Es bleibt ein kritikwürdiger,

struktureller Fehler in der Handhabung dieses Falles, dass

ein solches Dokument eines direkt vor Ort mit einer solch

wichtigen Angelegenheit befassten Bundeswehroffiziers

in einer so hoch bedeutsamen Frage den Minister und

seinen Planungsstab nicht erreicht hat.

Dass es sich um strukturelles Fehlverhalten handelte, wird

auch daran deutlich, dass der Generalinspekteur die Exis-

tenz des Feldjägerberichtes schon dem Vorgänger, Minis-

ter Dr. Jung, zunächst nicht mitgeteilt hatte und dies

durch den Generalinspekteur erst sehr viel später unter

dem Druck der Ereignisse geschah. Darüber hinaus ist

festzuhalten, dass auch der Planungsstab über die Exis-

tenz des Feldjägerberichtes fehlerhafter Weise nicht in-

formiert wurde.

aaa) Minister-Gespräch zu nicht vorgelegten
Dokumenten am 25. November 2009

Das Gespräch vom 25. November 2009 und die darauf

folgenden personellen Konsequenzen haben grundsätzlich

keinen Bezug zum Untersuchungsgegenstand. Um einem

Missbrauch des Sachverhaltes aus parteitaktischen Grün-

den die Grundlage zu entziehen, wird der Sachstand der

Beweiserhebung hier dennoch dargestellt.

Die sehr parteitaktisch und sehr polemisch geführte Kam-

pagne, um den seinerzeitigen Minister hier in Bedrängnis

zu bringen oder gar der Unwahrheit zu bezichtigen, ist

politisch wie rechtlich gescheitert.

Die Beweiserhebung hat erbracht, dass der vom Minister

dargestellte Ablauf des Gespräches vom 25. Novem-

ber 2009 zutrifft und die selektive Wahrnehmung bzw.

Darstellung des entlassenen Generalinspekteurs und des

entlassenen Staatssekretärs einer Überprüfung nicht

standhalten.

Die unter E.II.1 (S. 154) gemachten Feststellungen bele-

gen, dass insgesamt fünf Personen an diesem Gespräch

teilnahmen und dass der Bundesverteidigungsminister bei

Generalinspekteur und Staatssekretär mehrfach nachfra-

gen musste, bevor die Existenz des Feldjägerberichtes

eingeräumt wurde.

Diese Zurückhaltung der beiden Amtsträger war kein

Einzelfall, sondern zog sich seit dem Luftschlag durch

Zurückhalten wichtiger Informationen sowohl innerhalb

des BMVg als auch gegenüber anderen Ressorts und

selbst der Bundeskanzlerin wie ein roter Faden durch. Es

ist von einem im Vergleich zu Bundeskanzlerin und Bun-

desverteidigungsminister wie Außenminister sehr ver-

schiedenes Verständnis von der Notwendigkeit zur um-
1321) vgl. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 21.

fassenden Information auszugehen, das die beiden lang-

jährigen Amtsträger prägte.

(1) Anzahl der anwesenden Personen am
25. November 2009

Bei den fünf Teilnehmern des Gespräches handelte es sich

um Verteidigungsminister zu Guttenberg, Generalinspek-

teur Schneiderhan, Staatssekretär Dr. Wichert, die Leite-

rin des Ministerbüros sowie den Adjutanten des Ministers

Oberst Braunstein.

Zwar hatten die Zeugen Schneiderhan und Dr. Wichert

die Anwesenheit von Oberst Braunstein zunächst bestrit-

ten. Diese wurde jedoch durch die erhobenen Beweise

nachgewiesen. So haben sowohl der Zeuge zu Guttenberg

als auch der Zeuge Braunstein selbst angegeben, dass

dieser bei dem Gespräch mit anwesend war (vgl. oben:

E.II.1, S. 154). Darüber hinaus werden diese Angaben

auch durch die handschriftlichen Notizen der unstreitig

anwesenden Leiterin des Ministerbüros bestätigt, in denen

der Zeuge Braunstein als Teilnehmer des Gesprächs auf-

geführt wird.

Die aus parteipolitischen Motiven vorgebrachte Unterstel-

lung, es würde sich bei den handschriftlichen Notizen um

nachträglich erstellte Aufzeichnungen handeln, da nicht

genau erkennbar sei, ob es sich bei der Bezeichnung vor

dem Namen Braunstein um ein „O“ (für Oberst) oder „G“
für General handele, wurde anhand zweier Nachweisfüh-

rungen klar widerlegt und als unsauberes politisches Ma-

növer enttarnt.

Zum Zeitpunkt des Gespräches am 25. November 2009

war die Ernennung von Oberst Braunstein zum Brigade-

general bereits beschlossen, da es sich hierbei noch um

eine Entscheidung des ehemaligen Minister Dr. Jung

handelte. Oberst Braunstein hatte seine Stelle als Briga-

degeneral bereits zugewiesen bekommen und hatte diese

lediglich aufgrund des unerwarteten Ministerwechsels

noch nicht formal angetreten.
1322

Daher ist der Schreib-

fehler leicht nachvollziehbar, bei dem der damalige

(Noch-)Oberst Braunstein („O Braunstein“) aufgrund der
bereits erfolgten und lediglich noch nicht formal umge-

setzten Beförderung in der internen, handschriftlichen

Notiz als das bezeichnet wurde, was er für die Notierende

aufgrund ihres Kenntnisstandes bereits war: General

Braunstein („G Braunstein“).

Auch aus dem Umstand, dass die Opposition auf Ver-

nehmung der Leiterin des Ministerbüros als eigentlich

unabdingbarer Zeugin für den Wahrheitsgehalt ihrer Un-

terstellung verzichtete, macht mehr als deutlich, dass

dieser durchsichtige Versuch übler politischer Nachrede

nicht mehr haltbar war und aufgegeben werden musste.

Das erkennbare Motiv, mit einer Vielzahl an Unterstel-

lungen zu arbeiten, damit am Opfer etwas hängen bleiben

möge, führte nicht zum gewünschten Ergebnis, dem zu
1322) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 31.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 193 – Drucksache 17/7400

Unrecht Angegriffenen wurde die Solidarität des Aus-

schusses, des Bundestages und der Öffentlichkeit zuteil.

Einmal mehr allerdings verdeutlicht diese Vorgehenswei-

se exemplarisch, wie massiv versucht wurde, den sehr

ernsten Auftrag klar zu verletzen und politisches Spekta-

kel inszenieren zu wollen, während der Gegenstand selbst

unmittelbar mit dem Schutz und dem Auftrag der Bun-

deswehr in einem hoch riskanten Einsatz zu tun hatte.

Schlussendlich haben die Zeugen Schneiderhan und

Dr. Wichert selbst ihre inhaltlich gleichlautend gemachten

Aussagen zur Anwesenheit von Oberst Braunstein relati-

viert. Während sowohl Zeuge Schneiderhan als auch

Zeuge Dr. Wichert in ihren ersten Aussagen die Anwe-

senheit von Oberst Braunstein noch bestritten hatten
1323

,

revidierten beide in ihrer jeweiligen zweiten Vernehmung

ihre ersten Aussagen zu diesem zentralen Punkt und sag-

ten nun, wiederum inhaltlich gleichlautend, aus, sich nicht

an die Anwesenheit von Oberst Braunstein erinnern zu

können.
1324

(2) Mehrfaches Nachfragen des Ministers am
25. November 2009 zur Vorlage der Berich-
te

Zweifelsfrei wurde erwiesen, dass der Minister beim

Gespräch vom 25. November 2011 bei Generalinspekteur

und Staatssekretär mehrfach nachfragen musste, bevor die

Existenz des Feldjägerberichtes eingeräumt wurde.

Auch hier wurden die Angaben des Zeugen zu Guttenberg

bestätigt.

Die Zeugen Schneiderhan und Dr. Wichert haben inhalt-

lich gleichlautend zunächst der Darstellung widerspro-

chen und dagegen behauptet, es hätte dieses wiederholten

Nachfragens nicht bedurft, damit der GI die Existenz des

Feldjägerberichts einräumte (siehe oben: E.II.1.a) und c),

S. 155 und 157). Diese Behauptungen wurden jedoch

durch die Beweiserhebung widerlegt.

Dabei werden diese Aussagen durch die übereinstimmen-

den Angaben der Zeugen zu Guttenberg und Braunstein

widerlegt, deren Glaubhaftigkeit zudem noch durch die

schriftlichen Notizen der ebenfalls anwesenden Leiterin

des Ministerbüros bestätigt werden (siehe oben: E.II.1.b),

d) und e), S. 156 und 158).

Insbesondere aus den schriftlichen Notizen geht eindeutig

hervor, dass der Minister insgesamt fünf Mal in diesem

einen Gespräch insistieren musste, bevor dem Minister

von Generalinspekteur und Staatssekretär die Existenz des

Feldjägerberichts eingeräumt wurde.

Der Zeuge Braunstein gab an, dass der Minister versucht

habe, den beiden Herren eine „goldene Brücke“ zu bauen
und ihnen somit die Möglichkeit gab, mit ihrem Wissen

selbst an den Minister heranzutreten. Diese Brücke sind

weder Generalinspekteur noch Staatssekretär gegangen.

Nach Aussage des Zeugen Braunstein mussten ihnen die
1323) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 25.

1324) vgl. Protokoll-Nr. 31, S. 20 und 54.

notwendigen Informationen vielmehr „aus der Nase gezo-
gen“ werden (siehe oben: E.II.1.e), S. 158). Diese Ein-
schätzung des Zeugen Braunstein deckt sich ebenfalls mit

den handschriftlichen Notizen der anwesenden Leiterin

des Ministerbüros.

Zudem widersprechen sich die Aussagen der Zeugen

Schneiderhan und Dr. Wichert in wesentlichen Teilen.

Der Zeuge Schneiderhan gab an, der Minister habe in

diesem Gespräch nach weiteren Berichten gefragt. Diese

Frage sei von Dr. Wichert verneint worden. Bei der zwei-

ten Frage des Ministers habe er, Schneiderhan, sofort den

„Klein-Bericht“, den „N.-Bericht“ und den Feldjägerbe-
richt genannt.

1325
Konträr dazu sagte der Zeuge Dr. Wichert in seiner ersten

Vernehmung aus, es habe überhaupt keine Nachfrage

gegeben.
1326

Zeuge Schneiderhan führte zudem aus, es hätte überhaupt

keinen Sinn gemacht, die Existenz des Feldjägerberichtes

zu leugnen, da es „den Minister mit seinem Planungsstab
keine fünf Minuten gekostet [hätte], dann wäre die Num-

mer geplatzt, weil sie diese Berichte teilweise alle in

Kopie in ihren Akten hatten“.1327

Dieser Vortrag ist schon in sich selbst unschlüssig und

kann nicht überzeugen. Die Beweisaufnahme erbrachte,

dass der Bericht dem Planungsstab weder vorlag noch er

über dessen Existenz in Kenntnis worden war.

Zeuge Schneiderhan erklärte nach Vorlage der Notizen

der Leiterin des Ministerbüros im Ausschuss, dass die

Notizen im Wesentlichen das wiedergeben, was er im

Gespräch ausgeführt hatte.
1328

Auch durch diese offene

Anerkenntnis wird die Darstellung des Ministers zum

Verlauf des Gespräches im Ergebnis bestätigt.

Auch der Zeuge Dr. Wichert revidierte nach Vorlage der

Notizen, und zudem konfrontiert mit den Aussagen des

Zeugen Braunstein, seine Aussage und gab nun an, dass

er mit seiner ersten Aussage keinesfalls behauptet habe,

dass der Minister nur einmal gefragt habe.
1329

Nach diesem Verlauf und den Korrekturen ist als erwie-

sen anzusehen, dass sich das Gespräch im Ministerbüro

tatsächlich so abgespielt hat, wie es der Minister geschil-

dert hatte.

bbb) Personelle Konsequenzen durch den Mi-
nister

Zur Entlassung von politischen Beamten ist festzustellen,

dass personelle Konsequenzen aus eingetretenem Ver-

trauensverlust oder aus anderen Erwägungen bei der Ent-

scheidung des jeweiligen Ministers vorbehalten sind und

keinerlei Begründung bedürfen. Es ist dem seinerzeitigen

Minister zugute zu halten, dass er vor dem Ausschuss
1325) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 16.

1326) Wichert, Protokoll-Nr. 4, Teil I, S. 75.
1327) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 18.

1328) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 35 f.

1329) vgl. Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 56.

Drucksache 17/7400 – 194 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hierzu Auskunft gab, obwohl er rechtlich wie politisch

nicht dazu verpflichtet war.

Nachdem die Minderheit unter Missachtung des Untersu-

chungsauftrags einen großen Teil ihrer Mühen auf den

Versuch verwendete, muss sie sich nun dem für sie bla-

mablen Resultat stellen. Das parteitaktische Manöver, die

erst nach der Einsetzung des Ausschusses erfolgte Entlas-

sung von Generalinspekteur und Staatssekretär zur Kam-

pagne gegen den Minister zu missbrauchen, ist völlig

gescheitert. Es ist auch zu kritisieren, dass eine Aus-

schussminderheit aus einem rechtlich einwandfreien Vor-

gang einen Skandal zu konstruieren versucht und mit

einer solch ergebnislosen Kampagne den Ausschuss über

Wochen und Monate blockierte. Der als Untersuchungs-

ausschuss eingesetzte Verteidigungsausschuss verlor

wichtige Zeit über Monate hinweg und wurde durch diese

Parteitaktik blockiert, während Soldatinnen und Soldaten

im Einsatzgebiet ihr Leben riskieren.

Der Ausschuss hält fest, dass ein verdienter Generalin-

spekteur und ein verdienter Staatssekretär sowohl unmit-

telbar nach dem Luftschlag als auch nach dem Minister-

wechsel maßgeblich für Informationsdefizite im Bundes-

ministerium der Verteidigung und gegenüber anderen

Ressorts und dem Bundeskanzleramt verantwortlich

zeichnen.

So hat die vom Minister eingeleitete Untersuchung des

Informationsflusses innerhalb des BMVg ergeben, dass

innerhalb des BMVg die relevanten Dokumente unver-

züglich den dafür zuständigen Staatsekretär und den Ge-

neralinspekteur erreicht haben (siehe oben: E.V, S. 163).

bb) Sichtung der vollständigen Aktenlage und
Überprüfung

Der Minister hat in seiner Aussage verdeutlicht, dass die

Tatsache, dass ihm zentrale Dokumente im Zusammen-

hang mit dem Luftschlag nicht vorgelegt wurden, bei ihm

erhebliche Zweifel an der Belastbarkeit der ihm gegenü-

ber bis dahin gemachten Empfehlungen und Bewertungen

zum dem Luft-Boden-Einsatz hervorriefen.

Diese Zweifel wurden bestärkt, als er erst nach mehrmali-

gem Nachfragen den ihm aus der Presse bekannt gewor-

denen Feldjägerbericht vom 16. September 2009 mit der

Bewertung des Einsatzführungsstabes vorgelegt be-

kam.
1330

Insbesondere die letzte Anmerkung in der

BMVg-internen Bewertung zum Feldjägerbericht, wo-

nach ein Bekanntwerden des Berichts ohne eine weitere

Kommentierung möglicherweise negative Auswirkungen

haben könnte, ließ den Minister an der voraus gegangenen

Beratung durch GI und Staatssekretär zweifeln.

Es war daher richtig und konsequent, dass der Minister

eine ergebnisoffene Überprüfung der bisherigen Bewer-

tung veranlasste, bei der nun Grundlage auch die ihm bis

dahin nicht vorgelegten Dokumente waren.
1330) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 10.

aaa) Erörterung sämtlicher Fakten vor der Neu-
bewertung

Aus Akten und Zeugenaussagen ergibt sich, dass die

Neubewertung erst nach dem Auftauchen dieser neuen

Dokumente und damit nach den personellen Konsequen-

zen überhaupt erst thematisiert wurde.

Dies belegt unter anderem die Einladung zum Gespräch

am 30. November 2009, an Generalleutnant Glatz, Staats-

sekretär Wolf, den stellvertretenden GI und dem Leiter

des Einsatzführungsstabes sowie dem Leiter des Pla-

nungsstabes. Aus der Einladung geht eindeutig hervor,

dass Ziel des Gespräches eine Überprüfung der bisherigen

Bewertung vor dem Hintergrund der nun vollständig

vorliegenden Unterlagen war. Die Neubewertung wurde

nicht als zwingend, sondern lediglich als möglicherweise

vorzunehmen beschrieben. Aus der Erörterung sollte

lediglich ein militärischer Ratschlag für die politische

Leitung formuliert werden.
1331

Auch die Zeugenvernehmungen ergaben, dass der Minis-

ter keineswegs mit einer vorgefassten Meinung, sondern

faktenorientiert und völlig ergebnisoffen in dieses Bera-

tungsgespräch ging (siehe oben: E.IV, S. 162). Der Leiter

des Planungsstabes bestätigte vor dem Ausschuss, dass es

sich um eine freie Diskussion gehandelt habe (siehe oben:

E.IV, S. 162).

Widerlegt wurde auch die parteitaktisch motivierte Un-

terstellung, der Minister hätte zuerst seine Meinung geän-

dert und erst anschließend Generalinspekteur und Staats-

sekretär als politische Bauernopfer entlassen, schlicht und

auch für parteitaktisch argumentierende Abgeordnete

nachvollziehbar schon allein durch den zeitlichen Ablauf

der Vorgänge wie auch aus inhaltlichen Gründen.

bbb) Lagebild nach erstmals vollständiger Do-
kumentenlage

Die Neubewertung konnte sich schon deshalb erst nach

dem 25. November 2009 ergeben, weil erst danach dem

Minister die ihm durch die Presse bekannt gewordenen,

schon lange im BMVg befindlichen Informationen sowie

erstmals eine vollständige Dokumentenlage und daraus

folgernd erstmals eine umfassende militärischen Beratung

möglich wurde.

Auch dieses sorgfältige, nach der Vorgeschichte zwin-

gend erforderliche Vorgehen des Ministers hat die Aus-

schussminderheit dadurch versucht in Misskredit zu brin-

gen, dass sie entgegen eigenen Erkenntnissen unterstellte,

in den bis zum 25. November 2009 nicht vorgelegten

Akten seien keine harten Fakten zu finden, die nicht auch

im COM ISAF-Bericht beinhaltet sind. Auch dieser par-

teitaktische Versuch schlug völlig fehl.

Die Minderheit hat hier aus offenkundigen Motiven aus-

geblendet, dass es für die Neubewertung nicht nur auf das

Rohmaterial an Daten ankam, sondern die erstmals voll-

ständig vorgelegten Dokumente ein deutlich kritischeres
1331) vgl. E-Mail Braunstein (Fn. 1223, Dokument 164).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 195 – Drucksache 17/7400

Bild des Luftschlages zeichneten als der entlassene Gene-

ralinspekteur und der entlassene Staatssekretär es darges-

tellt hatten. Gegenüber dem Minister waren bis dahin

selektiv nur die positiven Beurteilungen dargestellt und

kritische Betrachtungen ausgeblendet worden.

Ziel war daher nicht, unbekannte Fakten entdecken zu

wollen, zumal die Datenlage weitgehend erkundet war.

Vielmehr erfolgte erstmals im BMVg eine differenzierte

Darstellung und Bewertung dieser Fakten und Daten

aufgrund der nun erstmals vollständig verfügbar gemach-

ten Unterlagen.

Der Minister hat dies vor dem Ausschuss in Übereins-

timmung zu anderen Zeugen überzeugend deutlich ma-

chen können (siehe oben: E.III, S. 159).

In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass eine Reihe

der Dokumente zwar dem Joint Investigation Board zur

Verfügung gestellt wurde, jedoch nicht im COM ISAF-

Bericht aufgeführt waren, darunter der Feldjägerbericht,

die Stellungnahme von Oberst Klein, der „N.-Bericht“,
der IAT-Bericht und die Liste der UNAMA über zivile

Opfer des Luftschlages.

Nach Sichtung aller vorliegenden Dokumente steht für

den Ausschuss fest, dass es nicht möglich ist, allein auf

Grundlage des COM ISAF-Berichtes eine umfassende

Bewertung des Vorfalles abzugeben.

Zur Bedeutung der weiteren Berichte hat der Minister vor

dem Ausschuss plausible Beispiele aus den ihm nicht

verfügbar gemachten Akten angeführt, die bei Neubewer-

tung von besonderer Bedeutung waren (siehe oben:

E.III.1 und 2, S. 160 f.).

Darunter fällt, dass der IAT-Bericht im Unterschied zum

COM ISAF-Bericht deutlich auf den möglichen Umfang

ziviler Opfer hinweist.

Zwar war der Minister bereits bei seiner Erstbewertung

von zivilen Opfern ausgegangen. In der Beratung war ihm

hierzu jedoch vorgetragen worden, dass der COM ISAF-

Bericht auch so gelesen werden könne, dass es überhaupt

keine zivilen Opfer gegeben habe.

Auch die in den weiteren Dokumenten enthaltenen diffe-

renzierten Erläuterungen des Vorfalles belegen, dass in

den nicht vorgelegten Berichten neue, relevante Erkenn-

tnisse enthalten waren, die im Ergebnis auch zu einer

Neubewertung in einzelnen Fragestellungen führen muss-

ten.

ccc) Neubewertung nach umfassender militär-
fachlicher Beratung

Neben der erstmalig umfassenden Dokumentenlage war

die erstmals umfassende militärfachliche Beratung aus-

schlaggebend für die Neubewertung durch den Minister.

Insbesondere in der Beratung durch Generalleutnant Glatz

trat erstmals zutage, dass es die zuvor von Generalinspek-

teur und Staatssekretär dargestellte Einhelligkeit in der

Bewertung des Vorfalles so nicht gegeben hatte. Erstmals

wurde dem Minister eröffnet, dass es durchaus unter-

schiedliche Auffassungen zur „Angemessenheit“ des
Luftschlages gab.

Schon sehr früh nach dem Luftschlag hatte der deutsche

General Ramms, zuständiger NATO-Befehlshaber des

JFC Brunssum, den Luftschlag als „nicht angemessen“
bezeichnet.

1332
Auch hatte Generalleutnant Glatz bereits zu einem frühen

Zeitpunkt gegenüber dem GI ausgeführt, dass es Fehler

und Versäumnisse gegeben haben könnte, aufgrund derer

man zu dem Schluss kommen könnte, es könnte sich bei

dem Luftschlag um einen „Riesenfehler“ gehandelt haben
(siehe oben: E.III.3, S. 161).

Diese wichtigen kritischen Äußerungen von sehr kompe-

tenter Stelle waren weder vom zuständigen Staatssekretär

noch vom GI oder dessen Stäben gegenüber dem Minister

erwähnt worden.

In dem Gespräch vom 30. November 2009 zwischen dem

Minister und Staatssekretär Wolf, dem Befehlshaber des

Einsatzführungskommandos, dem Leiter Einsatzführungs-

stab sowie dem Leiter des Planungsstabes wurde deutlich,

dass durchaus eine andere als die dem Minister zuvor

vorgetragene Betrachtungsweise des Vorfalls möglich

war. Insbesondere wurden von Vizeadmiral Kühn ver-

schiedene Handlungsalternativen aufgezeigt. Die an der

Runde teilnehmenden Mitglieder der zivilen und politi-

schen Führung haben in einer bewusst offen angelegten

Erörterung ihre jeweilige Analyse dargelegt und gemein-

sam erörtert, welche Analyse zu ziehen war.

Auf Grundlage dieser Diskussion und einer Gesamtbe-

trachtung der erstmals ihm vorliegenden Unterlagen kam

der Minister zu der von einer sehr breiten Mehrheit im

Deutschen Bundestag geteilten Neubewertung, die er am

3. Dezember 2009 vor dem Deutschen Bundestag darleg-

te.

Vor dem Parlament führte er u. a. aus: (siehe oben: E.VII,

S. 165):

„[…] Obgleich Oberst Klein […] zweifellos nach
bestem Wissen und Gewissen sowie zum Schutz

seiner Soldaten gehandelt hat, war es aus heutiger,

objektiver Sicht, im Lichte aller, auch der mir da-

mals vorenthaltenen Dokumente, militärisch nicht

angemessen.“

Diese Bewertung entspricht dem tatsächlichen Lagebild

und war daher nach den inzwischen bekannt gewordenen

Dokumenten in Form und Inhalt sehr zu begrüßen.

IV. Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 4
und 5 des Untersuchungsauftrages

Aufgabe des Untersuchungsausschusses war es auch zu

untersuchen, ob das Parlament, die Obleute des Verteidi-

gungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses

sowie die Öffentlichkeit durch die Bundesregierung bzw.
1332) vgl. Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

Drucksache 17/7400 – 196 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
durch Mitarbeiter der Bundesregierung umfassend und

lückenlos informiert wurden.

1. Unterrichtung des Parlamentes

Für die laufende Unterrichtung des Parlamentes (UdP)

war im Geschäftsbereich des BMVg im fraglichen Zeit-

raum Staatssekretär Dr. Wichert zuständig.

Der Staatssekretär hat bis zuletzt seine Auffassung vertre-

ten, er habe das Parlament zu jeder Zeit umfassend infor-

miert.

Die Prüfung der Akten hat ergeben, dass das Parlament

im Zusammenhang mit dem Luftschlag informiert wurde,

dies jedoch zum Teil nicht vollumfänglich bzw. zeitver-

zögert erfolgte.

a) Unterrichtung des Parlamentes vom
9. September 2009

Die schriftliche Unterrichtung des Parlamentes (UdP)

vom 9. September 2009 zeigt die teils zögerliche Informa-

tionspolitik gegenüber dem Deutschen Bundestag.

In dieser UdP wird erwähnt, dass die Voruntersuchungen

der ISAF zum Vorfall bereits abgeschlossen sind und der

IAT-Bericht bereits vorgelegt wurde; allerdings werden

jedoch keinerlei Inhalte des Berichts wiedergegeben
1333

,

so auch insbesondere nicht der wesentliche Sachverhalt

aus dem IAT-Bericht, dass mit an Sicherheit grenzender

Wahrscheinlichkeit auch Zivilpersonen verletzt oder getö-

tet wurden.

Allerdings wird wiederum der offizielle afghanische Be-

richt erwähnt, der ausschließlich von getöteten Taliban

ausgeht.
1334

Diesem Bericht gingen jedoch keinerlei Un-

tersuchungen voraus, die mit den Untersuchungen des

Initial Action Teams vergleichbar wären. Vielmehr han-

delt es sich hierbei lediglich um ein Schreiben zum Vor-

fall an den afghanischen Präsidenten Karzai.

b) Unterrichtung des Parlamentes vom
23. September 2009

Auch in der UdP vom 23. September 2009 fehlen konkre-

te Hinweise auf zivile Opfer.
1335

In dieser UdP wird der am 22. September 2009 im BMVg

eingegangene sog. „Karzai-Bericht“ erwähnt, jedoch
werden wiederum keine Inhalte des Berichts wiedergege-

ben.

Insbesondere finden sich in der UdP keine Hinweise dar-

auf, dass der „Karzai-Bericht“ bereits von einer konkreten
1333) vgl. BMVg, Unterrichtung des Parlaments 37/09 vom 9. Septem-

ber 2009 (Dokument 178).

1334) vgl. BMVg, Unterrichtung des Parlaments 37/09
(Dokument 178), S. 10.

1335) vgl. BMVg, Unterrichtung des Parlaments 39/09 vom 23. Sep-

tember 2009 (Dokument 179).

Zahl ziviler Opfer ausgeht. Hinweise auf zivile Opfer

werden überhaupt nicht erwähnt.
1336

In der Auslassung von Hinweisen über mögliche zivile

Opfer bis zum 23. September 2009 ist ablesbar, dass die

Unterrichtung des Parlaments unvollständig war und

angesichts der Bedeutung des Geschehens und der inter-

nationalen Nachrichtenlage deutlich zu begrenzt erfolgte.

Während auf der einen Seite die direkten Hinweise auf

zivile Opfer nicht weiter gegeben wurden, geschah diese

Weitergabe auf der anderen Seite mit solchen Informatio-

nen, die davon ausgingen, dass es keine zivilen Opfer gab.

Eine solch einseitige „Unterrichtung“ ist als struktureller
Fehler für die Zukunft durch entsprechende Maßnahmen

zu vermeiden. Gerade die Unterstützung von Bundes-

wehreinsätzen in Kampfgebieten setzt ein größtmögliches

Maß an Information und Offenheit voraus, wie es von

Minister zu Guttenberg bereits eingeleitet wurde und von

seinem Nachfolger de Maizière fortgesetzt wird.

2. Unterrichtung der Obleute des Verteidi-
gungsausschusses und des Auswärtigen
Ausschusses

Die korrekte und umfassende Unterrichtung der Obleute

des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Aus-

schusses war ebenfalls Aufgabe des Staatssekretärs. Auch

hier ergab die Aktenlage, dass die Obleute des Verteidi-

gungsausschusses teilweise nicht umfassend und nicht

zeitgerecht informiert wurden.

a) Obleuteunterrichtung vom 4. Septem-
ber 2009

In der ersten Obleuteunterrichtung vom

4. September 2009 wurde darauf hingewiesen, dass es „zu
einem Luftschlag gegen eine Gruppe von Opposing Mili-

tant Forces“ (OMF) gekommen sei.1337 Angaben über
Opferzahlen oder mögliche zivile Opfer enthielt diese

Unterrichtung nicht.

Der Zeuge Dr. Wichert begründete dies damit, dass ange-

sichts des nicht gesicherten Meldeaufkommens auf die

Angabe einer Zahl bzw. die Erwähnung möglicher ziviler

Opfer verzichtet worden sei, um eine Falschinformation

des Parlamentes zu verhindern (siehe oben: C.III.1,

S. 132).

Diese Entscheidung war zum damaligen frühen Zeitpunkt

nachvollziehbar, da es sich hierbei um eine Erstinformati-

on am Folgetag des Vorfalls handelte. Dass in dieser

Erstmeldung zunächst nur gesicherte Informationen wei-

tergegeben wurden, war korrekt und ist in keiner Weise

zu beanstanden. Die an diesem Tag eingehenden, sich

teilweise widersprechenden Informationen, mussten zu-

nächst ausgewertet werden.
1336) vgl. BMVg, Unterrichtung des Parlaments 39/09 (Fn. 1335), S. 6.

1337) Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009 (Fn. 901, Doku-

ment 124), Bl. 8 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197 – Drucksache 17/7400

Zwar lagen dem BMVg zum Zeitpunkt der Erstunterrich-

tung bereits Spekulationen über zivile Opfer vor. So lag

eine Information der NATO vor, in der von zivilen Op-

fern die Rede war.
1338

Es war jedoch ein völlig gebotenes und korrektes Vorge-

hen, am ersten Tag auf Spekulationen zu verzichten und

nur gesicherte Fakten mitzuteilen.

b) Obleuteunterrichtung vom 7. Septem-
ber 2009

Anders verhält es sich bei der Obleuteunterrichtung vom

7. September 2009. In dieser Unterrichtung wird erstmals

detailliert über die Ereignisse am 4. September 2009 be-

richtet und ausgeführt, wie es zu dem Luftschlag kam.

Bezüglich der Frage ziviler Opfer wurde ausgeführt, dass

Oberst Klein aufgrund der Quellenlage davon ausging,

dass sich nur Aufständische auf der Sandbank aufgehalten

hatten und dass im Laufe des 4. September 2009 zwölf

männliche Verletzte, darunter ein zehnjähriger Junge, in

das Krankenhaus der Stadt Kunduz eingeliefert wur-

den.
1339

Auch wurde in dieser Unterrichtung der Bericht afghani-

scher Offizieller der Provinz Kunduz erwähnt und erläu-

tert, dass dort festgestellt wurde, dass bei dem Luftschlag

nur regierungsfeindliche Kräfte getötet worden seien.
1340

Unerwähnt blieb der bereits vorliegende Bericht des Initi-

al Action Teams (IAT-Bericht) und vor allem dessen

Feststellungen über mögliche zivile Opfer.

Zwar wird in der Obleuteunterrichtung erwähnt, dass das

IAT am 4. September 2009 seine Untersuchungen begon-

nen hatte. Dass diese Voruntersuchung aber schon abge-

schlossen war und der Bericht im Einsatzführungsstab

und beim GI bereits seit dem 6. September 2009 vorlag,

wurde nicht erwähnt. Auch wurde dieser Bericht nicht an

die Obleute übergeben. Allein vor diesem Hintergrund

kann hier nicht mehr von einer umfassenden Unterrich-

tung gesprochen werden.

In dem IAT-Bericht der ISAF an den COM ISAF wurde

festgestellt, dass neben einer erheblichen Zahl von regie-

rungsfeindlichen Kräften mit an Sicherheit grenzender

Wahrscheinlichkeit auch Zivilisten getötet oder verletzt

wurden.
1341

Dieser Inhalt war in einem Entwurf zu einer pressever-

wertbaren Stellungnahme zum IAT-Bericht noch enthal-

ten. Diese presseverwertbare Stellungnahme war Grund-
1338) vgl. Pressestatement ISAF vom 4. September 2009 (Fn. 684,

Dokument 107).
1339) vgl. Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 7. September

2009 (Fn. 983, Dokument 135).

1340) vgl. Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 7. September
2009 (Fn. 983, Dokument 135).

1341) vgl. Presseverwertbare Stellungnahme vom 7. September 2009

(Fn. 693, Dokument 108), Bl. 29.

lage für die Obleuteunterrichtung am 7. Septem-

ber 2009.
1342

Der Umstand, dass die Inhalte des IAT-Berichts zunächst

im Entwurf enthalten sind und anschließend nicht in die

Obleuteunterrichtung einflossen, belegt, dass es sich nicht

um ein Versehen handelte. Der Zeuge Dr. Wichert hat

dazu vor dem Ausschuss angegeben, er habe die Verzöge-

rungen bei der Unterrichtung in Kauf genommen, da er

nur gesicherte Erkenntnisse habe weitergeben wollen und

keine Spekulationen.

Diese Argumentation unterschlägt, dass es sich bei dem in

der Obleuteunterrichtung erwähnten Bericht afghanischer

Offizieller, der anders als der IAT–Bericht nur von getö-
teten Taliban ausgeht, genauso wenig um gesicherte

Kenntnisse, sondern um sehr spekulative Informationen

handelte, die sich im Nachhinein als unkorrekt heraus-

stellten.

Demgegenüber stellt der IAT-Bericht als der ISAF-

Bericht über die von der ISAF durchgeführte Voruntersu-

chung das deutlich viel mehr Hinweise beinhaltende Do-

kument dar und muss als weit weniger spekulativ angese-

hen werden als ein Bericht afghanischer Offiziere. Der

IAT-Bericht mit dem Hinweis auf die hohe Wahrschein-

lichkeit ziviler Opfer hätte zwingend in die Obleuteunter-

richtung einfließen müssen.

c) Falsche Angabe in der Obleuteunterrich-
tung vom 9. September 2009

In der schriftlichen Obleuteunterrichtung durch den

Staatssekretär vom 9. September 2009 wird berichtet,

dass der IAT-Bericht dem Bundesministerium der Vertei-

digung am 8. September 2009 zugegangen sei.
1343

Diese Angabe ist falsch. Tatsächlich lag der IAT-Bericht

bereits seit dem 6. September 2009 im BMVg vor.
1344

3. Unterrichtung der Öffentlichkeit

Die Unterrichtung der Öffentlichkeit gerade in den ersten

Tagen nach dem Luftschlag hat zu erheblicher Kritik

geführt. Es war daher auch Aufgabe des Ausschusses, die

Frage der Unterrichtung der Öffentlichkeit zu untersu-

chen.

a) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das
BMVg

Die Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Bundes-

ministerium der Verteidigung in den ersten Tagen nach

dem Luftschlag ist nicht optimal verlaufen. Insbesondere

der Umgang mit der Frage möglicher ziviler Opfer ist zu

Recht auf Kritik gestoßen.
1342) vgl. Presseverwertbare Stellungnahme vom 7. September 2009

(Fn. 693, Dokument 108), Bl. 26 ff.

1343) vgl. Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 9. September
2009 (Fn. 996, Dokument 139).

1344) vgl. Übersicht über den Informationsfluss hinsichlich der Berichte

zum Kunduz-Vorfall (Dokument 180).
Drucksache 17/7400 – 198 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Festzuhalten ist, dass es sich hier nicht um einen Vertu-

schungsversuch gehandelt hat. Vielmehr hat sich ergeben,

dass im Bundesverteidigungsministerium die Linie festge-

legt wurde, keinerlei Vermutungen, sondern nur völlig

abgesicherte Fakten zu kommunizieren.

In der ersten Pressemeldung am Morgen nach dem Luft-

schlag wird am 4. September 2009 um 6.42 Uhr von ei-

nem erfolgreichen Einsatz gegen Aufständische gespro-

chen und erklärt, dass Zivilpersonen nicht zu Schaden

kamen (siehe oben: C.II.1.b)aa)bbb)(1), S. 95).

Im Laufe des 4. September 2009 gab es immer mehr Mel-

dungen, die auf die Möglichkeit ziviler Opfer hindeuteten.

Insbesondere erhielt das BMVg um 9.13 Uhr die Mittei-

lung, dass die ISAF Informationen erhalten habe, wonach

es auch verletzte und getötete Zivilisten gebe.

Aufgrund der widersprüchlichen Angaben wurden die

Pressemitteilungen im Internet in der Folge mehrmals

geändert (siehe oben: C.II.1.b)aa)bbb)(2) und (3), S. 95).

Schließlich wurde die Formulierung gewählt, dass „Unbe-
teiligte vermutlich nicht zu Schaden“ kamen.

Die Untersuchungen haben ergeben, dass es einen Dop-

pelstrang an Informationen bzw. Vermutungen gab, der

mitverantwortlich für das widersprüchliche Lagebild war.

Auch diese organisatorischen Mängel mit den bekannt

negativen Folgen sind Gegenstand der Strukturreform der

Bundeswehr, um entsprechend abgestellt zu werden.

Aus heutiger Sicht wäre es für das BMVg unerlässlich

gewesen, frühzeitig die Presselinie zu ändern und die

Möglichkeit ziviler Opfer einzuräumen, nachdem die

ersten konkreteren Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit

ziviler Opfer eingegangen waren.

Der Generalinspekteur hat auf die Frage nach diesen

Defiziten auf den COM ISAF in Afghanistan und den

Pressesprecher des BMVg in Berlin verwiesen (vgl. oben:

C.II.1.d)dd)aaa) und bbb), S. 108 und 108).

Er gab an, der Grund für das Meldechaos sei zum einen

die verfrühte und öffentliche Kritik an dem Luftschlag

durch General McChrystal sowie die Meldungen eines

Journalisten der Washington Post, den McChrystal zum

PRT Kunduz mitgebracht hatte.

Diese höchst ungewöhnliche Praxis der Begleitung durch

Außenstehende und Medien in einer solch bedeutsamen

militärischen Ermittlung wurde zu Recht vom damaligen

Minister Dr. Jung gegenüber dem verantwortlichen

Kommandeur der ISAF, General McChrystal, unmissver-

ständlich und klar kritisiert und als Fehler des Generals

qualifiziert.

Der von McChrystal zum PRT Kunduz mitgebrachte

Journalist der Washington Post und dessen nahezu komp-

lette Begleitung des US-Generals in auch internen Ge-

sprächen zur ersten Lagebeurteilung nach dem Luftschlag

war Ausgangspunkt für kritische und bedauerlicher Weise

auch einseitige Berichte in der angesehenen US-

amerikanischen Zeitung.

Dieser Erklärungsansatz des damaligen Generalinspek-

teurs kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Es ist

nicht nachvollziehbar, weshalb und auch wie die frühe

öffentliche Kritik durch den COM ISAF und die Einbin-

dung eines Journalisten verhindert haben soll, die Mög-

lichkeit ziviler Opfer einzuräumen.

Darüber hinaus seien nach Darstellung des Zeugen

Schneiderhan die „Parallelermittlungen“ des Presse- und
Informationsstabes ein weiteres Problem gewesen.

Auch dieser Hinweis auf den Pressesprecher des BMVg

geht fehl. Der seinerzeitige Pressesprecher des BMVg hat

als Zeuge vor dem Ausschuss überzeugend die Gründe für

seine weiteren Nachforschungen angegeben. So war er als

Sprecher des Ministers, wie sich aus den Feststellungen in

C.II.1.d)cc)eee) (S. 105) ergibt, wegen der vom GI unzu-

reichend zur Verfügung gestellten Informationen ge-

zwungen, die erforderlichen Informationen im Wege

eigener Nachforschungen zu beschaffen.

Der Sprecher des BMVg gab hierzu an, weder vom zu-

ständigen Staatssekretär noch vom Generalinspekteur

über die notwendigen Informationen bzgl. des Vorfalls in

Kenntnis gesetzt worden zu sein.

Dies ergibt sich unter anderem dadurch, dass Dr. Raabe

von dem bereits am 6. September 2009 im BMVg einge-

gangenen IAT-Bericht erst am Abend des

7. September 2009 erfuhr, obwohl am Morgen des

7. September 2009 die reguläre Regierungspressekonfe-

renz stattfand, in der sich der Sprecher des BMVg zur

Möglichkeit ziviler Opfer äußern musste. Trotz der be-

sonderen Schwere des Vorfalles und seiner nationalen wie

internationalen Tragweite wurde der im BMVg verfügba-

re Bericht nicht an den Sprecher des Ministers weiterge-

leitet.

Kennzeichnend ist, dass der Zeuge Schneiderhan auf den

Vorhalt mangelhafter Information des Sprechers des

BMVg äußerte, er sei als Generalinspekteur für die Unter-

richtung des Pressesprechers gar nicht zuständig gewesen;

es sei vielmehr Aufgabe des Ministers selbst gewesen,

seinen Pressesprecher mit der notwendigen Information

zu versorgen.
1345

Fest steht allerdings auch, dass der IAT-Bericht dem

damaligen Minister Dr. Jung vom damaligen GI erst am

8. September 2009 vorgelegt wurde (siehe oben: C.III.4,

S. 133).

Aus diesem zeitlichen Ablauf wird rasch deutlich, dass

der Pressesprecher des BMVg bei der Pressekonferenz am

6. September 2011 selbst dann nicht unterrichtet gewesen

wäre, wenn es üblich würde, dass der Bundesminister der

Verteidigung zu seinen Aufgaben nun auch noch die

presseverwertbare Übermittlung von militärischen Infor-

mationen für seinen Pressesprecher zu übernehmen hätte.

Da der GI auch dem Minister selbst erst am übernächsten

Tag nach Eingang den IAT-Berichtes, nämlich am

8. September 2009, vorlegte, wäre eine solchermaßen
1345) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 199 – Drucksache 17/7400

behauptete Unterrichtungspflicht nicht möglich gewesen,

da der Generalinspekteur dem Minister den IAT-Bericht

erst einen Tag nach Ablauf der Pressekonferenz vorlegte.

Die Äußerung des ehemaligen und über Jahrzehnte an

Erfahrung verfügenden GI ist daher wohl eher einer allzu

rasch geäußerten Verteidigung gegen einen offenbar be-

rechtigten Vorhalt zuzurechnen als einer wohlüberlegten

Äußerung zur Struktur des BMVg.

Am 6. September 2009 hat der damalige Minister

Dr. Jung nach einer Unterredung mit Bundeskanzlerin

Dr. Merkel auch öffentlich zivile Opfer nicht mehr ausge-

schlossen (siehe oben: C.II.1.d)ff)fff), S. 114). Zuvor

hatte Dr. Jung, entsprechend der Beratung durch GI und

Staatssekretär, öffentlich, allerdings mit Einschränkung,

davon gesprochen, dass, nach den ihm vorliegenden In-

formationen, ausschließlich Taliban getötet worden seien.

Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Dr. Jung überzeugend

und glaubhaft dargelegt, weshalb er erst zwei Tage nach

dem Luftschlag, am 6. September 2009, öffentlich zivile

Opfer nicht mehr ausgeschlossen hat. Die bis dahin getä-

tigten Äußerungen des Ministers sind auf die ihm gege-

nüber erfolgte Beratung durch das Ministerium zurückzu-

führen, die von Minister Dr. Jung aufgrund seines großen

Vertrauens in langjährige Spitzenbeamte als plausibel

übernommen wurde. Der damalige GI hat in seiner Aus-

sage vor dem Ausschuss selbst angegeben, dass er Minis-

ter Dr. Jung von Anfang an dahingehend beraten hat, mit

Zahlen, Fakten und Vermutungen vorsichtig umzuge-

hen.
1346

Ebenso hat der Minister in seiner Aussage bestä-

tigt, dass er sowohl vom Generalinspekteur als auch vom

Staatssekretär in diese Richtung beraten wurde.
1347

Die frühe Festlegung der Presselinie war weder mit dem

Minister und noch mit der militärischen Spitze des Bun-

desministeriums der Verteidigung noch mit dem Presse-

sprecher des BMVg abgestimmt. In dieser Presselinie

wurde bereits in den frühen Morgenstunden des

4. September 2009 ausgeführt, dass bei dem Luftschlag in

der Nacht zuvor Zivilpersonen nicht zu Schaden gekom-

men seien.

Vor dem Hintergrund dieser Festlegung schon am Mor-

gen des 4. September 2009 nach dem Hinweis von Oberst

Klein, der dem Minister in einem Telefonat ebenfalls

seinen damaligen Kenntnisstand wiedergab, dass nur

Taliban unter den Opfern seien
1348

, sowie aufgrund der

Beratung durch GI und Staatssekretär wird die öffentliche

Stellungnahme des Ministers nachvollziehbar.

Die Beratung des Ministers zum öffentlichen Umgang mit

dem Luftschlag erfolgte zu einseitig. Wie auch bei der

oben dargestellten Beratung des späteren Ministers zu

Guttenberg (siehe oben: III.2.a)bb), S. 188) wurden auch

gegenüber Minister Dr. Jung Informationen zu stark rela-

tiviert und darauf gedrängt, die Presselinie vorerst beizu-

behalten und nur aufgrund gesicherter Fakten zu ändern.
1346) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 6.

1347) vgl. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.

1348) vgl. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.

Nicht erwähnt wurde gegenüber dem Minister, dass, wie

der seinerzeitige Generalinspekteur als Zeuge vor dem

Ausschuss aussagte, schon die erste Presselinie ausge-

rechnet hinsichtlich ziviler Opfer eben gerade nicht auf

gesicherte Fakten gestützt war, sondern lediglich auf die

eingegangene, noch sehr spekulative Erstmeldung.

Sowohl Staatssekretär als auch Generalinspekteur haben

später als Zeugen vor dem Ausschuss inhaltlich gleichlau-

tend zur Begründung dieser zögerlichen Änderung der

Presselinie die widersprüchlichen Meldungen bzgl. ziviler

Opfer in den ersten Tagen nach dem Luftschlag angege-

ben.

Diese Argumentation ist nur teilweise überzeugend. Die

Beweiserhebung hat erbracht, dass in der Tat wider-

sprüchliche Angaben zur Zahl der Opfer insgesamt wie

zur Zahl ziviler Opfer vorlagen. So lag unmittelbar nach

dem 4. September 2009 die Schilderung von Oberst Klein

vor, dass nach den ihm vorliegenden Informationen keine

Unbeteiligten zu Schaden gekommen seien. Diese Anga-

ben wurden unter anderem durch den Brief afghanischer

Offizieller aus der Region Kunduz an Präsident Karzai

bestätigt. Auf der anderen Seite lagen Äußerungen von

ISAF und auch Medienberichte vor, die von zivilen Op-

fern sprachen.

Dass man im BMVg zunächst diese widersprüchlichen

Angaben prüfen wollte, bevor man zivile Opfer einräumt,

ist nachvollziehbar und auch im Vorgehen richtig.

Weiterhin ist festzustellen, dass nach Verdichtung des

Lagebildes bis zum 6. September 2009 die Presselinie

entsprechend verändert wurde und zivile Opfer nicht

mehr ausgeschlossen wurden (vgl. oben).

Die unhaltbare Unterstellung der Ausschussminderheit,

die Regierung habe zivile Opfer vertuschen wollen, war

erwiesener Maßen völlig unhaltbar und ist in der Konse-

quenz für die Position der Bundeswehr vor Ort wie auch

im Blick auf das internationale Ansehen Deutschlands als

Rechtsstaat politisch völlig unverantwortlich.

Es wäre allerdings erforderlich gewesen, die Presselinie

des BMVg schon früher zu ändern und zivile Opfer nicht

auszuschließen. Auch bei widersprüchlicher Meldelage ist

es möglich und war im vorliegenden Fall geboten, diesen

für die Öffentlichkeit durchaus nachvollziehbaren Sach-

verhalt in der Presselinie zu berücksichtigen und darauf

hinzuweisen, dass der Vorfall weiterer Prüfung bedarf.

Im vorliegenden Fall wurden durch das Zuwarten auf ein

verdichtetes Lagebild die Hinweise auf zivile Opfer erst

zu spät an die Öffentlichkeit gegeben und dadurch berech-

tigter Anlass zu deutlicher Kritik gegeben.

Die Probleme in der Öffentlichkeitsarbeit sind darauf

zurückzuführen, dass bei diesem schwer wiegenden Vor-

gang verhindern werden sollte, vorschnelle Äußerungen

zu tätigen und im Ergebnis übervorsichtig agiert wurde.

Dass es nicht um ein Vertuschen ging, sondern um das

Abwarten einer gefestigten Erkenntnislage ergibt sich

Drucksache 17/7400 – 200 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
auch aus der Aktenlage

1349
sowie aus den Aussagen des

Zeugen Dr. Raabe, der angab, dass man für ein Ministe-

rium nur mit gesicherten Informationen an die Öffentlich-

keit gehen kann (siehe oben: C.II.1.d)cc)ddd), S. 105).

b) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das
Bundeskanzleramt

Der Ausschuss stellt fest, dass die Unterrichtung der Öf-

fentlichkeit durch das Bundeskanzleramt, insbesondere

durch die Bundeskanzlerin, keinen Anlass zur Kritik gibt

und im Gegenteil alles unternommen wurde, um eine

möglichst umfassende Information möglichst zeitnah zu

erreichen. Die Bundeskanzlerin selbst hat die Öffentlich-

keit zu jeder Zeit entsprechend ihrem Kenntnisstand un-

terrichtet.

aa) Pressestatement am 6. September 2009

Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat sich am Abend des

6. September 2009 erstmals zu dem Vorfall geäußert und

bereits in dieser ersten Äußerung zivile Opfer nicht aus-

geschlossen und ihr Bedauern für diesen Fall ausgedrückt

(siehe oben: C.II.3.c)bb), S. 129). Bundeskanzlerin

Dr. Merkel hat die Öffentlichkeit entsprechend dem da-

maligen Kenntnisstand sachgerecht unterrichtet.

bb) Regierungserklärung am 8. September
2009

Am 8. September 2009 folgte die Regierungserklärung

der Bundeskanzlerin, in der sie bereits zu Beginn ausführ-

te, dass es unterschiedliche Informationen hinsichtlich

ziviler Opfer gebe (siehe oben: C.II.3.c)cc), S. 129). Auch

machte sie in dieser Regierungserklärung deutlich, dass

sie von der Möglichkeit ziviler Opfer ausgehe und jeden

unschuldig zu Tode Gekommenen zutiefst bedauere.

Die Regierungserklärung erfolgte auch aus heutiger Sicht

genau zum richtigen Zeitpunkt und mit zutreffendem

Inhalt.

Die Ausführungen der Bundeskanzlerin vom

8. September 2009 sind auch nach Abschluss aller Ermitt-

lungen und Untersuchungen zutreffend und müssen in

keinem Punkt korrigiert werden. Zu Recht wurde in der

Regierungserklärung keine abschließende Schilderung

und Wertung des Vorfalls abgegeben. Zudem war es

richtig und wichtig, dass die Bundeskanzlerin eine lü-

ckenlose Aufklärung ankündigte und diese auch konse-

quent erfolgte.

aaa) Umfassendes Lagebild der Bundeskanzle-
rin

Von Seiten der Opposition wurde spekuliert, dass die

Bundeskanzlerin aufgrund der anfänglich schleppenden

Unterrichtung des Bundeskanzleramtes durch das Bun-
1349) Manuskript Pressekonferenz 98/2009 vom 4. September 2009

(Fn. 720, Dokument 115), Bl. 31.

desministerium der Verteidigung (siehe oben: II.4.c),

S. 186) zum Zeitpunkt der Regierungserklärung unzurei-

chend informiert gewesen sein könnte.

Diese Spekulationen wurden durch die Beweiserhebung

durchweg entkräftet. Im Gegenteil hat die Untersuchung

ergeben, dass die Bundeskanzlerin bei der Regierungser-

klärung über ein umfassendes Lagebild verfügte.

Richtig ist allerdings, dass es für die Berater der Bundes-

kanzlerin nicht einfach war, in der gebotenen Zeit alle

relevanten Informationen vom BMVg zu erhalten.

Zuständig für die Unterrichtung des Kanzleramtes war

seinerzeit Staatssekretär Dr. Wichert. Am Morgen des

7. September 2009 ging folglich die Bitte des Kanzleram-

tes um detaillierte Unterrichtung auch an den Staatssekre-

tär.
1350

Abends um 17.05 Uhr ging daraufhin die erbetene

Darstellung im Bundeskanzleramt ein. Bei dieser Darstel-

lung handelte es sich um die presseverwertbare Stellung-

nahme, die um Erkenntnisse aus den bislang vorliegenden

Berichten (insb. IAT-Bericht) erweitert worden war, ein-

schließlich der Feststellung „hohe Wahrscheinlichkeit
ziviler Opfer“ aus dem IAT-Bericht.1351

Der IAT-Bericht selbst und der „N.-Bericht“ wurden
jedoch nicht vorgelegt.

Bemerkenswert und bemängelnswert bleibt die Tatsache,

dass die Berichte selbst jedoch erst auf wiederholte Nach-

frage und Intervention des Kanzleramtes und erst unter

Bezug auf persönlichen Wunsch der Kanzlerin am

10. September 2009 an das Kanzleramt weitergeleitet

wurden (siehe oben: C.II.3.b)bb)bbb), S. 127).

Es wurde im Ausschuss deutlich, dass das Kanzleramt

jeweils über die Sachlage informiert war, und eine aktive

Informationspolitik verfolgte.

Ein Vorwurf, die Kanzlerin habe ohne hinreichenden

Informationen eine Regierungserklärung abgegeben, wäre

völlig absurd.

bbb) Lückenlose Aufklärung

Mit Genugtuung stellt der Ausschuss fest, dass die von

der Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung ange-

kündigte „lückenlose Aufklärung“ erfolgt ist.

Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat in ihrer Aussage vor dem

Ausschuss deutlich gemacht, dass mit der von ihr ange-

kündigten „lückenlosen Aufklärung“ in erster Linie die
Untersuchungen der ISAF gemeint waren, da es sich um

einen ISAF-Einsatz handelte und die Ermittlungen der

ISAF bereits zum Zeitpunkt der Regierungserklärung

begonnen hatten.
1350) vgl. E-Mail BK an Büro Wichert vom 7. September 2009

(Dokument 181).
1351) vgl. EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes zum Luftangriff auf

Opposing Militant Forces (OMF) am 4. September 2009 (Fn. 736,

Dokument 117).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 201 – Drucksache 17/7400

Darüber hinaus hat es neben den Ermittlungen der ISAF

durch das JIB noch weitere Untersuchungen und Berichte

gegeben, die sich mit dem Vorfall befasst haben.

Dazu zählen der IAT-Bericht (den Vorbericht des ISAF-

Berichts), der „N.-Bericht“, der „Klein-Bericht“, das
Schreiben afghanischer Offizieller an Präsident Karzai,

der Feldjägerbericht, der Bericht der afghanischen Unter-

suchungskommission sowie der Bericht des Internationa-

len Roten Kreuzes (siehe oben: V.2).

An Zahl und Inhalt der Berichte lässt sich nachvollziehen,

dass die von der Bundeskanzlerin geforderte und zugesag-

te „lückenlose Aufklärung“ erfolgte.

c) Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das
Auswärtige Amt

Auch der damalige Bundesaußenminister Dr. Steinmeier

schloss bereits frühzeitig zivile Opfer nicht aus. Am

6. September 2009 äußerte der Bundesaußenminister sich

öffentlich und forderte eine schnellst möglichste und

genaueste Aufklärung (siehe oben: C.II.2.a)aa), S. 115).

Darüber hinaus hat der Bundesaußenminister am

8. September 2009 sein Unverständnis über Vorverurtei-

lungen zum Ausdruck gebracht (siehe oben: C.II.2.a),

S. C.II.2.a), S. 115) und gefordert, zunächst den Ab-

schluss der Untersuchungen abzuwarten.

Der Bundesaußenminister war der für den Einsatz in

Afghanistan federführende Minister. Weitere Äußerungen

oder Aktivitäten des Bundesaußenministers waren den-

noch nicht feststellbar.

Bereits am Morgen des 4. September 2009 ging im Aus-

wärtigen Amt eine Nachricht ein, dass die NATO in der

Mehrzahl von zivilen Opfern ausgehe.
1352

Ebenfalls am

4. September 2009 berichtete der zivile Leiter des PRT

Kunduz, dass vor Ort von 14 namentlich benannten toten

Zivilisten berichtet werde (siehe oben: C.II.2.c)aa),

S. 117).

Der zivile Leiter des PRT hat als Zeuge vor dem Aus-

schuss angegeben, dass von Seiten des Auswärtigen Am-

tes keinerlei Rückfragen oder Reaktion zu den Berichten

über mögliche ziviler Opfer erfolgten.
1353

Auch hat das

Auswärtige Amt nach Aktenlage keine Anfrage bzgl.

weiterer Informationen an das Bundesministerium der

Verteidigung gestellt, obwohl es, wie der Zeuge

Dr. Steinmeier vor dem Ausschuss darstellte, die Informa-

tionslage in den ersten Tagen nach dem

4. September 2009 unklar, diffus und teilweise wider-

sprüchlich gewesen sei (siehe oben C.II.2.b).

Der Umstand, dass trotz konkreter Anhaltspunkte und

einer unklaren Informationslage vom Auswärtigen Amt

weder Nachfragen an das BMVg, noch an die zivile Lei-

tung des PRT Kunduz gestellt wurden, lässt den Rück-

schluss zu, dass der damals als Kanzlerkandidat im Wahl-
1352) vgl. E-Mail AA vom 4. September 2009 (Fn. 813, Doku-

ment 118), Bl. 7.

1353) vgl. D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 6.

kampf agierende Außenminister trotz seiner Verantwor-

tung als der für den Afghanistan-Einsatz federführende

Minister so wenig wie möglich mit dem Vorfall in Ver-

bindung gebracht werden wollte.

So sind vom damaligen Außenminister keinerlei nen-

nenswerte Beiträge zur Klärung der Sachverhalte oder zur

Beruhigung der Lage bekannt.

4. Unterrichtungen nach dem Koalitions-
wechsel

a) Offene transparente Unterrichtungspraxis

Der Ausschuss stellt fest, dass nach dem Regierungs-

wechsel sowohl die Unterrichtung des Parlamentes als

auch der Öffentlichkeit umfassend und zeitnah erfolgte.

Dazu hat insbesondere der neue Verteidigungsminister,

Freiherr zu Guttenberg, sämtliche ihm bekannt geworde-

nen Berichte, soweit es aufgrund der Einstufung möglich

war, dem Parlament zur Verfügung gestellt und damit für

größtmögliche Transparenz gesorgt.

Die vom Minister verfolgte Strategie größtmöglicher

Transparenz dokumentiert sich auch durch die deutsche

Anfrage bei der NATO nach der Möglichkeit, eine offene

Version des ISAF-Berichts zu erhalten.
1354

Dass er mit dieser transparenten und offenen Unterrich-

tung durch seinen neuen Minister nicht einverstanden

war, hat der damalige Staatssekretär Dr. Wichert als Zeu-

ge im Ausschuss zum Ausdruck gebracht, indem er fest-

stellte, er sei immer gegen ein Übersenden von Akten

gewesen. Er sei der Auffassung, dass es ausreichend sei,

dem Parlament zu berichten (siehe oben C.III.6). Damit

hat der Staatssekretär auch sein vom Minister unter-

schiedliches Amtsverständnis offen dargelegt.

b) Öffentliche Berichterstattung über das
Gespräch am 25. November 2009

Weder das Gespräch am 25. November 2009 selbst noch

die Berichterstattung darüber sind vom Untersuchungs-

auftrag gedeckt.

Entgegen dem Auftrag versuchte die Ausschussminder-

heit die Vernehmung des Ministers nahezu ausschließlich

auf diese beiden nicht relevanten Themen zu fokussieren.

Über Stunden wurden dabei immer wieder die gleichen

Fragen zu diesen beiden Themenkreisen gestellt, wohl in

der irrigen Hoffnung, man könne den Zeugen zu Wider-

sprüche in seinen Aussagen verleiten.
1355

Dies blieb be-

kanntlich völlig ergebnis- und erfolglos.

Es war im Vorhinein absehbar, dass eine Klärung der von

der Ausschussminderheit selbst betriebenen Spekulatio-
1354) vgl. E-Mail Büro Wichert an GI vom 3. November 2009: Anfrage

an die NATO wegen einer offenen Version des COM ISAF-

Berichts (Dokument 182).

1355) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18.
Drucksache 17/7400 – 202 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nen schlicht nicht möglich und offenbar auch gar nicht

gewollt war und diese völlig abseitigen Fragen keine

Ergebnisse erbringen konnten.

V. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 6
des Untersuchungsauftrages

Der Ausschuss hatte auch zu untersuchen, ob es von Sei-

ten der Bundesregierung Bemühungen gab, auf die Erstel-

lung von Gutachten und Berichten im Zusammenhang mit

den Vorkommnissen am 3./4. September 2009 Einfluss zu

nehmen.

Auch dieser abseitige Untersuchungsgegenstand verfolgte

erkennbar das parteitaktische Ziel, eine Vertuschung

durch die Bundesregierung zu unterstellen. Auch dieser

Versuch ist erwartungsgemäß gescheitert.

1. Keine Einflussnahme auf die Erstellung
des COM ISAF-Berichtes

Im Ausschuss wurde von der Minderheit der fruchtlose

Versuch unternommen, der Bundesregierung eine Ein-

flussnahme auf die Erstellung des COM ISAF-Berichtes

zu unterstellen.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass weder eine Ein-

flussnahme noch auch nur der Versuch dazu erfolgte.

Hierzu hat der damalige Verteidigungsminister Dr. Jung

glaubhaft dargelegt, dass es beim Besuch von Admiral

Stavridis (ISAF) am 15. Oktober 2009 nicht um die Ar-

beit des Joint Investigation Board (JIB) bzw. um den

bevorstehenden Bericht der ISAF ging.

Vielmehr habe man sich generell über die Lage in Afgha-

nistan und über den Luftschlag unterhalten. Eine weiter-

gehende Befassung mit dem Bericht habe es dabei nicht

gegeben.
1356

Alle Versuche, mit einer abstrusen Strategie sich immer

wiederholender Fragen Widersprüchlichkeiten provozie-

ren zu wollen, schlugen völlig fehl. Auch die anderen zu

diesem Sachverhalt vernommenen Zeugen, insbesondere

der beim seinerzeitigen Gespräch mit anwesende General-

inspekteur, haben als Zeugen vor dem Ausschuss die

Angaben des Ministers bestätigt.

Auch die Unterstellung, die Bundesregierung habe auf die

Fertigstellung des Berichts Einfluss genommen und diese

bis zum Ministerwechsel am 28. Oktober 2009 hinausge-

zögert, konnte klar widerlegt werden und entbehrt nach

den Ergebnissen der Beweisaufnahme jeglicher Grundla-

ge.

Weiter wurde vergeblich unterstellt, die von Staatssekre-

tär Dr. Wichert eingesetzte sog. Gruppe 85 habe in nicht

zulässiger Weise Einfluss auf die Arbeit des JIB genom-

men. Auch dieser Vorwurf ist durch die Beweisaufnahme

des Untersuchungsausschusses ausgeräumt worden.
1356) vgl. Protokoll-Nr. 16, S. 7, 23, 24.

Als Zeuge gab Dr. Wichert hierzu an, dass er diese Ar-

beitsgruppe zur Unterstützung des JIB eingesetzt hatte,

um sicherzustellen, dass eventuelle Anfragen aus dem

NATO-Bereich zentral und fachkundig beantwortet wür-

den.
1357

Der Zeuge führte zudem aus, dass es durchaus

auch ein Ziel der Gruppe 85 gewesen sei sicherzustellen,

dass die Untersuchungen nicht einseitig zu Lasten der

Bundeswehr oder von Oberst Klein ausfallen. Schon der

damalige Minister Dr. Jung und die Bundeskanzlerin

hatten unmittelbar nach dem Luftschlag darauf gedrun-

gen, eine Vorverurteilung der Bundeswehr auch innerhalb

der NATO zu unterlassen.

Die zum Teil heftigen Vorverurteilungen von Seiten eini-

ger NATO-Partner unmittelbar nach dem Luftschlag

hätten durchaus befürchten lassen, dass eine diesen Be-

wertungen angepasste parteiische Untersuchung nicht von

vornherein hätte ausgeschlossen werden können.

Aufgabe der Arbeitsgruppe sei es jedoch nicht gewesen,

unzulässig Einfluss auf die Arbeit der Untersuchungs-

kommission zu nehmen, sondern vielmehr darauf zu acht-

en, dass die Untersuchungen fair und neutral ablaufen.

Bei diesem Vorgehen handelt es sich nach Auffassung des

Ausschusses um eine durchaus übliche und völlig legiti-

me Vorgehensweise. Von einer gar unzulässigen Ein-

flussnahme kann hier in keiner Hinsicht gesprochen wer-

den.

Auch aus dem Umstand, dass die Gruppe 85 mit dem

deutschen Vertreter in der Untersuchungskommission in

Kontakt stand und sich über den Verlauf der Untersu-

chungen informierte, ist der korrekte Austausch unter den

ISAF-Partnern bei der Aufklärung abzulesen.

Der Zeuge V. hat als der deutsche Vertreter im JIB ein-

deutig angegeben, dass es weder von der Gruppe 85 noch

von anderer Seite den Versuch einer Einflussnahme gege-

ben habe.

Der Zeuge bestätigte den Kontakt zwischen ihm und dem

BMVg und erläuterte, dass es um allgemeine Fragen bzw.

um Mitteilung des Stands der Untersuchungen ging.

Dabei habe es sich um den in solchen Fällen üblichen

Austausch zwischen NATO und BMVg gehandelt, in

denen keinerlei politische Einflussnahme zu erkennen sei

(siehe oben: B.IV.2.c), S. 75).

Auch hinsichtlich weiterer Berichte, Gutachten oder sons-

tiger Unterlagen im Zusammenhang mit den Vorkomm-

nissen am 3./4. September 2009 kann eine Einflussnahme

durch die Bundesregierung aufgrund der Beweisaufnahme

ausgeschlossen werden.

2. Einflussnahme auf die Untersuchung des
Feldjägers durch Generalinspekteur
Schneiderhan

Der Ausschuss stellt fest, dass der damalige Generalin-

spekteur ohne Unterrichtung der Bundesregierung und
1357) vgl. Protokoll-Nr. 14, S. 79.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 203 – Drucksache 17/7400

seines damaligen Ministers die begonnene Untersuchung

der Feldjäger unterbunden hat und zumindest den Ver-

such unternahm, den daraus entstandenen so genannten

„Feldjägerbericht“ so lange wie irgend möglich nicht zu
kommunizieren.

So ergab die Beweisaufnahme, dass sowohl dem neuen

Minister zu Guttenberg der Feldjägerbericht nicht vorge-

legt wurde als auch dessen Vorgänger Dr. Jung erst über

die Existenz des Berichtes informiert wurde, als es für den

GI aufgrund äußerer Zwänge unausweichlich wurde.

Aufgrund der erlangten Erkenntnisse gilt als gesichert,

dass der GI am 7. September 2009 von den laufenden

Untersuchungen des Feldjägers erfahren hatte. Dies ergibt

sich aus dem Schreiben von Generalleutnant Glatz an den

GI
1358

und wurde zudem vom Zeugen Schneiderhan im

Ausschuss bestätigt
1359

.

General Schneiderhan hat die Untersuchung des Feldjä-

gers eigenhändig gestoppt, ohne dies zuvor mit dem Mi-

nister oder dem zuständigen Staatssekretär zu besprechen.

Ebenso wenig wurden beide über die laufenden Ermitt-

lungen bzw. deren Unterbinden in Kenntnis gesetzt.

Die Darstellung des Zeugen Schneiderhan zum Ablauf

erweckte zunächst den Eindruck, dass der Stopp der ein-

geleiteten Ermittlungen eine gemeinsame Entscheidung

GI und Staatssekretär Wichert gewesen sei, die Minister

Jung gebilligt habe.
1360

Nachdem der Zeuge Dr. Wichert in seiner Vernehmung

ausgesagt hatte, von der nationalen Untersuchung keine

Kenntnis gehabt und eine solche auch nicht gestoppt zu

haben
1361

, räumte danach der Zeuge Schneiderhan auf

mehrmaliges Nachfragen schließlich ein, mit Staatssekre-

tär Dr. Wichert doch nicht über die laufenden Ermittlun-

gen gesprochen zu haben.

Auch der ehemalige Minister Dr. Jung gab in seiner Aus-

sage an, erst am 5. Oktober von den Ermittlungen des

Feldjägers erfahren zu haben. Bei der zweiten Einver-

nahme mit dieser Aussage des Ministers konfrontiert,

musste der Zeuge Schneiderhan einräumen, dass er sich

„den Vorwurf wohl gefallen lassen“ muss.1362

Der Zeuge Schneiderhan führte als Grund für sein unab-

gestimmtes Vorgehen an, Minister, Staatssekretär und er

als Generalinspekteur hätten sich vor dem Zeitpunkt, zu

dem er als Generalinspekteur Kenntnis von der Feldjäger-

ermittlungen erlangt hatte, darauf verständigt, keine na-

tionalen Untersuchungen durchzuführen, sondern zu-

nächst die NATO-Ermittlungen abzuwarten.

Nach eigenen Angaben hatte der Generalinspekteur be-

reits am 7. September 2009 von den Untersuchungen

erfahren und diese umgehend unterbunden.
1358) Schreiben Befehlshaber Einsatzführungskomando an Generalin-

spekteur vom 25. November 2009 (Fn. 493, Dokument 75).

1359) vgl. Protokoll-Nr. 14, S. 37.
1360) vgl. Protokoll-Nr. 14, S. 30.

1361) vgl. Protokoll-Nr. 14, S. 100.

1362) vgl. Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 18.

Der Leiter des Planungsstabes sagte dagegen vor dem

Ausschuss aus, erst am 11. September 2009 sei über mög-

liche nationale Untersuchungen gesprochen worden.
1363

Diese Aussage wird auch durch einen Vermerk des

Staatssekretärs vom 10. September 2009 an den Minister

gestützt, in dem er angibt, eine nationale Untersuchung

für falsch zu halten.
1364

Wäre, wie der Zeuge Schneiderhan ausführte, die Ent-

scheidung, keine nationale Untersuchung durchzuführen,

bereits vor dem 7. September 2009 gefallen, wäre ein

solcher Vermerk überflüssig gewesen. Es spricht daher

viel dafür, dass die angesprochene Absprache zwischen

Minister, Generalinspekteur und Staatssekretär erst er-

folgte, nachdem der GI die nationale Untersuchung schon

unterbunden hatte. Dies wird durch die Aussagen des

damaligen Ministers und auch des seinerzeitigen Staats-

sekretärs vor dem Ausschuss gestützt.

Der Zeuge Schneiderhan gab weiter an, er habe den Be-

richt angehalten, um diesen an die NATO weiterzugeben.

Diese Angaben erscheinen fraglich, da der Bericht mehr

als zwei Wochen zurückgehalten wurde. Erst auf Anfor-

derung der NATO wurde der Bericht am

30. September 2009 an die NATO weitergeleitet.

Dass weder der Minister noch die NATO ohne diese An-

forderung eventuell überhaupt nicht von diesem Bericht

erfahren hätten, ergibt die Aussage von Generalleutnant

Glatz, der angab, der GI hätte zur Anfrage der NATO

geantwortet, dass man sich dem wohl nicht entziehen

könne.
1365

Zudem gab auch der Leiter des Einsatzfüh-

rungsstabes an, dass der Bericht ohne Anforderung nie an

die NATO weitergeleitet worden wäre.
1366

Unstreitig ist, dass Minister Dr. Jung erstmals am

5. Oktober 2009, also fast vier Wochen nach dessen Stopp

durch den Generalinspekteur, über die Existenz des Feld-

jägerberichts unterrichtet wurde. Dem Minister wurde der

Bericht selbst jedoch nie vom Generalinspekteur vorge-

legt, sondern lediglich aus dem Bericht vorgetragen sowie

dem Minister vorgeschlagen, den Bericht an die NATO

weiterzuleiten.

Fest steht auch, dass der Generalinspekteur in dieser Un-

terredung mit dem Minister weder angesprochen hat, dass

der Bericht bereits seit ca. vier Wochen im BMVg vorlag

noch, dass die NATO den Bericht bereits Tage zuvor

angefordert hatte.
1367

Zudem ergibt sich aus den Angaben

des damaligen Ministers, dass der GI ihm gegenüber

ausführte, erst auf seiner Reise nach Kunduz vom 13. bis

15. September 2009 von der Untersuchung der Feldjäger

erfahren und diese vor Ort unterbunden zu haben.
1368

Es bleibt festzuhalten, dass der Generalinspekteur schon

gegenüber Minister Dr. Jung zumindest sehr kritikwürdig
1363) vgl. Protokoll-Nr. 27, S. 26/27.

1364) Vermerk Wichert auf Ministerweisung (Fn. 704, Dokument 111).

1365) vgl. Protokoll-Nr. 12, S. 72.
1366) vgl. Protokoll-Nr. 22, S. 7.

1367) vgl. Protokoll-Nr. 16, S. 27.

1368) vgl. Protokoll-Nr. 16, S. 26.

Drucksache 17/7400 – 204 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
mit dem Feldjägerbericht umging, was sich beim nächsten

Minister weiter und ebenso kritikwürdig fortsetzte.

3. Keine unzulässige Einflussnahme auf den
Daily Intelligence Summary des PRT Kun-
duz vom 4. September 2009 (INTSUM)

Die überzeugend begründete nachträgliche Veränderung

des INTSUM vom 4. September 2009 wurde ebenfalls zu

Spekulationen missbraucht, es sei auf diesen Bericht

Einfluss genommen worden, um die Umstände des Luft-

schlages zu verschleiern. Solche Spekulationen widerle-

gen die Erkenntnisse aus der Beweisaufnahme nachhaltig.

Zweifelsfrei steht fest, dass am 4. September 2009 beim

deutschen Kommandeur des RC North ein INTSUM

einging, das unter anderem Ausführungen zu möglichen

zivile Opfern enthielt, jedoch nicht vom Kommandeur des

PRT Kunduz gebilligt worden war.

Der Kommandeur des RC North, Brigadegeneral Vollmer,

veranlasste daraufhin nach Rücksprache mit dem Befehl-

shaber des Einsatzführungskommandos, dass dieser Be-

richt zunächst aus dem internen Netz genommen wurde,

um ihn zunächst durch das PRT Kunduz zu überprüfen

und billigen zu lassen (siehe oben: C.II.1.a)aa)iii), S. 91),

damit in einer so bedeutsamen Frage wie dem Luftschlag

keine ungeprüfte Meldung und damit potentielle Falsch-

meldung in den Kommunikationsstrang eingestellt würde.

Der Brigadegeneral Vollmer hat gegenüber dem Aus-

schuss sowohl Ablauf wie Gründe für dieses Vorgehen

glaubhaft dargelegt (siehe oben: C.II.1.a)aa)iii), S. 91). Er

hat ausgeführt, Anordnung zur Herausnahme des

INTSUM aus dem Netz deshalb gegeben zu haben, da der

INTSUM nicht vom verantwortlichen Kommandeur ge-

billigt war und nicht dessen Lageschilderung entsprach.

Auch hat er glaubhaft versichert, keinen Einfluss auf den

Inhalt des Berichts genommen zu haben.

Dies wird auch durch die Aussagen des Zeugen Glatz

bestätigt, der angab, der Bericht habe auf noch unbestätig-

ten Angaben basiert und habe daher noch einmal über-

prüft werden müssen (siehe oben: C.II.1.a)aa)iii), S. 91).

Auch durch die Angaben des Zeugen K. wird dies ge-

stützt. Der Zeuge K. führte aus, dass er nicht zur Strei-

chung eines bestimmtes Satzes aufgefordert wurde, son-

dern ausschließlich angewiesen wurde, die Aussage be-

züglich möglicher ziviler Opfer nochmals zu prüfen (sie-

he oben: C.II.1.a)aa)iii), S. 91).

Der Vortrag der Zeugen Vollmer und Glatz ist auch da-

durch nachvollziehbar, dass unzweifelhaft feststeht, dass

das INTSUM nicht von Oberst Klein gebilligt wurde, die

enthaltenen Informationen nicht dem bis dahin geschilder-

ten Lagebild entsprachen und es sich darüber hinaus bei

den Meldungen um noch nicht überprüfte Informationen

handelte.

Daher ist festzustellen, dass es fachlich und sachlich rich-

tig und geboten war, das INTSUM zunächst aus dem Netz

zu nehmen, um es zunächst überprüfen zu lassen. Weder

unzulässige Einflussnahme oder gar Vertuschung kann

unterstellt werden.

VI. Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 7
des Untersuchungsauftrages

Ausführliche Vernehmungen und Auswertung von weite-

ren Unterlagen zu den Umständen des Luftschlages vom

4. September 2009 ergaben, dass Oberst Klein bei der

Entscheidung der Bombardierung der Tanklaster ver-

schiedene Verfahrensfehler unterlaufen sind sowie teil-

weise Einsatzrichtlinien des COM ISAF verletzt wurden,

weshalb der Luftschlag aus heutiger Sicht betrachtet als

nicht angemessen bezeichnet werden muss und nicht hätte

durchgeführt werden dürfen.

Ebenso allerdings steht für den Ausschuss eindeutig fest,

dass Oberst Klein auf Grundlage der ihm damals zu Ver-

fügung stehenden Informationen nach bestem Wissen und

Gewissen sowie zum Schutze seiner Soldaten gehandelt

hat und die Entscheidung daher nachvollziehbar ist.

1. Verfahrensfehler durch Oberst Klein

a) Erklären eines TIC (Troops in Contact)

Einer der Kritikpunkte war der Umstand, dass durch

Oberst Klein eine TIC-Situation erklärt wurde, obwohl

sich keine eigenen Kräfte in der Nähe der Sandbank be-

funden haben.

Als der B1-Bomber wegen Treibstoffmangels den Luft-

raum über der Sandbank verlassen hatte, forderte der

JTAC beim Hauptquartier der ISAF in Kabul erneute

Luftnahunterstützung an. Von dort wurde ihm mitgeteilt,

dass Luftunterstützung nur gewährt werden könne, wenn

„Troops-in-contact“ („TIC“, „Truppen in Feindberüh-
rung“) erklärt werde (siehe oben: B.III.6.b), S. 60).

Oberst Klein entschied sich nach längerer Überlegung

aufgrund einer „unmittelbar bevorstehenden Gefahr“
(„imminent threat“), das Vorliegen einer TIC-Situation zu
erklären.

Nach seinen glaubwürdigen Angaben vor dem Ausschuss

sah er eine unmittelbare Bedrohung in der Anwesenheit

einer großen Gruppe bewaffneter Taliban und der mit

Treibstoff beladenen Tanklaster nur wenige Kilometer

vom PRT Kunduz entfernt. Auch konnte er nicht abschät-

zen, ob und wann es den Taliban gelingen würde, die

festgefahrenen Tanklaster wieder zu befreien.
1369

Oberst Klein führte dazu aus, seiner Ansicht nach könne

eine TIC-Situation auch dann erklärt werden, wenn eine

„unmittelbar bevorstehende Gefahr“ gegeben sei (siehe
oben: B.III.6.b)aa), S. 61).

Es ist festzuhalten, dass Oberst Klein in der damaligen

Situation unter Handlungsdruck stand und eine Entschei-
1369) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 23.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 205 – Drucksache 17/7400

dung treffen musste, da er unter anderen Umständen auch

bei weiterer Zuspitzung keine Luftnahunterstützung be-

kommen hätte und zeitgleich nicht genügend Einheiten

der Bundeswehr zur möglichen Verteidigung des PRT

Kunduz zur Verfügung standen, da sie zeitgleich außer-

halb des Stützpunktes in Gefechten gebunden waren.

Oberst Klein gelangte aus seiner Sicht folgerichtig zu der

Einschätzung, einen TIC aufgrund der für ihn bestehen-

den Bedrohungslage erklären zu dürfen.

Die ISAF-Vorschriftenlage war in dieser Hinsicht nicht

eindeutig, was sich auch daraus erkennen lässt, dass die

Definition des TIC in den ISAF SPINs bereits fünf Tage

nach dem Luftschlag geändert wurden.
1370

Es ist nachvollziehbar, dass Oberst Klein aufgrund des

ihm vorliegenden Lagebildes zur Beurteilung des Vorlie-

gens einer akuten Bedrohungssituation gelangte, die ihn

zur Erklärung einer TIC-Situation veranlasste.

b) Ablehnung von „show of force“

Ein weiterer Kritikpunkt war der Umstand, dass der

Kommandeur des PRT Kunduz den von den Piloten der

F-15 Luftfahrzeuge mehrmals angebotenen „show of
force“, einen bodennahen Überflug als Machtdemonstra-
tion zur möglichen Vertreibung vor Ort befindlichen

Personengruppe ablehnte.

Der Zeuge Klein begründete seine Ablehnung damit, dass

die bereits seit Stunden über der Sandbank kreisenden

Flugzeuge dort deutlich hörbar gewesen seien, sich die

dort befindlichen Personen der Gefahr daher bewusst

gewesen sein müssten und diese trotzdem nicht die Sand-

bank verlassen hätten. Er ging daher davon aus, dass eine

„show of force“ keine Wirkung haben würde (siehe oben:
B.III.7.c)bb), S. 67).

Auch der Zeuge A. M., der sich als einziger Zeuge auf der

Sandbank aufhielt, sagte aus, dass die Flugzeuge auf der

Sandbank zu hören gewesen seien. Trotzdem fanden sich

im Laufe des Abends immer mehr Personen auf der

Sandbank ein. Dies belegte, dass sich diese Personen

offensichtlich nicht von der Präsenz der Flugzeuge ab-

schrecken ließen.

Auch in der Vergangenheit hatte sich mehrfach gezeigt,

dass sich die Aufständischen durch einen tiefen Überflug

nicht vertreiben ließen.
1371

Darüber hinaus ist die Entscheidung auch aufgrund der

Zielrichtung des Luftschlages aus seiner Sicht folgerich-

tig. Für den Kommandeur des PRT Kunduz waren nicht

nur die Tanklastzüge selbst, sondern auch die um die

Tanklaster befindlichen Taliban als unmittelbare Bedro-

hung ebenfalls Ziel des Luftschlages.
1372

Auch aus diesem
1370) EinsFüStab, Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luft-

angriff (Fn. 1115), Bl. 8 f.
1371) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 27.

1372) vgl. „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), S. 1.

Grund erschien ein „show of force“ aus Sicht von Oberst
Klein nicht als geeignetes Mittel.

c) Battle Damage Assessment (BDA)

Kritisiert wurde, dass Oberst Klein erst am Morgen nach

dem Bombenabwurf ein Battle Damage Assessment

(BDA) durchführte.

In der Nacht wurde unmittelbar nach dem Luftschlag eine

Wirkungsanalyse durchgeführt. Bei dieser Wirkungsana-

lyse handelt es sich um ein im Einsatz übliches Mittel, das

auf Erfahrungswerten beruht und nur eine erste grobe

Schätzung darstellen soll.

Im vorliegenden Fall wurde mit Hilfe der Wirkungsanaly-

se die Anzahl der durch die Wirkung der Bomben getöte-

ten Personen mathematisch berechnet und davon ausge-

gangen, dass 80 % der um die Tanklastzüge sich aufhal-

tenden Personen durch den Bombenabwurf getötet wur-

den (siehe oben: B.III.7.e), S. 67).

Auf Basis von vermuteten insgesamt 70 Taliban auf der

Sandbank entstand so die Zahl von 56 getöteten und 14

geflüchteten Taliban.

Die Entscheidung von Oberst Klein, nicht unmittelbar

nach dem Luftschlag eine Boden-Wirkungsanalyse

durchzuführen, ist vollkommen nachvollziehbar, da das

Entsenden von Bodeneinheiten zur Nachtzeit eine erheb-

liche Gefahr für die Soldaten bedeutet hätte.

Zudem muss eine Boden-Wirkungsanalyse nach den

Einsatzregeln der ISAF dann nicht zwingend durchgeführt

werden, wenn nicht mit zivilen Opfern zu rechnen ist
1373

,

wovon nach dem Lagebild zunächst auszugehen war.

Oberst Klein ging folglich davon aus, dass eine Boden-

Wirkungsanalyse noch während der Nacht, wegen der zu

starken Gefährdung seiner Soldaten zunächst unterbleiben

konnte.

Die BDA wurde entsprechend unmittelbar am Morgen

nach dem Luftschlag durchgeführt.

2. Vermeiden ziviler Opfer

Oberst Klein hat vor dem Ausschuss glaubwürdig darge-

legt, dass aufgrund der vorliegenden Informationen des

Informanten, der Luftbilder und insbesondere aufgrund

der Lage der Sandbank außerhalb jeder Ortschaft er es für

ausgeschlossen hielt, dass sich andere Personen als Tali-

ban vor Ort aufhielten.

Auch der Umstand, dass es die Zeit des islamischen Ra-

madan war und die Zivilbevölkerung während des Fas-

tenmonats erfahrungsgemäß die Häuser nachts nicht ver-

ließ, führte nach seiner Ansicht dazu, die Anwesenheit

von Zivilisten vor Ort aus-zuschließen.
1373) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 27.
Drucksache 17/7400 – 206 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Keine genaue Feststellung über die Perso-

nen vor Ort möglich

Welche Personen, insbesondere wie viele Taliban und wie

viele Zivilisten sich zum Zeitpunkt des Luftschlages auf

der Sandbank befunden haben, lässt sich nicht abschlie-

ßend klären. Hierüber gibt es unterschiedliche Angaben.

Auch die Anzahl der verletzten und getöteten Personen

lässt sich exakt nicht feststellen. Gleiches gilt für die

Frage, bei wie vielen der Opfer es sich um Aufständische

bzw. Zivilisten handelt.

aa) Mögliche Anzahl der Personen auf der
Sandbank

Laut den Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft,

insbesondere nach Auswertung der von den F-15 Flug-

zeugen aufgenommenen Luftbilder, befanden sich zum

Zeitpunkt des Luftschlages etwa 30 bis 50 Personen auf

der Sandbank. Nicht völlig auszuschließen bleibt, dass

sich weitere Personen unter den Tanklastzügen oder in

den Schleppfahrzeugen aufgehalten haben, die auf den

Luftbildern nicht zu sehen waren.
1374

Demgegenüber gab der Informant eine Zahl von ca. 70

Personen auf der Sandbank an (siehe oben: B.III.4.a)bb),

S. 54). Dies stimmt mit dem übermittelten Videomaterial

der Überflüge ungefähr überein.

Der Zeuge M. wollte gar 200 Personen auf der Sandbank

erkannt haben (siehe oben: B.II.3, S. 44). Diese Zahl kann

nach den vorliegenden Erkenntnissen, insbesondere der

Luftbilder, jedoch nicht den Tatsachen entsprechen.

Nach Ansicht des Ausschusses ist die exakte Zahl der

zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs auf der Sandbank

befindlichen Personen nicht festzustellen. Auf Grundlage

des Videomaterials sowie der weiteren vorliegenden Be-

weismittel ist es jedoch wahrscheinlich, dass nicht we-

sentlich mehr als 100 Personen vor Ort waren.

bb) Mögliche Anzahl der Geschädigten

Hinsichtlich der möglichen Anzahl der durch den Luft-

schlag Geschädigten liegen eine erhebliche Anzahl an

Untersuchungsberichten und Aufstellungen vor, die alle-

samt zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen.

Festzustellen ist, dass all diese Berichte ausschließlich auf

Befragungen von Dorfbewohnern aus der Umgebung

basieren. Objektive Kriterien liegen jedoch nicht vor.

Der Bericht der afghanischen Regierungskommission

geht von insgesamt 99 getöteten Personen aus. Hiervon

seien 69 Taliban und 30 Zivilisten. Zudem sollen 20 Per-

sonen verletzt worden sein. Diese Zahlen sind ausschließ-

lich durch Befragungen der Dorfbewohner sowie der

Angehörigen und Verletzten erhoben worden. Auch die

Unterscheidung zwischen Taliban und Zivilisten ergibt
1374) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 37.

sich lediglich aus den Angaben der befragten Personen

(siehe oben: B.V.3, S. 85). Objektive Erkenntnisquellen

gibt es nicht, weshalb die Belastbarkeit der Ergebnisse

nicht beurteilt werden kann.

Der Bericht des Joint Investigation Board enthält eine von

afghanischen Sicherheitskräften erstellte Tabelle vom 1.

Oktober 2009 mit Angaben zu möglichen zivilen Opfern.

Danach sollen 72 Taliban und 30 Zivilisten getötet wor-

den sein. Die Zahl der Verletzten wird mit 20 angegeben.

Wie diese Zahlen ermittelt wurden, ist aus der Tabelle

nicht zu entnehmen.
1375

Die Liste der UN-Mission UNAMA kommt zu einer Zahl

von 109 getöteten und 33 verletzten Personen. In dieser

Liste wird jedoch nicht zwischen Taliban und Zivilisten

unterschieden. Wie diese Liste erstellt worden ist, ist

zudem fraglich (siehe oben: B.IV.5.b), S. 83).

Die Zeugin Dr. Erfan hat von 113 Toten gesprochen.

Auch diese Zahl ist durch Befragungen der Dorfbewohner

entstanden. Die Zeugin gab jedoch an, erst Anfang No-

vember, also fast zwei Monate nach dem Vorfall, vor Ort

gewesen zu sein. Darüber hinaus wurden bei der Befra-

gung auch keine Nachforschungen dazu angestellt, ob es

sich bei den getöteten Personen um Taliban handele (sie-

he oben: B.V.7.b), S. 86).

Nach Auffassung der Mehrheit kann der von der Zeugin

Erfan ermittelten Zahl daher nur wenig Gewicht beige-

messen werden.

Auch die Angaben der Zeugin Erfan vor dem Untersu-

chungsausschuss haben ergeben, dass die Untersuchungen

der Zeugin Erfan wenig Aufschluss über die Folgen des

Luftschlages geben können, da keine Ermittlungen im

eigentlichen Sinn durchgeführt wurden, sondern die An-

gaben der befragten Personen kritiklos hingenommen

wurden.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass sämtliche Listen

erhebliche Unsicherheiten enthalten. Sowohl die Zahl der

Getöteten und Verletzten ist mit äußerster Skepsis zu

betrachten als auch die Frage, ob es sich hierbei um Tali-

ban oder Zivilisten handelt.

Hier kann aus der Erfahrung heraus nicht unbeachtet

bleiben, dass sich Verletzte kaum dazu bekennen, zu den

Taliban zu gehören. Das Gleiche gilt für die Angehörigen

der Toten. Auch diese werden kaum einräumen, dass ihre

toten Familienmitglieder den Taliban angehören.

Nach der Beweiserhebung steht fest, dass bei dem Luft-

schlag sowohl Taliban als auch Zivilisten getötet und

verletzt wurden. Es ist dabei davon auszugehen, dass die

Anzahl der getöteten Taliban weitaus höher ist als die der

Zivilisten.

Der Generalbundesanwalt stellt in seiner Einstellungsver-

fügung fest, dass die im ISAF-Untersuchungsbericht

erwähnte Zahl von bis zu 142 Geschädigten auf Grundla-

ge einer Untersuchung der vorliegenden Videoaufzeich-
1375) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 38.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 207 – Drucksache 17/7400

nungen als ausgesprochen zweifelhaft zu betrachten ist.

Weiter führt er aus, dass sich nur etwa 50 Namen durch-

gängig auf allen Opferlisten wiederfinden. Diese Zahl von

50 Geschädigten würde sich auch mit den Videobildern

und den weiteren Beweismitteln decken, so dass nach

Ansicht des Generalbundesanwalts mit einer gewissen

Wahrscheinlichkeit von ungefähr 50 Verletzten und Toten

auszugehen sei.
1376

Dem Ausschuss erscheint diese Bewertung realistisch,

wobei jedoch festzuhalten ist, dass eine genaue Aufklä-

rung wohl unmöglich bleibt.

b) Lagebild von Oberst Klein – ausschließlich
Taliban vor Ort

Oberst Klein hat in seiner Vernehmung nicht nur angege-

ben, er sei der festen Überzeugung gewesen, dass sich vor

Ort keine Zivilbevölkerung, sondern ausschließlich Tali-

ban aufhielten.

Zudem hat er sehr glaubhaft ausgeführt, dass er den Be-

fehl zum Luftschlag nicht erteilt hätte, wenn er zivile

Personen vor Ort möglich gehalten hätte.
1377

Teile der Ausschussminderheit haben leider dennoch

versucht, Oberst Klein persönlich in Misskredit zu brin-

gen und unterstellt, er habe den Befehl zum Luftschlag

leichtfertig gegeben.

Diese Unterstellungen konnten durch die durchgeführte

Beweisaufnahme jedoch zur Gänze und in vollem Um-

fang widerlegt werden.

Der Vorwurf, Oberst Klein habe zivile Opfer leichtfertig

in Kauf genommen, stellt sich gegenüber diesem verant-

wortungsvollen Offizier als nachgerade ehrverletzend dar.

Der Kommandeur des PRT Kunduz musste nach dem ihm

damals vorliegenden Lagebild davon ausgehen, dass die

Anwesenheit von Zivilisten vor Ort ausgeschlossen wer-

den konnte.

So fand der Abwurf der Bomben mitten in der Nacht, um

1.49 Uhr und während des Fastenmonats Ramadan, au-

ßerhalb geschlossener Ortschaften, einen Kilometer ent-

fernt von der nächstgelegenen Ortschaft statt. Oberst

Klein konnte aufgrund seiner Erfahrung davon ausgehen,

dass sich die Zivilbevölkerung zu Hause aufhielt, was

auch vom Zeugen M. M. als Habitus der afghanischen

Zivilbevölkerung bestätigt wurde (siehe oben: B.III.4.b),

S. 135).

Die Angaben von Oberst Klein werden auch noch von

weiteren objektiven Tatbeständen gestützt.

Die vorangegangenen Warnmeldungen legten den Schluss

nahe, dass sich vor Ort Taliban aufhielten.

Es lagen konkrete Warnungen über einen geplanten An-

schlag auf das PRT Kunduz im Umfeld der Wahlen in
1376) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 40.

1377) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.

Afghanistan vor (vgl. oben: B.I.6, S. 42). Es ist nachvoll-

ziehbar und zählt zur Risikoanalyse, dass die Entführung

der Tanklastwagen mit den vorangegangenen Warnmel-

dungen in Verbindung gebracht wurde.

Des Weiteren spricht auch umsichtige Handlungsweise

von Oberst Klein für ein sorgfältiges und abwägendes

Umgehen mit der Entscheidung.

Er hatte noch unmittelbar vor der Suche nach den entführ-

ten Tanklastern, namentlich im Zusammenhang mit dem

in einem Gefecht beschädigten Zweitonner der Bundes-

wehr (siehe oben: B.III.2.a), S. 48), einen Bombenabwurf

abgelehnt, weil er in diesem Fall Kollateralschäden, in-

sbesondere zivile Opfer, nicht ausschließen konnte (siehe

oben: B.III.2.a), S. 48).

Zudem wurde die Einschätzung von Oberst Klein durch

die Angaben des als zuverlässig eingestuften Informanten

bestätigt (siehe hierzu unter Punkt d), S. 208).

Oberst Klein ließ beim Informanten im Laufe des Abends

mehrfach nachfragen, ob Zivilisten vor Ort seien, worauf

der Informant immer angab, dass sich nur Taliban auf der

Sandbank befänden (siehe oben: B.III.4.c)bb)ccc), S. 56).

Es gab für Oberst Klein keinen Anlass, an den Angaben

des als zuverlässig angesehenen Informanten zu zweifeln

(vgl. hierzu unter Punkt d),S. 208).

Auch hinsichtlich der Tanklastzugfahrer ging Oberst

Klein aufgrund seines damaligen Lagebildes nachvoll-

ziehbar davon aus, dass sich diese nicht vor Ort befänden.

Oberst Klein ging aufgrund der Erfahrung und auch auf-

grund einer erst wenige Tage zuvor stattgefundenen Ent-

führung davon aus, dass die Fahrer sehr schnell von den

Fahrzeugen getrennt oder, wie in anderen Fällen, auf der

Stelle getötet wurden.
1378

Diese Überzeugung Oberst Kleins hat sich nach Erkenn-

tnissen der Ausschussmehrheit bestätigt.

Nach der Beweiserhebung steht fest, dass bereits während

der Entführung der Tanklastzüge einer der beiden Fahrer

durch die Taliban getötet wurde, nachdem dieser die

Tanklaster nicht den Taliban überlassen wollte.

Zwar hat der Zeuge M. dies zunächst bestritten (vgl.

B.V.7.d), S. 87) und angegeben, der zweite Fahrer sei

durch den Luftschlag ums Leben gekommen. Die Aussa-

ge des Zeugen M. ist diesbezüglich jedoch wenig glaub-

haft. Zum einen änderte der Zeuge M. auf Nachfrage

seine Aussage und gab dann an, lediglich zu glauben, dass

der zweite Fahrer nicht von den Taliban ermordet worden

sei (siehe oben: B.V.7.d), S. 87).

Darüber hinaus haben die Feststellungen der militärischen

Untersuchungen ergeben, dass der Fahrer noch an Ort und

Stelle ermordet worden ist. Diese Angaben hat auch der

Bruder des getöteten Fahrers, der Augenzeuge war und

flüchten konnte, so bestätigt.
1378) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
Drucksache 17/7400 – 208 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der zweite Fahrer A. M. hielt sich, wie von Oberst Klein

vermutet, nicht in der unmittelbaren Nähe der Tanklaster

auf und überlebte aus diesem Grund auch den Luftschlag.

Ob vor dem Hintergrund, was sich aus den Feststellungen

in B.III.4.c)aa) (S. 54) nicht exakt klären lässt, die Frage

nach den Tanklasterfahrern thematisiert wurde oder nicht,

kann dahin stehen, da sich hieraus keine veränderte

Sichtweise ergeben kann.

Ungeachtet dessen, ob über den Verbleib der Tanklaster-

fahrer gesprochen wurde oder nicht, konnte Oberst Klein

aus den genannten Gründen zu der Überzeugung kom-

men, dass sich diese nicht mehr vor Ort aufhalten.

c) Problem der Unterscheidbarkeit zwischen
Aufständischen und Zivilisten

Im Ausschuss wurde auch die Problematik der Unter-

scheidbarkeit zwischen Zivilisten und Aufständischen

thematisiert

Sowohl Oberst Klein als auch der Zeuge W. haben auf die

bekannten Schwierigkeiten bei der Unterscheidung hin-

gewiesen (siehe oben: B.III.4.c)bb)aaa), S. 55). Selbst die

Opposition hat dies im Laufe der Untersuchung nicht

bestritten.

Problematisch ist, dass grundsätzlich auch die Taliban in

ziviler Kleidung auftreten und weder Uniform oder ande-

re Erkennungszeichen tragen.

Als mögliches Kriterium für die Unterscheidung wurde

daher das Tragen von Waffen benannt (siehe oben:

B.III.4.c)bb)bbb), S. 55).

Die B1-B wurden aufgefordert, eine Überprüfung auf

Waffen durchzuführen. Anhand der Videobilder kam man

zu der Erkenntnis, dass von einer Vielzahl der anwesen-

den Personen Handwaffen und Panzerfäuste mitgeführt

wurden (siehe oben: B.III.4.c)bb)bbb)(1), S. 56).

Der als zuverlässig eingestufte Informant bestätigte diese

Angaben und gab an, dass alle Personen vor Ort bewaff-

net seien (siehe oben B.III.4.c)bb)bbb), S. 55).

Aufgrund des übereinstimmenden Lagebildes zwischen

B1-B und den Angaben des Informanten gab es keinerlei

Anlass für Oberst Klein, an dem Lagebild zu zweifeln.

d) Bestehende Zuverlässigkeit des Informan-
ten

Wie bereits oben ausgeführt, hatte Oberst Klein zum da-

maligen Zeitpunkt keinen Grund, an den Angaben des

Informanten zu zweifeln, insbesondere da sich dessen

Angaben mit den Erkenntnissen aus den Videobildern

deckten.

aa) Grundsätzliche Zuverlässigkeit des Infor-
manten

Aufgrund der Feststellungen in B.III.3 (S. 49) ergibt sich,

dass der Kontakt als zuverlässig eingestuft wurde und

dass der Informant sowohl vor als auch nach dem Vorfall

zuverlässige Informationen übermittelte.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Oberst Klein

durch Hauptmann N. darauf hingewiesen wurde, dass man

auch Informationen einer als zuverlässig eingestuften

Kontaktperson nur bis zu einem bestimmten Grad trauen

kann und die Informationen nicht als absolut anzunehmen

sind.

Dies trifft sicher auf jeden Informanten zu, da man nie-

mals zu hundert Prozent den Angaben einer anderen Per-

son trauen kann. Oberst Klein hat dazu zutreffend ausge-

führt, dass dies auch im normalen Leben so gelte (siehe

oben: B.III.3.a), S. 49).

Zum einen fehlt hier jedoch jedweder Anhaltspunkt, an

den Angaben des Informanten zu zweifeln, zum anderen

korrelierten dessen Angaben mit den Erkenntnissen aus

den Videobildern, so dass Oberst Klein davon ausgehen

konnte, dass die Angaben des Informanten den Tatsachen

entsprechen.

bb) Keine Beeinträchtigung der Zuverlässig-
keit durch Art der Kommunikation

Auch aus der Art der Kommunikation lässt sich kein

Anhaltspunkt für eine Beeinträchtigung der Zuverlässig-

keit erkennen.

Der Umstand, dass die Informationen des Kontaktes erst

über mehrere Stationen zu Oberst Klein gelangten, gibt

keinen Anlass dafür, an der Zuverlässigkeit zu zweifeln.

Bei dem Weg der Informationen über Sprachmittler zu

HUMINT-Operatoren über Hauptmann N. zu Oberst

Klein handelt es sich um die für die Arbeit mit Informan-

ten übliche Vorgehensweise. Auf diese Art und Weise

wird in allen Fällen gearbeitet, in denen Kontakte invol-

viert sind.

Daher ist davon auszugehen, dass sich hieraus keine Be-

einträchtigung der Zuverlässigkeit ergeben kann, da die

Beteiligten, insbesondere die Sprachmittler und die

HUMINT-Kollektoren, für diese Art der Verständigung

ausgebildet sind.

Auch der Umstand, dass Hauptmann N. der Kontakt nicht

persönlich bekannt war, sondern nur den beiden

HUMINT-Operatoren (siehe oben: B.III.3.a), S. 49),

ändert nichts an der Zuverlässigkeit der Informationen.

Auch hierbei handelt es sich um eine allgemein vorgese-

hene Handlungsweise im Umgang mit Informanten und

nicht um eine Besonderheit im vorliegenden Fall.

Des Weiteren steht aufgrund der Feststellungen in 0 und

d) (S. 50 und 51) fest, dass es weder mit dem Sprachmitt-

ler noch mit dem Kontakt Verständigungsschwierigkeiten

gegeben hat.

Aus diesen Gründen gab es keinen Anlass, die Informa-

tionen der Kontaktperson in Frage zu stellen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209 – Drucksache 17/7400

cc) Zuverlässigkeit durch Standort des Infor-
manten

Der Einfluss des Umstandes, dass der Informant keinen

permanenten Sichtkontakt zur Sandbank hatte, war Anlass

zu Spekulationen über die Zuverlässigkeit der Angaben.

Hier gilt nach der Beweisaufnahme als erwiesen, dass

dies nicht zu einer unvertretbaren Beeinträchtigung der

Zuverlässigkeit führte.

Es war nicht zweifelsfrei festzustellen, ob der Kontakt

eventuell zumindest teilweise Sichtkontakt zur Sandbank

hatte. Hier sind die Angaben teilweise widersprüchlich

(siehe oben: B.III.3.d), S. 51).

Geht man davon aus, dass der Kontakt, wie vom Zeugen

M. M. angegeben, zumindest teilweise Sichtkontakt zur

Sandbank hatte, kann von einer Beeinträchtigung auf-

grund mangelnden Sichtkontakts nicht gesprochen wer-

den.

Selbst wenn man, wie von den Zeugen N. und S. angege-

ben, annimmt, dass der Informant keinen direkten Sicht-

kontakt hatte, ändert dies nichts an der Zuverlässigkeits-

beurteilung des Kontaktes.

Die Zeugen F. und S. haben angegeben, dass der Kontakt

seine Informationen von einem oder mehreren Personen

vor Ort erhalten habe (siehe oben B.III.3.d), S. 51).

Dies stellt eine übliche Informationsbeschaffung eines

Kontaktes dar. Es kommt nicht darauf an, wie und wo ein

Kontakt seine Informationen erhält, sondern nur darauf,

dass diese Informationen zuverlässig sind. Es ist aus-

drücklich besser, wenn Informanten über ein weit verbrei-

tetes Netz verfügen, über das sie an zuverlässige Informa-

tionen gelangen können.

Da im vorliegenden Fall die Angaben des Informanten

mit Videobildern korrelierten und auch der Umstand, dass

es Nacht war und Ramadan, die Angaben des Kontaktes

stützten, gab es keinen Grund, trotz des mangelnden

Sichtkontaktes an der Zuverlässigkeit der Informationen

zu zweifeln.

3. Aufständische als legitimes Ziel

Auch der Umstand, dass Oberst Klein nicht nur die Tank-

laster zerstören wollte, sondern auch die vor Ort befindli-

chen Taliban bekämpfen wollte, ist auf Kritik gestoßen.

Ziel des Luftschlages war die Vernichtung der beiden

Tanklaster. Oberst Klein war jedoch auch bewusst, dass er

durch den Abwurf der Bomben auch die umstehenden

Aufständischen treffen würde. Durch deren Tötung erwar-

tete er eine spürbare Schwächung der Organisation der

Taliban in der Provinz Kunduz.
1379

Hierzu ist festzustellen, dass es sich bei der Bekämpfung

von gewaltbereiten, Mordanschläge planenden Taliban

um ein legitimes Ziel handelt, das von den verbindlichen

Einsatzgrundsätzen (Rules of Engagement, ROE) und
1379) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 26.

dem von der UN be-schlossen Mandat der ISAF aus-

drücklich gedeckt ist.

Entsprechend dem Mandat sind Aufständische, die sich

kontinuierlich an einem bewaffneten Konflikt beteiligen,

keine Zivilpersonen, sondern legitime militärische Ziele,

die auch außerhalb laufender Feindseligkeiten angegriffen

werden dürfen.
1380

Bei den Taliban handelt es sich daher um legitime militä-

rische Ziele. Die Taliban sind auch nach geltendem Völ-

kerrecht als Kombattanten und nicht als Zivilisten anzu-

sehen.
1381

Zudem musste Oberst Klein aufgrund der

Warnmeldungen davon ausgehen, dass die vor Ort agie-

renden Taliban unter zur Hilfenahme der beiden gekaper-

ten Lastwagen einen unmittelbaren Angriff auf das Lager

Kunduz vorbereiten, sich also unmittelbar vor einer

Kampfhandlung mit der Bundeswehr befanden.

Ob sich daher die vier vom Informanten genannten vor

Ort befindlichen Taliban-Führer auf der so genannten

JPEL-Liste wiederfinden oder nicht (siehe oben:

B.III.4.b), S. 54), ist für den vorliegenden Fall und die

Entscheidungen unerheblich.

Da die Tanklaster im vorliegenden Fall von einer Gruppe

bewaffneter Taliban entführt wurden, ist die Zielrichtung,

auch die Taliban zu bekämpfen, in keiner Weise zu be-

anstanden. Oberst Klein hatte trotz dieser eindeutigen

Lage Befehl erteilt, nicht auf flüchtende Personen zu

schießen (siehe oben: B.III.7.b)cc)aaa), S. 64). Auch

daran ist zweifelsfrei abzulesen, dass Ziel des Angriffs

nicht die Tötung einer möglichst großen Anzahl von Tali-

ban gewesen ist, sondern dass die Tötung der sich in

unmittelbarer Nähe des mit Gewalt entführten Tanklast-

zuges befindlichen Taliban in Kauf genommen wurde.

4. Mangelnde Handlungsalternativen

Oberst Klein musste in den fraglichen Stunden ständig

damit rechnen, dass die ISAF-Kampfflugzeuge wieder

abgezogen würden, so dass er dann über keine Optionen

zur Verteidigung im Falle des vermuteten Angriffes der

Taliban mit Tanklastzügen auf den PRT Kunduz mehr

verfügt hätte.

Er legte überzeugend dar, weitere Handlungsalternativen

geprüft zu haben, dabei aber eine andere Möglichkeit, die

von den Tanklastern und den Taliban ausgehenden Ge-

fahren zu beseitigen, für nicht gegeben hielt (siehe oben:

B.III.5.b), S. 59).

a) Kein Einsatz von Bodentruppen möglich

Oberst Klein hat vor dem Ausschuss nachvollziehbar

dargelegt, wieso aus seiner Sicht der Einsatz von Boden-

truppen keine adäquate Alternative gewesen ist.
1380) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122), S. 47.

1381) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122), S. 48.
Drucksache 17/7400 – 210 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Oberst Klein hatte demnach maximal eine Kompanie zur

Verfügung, die die einzige Reserve für eine Krise im

Norden gewesen wäre und die auch für einen wichtigen

Folgeauftrag am darauf folgenden Tag vorgesehen war.

Darüber hinaus hätte der Einsatz von Bodentruppen zu

Begegnungsgefechten bei Nacht geführt, die immer eine

erhebliche Gefahr sowohl für die Soldaten als auch für die

Zivilbevölkerung darstellen (siehe oben: B.III.5.b), S. 59).

Eine Verbringung mit Hubschraubern war zum damaligen

Zeitpunkt noch nicht möglich.

Oberst Klein hat daher zu Recht den Einsatz von Boden-

truppen abgelehnt, um weder seine Soldaten noch die

Zivilbevölkerung zu gefährden.

b) Kein Einsatz von Drohnen möglich

Auch der Einsatz von Drohnen stellte nach überzeugender

Darlegung Oberst Kleins keine Alternative dar.

Er gab an, dass der Einsatz von eigenen Drohnen nur mit

einem sehr großen zeitlichen Vorlauf möglich gewesen

wäre. Da er ständig damit rechnen musste, dass die F-15

Flugzeuge wieder abgezogen würden, hätte die Gefahr

bestanden, für einen längeren Zeitraum über kein Über-

wachungsinstrument aus der Luft zu verfügen (siehe

oben: B.III.5.c), S. 60).

Oberst Klein musste auf der einen Seite davon ausgehen,

dass die festgefahrenen Tanklaster befreit, gewendet und

für einen Angriff auf das PRT Kunduz verwendet würden.

Zum anderen sah er die Gefahr, dass die Tanklaster be-

freit und an einem anderen Ort hergerichtet werden wür-

den, um zu einem späteren Zeitpunkt einen Anschlag zu

verüben. Oberst Klein wusste von vorangegangenen Fahr-

zeugentführungen, dass es schwer bis unmöglich gewesen

war, von Taliban entführte Fahrzeuge wiederzufinden.
1382

Aus diesen Gründen ging Oberst Klein zutreffend davon

aus, dass der Einsatz von Drohnen keine Handlungsalter-

native darstellte.

c) Unterlassen als mögliche Alternative

Die einzige mögliche Alternative wäre gewesen, nichts zu

tun und den Befehl zum Luftschlag zu unterlassen.

Aus heutiger Sicht und vor dem Hintergrund der seiner-

zeit nicht vorliegenden zusätzlichen Kenntnisse wäre das

möglicherweise die bessere Wahl gewesen. Auch Oberst

Klein gab in seiner Vernehmung an, dass er wenn er zum

damaligen Zeitpunkt, Zivilpersonen vor Ort für möglich

gehalten hätte, den Befehl nicht gegeben hätte.
1383

5. Im Nachgang zum Luftschlag ergriffene
Maßnahmen

Im Rahmen der Aufarbeitung des Luftangriffes vom

4. September 2009 hatte der damalige Minister zu Gut-
1382) vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 25.

1383) vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.

tenberg bereits erste Maßnahmen ergriffen. Auch dies

lässt erkennen, dass der Minister wie die gesamte Bundes-

regierung die Aufarbeitung des Vorfalls zügig voranget-

rieben hat.

Der Minister hat dabei deutlich gemacht, dass eine sorg-

fältige Aufarbeitung der Vorkommnisse sowie Folgerun-

gen für Ausbildung und Betrieb dringend geboten war-

en.
1384

Der Minister hatte daher vor dem Hintergrund der im

COM ISAF-Bericht genannten Verfahrensfehler ein Brie-

fingteam nach Afghanistan entsenden lassen.

Ziel dieses Briefingteams war es, das betroffene Füh-

rungspersonal sowie die ihnen zugeteilten JTACs auf

Grundlage der Erkenntnisse des COM ISAF-Berichtes zu

unterrichten. Diese vertiefende Unterrichtung wurde be-

reits Mitte November 2009 durchgeführt.
1385

Darüber hinaus hat der Minister veranlasst, dass weitere

Maßnahmen zur Anpassung der nationalen Ausbildungs-

inhalte und Vorschriften im BMVg untersucht werden,

um den Kommandeuren und JTACs für die Zukunft

größtmögliche Handlungssicherheit zu geben.

Zudem gab es ein Schreiben an den Commander des Al-

lied Joint Force Command Brunssum, in dem gebeten

wurde, die Forderung des ISAF-Untersuchungsteams

nach mehr Ausbildung im Dynamic Targeting Center

entsprechend zu berücksichtigen.

VII. Ergebnis der Beweisaufnahme

Über die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

am Beginn dieses Berichtes hinaus hält der Ausschuss

nachfolgend als Ergebnis der Beweisaufnahme einzelne

zentrale Punkte aus der Beweisaufnahme nochmals fest.

Die Untersuchungen und Zeugenvernehmungen haben

den Beweis erbracht, dass im Zusammenhang mit der

Aufarbeitung des Luft-Boden-Einsatzes am 4. Novem-

ber 2009 in Kunduz der Bundesregierung keinerlei Vor-

wurf gemacht werden kann.

Ausnahmslos sämtliche aufgebrachten konspirativen

Spekulationen und Vorwürfe haben sich früher oder spä-

ter als vollkommen haltlos erwiesen.

Insbesondere ergab die Beweisaufnahme eindeutig, dass

der Luftschlag keine verdeckte Operation der Task Force

47 war, dass zudem der BND in keiner Form an dem

Vorfall beteiligt war.

Erwiesen ist auch, dass Generalinspekteur und zuständi-

ger Staatssekretär in keiner Weise als „Bauernopfer“
herhalten mussten, sondern ihre rechtlich und politisch

einwandfreie Versetzung in den einstweiligen Ruhestand

solche Gründe hatte, die den Minister zur Ausübung sei-

nes Rechts veranlassten.
1384) vgl. zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 15.

1385) vgl. BMVg Fü H I 3: Bericht über Dienstreise nach Masar-e-

Sharif und Kunduz vom 18. November 2009 (Dokument 183).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211 – Drucksache 17/7400

Im Hinblick auf den Luftschlag hat sich eindeutig erwie-

sen, dass der Neubewertung des damaligen Bundesminis-

ters der Verteidigung zu Guttenberg zuzustimmen ist, der

Luftschlag sei „militärisch nicht angemessen“, aber zu-
gleich feststellt, dass Oberst Klein vor dem Hintergrund

der ihm damals bekannten Lage nach bestem Wissen und

Gewissen gehandelt hat.

Auch wird begrüßt, dass der Minister bereits unmittelbar

nach dem Luftschlag nach Vorliegen der ersten Erkenn-

tnisse über Defizite im Ablauf unmittelbar konkrete Maß-

nahmen zur Verbesserung der Ausbildung veranlasst hat.

Diesen Weg gilt es fortzuführen, um den Soldaten im

Einsatz in Zukunft größtmögliche Handlungssicherheit zu

geben.

Handlungsfelder

Oberst Klein sagte vor dem Ausschuss aus, dass er bei

umfassenderem Wissen über die tatsächliche Situation auf

der Sandbank eine andere Entscheidung getroffen hätte.

Auch vor dem Hintergrund dieser Feststellung müssen

Führungs-, Aufklärungs- und Wirkmittel geprüft werden.

Führungsmittel

Oberst Klein führte seine Operation aus dem beengten

Gefechtsstand der TF 47, weil diese über eine bessere

Gefechtsstandtechnik verfügte als der originäre PRT-

Gefechtsstand.

Dies hatte zur Folge, dass der Kommandeur des PRT

KDZ nicht über den vollen Beraterstab verfügte (dieser

führte die Operation des PRT aus dem PRT-

Gefechtsstand), sondern ihm lediglich einige Angehörige

seines Stabes zur Verfügung standen.

Die erprobten und eingespielten Verfahren des PRT-

Stabes, insbesondere die Beratung des Kommandeurs,

konnten unter diesen Umständen nicht ablaufen.

Die schlechtere technische Ausstattung des PRT-

Gefechtsstandes hat den militärischen Führer vor Ort in

seiner Führungsfähigkeit entscheidend eingeschränkt.

Zukünftig ist deshalb aus Sicht des Ausschusses darauf zu

achten, dass der für einen Einsatzraum verantwortliche

Kommandeur in seinem Gefechtsstand über mindestens

die gleichen technischen Fähigkeiten verfügt, wie die dort

eingesetzten Spezialkräfte, zumal der Kommandeur im

Bedrohungsfall für die Sicherheit einer großen Zahl an

Soldatinnen und Soldaten die unmittelbare Verantwortung

wahrnimmt.

Aufklärungsmittel

Zur Herstellung eines umfassenden Lagebildes bedarf es

des Rückgriffs auf unterschiedlichste Aufklärungsmittel.

Im Falle des Luftschlages war die Nutzung der HUMINT-

Kräfte die wesentliche Informationsquelle des Komman-

deurs. Auch wenn die Informationsübermittlung von der

HUMINT-Quelle vor Ort über den Operator bis hin zum

Kommandeur technisch noch besser gestaltet werden

könnte, hat sich das Verfahren insgesamt bewährt und

wurde im vorliegenden Fall optimal genutzt.

Bemängelt werden muss jedoch, dass Oberst Klein nach

Aussage vor dem Ausschuss nicht auf ausreichend redun-

dante Aufklärungsmittel zurückgreifen konnte.

So benötigte er für den eigenen visuellen Eindruck die

Aufklärungsleistung der ISAF-Luftfahrzeuge und war

gezwungen, diese vor Ort zu halten, um ggf. bei einer sich

verschärfenden Lage eine entsprechende Entscheidung

treffen zu können.

Durch diese unmittelbare Abhängigkeit von nicht nationa-

len Aufklärungsmitteln in einer für das PRT bedrohlichen

Lage musste der Kommandeur aus der operativen Not-

wendigkeit heraus die ständige Verfügbarkeit der ISAF-

Aufklärungsmittel (Strahlflugzeuge) sicherstellen, was zu

seinem Entschluss beitrug, einen TIC zu erklären.

Eigene nationale Aufklärungsmittel standen nicht zur

Verfügung oder waren für diesen (Nacht-)Einsatz nicht

geeignet. Die im PRT vorhandenen Drohnen hatten ent-

weder keine ausreichende Reichweite (LUNA, ALADIN)

oder konnten nicht schnell genug in den Einsatz gebracht

werden bzw. verfügten nicht über die notwendige Stehzeit

über dem Einsatzgebiet (KZO). Das Verbringen von eige-

nen Soldaten verbat sich aufgrund der angespannten Lage

des PRT und war aufgrund der fehlenden Lufttransportfä-

higkeit nicht möglich.

Diese Umstände und Defizite machen deutlich, warum

Oberst Klein zwingend auf die Luftfahrzeuge angewiesen

war.

Das BMVg hat aus Sicht des Ausschusses bereits zeitnah

die richtigen Schlüsse aus den Ereignissen gezogen und

angemessen gehandelt.

Mit Einführung des unbemannten Aufklärungssystems

HERON 1 ab März 2010 verfügt das Deutsche Einsatz-

kontingent nun über eine deutlich gesteigerte nationale

Aufklärungsfähigkeit bei Tag und Nacht, welche zusätz-

lich mit der entsprechenden Verweildauer über einem

Einsatzgebiet versehen ist.

Wirkmittel

In der Ausstattung von Wirk- und Aufklärungsmitteln

lassen sind gewisse Parallelen erkennen.

Wie bei den Aufklärungsmitteln verfügte Oberst Klein als

Kommandeur des PRT nicht über adäquate nationale

Wirkmittel. Er war auch unter diesem Aspekt gezwungen,

die ISAF-Flugzeuge vor Ort zu halten, um bei Lagever-

schärfung einen entsprechenden Entschluss fassen zu

können.

Die mangelnde Ausstattung mit geeigneten nationalen

Wirkmitteln verwehrte dem Kommandeur zudem eine

differenzierte Reaktion auf aktuelle Lageentwicklungen.

Oberst Klein hatte lediglich die Alternative zwischen

Untätigkeit und Luftschlag (wenn er dies auch mit den

kleinsten zur Verfügung stehenden Bomben auslöste).

Drucksache 17/7400 – 212 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Eine frühzeitige Einflussnahme und ggf. deeskalierende

Wirkung auf die Lage durch mildere Mittel (Einsatz der

Artillerie, Einsatz Kampfhubschrauber) war ihm mangels

Ausstattung verwehrt.

Um zukünftig solche Situationen zu vermeiden, müssen

die Einsatzkontingente aus Sicht des Ausschusses über

alle für den Einsatz erforderlichen Wirkmittel vor Ort

verfügen. Nur dadurch ist der militärische Führer vor Ort

in der Lage, angemessen und mit dem mildesten Wirkmit-

tel zu reagieren. Der bewusste Verzicht auf Eskalations-

potential führte im Afghanistaneinsatz nicht zu einer

Entspannung der Lage, sondern zu einer ständigen Bedro-

hung des Kontingents und der Feldlager.

Durch den Einsatz der Panzerhaubitze 2 000 und des

Schützenpanzers Marder ab Frühjahr 2010 konnte das

Eskalationspotenzial des deutschen Einsatzkontingents

gesteigert und der notwendige operative Handlungsspiel-

raum zurückgewonnen werden. Dieser vom BMVg be-

schrittene Weg wird vom Ausschuss nachdrücklich be-

grüßt.

Ausbildung

Es konnte festgestellt werden, dass im Nachgang des

Luftangriffes von Kunduz bereits einige Maßnahmen zur

Verbesserung der Ausbildung veranlasst wurden.

So entsandte das Bundesministerium der Verteidigung

bereits unmittelbar nach dem Luftschlag im September

2009 ein Ausbildungsteam nach Afghanistan, um die

erkannten Mängel im Bereich der Zusammenarbeit mit

Luftfahrzeugen zu beheben. Diese Ausbildung umfasste

auch die nochmalige intensive Einweisung in die ein-

schlägigen ROE. Gleichzeitig wurde überprüft, wie Ver-

fahren und ROE an die tatsächlichen Gegebenheiten vor

Ort angepasst werden können. Diese Vorschläge fanden

Eingang in die ISAF-Verfahren. Einhergehend mit der

Ausbildungsintensivierung in Afghanistan hat die Bun-

deswehr die Ausbildung der JTAC in Deutschland ver-

bessert.

Damit wird deutlich, dass der Wissens- und Erfahrungs-

fluss aus dem Einsatz in die unmittelbare Ausbildung des

Nachfolgekontingents sichergestellt sein muss. Dies ist

kein Handlungsprinzip, das sich auf einen bestimmten

Bereich oder ein bestimmtes Ereignis zu beschränken hat,

sondern es hat Allgemeingültigkeit.

Themenkomplex Informationsarbeit

Seit September 2009 hat das BMVg aus Sicht des Aus-

schusses entscheidende Schritte in Richtung einer umfas-

senden und transparenten Informationspolitik gemacht.

Dabei wurde ein praktikables Gleichgewicht zwischen

den bestimmenden Größen „Belastbarkeit der bereitges-
tellten Informationen“ und „größtmögliche Schnelligkeit“
erlangt.

Information des Parlaments

Die Information des Parlaments wurde in den letzten

Monaten deutlich verbessert.

Neben den regelmäßigen Informationen wird das Parla-

ment auch anlassbezogen unterrichtet. Als Beispiel seien

hier die wöchentlichen Unterrichtungen des Parlaments,

die Obleuteunterrichtungen, die Unterrichtungen des

Verteidigungsausschusses und die Berichte der Bundesre-

gierung zur Lage in den Einsatzgebieten genannt.

Hinzu treten weitere Verbesserungen.

So wurde z. B. die Zuständigkeit für die Herausgabe der

schriftlichen Obleuteunterrichtung über Ereignisse in den

Einsatzgebieten vom BMVg an das Einsatzführungs-

kommando der Bundeswehr delegiert. Seitdem wurden

Schnelligkeit der Informationsbereitstellung und deren

Detaillierungsgrad nachhaltig verbessert.

Weiterhin wirkt sich positiv aus, dass der Befehlshaber

des Einsatzführungskommandos an den Sitzungen des

Verteidigungsausschusses sowie an den mündlichen Ob-

leuteunterrichtungen teilnimmt. Dadurch wird der Infor-

mationsgehalt hinsichtlich der Detailschärfe gesteigert.

Mit diesem nun weiterentwickelten, flexibleren Informa-

tionssystem wird das Parlament aus Sicht der Regie-

rungskoalition hinreichend unterrichtet.

Information der Öffentlichkeit

Informationen über besondere bundeswehrrelevante

Ereignisse in den Einsatzgebieten kann die Bundeswehr

nun grundsätzlich schneller übermitteln und bereitstellen

als die internationalen Nachrichtenagenturen.

Insgesamt haben sich Informationsangebot für die Öffent-

lichkeit und die Transparenz der Arbeit des BMVg deut-

lich verbessert.

Die Bundeswehr informiert seit einiger Zeit in den ein-

schlägigen Medien wie dem Internet über die Geschehnis-

se in den Einsatzgebieten.

Seit Anfang 2011 wird auch die auf der Unterrichtung für

das Parlament aufbauende Unterrichtung der Öffentlich-

keit wöchentlich bereitgestellt. Somit werden die Ereig-

nisse in den Einsatzgebieten im Gesamtkontext dargestellt

und bewertet.

Wichtig bleibt, aus den Kommunikationsstaus im unter-

suchten Fall die entsprechenden Konsequenzen bei der

Geschäftsordnung des BMVg und bei der politischen

Handhabe militärisch relevanter Ereignisse zu ziehen.

Mit hoher Transparenz und Offenheit wird es gelingen,

die für den Einsatz der Bundeswehr so nötige Unterstüt-

zung in der Bevölkerung auch weiter zu sichern und der

Bundeswehr im Einsatz die Sicherheit zu geben, dass sie

ihren Einsatz unter Kriegsbedingungen mit guter Absiche-

rung und Begleitung in der Heimat durchführen kann.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213 – Drucksache 17/7400

Vierter Teil
Sondervoten

A. Sondervotum der Fraktion der SPD

Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung

vom 8. September 2009 zum Luftangriff von Kunduz die

Messlatte zu Recht hoch gelegt:

„Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls vom letz-
ten Freitag und seiner Folgen ist für mich und die

ganze Bundesregierung ein Gebot der Selbstver-

ständlichkeit. (…) Ich stehe dafür ein, dass wir
nichts beschönigen werden (…).“1386

Die inzwischen zurückgetretenen Bundesminister der

Verteidigung Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg, die

beteiligten Ministerien und die sie tragende Mehrheit im

Bundestag sind hinter diesen proklamierten Erwartungen

jedoch – ebenso wie übrigens die Bundeskanzlerin selbst
– weit zurückgeblieben.

Dem vollmundigen Versprechen der aktiven, lückenlosen

und vor allem ungeschönten Aufklärung des tragischen

Vorfalls vom 4. September 2009 folgten keinerlei Taten:

Bis heute gibt es keinen zusammenfassenden Bericht der

Bundesregierung über das Geschehen in dieser Nacht und

die Schlüsse, die sie daraus gezogen hat. Und damit ist

nicht nur ein Bericht für die Öffentlichkeit gemeint; nicht

einmal innerhalb der Bundesregierung wurde eine solche

Arbeit geleistet.

Während man Anfang Oktober 2009 im Verteidigungs-

ministerium immerhin noch den Versuch unternahm, die

inzwischen von der Bundesregierung angeblich selbst als

falsch erkannte Bewertung, der Luftangriff sei „in opera-
tiver Hinsicht militärisch angemessen“, mit einem acht-
seitigen Vermerk zu belegen,

1387
fehlt eine solche Ausar-

beitung für die Neubewertung des Luftangriffs als „unan-
gemessen“ vollständig.

Es gibt kein Papier der Bundesregierung, in dem klar,

deutlich oder gar „ungeschönt“ aufgelistet wird, was
genau im Rahmen dieses Luftangriffs und im Umgang mit

diesem Vorfall durch Bundeswehr und Bundesregierung

falsch gelaufen ist, aus welchen Gründen diese Fehler

geschehen konnten und welche Schlussfolgerungen dar-

aus zu ziehen sind.

Nachdem der zurückgetretene Verteidigungsminister

Freiherr zu Guttenberg den Luftangriff zum Zwecke der

Steigerung seiner eigenen Beliebtheit unter den Soldaten

– und ohne entsprechenden militärischen Rat1388 – zu-
1386) Dr. Merkel, BT-PlPr. 16/233 vom 8. September 2009 (Fn. 7,

Dokument 6), S. 26298.

1387) Auswertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luftangriff am 4.

September 2009 (Fn. 1115), Bl. 3 ff., 4.
1388) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8: „Mit dieser

Formulierung, die mir nicht vorgeschlagen wurde, sondern von

mir persönlich stammt, wollte ich mein damaliges Verständnis

nächst gar als zwingend bezeichnet hatte,
1389

erfolgte

seine „Neubewertung“ am 3. Dezember 2009 auf Grund-
lage eines kursorischen „Durchscannens“ der vorhande-
nen Unterlagen innerhalb eines halben Tages durch den

stellvertretenden Generalinspekteur Admiral Kühn.

Dieser war mit diesem Vorfall zuvor nicht einmal entfernt

betraut, sondern für ihn waren sämtliche Dokumente –
sogar der COM ISAF-Bericht – völliges Neuland.1390
Zudem verfasste auch Admiral Kühn hierzu nichts

Schriftliches, machte sich noch nicht einmal Notizen bei

der Durchsicht der Akten, sondern bekundete seine über-

schlägige Einschätzung nur in einer größeren „Runde“ in
Anwesenheit des Ministers am 30. November 2009, also

am selben Tag, an dem er die Akten überhaupt erstmals

vorgelegt bekommen hatte.
1391

Wie es typisch für die Amtsführung des Freiherrn zu

Guttenberg war, hieß es in seinem Redemanuskript für

die fraktionsoffene Sitzung der CDU/CSU-

Bundestagsfraktion am 1. Dezember 2009 hingegen völlig

überzogen, zu Guttenberg habe Admiral Kühn angewie-

sen, „weitreichende ergänzende Untersuchungen durchzu-
führen“ und einen „neuen militärischen Ratschlag“ zu
erarbeiten, auf dessen Grundlage er seine eigene Bewer-

tung, falls notwendig, justieren wolle.
1392

Schon hier zeigt sich, dass das Handeln dieses Ministers

in den meisten öffentlich relevanten Situationen vor allem

aus „Spektakel“ bestand. Es wird erkennbar, dass diese
Neubewertung allein aus politisch-taktischen Gründen

erfolgte, nachdem der boulevardverwöhnte und -hörige

Freiherr zu Guttenberg durch die „Bild“-Zeitung mit der
Ankündigung der Veröffentlichung des so genannten

Feldjägerberichts am 26. November 2009 zum Handeln

gedrängt worden war.

Diese Schimäre des Ministers gipfelte darin, für die eige-

ne Falschbewertung im Oktober 2009 den damaligen

Generalinspekteur Schneiderhan und den damaligen
der Bewertung des Verhaltens von Oberst Klein zum Ausdruck
bringen.“

1389) „Selbst wenn keine Verfahrensfehler begangen worden wären,
hätte es zu dem Luftschlag kommen müssen.“, in: ZDF am 6. No-
vember 2009 und Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009

bzw. „Wenn das Ganze fehlerfrei vonstatten gegangen wäre,
komme ich auch zu dem Schluss, dass der Luftschlag hätte statt-
finden müssen.“, in: Pressestatement des Ministers zu Guttenberg
zum COM ISAF-Bericht vom 6. November 2009 (Fn. 1146, Do-

kument 155), Bl. 63.
1390) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 5, 6, 11, 12.

1391) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6 und 20.

1392) Rede für BM Freiherr zu Guttenberg für die fraktionsoffene
Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 1. Dezember 2009

mit dem Thema „Die Situation in Afghanistan“ (Fn. 1245, Doku-
ment 165), Bl. 136.
Drucksache 17/7400 – 214 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Staatssekretär Dr. Wichert als „Bauernopfer“ verantwort-
lich zu machen.

Das gesamte Handeln der Bundesregierung in diesem

Vorgang ist geprägt durch Taktieren und Vernebeln. Von

aktiver, lückenloser oder ungeschönter Aufklärung kann

keine Rede sein.

Insofern bestand ein unbestreitbares Bedürfnis, diese von

der Bundeskanzlerin angekündigte Aufklärung zumindest

im parlamentarischen Bereich vorzunehmen. In Form von

Lippenbekenntnissen wurde dies sogar von der die Bun-

desregierung tragenden Mehrheit im Verteidigungsaus-

schuss gefordert, die der Einrichtung dieses Untersu-

chungsausschusses ebenfalls zugestimmt hat, auch wenn

sie im weiteren Verlauf alles unternahm, um öffentliche

Aufklärung möglichst zu verhindern.

I. Der Untersuchungsausschuss war not-
wendig und erfolgreich

Nach inzwischen anderthalbjähriger Tätigkeit dieses Un-

tersuchungsausschusses, nach der Einvernahme von 41

Zeugen über 145 Stunden (davon auf Beschluss der

Mehrheit nahezu 80 Prozent nichtöffentlich), und nach

der Auswertung von fast 400 Ordnern Aktenmaterial
1393

kann festgestellt werden, dass dieser Untersuchungsaus-

schuss ohne Zweifel zwingend erforderlich und nachhal-

tig erfolgreich war.

Der Untersuchungsausschuss war erfolgreich für die Öf-

fentlichkeit, weil erstmalig – soweit dies unter den strikten
Geheimhaltungsvorgaben der Bundesregierung überhaupt

möglich war – die Fakten über das Geschehen und die
Abläufe in der Nacht in Kunduz sowie die Versäumnisse

der Bundesregierung bei der Aufarbeitung dieses Vorfalls

bekannt werden.

Beispiele hierfür sind:

– Schicksal der zivilen Fahrer der Tanklaster

– Standort und tatsächliche Aussagen des Informanten

– „Stille-Post-Routine“ bei der Übermittlung dieser
wichtigen Informationen der Kontaktperson mit den

entsprechenden Informationsverlusten

– offensive Ausrichtung des Luftangriffs mit dem pri-
mären Ziel, eine Vielzahl Taliban zu töten, um den

regionalen Talibanstrukturen einen „schweren
Schlag“ zu versetzen

– fragwürdige Rolle der Angehörigen der Feldnach-
richtenkräfte der Task Force 47

– Ausbildungsmängel bei zielgerichteter Gesprächsfüh-
rung mit menschlichen Quellen und sachgerechter

Bewertung nachrichtendienstlicher Informationen

sowie ordnungsgemäßer Lagebeurteilung durch die

Feldnachrichtenkräfte und den militärischen Führer
1393) 343 Ordner, 42 Hefter und 275 Einzeldokumente.

– Koordinierungs- und Kontrolldefizite im Bereich des
Militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr

– Hinweise auf zivile Opfer bereits am Tag des Bom-
benabwurfs im PRT KDZ durch eigenes PsyOps-

Team

– Verschweigen dieser Erkenntnisse durch das Bun-
desministerium der Verteidigung zum Zwecke des

kritiklosen Schutzes von Oberst Klein

– Manipulation eines Tagesberichts (INTSUM) des
PRT Kunduz vom 4. September 2009, in welchem

die Möglichkeit ziviler Opfer bereits aufgeführt war,

durch nachträgliches Entfernen der inkriminierenden

Passagen im Auftrag der Generäle Vollmer und Glatz

– schlechtes Krisenmanagement und strukturelle Defi-
zite im BMVg

– Verschleierungsaktivitäten auf allen Ebenen in Bun-
deswehr, Bundesregierung und Regierungskoalition

im Bundestag

Er war aber auch erfolgreich für die Soldatinnen und

Soldaten, weil die im Zusammenhang mit dem Luft-

Boden-Angriff begangenen Fehler und Versäumnisse vor

Ort benannt werden, so dass Leitlinien für soldatisches

Handeln in zukünftigen Fällen deutlich werden.

Beispiele hierfür sind:

– sorgloser Umgang mit Warnmeldungen

– offenbar unzureichende technische Ausstattung der
Operationszentrale des PRT

– Probleme bei der korrekten Übermittlung von Infor-
mationen einer afghanischen Kontaktperson an den

militärischen Führer

– Sprachprobleme bei der Kommunikation mit dem
afghanischen Informanten und eventuell sogar mit

den US-Bomber-Piloten

– unzureichende Bewertung nachrichtendienstlicher
Informationen

– fehlende Erreichbarkeit übergeordneter Stellen zur
Abklärung der Nichtbetroffenheit eigener oder be-

freundeter Kräfte

– ungerechtfertigte Anforderung von Luftnahunterstüt-
zung durch regelwidrige Erklärung einer „Troops in
Contact“-Situation (TIC)

– unzutreffende Angaben gegenüber dem ISAF-
Gefechtsstand für Luftunterstützung in Kabul und

gegenüber den Piloten der F15-Bomber

– Gründung militärischer Entscheidungen auf unklare
und unbestätigte Informationen

– Unterlassen der Einbindung eines dafür eigentlich
vorgesehenen und vorhandenen Rechtsberaters und

anderer Funktionsträger des PRT

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 215 – Drucksache 17/7400

– Unklarheiten zwischen militärischem Entscheider
und Fliegerleitoffizier (JTAC) über die anzuwenden-

den Einsatzregeln („Rules of Engagement“, ROE)

– mangelhaftes Verständnis und dadurch bedingte
fehlerhafte Anwendung der Einsatzregeln für den

Bombeneinsatz

– erhebliche Ausbildungsdefizite hinsichtlich der Ziel-
und Wirkungsanalyse bei offensivem Waffeneinsatz

– unberechtigter Verzicht auf die notwendige Durch-
führung einer „Machtdemonstration“ („Show of For-
ce“) zum Schutz von Zivilisten

– unberechtigter Verzicht auf die Benennung der dem
Waffeneinsatz zu Grunde liegenden ROE gegenüber

den Piloten

– gezielte Tötung vermuteter Aufständischer trotz der
sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit er-

gebenden deutschen Selbstverpflichtung, nur festzu-

nehmen und nicht zu töten

– unzureichende Gewährleistung einer zeitnahen und
umfassenden Wirkungsanalyse („Battle Damage As-
sessment“)

– unzureichende Zusammenarbeit der militärischen mit
der zivilen Spitze des PRT im konkreten Fall.

Der Untersuchungsausschuss war auch erfolgreich für das

Parlament, weil der parlamentarischen Kontrollfunktion

Rechnung getragen wurde und Defizite und Verbesse-

rungsnotwendigkeiten im Bereich der Exekutive erkenn-

bar wurden, deren Beseitigung durch das Bundesministe-

rium der Verteidigung vom Parlament in Zukunft kontrol-

liert und begleitet werden kann.

Und er war letztlich selbst für die Bundesregierung er-

folgreich, weil sie trotz der konsequenten Vernachlässi-

gung ihrer ureigenen Pflicht, den gesamten Vorgang

selbst aufzuklären und sich Gedanken über die notwendi-

gen Konsequenzen zu machen, durch die Arbeit des Un-

tersuchungsausschusses in die Lage versetzt wird, die

durch das Parlament aufgezeigten strukturellen Defizite

nunmehr endlich beseitigen zu können.

II. Erforderlichkeit eines Sondervotums

Unbestritten handelte es sich bei dem von Oberst Klein

am 4. September 2009 befohlenen Luft-Boden-Angriff

auf die zwei entführten zivilen Tanklaster sowie die dort

befindlichen Personen um den folgenschwersten militäri-

schen Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr.

Darüber, welche Folgen dieser Einsatz wirklich hatte und

was sich genau in dieser Nacht ereignet hat, war aber

selbst nach der langwierigen Beweisaufnahme dieses

Ausschusses keine Einigkeit zwischen Koalition und

Opposition herzustellen.

Und auch die politische Bewertung der Mehrheit darf

nicht unwidersprochen bleiben: Trotz der offenkundigen

Fehler der Bundesregierung im Umgang mit dem Vor-

gang, welche immerhin zum Rücktritt zumindest eines

Ministers geführt hatten, wird behauptet, der Bundesre-

gierung könne „keinerlei Vorwurf gemacht werden“.1394

Stattdessen wird das unredliche Verhalten des Freiherrn

zu Guttenberg gegenüber dem damaligen Generalinspek-

teur Schneiderhan und dem früheren Staatssekretär

Dr. Wichert perpetuiert und dabei selbst vor krassesten

Widersprüchen nicht zurückgeschreckt:

– Einerseits „attestiert“1395 die Mehrheit der Bundesre-
gierung pauschal „einen durchweg korrekten Um-
gang mit den Folgen des Luftschlages“, andererseits
sollen Generalinspekteur und Staatssekretär aber die

Minister Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg von

Beginn an belogen
1396

, eigenmächtig und selektiv un-

terrichtet
1397

und „wichtige Informationen“ zurück-
gehalten

1398
haben.

– Einerseits soll die Bundesregierung „sehr rasch die
deutsche wie die afghanische Öffentlichkeit nach

bestem verfügbaren Wissen unterrichtet“ haben,1399
andererseits soll die Unterrichtung der Öffentlichkeit

durch das Verteidigungsministerium „nicht optimal
verlaufen“1400 und „Defizite im Informationsfluss“
sollen bereits „im unmittelbaren Zeitraum nach dem
Luftschlag“ vorgekommen sein.1401

– Einerseits habe die Bundeskanzlerin bei ihrer Regie-
rungserklärung über ein „umfassendes Lagebild“ ver-
fügt,

1402
andererseits wird die „vollständige Informa-

tion des Bundeskanzleramtes“ durch Staatssekretär
Dr. Wichert als „faktenwidrig“ und „nicht gegeben“
bezeichnet

1403
und vehement behauptet, im Bundes-

kanzleramt seien „wichtige Informationen und Be-
richte“ erst nach der Regierungserklärung der Bun-
deskanzlerin eingegangen,

1404
wobei diese Berichte

dann letztlich doch nicht von so entscheidender Be-

deutung gewesen sein können.

– Einerseits wird behauptet, es ließe sich nicht klären,
„wie viele Taliban und wie viele Zivilisten sich zum
Zeitpunkt des Luftschlages auf der Sandbank befun-

den“ hätten,1405 andererseits wird – ohne dies belegen
zu können – die Behauptung aufgestellt, dass die An-
zahl der getöteten Taliban jedenfalls „weitaus höher“
sei „als die der Zivilisten“.1406

– Einerseits wird der Luftangriff als „nicht angemes-
sen“ bezeichnet, weil Oberst Klein „verschiedene
Verfahrensfehler unterlaufen“ seien, und es wird be-
1394) Mehrheitsbewertung, S. 210.
1395) So wörtlich in der Mehrheitsbewertung auf S. 174.

1396) Mehrheitsbewertung, S. 203.

1397) Mehrheitsbewertung, S. 182, 183, 188, 190, 195 und 195.
1398) Mehrheitsbewertung, S. 192.

1399) Mehrheitsbewertung, S. 174.

1400) Mehrheitsbewertung, S. 198.
1401) Mehrheitsbewertung, S. 180 f.

1402) Mehrheitsbewertung, S. 200.

1403) Mehrheitsbewertung, S. 172 f.
1404) Mehrheitsbewertung, S. 186.

1405) Mehrheitsbewertung, S. 206.

1406) Mehrheitsbewertung, S. 206.

Drucksache 17/7400 – 216 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hauptet, dass der Luftschlag „nicht hätte durchgeführt
werden dürfen“,1407 andererseits werden die Ent-
scheidungen von Oberst Klein im Mehrheitsvotum

durchgängig und ausnahmslos als „vollkommen
nachvollziehbar“1408 und „folgerichtig“1409, gar als
„umsichtig“1410 und „rechtlich korrekt“1411 bezeich-
net.

Diese offen zutage tretenden Widersprüche der Mehrheit

sind klarer Beleg dafür, mit welcher Nonchalance und

Gleichgültigkeit die Mehrheit mit den im Ausschuss er-

mittelten Fakten umgeht und diese selbst innerhalb ihrer

eigenen Bewertung beliebig modelliert. Sachgerechte

Aufklärung des Vorgangs war von vornherein nicht Ziel

dieser Koalition.

Wenn dann aber noch gegenüber der Opposition der

Vorwurf erhoben wird, sie hätte durch die Wahrnehmung

ihrer Minderheitenrechte den Untersuchungsausschuss

„blockiert“ und „wichtige Zeit über Monate hinweg“
verschwendet, „während Soldatinnen und Soldaten im
Einsatzgebiet ihr Leben riskieren“,1412 so sind die Gren-
zen des Erträglichen überschritten. Diese Instrumentali-

sierung der Soldatinnen und Soldaten für die eigenen

kleinkarierten politischen Zwecke nach dem Vorbild des

Freiherrn zu Guttenberg
1413

ist an peinlicher Geschmack-

losigkeit kaum mehr zu übertreffen.

Das Mehrheitsvotum enthält – neben sachlichen Fehlern,
Übertreibungen und bewussten Falschdarstellungen –
zusätzlich frei erfundene angebliche Tatsachen, während

entscheidende Informationen einfach verschwiegen wer-

den.

Hier nur einige Beispiele zur Illustration:

– S. 172: Bei dem angeblich „nicht existenten“1414
Aktenstück („Rotstift-Vermerk“) handelt es sich um
die durch das Kanzleramt angeforderte und rechtzei-

tig dort auch eingegangene förmliche Unterrichtung

durch das BMVg (Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22,

S. 63 ff.), was verdeckt sogar später durch die Mehr-

heit auf S. 186 ihrer Bewertung eingeräumt wird.
1407) Mehrheitsbewertung, S. 204.
1408) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 205; nur noch einfach „nachvoll-

ziehbar“ auf den Seiten 204, 205, 207, 207 und 210.
1409) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 204 und 205.
1410) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 188 und 207.

1411) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 174 mit einer völligen Übersteige-

rung der Ermittlungsergebnisse des Generalbundesanwalts, der
nur über die völkerstrafrechtliche und national strafrechtliche

Verantwortlichkeit von Oberst Klein zu befinden hatte.

1412) Mehrheitsbewertung, S. 194.
1413) Zuletzt in seiner Rücktrittserklärung vom 1. März 2011: „Nach-

dem dieser Tage viel über Anstand diskutiert wurde, war es für

mich gerade eine Frage des Anstandes, zunächst die drei gefalle-
nen Soldaten mit Würde zu Grabe zu tragen und nicht erneut ihr

Gedenken durch Debatten über meine Person überlagern zu las-

sen.“
1414) Inzwischen wurde die Mehrheitsbewertung nächträglich geändert

und nun nicht mehr behauptet, der Vermerk sei „nicht existent“.
Nunmehr heißt es dort, der Vermerk sei nicht „präsent“. Damit
räumt die Mehrheit selbst ein, dass das in Rede stehende Akten-

stück existiert und der Vorhalt gegenüber dem Zeugen berechtigt

war.

– S. 176: Von „Tanklastzügen“ ist in dem zeitlich bis
zu den Präsidentschaftswahlen vom 20. August 2009

befristeten und im Übrigen allein auf einem „Einzel-
hinweis“ beruhenden „Warnhinweis“ keine Rede.
Auch die von der Mehrheit bewusst gewählten reiße-

rischen Formulierungen wie „Schockwelle“ oder „so
viele Bundeswehrangehörige wie möglich töten bzw.

mit in den Tod reißen“ usw. finden sich in dem
Warnhinweis nicht.

– S. 176: Die Behauptung der Mehrheit, die Entführung
der Tanklaster sei geplant gewesen, „um später mit
der gewaltigen Sprengkraft zweier voll beladener

Tanklastzüge einen Anschlag der schwersten Katego-

rie durchführen zu können“, ist frei erfunden. Nie-
mand hat die geringsten Erkenntnisse dazu gewinnen

können, welche Pläne die Taliban mit den entführten

Tanklastern hatten, außer dass diese vom PRT Kun-

duz weg nach Gor Tepa verbracht werden sollten.

– S. 176: Dazu, über welche „professionelle Ausstat-
tung“ die Taliban „neben Mobiltelefonen“ verfügten,
hat der Untersuchungsausschuss keinerlei Erkenn-

tnisse gewonnen.

– S. 177: Es gibt weder „widersprüchliche Unterlagen“
noch „Aussagen“ aus denen sich ergeben könnte,
dass den Dorfbewohnern befohlen worden sein könn-

te, das abgezapfte Benzin „später in die Tanklaster
zurückzufüllen“. Auch dies wurde durch die Mehr-
heit frei erfunden und der Einstellungsvermerk des

GBA hierfür dreist als angeblicher Beleg miss-

braucht.

– S. 179: Oberst Klein ist keineswegs „aufgrund mehr-
facher Nachfragen“ zu dem Schluss gelangt, dass die
Tanklaster „eine erhebliche Bedrohung für das PRT
darstellen“: Weder der Informant noch einer der an-
wesenden Soldaten haben in der Nacht von einer

„Bedrohung“ für das PRT gesprochen und mit ande-
ren Personen hatte Oberst Klein in der Nacht nicht

kommuniziert.

– S. 181: Entgegen der Darstellung der Mehrheit stand
dem Pressesprecher etwa eine halbe Stunde vor der

Pressekonferenz am 7. September 2009 eine 4-seitige

Unterrichtung des Staatssekretärs zur Verfügung, was

seltsamerweise im nächsten Satz durch die Mehrheit

selbst eingeräumt wird.

– S. 181 f.: Frei erfunden ist die von der Mehrheit
übernommene Behauptung des Zeugen Dr. Raabe,

gemäß der Geschäftsordnung des BMVg sei der Ge-

neralinspekteur verpflichtet, alle relevanten Informa-

tionen auch dem Presse- und Informationsstab zur

Verfügung zu stellen. Hätte sich die Mehrheit die

Mühe gemacht, sich die Geschäftsordnung (dort in-

sbesondere B 25 und C 16 Nrn. 5 und 6 im Umkehr-

schluss) einmal anzusehen, hätte ihr dies auffallen

können. Im Übrigen räumt dies der „Kronzeuge“ der
Mehrheit im Ausschuss selbst ein (vgl. Dr. Raabe,

Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 8).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 217 – Drucksache 17/7400

– S. 182: Der Bundesminister der Verteidigung ist
nicht der „oberste Dienstherr“ des General Schnei-
derhan, sondern die Bundesrepublik Deutschland

(vgl. § 2 Beamtenstatusgesetz).

– S. 182, 203, 203: Der GI „unterband“ oder „stoppte“
keineswegs eine „laufende Feldjägeruntersuchung“.
Der Feldjäger hatte seine Tätigkeit, die er keineswegs

als „Untersuchung“ verstand, sondern als „Sachver-
haltsfeststellung zur Verdichtung des Lagebildes von

General Vollmer“, vielmehr nach eigenen Angaben
im Ausschuss unbeeinträchtigt abgeschlossen (Br.,

Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 18 f., 44).

– S. 187, 190: Die Mehrheit unterschlägt durchgängig,
dass der GI den Luftschlag als „in operativer Sicht“
militärisch angemessen bezeichnet hatte.

– S. 191: Die „Neubewertung des Ministers“ deckt sich
keineswegs mit der Bewertung der „Oppositionspar-
tei“ SPD.

– S. 193: Die „Entlassung von GI und Staatssekretär“
am 25. November 2009 ist keineswegs erst nach der

Einsetzung des Ausschusses (2. Dezember 2009) er-

folgt, sondern vorher.

– S. 195: Gegenüber Minister zu Guttenberg waren
keineswegs „nur die positiven Beurteilungen darges-
tellt und kritische Betrachtungen ausgeblendet wor-

den“. Die Mehrheit verschweigt durchgängig, dass
Freiherr zu Guttenberg den überaus kritischen

COM ISAF-Bericht angeblich persönlich ausgiebig

gelesen und sich „intensiv mit diesem Bericht be-
fasst“ haben will (zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18,
Teil I, S. 32). Es muss wohl vermutet werden, dass

die Mehrheit ihm diese Einlassung selbst nicht ab-

nimmt. Auch den kritischen Bericht des Roten Kreu-

zes kannte er nach eigenen Angaben (zu Guttenberg,

Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 41).

– S. 199 und 199: Die Beweisaufnahme hat keine Hin-
weise darauf ergeben, dass der GI oder Staatssekretär

Dr. Wichert den Minister Dr. Jung „gedrängt“ hätten,
öffentlich zu behaupten, es seien ausschließlich Tali-

ban getötet worden und „die Presselinie vorerst bei-
zubehalten“. Einen Beleg für diese Behauptung bleibt
die Mehrheit denn auch schuldig.

– S. 201: Die Mehrheit behauptet, es seien keinerlei
Beiträge des damaligen Außenministers Dr. Stein-

meier „zur Beruhigung der Lage“ bekannt, während
die Bundeskanzlerin im Ausschuss die Aktivitäten

des damaligen Bundesaußenministers in der Sache

(öffentliche Äußerungen gegen Vorverurteilungen

und eine Vielzahl von Demarchen) ausführlich belo-

bigt hat (vgl. etwa Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49,

S. 44 f.).

– S. 206: Es wird unterschlagen, dass der UNAMA-
Bericht bereits 32 getötete Kinder unter 15 Jahren, al-

so unweigerlich Zivilisten, auflistet und der

UNAMA-Jahresbericht 2009 insgesamt 74 zivile To-

te benennt.

– S. 206: Der Bericht der AIHRC, der von der Bundes-
regierung zur Grundlage ihrer „freiwilligen humani-
tären Unterstützungsleistungen“ gemacht wurde und
der 22 getötete Kinder unter 15 Jahren als Opfer

ausweist, wird durch die Mehrheit vollständig igno-

riert, wenn nicht sogar bewusst verschwiegen.

– S. 206: Die Zeugin Dr. Erfan hat im Ausschuss sehr
wohl berichtet, dass die Angaben der Dorfbewohner

anhand von Dokumenten überprüft worden sind (vgl.

nur: Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11). Diese

Dokumente befinden sich in den Akten des Aus-

schusses (Mat. 17-74a).

– S. 207: Die Aussage des Zeugen A. M. zum Tod des
zweiten Fahrers wird verfälscht dargestellt, die die

Aussage des Zeugen bestätigenden Aktenstücke

(Mat. 17-11/11a, Anlagenband 1, Anl. 16, S. 2 und

Mat. 17-5a, S. 7) werden ignoriert und der Zeuge

unangemessen der Falschaussage bezichtigt.

– S. 208: Die Aussage der Piloten der B1-Bomber, dass
sie keine Waffen bei den Personen auf der Sandbank

hätten aufklären können, wird sachwidrig ignoriert

und das Gegenteil behauptet.

– S. 211: Es ist sachlich falsch, dass Oberst Klein nur
deshalb nicht „über den vollen Beraterstab verfügte“,
weil er die OPZ der TF 47 nutzte. Er hätte ohne wei-

teres Personal des PRT hinzuziehen können, wenn er

dies gewollt hätte.

– S. 211: Die Behauptung, die im PRT Kunduz ein-
satzbereite LUNA-Drohne hätte „keine ausreichende
Reichweite“ gehabt, ist frei erfunden und sachlich
falsch.

– S. 211: Es ist sachlich falsch, dass das Aufklärungs-
system HERON 1 dem deutschen Einsatzkontingent

zur Verfügung steht. Dieses kann vielmehr durch den

PRT-Kommandeur nur unter Einbindung des RC

North eingesetzt werden.

Diese Auflistung könnte fortgesetzt werden, jedoch wurde

die Essenz des Mehrheitsvotums in der Presse bereits gut

zusammengefasst:

„Wer über galligen Humor verfügt, wird sich viel-
leicht darüber amüsieren können, mit welcher

Schlichtheit die Koalitionsabgeordneten in ihrem

Berichtsentwurf zum Kunduz-Untersuchungsaus-

schuss ihre Schlüsse darlegen: Für sämtliche Feh-

ler in Zusammenhang mit dem tödlichen Luftang-

riff in Kunduz gebe es in der Bundeswehr, im ge-

samten Verteidigungsministerium, im Außen- und

im Kanzleramt genau zwei Verantwortliche: einzig

der frühere Generalinspekteur Wolfgang Schnei-

derhan und der ehemalige Staatssekretär Peter

Wichert haben sich demnach Fehler zuschulden

kommen lassen.“1415
1415) Bärbel Krauß, in: Stuttgarter Zeitung vom 5. Juli 2011: „Ein

Persilschein soll Guttenberg Türen offen halten“ (Dokument 184).
Drucksache 17/7400 – 218 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
In der Tat liest sich die Bewertung der Mehrheit über

weite Strecken wie eine Bittschrift für eine Beatifikation

des Freiherrn zu Guttenberg zu Lebzeiten angesichts

seiner überragenden Verdienste um die Befreiung des

Verteidigungsministerium von den jahrzehntelangen

diabolischen Aktivitäten des General Schneiderhan und

des Staatssekretärs Dr. Wichert, die nicht nur ihm, son-

dern auch seinen Vorgängern Berichte und Informationen

aus reinem Eigennutz bewusst vorenthalten haben sol-

len.
1416

Es verwundert nicht, dass das Mehrheitsvotum unmittel-

bar nach seiner Vorstellung auf harsche Kritik selbst aus

den eigenen Reihen der Koalition gestoßen ist: Wenn der

ehemalige CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe sich

nach Kenntnisnahme des Mehrheitsvotums bemüßigt

fühlt, das Papier der eigenen Koalition auf der Titelseite

der FAZ als „unrichtig“ und „unanständig“ zu geißeln und
seine Partei öffentlich „zu einer objektiven und fairen
Bewertung ohne politische Rücksichtnahme“ im Wege
einer Überarbeitung ihres Votums aufzufordern,

1417
so

spricht dies Bände.

Auch der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck

hat – ähnlich wie Rühe – das Mehrheitsvotum bereits
öffentlich kritisiert, die Koalition eindringlich zu einer

„aufrichtigen Aufarbeitung“ aufgefordert und die einseiti-
ge Schuldzuweisung gegenüber Schneiderhan und

Dr. Wichert zu Recht als „Farce“ entlarvt.1418

Diese ist nichts anderem geschuldet als dem blinden Be-

gehr, dem über seine öffentlichen Darstellungen zu sei-

nem inzwischen nachgewiesenen
1419

Täuschungsvorsatz

im Rahmen der Erstellung seiner Dissertation „gestürzten
Engel“1420 einen „Persilschein“ auszustellen, um damit
„die Rückkehr des gefallenen Hoffnungsträgers in die
Politik vorzubereiten“.1421

Da das Interesse der Koalition in diesem Ausschuss einzig

in der „Reinwaschung“ zu Guttenbergs liegt, war die von
Volker Rühe geforderte Überarbeitung des Mehrheitsvo-

tums nicht zu erwarten, auch wenn sich die FDP, die sich
1416) Mehrheitsbewertung, S. 183: „Die Art und Weise der Unterrich-

tung lässt den Schluss zu, dass GI und Staatssekretär dem neuen

Minister so wenig wie möglich über solche Fakten zum Luftschlag
informieren wollten, die sie für ihre Position als nicht zielführend

einschätzten.“. Hinsichtlich der Vorwürfe bezogen auf vorherige
Minister: vgl. etwa S. 181, 182 ff., 183 des Mehrheitsvotums:
„(…) wie teils eigenmächtig und selektiv schon Minister Dr. Jung
vom GI unterrichtet wurde (…)“.

1417) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Juli 2011
(Dokument 185).

1418) dpa-Tickermeldung vom 5. Juli 2011: „Struck attackiert Kundus-
Bericht“ (Dokument 186).

1419) So jedenfalls der sehr lesenswerte abschließende Bericht der

Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Universi-
tät Bayreuth vom 5. Mai 2011 auf Seite 13: „Nach eingehender
Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vor-

würfe stellt die Kommission fest, dass Herr Frhr. zu Guttenberg

die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob ver-
letzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat.“ (Dokument 187).

1420) So Peter Blechschmidt, in: Süddeutsche Zeitung vom 2. Juli 2011:

„Persilschein für Guttenberg“ (Dokument 188).
1421) Dies vermutet jedenfalls Bärbel Krauß, in: Stuttgarter Zeitung

vom 5. Juli 2011 unter Berufung auf „Verteidigungspolitiker der
Koalition“ (Fn. 1415, Dokument 184).

erkennbar „ziemlich lustlos“ an der Arbeit des Untersu-
chungsausschusses beteiligt hat,

1422
inzwischen öffentlich

bemüht, den Eindruck zu relativieren, Freiherr zu Gut-

tenberg habe keine Fehler gemacht.
1423

Hier stellt sich

allerdings die Frage, warum die FDP sich nicht vor der

Abgabe der Mehrheitsbewertung darum bemüht hat, an

dieser mitwirken zu dürfen.

Zwangsläufige Folge der einseitigen Ausrichtung des

Votums auf die „Weißwaschung“ zu Guttenbergs ist es,
dass für eine sachgerechte Aufklärung des eigentlichen

Untersuchungsgegenstandes, nämlich des Luftangriffs

selbst, kein Raum mehr blieb. Deshalb verzichtete die

Mehrheit darauf, die vielen neuen Erkenntnisse, die der

Ausschuss zum Luftangriff gewonnen hat, in die Bewer-

tung einzubeziehen. Nach wie vor wird so getan, als sei

Oberst Klein kein Vorwurf zu machen und sein Handeln

in dieser Nacht nicht zu beanstanden.

Grund dafür ist, dass es sowohl der Bundesregierung als

auch der Mehrheit im Ausschuss von Beginn an vor allem

darum ging, die Geschehnisse dieser Nacht in einem für

die beteiligten Soldaten möglichst günstigen Licht er-

scheinen zu lassen, was dazu führte, dass die Fakten häu-

fig beschönigt, verschleiert oder gar verfälscht worden

sind.

Durch willkürliche Beschränkungen der Aussagegeneh-

migungen vieler Zeugen, durch den nachträglichen Aus-

schluss der Öffentlichkeit von den meisten zentralen Zeu-

genvernehmungen und durch Behinderung sachgerechter

Untersuchungen mit windigen Verfahrensmanipulatio-

nen
1424

haben Bundesregierung und Ausschussmehrheit in

wenig überraschender Einmütigkeit alles versucht, um

einerseits wirkliche Aufklärung zu erschweren und ande-

rerseits darauf hinzuwirken, dass das öffentliche Interesse

im Laufe der Untersuchung möglichst vollständig

schwindet.

Die Beweggründe für dieses Vorgehen liegen auf der

Hand: Niemand will sich dem Vorwurf aussetzen, nicht

hinter unseren Soldatinnen und Soldaten zu stehen, die

sich in einem fraglos schwierigen und immer wieder

herausfordernden Kampfeinsatz befinden und täglich ihr

Leben aufs Spiel setzen. Niemand will verantwortlich

dafür sein, die „Moral der Truppe“ zu untergraben oder
nachhaltig zu schädigen. Niemand will den Stab über

Soldaten brechen, die nach wie vor fast täglich unter

einem von Deutschland aus kaum vorstellbaren Druck

gezwungen sind, lebensrettende oder -zerstörende Ent-

scheidungen zu treffen.

Den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gebührt

unser aller Respekt und Anerkennung. Sie haben Ans-

pruch darauf, dass das Parlament, das sie in diesen gefähr-

lichen Einsatz schickt, auch zu ihnen steht. Andererseits

ist aber niemandem damit gedient, die strukturellen Prob-
1422) So zu Recht: Peter Blechschmidt, in: Süddeutsche Zeitung vom 2.

Juli 2011 (Fn. 1420, Dokument 188).
1423) So jedenfalls der Obmann der FDP, Abg. Joachim Spatz, in:

Financial Times Deutschland vom 4. Juli 2011 (Dokument 189).

1424) Vgl. hierzu ausführlich unten ab Seite 297.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219 – Drucksache 17/7400

leme innerhalb der Bundeswehr und insbesondere auch

auf der politischen Führungsebene weiterhin zu ignorie-

ren.

Eines der wichtigsten Ziele dieses Untersuchungsverfah-

rens war es, klare Antworten auf die Frage zu geben,

welche Maßnahmen im Bereich des Bundesministeriums

der Verteidigung ergriffen werden müssen, um für die

Zukunft zu verhindern, dass sich ein Vorfall wie der von

Kunduz wiederholt – und zwar letztlich auch zum Schutze
der deutschen Soldatinnen und Soldaten.

Um diese Frage sachgerecht beantworten zu können, ist

es zwingend erforderlich, zunächst zu klären, was genau

sich in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 wirk-

lich ereignet hat, welche Fehler begangen wurden und

welche Versäumnisse festzustellen sind. Dieser notwen-

digen Analyse hat sich die Mehrheit schlichtweg verwei-

gert.

Dabei geht es nicht darum, die beteiligten Soldaten nach-

träglich bloßzustellen, anzuprangern oder öffentlich zu

verurteilen, sondern primäres Ziel ist es, den Vorgang so,

wie er sich nach der intensiven Beweisaufnahme des

Ausschusses darstellt, offen zu beschreiben. Es dürfen

keine zur Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen

Aspekte verschwiegen werden. Nur durch exakte Benen-

nung der Fakten können wirklich Lehren aus diesem

Vorfall gezogen werden, die sich nicht nur in Scheinmaß-

nahmen oder reiner Symbolpolitik erschöpfen. Leichtfer-

tigkeit in jede Richtung verbietet sich bei der Beurteilung

der Geschehnisse.

Und dazu reicht es nicht aus, wie der damalige Bundes-

verteidigungsminister Freiherr zu Guttenberg einfach

öffentlich pauschal und diffus auf die „Erheblichkeit von
Fehlern“ hinzuweisen, diese aber nicht klar zu benennen
und gleichzeitig zu betonen, dass den handelnden Solda-

ten persönlich kein Vorwurf gemacht werden könne.
1425

Diese durchgängig festzustellende Haltung der Bundesre-

gierung und auch der Mehrheit im Ausschuss, den Luft-

angriff zwar „politisch“ zu verurteilen, tatsächlich aber
keine Anhaltspunkte für Fehlverhalten der handelnden

Personen erkennen zu wollen, ist in sich widersprüchlich

und offenbart auch hier wieder das peinliche Bemühen

der Koalitionspolitiker, einschließlich der Bundeskanzle-

rin,
1426

sich durch unerträgliches Mäandern möglichst

unbeschädigt und ohne irgendwo anzuecken aus der Ver-

antwortung zu stehlen, auch wenn die Wahrheit dabei auf

der Strecke bleibt.

Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dienen

nicht einem Minister oder der Kanzlerin, sie dienen dieser

Republik, der parlamentarischen Demokratie. Das Parla-
1425) Vgl. Freiherr zu Guttenberg im Plenum des Deutschen Bundesta-

ges am 3. Dezember 2009, BT-PlPr. 17/9 (Fn. 1259, Doku-
ment 166), S. 682.

1426) Es lohnt sich, die Aussage der Bundeskanzlerin hierzu, in der sie

es vollbringt, sowohl die Erstbewertung des Ministers zu Gutten-
berg als auch die „Neubewertung“ gleichermaßen zu rechtferti-
gen, einmal nachzuvollziehen: Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49,

S. 57 ff., 88 f.

ment hat unsere Soldatinnen und Soldaten in diesen

schweren Einsatz entsandt. Die Bundeswehr ist eine Par-

lamentsarmee. Deshalb hat sie auch dem Parlament und

damit dem ganzen Volk Rechenschaft abzulegen.

Die Geschehnisse, die zu diesem fatalen Luftangriff ge-

führt haben, müssen deshalb öffentlich erkennbar werden.

Die Bürgerinnen und Bürger, in deren Auftrag die Bun-

deswehr letztlich handelt, haben einen Anspruch darauf,

dass deutlich festgestellt wird, was sich wirklich in dieser

Nacht mit vielen zivilen Todesopfern durch deutsches

Handeln zugetragen hat, auch wenn eine solche öffentli-

che Darstellung für die betroffenen Soldaten ungewohnt

ist und selbstverständlich persönlich sehr belastend sein

kann.

Dem kann aber nicht dadurch entgegengewirkt werden,

dass Kritik an ihrem Verhalten tabuisiert wird, weil genau

das dem besonderen Charakter der Bundeswehr entge-

gensteht. Als „Amtsträger in Uniform“ haben Soldaten im
Einsatz ein Recht darauf, dass ihnen die Eingriffsbefug-

nisse gewährt werden, die sie für ihren Einsatz benötigen.

Im Gegenzug müssen sie – wie andere Amtsträger (z. B.
Polizisten) auch – dazu bereit sein, die Einhaltung der
Grenzen dieser Eingriffsbefugnisse gegebenenfalls über-

prüfen zu lassen, wenn – wie im konkreten Fall – ihr
Handeln zu erheblichen internationalen Missverständnis-

sen führt und Folgen zeitigt, die über alles hinausgehen,

was bislang vorstellbar war. Die Fakten müssen öffentlich

benannt werden und auch die beteiligten Soldaten müssen

sich diesen stellen.

Da die Mehrheit diese Fakten nach wie vor eher schönt

oder verschweigt als offenlegt und auch in ihrer Bewer-

tung der Vorgänge in Afghanistan, Potsdam und Berlin

vor sachgerechten Aussagen zurückschreckt, bedarf es

zwingend dieses Sondervotums.

III. Der Luft-Boden-Angriff von Kunduz: Was
ist wirklich geschehen?

Am 4. September 2009 befahl der deutsche Kommandeur

des PRT Kunduz, Oberst Georg Klein, um 1.40 Uhr in der

Nacht den Abwurf von zwei 500-Pfund-Bomben auf zwei

zivile Tanklaster und die an den Lastern befindlichen

Personen. Die Tanklaster waren zuvor von Taliban ent-

führt worden, die sie in das etwa 30 km nordwestlich vom

PRT Kunduz liegende Dorf Gor Tepa verbringen wollten.

Die Laster hatten zum Zeitpunkt des Waffeneinsatzes seit

mehreren Stunden auf einer Sandbank im Fluss Kunduz

festgesteckt. Oberst Klein ging zu diesem Zeitpunkt da-

von aus, dass sich etwa 70 Personen auf der Sandbank

aufhielten, die nach Auskunft eines afghanischen Infor-

manten allesamt Aufständische gewesen sein sollten.
1427

Gleichzeitig nahm Oberst Klein jedoch nach eigenem

Bekunden auch an, dass es sich bei den Personen, die sich

in einiger Entfernung von den Tanklastern auf der Sand-

bank aufhielten, um „Unbeteiligte“ bzw. „Zivilisten“
gehandelt habe, weshalb er den Waffeneinsatz auch aus-
1427) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 45 und 56.

Drucksache 17/7400 – 220 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schließlich auf den Bereich unmittelbar an den Tanklas-

tern beschränkt sehen wollte. Wörtlich sagte er im Aus-

schuss:

„Ich ging davon aus, dass alle Personen, die sich
zu diesem Zeitpunkt um die Tanklaster befanden,

Teil der Operation der Aufständischen waren, und

alle Personen, die sich im weiteren Umfeld dort

bewegt hatten – das, was andere vielleicht als Zivi-
listen bezeichnen würden –, Unbeteiligte war-
en.“1428

Damit steht fest, dass Oberst Klein durchaus erkannte,

dass sich „unbeteiligte Personen“, also – aus völkerrech-
tlicher Sicht – Zivilisten, in dieser Nacht zumindest in der
Nähe der Sandbank aufhielten.

1429
1. Kein Zweifel an zivilen Opfern des Luftang-
riffs

Bis heute wird von Seiten der Bundesregierung in Frage

gestellt, ob es wirklich zivile Opfer im Zusammenhang

mit dem Bombenabwurf gegeben hat. Viele Zeugen von

Bundeswehr und Bundesregierung haben im Ausschuss

darauf verwiesen, dass man im Grunde nicht sagen könne,

ob überhaupt Zivilisten betroffen seien. Wirkliche Nach-

weise dafür gebe es nicht, und die Unterscheidung zwi-

schen Zivilisten und Taliban sei sowieso kaum zu leis-

ten.
1430

Selbst die Bundeskanzlerin steht bis heute auf dem

Standpunkt, dass es „keine Gewissheit“ in der Frage mög-
licher ziviler Opfer gebe. Allein bei Vornahme einer „po-
litischen Bewertung“ sei wohl davon auszugehen. Wört-
lich sagte die Bundeskanzlerin im Ausschuss:

„Nach allen mir vorliegenden Dokumenten gibt es
diese Gewissheit nicht. Aber ich gehe trotzdem,

wenn ich eine politische Bewertung vorzunehmen

habe, davon aus, dass wir davon ausgehen müs-

sen, dass es zivile Opfer gab. Aber ich kenne kein

Dokument, das von einer Gewissheit spricht.“1431

a) Politisch-taktisches Mäandern der Bun-
desregierung und der Mehrheit im Aus-
schuss

Dieser „Schlingerkurs“, der von Seiten der Bundesregie-
rung in dieser Frage eingeschlagen wurde und bis heute

gehalten wird, ist rein politisch-taktischem Kalkül ge-

schuldet: Angesichts der vielen unabhängigen Untersu-

chungen, die sämtlich zum Ergebnis gelangen, dass eine

große Zahl von Zivilisten getötet worden ist, verbietet
1428) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.

1429) Diese Aussage von Oberst Klein im Ausschuss wird durch die
Mehrheit einfach ignoriert, wenn sie behauptet, die Anwesenheit

von Zivilisten vor Ort sei durch Oberst Klein „ausgeschlossen“
worden, vgl. Mehrheitsbewertung, S. 207.

1430) Vgl. nur: Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 15; Schneiderhan,

Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8, 20; Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16,

Teil I, S. 15, 39; Dr. Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 73, 111-
112; Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, S. 74 f.; F., Protokoll-Nr. 35,

Teil II, S. 20.

1431) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, S. 74.

sich selbstverständlich die zunächst vom damaligen Ver-

teidigungsminister Dr. Jung eingeschlagene obskure

Linie, zivile Opfer pauschal ausschließen zu wollen. Aber

trotzdem will man sich – offenbar sowohl aus Rücksicht
auf die beteiligten und die beobachtenden Soldaten als

auch mit Blick auf mögliche Schadensersatzansprüche der

Opfer – die Version, dass es vielleicht doch nur Taliban
getroffen haben könnte, nach wie vor offenhalten.

Dieses Mäandern der Bundesregierung entpuppt sich als

rein taktisches Vorgehen und wird der Bedeutung des

Vorgangs nicht gerecht: Generös vorzugeben, aus politi-

scher Sicht habe es sicherlich zivile Opfer gegeben, aber

aus tatsächlicher Sicht sei dies dann doch wieder nicht so

sicher, verhöhnt die Opfer des tragischen Luftangriffs und

zeigt einmal mehr, wie sehr Verteidigungsministerium

und Bundeskanzleramt im Umgang mit diesem Vorgang

bis heute versagen.

b) Unzureichendes „Battle Damage Assess-
ment“ durch die Bundeswehr

Wenn man in diesem Zusammenhang dann noch anführt,

dass der Tod von Zivilisten nicht wirklich nachgewiesen

werden könne, weil die Spurensuche vor Ort keine foren-

sischen Beweise zur Identifizierung der Opfer hervorgeb-

racht habe, so ist dies angesichts des Umstands, dass ein

zeitnahes und gründliches „Battle Damage Assessment“
durch Oberst Klein nicht durchgeführt worden ist, schon

als zynisch zu bezeichnen.

Denn fest steht nach der Beweisaufnahme, dass Oberst

Klein bewusst auf die Durchführung einer solchen Wir-

kungsanalyse am Boden unmittelbar nach dem Bomben-

abwurf verzichtet hat, obwohl er davon ausging, dass die

Aufständischen ihre Opfer sehr schnell bergen und beiset-

zen würden
1432

und obwohl er aus Sicht seines Vorgesetz-

ten General Vollmer und dem für die Untersuchung des

Vorfalls zuständigen General Sullivan verpflichtet gewe-

sen wäre, unmittelbar nach dem Bombenabwurf eine

umfassende Wirkungsanalyse mit Bodentruppen vor Ort

durchzuführen und die afghanische Seite frühzeitiger über

den Luftschlag zu informieren.
1433

NATO-Verfahren sehen ein zeitnahes „Battle Damage
Assessment“ nach einem solchen Angriff vor, gerade um
zivile Opfer auszuschließen oder gegebenenfalls Erste

Hilfe leisten zu können.

Oberst Klein stand zumindest auch die Möglichkeit des

zeitnahen Einsatzes unbemannter Luftfahrzeuge (LUNA)

zur Verfügung, um den Angriffsort wenigstens per Video

zu überwachen bis Bodentruppen bei Tageslicht dorthin

hätten verlegen können, auch wenn er dafür einen Piloten

zur Steuerung der Drohne hätte wecken müssen.

Wenn die Ausschussmehrheit hingegen behauptet, die

LUNA-Drohnen hätten „keine ausreichende Reichweite“
gehabt,

1434
so ist dies entweder ein Zeichen grober militär-
1432) Klein, Protokoll-Nr. 6, S. 18.

1433) Vgl. Vollmer, Protokoll-Nr. 12, S. 82.

1434) Mehrheitsbewertung, S. 211.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221 – Drucksache 17/7400

fachlicher Unkenntnis oder ein Versuch, die Öffentlich-

keit in die Irre zu führen.

Oberst Klein musste stattdessen erst durch einen telefoni-

schen Befehl von General Vollmer im Laufe des Vormit-

tags zur Entsendung eigener Aufklärungskräfte zum Ab-

wurfort veranlasst werden,
1435

wobei die von General

Vollmer zur Unterstützung entsandten Feldjäger noch

nicht einmal an dieser Wirkungsanalyse teilnehmen durf-

ten
1436

und zudem bei Filmaufnahmen behindert wur-

den.
1437

Insofern war es auch nicht verwunderlich, dass

das Erkundungsteam beim Eintreffen an der Einschlag-

stelle einen „wie klinisch gereinigten Tatort“ vorfand, an
dem nur wenige Beweismittel zu sichern und kein einzi-

ger Verletzter oder Toter zu identifizieren war.
1438

c) Erkenntnisse der verschiedenen Untersu-
chungskommissionen

Nicht zuletzt aufgrund dieser Versäumnisse der Bundes-

wehr blieb zur Beantwortung der drängenden Frage nach

möglichen zivilen Opfern des Luftangriffs nur die Mög-

lichkeit, sich den tatsächlichen Opferzahlen durch Befra-

gungen von Dorfbewohnern aus der Umgebung zu nä-

hern. Hier hat sich in der Beweisaufnahme im Ausschuss

jedoch leider schon das nächste Problem offenbart:

Gegen Mittag des 4. September 2009 wurde unmittelbar

aus dem PRT Kunduz ein so genanntes „PsyOps-Team“
(„Tactical Psychological Operations Team“), also Solda-
ten, die für den Kontakt mit der einheimischen Bevölke-

rung besonders ausgebildet sind, in das in der Nähe des

Einschlagortes liegende Dorf Haji Sakhi Ded By entsandt,

um dort mit den Bewohnern zu sprechen.

Dieses Team hatte im Zuge dieser kurzen ersten Gesprä-

che auch bereits erfahren, dass aus diesem Dorf allein 14

Zivilpersonen getötet und vier schwer verletzt worden

sein sollen, nachdem sie von Aufständischen dazu ge-

zwungen worden waren, in der Nacht zu den Tanklastern

zu kommen. Auch Kinder sollten danach unter den Op-

fern gewesen sein, weil sie ihren Vätern aus Neugierde

auf die Sandbank gefolgt seien.
1439

Bemerkenswert ist dabei, dass diese Informationen zwar

bereits am Nachmittag des 4. September Oberst Klein

persönlich in einem Briefing übermittelt worden waren,

dass jedoch von Seiten der Bundeswehr daraufhin nichts

weiter unternommen wurde. Die Informationen wurden

von Oberst Klein nur kommentarlos – wenn auch augen-
scheinlich „bestürzt“1440 – zur Kenntnis genommen.

Aufträge, weitere Gespräche mit Dorfbewohnern zu füh-

ren, insbesondere in den umliegenden Dörfern (z. B.
1435) Klein, Protokoll-Nr. 6, S. 20.

1436) Br., Protokoll-Nr. 10, S. 37. Oberst Klein hat im Ausschuss dazu

bekundet, es habe sich um eine Entscheidung des Kompaniechefs
gehandelt, die er allerdings billige: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II,

S. 20.

1437) Br., Protokoll-Nr. 10, S. 38.
1438) Br., Protokoll-Nr. 10, S. 4.

1439) Be., Protokoll-Nr. 39, S. 31.

1440) Be., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 29.

Omar Khel, Issa Khel, Yaqub Bayi, Chand Ahar, Ess

Kahn, Sena Tepa, Spina, Char Shane, Wazir, Ajab Khan,

Halga Kol, Haji Abdurahman oder Gul Bagh), wurden

nicht erteilt. Außer diesem einen Dorf sind aus dem PRT

Kunduz heraus keine weiteren Dörfer besucht und keine

weiteren Gespräche geführt worden, obwohl der Leiter

des PsyOps-Teams in seinem schriftlichen Bericht aus-

drücklich darauf hingewiesen hatte, dass auch in anderen

Dörfern weitere Opfer zu vermuten seien.
1441

Insofern musste sich nach der Beweisaufnahme des Aus-

schusses der Eindruck aufdrängen, dass es keinem der

Verantwortlichen im PRT Kunduz ein wirkliches Anlie-

gen war, die tatsächlichen Folgen des Luftangriffs mög-

lichst schnell, umfassend und vor allem vorbehaltlos

aufzuklären.

Die weitere Aufklärung der Folgen des Luftschlags wurde

insofern auch nicht mehr durch Angehörige der Bundes-

wehr vorgenommen, sondern hier mussten andere Organi-

sationen und Gruppen – leider in einem unkoordinierten
Nebeneinander – tätig werden:

– Der Bericht der Vereinten Nationen, der „United
Nations Assistance Mission in Afghanistan“
(UNAMA), listet insgesamt 142 Geschädigte auf

(109 Tote und 33 Verletzte, darunter mindestens 74

Zivilisten, davon 32 getötete Kinder unter 15 Jah-

ren).
1442

– Der Bericht der Regierungskommission der Islami-
schen Republik Afghanistan für Präsident Karsai

spricht von insgesamt 99 Toten (69 tote Taliban, 30

tote Zivilisten) und 20 Verwundeten (11 verwundete

Taliban, 9 zivile Verwundete).
1443

– Der von der Mehrheit in ihrem Votum einfach unter-
schlagene Bericht der unabhängigen afghanischen

Menschenrechtskommission AIHRC („Afghanistan
Independent Human Rights Commission“) listet 102
Tote als Opfer des Luftangriffs auf, davon 22 getötete

Kinder unter 15 Jahren.
1444

– Ein weiterer – eingestufter – Bericht benennt 90
Geschädigte insgesamt (74 Tote und 16 Verletz-

te).
1445

– Auch der Journalist Christoph Reuter und der Foto-
graf Christoph Mettelsiefen haben für ihren Bildband

„Kunduz, 4. September 2009 – Eine Spurensuche“1446
recherchiert, dass 90 Zivilisten durch den Luftschlag
1441) Be., Protokoll-Nr. 39, S. 28.

1442) UNAMA-Bericht über die Folgen des Angriffs (Fn. 523, Doku-
ment 78), in Verbindung mit dem UNAMA-Jahresbericht 2009:

UNAMA, Human Rights Kabul, Annual report on Protection of

Civilian in armed conflict, 2009, Januar 2010 (Fn. 525, Doku-
ment 79), S. 17 f. Der Jahresbericht 2009 wird durch die Mehrheit

einfach ignoriert (Mehrheitsbericht, S. 206).

1443) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53).
1444) AIHRC (Fn. 551, Dokument 82).

1445) So der Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim

Bundesgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 39.
1446) Marcel Mettelsiefen und Christoph Reuter, Kunduz,

„4. September 2009 – Eine Spurensuche“, Rogner & Bernhard
GmbH & Co. Verlags KG, Berlin, 1. Auflage, April 2010.
Drucksache 17/7400 – 222 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
getötet worden sind. Dabei beschränkten sie sich al-

lerdings darauf, Verletzte und Hinterbliebene in

Kunduz zu treffen und dort zu befragen und zu foto-

grafieren. Aufgezählt sind nur fünf Dörfer, aus denen

diese insgesamt 90 Geschädigten stammen.

– Als Vertreter der Geschädigten hat Rechtsanwalt
Karim Popal beim Generalbundesanwalt eine doku-

mentierte Liste von insgesamt 113 getöteten und sie-

ben verletzten Zivilisten vorgelegt.
1447

– Auch die Ermittlungen eines Teams um die Zeugin
Dr. Habbibe Erfan, die es als Mitglied des Provinz-

rats Kunduz auf sich genommen hatte, die Folgen des

Luftangriffs für die örtliche Bevölkerung aufzuklä-

ren, haben zu dem Ergebnis geführt, dass es insge-

samt 199 Geschädigte (179 Tote und 20 Verletzte)

gegeben hat, wobei davon 113 Personen als getötete

und sieben Personen als verletzte Zivilisten erkannt

werden konnten. 25 bis 26 der Getöteten sollen nach

diesen Ermittlungen Kinder unter 15 Jahren gewesen

sein.
1448

Die Annahme, dass auch Kinder unter 15 Jahren unter den

Opfern gewesen waren, wird zudem durch die Ermittlun-

gen eines militärischen Untersuchungsteams bestätigt, das

bei seinem Besuch des Krankenhauses von Kunduz am

5. September 2009 einen offensichtlich durch den Bom-

benabwurf verletzten zehnjährigen Jungen vorfand, der

sich – gegen den ausdrücklichen Rat seines Vaters – in
der Nacht mit anderen Dorfbewohnern auf den Weg zu

den Tanklastern begeben hatte, nachdem er gehört hatte,

dass dort kostenlos Benzin verteilt würde.
1449

Im Krankenhaus wurde noch ein etwa 20-jähriger Farmer

angetroffen, der mit 15 anderen Dorfbewohnern zu den

Tanklastern gegangen war, nachdem sein Dorf ebenfalls

einen Telefonanruf erhalten hatte, wonach an den Tank-

lastern kostenlos Benzin verteilt würde. Dieser Farmer

berichtete, dass er in der Nacht zwischen 200 und 300

Personen an den Tanklastern gesehen habe. Die Darstel-

lungen des Jungen und des Farmers wurden gegenüber

dem Team jeweils von einem weiteren Zeugen bestätigt.

d) Ergebnis zu den zivilen Opfern

Angesichts der erkennbaren Abweichungen der Ergebnis-

se all dieser Untersuchungen und den unklaren Hinter-

gründen der benannten Personen könnte man es sich

leicht machen und wie die Bundesregierung den Schluss

ziehen, es stehe noch nicht einmal mit Sicherheit fest, ob

überhaupt Zivilisten unter den Opfern des Luftangriffs

gewesen seien. Dabei werden jedoch mehrere entschei-

dende Fakten verkannt:

– Im Ausschuss wurde durch den einzigen wirklichen
Augenzeugen des Bombenabwurfs, den überlebenden

zivilen Lastwagenfahrer A. M., glaubhaft berichtet,
1447) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts (Fn. 122, Doku-

ment 52), S. 39.

1448) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.

1449) Mat. 17-12/12a, S. 5.

dass der zweite zivile Lastwagenfahrer namens Hou-

mayoun unmittelbar durch den Bombenabwurf ums

Leben kam, weil er sich zum Zeitpunkt des Ein-

schlags in der Fahrerkabine eines der zerstörten

Lastwagen befunden hatte.
1450

Die davon abweichende Aussage des Bruders des ge-

töteten Fahrers, der behauptet haben soll, dass die Ta-

liban seinen Bruder umgebracht hätten, wurde durch

den Zeugen A. M. plausibel erklärt.
1451

Die Aussage des Zeugen im Ausschuss konnte zudem

durch die vom Ausschuss beigezogenen Akten verifi-

ziert werden: Zum einen findet sich in einer Ge-

sprächsnotiz vom 4. September 2009 des Feldjäger-

führers im Einsatz, des Zeugen Br., bereits ein Hin-

weis darauf, dass es sich bei einer der auf der Polizei-

station Kunduz befindlichen verbrannten Leichen um

„einen der beiden Fahrer aus dem Führerhaus eines
der Tanklastwagen“ gehandelt haben soll.1452 Zum
anderen wurde auch im Bericht der afghanischen Un-

tersuchungskommission für Präsident Karsai vom

10. September 2009 ausdrücklich erwähnt, dass der

Fahrer H. bei der Bombardierung „ums Leben ge-
kommen“ sei.1453

Die Mehrheit unterschlägt in ihrem Votum diese Er-

kenntnisse aus den Akten und bezichtigt den überle-

benden Lastwagenfahrer, den Zeugen A. M., stattdes-

sen, vor dem Ausschuss die Unwahrheit gesagt zu

haben.
1454

Dieses Vorgehen bedarf keiner weiteren

Kommentierung.

– Dass der Zeuge A. M. selbst als Verletzter zu den
zivilen Opfern des Luftangriffs zählt, dürfte nach sei-

ner Zeugenvernehmung im Ausschuss auch nicht zu

bezweifeln sein.

– Darüber hinaus ist es zwar richtig, dass die Frage, ob
es sich bei den Opfern jeweils um Taliban oder um

Zivilisten handelt, nicht immer einfach zu beantwor-

ten ist. Festzustellen bleibt aber, dass die durchge-

führten Untersuchungen unabhängig voneinander zu

dem Ergebnis gelangen, dass eine beträchtliche An-

zahl von Kindern unter 15 Jahren Opfer des Luftang-

riffs geworden sind:

Auf der Liste der AIHRC finden sich die Namen von

22 getöteten Kindern unter 15 Jahren
1455

, Frau

Dr. Erfan hat 25 bis 26 Kinder unter 15 Jahren als

Opfer ermittelt und die Vereinten Nationen
1450) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3 ff., 16.

1451) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 16.
1452) Mat. 17-11/11a, Anlagenband 1, Anlage 16 (Dokument 65), S. 2.

1453) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53), S. 7.
1454) Mehrheitsbewertung, S. 207 f.
1455) Ein Neunjähriger, drei Zehnjährige, zwei Elfjährige, drei Zwölf-

jährige, drei Dreizehnjährige und zehn Vierzehnjährige, AIHRC-

Bericht (Fn. 1444, Dokument 82).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 223 – Drucksache 17/7400

(UNAMA) listen sogar 32 Kinder unter 15 Jahren
1456

namentlich als Opfer des Luftschlags auf.

Dabei hat sich beispielsweise das Untersuchungsteam

des Provinzrats Kunduz bei der Frage der Anzahl der

betroffenen Schulkinder nicht nur auf die Angaben

der Eltern verlassen, sondern diese zusätzlich noch

mit Direktoren und Lehrern der betroffenen Schulen

abgeglichen.
1457

Die Auffassung, Kinder unter 15 Jahren seien als „Tali-
ban“ oder als „Anhänger“ eines der vier angeblich bei den
Tanklastern befindlichen Talibanführer einzuordnen,

kann auch die Bundesregierung – insbesondere mit Blick
auf die Regeln des humanitären Völkerrechts, nach denen

Kinder unter 15 Jahren grundsätzlich als Zivilisten anzu-

sehen sind und nicht an Feindseligkeiten beteiligt werden

dürfen,
1458

– nicht ernsthaft vertreten. Insofern liegt die
Frage auf der Hand, warum es die Bundesregierung bis

heute nicht vermag, klar und deutlich festzustellen, dass

der Luftangriff auch eine Vielzahl von Opfern unter der

Zivilbevölkerung zur Folge hatte.

Richtigerweise ist dies nach der Beweisaufnahme dieses

Ausschusses nicht mehr in Frage zu stellen. Es ist viel-

mehr davon auszugehen, dass zumindest die beiden zivi-

len Lastwagenfahrer Opfer des Luftangriffs sowie darüber

hinaus mindestens 22 Kinder unter 15 Jahren, also ein-

deutig Zivilisten, durch den Luftangriff getötet worden

sind.

Bemerkenswert ist dabei, dass insbesondere die Untersu-

chung der AIHRC, welche die Bundesregierung selbst

ihren „freiwilligen humanitären Unterstützungsleistun-
gen“ – also ihren eigenen verschleierten Entschädigungs-
zahlungen – zu Grunde legt, die Zahl von 22 getöteten
Kindern festgestellt hat.

Die genaue Zahl der durch den Luftangriff getöteten Zivi-

listen, die damit zwischen 23 und 113 liegen dürfte, war

mit den eingeschränkten Möglichkeiten des Ausschusses

nicht zu bestimmen. Es spricht aber Vieles dafür, die

umfangreichen und plausiblen Untersuchungen des Pro-

vinzrats von Kunduz, dessen Mitglied Dr. Habibe Erfan

im Ausschuss persönlich über die Untersuchungen berich-

tet hat, für die Antwort auf die Frage der Anzahl der zivi-

len Opfer heranzuziehen. Denn diese erschöpften sich

nicht nur – wie von der Ausschussmehrheit in ihrem Vo-
1456) Vier Neunjährige, fünf Zehnjährige, drei Elfjährige, vier Zwölf-

jährige, sechs Dreizehnjährige und zehn Vierzehnjährige,

UNAMA-Bericht (Fn. 523, Dokument 78).
1457) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, S. 3.

1458) Vgl. etwa: Artikel 38 Abs. 1 des VN-Übereinkommens über die

Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (Kinderrechtskon-
vention, BGBl. 1992 II, S. 122, 990); Artikel 14 des Genfer Ab-

kommens vom 12. August 1949 zum Schutz von Zivilpersonen in

Kriegszeiten (BGBl. 1954 II, S. 917 und BGBl. 1956 II, S. 1586);
Artikel 77 Abs. 2 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Ab-

kommen vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 968, 1367); Artikel

4 Abs. 3 lit. c) und d) des Zweiten Zusatzprotokolls vom 8. Juni
1977 (BGBl. 1990 II, S. 1637, 1991 II, S. 968), wobei Artikel 4

inzwischen als Völkergewohnheitsrecht anzusehen ist, oder § 8

Abs. 1 des deutschen Völkerstrafgesetzbuchs.

tum fälschlich behauptet
1459

– in der Zusammenstellung
der Berichte der Dorfbewohner, sondern es wurde ver-

sucht, für jeden Einzelfall auch entsprechende Dokumente

wie Personal- oder Wahlausweise zusammenzustellen, die

sich auch in den vom Ausschuss beigezogenen Akten

befinden.
1460

Da die Taliban in Afghanistan rigoros zum Wahlboykott

aufgerufen hatten,
1461

liegt es nahe anzunehmen, dass es

sich bei den 60 Opfern des Luftangriffs, für die Wahlaus-

weise aufgefunden werden konnten, kaum um Mitglieder

einer militärisch organisierten bewaffneten Gruppe der

Taliban gehandelt haben dürfte.

In Anbetracht dessen erscheint eine Mindestzahl von 84

zivilen Opfern des Luftangriffs (ein getöteter und ein

verletzter ziviler Fahrer, 22 getötete Kinder unter 15 Jah-

ren, 60 Dorfbewohner mit Wahlausweisen) wahrschein-

lich.

Aber auch hinsichtlich der von Frau Dr. Erfan ermittelten

Gesamtzahl der Todesopfer von 113 Personen kann nach

der Beweisaufnahme des Ausschusses zumindest nicht

ausgeschlossen werden, dass es sich auch bei den restli-

chen Personen um Zivilisten gehandelt haben könnte,

auch wenn nicht für alle diese Personen Wahlausweise

oder andere Dokumente gefunden werden konnten.

Es bestand für den Ausschuss wegen der schwierigen und

sehr unterschiedlichen Schreibweisen der Namen keine

Möglichkeit, die Namenslisten der verschiedenen Berich-

te im Einzelnen miteinander abzugleichen. Dies war aber

letztlich auch nicht Aufgabe dieses Untersuchungsaus-

schusses. Jedenfalls ist die Behauptung, es könne nicht

mit der von der Bundeskanzlerin benannten „Gewissheit“
nachgewiesen werden, dass überhaupt Zivilisten betroffen

seien, eindeutig widerlegt.

2. Die Fehler und Versäumnisse im Zusam-
menhang mit dem Luft-Boden-Angriff von
Kunduz in der Nacht vom 3. auf den
4. September 2009

Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat eine Vielzahl von

Informationen zu Tage gefördert, die vorher nicht bekannt

waren. Es hat sich zudem gezeigt, dass der Generalbun-

desanwalt bei der Prüfung einer möglichen Strafbarkeit

des Verhaltens von Oberst Klein teilweise von Fakten

ausgegangen ist, die sich so im Ausschuss nicht verifizie-

ren ließen.
1462

Deshalb werden im Folgenden noch einmal
1459) Mehrheitsbewertung, S. 206.

1460) Mat. 17-74a, Akten Generalbundesanwalt beim BGH, Anlagen-
band 1 & 2 zum Sachakten-Sonderband „Geschädigtenvertreter“.

1461) Vgl. nur: „Zum Wahltag Sprengsätze“, in: die Tageszeitung vom
20. August 2009; „Karsai setzt für den Wahlsieg auf einen be-
rüchtigten Kriegsherrn“, in: Die Welt vom 18. August 2009;
„Bundeswehr verstärkt den Schutz der afghanischen Wahlen“, in:
Die Welt vom 15. August 2009 oder „Mit Demokratie haben die-
se Wahlen wenig zu tun“, in: Neue Zürcher Zeitung vom 19. Au-
gust 2009.

1462) Falsch ist beispielsweise, dass der eine zivile Fahrer bereits bei
der Ergreifung der Tanklaster durch die Taliban erschossen wor-

den sein soll (Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts

beim Bundesgerichtshof, siehe oben: (Fn. 122, Dokument 52)

Drucksache 17/7400 – 224 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die wesentlichen Eckpunkte des Geschehens zusammen-

gestellt, wobei der Schwerpunkt auf die Informationen

gelegt wird, die erforderlich sind, um die in der Nacht

begangenen Fehler und Versäumnisse zu erkennen und

Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen.

a) Ort des Geschehens und handelnde Per-
sonen

Der Luft-Boden-Angriff auf die beiden

Tanklaster und die dort befindlichen

Personen in der Nacht vom 3. auf den

4. September 2009 wurde von der Takti-

schen Operationszentrale („Tactical
Operation Center“ – TOC) der Task
Force 47 im PRT Kunduz aus durchge-

führt.

Die Tanklaster befanden sich zum Zeit-

punkt des Bombenabwurfs auf einer

Sandbank in der Mitte des Flusses Kun-

duz, etwas mehr als 7,2 Kilometer süd-

westlich vom PRT entfernt. Die genaue

Lage ist der folgenden Übersichtskar-

te
1463

zu entnehmen:
S. 16 und 32; dass die Tanklaster durch die Aufständischen „in
Brand gesetzt werden“ sollten, wird nicht erwähnt; Aussagen der
B1-B-Piloten zur Unmöglichkeit der Aufklärung von Waffen
werden nicht angemessen berücksichtigt (S. 21 f.); dem ALO

wird fälschlich zugeschrieben, er habe die Betroffenheit eigener

oder befreundeter Kräfte ausgeschlossen (S. 22 f.); die dem Waf-
feneinsatz zugrundegelegte ROE 429 (offensiv) wird nicht be-

rücksichtigt; Transkripte der Gespräche des JTAC mit den F15-

Piloten werden nicht ausgewertet; unterschiedliche Überzeugun-
gen der handelnden Personen über den Aufenthaltsort der

HUMINT-Quelle werden nicht angesprochen, obwohl dieser für

den GBA zumindest nach dem Luftangriff doch von besonderer
Bedeutung zu sein schien (vgl. S. 37).

1463) Mat. 17-74a, Sonderband Sachakten Geschädigtenvertreter,

Ordn. 1, S. 372.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225 – Drucksache 17/7400

Beim PRT Kunduz handelt es sich um das „Provincial
Reconstruction Team“ (Regionales Wiederaufbauteam)
Kunduz, wie das Bundeswehr-Feldlager genannt wird, das

etwa sieben Kilometer südlich der Stadt Kunduz auf ei-

nem Hochplateau liegt und das bereits im Oktober 2003

durch die Bundeswehr von den US-Streitkräften über-

nommen worden war.

Die Task Force 47 ist eine deutsche Spezialkräfteeinheit

unter dem Kommando der „Führung Operationen von
Spezialkräften“ (FOSK) in Potsdam, die im Einsatzbe-
reich des Regionalkommandos Nord operiert und zum

Teil im Feldlager Kunduz stationiert ist, wo sie über eine

eigene Taktische Operationszentrale verfügt. Auftrag der

Task Force 47 ist es, das Bild über die Lage der gegneri-

schen Netzwerke im Einsatzraum des Deutschen Einsatz-

kontingents zu verdichten und Informationen über Perso-

nen, die mit Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte und

die afghanische Staatsgewalt in Verbindung stehen, zu

verifizieren. Dabei gehen die Angehörigen der TF 47 bei

Vorliegen der im ISAF-Regelwerk festgelegten Kriterien

auch gegen diese Personen aktiv vor, allerdings wegen

einer deutschen Selbstverpflichtung ausschließlich mit

dem Ziel der „Festsetzung“, keinesfalls mit dem Ziel der
Tötung dieser Personen.

1464
Die folgenden Personen aus dem Feldlager Kunduz waren

in dieser Nacht an dem Angriff auf die beiden Tanklaster

beteiligt:

– Oberst Klein war der Kommandeur des PRT Kunduz
und der oberste militärische Führer an diesem Abend.

Er hat am 4. September 2009 um 01.40 Uhr den Be-

fehl zum Bombenabwurf auf die beiden Tanklaster

und die dort befindlichen Personen erteilt. Dabei ging

er aufgrund der Angaben einer afghanischen Kon-

taktperson („HUMINT-Quelle“)1465, die von den
Feldnachrichtenkräften der Task Force 47 geführt

wurde, davon aus, dass es sich bei den Personen un-

mittelbar an den Tanklastern um Aufständische (Ta-

liban oder deren Anhänger) gehandelt hatte und sich

keine Zivilisten an den Tanklastern befanden. Ande-

rerseits bekundete er jedoch auch, dass er in der

Nacht davon ausgegangen sei, dass die Personen, die

sich etwas weiter entfernt von den Tanklastern auf-

hielten „Unbeteiligte“ bzw. Zivilisten gewesen seien.
Deshalb habe er die Waffenwirkung auch unmittelbar

auf die Tanklaster begrenzt.

– Hauptfeldwebel W. war der Fliegerleitoffizier („Joint
Terminal Attack Controller“, JTAC), über den sämt-
liche Kommunikation mit den Piloten des B1-

Bombers und der beiden F15-Bomber sowie mit dem

ISAF-Gefechtsstand für Luftunterstützung in Kabul

(„Air Support Operations Center“, ASOC) durchge-
führt wurde. Hauptfeldwebel W. hat auch den Befehl

Oberst Kleins zum Bombenabwurf an die Piloten der

F15-Bomber weitergegeben. Er war Angehöriger des
1464) Vgl. nur: BT-Drs. 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 7 und 10; 17/3008,

S. 50; Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.

1465) HUMINT=„Human Intelligence“, also Aufklärung durch men-
schliche Quellen.

PRT Kunduz, hatte die Task Force 47 jedoch zuvor

bereits mehrfach unterstützt, kannte also die dort

handelnden Personen.

– Hauptmann N. war zum damaligen Zeitpunkt der
ranghöchste Offizier der „Feldnachrichtenkräfte“ der
Task Force 47 im PRT Kunduz und als Schichtführer

gleichrangig neben Oberst Klein gestellt.
1466

Als J2X-

Nachrichtendienstoffizier für das „Field HUMINT
Team“ (FHT) der TF 47 war er in dieser Nacht dafür
zuständig, die Informationen der afghanischen Kon-

taktperson zu bewerten und an den militärischen Ent-

scheider, Oberst Klein, weiterzugeben. Hauptmann N.

sprach jedoch zu keinem Zeitpunkt direkt mit der

afghanischen Kontaktperson, die er auch persönlich

nicht kannte, sondern erhielt deren Informationen nur

mittelbar über zwei so genannte „HUMINT-
Kollektoren“ der Task Force 47.

– Die Zeugen Hauptfeldwebel S. und Oberfeldwebel F.
fungierten in dieser Nacht als „HUMINT-
Kollektoren“, d. h. ihnen wurden die Aussagen des
Informanten durch den Sprachmittler (Übersetzer),

der mit diesem telefonierte, mitgeteilt und sie über-

mittelten diese Informationen dann an Hauptmann N.,

von dem sie weitere Fragen für den Informanten er-

hielten, die sie wiederum über den Sprachmittler an

diesen weitergaben.

– Der Zeuge M. M. war zum damaligen Zeitpunkt als
Sprachmittler in der Task Force 47 eingesetzt. Er war

nicht sicherheitsüberprüft, so dass er die TOC der

Task Force 47 nicht betreten durfte. Der Zeuge hat

als einziger direkt mit dem afghanischen Informanten

am Telefon gesprochen. Er fungierte ausschließlich

als Übersetzer und hat der Kontaktperson keine eige-

nen Fragen gestellt, sondern nur diejenigen Fragen

weitergegeben, die ihm von den beiden Kollektoren

auf Geheiß von Hauptmann N. gestellt worden sind.

Die Aussagen des Informanten hat er ausschließlich

an die beiden Kollektoren weitergegeben. Einen di-

rekten Kontakt mit Oberst Klein oder mit Hauptmann

N. hatte der Sprachmittler nicht.

b) Sorgloser Umgang mit der Warnmeldung
im Vorfeld

Bereits am Morgen des 3. September 2009 ging bei der

Task Force 47 die Mitteilung eines Informanten ein, nach

der Aufständische unter der Führung eines den Angehöri-

gen der TF 47 bekannten Talibanführers in der Nacht

vom 2. auf den 3. September mehrere Hinterhaltstellun-

gen eingerichtet hätten – eine davon an der Stelle, an der
später am Nachmittag des 3. September die Tanklaster

entführt worden sind.

Die in der TF 47 eingegangene Warnmeldung wurde auch

an das PRT Kunduz weitergeleitet, doch die Beweisauf-

nahme im Ausschuss hat gezeigt, dass weder Angehörige

der Task Force noch Mitarbeiter des PRT auf Grundlage
1466) So jedenfalls: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 33.

Drucksache 17/7400 – 226 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dieser Warnmeldung irgendetwas unternommen haben:

Die Meldung wurde nicht weitergegeben, geplante Trans-

porte auf dieser Strecke wurden nicht überprüft, andere

Stellen wurden nicht gewarnt, obwohl dies eigentlich die

regelmäßig zu erwartende Vorgehensweise gewesen wäre.

Die Information über den Hinterhalt ist sozusagen im

Feldlager „versickert“, so dass die zivilen Tanklaster der
Firma Mir Bacha Kot, die mit Treibstoff für einen zivilen

Logistikpartner der ISAF-Truppen in Kabul beladen war-

en, ahnungslos gegen 15.30 Uhr in den vorbereiteten

Hinterhalt fuhren.

Dies verwundert umso mehr, als sich in der Beweisauf-

nahme herausstellte, dass es sich bei diesem Informanten

um eben jene – von allen Beteiligten immer wieder als
besonders zuverlässig bezeichnete – Kontaktperson ge-
handelt hatte, der Oberst Klein und Hauptmann N. im

weiteren Verlauf der Nacht so sehr vertrauten, dass

Oberst Klein sich allein auf ihre Versicherung, am Ab-

wurfort der Bomben befänden sich ausschließlich Taliban

und keine Zivilisten, zum Bombenabwurf legitimiert

sah.
1467

c) Die problematische Agenda des Haupt-
mann N. – „Der Schwanz wedelt mit dem
Hund“

Am Nachmittag des 3. September 2009, gegen 15.30 Uhr,

bemächtigte sich eine Gruppe von etwa zwölf bis 15 Tali-

ban an dem gemeldeten Hinterhalt der zwei Tanklaster

mit dem Ziel, diese über den Fluss Kunduz in Richtung

Nordwesten zu verbringen.

Entgegen den ursprünglich öffentlich kolportierten Infor-

mationen hat die Beweisaufnahme im Ausschuss erwie-

sen, dass keiner der beiden zivilen Lastwagenfahrer durch

die Taliban getötet wurde. Einer der Lastwagenfahrer

starb vielmehr erst später, unmittelbar durch den Bom-

benabwurf.
1468

Der überlebende Lastwagenfahrer hat im

Ausschuss als Zeuge glaubhaft berichtet, dass er und der

andere Fahrer durch die Taliban gezwungen wurden, die

Fahrzeuge in Richtung Gor Tepa zu verbringen. Ihnen sei

gesagt worden, man sei nur an den Lastwagen und deren

Inhalt interessiert und lasse sie wieder frei, sobald sie

ihren Zielort erreicht hätten.
1469

Gegen 18.15 Uhr blieben die Tanklaster bei dem Versuch,

sie auf die Westseite des Flusses Kunduz – weg vom
Feldlager – zu verbringen, auf einer Sandbank in der
Mitte des Flusses stecken. Sämtliche Versuche, die Tank-

laster aus dem Schlamm zu befreien, scheiterten.

Gegen 20.00 Uhr lief im Feldlager Kunduz die erste Mel-

dung ein, dass zwei Tanklaster durch Taliban entführt

worden seien. Es handelte sich dabei um die Mitteilung

jenes Informanten der Task Force 47, auf den sich Oberst
1467) Vgl. M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 3; Sch., Protokoll-Nr. 33,

Teil II, S. 35.

1468) A. M., Protokoll-Nr. 39, S. 3 ff., 16; Mat. 17-11/11a, Anlagenband
1, Anlage 16 (Dokument 65), S. 2; Mat. 17-5a (Dokument 53),

S. 7.

1469) A. M., Protokoll-Nr. 39, S. 4.

Klein auch später im Laufe der Nacht stützte und der

bereits am Morgen den Hinweis auf die eingerichteten

Hinterhalte an die TF 47 gegeben hatte.
1470

Dieser Informant, die so genannte „Kontaktperson“ oder
„HUMINT-Quelle“, rief den Sprachmittler der TF 47 an
und berichtete bereits zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich

davon, dass die Taliban beabsichtigten, die Lastwagen

über den Fluss vom PRT Kunduz weg zu verbringen. Der

Informant behauptete – ausweislich der schriftlichen
Berichte über diese Gespräche

1471
– mit keinem Wort, es

bestehe die Gefahr, dass die Lastwagen unmittelbar gegen

das PRT Kunduz eingesetzt werden könnten. Er betonte

vielmehr, es sei beabsichtigt, die Lastwagen, die zu die-

sem Zeitpunkt bereits auf der Sandbank feststeckten und

deren Position der Informant kannte,
1472

in das mehr als

30 km nordwestlich vom PRT Kunduz gelegene Gor

Tepa zu verbringen.

Oberst Klein wurde gegen 20.30 Uhr durch seinen eige-

nen Nachrichtendienstoffizier, den Zeugen Oberstleutnant

K., der zuvor durch Hauptmann N. von der Task Force 47

über diese Meldung der Kontaktperson unterrichtet wor-

den war, von der Entführung der Laster in Kenntnis ge-

setzt.

An diesem Abend wurde die Operationszentrale der

TF 47 dazu genutzt, mittels eines B1-Bombers (B1-B)

nach einem liegengebliebenen Fahrzeug des PRT Kunduz

zu suchen, weil man es zerstören wollte, damit es nicht in

die Hände der Aufständischen falle. Anlässlich dieser

Suche wurde Oberst Klein gegen 21.30 Uhr in die Opera-

tionszentrale der TF 47 gerufen, wo er sich jedoch ent-

schied, das aufgespürte Fahrzeug des PRT nicht zu zerstö-

ren, weil er zu starke Kollateralschäden befürchtete. Da-

bei bekundeten sämtliche Zeugen, dass der Befehlsstand

der Task Force nur deshalb benutzt worden sei, weil er

über eine erheblich bessere technische Ausstattung ver-

fügt habe als die Operationszentrale des PRT.
1473

Nach diesem abgebrochenen Einsatz wurde Oberst Klein

nun von Hauptmann N., dem zu diesem Zeitpunkt rang-

höchsten Offizier der Task Force 47 im Feldlager Kun-

duz, vorgeschlagen, dass man den B1-Bomber doch dazu

nutzen könne, nach den entführten Tanklastern zu suchen,

auf die er von einem afghanischen Informanten hingewie-

sen worden sei.
1474

Dabei hat die Beweisaufnahme das bemerkenswerte De-

tail zu Tage gefördert, dass Hauptmann N. diesen Vor-

schlag vor allem deshalb unterbreitete, weil er die

„Glaubwürdigkeit“ und Zuverlässigkeit dieses Informan-
ten überprüfen wollte:
1470) Vgl. M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 3; Sch., Protokoll-Nr. 33,

Teil II, S. 35.
1471) Mat. 17-10a, Anhang G, Anlage 17 (offen, Dokument 55).

1472) Vgl. N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59 und 62.

1473) Vgl. nur: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9; N., Protokoll-Nr. 8,
Teil II, S. 8, 13, 50.

1474) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9; N., Protokoll-Nr. 8, Teil II,

S. 3 und 59.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 227 – Drucksache 17/7400

„Ich wollte das Ganze nutzen, um die Glaubwür-
digkeit meines Kontaktes in Bezug auf andere Din-

ge, die er uns schon gemeldet hatte, noch mal zu

verifizieren, und gucken, ob er wirklich so gut ar-

beitet, wie es die ganze Zeit vorher schon den An-

schein gehabt hatte.“1475

Ohne jeden Zweifel steht nach der Beweisaufnahme fest,

dass es sich bei dem Informanten, auf dessen Aussagen

sich Oberst Klein später für den Bombenabwurf stützte,

um einen HUMINT-Kontakt der Task Force 47 – und
nicht etwa um einen solchen des PRT Kunduz – gehandelt
hatte.

Fest steht auch, dass den Mitarbeitern der Task Force der

Name des Talibanführers, der nach Angabe des Informan-

ten an der Entführung beteiligt gewesen sein soll, geläufig

war. Im Verlauf des Abends berichtete die Kontaktperson

sogar davon, dass noch drei weitere Talibanführer vor Ort

seien, die den Mitarbeitern der Task Force ebenfalls na-

mentlich bekannt waren und die man dort „auf dem
Schirm hatte“.1476

Motiv für das Handeln von Hauptmann N. war jedenfalls

nach seinen eigenen Angaben zu keinem Zeitpunkt die

Abwehr einer möglichen unmittelbaren Gefahr für das

Feldlager Kunduz.
1477

Zudem hat der Zeuge im Ausschuss

ausdrücklich bestätigt, dass er in dieser Nacht keinerlei

Erkenntnisse über die mögliche Verwendung der Tanklas-

ter für einen großen „IED-Anschlag“1478, also dafür hatte,
dass die Tanklaster eventuell als rollende Bomben einge-

setzt werden sollten.
1479

Es wird damit erkennbar, dass die gesamte Operation

durch Hauptmann N. überhaupt erst ins Leben gerufen

wurde, weil dieser zum einen die Gelegenheit sah, die

Zuverlässigkeit seiner TF 47-Kontaktperson zu überprü-

fen, er zum anderen aber auch offensichtlich im Blick

hatte, dass eventuell ein Schlag gegen regionale Taliban-

führer, denen er eine zentrale Rolle zuschrieb, ermöglicht

werden könnte. Es handelte sich dabei also sozusagen um

ein „Gelegenheitsziel“.1480

Schon an dieser Stelle muss aber darauf hingewiesen

werden, dass es sich bei den vier mutmaßlichen Taliban-

führern keinesfalls um solche Personen handelte, zu de-

nen ausreichend Informationen vorgelegen hätten, um die

Namen bereits auf der so genannten „Joint Priority Ef-
fects List (JPEL)“1481 finden zu können.1482
1475) N., Protokoll-Nr. 8, S. 59. Diese Aussage des Zeugen wird durch

die Mehrheit einfach unterschlagen und statt dessen behauptet, es
habe „keinerlei Einflussnahme“ auf die Entscheidungsfindung
von Oberst Klein gegeben (Mehrheitsvotum, S. 177).

1476) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 60 und 61.
1477) Vgl. N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62; Protokoll-Nr. 37, Teil II,

S. 65.

1478) IED= „improvised explosive device“.
1479) Vgl. N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 65.

1480) Vgl. dazu etwa: Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 28, Ziffer 19.

1481) Die JPEL ist eine „Zielliste“, auf die solche Personen nach sorg-
fältigen Prüfungen aufgenommen werden, die als besonders ge-

fährlich gelten und deshalb ergriffen oder getötet werden sollen;

vgl. nur: BT-Drs. 17/2775, S. 77.

Unabhängig davon, dass es Soldaten der Bundeswehr

aufgrund der deutschen Selbstverpflichtung, Personen von

dieser Liste ausschließlich festzunehmen, verboten gewe-

sen wäre, Personen auf dieser Zielliste außerhalb eines

unmittelbaren Angriffs zu töten,
1483

ist schon bemerkens-

wert, dass die vermuteten Talibanführer bei den Tanklas-

tern es zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs noch nicht

einmal auf die JPEL „geschafft hatten“.

Nachdem Oberst Klein den Vorschlag, mit dem B1-

Bomber nach den Tanklastern zu suchen, aufgegriffen

hatte, will Hauptmann N. seinen TF 47-Vorgesetzten in

Masar-e Sharif angerufen und telefonisch gebeten haben,

die Suche nach den Tanklastern mit Hilfe des B1-

Bombers unterstützen zu dürfen.
1484

Dieser Vorgesetzte erklärte als Zeuge im Ausschuss je-

doch, Hauptmann N. habe ihn zwar an dem Abend ange-

rufen, er habe aber mit ihm weder die Nutzung der Opera-

tionszentrale der TF 47, der menschlichen Quellen der

TF 47, noch den Einsatz von bemannten Flugzeugen,

sondern etwas ganz anderes besprochen.
1485

Zudem war

dieser Zeuge davon überzeugt, dass die Initiative für die

Unterstützungsleistung der TF 47 vom PRT-

Kommandanten ausgegangen sei und nicht umgekehrt.
1486

Warum sich Hauptmann N. über seinen konkreten Vor-

schlag gegenüber Oberst Klein und seine Motive hierfür

nicht offen mit seinem Vorgesetzten in Masar-e Sharif

ausgetauscht hat, ließ sich im Ausschuss nicht klären. Fest

steht jedenfalls, dass es zum Luftschlag vermutlich nicht

gekommen wäre, wenn Hauptmann N. in Oberst Klein

nicht den Entschluss geweckt hätte, nach den Tanklastern

zu suchen.

Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss ist zwar auszu-

schließen, dass es sich formal um eine Spezialkräfte-

Operation der Task Force 47 gehandelt hat, jedoch sind

die tatsächlichen Umstände nicht weniger alarmierend,

weil sie den Blick auf einen problematischen Graubereich

öffnen:

Für Hauptmann N. bestand in der Nacht praktisch keine

Möglichkeit, die Suche nach den Lastwagen und den

Talibanführern im Rahmen eines offiziellen Einsatzes der

Task Force 47 durchzuführen. Hierfür hätten die formalen

Hürden viel zu hoch gelegen. Es hätten vorgesetzte Stel-

len, es hätte das Kommando „Führung Operationen von
Spezialkräften“ (FOSK) in Potsdam, es hätte sogar das
Verteidigungsministerium selbst eingeschaltet werden

müssen.
1487

All dies wäre praktisch kaum möglich gewe-

sen, zumal die Informationslage hierfür zu dürftig war

und die an den Tanklastern vermuteten Personen noch

nicht einmal auf der JPEL standen.
1482) So die ausdrückliche Antwort der Bundesregierung auf Frage des

Abg. Dr. Hans-Peter Bartels: BT-PlPr. Nr. 36 der 17. WP vom

21. April 2010 (Fn. 235, Dokument 58), S. 3463.
1483) Vgl. nur: BT-Drs. 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 10; 17/3008, S. 50;

Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.

1484) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.
1485) Ne., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 2 bis 4.

1486) Ne., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 3.

1487) Vgl. etwa: Bra., Protokoll-Nr. 10, S. 57.
Drucksache 17/7400 – 228 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Um aber trotzdem seinem erklärten Interesse an der

Überprüfung der Zuverlässigkeit seines TF 47-

Informanten und seinem offenkundigen Interesse an der

Aufspürung von in seinen Augen zentralen Figuren der

Taliban-Szene verfolgen zu können, kam Hauptmann N.

augenscheinlich der Gedanke, Oberst Klein dazu zu be-

wegen, seinen eigenen Erkenntnisinteressen – und damit
denen der Task Force 47, deren Auftrag vor allem in der

Verfolgung solcher Talibanführer liegt, – ein Stück näher
zu kommen.

Es ist nach der Beweisaufnahme nicht auszuschließen,

dass Oberst Klein dazu eingesetzt wurde, spezifischen

Interessen der Task Force 47 zu dienen, ohne dass ihm

dies deutlich geworden wäre, denn davon, dass die Zuver-

lässigkeit des Kontakts überprüft werden sollte, wusste

Oberst Klein nichts.

Eine solche Vorgehensweise ist nicht von vornherein

unzulässig. Sie dürfte auch nicht gegen interne Regularien

verstoßen, weil die Entscheidungen, die Tanklaster zu

suchen und die Bomben abzuwerfen, letztlich formal

ausschließlich durch Oberst Klein getroffen und verant-

wortet wurden.

Dieser Graubereich zwischen dem Agieren des PRT Kun-

duz auf der einen und dem der Spezialkräfte der Task

Force 47 auf der anderen Seite erscheint allerdings gerade

auch aufgrund der im ISAF-Operationsplan bewusst ange-

legten Trennung der Aufgaben und Befugnisse dieser

beiden Bereiche, bedenklich.

Der gesamte Einsatz gründete auf den Informationen

einer einzelnen HUMINT-Quelle der TF 47, die aus-

schließlich durch Hauptmann N. vermittelt wurden. Dabei

unternahm Hauptmann N. alles, um einen möglichen

Kontakt Oberst Kleins mit den anderen Mitarbeitern der

TF 47, den beiden Kollektoren und dem Sprachmittler, zu

unterbinden. Er wies seine Untergebenen sogar an, kei-

nesfalls selbst mit Oberst Klein zu sprechen.
1488

Wenn man in Rechnung stellt, dass weder Oberst Klein

noch der JTAC ausreichende Kenntnisse der Einsatzre-

geln für offensive Waffeneinsätze bei der Verfolgung von

Aufständischen im Rahmen eines „Gelegenheitsschlages“
hatten,

1489
die sonst allenfalls den Kommandeuren der

Task Force zugewiesen sind, wird der Blick für die mög-

lichen Hintergründe der Entscheidungen von Oberst Klein

in der Nacht eröffnet, indem bereits hier zumindest die

Möglichkeit einer – bewussten oder unbewussten – Be-
einflussung des militärischen Führers erkennbar wird.

Die Zeugen der TF 47, des Kommandos FOSK und des

Ministeriums haben im Ausschuss immer wieder betont,

die TF 47 habe in dieser Nacht nur „untergeordnete Un-
terstützungsleistungen“ für den PRT-Kommandanten
erbracht. Jedoch drängt sich nach der Beweisaufnahme im

Ausschuss der Eindruck auf, dass der PRT-Kommandeur

letztlich Unterstützungsleistungen für die Interessen der

Task Force 47 geleistet hat. Die TF 47 hätte ohne ihn in
1488) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 75.

1489) Vgl. etwa: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 46.

dieser Nacht nicht in dieser Form agieren können. Hier

hat sprichwörtlich „der Schwanz mit dem Hund gewe-
delt“.

d) Drängen auf schnellen Bombenabwurf
durch Hauptmann N. und Hauptfeldwebel
W.

Bestätigt wird die zentrale Rolle von Hauptmann N. durch

das Geschehen in der Operationszentrale, nachdem die

Tanklaster durch den B1-Bomber gegen 00.15 Uhr auf-

gespürt worden waren und Oberst Klein wieder in die

Operationszentrale gerufen wurde, wo er etwa um 00.25

Uhr eintraf. Denn die Beweisaufnahme hat ergeben, dass

Oberst Klein bereits unmittelbar nach seinem Eintreffen

in der Operationszentrale der TF 47 von Hauptmann N.

und dem JTAC, Hauptfeldwebel W., den eine wiederhol-

te, enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der

Task Force 47 verband,
1490

empfohlen worden war, die

Tanklaster zügig durch den B1-Bomber angreifen zu

lassen. Dies habe er aber abgelehnt, weil sein Lagebild zu

diesem Zeitpunkt für eine derart weitreichende Führungs-

entscheidung bei Weitem nicht ausgereicht habe.
1491

Spä-

ter gab er sogar zu Protokoll:

„Andere hatten einen früheren Einsatz empfoh-
len.“1492

Auf die Frage

„Sie sprachen vorhin selbst darüber, dass es auch
Soldaten gab, die einen früheren Einsatz mögli-

cherweise auch mit B-1 empfohlen haben. Wer hat

diesen Einsatz empfohlen und wie verlief die Dis-

kussion oder das Gespräch darüber?“

antwortete der Zeuge Klein im Ausschuss:

„Das waren der Hauptmann N. und auch mein
JTAC, der gesagt hat: das ist eine Möglichkeit,

jetzt schon durch die B-1 mit acht Bomben zu be-

kämpfen. – Ich habe das als absurd abgelehnt zu
diesem Zeitpunkt.

(…) wenn ich mich hätte drängen lassen, dann wä-
re vielleicht etwas anderes passiert.“1493

Hauptmann N. und Hauptfeldwebel W. haben im Aus-

schuss bestritten, eine solche Empfehlung jemals abgege-

ben zu haben. Hauptmann N. will seine Rolle ausschließ-

lich darin gesehen haben, die Erkenntnisse des Informan-

ten ohne jegliche Bewertung – sozusagen wie ein „Brieft-
räger“1494 – an Oberst Klein weitergegeben und immer
wieder darauf hingewiesen zu haben, dass man die Aus-
1490) In den Augen von Hauptmann N. soll Hauptfeldwebel W. sogar

„der beste JTAC in der Gegend“ gewesen sein, vgl. Mat. 17-
10/10a, Anhang F, Anlage 17, Ziffer 15.

1491) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12.

1492) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
1493) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 50.

1494) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60 und Protokoll-Nr. 37,

Teil II, S. 76, 83.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229 – Drucksache 17/7400

sagen der Quelle „nicht als absolut annehmen“ könne.1495
Und auch Hauptfeldwebel W. beschrieb sich im Aus-

schuss ausschließlich als Befehlsempfänger.
1496

Beide

wollen Oberst Klein nicht im Entferntesten beraten oder

gar irgendwelche Empfehlungen ausgesprochen haben.
1497

Diese Darstellungen erscheinen nach der Beweisaufnah-

me eher unglaubhaft. Weil beide vor dem Ausschuss

bestritten haben, sich miteinander vor dem Eintreffen von

Oberst Klein über einen möglichen Bombeneinsatz ver-

ständigt zu haben, konnte letztlich nicht nachgewiesen

werden, ob die Empfehlung zum frühzeitigen Bomben-

abwurf zwischen beiden Zeugen abgesprochen war oder

ob beide unabhängig voneinander Oberst Klein eine sol-

che Empfehlung gegeben haben.

Plausibel erscheint es, dass beide sich im Vorfeld über

diese Empfehlung gegenüber Oberst Klein verständigt

hatten, zumal in der Beweisaufnahme erkennbar wurde,

dass der Zielplanungsprozess für einen Bombenabwurf

durch den B1-Bomber bereits eingeleitet und mit den

Piloten über die mögliche Bombenauswahl gesprochen

worden war, bevor Oberst Klein die Operationszentrale

überhaupt wieder betreten hatte.
1498

Es erscheint eher

fernliegend, dass der JTAC dies aus eigenem Antrieb

heraus ohne Rücksprache mit Hauptmann N. eingeleitet

hatte.

Auf die Frage im Ausschuss, ob er mit Hauptmann N.

über den möglichen Bombenabwurf durch den B1-

Bomber gesprochen habe, äußerte sich der Zeuge Haupt-

feldwebel W. denn auch nur ausweichend.
1499

Jedenfalls

räumte er an anderer Stelle klar ein, nicht ausschließlich

mit Oberst Klein, sondern auch direkt mit Hauptmann N.

kommuniziert zu haben.
1500

Naheliegend erscheint es

daher, dass sich der JTAC und Hauptmann N. in Abwe-

senheit von Oberst Klein schon darüber verständigt hat-

ten, dass die Tanklaster bombardiert werden sollten und

dass dies auch gegenüber Oberst Klein so empfohlen

werden sollte.

Hierfür spricht auch der Zeitablauf: Oberst Klein wurde

erst um 00.15 Uhr über die Zentrale des PRT in die TOC

gerufen und erschien dort kaum vor 00.25 Uhr. Zu diesem

Zeitpunkt wusste er noch gar nicht, in welcher Situation

die Tanklaster aufgefunden worden waren. Um 00.30 Uhr

meldete die B1-Besatzung bereits, aufgrund Treibstoff-

knappheit zum Stützpunkt zurückkehren zu müssen.
1501

Es erscheint unrealistisch anzunehmen, dass die Lageun-

terrichtung von Oberst Klein und der gesamte Zielpla-

nungsprozess in diesen wenigen Minuten durchgeführt

wurden. Zudem macht es wenig Sinn, dass Oberst Klein,

wenn er davon ausging, dass das Lagebild zu diesem
1495) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60 sowie 64 und 68; Nr. 37, S. 76

und 83.

1496) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 15, 16, 26, 27 und 38.

1497) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60; Nr. 37, Teil II, S. 76 und 83;
W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 15, 16, 26, 27 und 38.

1498) Vgl. Mat. 17-10/10a, Chronologischer Ablauf, Ziffer 22 f.

1499) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 26: „Keine Ahnung, ist möglich,
weiß ich nicht.“

1500) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 53.

1501) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13.

Zeitpunkt „bei Weitem nicht ausgereicht“ hatte, trotzdem
unmittelbar den Zielplanungsprozess bei den B1-

Bombern einleitete.

Es spricht daher vieles dafür, dass Hauptmann N. und der

JTAC sich bereits darauf verständigt hatten, die Option

einer möglichen Bombardierung der Tanklaster konkret

vorzubereiten, zumal Hauptmann N. in der Zwischenzeit

durch die „HUMINT-Quelle“ noch die zusätzliche Infor-
mation erhalten hatte, dass sich mittlerweile nicht nur ein,

sondern vier bekannte Talibanführer, an den Tanklastern

befinden sollten.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass weder

der JTAC noch Hauptmann N. nach ihren eigenen Anga-

ben im Ausschuss zu diesem Zeitpunkt irgendeine konk-

rete Gefahr für das PRT gesehen hatten,
1502

sondern sich

diese frühe Empfehlung zur Bombardierung ausschließ-

lich darauf bezogen haben muss, gegen die auf der Sand-

bank vermuteten Talibanführer und ihre Anhänger vorzu-

gehen.

Die Aussage von Hauptmann N., er habe keinerlei Emp-

fehlungen gegeben und keine Vorschläge zur Bekämp-

fung der Tanklaster gemacht, sondern nur als „Briefträ-
ger“ fungiert, muss nach der Beweisaufnahme – auch in
Anbetracht des persönlichen Eindrucks, den der Zeuge in

seiner Befragung im Ausschuss hinterließ – eher bezwei-
felt werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Oberst

Klein schon zu diesem frühen Zeitpunkt von Hauptmann

N. und Oberfeldwebel W. nahegelegt, ja dass er sogar von

diesem überhaupt erst auf den Gedanken gebracht wurde,

die Tanklaster und die Personen vor Ort mit Bomben zu

bekämpfen.

e) Keine Bestätigung durch die Aufklä-
rungsmittel des B1-Bombers

Hauptmann N. bemühte sich zudem im Ausschuss immer

wieder, den Eindruck zu erwecken, die Piloten der B1-

Bomber hätten alle Personen an den Tanklastern als Auf-

ständische identifiziert und bei allen Personen Waffen

festgestellt, wodurch die Information seines Kontaktman-

nes, die Personen vor Ort seien alle Taliban, bestätigt

worden sei.
1503

Diese angebliche Erkenntnis über den

Aufklärungserfolg der B1-Bomber-Besatzung will er

entweder von Hauptfeldwebel W. erhalten oder gehört

haben, wie dies „am Funk entsprechend diskutiert“ wor-
den sei.

1504
Auch diese Darstellung von Hauptmann N. vor dem Aus-

schuss stößt nach der Beweisaufnahme auf Zweifel: Zwar

bekundeten auch Hauptfeldwebel W. und Oberst Klein im

Ausschuss, die B1-B-Piloten hätten vor Ort zumindest bei

einigen Personen Waffen festgestellt, aus den beigezoge-

nen Dokumenten ergibt sich allerdings, dass diese Aussa-
1502) So ausdrücklich: W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 19; N., Protokoll-

Nr. 8, Teil II, S. 62; Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 65.

1503) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 64; Protokoll-Nr. 37,
Teil II, S. 84.

1504) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 64; Protokoll-Nr. 37,

Teil II, S. 84.

Drucksache 17/7400 – 230 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ge nicht belastbar ist. Die B1-B-Piloten haben ausgesagt,

sie hätten nicht unterscheiden können, ob die Personen

Waffen oder Holzscheite, Kraftstoffkanister oder sonstige

Gegenstände in der Hand gehalten hatten, zumal sich zu

dieser Zeit mehr als 100 Personen vor Ort aufhielten.
1505

Wenn man sich die Videoaufzeichnungen des B1-

Bombers
1506

und der F15-Bomber
1507

, die dem Ausschuss

vorliegen, anschaut, dann erscheint es unrealistisch anzu-

nehmen, dass allein aufgrund der Videoaufnahmen aus

großer Entfernung (sieben Kilometer Höhe) und ohne

einen niedrigen Überflug, eine solch weitreichende Aus-

sage getroffen werden konnte, wie Hauptmann N. sie

behauptet hat.

Nur beispielhaft hier zwei Screenshots der Videoauf-

zeichnungen der F15-Bomber, etwa eine halbe Stunde vor

dem Bombenabwurf:
1508

Es ist auch nicht der geringste Grund dafür erkennbar,

warum die US-Piloten des B1-Bombers, die am Waffen-

einsatz letztlich gar nicht beteiligt waren, im Nachhinein

wahrheitswidrig hätten behaupten sollten, sie hätten keine

konkreten Waffen an den Personen um die Tanklaster

aufgeklärt.
1505) Vgl. Mat. 17-71, S. 321 und Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage

23, Rz. 9, 10, 40.

1506) Mat. 17-63 und Mat. 17-67.
1507) Redigiertes Transkript der Cockpit-Tapes der F-15E Kampfflug-

zeuge (Fn. 319, Dokument 60).

1508) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60).

Die Zeugen Hauptfeldwebel W. und der Storyboard-

Schreiber V., die die Videobilder in der TOC der Task

Force 47 auf erheblich größeren Bildschirmen als in den

Flugzeugen verfolgen konnten, berichteten im Ausschuss

zudem glaubhaft, dass sowohl auf den Bildern des B1-

Bombers als auch auf denen der F15-Luftfahrzeuge weder

die Art der Fahrzeuge, die Anzahl der Personen an den

Tanklastern noch eine eventuelle Bewaffnung dieser

Personen erkennbar, geschweige denn die Einordnung

dieser Personen als Aufständische oder als Zivilisten

möglich,
1509

wohl aber ein „reges Kommen und Gehen“
zu beobachten gewesen sei.

1510
Wie die Besatzung des

B1-B dann auf einem erheblich kleineren Bildschirm im

Luftfahrzeug ein besseres Bild erhalten haben soll, das

eine so weitreichende Bewertung oder gar eine förmliche

positive Identifikation („Positive Identification“, PID)
sämtlicher dort befindlicher Personen als bewaffnete

Mitglieder eines militärisch organisierten Teils der Tali-

ban ermöglicht haben soll, bleibt schleierhaft.

Weiter verwundert die Einlassung von Oberst Klein im

Ausschuss, der JTAC habe ihm gesagt, die B1-B-Piloten

hätten „Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen“ bei
den Personen an den Tanklastern aufgeklärt,

1511
weil es

sich hierbei fast wörtlich um die schriftlich fixierte Mel-

dung des Informanten gehandelt hat, der in der Nacht

mitgeteilt hatte, die Aufständischen seien mit „Panzer-
fäusten und Handfeuerwaffen“ bewaffnet.1512

Es konnte letztlich im Ausschuss nicht aufgeklärt werden,

ob der JTAC gegenüber Oberst Klein wirklich behauptet

hat, diese Handfeuerwaffen seien durch die B1-B-Piloten

aufgeklärt worden oder ob Oberst Klein im Ausschuss die

Meldungen des Informanten irrtümlich den B1-B-Piloten

zuschrieb.

Es ist jedoch in der Beweisaufnahme deutlich geworden,

dass eine solche konkrete Identifizierung spezifischer

Waffen in den Händen der Personen an den Tanklastern

objektiv kaum von den B1-B-Piloten durchgeführt wor-

den sein kann. Entweder hat Oberst Klein dies in seiner

Erinnerung verwechselt oder Hauptmann N. und Haupt-

feldwebel W. hatten über den Hinweis der Quelle gespro-

chen und gegenüber Oberst Klein – bewusst oder unbe-
wusst – den Eindruck erweckt, die B1-B-Piloten hätten
diese Meldung des Kontakts zum Vorhandensein be-

stimmter Waffen vor Ort mit ihren Aufklärungsmöglich-

keiten bestätigt.

Es könnte sich ansonsten allenfalls noch um ein Verstän-

digungsproblem zwischen dem JTAC und den B1-B-

Piloten gehandelt haben, was allerdings angesichts der

Ausbildung des JTAC und der Tatsache, dass er bereits

mehr als 40 derartiger Aktionen durchgeführt hatte, eher

fernliegend erscheint, zumal es sich hierbei um eine solch

zentrale Frage handelt, dass bei wirklichen Verständi-

gungsproblemen hätte nachgefragt werden müssen.
1509) Vgl. etwa: W., Protokoll-Nr. 8, S. 9, 10, 31; V., Protokoll-Nr. 37,

S. 24.
1510) W., Protokoll-Nr. 8, S. 31.

1511) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.

1512) Mat. 17-10a, Anhang G, Anlage 17 (offen, Dokument 55).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231 – Drucksache 17/7400

Die Behauptung von Hauptmann N., alle Personen an den

Tanklastern seien objektiv durch die Luftfahrzeugbesat-

zung als Aufständische identifiziert worden, ist jedenfalls

widerlegt.

Dieser Gesichtspunkt ist deshalb von entscheidender

Bedeutung, weil die Aufklärung von Waffen an allen

Personen vor Ort durch die B1-B-Besatzung letztlich die

einzige objektive Bestätigung der Aussagen des

HUMINT-Kontakts zur Eigenschaft „aller“ Personen vor
Ort als bewaffnete „Aufständische“ dargestellt hätte.
Wenn es aber zutrifft, dass selbst dies noch nicht einmal

erfolgte, so wurde der Bombenabwurf letztlich allein auf

die unbestätigten Aussagen der HUMINT-Quelle gestützt,

was schon aus rein „handwerklicher“ Sicht besorgniserre-
gend erscheint.

Letztlich war nicht aufzuklären, ob Oberst Klein bewusst

in die Irre geführt wurde oder ob der JTAC die B1-B-

Piloten wirklich (fälschlich) so verstanden hatte, dass

diese genau die Waffen aufgeklärt hätten, die der Infor-

mant am Telefon erwähnt haben sollte. Beide Varianten

führen jedoch zu besorgniserregenden Ergebnissen:

In der ersten Variante wäre das dem Bombenabwurf zu

Grunde liegende Lagebild von Oberst Klein durch falsche

Angaben verfestigt worden, wodurch die Verantwortlich-

keit von Hauptfeldwebel W. und Hauptmann N. neu be-

wertet werden müsste.

In der zweiten Variante würde man zu Gunsten von

Hauptfeldwebel W. davon ausgehen, dass die Piloten

tatsächlich einige Waffen bei den Personen an den Tank-

lastern aufgeklärt hatten. Dann würde sich jedoch die

weitere Frage stellen, ob dieser vage Hinweis tatsächlich

ausreichen durfte anzunehmen, sämtliche Personen vor

Ort seien Mitglieder einer militärisch organisierten be-

waffneten Gruppe von Taliban. Die erforderliche eindeu-

tige positive Identifizierung sämtlicher Personen an den

Tanklastern ist jedenfalls nachweisbar durch die B1-B-

Besatzung nicht erfolgt.

Es ist gut nachvollziehbar, dass das Lagebild aus der Sicht

von Oberst Klein zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht

ausreichte, um einen Bombenabwurf zu befehligen, ob-

wohl ihm der Eindruck vermittelt worden war, die Aussa-

gen des Informanten seien durch die B1-B-Piloten bestä-

tigt worden.

An dieser Stelle muss allerdings bereits darauf hingewie-

sen werden, dass sich auch im weiteren Verlauf der Nacht

keine zusätzlichen Erkenntnisse hinsichtlich des Vorhan-

denseins von Waffen bei den Personen an den Tanklastern

ergaben: Die Bilder, die die unmittelbar danach angefor-

derten F15-Bomber lieferten, waren noch einmal schlech-

ter als die des B1-Bombers, so dass durch diese erst Recht

keine positive Identifizierung von Aufständischen erfol-

gen konnten.

Die Piloten der F15-Bomber verließen sich hierbei viel-

mehr ausschließlich auf die Angaben des JTAC, der nur

das wiedergab, was die menschliche Quelle zur Einord-

nung der Personen an den Tanklastern berichtete. Zusätz-

liche Erkenntnisse lieferten und besaßen die F15-Piloten

nicht.

Insofern stellt sich die Frage, aufgrund welcher Fakten

sich das zunächst zu Recht als viel zu diffus beschriebene

Lagebild von Oberst Klein zum Zeitpunkt des Abzugs des

B1-Bombers eigentlich im weiteren Verlauf der Nacht

derart verdichtet haben soll, dass er den Bombenabwurf

dann auf einmal doch als legitimiert ansah.

f) Fehlerhafter Umgang mit dem afghani-
schen HUMINT-Kontakt

In der Zeit zwischen dem Abzug des B1-Bombers wegen

Treibstoffmangels nach 00.30 Uhr und dem Eintreffen der

beiden F15-Bomber gegen 1.08 Uhr sowie in der Zeit

danach wurde nun zwischen Oberst Klein und Hauptmann

N. immer wieder über die Zuverlässigkeit der Informatio-

nen der Kontaktperson gesprochen, zumal diese letztlich

als einzig verbleibende Informationsquelle für das Ge-

schehen auf der Sandbank und zur Identifizierung der dort

befindlichen Personen übrigblieb.

Oberst Klein wurde von Hauptmann N. darüber infor-

miert, dass der HUMINT-Kontakt wiederholt berichtet

habe, es befänden sich ausschließlich Aufständische an

den Tanklastern, die mit „Panzerfäusten und Handfeuer-
waffen“ bewaffnet seien und die versuchten, die Tanklas-
ter zu entleeren, um sie wieder beweglich zu machen.

Unter den Aufständischen seien auch vier – Oberst Klein
ebenfalls namentlich bekannte – Talibanführer mit ihren
Gruppen. Oberst Klein soll daraufhin wohl auch noch

mehrfach – nach seiner eigenen Einlassung „sieben-
mal“1513 – nachgefragt haben, ob sich der Informant wirk-
lich sicher sei, dass ausschließlich Taliban vor Ort seien,

was Hauptmann N. ihm daraufhin auch immer wieder

bestätigt habe. Oberst Klein sah sich damit in seiner

Überzeugung gefestigt, dass vor Ort – zumindest unmit-
telbar an den Tanklastern – ausschließlich Taliban seien.

Im Umgang mit dieser zentralen HUMINT-Quelle haben

sich im Ausschuss jedoch mehrere Probleme offenbart,

die Handeln der militärischen und politischen Führung

erforderlich machen:

aa) Der militärische Führer verfügte nicht über
sämtliche Informationen der Quelle

Die Beweisaufnahme ergab, dass nicht alle Informatio-

nen, die der HUMINT-Kontakt dem Sprachmittler gab,

auch tatsächlich Oberst Klein erreichten, sondern entwe-

der auf dem Weg zu ihm verloren gingen oder ihm even-

tuell bewusst vorenthalten wurden.
1513) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56.

Drucksache 17/7400 – 232 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aaa) Informationen zum „Ausschlachten“ und

„In-Brand-Setzen“ der Tanklaster durch
die Taliban erreichten Oberst Klein nicht

So berichtete der Kontakt beispielsweise um 23.00 und

um 0.00 Uhr ausdrücklich davon, dass zu dem Zeitpunkt,

als die Tanklaster nicht mehr beweglich zu machen war-

en, damit begonnen worden sei, die Fahrzeuge vor Ort zu

entleeren und den Kraftstoff in andere Behälter umzufül-

len. Eine weitere entscheidende Information der Quelle

war zudem, die Aufständischen hätten den Plan verfolgt,

die Fahrzeuge nach dem „Ausschlachten“ „in Brand zu
setzen“,1514 so dass damit von ihnen letztlich keinerlei
Gefahr für das Feldlager mehr ausgegangen wäre.

Der Zeuge Hauptmann N. gab vor dem Ausschuss an, er

habe Oberst Klein über alles informiert, was ihm der

Kontakt gesagt habe.
1515

Diese Information, die sich

schriftlich niedergelegt in den vom Ausschuss beigezoge-

nen Akten findet, erreichte Oberst Klein nach dessen

Angaben jedoch erst nach dem Bombenabwurf.
1516

Oberst

Klein will stattdessen – warum auch immer – bis zum
Bombenabwurf davon ausgegangen sein, dass die Auf-

ständischen vorhaben könnten, die Tanklaster unmittelbar

gegen das Feldlager einzusetzen.

Hätte Oberst Klein gewusst, dass es Plan der Aufständi-

schen war, die Tanklaster im Flussbett selbst in Brand zu

setzen, hätte ihm diese Sorge um einen möglichen Angriff

auf das PRT, die nach seinen Angaben ein wesentlicher

Grund für den Waffeneinsatz gewesen sein soll, eventuell

genommen werden können.

bbb) Informationen zu den zivilen Fahrern er-
reichten Oberst Klein nicht

Weiterhin wurde in der Beweisaufnahme deutlich, dass

die Kontaktperson mit dem Sprachmittler der TF 47 auch

über den Verbleib der zivilen Lastwagenfahrer gespro-

chen hat. Angeblich soll der Kontakt gegenüber dem

Sprachmittler gesagt haben, dass einer der Lastwagenfah-

rer vor Ort auf der Sandbank von Taliban erschossen

worden sei, weil er sich geweigert habe, weiterzufahren.

Wörtlich soll der Informant gesagt haben: „Der erste
Fahrer ist jetzt tot.“1517

Damit wäre davon auszugehen, dass über den Verbleib

der beiden zivilen Lastwagenfahrer zumindest gesprochen

wurde. Oberst Klein will jedoch auch hiervon nach eige-

nen Angaben nichts gewusst haben. Er sei vielmehr auf

Grund seiner allgemeinen Erfahrungen davon ausgegan-

gen, dass die Fahrer entweder sofort von den Lastwagen

getrennt oder direkt bei der Entführung durch die Taliban

ermordet worden seien.
1518

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die

F15-Piloten den JTAC vor dem Bombenabwurf ausdrück-
1514) Mat. 17-10a, Anhang G, Anlage 17 (offen, Dokument 55).

1515) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 64.
1516) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.

1517) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 21.

1518) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23 und 57.

lich nach dem Verbleib der zivilen Fahrer gefragt hatten,

worauf dieser ihnen zur Antwort gab, es gebe keine In-

formationen über die Fahrer, man habe aber die Informa-

tion, dass alle Personen bei den Tanklastern Aufständi-

sche seien.
1519

Im Ausschuss behauptete der JTAC, er habe die Frage der

Piloten nach den Fahrern an Oberst Klein oder Haupt-

mann N. weitergegeben.
1520

Dabei ist allerdings festzus-

tellen, dass der JTAC die einzige Antwort gegenüber den

Piloten dazu („no information about the drivers“) bereits
unmittelbar nach der Fragestellung gab, so dass keine Zeit

dazu blieb, eine Antwort des HUMINT-Kontakts abzu-

warten.
1521

Die Frage nach den Fahrern soll nach Aus-

kunft eines der Kollektoren auch an den Sprachmittler

gegeben worden sein.
1522

Der Sprachmittler soll nach

Auskunft beider Kollektoren jedoch keine Erkenntnisse

zum Verbleib der Fahrer an sie gemeldet haben, so dass

sie davon ausgegangen seien, dass über die Fahrer keine

Informationen vorgelegen hätten.
1523

Hauptmann N. behauptete im Ausschuss hingegen zumin-

dest an einer Stelle, die Lastwagenfahrer wären an dem

Abend von dem Kontakt „als nicht mehr im Spiel ge-
nannt“ worden, er sei sogar davon ausgegangen, sie seien
„umgebracht worden“.1524 Dafür, dass irgendwer in dieser
Nacht berichtet haben könnte, beide Fahrer seien getötet

worden, wurde in der Beweisaufnahme jedoch nicht der

geringste Anhaltspunkt gefunden. In dieser Weise hat sich

weder einer der Kollektoren noch der Sprachmittler erin-

nert. Auch gibt es keinerlei schriftliche Hinweise auf ein

solches Szenario.

Was der Grund für diese unterschiedlichen Aussagen zum

Verbleib der Fahrer ist, konnte der Ausschuss letztlich

nicht aufklären. Entweder hat der Sprachmittler die Fak-

ten durcheinandergebracht und doch erst später vom ver-

meintlichen Schicksal der Fahrer erfahren – dann erklärt
sich allerdings nicht, warum Hauptmann N. zumindest an

einer Stelle erklärt hat, der Kontakt habe davon berichtet,

dass die Fahrer umgebracht worden seien. Oder es wurde

tatsächlich über die Fahrer gesprochen – was immerhin
vom JTAC, einem der Kollektoren, vom Sprachmittler

und von Hauptmann N. im Ausschuss bekundet wurde –
und Hauptmann N. hat die Informationen zu den Fahrern

nicht an Oberst Klein weitergegeben.

Oberst Klein haben Informationen zu den Fahrern nach

seinen Angaben im Ergebnis jedenfalls nicht erreicht.

Dass diese Informationen aber – insbesondere dann, wenn
es zutrifft, dass nur über den Tod eines Fahrers gespro-

chen worden ist – von großem Wert gewesen wären,
ergibt sich schon daraus, welche Bedeutung die F15-

Piloten dem Schicksal der Fahrer beigemessen hatten.
1525
1519) Vgl. Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 5.

1520) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 48.
1521) Vgl. Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 5.

1522) Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 41 und 45.

1523) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 5; Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II,
S. 45.

1524) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62 und 81.

1525) Vgl. Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 233 – Drucksache 17/7400

Und auch für Oberst Klein selbst hätte die Kenntnis von

der Anwesenheit eines Zivilisten unmittelbar an den

Tanklastern das Lagebild sicherlich verändert.

ccc) Standort der Quelle wurde gegenüber
Oberst Klein verschwiegen

Noch eine weitere, für die Bewertung der Informationen

der Quelle wichtige Information erreichte Oberst Klein

nicht: Dieser ging nämlich nach seinen Angaben im Aus-

schuss fest davon aus, dass die Kontaktperson Sicht auf

die Tanklaster und die dortigen Personen hatte. Hingegen

war es für die an der Informationsweitergabe beteiligten

Angehörigen der TF 47, die beiden Kollektoren
1526

und

vor allem auch für Hauptmann N.
1527

, klar, dass die Kon-

taktperson sich überhaupt nicht in der Nähe der Sandbank

befand, sondern anscheinend nur mit einer oder mit meh-

reren Personen telefonierte, die ihn über die Geschehnisse

an den Tanklastern ins Bild setzten.
1528

Während Oberst Klein annahm, die Quelle würde originä-

re, eigene Erkenntnisse und Eindrücke schildern, stützte

sich die Quelle augenscheinlich nur auf „Unterinforman-
ten“ oder „Subkontakte“, über deren Identität, Zuverläs-
sigkeit oder möglicherweise verdeckte Agenda keine der

beteiligten Personen irgendetwas wusste.

Im Hinblick darauf, dass Oberst Klein den Eindruck ge-

wonnen hatte, die Quelle habe direkten Blick auf die

Sandbank gehabt, während er und die beiden Kollektoren

davon ausgingen, dass dies nicht stimmte, erklärte

Hauptmann N. im Ausschuss nur lakonisch:

„Herr Abgeordneter, das war der Eindruck des
Herrn Oberst.“1529

Auch der Sprachmittler glaubte sich im Ausschuss zu

erinnern, dass sich die Kontaktperson die meiste Zeit

unmittelbar an den Tanklastern befunden habe.
1530

Ob

dies nun letztlich zutrifft oder nicht, kann dahinstehen.

Entscheidend ist vielmehr, dass nach Aussagen sowohl

der beiden Kollektoren als auch von Hauptmann N., sich

alle drei sicher waren, dass die Kontaktperson nicht vor

Ort war und keinen Blick auf die Sandbank hatte, dass

diese wichtige Information aber jedenfalls nicht an Oberst

Klein weitergegeben wurde.

Im Übrigen hatten sich auch weder die Kollektoren noch

Hauptmann N. bemüßigt gesehen, bei der Kontaktperson

nachzufragen, um welche „Subinformanten“ es sich über-
haupt gehandelt habe, welche eigenen Interessen diese

haben könnten und wie zuverlässig diese seien.
1531

Wie es dazu kommen konnte, dass Oberst Klein eine

solche für die Bewertung der Aussagen des Informanten

entscheidende Erkenntnis nicht mitgeteilt wurde, konnte
1526) Vgl. Sch., Protokoll-Nr. 33, S. 34, 36, 37, 38, 44, 49 sowie F.,

Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 2, 7, 10.

1527) Vgl. nur: N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.

1528) Vgl. nur: N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62.
1529) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 64.

1530) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2, 3, 6, 24.

1531) Vgl. nur: Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 49.

in der Beweisaufnahme des Ausschusses nicht abschlie-

ßend geklärt werden.

Auch hier ist nicht auszuschließen, dass Oberst Klein

diese wichtige Information von Hauptmann N. bewusst

verschwiegen worden war, um den militärischen Führer

darin zu bestärken, den Informationen der Quelle Ver-

trauen entgegenzubringen. Andererseits könnte Haupt-

mann N. es aber auch nur unbeabsichtigt versäumt haben,

Oberst Klein darüber zu informieren, weil er die Informa-

tion über den tatsächlichen Standort und Blickwinkel der

Kontaktperson für unwesentlich gehalten hatte.

Sollte dies der Fall sein, müsste allerdings stark an Aus-

bildung und Professionalität des Zeugen gezweifelt wer-

den, denn selbstverständlich macht es für die Bewertung

der Angaben einer HUMINT-Quelle einen erheblichen

Unterschied, ob die Person aus eigener Anschauung be-

richtet oder nur Erkenntnisse Dritter, über deren Identität

und Hintergründe nichts bekannt ist, weitergibt.

Fest steht jedenfalls, dass Oberst Klein über dieses wich-

tige Detail im Unklaren gelassen wurde und er deshalb

davon ausging, die Quelle berichte aus eigener Sinnes-

wahrnehmung, wodurch die Informationen authentischer

wirkten, als sie es tatsächlich waren.

Die Behauptung der Mehrheit, es komme nicht darauf an,

„wie und wo ein Kontakt seine Informationen erhält“,1532
es sei sogar „ausdrücklich besser, wenn ein Informant
über ein weit verbreitetes Netz“ verfüge, lässt an der
militärfachlichen und nachrichtendienstlichen Kompetenz

der Verfasser des Mehrheitsvotums zweifeln. Es dann

noch als „erwiesen“ anzusehen, „dass dies nicht zu einer
unvertretbaren Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit“ der
Informationen der Kontaktperson geführt habe, gleichzei-

tig aber einzuräumen, dass die Informationen der Kon-

taktperson über die Anwesenheit von Zivilisten vor Ort

letztlich objektiv wohl doch falsch gewesen sein müs-

sen,
1533

ist nicht zu erklären.

ddd) Zwischenergebnis

Damit hat die Beweisaufnahme im Ausschuss ergeben,

dass zumindest drei für das konkrete Lagebild unentbehr-

liche Informationen der Kontaktperson, die offenbar im

Bereich der Task Force 47 vorlagen, den militärischen

Führer, der auf Grundlage der Angaben dieser einen

Quelle den Waffeneinsatz befehligte, nicht erreicht haben.

bb) Problem der mittelbaren Kommunikation
(„Stille-Post-Routine“)

In der Beweisaufnahme ist noch ein weiteres Problem im

Umgang mit der afghanischen Kontaktperson deutlich

geworden, das unter dem Stichwort „stille Post“ erläutert
werden kann: Wenn man nämlich den Weg betrachtet,

den die Information über das Geschehen an den Tanklas-

tern nehmen musste, bevor sie Oberst Klein erreichte,
1532) Mehrheitsbewertung, S. 209.

1533) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 206.

Drucksache 17/7400 – 234 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wird das Vertrauen in die Klarheit und Zuverlässigkeit der

jeweiligen Information nicht gestärkt:

Geht man davon aus, dass der Informant nicht am Ort des

Geschehens weilte, sondern nur mit unbekannten weiteren

Personen („Subinformanten“) telefonierte, so wurden
diese Informationen der unbekannten Dritten zunächst

über die Kontaktperson selbst an den Sprachmittler am

Telefon vermittelt, bevor dieser sie übersetzte und an

einen der beiden Kollektoren weitergab, der diese Infor-

mation sodann erst an Hauptmann N. übermittelte, bevor

dieser sie schließlich Oberst Klein zur Verfügung stellte.

Dabei verstanden sich alle wesentlichen Beteiligten der

Task Force ausdrücklich als „Postboten“1534 oder „Brieft-
räger“1535.

Es gab für Oberst Klein keine Möglichkeit, direkt mit dem

Informanten über den Sprachmittler zu sprechen. Es war-

en immer drei Personen der TF 47 dazwischengeschaltet.

Hauptmann N. hatte sogar die Weisung ausgegeben, dass

weder die Kollektoren noch der Sprachmittler direkt mit

Oberst Klein kommunizieren dürfte.
1536

Eine solche Übermittlungskette mag einer bei Feldnach-

richtenkräften üblichen Vorgehensweise entsprechen,

jedoch drängte sich in der Beweisaufnahme der Verdacht

auf, dass wichtige Informationen auch auf diesem langen

Übermittlungsweg verloren gegangen sein könnten. Es

stellt sich die Frage, ob es nicht klüger gewesen wäre,

Oberst Klein zumindest einmal einen direkten Kontakt

mit dem Informanten, nur vermittelt durch den Überset-

zer, zu ermöglichen. Eventuell hätten dann die Fehlvor-

stellungen von Oberst Klein hinsichtlich des Standorts des

Informanten, hinsichtlich des Verbleibs der Fahrer und

hinsichtlich der Absichten der Entführer vermieden wer-

den können.

Gerade weil in der vorliegenden Situation angeblich noch

nicht einmal eine fachgerechte Bewertung bzw. Klassifi-

zierung der Aussagen der Kontaktperson durch die Feld-

nachrichtenkräfte der Task Force 47 erfolgt sein soll,

sondern diese hier ausschließlich als „Briefträger“ fun-
giert haben wollen, drängt sich die Frage auf, was denn

der eigentliche Zweck dieser „Stille-Post-Routine“ gewe-
sen sein soll. Immerhin waren damit erhebliche Gefahren

des Informationsverlustes oder der Informationsverfäl-

schung auf dem Weg zum militärischen Führer verbun-

den.

Hätte der Sinn darin gelegen, dass die Informationen der

Kontaktperson professionell mit anderen Quellen abgegli-

chen, ebenengerecht analytisch bewertet und förmlich

klassifiziert werden sollten, bevor sie an Oberst Klein

weitergereicht würden, ließe sich vielleicht noch Ver-

ständnis für dieses Vorgehen aufbringen. Da dies aber

ausdrücklich nicht der Fall gewesen sein soll, stechen

allein die offensichtlichen Nachteile dieses Konstrukts

hervor.
1534) Vgl. F., Protokoll-Nr. 35, S. 12.
1535) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60 und Protokoll-Nr. 37,

Teil II, S. 76, 83.

1536) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 75.

Hier bedarf es einer genaueren Prüfung im Bereich des

Militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr, ob es

sinnvoll ist, zukünftig so vorzugehen, wie es hier gesche-

hen ist.

cc) Probleme beim Inhalt der Kommunikation:
Unzureichende Gesprächsführung

Unabhängig von den Problemen des Weges über fünf

Ebenen, den die Informationen nehmen mussten, hat sich

in der Beweisaufnahme vor allem der Inhalt der Kommu-

nikation mit dem Informanten als problematisch erwiesen:

Während der gesamten Nacht fand ein ständiger Aus-

tausch mit der Kontaktperson statt. Es wurde festgestellt,

dass sich die Quelle fast alle 15 bis 20 Minuten telefo-

nisch gemeldet hatte. Dabei gab sie nicht nur eigene In-

formationen an den Sprachmittler, sondern nahm auch

Fragen von diesem entgegen und beantwortete sie.

Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass diese Fra-

gen, die von Oberst Klein und den Angehörigen der Task

Force an die Kontaktperson gestellt worden sind, nicht so

sachgerecht und professionell gewählt worden waren, wie

es erforderlich gewesen wäre.

Keiner der Task Force-Mitarbeiter, die alle davon ausgin-

gen, dass der Kontakt nicht von eigenen Wahrnehmungen

berichtete, sondern Informationen Dritter, also seiner

ominösen „Subkontakte“, weitergab, hat die Notwendig-
keit gesehen, den Kontakt konkret zu fragen, um welche

„Subinformanten“ es sich gehandelt habe, welche Interes-
sen diese haben konnten, und wie zuverlässig diese sei-

en.
1537

Warum dies nicht geschehen ist, erschließt sich

nicht.

Darüber hinaus wurde die Kontaktperson immer nur – fast
stoisch und jedenfalls repetitiv – danach gefragt, ob aus-
schließlich „Aufständische und keine Zivilisten“ vor Ort
seien, jedoch ist es niemals zu einer Verständigung zwi-

schen Kontakt und Kollektoren darüber gekommen, nach

welchen Kriterien die Personen vor Ort eigentlich als

Aufständische oder als Zivilisten einzuordnen waren.
1538

Woran der Kontakt die Aussage, es seien keine Zivilisten

vor Ort, genau festgemacht hatte, war für die Kollektoren

nicht zu erkennen gewesen; konkrete Nachfragen sind

hierzu nicht gestellt worden.
1539

Es wurde noch nicht

einmal gefragt, ob sich eventuell Kinder an den Tanklas-

tern aufhielten.
1540

Auch Oberst Klein hat von sich aus wiederholt immer nur

die pauschale Frage an den Informanten richten lassen, ob

es sich bei den Personen auf der Sandbank wirklich nur

um „Aufständische“ handele. Nachfragen zum Auf-
enthaltsort des Kontakts, zum Zustandekommen der In-

formationen, dazu, wie die Quelle zwischen Zivilisten

und Aufständischen unterschied, zum Verbleib der Fah-
1537) Vgl. etwa: Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 49.
1538) Vgl. etwa: Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.

1539) Vgl. etwa: F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4, 12.

1540) So ausdrücklich: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 235 – Drucksache 17/7400

rer, zu den Hintergründen der großen Anzahl und des

ständigen Wechsels der Personen vor Ort, zu deren Alter

oder ähnlichem, wurden von ihm jedoch den ganzen

Abend über nicht gestellt.
1541

Auch der eigentlich hierfür

vorrangig verantwortliche Hauptmann N. entfaltete kei-

nerlei Aktivitäten in diese Richtung.

Nach der Beweisaufnahme bleibt unklar, warum keinerlei

in der Sache weiterführende und spezifische Fragen an die

Kontaktperson gestellt worden sind, obwohl dies nahege-

legen hätte, wenn man das tatsächliche Geschehen an den

Tanklastern hätte aufklären wollen. Es müsste eigentlich

zum Einmaleins eines jeden Feldnachrichtenoffiziers

gehören, Fragen zu konkret beobachteten Tatsachen und

nicht zu subjektiven Bewertungen zu stellen.

Ob dies nur der besonderen Spannungssituation in dieser

Nacht geschuldet war oder auf strukturelle Defizite in

Ausbildung und Schulung der Mitarbeiter des Nachrich-

tenwesens der Bundeswehr und auch der militärischen

Führer beim Einsatz solch quasi-nachrichtendienstlicher

Mittel zurückzuführen ist, kann hier nicht abschließend

beantwortet werden.

Es spricht aber vieles dafür, dass sowohl die Angehörigen

der Task Force als auch Oberst Klein selbst hinsichtlich

des sachgerechten und zielführenden Umgangs mit der

Kontaktperson im Hinblick auf die Erlangung möglichst

vieler weiterführender Erkenntnisse im Rahmen zielge-

richteter Gesprächsführung überfordert waren. Auch hier

ist also erheblicher Handlungsbedarf für Bundeswehr und

Bundesregierung erkennbar geworden.

dd) Probleme bei der Bewertung der Informa-
tionen

Der entscheidende Fehler in dieser Nacht dürfte jedoch in

der falschen Bewertung der vom Informanten zugetrage-

nen Erkenntnisse liegen:

Hauptmann N., der als Offizier des Nachrichtenwesens

für eine solche fachgerechte analytische Bewertung der

Informationen gegenüber Oberst Klein eigentlich zustän-

dig war, versuchte in seiner Vernehmung im Ausschuss

den Eindruck zu erwecken, dass er Oberst Klein ständig

davor gewarnt habe, die unbestätigten Angaben der Kon-

taktperson zur Grundlage seines Handelns zu machen: Er

habe Oberst Klein zwar erklärt, dass die Quelle als „zu-
verlässig“ eingestuft sei, aber immer wieder betont, dass
er keinerlei Bewertungen zum Inhalt der Meldungen der

Quelle abgeben könne. Stattdessen will er Oberst Klein

mehrfach darauf hingewiesen haben, dass man dieser

Quelle eben nur bis zu einem bestimmten Grad trauen

könne und die Informationen nicht als absolut anzuneh-

men seien, dass eine Quelle auch immer ihr „eigenes
Spiel“ treiben könne, dass man nicht zu 100 % alles glau-
1541) Vgl. etwa: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56, 68; Sch., Proto-

koll-Nr. 33, Teil II, S. 37; F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4, 7, 12.

ben dürfe, was ein Informant sage, und dass er Fehler

nicht ausschließen könne.
1542

Ganz im Gegensatz dazu hatte Oberst Klein Hauptmann

N. aber so verstanden, dass dieser „keine Zweifel“ an der
Solidität des Kontakts und damit auch der durch diesen

überbrachten Informationen geäußert habe, sondern nur

allgemein gesagt habe, man könne niemals hundertpro-

zentig sicher sein, was aber auch „im normalen Leben“ so
sei.

1543
Eine klare Differenzierung zwischen der Verläss-

lichkeit des Kontakts und der Verlässlichkeit der Informa-

tion ist bei Oberst Klein jedenfalls offenkundig nicht

angekommen.

Dies lässt auf erhebliche Defizite im Umgang mit derarti-

gen Informationen sowohl beim zuständigen Nachrich-

tenoffizier als auch beim militärischen Führer schließen.

Denn neben dem Grad der Zuverlässlichkeit oder Verläss-

lichkeit einer jeden Nachrichtenquelle hat selbstverständ-

lich immer auch eine Bewertung von Plausibilität sowie

Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der jeweili-

gen Nachricht zu erfolgen, wenn eine solche Nachricht

zur alleinigen Grundlage militärischen Handelns gemacht

werden soll.

Oberst Klein hat letztlich die von Hauptmann N. abge-

lehnte Bewertung der Informationen der Quelle auf Grund

seines Eindrucks, die Quelle sei allgemein als zuverlässig

eingestuft, vorgenommen, dass er sie zur alleinigen

Grundlage seines Handelns machte, obwohl auch ihm

keinerlei anderweitige Bestätigungen für die Aussagen

der Quelle vorlagen.

Es erscheint schwer nachvollziehbar, warum Hauptmann

N. gegenüber Oberst Klein immer wieder die generelle

Einstufung der Quelle als „zuverlässig“ herausstellte,
obwohl er von dieser Einstufung der Quelle offensichtlich

nicht restlos überzeugt schien, weil er es ja zunächst als

sinnvoll ansah, die Glaubwürdigkeit der Quelle durch den

Einsatz des B1-Bombers erst noch einmal zu überprü-

fen.
1544

Aufgabe von Hauptmann N. wäre es gewesen, gegenüber

Oberst Klein zu betonen, dass nach nachrichtendienstli-

chen Handwerksregeln das Vorliegen einer einzigen un-

bestätigten Information, selbst wenn sie von einer allge-

mein als zuverlässig eingestuften Quelle herrührt, in aller

Regel nicht dazu führen kann, daran derart folgenreiche

Entscheidungen mit einer sicheren Vielzahl von Todesop-

fern zu knüpfen.

Nach der Beweisaufnahme musste der Verdacht aufkom-

men, dass Hauptmann N. nicht sachlich relativierend auf

Oberst Klein gewirkt hatte, sondern – ganz im Gegenteil –
diesen eher noch in seiner abschließenden Bewertung der

Informationen der Kontaktperson und damit in seiner

Entscheidung zum Bombenabwurf bestärkt hat.
1542) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68, 73; Nr. 37, Teil II,

S. 66 und Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim
Bundesgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 13.

1543) Vgl. nur: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.

1544) N., Protokoll-Nr. 8, S. 59.
Drucksache 17/7400 – 236 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Diese Annahme liegt auch deshalb nahe, weil Oberst

Klein im Ausschuss glaubhaft bekundet hat, dass Haupt-

mann N. und der JTAC ihm den Vorschlag zur Bombar-

dierung bereits unmittelbar nach seinem Eintreffen in der

Operationszentrale um 0.25 Uhr unterbreitet hatten.

Hauptmann N. hat sich im Ausschuss bemüht, den Ein-

druck zu erwecken, er sei in der Nacht davon ausgegan-

gen, dass Oberst Klein „diverse“ weitere Informationen
von anderer Seite vorgelegen hätten, die die Meldungen

des Kontaktmanns der TF 47 bestätigt hätten.
1545

Dies war jedoch nicht der Fall: Zwar behauptete Oberst

Klein im Ausschuss, er habe seinem damaligen Stellvert-

reter im PRT und Chef des Stabes, OTL K., den Auftrag

erteilt, weiter tätig zu werden, als dieser ihm die Aus-

gangsnachricht der TF 47 gegen 20.30 Uhr über die Ent-

führung der Tanklaster überbracht habe.
1546

OTL K. be-

kundete als Zeuge im Ausschuss hingegen, keinerlei Auf-

trag erhalten zu haben, weitere Informationsressourcen

(andere HUMINT-Kontakte oder SIGINT, Einsatz unbe-

mannter Luftfahrzeuge, Einbeziehung des BND, der afg-

hanischen Nachrichtendienste, der afghanischen Polizei

o. ä.) zur Vervollständigung des Lagebildes zu aktivieren,

obwohl es durchaus die Möglichkeit gegeben habe, Auf-

klärungskräfte im Rahmen des PRT einzusetzen.
1547

Fest steht jedenfalls nach beider Aussagen, dass Oberst

Klein in dieser Nacht keine weiteren Meldungen zu die-

sem Sachverhalt aus dem PRT erreicht haben.
1548

Die einzige „zusätzliche“ Information des PRT Kunduz,
die Oberst Klein nach seiner eigenen Einlassung aller-

dings vor dem Bombenabwurf nicht erreicht haben dürfte,

bestand in der um 21.12 Uhr im PRT Kunduz telefonisch

eingegangenen Bestätigung der Entführung der Tanklaster

durch einen Dolmetscher der EU-Polizeimission in Afg-

hanistan (EUPOL). Dieser hatte diese Information zuvor

über eine weitere Stelle von der afghanischen Polizei in

Kunduz erhalten, die dies vom Provinzgouverneur erfah-

ren hatte, der darauf durch einen Dorfvorsteher aufmerk-

sam gemacht worden war.
1549

Dabei bestätigte diese Mel-

dung jedoch nichts weiter, als dass die Tanklaster über-

haupt entführt und vom PRT Kunduz weg in Richtung

Nordwesten in den Distrikt Chahar Darah verbracht

werden sollten. Über den Status der Personen an den

Tanklastern in der Nacht sagte diese Meldung nicht das

Geringste aus.

In dieser Meldung, die Oberst Klein in seiner Aussage vor

dem Ausschuss noch nicht einmal erwähnt hat, eine Be-

stätigung der Aussage der TF 47-Kontaktperson, sämtli-
1545) Vgl. etwa: N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62: „Der Oberst hatte ja

auch noch Informationen aus dem (…) und von diversen anderen,
so wie er mir das mitgeteilt hatte.“ oder S. 74: „Er hatte zu mir
gesagt, er hat diverse Meldungen darüber vorliegen.“ oder Proto-
koll-Nr. 37, Teil II, S. 67 und 80: „Der Herr Oberst hatte mir nur
gesagt, dass er aus dem Bereich des PRT entsprechende Informa-
tionen hat.“.

1546) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8 und 49.

1547) Vgl. etwa: OTL K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 65.
1548) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil .II, S. 49.

1549) Vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 18.

che Personen an den Tanklastern seien „Taliban“ gewe-
sen, zu sehen, ist abwegig.

Im Ergebnis steht nach der Beweisaufnahme im Aus-

schuss jedenfalls fest, dass Oberst Klein – entgegen den
Darstellungen des Zeugen Hauptmann N. – vor dem
Bombenabwurf keine zusätzlichen Informationen vorla-

gen, die dazu hätten führen können, die Behauptung der

Kontaktperson, sämtliche Personen an den Tanklastern

seien Taliban, als „von anderer Seite bestätigt“ anzusehen
und damit als tatsächliche „Erkenntnis“ zu bewerten.

Oberst Klein hat im Ausschuss zu seiner Rechtfertigung

angeführt, die Annahme, dass Zivilisten sich mitten in der

Nacht auf der Sandbank aufgehalten haben könnten, habe

der allgemeinen Lebenserfahrung widersprochen. Es sei

schließlich Ramadan und schon „deutlich nach Mitter-
nacht“ gewesen. „Normale Menschen“ seien um diese
Zeit zu Hause gewesen.

1550
Für jeden, der nicht selbst mit

den Taliban kooperiert habe, sei eine Bewegung in die-

sem Raum lebensgefährlich gewesen, vor allem bei

Nacht. Zudem habe der Informant ja von vier Talibanfüh-

rern mit ihren jeweiligen Gruppen gesprochen, wodurch

sich für ihn auch die hohe Anzahl von Personen erklärt

habe.
1551

Diese Einlassungen von Oberst Klein vermögen letztlich

nicht zu überzeugen und wirken konstruiert: Zunächst

wird dabei schon ausgeblendet, dass die Tanklaster ja

bereits bekanntermaßen seit 18.15 Uhr, also weit vor

Mitternacht, auf der Sandbank feststeckten und kurz da-

nach bereits die Bevölkerung der umliegenden Dörfer

informiert und beteiligt wurde. Es war also nicht so, dass

die Dorfbewohner erst aus dem Schlaf gerissen worden

wären, sondern dass sich der Vorgang über den ganzen

Abend hin entwickelt hatte.

Vor allem aber berücksichtigte Oberst Klein nicht in aus-

reichendem Maße, wie sehr sich – ebenfalls nach allge-
meiner Lebenserfahrung – als sicher geglaubte Erfah-
rungssätze sehr stark verändern können, wenn ein unübli-

ches oder außergewöhnliches Ereignis eintritt, wie dies

hier im vorliegenden Fall mit dem Feststecken von ent-

führten Tanklastern mit einer großen Menge Benzins in

der Nähe mehrerer Dörfer unbestreitbar eingetreten ist.

Zudem hätte es Oberst Klein zu denken geben müssen,

dass sich die Anzahl der Personen über den ganzen Abend

hinweg immer wieder veränderte. Nach späteren amtli-

chen Berichten sollen im Laufe der Nacht zeitweilig an

die 300 Personen auf der Sandbank gewesen sein.
1552

Auch der JTAC hat im Ausschuss beschrieben, dass ein

„ständiges Kommen und Gehen“ auf den Videobildern zu
erkennen gewesen sei. Das Lagebild veränderte sich also

ständig. Die Situation war äußerst dynamisch und kei-

neswegs statisch. Auf dieser Grundlage davon auszuge-

hen, dass es sich bei all diesen Personen immer nur um
1550) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10 f.

1551) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.

1552) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang C, S. 2.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 237 – Drucksache 17/7400

dieselben Mitglieder der vier benannten Talibangruppen

gehandelt haben kann, erscheint schwer nachvollziehbar.

Nicht umsonst hat Hauptmann N. in seiner Vernehmung

vor dem Ausschuss immer wieder betont, dass er die

Meldung der Quelle gerade nicht habe „bewerten“ und
damit eine Klassifizierung dieser Nachricht nicht habe

vornehmen können. Dass Oberst Klein trotzdem ohne

anderweitige Bestätigung des Nachrichteninhalts allein

aus allgemeinen Erfahrungssätzen heraus von der absolu-

ten Glaubwürdigkeit der Nachricht ausgegangen ist und

sie sogar zur alleinigen Grundlage seines Befehls zum

Bombenabwurf gemacht hat, muss nach alledem als gro-

ber Fehler im Umgang mit derartigen Informationen ge-

wertet werden.

Warum Hauptmann N. keinerlei Anstrengungen unter-

nommen hat, Oberst Klein von diesem handwerklichen

Fehler abzuhalten, bleibt unklar. Es spricht jedoch vieles

dafür anzunehmen, dass es Hauptmann N. zumindest

recht war, dass Oberst Klein die Bewertung der Meldun-

gen seines Informanten letztlich selbst in der beschriebe-

nen Art und Weise vornahm. Hintergrund mag dabei –
angesichts seiner frühen Empfehlung eines solchen Waf-

feneinsatzes bereits vor Abzug des B1-Bombers – sein
Interesse an einem schweren Schlag gegen bestehende

Taliban-Strukturen gewesen sein, hinter dem sämtliche

Bedenken hinsichtlich einer sachgerechten Bewertung der

Aussage des Informanten zurückzutreten hatten.

Auch militärische Untersuchungen hierzu sind im Übri-

gen zu dem Schluss gelangt, dass die Durchführung des

gesamten Waffeneinsatzes in der Operationszentrale der

TF 47, die häufige Zusammenarbeit des JTAC mit der

TF 47 und die konkrete Beteiligung der Angehörigen der

Task Force an dieser Operation mit ursächlich dafür ge-

wesen sein könnte, dass es überhaupt zu diesem offensi-

ven Luftschlag gegen die Personen an den Tanklastern hat

kommen können.
1553

ee) Strukturelle Probleme im Zusammenhang
mit dem Militärischen Nachrichtenwesen
der Bundeswehr

Nach Ausleuchtung der vielen unterschiedlichen Proble-

me im Umgang mit dieser konkreten HUMINT-Quelle in

der Nacht des Bombenabwurfs von Kunduz öffnet sich

der Blick auf ein dahinter liegendes strukturelles Problem

im Bereich des „Militärischen Nachrichtenwesens“:

Es wurden in der Beweisaufnahme Abgrenzungsprobleme

zwischen dem „Militärischen Nachrichtenwesen der Bun-
deswehr“ (MilNWBw) und originär nachrichtendienstli-
cher Tätigkeit erkennbar. Denn im Gegensatz zu den

genuinen Nachrichtendiensten des Bundes (Bundesnach-

richtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und

Militärischer Abschirmdienst) sind die Angehörigen des

MilNWBw zu nachrichtendienstlicher Tätigkeit nicht
1553) Vgl. Mat. 17-10/10a, Ordn. 1, S. 54/73, Ziffer 5; vgl. auch:

Mat. 17-22a, GI, Ordn. 3, S. 246.

befugt. Es fehlt ihnen die gesetzliche Ermächtigung,

nachrichtendienstliche Mittel und Methoden einzusetzen.

Das Militärische Nachrichtenwesen gehört seit jeher zu

den zentralen Aufgaben einer jeden Streitkraft. Der sach-

kundigen Gewinnung und Verarbeitung von lagerelevan-

ten Informationen durch Aufklärung kommt für die Vor-

bereitung und Begründung des Einsatzes militärischer

Gewalt eine herausragende Bedeutung zu, wobei sich

diese Bedeutung von der strategischen bis hin zur operati-

ven und taktischen Entscheidungsebene hin erstreckt.
1554

Der Bedarf an Informationen besteht dabei unbestritten,

aber die Wahl der eingesetzten Instrumente, die diese

Informationen beschaffen sollen, erscheint unter rechtli-

chen und inhaltlichen Gesichtspunkten problematisch:

Entscheidend ist, dass es dem MilNWBw deshalb nicht

gestattet ist, nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen,

weil lediglich die originären Nachrichtendienste über

gesetzliche Grundlagen für grundrechtsrelevante Eingriffe

in diesem Bereich verfügen.
1555

Aus diesem Grund ist es auch unzulässig, durch das

MilNWBw gewonnene grundrechtsrelevante Erkenntnisse

in präventiver oder repressiver Hinsicht durch andere

staatliche Stellen im Inland zu verwenden.
1556

Es besteht

die Gefahr, dass Erkenntnisse des MilNWBw über den

BND an andere Stellen – etwa Strafverfolgungsbehörden
– gelangen, obwohl die gesetzlichen Beschränkungen,
denen der BND bei der originären Gewinnung solcher

Informationen unterlegen hätte, eventuell durch die Bun-

deswehr nicht eingehalten worden sind. Ein solches Vor-

gehen würde die verfassungsrechtlich begründeten

Schutzrechte unterlaufen.

Wegen der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen und

gesetzlichen Aufgaben- und Befugnisnormen müsste also

gerade die Tätigkeit des BND klar von den für das militä-

rische Nachrichtenwesen zuständigen Bereichen der

Streitkräfte abgegrenzt werden. Dies erscheint in der

bisherigen Praxis jedoch fast unmöglich, zumal BND und

MilNWBw durch die Übertragung der Lagebeurteilung

auf den BND funktional sogar bis zu einem gewissen

Grade verschmolzen wurden.
1557

Im Verlauf der Beweisaufnahme hat sich gezeigt, dass

trotz der notwendigen Differenzierung zwischen der Tä-
1554) Das MilNWBw hat unter anderem den Auftrag, zur Entschei-

dungsfindung der politischen Leitung, der militärischen Führung

im BMVg und in den Streitkräften sowie zur Sicherheit der An-
gehörigen und Einrichtungen der Bundeswehr beizutragen. Auf

der strategischen Ebene unterstützt das MilNWBw politische und

militärische Entscheidungsprozesse durch Bereitstellung eines
umfassenden Lagebildes. Auf der operativen Ebene stellt das

MilNWBw ein aktuelles Lagebild für die Planung und Führung

militärischer Operationen. So Brissa, Militärischer Auslandsge-
heimdienst der Bundeswehr?, in: DÖV 2011, S. 391 ff.

1555) So auch: Brissa, a.a.O., S. 391, 394.

1556) Vgl. Brissa, a.a.O., S. 391, 394.
1557) Der Begriff des Militärischen Nachrichtenwesens wird demgemäß

traditionell so weit gefasst, dass er über die Streitkräfte hinaus

auch den BND umfasst, soweit dieser militärisch relevante Auf-
gaben wahrnimmt. Der BND gehört damit als militärischer Aus-

landsnachrichtendienst „materiell“ teilweise selbst zum „Militäri-
schen Nachrichtenwesen“; vgl. Brissa, a.a.O., S. 391, 396.

Drucksache 17/7400 – 238 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tigkeit der Angehörigen der Bundeswehr und einer genuin

nachrichtendienstlichen Tätigkeit, die Bundeswehr hier in

der Praxis teilweise faktisch wie ein Nachrichtendienst

operiert, indem sie Methoden und Mittel einsetzt, die für

nachrichtendienstliches Handeln wesensbestimmend sind.

Grundlage des Luftangriffs von Kunduz waren fast aus-

schließlich Informationen, die durch Angehörige des

MilNWBw von einem durch diese geführten HUMINT-

Kontakt gewonnen worden sind. Dabei hat sich heraus-

gestellt, dass dieser Kontakt bereits über einen längeren

Zeitraum durch Angehörige des so genannten „Field
HUMINT Teams“ der TF 47 „geführt“ worden ist: Es
haben Treffen mit diesem Kontakt stattgefunden, es wur-

de häufig kommuniziert, die Kontaktperson erhielt auch

Geldzahlungen, wobei sich die Höhe der Zahlungen an

solche „Kontaktpersonen“ nach Auskunft der Zeugen im
Ausschuss auch nach der Qualität der Informationen rich-

tete, die der jeweilige Kontakt lieferte.
1558

Allerdings ist es der Bundeswehr untersagt, HUMINT-

Quellen für Informationen zu bezahlen. Zulässig sind

allenfalls kleinere Aufwandsentschädigungen, beispiels-

weise für Taxikosten.
1559

Hier zeigt sich exemplarisch das Problem der praktischen

Abgrenzung der Tätigkeit der Feldnachrichtenkräfte von

originär nachrichtendienstlichem Handeln: Im Grunde

führen und steuern die Angehörigen des MilNWBw in der

Praxis „Informanten“, „menschliche Quellen“, „Kontakt-
personen“ oder wie auch immer man sie bezeichnen will,
in gleicher Weise, wie dies Nachrichtendienste tun. Und

dies – unabhängig voneinander – sowohl im Bereich der
Spezialkräfte der Task Force 47 als auch im Bereich

Nachrichtenwesen des „normalen“ PRT.

Die Informanten werden angeworben, bezahlt, ihre Zuver-

lässigkeit wird getestet, Handlungsanweisungen werden

gegeben, die Quelle wird im nachrichtendienstlichen

Sinne klassifiziert und tatsächlich auch aktenmäßig „ge-
führt“ sowie – wie im vorliegenden Fall – bei Kontin-
gentwechseln sogar von Soldat zu Soldat „übergeben“.1560

Es ist hier ein hohes Maß an willensgetragener Steuerung

des Kommunikationsgeschehens und damit auch der

Kontaktperson festzustellen, das sich nicht nur auf eine

schlichte – vielleicht sogar zufällige – „Entgegennahme“
von Informationen beschränkt. Das Verhalten reicht weit

über ein bloßes „Abschöpfen“ hinaus, weil die Objekte
der Informationsbeschaffung durch die Angehörigen der

Bundeswehr den Kontaktpersonen in erheblichem Um-

fang vorgegeben werden.

Die Angehörigen des MilNWBw haben in ihren Aussagen

vor dem Ausschuss zwar Wert darauf gelegt, dass sie sich

gegenüber den Kontaktpersonen immer nur in Uniform

gezeigt und damit als Soldaten der Bundeswehr zu erken-

nen gegeben hatten,
1561

so dass es sich nicht um eine
1558) Vgl. etwa: F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 22 f.

1559) Ne., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 5.
1560) Vgl. Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 36 f. und zu diesen Ab-

grenzungskriterien auch: Brissa, a.a.O., S. 391, 397.

1561) Vgl. etwa: Sch., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 42.

„verdeckte“ Quellenführung, sondern nur um sozusagen
„offene Gesprächskontakte“ gehandelt habe. Dies steht
dem nachrichtendienstlichen Charakter der Informations-

gewinnung jedoch nicht entgegen, denn auch die so ge-

nannte „offene Befragung“, also die Informationserhe-
bung ohne Inanspruchnahme einer falschen Identität (Le-

gende), ist ein Instrument der Nachrichtendienste und als

Befugnis in ihren Gesetzen geregelt.
1562

Gleichzeitig wurde jedoch durch die Zeugen im Aus-

schuss eingeräumt, dass die geleisteten Geldzahlungen

auch dafür bestimmt waren, dass die Kontaktperson wei-

tere Personen, beispielsweise „Subinformanten“, bezahlen
konnte.

1563
Damit kann dann aber kaum mehr von rein „transparenter
Entgegennahme“ von Informationen außerhalb nachrich-
tendienstlichen Verhaltens gesprochen werden. Vielmehr

handelt es sich dabei um Quellenführung und -steuerung,

ein klassisches nachrichtendienstliches Instrument.
1564

Damit dürfte die Schwelle zur nachrichtendienstlichen

Tätigkeit eindeutig überschritten sein.

Insgesamt hat sich hier in der Beweisaufnahme ein ge-

fährlicher Graubereich offenbart, in dem erheblicher

Koordinierungsbedarf, wenn nicht gar gesetzgeberischer

Handlungsbedarf, erkennbar wird: Dabei ist festzustellen,

dass mit den Feldnachrichtenkräften der Task Force, den

Angehörigen des BND vor Ort und den Angehörigen des

Nachrichtenwesens des „normalen“ PRT gleich drei
Stränge parallel mit menschlichen Kontaktpersonen um-

gehen.

Jedoch gibt es keine verantwortliche Stelle, die diese

offenkundigen Parallelstrukturen im HUMINT-Bereich

koordiniert. Insofern besteht immer die Gefahr, dass In-

formanten sowohl vom BND als auch vom MilNWBw

„geführt“ und „abgeschöpft“ werden mit all den Risiken,
die damit verbunden sind. Zu denken ist hier beispiels-

weise an die Möglichkeit einer „Mehrfachbezahlung“
oder – und dies dürfte gravierender sein – die Gefahr
einer irrtümlichen Bestätigung bestimmter Informationen

durch ein und dieselbe Quelle, deren gleiche Herkunft

wegen der fehlenden Koordinierung unerkannt geblieben

ist.
1565

Hier besteht unbedingter Handlungsbedarf der Bundesre-

gierung, um diese Probleme zu lösen, etwa durch Einrich-

tung einer Koordinierungsstelle für den HUMINT-

Bereich, wie sie für den SIGINT-Bereich
1566

bereits exis-

tiert.

Bei diesen auffälligen Unschärfen in der Abgrenzung und

der mangelnden Klarstellung der Kompetenzen der betei-

ligten Akteure drängt sich zudem die weitere Frage auf,

durch wen dieses Handeln in einer solchen klandestin

operierenden Organisation, das selbstverständlich wie
1562) Vgl. etwa § 8 Abs. 4 BVerfSchG.

1563) Vgl. etwa: F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 23.

1564) Vgl. etwa: Dorste, Bernadette, Handbuch des Verfassungsschutz-
rechts, S. 266 ff.

1565) Vgl. hierzu auch: Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 18 f.

1566) SIGINT=Signal Intelligence=Fernmeldeaufklärung.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 239 – Drucksache 17/7400

jedes andere staatliche Handeln grundsätzlich auch im

Ausland der Grundrechtsbindung unterworfen ist,
1567

eigentlich kontrolliert wird.

Während für den Bereich der Nachrichtendienste des

Bundes die parlamentarische Kontrolle durch das Parla-

mentarische Kontrollgremium wahrgenommen wird, das

in der letzten Wahlperiode sogar noch einmal eine Auf-

wertung durch Aufnahme in die Verfassung (Artikel 45d

GG) erhalten hat, ist für den Bereich des MilNWBw eine

solche Kontrolle trotz der unbestreitbaren potentiellen

Grundrechtsrelevanz der Tätigkeit nicht ersichtlich.

Insofern sollten gerade auch die in diesem Untersu-

chungsausschuss gewonnenen Erkenntnisse zu einer De-

batte über die Wege zur Schließung dieser Lücke im Sys-

tem der parlamentarischen Kontrolle führen, wobei die

Lösung beispielsweise in einer Erweiterung der Zustän-

digkeiten des Parlamentarischen Kontrollgremiums oder

in der Wahrnehmung dieser Kontrollaufgaben durch einen

Unterausschuss des Verteidigungsausschusses selbst

gefunden werden könnte.

Obwohl eine eigenständige gesetzliche Regelung des

Bereichs des Militärischen Nachrichtenwesens nicht

zwingend erforderlich sein dürfte,
1568

sollte in diesem

Zusammenhang durch den Gesetzgeber – gerade auch im
Lichte der aufgezeigten Gefahren der verfassungswidri-

gen Verwendung der durch das MilNWBw gewonnen

Erkenntnisse in präventiver oder repressiver Hinsicht –
durchaus auch erwogen werden, das Militärische Nach-

richtenwesen unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicher-

heit auf eine eigene gesetzliche Grundlage zu stellen.

ff) Zusammenfassung und Schlussfolgerun-
gen zum fehlerhaften Umgang mit dem
HUMINT-Kontakt

Die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss hat

damit eine Vielzahl von Defiziten im Umgang der betei-

ligten Bundeswehrsoldaten in der Nacht vom 3. auf den 4.

September 2009 mit der zentralen menschlichen „Kon-
taktperson“ erkennbar werden lassen, die einen unmittel-
baren Handlungsbedarf der militärischen und der politi-

schen Führung sowie gegebenenfalls auch des Gesetzge-

bers zur Folge haben:

– Nicht alle Informationen, welche die HUMINT-
Quelle lieferte, erreichten auch den militärischen

Führer, so dass dieser seine Entscheidung letztlich

auf unvollständigen Informationen gründete. So er-

fuhr Oberst Klein nach eigenen Angaben in der Nacht

nichts davon, dass die Aufständischen vorhatten, die

Tanklaster „auszuschlachten“ und „in Brand zu set-
zen“; er erfuhr nichts über den Verbleib der zivilen
Lastwagenfahrer, über den nach Aussage von Zeugen
1567) Vgl. hierzu: Brissa, a.a.O., S. 391, 394 m. w. Nachw. in Fn. 20.

1568) Dies vor allem mit Blick auf die gefestigte Rechtsprechung des

Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungskonformität der Aus-
landseinsätze auf der Grundlage von Artikel 24 Abs. 2 Grundge-

setz und zum wehrrechtlichen Parlamentsvorbehalt sowie zu Arti-

kel 87a GG; vgl. Brissa, a.a.O., S. 391, 394.

jedoch in der Nacht gesprochen worden sein soll; er

erfuhr auch nichts darüber, dass die Kontaktperson

gar nicht vor Ort war, sondern nur Erkenntnisse von

ominösen „Subkontakten“ weiterleitete, über deren
Hintergründe niemand in dieser Nacht etwas Näheres

wusste.

– Diese Informationsverluste sind entweder auf vor-
sätzliches Handeln der beteiligten Feldnachrichten-

kräfte, auf erhebliche handwerkliche Fehler der zu-

ständigen Soldaten, auf den problematisch langen

Weg, den die Informationen nehmen mussten, bis sie

Oberst Klein erreichten („Stille-Post-Routine“), oder
auf eine Kombination dieser Ursachen zurückzufüh-

ren.

– Hinzu kommen erhebliche Defizite im Bereich der
„zielgerichteten Gesprächsführung“ mit der
HUMINT-Quelle, weil erkennbar wurde, dass die

Fragen, die der Kontaktperson gestellt worden sind,

zu einem großen Teil weder sachgerecht noch ziel-

führend ausgewählt wurden.

– Vor allem aber haben sich erhebliche Fehler im
Rahmen der sachgerechten Bewertung der von der

Kontaktperson übermittelten Informationen gezeigt:

Obwohl die wiederholte Aussage der Quelle, sämtli-

che Personen an den Tanklastern seien Taliban, zu

keinem Zeitpunkt in dieser Nacht anderweitig bestä-

tigt werden konnte, wurde sie allein auf Grund eines

eher als „Bauchgefühl“ zu bezeichnenden „Erfah-
rungsschatzes“ von Oberst Klein als besonders
glaubwürdig klassifiziert. Dabei wurde aber überse-

hen, dass alleine die „siebenfache“ Bestätigung einer
Information durch ein und dieselbe Quelle die

Glaubwürdigkeit dieser Nachricht nicht „siebenfach“
verstärkt.

Es hätte anderer konkreter Bestätigungen außer-

halb „allgemeiner Lebenserfahrung“ bedurft, um
eine solche Information, auf die sich die als sicher

vorhergesehene Tötung von bis zu 70 Menschen

stützen sollte, als ausreichend glaubwürdig anse-

hen zu können.

– Hinzu kommt im vorliegenden Fall noch der unaus-
geräumte Verdacht, dass der ranghöchste Offizier der

Task Force 47 Oberst Klein noch in dieser falschen

Bewertung der Informationen bestärkt haben könnte,

zumal die Suche nach den Tanklastern erst durch

Hauptmann N. ausgelöst wurde und er nach der Aus-

sage von Oberst Klein bereits zu einem sehr frühen

Zeitpunkt gegenüber diesem – eventuell sogar ge-
meinsam mit dem JTAC – ein offensives Bombarde-
ment empfohlen hatte.

– Dabei ist in diesem Zusammenhang auch darauf
hinzuweisen, dass schon die Nutzung der Taktischen

Operationszentrale der TF 47 statt des Gefechtsstands

des PRT dazu führte, dass die gesamte Operation in

dieser Nacht unter Ausschluss des PRT-Personals

durchgeführt wurde, was ebenfalls zu Entscheidungs-

und Berichtsdefiziten geführt hat, obwohl Oberst

Drucksache 17/7400 – 240 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Klein dies ohne weiteres durch Hinzuziehung von

PRT-Personal hätte vermeiden können.

– Schließlich hat die Beweisaufnahme auch erkennbar
werden lassen, dass im Bereich des Militärischen

Nachrichtenwesens der Bundeswehr faktisch wie in

einem Nachrichtendienst operiert wird, indem Me-

thoden und Mittel eingesetzt werden, die eigentlich

für nachrichtendienstliches Handeln wesensbestim-

mend sind. Hier haben sich erhebliche Koordinie-

rungs- und Kontrollprobleme gezeigt.

Dass die Ausschussmehrheit angesichts dieser unzweifel-

haften Feststellungen in ihrer Bewertung zu dem Ergebnis

gelangt, das Verfahren der „Nutzung der HUMINT-
Kräfte“ habe „sich insgesamt bewährt“ und sei „im vor-
liegenden Fall optimal genutzt“ (!) worden,1569 spricht für
sich.

Angesichts all dieser in der Beweisaufnahme deutlich

gewordenen Defizite besteht ein erheblicher Handlungs-

bedarf der militärischen und der politischen Führung

sowie gegebenenfalls auch des Gesetzgebers:

– Es bedarf nachhaltiger Maßnahmen, um zukünftig
eine klarere Trennung zwischen den Aktivitäten der

Task Force 47 und den Aufgaben der PRT zu bewir-

ken, so dass eine solch unglückliche und den Vorga-

ben des NATO-Operationsplans widersprechende

Vermengung der Aufgaben und Befugnisse der Task

Force mit denen des PRT zukünftig vermieden wird.

– Dazu sollte zukünftig auch sichergestellt werden,
dass die PRTs über ausreichende technische Ausstat-

tung verfügen, so dass keinesfalls mehr ein Rückgriff

auf Gefechtsstände und Personal der Task Force für

PRT-Einsätze erfolgt.

– Die überkommenen Verfahren der Führung men-
schlicher Kontakte im Bereich des Militärischen

Nachrichtenwesens der Bundeswehr müssen grund-

legend auf den Prüfstand gestellt werden.

– Die Ausbildung und Kontrolle der Feldnachrichten-
kräfte im Bereich der Führung von HUMINT-

Kontakten, insbesondere in Bezug auf die Verfahren

der Informationsübermittlung an den militärischen

Entscheider im Rahmen operativer Unterstützungs-

handlungen, die Verfahren der zielgerichteten Ge-

sprächsführung und die Vorgaben zur Analyse und

Bewertung von Informationen von HUMINT-

Quellen müssen stark verbessert werden.

– Die Koordinierung innerhalb des Militärischen Nach-
richtenwesens sowie seine fachaufsichtliche und par-

lamentarische Kontrolle müssen möglichst bald einer

umfassenden Überprüfung unterzogen werden. Hier

ist neben der Bundeswehr, dem Bundesministerium

der Verteidigung und – soweit der BND betroffen ist
– dem Bundeskanzleramt auch der parlamentarische
Gesetzgeber gefordert.
1569) Mehrheitsbewertung, S. 211.

g) Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten
Durchführung des Waffeneinsatzes

Zusätzlich zum defizitären Umgang der beteiligten Solda-

ten mit der HUMINT-Kontaktperson mussten in der Be-

weisaufnahme auch im Zusammenhang mit der konkreten

Durchführung des Waffeneinsatzes durch den militäri-

schen Führer und seinen Fliegerleitoffizier (JTAC) erheb-

liche Fehler und Versäumnisse festgestellt werden.

Dabei geht es vor allem um Verstöße gegen die im

NATO-Operationsplan enthaltenen spezifischen ISAF-

Einsatzregeln, die „Rules of Engagement“ (ROE). Denn
die deutschen ISAF-Kommandeure sind COM ISAF-

OPCON unterstellt und müssen die genehmigten ISAF-

Einsatzregeln, also die ROE, die „Standard Operating
Procedures“ (ISAF-SOP) und sonstige Weisungen um-
setzen.

ROE werden als Einsatzregeln für jeden bewaffneten

Einsatz erstellt. Sie sind rechtlich bindende Regeln für die

Anwendung bewaffneter Gewalt, die auf die spezifischen

Anforderungen einer bestimmten Operation zugeschnitten

sind und die den Soldatinnen und Soldaten verbindlich

vorgeben, unter welchen Voraussetzungen, in welchem

Umfang und mit welchen Mitteln sie von bewaffneter

Gewalt Gebrauch machen dürfen.
1570

Verbindlichkeit

erhalten die ISAF-ROE für das deutsche Einsatzkontin-

gent ISAF über das nationale Befehlsrecht.
1571

Dabei steht nach der Beweisaufnahme fest, dass, falls

diese Verfahrensfehler, die Verstöße gegen die ISAF-

Einsatzregeln, durch Oberst Klein und den JTAC nicht

begangen worden wären, der Luft-Boden-Angriff von

Kunduz mit Sicherheit nicht erfolgt wäre.

Dieses eindeutige Ergebnis der Beweisaufnahme steht

übrigens in diametralem Gegensatz zu der ursprünglichen

Behauptung des damaligen Bundesverteidigungsministers

Freiherr zu Guttenberg, der Luftangriff habe zwingend

auch durchgeführt werden müssen, wenn die Verfahrens-

fehler nicht begangen worden wären:

„Wenn das Ganze fehlerfrei vonstattengegangen
wäre, komme ich auch zu dem Schluss, dass der

Luftschlag hätte stattfinden müssen.“1572

Die Absurdität dieser Aussage hätte Freiherr zu Gutten-

berg im Übrigen auch schon selbst erkennen können,

wenn er im November 2009 zumindest die siebenseitige

Zusammenfassung des COM ISAF-Berichts tatsächlich

sorgfältig gelesen, ein wirkliches Interesse an der von der

Bundeskanzlerin propagierten „ungeschönten Aufklä-
1570) Vgl. Freudenberg, NZWehrr 2007, S. 89 mit vielen weiteren

Nachweisen.
1571) BT-Drs. 16/10804, S. 16; vgl. auch Bundesminister der Verteidi-

gung, HDv 100/100, Truppenführung (TF), Ziffer 7014: „Die
Anwendung militärischer Gewalt unterliegt immer dem Einsatz-
recht und den Einsatzregeln. Darin ist festgelegt, unter welchen

Voraussetzungen und in welchem Umfang die Anwendung militä-

rischer Gewalt zulässig ist.“
1572) Redigierte Tonbandabschrift des Pressestatements Freiherr zu

Guttenberg am 6. November 2009, Mat. 17-21a, Ordn. 3, S. 165,

168.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241 – Drucksache 17/7400

rung“ gehabt hätte und nicht nur davon getrieben gewesen
wäre, seine Beliebtheit bei den Soldaten zu steigern.

aa) Vorfrage: Was war das Ziel des Waffenein-
satzes?

Bevor die Verfahrensfehler im Einzelnen dargestellt wer-

den können, ist es wichtig, vorab zu klären, was eigentlich

das tatsächliche Ziel des Waffeneinsatzes gewesen ist,

weil sich daran die einschlägig zu berücksichtigenden

Verfahren ausrichten.

In Betracht kommen letztlich folgende Möglichkeiten:

– Entweder Oberst Klein wollte ausschließlich die
Tanklaster zerstören, um eine aus seiner Sicht unmit-

telbare Gefahr für das PRT Kunduz zu beseitigen.

– Oder er wollte keine unmittelbare Gefahr für das
PRT bekämpfen – was deshalb nahegelegen hätte,
weil es nicht den geringsten Hinweis darauf gab, dass

die Tanklaster dazu genutzt werden sollten, das PRT

anzugreifen -, sondern er wollte nur verhindern, dass

die Aufständischen die Tanklaster überhaupt in ihrem

Besitz behielten und damit irgendwann einmal in Zu-

kunft eventuell Angriffe gegen das PRT, befreundete

Kräfte oder die Zivilbevölkerung durchführen könn-

ten. Dann hätte es sich sozusagen um einen „Präven-
tivschlag“ gehandelt.

– Oder es ging ihm vor allem darum, die Personen an
den Tanklastern zu töten, um die Taliban-Strukturen

vor Ort zu treffen, was allerdings im Aufgabenbe-

reich der Task Force 47 gelegen hätte, wenn man

einmal ausblendet, dass es selbst dieser untersagt ist,

Aufständische außerhalb eines unmittelbaren Ge-

fechts zu töten.

– Oder alle benannten Zielrichtungen spielten für
Oberst Klein – mit welcher Gewichtung und in wel-
cher Kombination auch immer – gleichermaßen eine
Rolle.

In den Akten des Ausschusses findet sich eine weitere

Variante: So hatte General Vollmer, der unmittelbare

Vorgesetzte von Oberst Klein, in seiner ersten schriftli-

chen Darstellung der Geschehnisse vom 4. September

2009 behauptet, die Gefahr sei nicht von den Tanklastern

selbst, sondern von den Pick-Up-Fahrzeugen in der Nähe

der Tanklaster ausgegangen, weil diese in der Nacht mit

Benzin aus den Tanklastern befüllt und als „fahrende
Bomben“ gegen das PRT hätten eingesetzt werden kön-
nen.

1573
Der General bezog sich dabei nach seinen eigenen

Angaben direkt auf einen Bericht des PRT Kunduz.

Dies deutet darauf hin, dass am Anfang unklar war, was

Oberst Klein mit dem Luftschlag bezwecken wollte. Es

muss sich der Eindruck aufdrängen, dass man im PRT

Kunduz erst im Laufe des 4. September 2009 versucht

hat, sich nachträglich zurechtzulegen, welche Antwort auf

die drängende Frage nach der eigentlichen Zielrichtung
1573) Mat. 17-11/11a, Anlage 22, S. 2.

des Bombenabwurfs die zur Rechtfertigung des Waffen-

einsatzes überzeugendste sein könnte.

Nachdem wohl schnell deutlich wurde, dass die Version

mit den Pick-Up-Fahrzeugen mit dem tatsächlichen Ge-

schehen überhaupt nicht in Einklang zu bringen sein wür-

de, weil diese objektiv weder getroffen wurden noch

getroffen werden sollten, ja deren Bombardierung den

Piloten sogar ausdrücklich untersagt wurde, nahm man

von dieser Variante schnell wieder Abstand. Hierzu be-

kundete auch Hauptmann N. im Ausschuss, er habe „mit-
bekommen“, dass es Oberst Klein nicht um die Pick-Up-
Fahrzeuge, sondern ausschließlich um die Zerstörung der

beiden Tanklaster gegangen sei.
1574

„Man erkannte auf dem Bild auch, dass wohl noch
Autos außen standen. Da wollte er wirklich nicht

draufgehen.“

Weil aber allen Beteiligten wohl auch das Problem be-

wusst wurde, dass Oberst Klein die wiederholte Bitte der

F15-Piloten, einen tiefen Überflug als „abschreckende
Machtdemonstration“ („Show of Force“) durchführen zu
dürfen, um mögliche Zivilisten vor Ort zu vertreiben,

bewusst abgelehnt hatte, kam es auch nicht mehr in Be-

tracht, ausschließlich auf die möglicherweise von den

Tanklastwagen für das PRT Kunduz ausgehende Gefahr

abzustellen, sondern es musste – zumindest nebenbei –
klargestellt werden, dass Ziel des Bombenabwurfs auch

die Tötung der Aufständischen vor Ort war.

Insofern war letztlich die einzige mit dem objektiven

Geschehen in Einklang zu bringende Version die, dass es

neben der Gefahrenbeseitigung zumindest auch um die

Tötung von Aufständischen gehen musste, auch wenn alle

Beteiligten später versuchten, diese Information möglichst

nicht offen zu kommunizieren, sondern ausschließlich auf

die angeblichen Gefahren für die Soldatinnen und Solda-

ten abzustellen.

Konsequenterweise wurde der Vorsatz, die Personen zu

töten, aber auch von Oberst Klein selbst in seinem schrift-

lichen Bericht für den Generalinspekteur vom Folgetag,

dem 5. September 2009 erwähnt.

„Am 040151Dsep09 entschloss ich mich, zwei am
Abend des 03 sep09 auf der LOC PLUTO durch

INS entführte Tanklastwagen, sowie die an den

Fahrzeugen befindlichen INS
1575

durch den Einsatz

von Luftstreitkräften zu vernichten.“1576

Diese Variante, dass es primär um die Beseitigung der

von den Tanklastern ausgehenden Gefahr, nachrangig

aber auch irgendwie um die Tötung der Aufständischen

vor Ort gegangen sei, wurde von Oberst Klein auch im

Rahmen seiner Vernehmung im Ausschuss gewählt. Da-

bei legte der Zeuge jedoch großen Wert darauf, es mög-

lichst offen zu halten, worin genau er die Gefahr denn nun

gesehen haben will.
1574) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 60.

1575) INS=Insurgents=Aufständische.

1576) Mat. 17-7 (Dokument 63), S. 3 (Hervorhebungen nur hier).
Drucksache 17/7400 – 242 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zum einen stellte er immer wieder darauf ab, dass die

Tanklaster selbst jederzeit aus dem Schlamm befreit wer-

den und unmittelbar das PRT Kunduz hätten angreifen

können:

„Deswegen war es eine wahrscheinliche Option,
wenn diese Tanklastzüge freikamen und sich nach

Osten in Bewegung setzen, dass diese, ohne auf

großen Widerstand zu stoßen oder vielleicht gar

keinen Widerstand anzutreffen, in wenigen Minu-

ten an diesem Kontrollpunkt hätten sein können

und danach unmittelbar auch das PRT hätten er-

reichen können.“1577

Andererseits betonte der Zeuge immer wieder, dass die

Tanklaster dann, wenn sie vom PRT weg Richtung

Nordwesten verbracht worden wären, irgendwann einmal

gegen deutsche Soldaten oder befreundete Kräfte hätten

eingesetzt werden können und deshalb hätten zerstört

werden müssen, bevor sie in dichter besiedeltes Gebiet

verbracht worden wären.
1578

Schon daraus wird deutlich, dass auch Oberst Klein selbst

einen unmittelbar bevorstehenden Angriff auf das PRT

eher für unwahrscheinlich gehalten hatte. Und so wundert

es auch nicht, dass es für eine Absicht der Taliban, die

Lastwagen unmittelbar gegen das PRT einzusetzen, nicht

den geringsten tatsächlichen Anhaltspunkt gab: Der sonst

als so verlässlich eingeschätzte HUMINT-Kontakt, dem

Oberst Klein in dieser Nacht so sehr vertraute, hatte sogar

das genaue Gegenteil berichtet, nämlich, dass die Tank-

laster nach Nordwesten verbracht werden sollten. Warum

Oberst Klein dieser Aussage der Quelle weniger Glaub-

würdigkeit zumaß als der Aussage, dass alle Personen vor

Ort Taliban seien, erschließt sich weder aus der Beweis-

aufnahme im Ausschuss noch aus logischen oder sonsti-

gen Gründen.

Hinzu kommt, dass es auch keine konkreten nachrichten-

dienstlichen Warnungen für einen solchen unmittelbaren

Angriff auf das PRT gegeben hatte: Eine von Oberst

Klein angeführte Warnmeldung des BND vom 15. Juli

2009 bezog sich nur auf den zu diesem Zeitpunkt bereits

längst vergangenen Zeitraum bis zu den Präsident-

schaftswahlen in Afghanistan. Weder die Aufklärungs-,

noch die Auswertungsabteilung des BND hatten im Vor-

feld des Luftangriffs vom 4. September 2009 konkrete

Hinweise auf mögliche Anschläge mit Tanklastzügen auf

das PRT Kunduz erfasst.
1579

Zudem war kein anderer Zeuge in dieser Nacht von dem

durch Oberst Klein behaupteten Gefahren-Szenario aus-

gegangen. Alle anderen Beteiligten nahmen eher an, dass

es sich hier um eine „Gelegenheitstat“ der Aufständischen
gehandelt hat, ohne vorsätzliche Planung oder vorbedach-

te Absicht des unmittelbaren Einsatzes der Tanklaster als

„rollende Bomben“. Selbst für Hauptmann N. stand zu
keinem Zeitpunkt in dieser Nacht in Rede, dass eine un-

mittelbare Gefahr für das Feldlager Kunduz abgewehrt
1577) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.

1578) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16 f.

1579) Vgl. Mat. 17-34, S. 366, 272, 273 und 374.

werden solle.
1580

Und auch der JTAC sah die Gefahr für

das PRT persönlich nicht.
1581

Die Beweisaufnahme im

Ausschuss hat keinerlei Fakten erkennbar werden lassen,

welche die von Oberst Klein behauptete Gefahr, dass die

Tanklaster in der Nacht noch unmittelbar gegen das PRT

hätten eingesetzt werden können, untermauert hätten.

Statt dessen wurde festgestellt, dass Oberst Klein selbst

vor dem Bombenabwurf keine unmittelbare Gefahr für

das Feldlager mehr gesehen hatte: Er bekundete im Aus-

schuss zwar immer wieder, dass er die F15-Bomber im

Rahmen einer „Troops-in-Contact“-Situation angefordert
habe, weil er zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen sei,

dass sie jederzeit unmittelbar zum Angriff auf das PRT

hätten übergehen können.

Gleichzeitig hat Oberst Klein im Ausschuss jedoch betont,

dass sich die Lage unmittelbar nach der Anforderung der

Luftunterstützung „weiterentwickelt“ habe und dass im
Moment des Waffeneinsatzes dann doch „keine unmittel-
bare Bedrohung“ mehr vorgelegen habe. Deshalb habe er
den Waffeneinsatz auch nicht auf die ROE 421 („immi-
nent threat“) gestützt, sondern die – nur für offensive
Operationen einschlägige – ROE 429 angewendet:

„Ich hatte ja dargestellt, dass wir zunächst die
Luftfahrzeuge angefordert hatten unter den Maß-

gaben der ROE 421, ‚imminent threat„. Als sich
die Lage weiterentwickelte und wir auch das La-

gegeschehen beobachtet hatten, kamen wir zu dem

Schluss, dass 421 nicht mehr passt.“1582

Die Regelung der ROE 429 habe es ihm dann ermöglicht,

Waffen gegen Personen einzusetzen, die Angriffe gegen

afghanische Sicherheitskräfte oder ISAF vorbereiten oder

planen, ohne dass eine „unmittelbare Bedrohung“ beste-
he.

1583
Damit wird deutlich, dass Oberst Klein ganz offen-

kundig selbst vor dem Bombenabwurf keine ausreichende

unmittelbare Gefahr mehr in den Tanklastern gesehen

hatte, die ihn zur Anordnung eines defensiven Waffenein-

satzes im Rahmen einer direkten Bedrohung im Sinne

einer Verteidigung gegen einen unmittelbaren Angriff

legitimiert hätte, sondern dass er selbst davon überzeugt

war, den Waffeneinsatz nicht als defensive, sondern als

offensive, also präventive Maßnahme gegen ein „Gele-
genheitsziel“ vornehmen zu wollen.

Es kann zwar nicht restlos widerlegt werden, dass Oberst

Klein in der Nacht nicht vielleicht doch auch aus Sorge

für die unmittelbare Sicherheit des PRT gehandelt haben

könnte, aber alle objektiven Fakten und vor allem seine

eigene Einlassung, wenn man sie denn ernst nehmen will,

sprechen dagegen. Würde man hingegen davon ausgehen,

dass seine Einlassung zum Wechsel der ROE nicht der

Wahrheit entsprochen hat, hätte es sich bei seiner dann

verbleibenden Gefahrenbeurteilung zumindest wieder um
1580) Vgl. N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62; Protokoll-Nr. 37, Teil II,

S. 65.

1581) Vgl. W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 19 und Mat. 17-10/10a,
Anhang F, Anlage 32, Ziffer 11.

1582) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.

1583) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15 und 36.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 243 – Drucksache 17/7400

eine grobe Fehleinschätzung des militärischen Führers

gehandelt.

Und auch hinsichtlich der anderen, von Oberst Klein

angedeuteten Gefahrensituation, dass die Tanklaster näm-

lich eventuell irgendwann einmal in ungewisser Zukunft

durch die Aufständischen gegen deutsche Soldaten oder

befreundete Kräfte eingesetzt werden könnten, muss dar-

auf hingewiesen werden, dass hierfür zu diesem Zeitpunkt

genau so wenig Hinweise wie auf konkrete Anschlagspla-

nungen vorlagen.

Wenn die Ausschussmehrheit in ihrer Bewertung behaup-

tet, die Entführung der Tanklaster sei geplant gewesen,

„um später mit der gewaltigen Sprengkraft zweier voll
beladener Tanklastzüge einen Anschlag der schwersten

Kategorie durchführen zu können“,1584 so ist dies frei
erfunden. Niemand hat die geringsten Erkenntnisse dazu

gewinnen können, welche Pläne die Taliban mit den ent-

führten Tanklastern hatten, außer dass diese vom PRT

Kunduz weg nach Gor Tepa verbracht werden sollten.

Selbst die HUMINT-Quelle wusste nicht, was genau mit

den Tanklastern an ihrem ursprünglichen Bestimmungsort

Gor Tepa hätte geschehen sollen. Hinzu kommt, dass im

Laufe der Nacht immer deutlicher wurde, dass die Tank-

laster überhaupt nicht mehr zu befreien waren und das

Benzin zudem den ganzen Abend aus den Tanklastern

bereits abgefüllt worden war. Auch diese Variante der

von Oberst Klein vermuteten Gefahr war also weder

konkret noch unmittelbar.

Will man dem wahren Ziel des Bombenabwurfs näher

kommen, muss der Blick somit mehr auf die versteckten

Hinweise von Oberst Klein hinsichtlich der Folgen des

Bombenabwurfs gerichtet werden: Oberst Klein stellte

sowohl gegenüber dem Untersuchungsausschuss als auch

gegenüber der Bundesanwaltschaft klar, sein Ziel sei es

auch gewesen, die Aufständischen zu treffen und deren

Anführer zu töten, wodurch den Aufständischen „ein
schwerer Schlag“ versetzt würde:

„Durch die Zerstörung der Tanklastzüge und die
Tötung feindlicher Kämpfer, dabei vermutlich

Führer und die in der Vergangenheit als besonders

gefährlich erkannten ausländischen Kämpfer,

würde den Aufständischen ein schwerer Schlag

versetzt.“1585

Der JTAC versuchte in seiner Vernehmung vor dem Aus-

schuss hingegen – übrigens ebenso wie Hauptmann N.1586
– den Eindruck zu erwecken, Ziel des Luftschlages seien
ausschließlich die beiden Tanklastzüge, nicht aber die

Personen auf der Sandbank gewesen:

„Als klar wurde, worum es jetzt geht: dass er einen
Waffeneinsatz befiehlt, stand nie zur Debatte, be-

wusst Personen zu treffen, sondern ganz klar nur

die Tanklastzüge.“1587
1584) Mehrheitsbewertung, S. 176.
1585) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 17.

1586) N., Protokoll-Nr. 8, S. 60.

1587) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 46.

Diese Aussage des Zeugen Oberfeldwebel W. ist durch

die Beweisaufnahme klar widerlegt und als bloße Schutz-

behauptung erkannt worden:

Das einzig objektive Beweismittel, das dem Ausschuss

zur Klärung der Frage der Zielrichtung des Bombenab-

wurfs zur Verfügung stand, war das Transkript des Funk-

verkehrs zwischen dem JTAC und den Besatzungen der

beiden F15-Luftfahrzeuge.

Dabei ist bemerkenswert, dass Oberfeldwebel W. auf die

ausdrückliche Frage der F15-Piloten, ob die Fahrzeuge

oder die Personen ausgeschaltet werden sollten, aus-

schließlich die Personen (sic!) als Ziel benannte:

„F15: (…) are you trying to take out the vehicles
or are you trying to take out the pax?

JTAC: we‟re trying to take out the pax“1588

Besonders deutlich wird die Zielrichtung des Waffenein-

satzes dann, wenn man sich im Transkript der Kommuni-

kation des JTAC mit den Piloten anschaut, zu welchem

Zeitpunkt der JTAC das Ziel als „zeitkritisch“ ausgewie-
sen, also zum „Sofortziel“ erklärt hat. Dies geschah näm-
lich unmittelbar nach dem Hinweis eines der Piloten dar-

auf, dass „alle Personen auf der Sandbank oder zumindest
mehr als 50 Prozent dieser Personen“ von den Tanklastern
weg in nördliche Richtung laufen würden:

„F15: look like all the passengers from the sand-
bank, or look like at least more than 50 per cent

are all running to the north side (…)

JTAC: copied understand the target is now time

sensitive (…)“1589

Zu allem Überfluss findet sich dann noch der Hinweis des

JTAC gegenüber einem der Piloten, er werde „ein Held“
sein:

„JTAC: …so you‟ll be a hero“1590

So wird erkennbar, dass das primäre Ziel des Bombenab-

wurfs kaum die Beseitigung einer objektiv bestehenden,

konkreten Gefahr war, sondern dass die Erlangung eines

militärischen Vorteils gegenüber den Taliban durch Ver-

nichtung von vier Talibanführern und ihren Anhängern

das eigentliche Ziel des Luftangriffs aus der Sicht von

Oberst Klein und seinem JTAC gewesen sein muss, um

den Aufständischen – in den Worten von Oberst Klein –
einen „schweren Schlag“ zu versetzen.

Aus völkerrechtlicher Sicht ist diese Variante für Oberst

Klein zudem sogar die vorteilhafteste: Wäre es ihm nur

um die Beseitigung einer vermuteten Gefahr durch die

Tanklaster gegangen, würde eine völkerrechtliche Rech-

tfertigung seines Verhaltens problematisch werden, weil

eine solche unmittelbare Gefahr objektiv erwiesenerma-

ßen nicht vorhanden war und er sie sogar selbst offenkun-
1588) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 7;

„PAX“= „persons approximately“ – ungefähre Personenanzahl.
1589) Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 7.

1590) Transkript der Cockpit-Tapes (Dokument 60), S. 8.
Drucksache 17/7400 – 244 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dig zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs nicht mehr gese-

hen hatte.
1591

Hinzu kommt, dass er dann aus völkerrechtlicher Sicht

auf die Durchführung einer „abschreckenden Machtde-
monstration“ im Sinne einer „Show of Force“ durch einen
tiefen Überflug zur Warnung möglicher Zivilisten vor Ort

keinesfalls hätte verzichten dürfen.
1592

Nur wenn man also davon ausgeht, dass die Vernichtung

der Personen an den Tanklastern das eigentliche militäri-

sche Ziel des Waffeneinsatzes war, erklärt sich nachvoll-

ziehbar, warum Oberst Klein den Piloten ausdrücklich die

Durchführung einer „Show of Force“ untersagt hat.

Zu dieser Erkenntnis gelangte man im Übrigen sogar im

Verteidigungsministerium selbst. In einem Vermerk der

„Gruppe 85“, die zum Umgang mit diesem Vorgang ein-
gerichtet worden war, heißt es dazu:

„Aus hiesiger Sicht soll hier möglicherweise das
Überraschungsmoment genutzt werden, d. h. die

Insurgenten sollen bis zum letzten Moment nicht

gewarnt werden. Aus hiesiger Sicht ein Anzeichen,

dass (…) eine Bekämpfung der INS (AAF) und
nicht mittelbar der Tanklaster beabsichtigt

war.“1593

Insofern muss man nach der Beweisaufnahme zu dem

Schluss gelangen, dass gerade die Vernichtung der Perso-

nen vor Ort das vordringliche, wenn nicht sogar das ein-

zige Ziel des Bombenabwurfs gewesen sein muss.

bb) Regelwidriger Einsatz des B1-Bombers zur
Suche nach den Tanklastern

Der chronologisch erste Verfahrensfehler im Zusammen-

hang mit dem Waffeneinsatz ist bereits darin zu sehen,

dass der B1-Bomber für die Suche nach den Tanklastern

durch den JTAC eingesetzt wurde, ohne dass diese Ab-

weichung vom ursprünglichen Auftrag des B1-Bombers

zuvor mit dem ISAF-Gefechtsstand für Luftunterstützung

in Kabul („Air Support Operations Center“, ASOC) ab-
gestimmt worden war.

Weil solche Änderungen der Aufträge der Luftfahrzeuge

immer der Zustimmung des ASOC bedürfen, wurde schon

hier gegen die sich aus dem NATO-Operationsplan ver-

bindlich ergebenden Verfahrensvorschriften verstoßen.

cc) Regelwidrige Erklärung eines „TIC“: Die
F15-Bomber hätten nicht angefordert wer-
den dürfen

Nachdem der B1-Bomber die Tanklaster auf der Sand-

bank aufgefunden hatte, dann aber wegen Treibstoffman-

gels wieder abziehen musste, forderte der JTAC auf Ge-
1591) Vgl. auch: von der Groeben, German Law Journal 2010, S. 469,

482 und 488.

1592) Artikel 57 Abs. 2 lit. c) ZP I zu den Genfer Abkommen; vgl. dazu
ausführlich unten ab Seite 250 sowie von der Groeben, in: Ge-

rman Law Journal 2010, S. 469 ff, 484.

1593) Mat. 17-35a, R II 3, Ordn. 3, S. 139.

heiß von Oberst Klein beim ASOC in Kabul erneut Luft-

nahunterstützung („Close Air Support“, CAS) an.

Das ASOC lehnte dieses Ansinnen aufgrund fehlender

Verfügbarkeit von Luftfahrzeugen ab und teilte mit, dass

kurzfristige Luftnahunterstützung nur im Rahmen einer

„Troops-in-Contact“(TIC)-Situation (Truppen in Feindbe-
rührung) erfolgen könne. In einer solchen erklärten Notsi-

tuation kann auf weitere, sich bereits in der Luft befindli-

che und für die unmittelbare Unterstützung in Notlagen

vorgehaltene Flugzeuge zugegriffen werden. Der JTAC

gab diese Information an Oberst Klein weiter.
1594

Ein solcher „TIC“ darf nur erklärt werden, wenn ISAF-
Bodentruppen unter gezieltem Feindbeschuss stehen, sich

in „unmittelbarer Bedrohung“ („imminent threat“) durch
einen feindlichen Angriff befinden oder Zeugen einer

„feindseligen Handlung“ bzw. einer „feindseligen Ab-
sicht“ geworden sind, die zu einem unmittelbaren feindse-
ligen Akt gegen ISAF-Bodentruppen führen könnte.

In den beigezogenen Akten findet sich der bemerkenswer-

te Hinweis, dass sich Oberst Klein nach der Mitteilung

des JTAC, dass Luftnahunterstützung erst nach Erklärung

eines TIC gewährt werden könne, mit Hauptmann N.

besprochen haben soll.
1595

Auch dies ist ein weiteres Indiz

für die Vermutung, dass Hauptmann N. im Zusammen-

hang mit dem Waffeneinsatz eine weitaus größere Rolle

gespielt hat, als er in seiner Vernehmung vorgab.

Nach seinem Gespräch mit Hauptmann N. befahl Oberst

Klein dem JTAC, aufgrund einer „unmittelbaren Bedro-
hung“ („imminent threat“) das Vorliegen einer TIC-
Situation zu erklären.

1596
Diesem Befehl folgte der JTAC

um 1.04 Uhr mit einer entsprechenden Erklärung gegenü-

ber dem ASOC.
1597

Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat gezeigt, dass

tatsächlich zu diesem Zeitpunkt keinerlei Informationen

dazu vorlagen, dass ein unmittelbarer Angriff auf das

PRT geplant oder auch nur angedacht worden sein könn-

te. Wie bereits mehrfach beschrieben, berichtete selbst die

HUMINT-Quelle in dieser Nacht das genaue Gegenteil.

Die Handlungen der Personen an den Tanklastern ließen

ebenfalls keinerlei unmittelbar bevorstehende Feindselig-

keit gegenüber ISAF-Kräften erkennen. Die taktische

Lage stellte also keinesfalls eine TIC-Situation dar.

Die Aussagen von Oberst Klein im Ausschuss hierzu sind

seltsam widersprüchlich: Einerseits beharrte er darauf,

zum Zeitpunkt seines Befehls an den JTAC zur Erklärung

des TIC tatsächlich von einer „unmittelbaren Bedrohung“
des PRT ausgegangen zu sein.

1598
Andererseits bekundete

er aber mehrfach, nach seiner Wahrnehmung hätten alle

Beteiligten, also JTAC, ASOC und die Piloten der F15-
1594) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 16.

1595) Vgl. Mat. 17-10/10a, Chronologischer Ablauf, Rz. 29 und An-
hang F, Anlage 32, Ziffer 10.

1596) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 5, 10.

1597) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (offene Version) vom 16. April 2010 (Fn. 122, Doku-

ment 52), S. 23.

1598) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14 und 25.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245 – Drucksache 17/7400

Bomber, gleichermaßen gewusst, dass eigentlich keine

TIC-Situation im Wortsinne vorgelegen habe.
1599

Und die Tatsache, dass sich Oberst Klein für den unmit-

telbar folgenden Waffeneinsatz gerade nicht darauf stütz-

te, dass eine „unmittelbare Bedrohung“ bekämpft werden
sollte, sondern nach eigener Aussage ganz bewusst eine

Einsatzregel für einen offensiven Waffeneinsatz zugrun-

delegte, zeigt deutlich, dass es eine solche „unmittelbare
Bedrohung“ zu keinem Zeitpunkt gegeben und dass auch
Oberst Klein diese selbst nicht gesehen hatte. Seine

schwer nachvollziehbare Einlassung, die Lage habe sich

eben nach Erklärung des TIC „weiterentwickelt“1600,
erscheint konstruiert und dürfte allein dem Zweck gedient

haben, die Regelwidrigkeit der Anforderung der Luftun-

terstützung mittels Erklärung eines TIC zu rechtfertigen.

Zusätzlich berief sich Oberst Klein immer wieder darauf,

dass er sich aufgrund ähnlicher Vorkommnisse in der

Vergangenheit zu einer sehr weiten – in seinen Augen
„angemessenen“ – Auslegung des TIC-Begriffs berechtigt
gesehen habe:

„Ich kann nur sagen, dass wir das Verfahren in
ähnlicher Form immer, wenn es zum Schutz unse-

rer Soldaten oder der afghanischen Sicherheits-

kräfte notwendig war, auch so angewendet haben,

und das ist eine Interpretationssache, inwieweit

man ‚imminent threat„ tatsächlich auslegt. […] Ich
sage, ich habe das angemessen ausgelegt.“1601

Oberst Klein lieferte allerdings im Ausschuss selbst den

Beleg dafür, dass eine bewusst „weite“ Auslegung der
TIC-Regularien von seinem unmittelbaren Vorgesetzten,

General Vollmer, in der Vergangenheit gerade nicht gou-

tiert worden war, sondern dass dieser stattdessen auf eine

enge Auslegung bestanden hatte:

Oberst Klein berichtete im Ausschuss nämlich von einer

Situation, in der kurze Zeit vorher trotz größter Notlage

für verbündete Bodentruppen, der nur durch die Herbei-

holung von Luftnahunterstützung hätte begegnet werden

können, ein TIC ausdrücklich nicht erklärt worden war,

weil die förmlichen Voraussetzungen dafür nicht vorgele-

gen hatten, und dies obwohl – oder gerade weil – General
Vollmer in diese Entscheidung eingebunden war.

1602
Oberst Klein selbst hat damit im Ausschuss deutlich ge-

macht, dass sein unmittelbarer Vorgesetzter in der Ver-

gangenheit eine enge, förmliche Auslegung der TIC-

Begrifflichkeit selbst in einer akuten Gefahrenlage für

zwingend gehalten hatte. Damit dürfte Oberst Klein mit

seiner „weiten“ Auslegung der Voraussetzungen des TIC
ganz bewusst gegen die bislang im Einvernehmen mit

seinem unmittelbaren Vorgesetzten geübte Praxis gehan-

delt haben.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es

sich bei diesen Anforderungsvoraussetzungen nicht um
1599) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.
1600) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.

1601) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 26.

1602) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13 f.

bloß nebensächliche Förmlichkeiten handelt, sondern dass

mit diesen engen Vorgaben dem Umstand Rechnung

getragen wird, dass diese Flugzeuge bei einer unberech-

tigten Anforderung eben nicht mehr zur Verfügung ste-

hen, um in einer eventuell entstehenden tatsächlichen

Notlage mit tatsächlichen akuten Gefahren für ISAF-

Soldatinnen und -Soldaten zeitnah eingreifen zu können.

Nach der Beweisaufnahme steht also fest, dass der Befehl

von Oberst Klein an seinen JTAC, gegenüber dem ASOC

einen „TIC“ zu erklären, gegen ISAF-Einsatzregeln ver-
stieß, weil das taktische Lagebild am Boden weder eine

„Feindberührung“ noch eine „unmittelbare Bedrohung“
darstellte. Die Luftnahunterstützung hätte in dieser Nacht

von Oberst Klein so nicht angefordert werden dürfen.

Wäre gegen diese Verfahrensvorschrift durch Oberst

Klein und den JTAC nicht verstoßen worden, sondern

wären die förmlichen Vorgaben für die Anforderung von

Luftnahunterstützung in einer TIC-Situation beachtet

worden, wäre der Bombenabwurf zwangsläufig ausgeb-

lieben.

Schon hier zeigt sich, dass die öffentliche Behauptung des

Freiherrn zu Guttenberg am 6. November 2009, der Luft-

angriff hätte auch ohne die begangenen Verfahrensfehler

zwingend erfolgen müssen, ein reines Trugbild mit dem

einzigen Ziel war, die Soldatinnen und Soldaten von der

Schneidigkeit seiner eigenen Person zu begeistern.

dd) Unzureichende Abklärung der Anwesen-
heit befreundeter Kräfte

Weiterhin ist es vor jedem Waffeneinsatz zwingend er-

forderlich, sorgfältig abzuklären, ob sich nicht etwa

ISAF-Truppen selbst oder „befreundete Kräfte“ in der
Nähe befinden, die unbeabsichtigt in Mitleidenschaft

gezogen werden könnten. Auch dies ist nicht in dem er-

forderlichen Maße geschehen:

Oberst Klein hatte zwar in der Nacht die Operationszent-

rale des PRT angewiesen, die Position der eigenen und

der verbündeten Kräfte bei der afghanischen Sicherheits-

koordinierungsstelle (OCC-P KDZ) zu erfragen, um aus-

zuschließen, dass sich ISAF-Soldaten oder Angehörige

der afghanischen Armee in der Nähe der Sandbank befin-

den, jedoch hat die Beweisaufnahme im Ausschuss erge-

ben, dass diese in jener Nacht überhaupt nicht mehr er-

reichbar war, so dass er von dort keine Antwort erhalten

konnte.

In der Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts

wird in diesem Zusammenhang der falsche Eindruck

erweckt, der JTAC habe diese Feststellung der Nichtbe-

troffenheit eigener Kräfte daraufhin über den Luftwaffen-

verbindungsoffizier (Air Liaison Officer, ALO) der Task

Force 47 in Mazar-e Sharif erwirkt.
1603

Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat jedoch ergeben,

dass der ALO, der Zeuge Oberstleutnant G., über solche
1603) Vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 23.
Drucksache 17/7400 – 246 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Informationen überhaupt nicht verfügte, sondern nur von

anderer Stelle gefragt worden war, ob ein TIC vorläge,

was er nach Rücksprache mit dem JTAC gegenüber die-

sen dritten Stellen nur bestätigt habe.
1604

Damit wird deut-

lich, dass in dieser Nacht noch nicht einmal ein eindeuti-

ger Ausschluss der möglichen Betroffenheit eigener oder

verbündeter Kräfte erfolgte.

ee) Unklarheiten zwischen Oberst Klein, dem
JTAC und den Piloten über die angewand-
te Einsatzregel („Rule of Engangement“)

Der nächste in der Beweisaufnahme festgestellte Verstoß

des militärischen Führers gegen das zwingend anzuwen-

dende ISAF-Regelwerk bestand darin, dass es versäumt

wurde, den Waffeneinsatz auf eine klare Grundlage zu

stellen und die herangezogene Einsatzregel („Rule of
Engagement“, ROE) deutlich zu benennen.

Alle unmittelbar an dem Waffeneinsatz Beteiligten – der
Kommandeur, der JTAC und die Piloten der F15-Bomber

– stützten sich auf jeweils völlig unterschiedliche Einsatz-
regeln für den Waffeneinsatz, wodurch vor allem die

Piloten im Unklaren darüber blieben, welche Vorausset-

zungen für den von Oberst Klein angeordneten Waffen-

einsatz eigentlich erfüllt sein mussten.

Bezüglich der Grundlage, auf der seine Entscheidung

basierte, hat Oberst Klein erklärt, er habe die Luftfahrzeu-

ge im Rahmen des TIC zwar unter den Maßgaben der

ROE 421 („imminent threat“) angefordert, weil er zu
diesem Zeitpunkt von einer unmittelbaren Bedrohung

durch die Tanklaster ausgegangen sei, jedoch habe sich

die Lage „weiterentwickelt“ und er habe dann auf Vor-
schlag des JTAC die Bekämpfung nach der Einsatzregel

ROE 429, die ein offensives Vorgehen ermöglicht, durch-

geführt:

„Ich hatte ja dargestellt, dass wir zunächst die
Luftfahrzeuge angefordert hatten unter den Maß-

gaben der ROE 421, ‚imminent threat„. Als sich
die Lage weiterentwickelte und wir auch das La-

gegeschehen beobachtet hatten, kamen wir zu dem

Schluss, dass 421 nicht mehr passt. […] Nach
meinem Kenntnisstand haben wir das auch so ge-

meldet, dass die Bekämpfung nach 429 durchge-

führt wurde.“1605

Der JTAC, der Zeuge Oberfeldwebel W., erklärte im

Ausschuss hingegen, es habe nach seiner Erinnerung im

Laufe des Abends keinen Wechsel der ROE gegeben. Er

habe den Oberst auch nicht hinsichtlich der ROE bera-

ten.
1606

Aus den Akten des Ausschusses ergibt sich sogar,

dass der JTAC die Ausführung des Luftangriffs vielleicht

sogar verweigert und sozusagen die „rote Karte“ gezogen
haben würde, wenn er gewusst hätte, dass der Komman-
1604) Vgl. G., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 51: „Ich selber hatte damit

überhaupt nichts zu tun. Diese gesamte Koordinierung des gesam-
ten Zwischenfalls ist vollkommen an mir vorbeigegangen.“

1605) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.

1606) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 30.

deur einen Wechsel der ROE kurz vor dem Waffeneinsatz

vornehmen wollte.
1607

Der JTAC hatte zudem zuvor noch nie einen offensiven

Waffeneinsatz nach ROE 429 mit den dafür erforderli-

chen speziellen Zielzuweisungsverfahren durchge-

führt.
1608

Auch Oberst Klein hatte vor dieser Nacht keiner-

lei Erfahrungen im Zusammenhang mit der Zielzuwei-

sung bei Offensiveinsätzen gemacht,
1609

was angesichts

seines Aufgabenprofils als PRT-Kommandeur, das gerade

nicht die offensive Verfolgung vermuteter Taliban außer-

halb von konkreten Selbstverteidigungs- oder Nothilfesi-

tuationen beinhaltet, auch nicht weiter verwunderlich ist.

Während Oberst Klein davon ausging, es erfolge ein of-

fensiver Waffeneinsatz nach ROE 429 zur Bekämpfung

eines „Gelegenheitsziels“ bei unkonkreten Gefahren,
schien der JTAC bis zum Schluss anzunehmen, es werde

ein Waffeneinsatz zur Bekämpfung einer konkreten und

unmittelbaren Gefahr für das PRT Kunduz durch die

Tanklaster und die dort befindlichen Personen auf der

Grundlage von ROE 421 durchgeführt.

Die F15-Piloten gründeten den Waffeneinsatz zu allem

Überfluss auf keine dieser beiden Einsatzregeln, weil

auch keine davon ihnen gegenüber benannt worden war.

Sie gingen statt dessen während der gesamten Zeit davon

aus, dass sie auf Grundlage einer „Troops-in-Contact“
(TIC)-Situation handelten und wandten deshalb die all-

gemeinen Regeln der US-Streitkräfte im Bereich der

Selbstverteidigung aufgrund vorliegender „unmittelbarer
Bedrohung“ („imminent threat“) an. Zu dieser Überzeu-
gung mussten die Piloten zwangsläufig gelangen, weil

zum einen ihr ursprünglicher Einsatzauftrag als TIC für

eine solche Lage mit „unmittelbarer Feindberührung“
ausgestaltet war und der JTAC zum anderen Ihnen gege-

nüber mehrfach ausdrücklich bestätigt hatte, dass eine

solche „unmittelbare Bedrohung“ weiterhin bestehe.
Wörtlich erklärte der JTAC gegenüber den F15-Piloten:

„Ja, die Personen stellen eine unmittelbare Bedro-
hung dar. Die Aufständischen versuchen, den ge-

samten Kraftstoff aus den Tanklastwagen abzufül-

len und danach werden sie sich neu formieren, und

wir haben Erkenntnisse über laufende Operationen

und darüber, dass sie vermutlich das PRT Kunduz

angreifen werden.“1610

Obwohl die Piloten anfänglich unsicher waren, ob sie hier

wirklich die Situation einer unmittelbaren Bedrohung von

ISAF-Kräften vorfanden, kann ihnen kein Vorwurf ge-

macht werden, wenn ihnen durch den JTAC – objektiv
wahrheitswidrig – vorgespiegelt wurde, es lägen belastba-
re Informationen („intel information“) dazu vor, dass
gerade die an den Tanklastern befindlichen Personen

planten, das PRT Kunduz unmittelbar anzugreifen, und

dass es sich deshalb um eine „unmittelbare Bedrohung“,
1607) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 32, Ziffer 27.
1608) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 32, Ziffer 26.

1609) Vgl. Mat. 17-10/10a, Ordn. 1, S. 56/73, Ziffer 9.

1610) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 10.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247 – Drucksache 17/7400

einen „imminent threat“, gehandelt habe, der zum Waf-
feneinsatz berechtige.

Dabei handelte der JTAC nach eigenen Angaben nur

deshalb so, weil Oberst Klein ihm gegenüber dargestellt

haben soll, dass eine „unmittelbare Gefahr“ für das PRT
bestehe, was er nach anfänglichen Zweifeln dann auch so

verstanden habe.
1611

In den Akten finden sich allerdings

Hinweise darauf, dass der JTAC selbst in dieser Nacht

keine Notwendigkeit gesehen hatte, einen TIC zu erklä-

ren, und er nur deshalb die Behauptung einer „unmittelba-
ren Gefahr“ gegenüber dem ASOC und den Piloten auf-
gestellt hatte, weil es ihm durch Oberst Klein befohlen

worden war.
1612

Da über die Kommunikation des JTAC

mit den Piloten ein Protokoll vorliegt, steht jedenfalls

fest, dass der JTAC gegenüber den Piloten keinerlei konk-

rete Einsatzregel – auch nicht die ROE 421 – für den
Waffeneinsatz benannt hat, obwohl er eigentlich aufgrund

der für den JTAC geltenden Verfahrensregeln dazu ver-

pflichtet gewesen wäre, wenn der Waffeneinsatz außer-

halb eines TIC durchgeführt werden sollte.

Auch insoweit muss festgestellt werden, dass es für den

Fall, dass er nicht begangen, sondern den Piloten tatsäch-

lich mitgeteilt worden wäre, dass der Kommandeur den

Waffeneinsatz auf Grundlage von ROE 429 befohlen hat,

der Bombenabwurf letztlich ausgeblieben wäre, weil der

Waffeneinsatz dann nach anderen Voraussetzungen und

Verfahren sowie mit Beteiligung anderer Stellen hätte

ausgeführt werden müssen, die schnell erkannt hätten,

dass die Voraussetzungen der ROE 429 nicht vorlagen.

ff) Vorgaben der dem Waffeneinsatz zu Grun-
de gelegten ROE 429 wurden sämtlich
nicht erfüllt

Geht man davon aus, dass Oberst Klein vor dem Untersu-

chungsausschuss nicht bewusst die Unwahrheit hinsich-

tlich der von ihm in der Nacht zu Grunde gelegten Ein-

satzregel ROE 429 bekundet hat, sondern tatsächlich den

Waffeneinsatz auf die offensive Einsatzregel ROE 429

stützen wollte, so ergeben sich erhebliche weitere Fragen

dazu, ob die formalen Voraussetzungen dieser Einsatzre-

gel durch Oberst Klein beachtet worden sind.

aaa) RC North hätte bei Waffenfreigabe nach
ROE 429 beteiligt werden müssen

Zunächst stellt sich schon die Frage, ob Oberst Klein als

PRT-Kommandeur überhaupt zur Waffenfreigabe unter

ROE 429 berechtigt gewesen wäre. Grundsätzlich sind

nach den Vorgaben des ISAF-Operationsplans für die

Freigabe derartiger offensiver Waffeneinsätze nicht die

Kommandeure der PRTs vor Ort zuständig, sondern der

übergeordnete RC-Kommandeur, hier der Kommandeur

des RC North, General Vollmer. Nur in besonders eiligen

(„hasty“) Situationen ohne größere Vorbereitungszeit ist
diese Freigabebefugnis im Einzelfall delegiert, jedoch
1611) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 19.

1612) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 32, Ziffer 11.

dann ausdrücklich auf einen Kommandeur der „Task
Force“, nicht aber auf den PRT-Kommandeur.

Oberst Klein versuchte in seiner Vernehmung im Aus-

schuss den Eindruck zu erwecken, nach deutschem Ver-

ständnis seien Task Force- und PRT-Kommandeure

gleichgestellt und insofern austauschbar.
1613

Im Hinblick

darauf, dass die beiden Kommandoebenen sehr unter-

schiedliche Aufgaben und Befugnisse zugewiesen be-

kommen haben,
1614

begegnet diese Einlassung zumindest

Zweifeln, die im Ausschuss nicht ausgeräumt werden

konnten:

Angesichts dessen, dass die für rein offensive Waffenein-

sätze ausgelegte Einsatzregel ROE 429 die gezielte Tö-

tung von Aufständischen außerhalb einer konkreten Ver-

teidigungssituation ermöglicht, fragt sich, in welcher

Weise ein solcher Waffeneinsatz einen PRT-

Kommandeur in seinem Auftrag eigentlich unterstützen

soll. Der PRT-Kommandeur hat – im Gegensatz zu den
Kommandeuren der Task Force, deren tägliches Geschäft

es darstellt, Personen, die mit Anschlägen gegen die Si-

cherheitskräfte und die afghanische Staatsgewalt in Ver-

bindung stehen, außerhalb konkreter Gefechte zu verifi-

zieren und gegebenenfalls gegen sie auch mit Gewalt

vorzugehen
1615

– vor allem den Auftrag, die Wiederauf-
baumaßnahmen in der zugewiesenen Region abzusi-

chern.
1616

Darunter dürfte aber kaum die präventive Li-

quidierung vermuteter Aufständischer außerhalb einer

konkreten Gefechtssituation fallen, zu der die ROE 429

berechtigt.

Nicht von ungefähr sind die PRT-Kommandeure auch

nicht eingebunden in die Erstellung, Führung und An-

wendung der verschiedenen Ziellisten im Rahmen des

ISAF-Targetingprozesses (JEL, JPEL, RTL, NSL,

JPSIL)
1617

und in die Operationsplanung und -führung auf

der Grundlage dieser Ziellisten. Warum PRT-

Kommandeuren dann trotzdem die Befugnis gegeben

worden sein soll, solche Personen mit Waffengewalt

offensiv verfolgen zu können, erschließt sich nur schwer-

lich.

Oberst Klein selbst hat in seiner Vernehmung ausdrück-

lich darauf hingewiesen, dass die Task Force gegenüber

dem PRT einen eigenständigen Aufgabenbereich und

einen völlig eigenständigen „Befehls- und Informations-
strang“ hat, in den der PRT-Kommandeur nicht einge-
bunden ist.

1618
Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass

Oberst Klein – ebenso wenig wie sein JTAC – über kei-
nerlei Erfahrungen mit den einschlägigen Zielzuwei-
1613) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36.

1614) Der PRT-Kommandeur hat dabei die Aufgabe, „Wiederaufbau-
und Entwicklungsprogramme mit Provinz-/ Distrikt-
Gouverneuren zu koordinieren“; vgl. Mat. 17-22, Büro Sts Wi-
chert Al. 01/Ordn. 2, Annex B/1/e.

1615) Vgl. BT-Drs. 17/2884, S. 7.
1616) Vgl. Mat. 17-22, Büro Sts Wichert Al. 01/Ordn. 2, Annex B/1/e.

1617) Vgl. BT-Drs. 17/2884, S. 9 f.

1618) Vgl. etwa: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 46.

Drucksache 17/7400 – 248 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sungsverfahren bei Offensiveinsätzen verfügte und mit

diesen auch in keiner Weise vertraut war.
1619

Gerade der vorliegende Fall hat gezeigt, dass der PRT-

Kommandeur mit der sachgerechten Einordnung der von

der HUMINT-Quelle gewonnenen Informationen über-

fordert war, weil die Suche nach und die offensive Ver-

folgung oder gar „Liquidierung“ von als gefährlich er-
kannten Aufständischen gerade nicht zu seinem Tagesge-

schäft gehörte, sondern eindeutig dem Aufgabenbereich

der Task Force 47 zuzuordnen ist.

Es sprechen insofern gute Gründe für die Annahme, dass

Oberst Klein schon aufgrund seiner Stellung als PRT-

Kommandeur nicht die Befugnis hatte, einen derartigen

offensiven Waffeneinsatz freizugeben, sondern dass die

Waffeneinsatzbefugnis im Rahmen der ROE 429 allen-

falls auf Kommandeure der Task Force delegiert werden

kann, so dass er den Kommandeur des RC North, General

Vollmer, in die Entscheidung hätte einbinden müssen.

bbb) Keine Einbindung des vorhandenen
Rechtsberaters in den Prozess der Waffen-
freigabe

Diese offensichtlichen Unklarheiten und Unsicherheiten

hinsichtlich der bei dem Waffeneinsatz anzuwendenden

Einsatzregeln hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit ver-

mieden werden können, wenn Oberst Klein den im PRT-

Kunduz vorhandenen Rechtsberater eingebunden hätte.

Dieser hätte zumindest schon einmal darauf hinweisen

können, dass die genaue Benennung der bei einem sol-

chen Waffeneinsatz anzuwendenden ROE gegenüber dem

JTAC und vor allem auch gegenüber den Piloten zwin-

gend erforderlich ist.

Aber auch für die ordnungsgemäße Durchführung eines

Waffeneinsatzes gemäß ROE 429 – unabhängig davon, ob
vom RC-Kommandeur oder vom TF-/PRT-Kommandeur

durchgeführt – bedarf es grundsätzlich eines qualifizierten
Beobachters, der über die Einhaltung der Vorgaben des

Humanitären Völkerrechts wacht und eine verlässliche

Aussage zu Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des

Waffeneinsatzes vor seiner Ausführung trifft.
1620

Die Bedeutung eines solchen Rechtsbeistands erschließt

sich im Übrigen auch schon mit Blick auf das Völker-

recht, das in Artikel 82 des Ersten Zusatzprotokolls zu

den Genfer Abkommen („ZP I“) vorsieht, dass Rechtsbe-
rater verfügbar gehalten werden müssen, um die militäri-

schen Kommandanten zu beraten.

Oberst Klein hat in seiner Vernehmung vor dem Aus-

schuss erläutert, er habe deshalb auf die Einbeziehung des

im PRT zu diesem Zeitpunkt anwesenden Rechtsberaters

verzichtet, weil dieser ihn eigentlich nur „in Nebenfunkti-
on“ beraten habe.1621 Welche Relevanz diese Feststellung
für die Notwendigkeit der Einbindung eines Rechtsbera-
1619) Vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 51.

1620) Vgl. Mat. 17-10/10a, S. 50/73, Ziffer 5.

1621) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15.

ters haben soll, erschließt sich nur schwerlich. Darüber

hinaus hat Oberst Klein angegeben, der Rechtsberater

habe ihm am nächsten Tag seine „Einschätzung der Ein-
satzregeln“ bestätigt, so dass er ihm in der Nacht auch
keinen anderen Rat hätte geben können. Auch der

Rechtsberater des RC North habe ihm im Nachhinein

bestätigt, dass der Waffeneinsatz „ROE-konform“ gewe-
sen sei.

In den Akten des Ausschusses findet sich zwar ein ander-

thalbseitiger Vermerk des Rechtsberaters aus Mazar-e

Sharif vom 4. September 2009,
1622

doch erschöpft sich

dieser darin, auf die – überaus zweifelhafte – Delegation
der Waffenfreigabebefugnis im Rahmen der ROE 429 auf

die Ebene des PRT-Kommandeurs hinzuweisen. Hinsich-

tlich der Frage, ob die materiellen Voraussetzungen der

ROE 429 vorgelegen haben, enthält der Vermerk jedoch

keine abschließende Bewertung, sondern weist nur darauf

hin, dass dies davon abhänge, „ob ausreichende INTEL-
Erkenntnisse vorgelegen haben, dass es sich bei den in der

Nähe befindlichen Personen um Aufständische gehandelt

hat“.

Zu welchem Ergebnis ein solcher geschulter Beobachter

hinsichtlich der Berechtigung des Waffeneinsatzes letz-

tlich in der Nacht gelangt wäre, wenn er beteiligt worden

wäre, ist insofern zumindest offen.
1623

Festgestellt werden

konnte nur, dass Oberst Klein jedenfalls verpflichtet ge-

wesen wäre, den im PRT vorhandenen Rechtsberater in

der Nacht hinzuzuziehen, um den förmlichen Anforde-

rungen der ISAF-Einsatzregeln zu entsprechen.

ccc) Unzureichende Durchführung der PID an-
hand einer einzigen HUMINT-Information
ohne sonstige Bestätigung

Weiterhin wäre es – wie bei jedem Waffeneinsatz – zwin-
gend erforderlich gewesen, die in der ROE 429 definier-

ten „gegnerischen Kräfte“ als solche eindeutig zu identifi-
zieren („Positive Identification“, PID).

Eine solche eindeutige Identifizierung kann durch eine

Vielzahl von Verfahren oder Informationen erfolgen, auf

die im Einzelnen hier nicht eingegangen werden muss.

Eine Möglichkeit zu einer solchen PID zu gelangen, stellt

nach den einschlägigen ISAF-Einsatzregeln auch die

Nutzung von menschlichen Quellen dar.

Für den Fall, dass eine solche PID allein auf eine einzelne

HUMINT-Information gestützt werden soll, geben die

ISAF-Einsatzregeln vor, dass diese Information zumin-

dest eine bestimmte Klassifizierung, also einen bestimm-

ten Grad von Zuverlässigkeit der Quelle und Glaubwür-

digkeit des Nachrichteninhalts, aufweisen muss.

Oberst Klein hat im Ausschuss immer wieder darauf hin-

gewiesen, der von ihm in der Nacht für die Identifizierung

sämtlicher Personen an den Tanklastern als Aufständische

herangezogene Informant sei als „im Allgemeinen zuver-
lässig“, also sogar einen Grad besser als eigentlich erfor-
1622) Mat. 17-11/11a (Dokument 103), Anlage 9.

1623) Vgl. zu den rechtlichen Bewertungen unten ab Seite 252.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 249 – Drucksache 17/7400

derlich, klassifiziert gewesen, so dass er berechtigt gewe-

sen sei, die PID allein auf diese Information zu stüt-

zen.
1624

Diese Argumentation vermag im Ergebnis jedoch nicht zu

überzeugen: Nach den Einsatzregeln wäre nicht nur die

Klassifizierung der Quelle als zuverlässig erforderlich

gewesen, sondern vor allem hätte auch die Nachricht

selbst einen gewissen Grad an Glaubwürdigkeit und Plau-

sibilität aufweisen, also in bestimmter Weise bewertet und

klassifiziert werden müssen, was durch eine zusätzliche

Kennzeichnung erfolgt.

Im vorliegenden Fall hat der für die Klassifizierung der

Nachricht zuständige Offizier der Feldnachrichtenkräfte,

Hauptmann N., jedoch ausdrücklich die förmliche Bewer-

tung der Glaubwürdigkeit der Nachricht verweigert und

sich immer nur auf die Klassifizierung der Zuverlässigkeit

der Quelle bezogen. Damit fehlte es aber in der Nacht an

der neben der Zuverlässigkeit der Quelle erforderlichen

Bewertung der Glaubwürdigkeit der konkreten Nachricht,

so dass die Information des HUMINT-Kontakts zum

Status sämtlicher Personen an den Tanklastern durch

Oberst Klein eigentlich nicht zur alleinigen Grundlage des

Waffeneinsatzes hätte gemacht werden dürfen.

Hinzu kommt, dass im konkreten Fall erhebliche Zweifel

an der Plausibilität der Aussage der Quelle angezeigt

gewesen wären:

Es ist absolut unwahrscheinlich, dass eine eindeutige

Identifizierung sämtlicher Personen an den Tanklastern –
Oberst Klein selbst ist von etwa 70 Personen vor Ort

ausgegangen – als Mitglieder einer militärisch organisier-
ten bewaffneten Gruppe von Taliban in einem so schwie-

rigen und komplexen, vor allem sich andauernd dyna-

misch verändernden Zielgebiet durch eine einzige

HUMINT-Quelle wirklich belastbar hätte erfolgen kön-

nen. Nach den Aussagen des JTAC war in den durch die

F15-Bomber in den Befehlsstand übertragenen Videobil-

dern ein „ständiges Kommen und Gehen“ festzustellen.
Nach späteren amtlichen Berichten sollen zeitweise sogar

bis zu 300 Personen vor Ort gewesen sein.
1625

Es erscheint vollkommen schleierhaft, wie eine einzige

HUMINT-Quelle mit Sicherheit die Identität jeder einzel-

nen Person vor Ort und die Zugehörigkeit jeder einzelnen

Person zu einer organisierten, bewaffneten Talibangruppe

hätte feststellen können sollen.

Um die erforderliche eindeutige Identifizierung der zu

bombardierenden Personen sachgerecht vornehmen zu

können, wäre es zwingend erforderlich gewesen, zumin-

dest eine Bestätigung der pauschalen Aussagen der ein-

zelnen Kontaktperson zu erlangen. Dies ist jedoch nicht

erfolgt: Die Bilder des B1-Bombers und der F15-Bomber

lieferten gerade keine Bestätigung für die Annahme, dass

sämtliche Personen vor Ort Aufständische waren. Wie

oben bereits angesprochen, konnten die B1-Bomber-

Piloten noch nicht einmal erkennen, ob die Personen auf
1624) Vgl. etwa: Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 27 und 44.

1625) Vgl. Mat. 17-10/10a, Anhang C, S. 2.

der Sandbank Waffen, Holzscheite oder Kanister in ihren

Händen hielten. Ein tieferer Überflug, der eventuell bes-

sere Bilder geliefert hätte, wurde von Oberst Klein unter-

sagt. Die Piloten wurden vielmehr ausdrücklich angewie-

sen, sich in großer Höhe „zu verstecken“:

„F15: Would you like a show of force over the
area or would you like us to stay high above?

JTAC: negative I want you to hide“1626

Es wurde also von Oberst Klein nichts unternommen, um

die Aussage des Informanten in irgendeiner Weise an-

derweitig zu verifizieren; vorhandene weitere Aufklä-

rungsmöglichkeiten durch die F15-Bomber wurden sogar

durch den JTAC unterbunden. Eventuell wäre bei einem

tiefen Überflug erkennbar geworden, dass sich auch eine

Vielzahl von Kindern an den Tanklastern befanden.

Jedenfalls reichten die Oberst Klein vorliegenden Infor-

mationen dieser einen HUMINT-Quelle allein nicht aus,

um bei einem derart komplexen und schwierigen, sich

andauernd verändernden Zielgebiet eine eindeutige Iden-

tifizierung sämtlicher Personen vor Ort als legitime mili-

tärische Ziele vorzunehmen. Zu dieser Schlussfolgerung

gelangte im Übrigen auch der Kommandeur des Allied

Joint Force Command in Brunssum, der NATO-

Befehlshaber für den gesamten ISAF-Einsatz, General

Egon Ramms, im Ausschuss.
1627

ddd) Fehlende Anwendung der für offensiven
Waffeneinsatz zwingenden Zielzuwei-
sungsverfahren

Darüber hinaus fehlte es sowohl Oberst Klein als auch

dem JTAC an den erforderlichen Kenntnissen zu den im

Rahmen des offensiven Waffeneinsatzes auf Grundlage

der ROE 429 anzuwendenden Zielzuweisungsverfahren.

Im Unterschied zu den ansonsten durchgeführten Waffen-

einsätzen im Rahmen der Selbstverteidigung oder der

bewaffneten Nothilfe wäre es hier erforderlich gewesen,

dass neben der PID ganz bestimmte Verfahren der Ab-

schätzung von Kollateralschäden zur Anwendung gelan-

gen und dass die Piloten vor dem Bombenabwurf die

Weisung zur Zielbekämpfung auf eine ganz bestimmte –
formal geregelte – Art und Weise erhalten.

Im vorliegenden Fall fehlte es bereits an der erforderli-

chen formalen Abschätzung der Kollateralschäden („Col-
lateral Damage Estimation“, CDE). Wäre diese ord-
nungsgemäß durchgeführt worden und wäre Oberst Klein

mit den einschlägigen Bestimmungen vertraut gewesen,

hätte er erkannt, dass wegen des Vorhandenseins ziviler

Strukturen in einem bestimmten Radius vom beabsichtig-

ten Ziel die Befugnis zur Bekämpfung dieses Ziels nicht

mehr beim Kommandeur der Task Force bzw. bei ihm als

PRT-Kommandeur gelegen hätte, sondern wieder auf den
1626) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 4.

1627) Vgl. Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 13.
Drucksache 17/7400 – 250 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
RC-North, also auf General Vollmer, übergegangen wä-

re.
1628

Darüber hinaus wäre selbst dann, wenn man mit Oberst

Klein annehmen würde, dass ihm als PRT-Kommandeur

die Befugnis zur Waffenfreigabe zugestanden habe, eine

Einbindung anderer offizieller Stellen, die hier aus Ge-

heimschutzgründen nicht genauer bezeichnet werden

können, zur Koordinierung mit den Piloten zwingend

erforderlich gewesen.
1629

Es handelt sich dabei um ein etabliertes System der ge-

genseitigen Kontrolle und Verantwortung, dem sich

Oberst Klein durch seine Entscheidung, niemanden sonst

an der Freigabe des Waffeneinsatzes zu beteiligen, regel-

widrig entzogen hat.

Die Piloten hatten, obwohl sie noch nicht einmal von

einem offensiven Waffeneinsatz ausgingen, sondern we-

gen der Irreführung durch den JTAC meinten, auf eine

Selbstverteidigungssituation zu reagieren, ausdrücklich

gebeten, zur Absicherung („so we are both covered“)1630
andere Stellen in die Entscheidung einzubeziehen, doch

wurde dieses Ansinnen vom JTAC bewusst abschlägig

beschieden, indem er auf den neben ihm stehenden

Kommandeur hinwies („clearance approval by comman-
der is given he is right next to me“)1631.

Zusammenfassend steht nach der Beweisaufnahme fest,

dass Oberst Klein entweder die für eine Waffenfreigabe

gemäß ROE 429 erforderlichen Verfahren der Ziel- und

Wirkungsanalyse sowie der Einbeziehung weiterer Stellen

im Rahmen des Systems der gegenseitigen Kontrolle und

Verantwortung bewusst missachtet hat oder dass er die

erforderlichen Verfahren und Beteiligungen deshalb nicht

angewandt hat, weil er (pflichtwidrig) nicht wusste, was

von ihm in einer solchen Situation nach den geltenden

Einsatzregeln gefordert gewesen wäre.

Da sich in der Beweisaufnahme keine Belege für eine

bewusste Missachtung der Einsatzregeln ergeben haben,

zeigt sich auch hier wieder, dass Oberst Klein mit dem

angeordneten Waffeneinsatz ein offensives militärisches

Ziel verfolgte, das völlig außerhalb des ihm als PRT-

Kommandeur eigentlich zugewiesenen Aufgabenbereichs

lag, so dass ihm die erforderlichen Kenntnisse der einzu-

haltenden Verfahrensregeln rundweg fehlten.

Im Hinblick auf die mehrfach widerlegte Äußerung des

Freiherrn zu Guttenberg vom 6. November 2009, dass

der Luftschlag auch bei Einhaltung sämtlicher Verfah-

rensvorschriften hätte erfolgen müssen, ist es auch hier

wieder wichtig festzustellen:

Hätte Oberst Klein sämtliche formalen Verfahrensvorga-

ben zur Ziel- und Wirkungsanalyse im Rahmen der von

ihm vorgeblich angewandten ROE 429 beachtet, wäre es

niemals zu dem durchgeführten Waffeneinsatz gekom-

men, weil Oberst Klein dann nicht für die Waffenfreigabe
1628) Vgl. Mat. 17-10/10a, Ordn. 1, S. 50/73, Ziffer 9.
1629) Vgl. Mat. 17-10/10a, Ordn. 1, S. 49/73, Ziffer 3 ff.

1630) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 7.

1631) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), S. 7.

zuständig gewesen wäre, sondern General Vollmer, und

weil durch die Einbeziehung weiterer Stellen die unzurei-

chende positive Identifizierung sämtlicher Personen vor

Ort als „Aufständische“ aufgefallen wäre.

gg) Regelwidrige Untersagung der Durchfüh-
rung einer „Show of Force“

Schließlich ist einzugehen auf die ausdrückliche Weisung

Oberst Kleins, keine „abschreckende Machtdemonstrati-
on“ im Sinne einer „Show of Force“ durch einen tiefen
Überflug zur Warnung möglicher Zivilisten vor Ort

durchzuführen.

Wie bereits oben angedeutet, richtet sich die Antwort auf

die Frage nach der Erforderlichkeit einer solchen „Show
of Force“ danach, welches Ziel mit dem Waffeneinsatz
verfolgt werden sollte.

Wäre es Oberst Klein ausschließlich darum gegangen,

eine unmittelbare Gefahr für das Feldlager durch den

möglichen Einsatz der Tanklaster unmittelbar gegen das

PRT abzuwehren, so wäre ein Verzicht auf die Durchfüh-

rung einer „Show of Force“ keinesfalls zu rechtferti-
gen.

1632
Die Notwendigkeit der Durchführung einer solchen War-

nung hängt nämlich nicht davon ab, ob tatsächlich Zivilis-

ten aus der subjektiven Sicht des Angreifenden am Ab-

wurfort vermutet werden müssen oder nicht. Sie ist viel-

mehr zwingend immer durchzuführen, gerade um den

Schutz von Zivilisten in Situationen sicherzustellen, die –
wie hier – durch den militärischen Führer falsch einge-
schätzt wurden.

1633
Gerade der vorliegende Fall bestätigt

tragisch, dass die völkerrechtliche Verpflichtung zur

Warnung nicht von einem bestimmten subjektiven Wahr-

scheinlichkeitsgrad abhängig gemacht werden kann.

Oberst Klein begründete im Ausschuss seine Entschei-

dung der Ablehnung eines Überfluges im Rahmen einer

„Show of Force“ damit, dass die über der Sandbank krei-
senden Flugzeuge dort deutlich hörbar gewesen und die

Aufständischen sich der Bedrohung aus der Luft bewusst

gewesen sein müssten:

„In der Nacht vom 4. September ging ich fest da-
von aus, dass die Aufständischen sich der Bedro-

hung durch die Luftfahrzeuge bewusst waren. Die-

se Flugzeuge waren zu diesem Zeitpunkt zwei

Stunden in der Luft. Ich habe sie aus 6 Kilometer

Entfernung im PRT deutlich gehört, wie meine an-

deren Soldaten auch, und auch die Bevölkerung in

Kunduz hat das gehört. Also müssen diese vor Ort

am Fluss deutlich lauter wahrnehmbar gewesen

sein, vor allem die B-1, die sehr, sehr laut ist. Alle

nachfolgenden Zeugenaussagen haben dies bestä-

tigt: Man wusste, dass Flugzeuge in der Luft war-

en. Ich habe mit dem JTAC einen Fall beobachtet,
1632) Artikel 57 Abs. 2 lit. c ZP I zu den Genfer Abkommen; vgl. auch:

von der Groeben, in: German Law Journal 2010, S. 469 ff, 484.

1633) So ausdrücklich auch: von der Groeben, in: German Law Journal

2010, S. 469 ff, 488.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251 – Drucksache 17/7400

wie Personen von der Sandbank weggingen, aus-

wichen und wieder zurückkamen. Wir haben das

gemeinsam so gewertet, dass die Aufständischen

die Flugzeuge deutlich als Bedrohung erkannt hat-

ten und dennoch nicht ernst nahmen. Dies ent-

sprach unserer bisherigen Erfahrung. […] Die
Notwendigkeit einer zusätzlichen ‚show of force„
bestand daher nicht.“1634

Diese Einlassung von Oberst Klein, er habe auf die

Durchführung einer „Show of Force“ verzichtet, weil sich
die Aufständischen nach persönlicher Erfahrung von

solchen Machtdemonstrationen sowieso nicht beeindru-

cken ließen, wirkt reichlich absurd, weil es wohl nicht

darum gegangen sein dürfte, Flugbenzin zu sparen.

Die Notwendigkeit der Durchführung einer „Show of
Force“ konstatierte auch der Kommandeur des Allied
Joint Force Command in Brunssum, der NATO-

Befehlshaber für den gesamten ISAF-Einsatz, General

Egon Ramms, im Ausschuss.
1635

Nur dann, wenn das militärische Ziel nicht die Vernich-

tung der Tanklaster, sondern die Tötung der Talibanführer

und ihrer Anhänger gewesen wäre, durfte aus völkerrech-

tlicher Sicht gegebenenfalls von der Durchführung der

„Show of Force“ Abstand genommen werden, wenn durch
die Warnung der Personen an den Tanklastern das – ein-
mal als legitim unterstellte – militärische Ziel, diese zu
töten, hätte konterkariert werden können.

Denn Artikel 57 Abs. 2 lit. c des Ersten Zusatzprotokolls

zu den Genfer Abkommen („ZP I“) sieht eine Ausnahme
für die Durchführung einer solchen Warnmaßnahme („ef-
fective advance warning“) nur für den Fall vor, dass die
konkreten Umstände des Einzelfalles diese nicht erlauben

(„unless circumstances do not permit“), was dann ange-
nommen wird, wenn es zur Erreichung des militärischen

Ziels erforderlich ist, dass die Personen nicht gewarnt,

sondern gerade „überrascht“ werden sollen.1636

Dabei muss man allerdings noch darauf hinweisen, dass

Oberst Klein zu keinem Zeitpunkt eine solche Argumen-

tation, die ihm aus völkerrechtlicher Sicht den Verzicht

auf die „Show of Force“ ermöglicht hätte, genutzt, son-
dern immer nur auf die angebliche Wirkungslosigkeit

eines solchen tiefen Überflugs verwiesen hat.

Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass die ISAF-

Einsatzregeln hier sogar noch ein engeres Verständnis der

Notwendigkeit solcher Warnungen vorgeben als das Völ-

kerrecht. Denn in den für Luftoperationen in Afghanistan

geltenden Einsatzregeln („Special Instructions for Air and
Space Operations in Afghanistan“, SPINS) ist festgelegt,
dass dann, wenn Zeit und Umstände es erlauben, sogar

die Aufständischen selbst, die eigentlich Ziel der Operati-

on sein sollen, gewarnt werden sollen, dass ISAF nun-

mehr unmittelbar Maßnahmen gegen sie ergreifen wird.
1634) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.

1635) Vgl. Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9, 10, 18.
1636) Vgl. hierzu nur: ICRC, Commentary on the Additional Protokolls

of 8 June 1977 to the Geneva Conventions of 12 August 1949,

Rz. 2222 ff.

Darauf weist immerhin ein Vermerk der „Gruppe 85“, die
im Verteidigungsministerium zum Umgang mit diesem

Vorgang eingerichtet worden war, hin.
1637

Hinzu kommt, dass Oberst Klein selbst davon ausgegan-

gen war, dass die Personen, die sich in einiger Entfernung

von den Tanklastern in der Nähe der Sandbank aufhielten,

„Unbeteiligte“, also aus völkerrechtlicher Sicht „Zivilis-
ten“ waren.1638

Wenn man die Einlassung von Oberst Klein ernst nähme,

dass nach seiner Erfahrung derartige tiefe Überflüge kei-

nerlei Wirkung auf das Verhalten der Taliban haben wür-

den, gäbe es erst Recht keine nachvollziehbaren Argu-

mente mehr dafür, auf eine solche Machtdemonstration zu

verzichten. Insofern muss man mit General Ramms nach

der Beweisaufnahme zu dem Schluss gelangen, dass

Oberst Klein verpflichtet gewesen wäre, eine solche

„Show of Force“ durchzuführen, um möglicherweise sich
an den Tanklastern aufhaltende Zivilisten vor dem be-

vorstehenden Bombenabwurf zu warnen.

hh) Regelwidriger Verzicht auf die Durchfüh-
rung eines angemessenen „Battle Damage
Assessment“

Oberst Klein hat schließlich auch bewusst auf die Durch-

führung der nach ISAF-Regularien
1639

zwingend erforder-

lichen Wirkungsanalyse am Boden unmittelbar nach dem

Bombenabwurf verzichtet, obwohl er davon ausging, dass

die Aufständischen ihre Opfer sehr schnell bergen und

beisetzen würden
1640

und obwohl er aus Sicht seines Vor-

gesetzten General Vollmer und dem für die Untersuchung

des Vorfalls zuständigen General Sullivan verpflichtet

gewesen wäre, unmittelbar nach dem Bombenabwurf ein

umfassendes „Battle Damage Assessment“ (BDA) mit
Bodentruppen vor Ort durchzuführen und die afghanische

Seite frühzeitiger über den Luftschlag zu informieren.
1641

Oberst Klein stand zumindest auch die Möglichkeit des

zeitnahen Einsatzes unbemannter Luftfahrzeuge zur Ver-

fügung, um den Angriffsort wenigstens per Video zu

überwachen, bis Bodentruppen bei Tageslicht dorthin

hätten verlegt werden können, auch wenn er dafür einen

Piloten zur Steuerung der Drohne hätte wecken müssen.

ii) Keine Warnung des vermeintlich an der
Sandbank befindlichen Informanten durch
Oberst Klein

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen,

dass Oberst Klein, der nach eigenen Angaben davon aus-

ging, dass sich die HUMINT-Quelle, welche die ganze

Nacht über die entscheidenden Informationen lieferte, in
1637) „(…) widerspricht ggf. den Vorgaben der SPINS“; Mat. 17-35a,

R II 3, Ordn. 3, S. 140.
1638) Vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.

1639) NATO-Verfahren sehen ein zeitnahes „Battle Damage Assess-
ment“ nach einem solchen Angriff vor, gerade um zivile Opfer
auszuschließen oder gegebenenfalls Erste Hilfe leisten zu können.

1640) Klein, Protokoll-Nr. 6, S. 18.

1641) Vgl. Vollmer, Protokoll-Nr. 12, S. 82.

Drucksache 17/7400 – 252 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Nähe der Sandbank befand, noch nicht einmal anord-

nete, zumindest diesen Informanten vor dem bevorste-

henden Bombenabwurf warnen zu lassen.
1642

jj) Zusammenfassung der Verfahrensfehler
im Rahmen der konkreten Durchführung
des Waffeneinsatzes

Die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss hat

damit – neben den gewichtigen Problemen des Umgangs
mit HUMINT-Quellen – eine Vielzahl von Verstößen
gegen die ISAF-Einsatzregeln im Zusammenhang mit

dem konkreten Waffeneinsatz erkennbar werden lassen:

– Der B1-Bomber hätte durch den JTAC nicht einge-
setzt werden dürfen, um nach den Tanklastern zu su-

chen, ohne dass diese Abweichung von dessen urs-

prünglichem Auftrag zuvor mit dem ISAF-

Gefechtsstand für Luftunterstützung in Kabul

(ASOC) abgestimmt worden war.

– Der Befehl von Oberst Klein an seinen JTAC, gege-
nüber dem ASOC einen „TIC“ zu erklären, verstieß
gegen ISAF-Einsatzregeln, weil das taktische Lage-

bild am Boden weder eine „Feindberührung“ noch
eine „unmittelbare Bedrohung“ darstellte. Die Luft-
nahunterstützung hätte in dieser Nacht von Oberst

Klein so nicht angefordert werden dürfen.

– Es erfolgte in dieser Nacht noch nicht einmal ein
formal eindeutiger Ausschluss der möglichen Betrof-

fenheit eigener oder verbündeter Kräfte durch den

geplanten Waffeneinsatz.

– Oberst Klein und sein JTAC versäumten es, den Waf-
feneinsatz auf eine klare Grundlage zu stellen und die

herangezogene Einsatzregel (ROE) gegenüber den

F15-Piloten deutlich zu benennen.

– Die Vorgaben der dem Waffeneinsatz angeblich zu
Grunde gelegten ROE 429 wurden nicht erfüllt.

– Es sprechen gute Gründe für die Annahme, dass
Oberst Klein schon aufgrund seiner Stellung als PRT-

Kommandeur nicht die Befugnis hatte, einen derarti-

gen offensiven Waffeneinsatz freizugeben, sondern

dass die Waffeneinsatzbefugnis im Rahmen der ROE

429 allenfalls auf Kommandeure der Task Force de-

legiert werden kann.

– Die offensichtlichen Unklarheiten und Unsicherhei-
ten hinsichtlich der bei dem Waffeneinsatz anzuwen-

denden Einsatzregeln hätten mit hoher Wahrschein-

lichkeit vermieden werden können, wenn Oberst

Klein den im PRT Kunduz vorhandenen Rechtsbera-

ter eingebunden hätte, wozu er nach den Einsatzre-

geln für den offensiven Waffeneinsatz auch verpflich-

tet gewesen wäre.

– Die Oberst Klein vorliegenden Informationen einer
einzelnen HUMINT-Quelle reichten allein nicht aus,
1642) Vgl. M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 15, 19; Sch., Protokoll-

Nr. 33, S. 35, 42.

um bei einem derart komplexen und schwierigen,

sich andauernd verändernden Zielgebiet eine eindeu-

tige Identifizierung (PID) sämtlicher Personen vor

Ort als legitime militärische Ziele vorzunehmen.

– Darüber hinaus fehlte es sowohl Oberst Klein als
auch dem JTAC an den erforderlichen Kenntnissen

der im Rahmen des offensiven Waffeneinsatzes auf

Grundlage der ROE 429 anzuwendenden Verfahren

der Ziel- und Wirkungsanalyse und es wurde regel-

widrig versäumt, weitere Stellen im Rahmen des Sys-

tems der gegenseitigen Kontrolle und Verantwortung

in die Entscheidung einzubinden.

– Weiterhin hat Oberst Klein pflichtwidrig die Durch-
führung einer „abschreckenden Machtdemonstration“
(„Show of Force“) durch einen tiefen Überflug mit
dem Ziel der Warnung möglicher Zivilisten vor dem

Bombenabwurf verweigert.

– Schließlich hat Oberst Klein pflichtwidrig darauf
verzichtet, unmittelbar nach dem Bombenabwurf eine

angemessene Wirkungsanalyse sicherzustellen. Zu-

mindest durch den Einsatz unbemannter Luftfahrzeu-

ge hätte der Angriffsort überwacht und Bodentruppen

hätten unmittelbar nach Tagesanbruch dorthin verlegt

werden müssen.

IV. Zur straf- und dienstrechtlichen Verant-
wortlichkeit von Oberst Klein

Angesichts der in der Beweisaufnahme festgestellten

eklatanten Verstöße gegen die Einsatzregeln für den

konkreten Waffeneinsatz und im Hinblick auf die nicht

mehr zu bestreitende hohe Zahl ziviler Opfer dieses Ang-

riffs kann nicht völlig ausgeblendet werden, ob und gege-

benenfalls welche straf- und dienstrechtlichen Folgen

derartige Fehler und Versäumnisse für die beteiligten

Soldaten haben können. Dabei ist für einen parlamentari-

schen Untersuchungsausschuss besonders relevant, wel-

che Maßnahmen durch die Bundesregierung ergriffen

worden sind, um sicherzustellen, dass wirksame, gründli-

che und effektive Ermittlungen in der Sache
1643

durchge-

führt werden.

Im Hinblick auf die völkerstrafrechtliche und die national

strafrechtliche Verantwortlichkeit von Oberst Klein,

Oberfeldwebel W. und Hauptmann H. hat der General-

bundesanwalt (GBA) Feststellungen getroffen, die er in

seiner Einstellungsverfügung vom 16. April 2010 aus-

führlich beschrieben hat.
1644

Der GBA hat das Ermitt-

lungsverfahren wegen möglicher Verstöße gegen Vor-

schriften des Völkerstrafgesetzbuchs und des allgemeinen
1643) Die Erforderlichkeit solcher gründlicher, wirksamer und effekti-

ver Ermittlungen wird auch immer wieder in Entscheidungen des

Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betont. Vgl. etwa:
EGMR, Sevtap Veznedaroğlu ./. Türkei (32357/96), Ziffer 32;
EGMR, Sadik Önder ./. Türkei (28520/95), Ziffern 4 und 42;

EGMR, Zelilof ./. Griechenland (17060/03), Ziffern 54 und 56;
EGMR Isayeva ./. Russland (57950/00), Rn. 231 ff.

1644) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 253 – Drucksache 17/7400

Strafrechts eingestellt, weil das Handeln der Soldaten

nach den maßgeblichen Kriterien des humanitären Konf-

liktvölkerrechts rechtmäßig gewesen sei.

Im Anschluss daran hat der Inspekteur des Heeres angeb-

lich
1645

disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet, um

festzustellen, ob gegen nationale oder internationale Ein-

satzregeln verstoßen wurde.

Am 19. August 2010 wurde in einer Pressemitteilung der

Bundeswehr lapidar mitgeteilt, dass sich im Rahmen

dieser Vorermittlungen keinerlei Anhaltspunkte für ein

Dienstvergehen von Oberst Klein ergeben hätten.
1646

Beide Entscheidungen geben mit Blick auf die in der

Beweisaufnahme des Ausschusses gewonnen Erkenntnis-

se erheblichen Anlass zu Kritik.

Dabei steht es einem parlamentarischen Untersuchungs-

ausschuss natürlich nicht zu, hier an die Stelle der zustän-

digen Staatsanwaltschaft zu treten und eine abschließende

Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der betei-

ligten Soldaten vorzunehmen. Diese Prüfung kann durch

einen Untersuchungsausschuss nicht ersetzt werden. Die

erforderlichen schwierigen völkerrechtlichen Abwä-

gungsentscheidungen können mit den begrenzten Mitteln

des Untersuchungsrechts auch gar nicht abschließend

vorgenommen werden. Dies ist auch nicht seine Aufgabe.

Es muss dem Parlament jedoch gestattet sein, die Art und

Weise des Umgangs des GBA mit diesem besonderen

Fall, der Parlament und Öffentlichkeit bewegt hat wie

kein anderes militärisches Vorgehen zuvor, zumindest zur

Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls anzumerken,

dass im Hinblick auf die sichere Präzedenzwirkung der

Entscheidung eine überzeugendere Vorgehensweise im

vorliegenden Fall zumindest vorstellbar gewesen wäre.

Denn der GBA ist nicht etwa Teil der rechtsprechenden

(„Dritten“) Gewalt, sondern gehört organisatorisch zur
Bundesregierung, also zur Exekutive. Die Bundesministe-

rin der Justiz übt die Aufsicht über den Generalbundes-

anwalt und die Bundesanwälte aus und trägt innerhalb der

Bundesregierung und gegenüber dem Parlament die poli-

tische Verantwortung für die Tätigkeit der Behörde des

Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof.

1. Kritik an der Einstellungsverfügung des
Generalbundesanwalts

Der GBA hat in seiner Presseerklärung vom 19. April

2010 selbst darauf hingewiesen, dass hier erstmals die

Umstände eines durch Bundeswehrsoldaten angeordneten

militärischen Luftschlags mit weitreichenden tödlichen

Folgen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Gegens-

tand umfassender strafrechtlicher Überprüfung gewesen

seien, so dass sich die Bedeutung dieser Einstellungsent-
1645) Die diesbezüglich eventuell entstandenen Unterlagen, aus denen

sich hätte ergeben können, welche konkreten Ermittlungen dort

vorgenommen worden sind, wurden dem Untersuchungsaus-
schuss durch die Bundesregierung nicht vorgelegt.

1646) Pressemitteilung des Presse- und Informationszentrums des

Heeres vom 19. August 2010, Nr. 13/2010 (Dokument 17).

scheidung für zukünftige Fälle schon von selbst er-

schließt.

Der GBA ist dabei aber von einem Sachverhalt ausgegan-

gen, der in einigen Aspekten von den Feststellungen des

Ausschusses abweicht, wobei viele der erst im Ausschuss

gewonnenen Erkenntnisse dem GBA nicht zur Verfügung

standen, weil das Ermittlungsverfahren vor Beendigung

der Beweisaufnahme des Ausschusses abgeschlossen

wurde. Auch die in der Einstellungsverfügung erkennbar

werdende Vorgehensweise des GBA gibt teilweise Anlass

zu Kritik.

a) Kein Verstoß gegen Bestimmungen des
Völkerstrafrechts

Im Ergebnis zu Recht hat der GBA den Verdacht einer

Strafbarkeit wegen Verstoßes von Oberst Klein gegen das

Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) verneint. Der einzige in

Betracht kommende Straftatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 3

VStGB scheidet schon deshalb aus, weil dafür erforder-

lich gewesen wäre, dass Oberst Klein subjektiv sicher

hätte erwarten müssen, dass der Angriff die Tötung oder

Verletzung von Zivilpersonen in einem Ausmaß verursa-

chen würde, welches außer Verhältnis zu dem insgesamt

zu erwartenden konkreten militärischen Vorteil gestanden

hätte.

Dies ist hier offenkundig nicht der Fall. Auch die Beweis-

aufnahme im Ausschuss hat nicht den geringsten Anhalt-

spunkt dafür ergeben, dass Oberst Klein subjektiv davon

ausgegangen wäre, dass der Bombenabwurf mit Sicher-

heit zu einer Vielzahl ziviler Opfer führen würde.

b) Strafbarkeit nach allgemeinem deutschem
Strafrecht

Weiterhin hat der GBA auch die mögliche Verantwort-

lichkeit der Beteiligten nach nationalem Strafrecht ge-

prüft.

aa) Zuständigkeit des GBA: Klarstellungsbe-
darf

Dabei ist allerdings fraglich, ob der GBA tatsächlich für

die Prüfung der Strafbarkeit nach den Vorschriften des

Strafgesetzbuches zuständig ist, oder ob er den Vorgang

dazu nicht an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hätte

abgeben müssen.

§ 120 Abs. 1 Nr. 8 des Gerichtsverfahrensgesetzes (GVG)

sieht über § 142a Abs. 1 GVG die Verfolgungszuständig-

keit des Generalbundesanwalts „bei Straftaten nach dem
Völkerstrafgesetzbuch“ vor.

Unklar ist aber, ob diese Vorschrift so eng auszulegen ist,

dass der GBA ausschließlich für die Prüfung von Tatbes-

tänden des VStGB selbst zuständig ist, oder ob die Vor-

schrift so weit ausgelegt werden kann, dass dem GBA bei

diesen Sachverhalten auch die Verfolgungszuständigkeit

für Straftaten des allgemeinen Strafrechts übertragen sein

soll. Damit würde dann allerdings den Landesstaatsan-
Drucksache 17/7400 – 254 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
waltschaften die Zuständigkeit in diesem Bereich entzo-

gen.

Der GBA hat in seinem Einstellungsvermerk der weiten

Auslegung den Vorzug gegeben und die eigene Zustän-

digkeit auch für die Verfolgung nach allgemeinem Straf-

recht bejaht.
1647

Aus den vom Ausschuss beigezogenen

Akten des GBA wird jedoch erkennbar, dass diese

Rechtsauffassung, die sich letztlich durchgesetzt hat, auch

innerhalb des GBA umstritten war.

Beispielsweise wurde in einem Vermerk vom

29. September 2009 deutlich die Ansicht vertreten, dass

für den Fall, dass die Voraussetzungen einer Straftat nach

VStGB verneint werden sollten, die Abgabe des Vorgangs

an die zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Dresden

„geboten“ sei.1648 Diese Auffassung teilen auch die Ver-
treter der Geschädigten des Luftangriffs.

1649
Es lassen sich für beide Ansichten Argumente
1650

finden,

auf die an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingegangen

werden muss.

Die Beweisaufnahme hat jedoch gezeigt, dass hier zumin-

dest Unsicherheiten bestehen, die eine Klarstellung durch

den Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit –
eventuell auch im Rahmen der bereits angestoßenen De-

batte um die Schaffung einer zentralen Strafverfolgungs-

zuständigkeit für Straftaten, die von Bundeswehrangehö-

rigen im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen der Bun-

deswehr begangen wurden (sog. „Schwerpunktstaatsan-
waltschaft“)1651 – zumindest nicht abwegig erscheinen
lassen.

bb) Rechtfertigung auf Grundlage des UN-
Mandats?

Im Rahmen der Prüfung der Strafbarkeit wegen Tot-

schlags oder Mordes gemäß § 212 bzw. § 211 StGB geht

es vor allem darum, ob das Verhalten von Oberst Klein

gerechtfertigt war.
1647) Vgl. Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 55 ff.

1648) Mat. 17-71, S. 12/13.
1649) Vgl. Mat. 17-74a, Sachakten Sonderband „Klageerzwingungsver-

fahren“, S. 106 ff.
1650) Vgl. zu der Auffassung des GBA: Einstellungsvermerk des Gene-

ralbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (Fn. 122, Doku-

ment 52), S. 55 ff. und zu der Gegenansicht etwa das Kurzgutach-

ten von Prof. Dr. Florian Jeßberger zur Reichweite der Verfol-
gungszuständigkeit des Generalbundesanwalts nach §§ 120

Abs. 1 Nr. 8, 142a Abs. 1 GVG vom 20. Dezember 2010, veröf-

fentlicht unter: http://www.jura.uni-hamburg.de/public/personen/
jessberger/Gutachten_Kundus.pdf.

1651) Vgl. hierzu etwa: BT-Drs. 15/3508, 16/673 oder die hierzu ge-

fasste Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und FDP der 17. Legislaturperiode vom Oktober 2009 und den

Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom Juli

2010 zur Schaffung eines neuen § 11a StPO.

aaa) Bedarf es einer eigenen gesetzlichen Re-
gelung?

Da die im Strafgesetzbuch normierten Rechtfertigungs-

gründe (z. B. Notwehr oder Nothilfe) hier nicht in Be-

tracht kommen, stellt sich die Frage, ob eine Rechtferti-

gung des soldatischen Handelns direkt aus dem Mandat

der Vereinten Nationen entnommen werden kann.

Deutsche Staatsanwaltschaften hatten damit in der Ver-

gangenheit Schwierigkeiten und deshalb – rechtsdogma-
tisch eher zweifelhaft – trotzdem die nationalen Rechtfer-
tigungstatbestände herangezogen.

1652
Zu Recht hat jedoch der GBA in seiner Einstellungsver-

fügung vom 16. April 2010 herausgearbeitet, dass sich die

Rechtfertigung militärischen Handelns deutscher Soldaten

im Rahmen des ISAF-Einsatzes direkt aus dem UN-

Mandat im Zusammenwirken mit der Zustimmung der

Bundesrepublik Deutschland zur Satzung der Vereinten

Nationen
1653

und dem konstitutiven Beschluss des Deut-

schen Bundestages über Art und Umfang des konkreten

Bundeswehreinsatzes ergibt.
1654

Denn wenn einer Resolution des UN-Sicherheitsrates,

vermittelt durch den entsprechenden Bundestagsbe-

schluss, innerstaatliche Wirkung zukommt, so müssen

Handlungen von Bundeswehrangehörigen in Umsetzung

dieser Resolution respektive des entsprechenden Be-

schlusses ebenfalls gerechtfertigt sein. Es wäre wider-

sprüchlich und liefe dem Prinzip der Einheit der Rechts-

ordnung zuwider, einem Staat als ursprünglichem Adres-

saten einer Ermächtigungsnorm ein bestimmtes Verhalten

zu gestatten, die bei Umsetzung dieses Mandats notwen-

digerweise für diesen handelnden natürlichen Personen

jedoch strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Dies setzt allerdings zum einen voraus, dass die Angehö-

rigen der Bundeswehr im Rahmen des Mandates handeln

und sie zum anderen die allgemeinen durch das Grundge-

setz gegebenen verfassungsrechtlichen Bindungen, wie

insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, beach-

ten. Ist dies der Fall, so ist ihr Handeln auch strafrechtlich

gerechtfertigt.
1655

Obwohl dies nicht zwingend erforderlich erscheint,
1656

dürfte es jedoch – auch zur Klarstellung für die Soldatin-
nen und Soldaten der Bundeswehr und angesichts der

festzustellenden Unsicherheiten mancher Staatsanwalt-

schaften – nicht ganz abwegig sein, darüber nachzuden-
ken, ob auch in Deutschland eine eindeutige und aus-

drückliche gesetzliche Rechtfertigungsnorm – wie sie
1652) Vgl. etwa: Staatsanwaltschaft Zweibrücken, Beschluss vom 23.

Januar 2009, in: NZWehrR 2009, S. 169,172; Staatsanwaltschaft

Frankfurt/Oder, Beschluss vom 15. Mai 2009, Az. 244 Js
29960/08.

1653) Gesetz vom 6. Juni 1973, BGBl. II S. 430.

1654) Vgl. hierzu auch ausführlich: Frister/Korte/Kreß, Die strafrechtli-
che Rechtfertigung militärischer Gewalt in Auslandseinsätzen auf

Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen, in: JZ 2010,

S. 10, 12 ff.
1655) So Limpert, in der Ausarbeitung WD 7 – 3000 -120/11 der Wis-

senschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, S. 12.

1656) vgl. Frister/Krote/Kreß, JZ 2010, S. 10,17 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 255 – Drucksache 17/7400

etwa in Frankreich beschlossen wurde
1657

– eventuell in
das Strafgesetzbuch (etwa als § 34a StGB)

1658
oder in das

Wehrstrafgesetzbuch (etwa als § 4a WStGB)
1659

aufge-

nommen werden sollte.

bbb) Völkerrechtliche Rechtfertigung des Han-
delns von Oberst Klein?

Zu Recht hat der GBA also die mögliche völkerrechtliche

Rechtfertigung des Handelns von Oberst Klein geprüft

und ist dabei – ebenfalls zu Recht – davon ausgegangen,
dass in Afghanistan ein „nicht-internationaler bewaffneter
Konflikt“ im Sinne des humanitären Völkerrechts vor-
liegt.

1660
Die relativ knappen Erwägungen des GBA zur konkreten

rechtlichen Beurteilung des Bombenabwurfs nach huma-

nitärem Völkerrecht auf fünf von insgesamt 69 Seiten

seiner Einstellungsverfügung
1661

lassen allerdings gewisse

Zweifel dahingehend aufkommen, ob der GBA die für

eine abschließende völkerrechtliche Bewertung notwen-

dige Sachaufklärung wirklich in ausreichendem Maße

vorgenommen hat:

(1) Legitimes militärisches Ziel?

Richtigerweise geht auch der GBA davon aus, dass alle

Opfer des Bombenabwurfs, soweit es sich nicht nachge-

wiesenermaßen um Taliban handelt, nach dem humanitä-

ren Völkerrecht geschützte Zivilisten waren, so dass auch

Personen, die den Taliban eventuell geholfen hatten, die

Tanklaster aus dem Schlamm zu befreien, oder die Benzin

aus den Tanklastern für sich abgefüllt hatten, keinesfalls

legitime Ziele eines militärischen Angriffs gewesen sein

können.
1662

Entgegen den obskuren Darstellungen in einem offiziellen

militärischen Bericht des PRT Kunduz vom 4. September

2009, wonach alle Personen, die sich auf den Weg zu den

Tanklastern gemacht hätten, deshalb nicht als „unbeteilig-
te Opfer“ bezeichnet werden könnten, weil sie ja gewusst
hätten, dass die Tanklaster entführt worden waren, so dass

sie deshalb zumindest als „Unterstützer“ der Aufständi-
1657) Die dortige Regelung in Artikel 17 Abs. 2 des Gesetzes über die

allgemeine Rechtsstellung der Soldaten lautet: „Strafrechtlich
nicht verantwortlich ist ein Soldat, der unter Wahrung des Völker-

rechts im Rahmen eines militärischen Einsatzes, der außerhalb

des französischen Staatsgebiets stattfindet, Zwangsmaßnahmen
oder Waffengewalt anwendet oder den Befehl dazu erteilt, wenn

dies zur Erfüllung seines Auftrags notwendig ist.“
1658) So etwa: Dreist, Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung

2008, S. 93, 102.

1659) So etwa: Burkhardt, Effektive Umsetzung völkerrechtlicher

Mandate internationaler Militäreinsätze durch Deutschland und
Frankreich (2007), S. 55 f.

1660) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 41 ff.; vgl. hierzu auch:
Diehl, in: Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften 2010,
S. 4, 16.

1661) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 63 bis 67.

1662) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 60 bis 63.

schen angesehen werden müssten,
1663

hat der GBA damit

klargestellt, dass die von Angehörigen der Bundeswehr

und insbesondere von Oberst Klein immer wieder propa-

gierte Unterscheidung zwischen „Beteiligten“ und „Unbe-
teiligten“1664 in diesem Zusammenhang jeder Grundlage
entbehrt.

Unklar bleibt in den Ausführungen des GBA hingegen,

wie viele Opfer des Luftangriffs letztlich wirklich als

legitime militärische Ziele bezeichnet werden können.

Der GBA betont zwar, es habe sich nicht mit endgültiger

Sicherheit aufklären lassen, bei wie vielen der Opfer es

sich um Taliban oder um Zivilisten gehandelt habe.

Gleichzeitig behauptet er jedoch ohne jede nähere Be-

gründung, es lasse sich der Schluss ziehen, dass die Zahl

der Taliban unter den Opfern „deutlich höher gewesen
sein dürfte“ als die der Zivilisten.1665 Wie der GBA zu
dieser Annahme gelangt, erschließt sich nicht. Die Be-

weisaufnahme im Ausschuss legt jedenfalls eher das ge-

genteilige Ergebnis nahe.
1666

Gerade wenn man die vorbenannten Ausführungen des

GBA zur Einordnung von Zivilisten ernst nimmt und

erkennt, dass Personen, die nur bei der Bergung der LKW

geholfen haben oder für sich Benzin abgezweigt haben,

als nach humanitärem Völkerrecht geschützte Zivilisten

angesehen werden müssen, weil bei ihnen gerade keine

„unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten im Sinne
des Konfliktvölkerrechts“1667 vorlag, muss man eigentlich
zu dem Schluss kommen, dass die Personen vor Ort

überwiegend überhaupt keine legitimen Ziele eines militä-

rischen Angriffs darstellten.

Allein hinsichtlich der vier durch den Informanten gege-

nüber Oberst Klein namentlich benannten angeblichen

Talibanführer könnte eventuell von einem legitimen mili-

tärischen Ziel im Sinne von Artikel 51 Abs. 3 des Ersten

Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen („ZP I“)
ausgegangen werden, wenn man annimmt, dass es sich

dabei um „Mitglieder einer militärisch organisierten be-
waffneten Gruppe“ im Sinne des Konfliktvölkerrechts
handelt.

Insofern dürfte die Vermutung, es könne sich um Sympa-

thisanten, Unterstützer oder allgemein um „Feinde des
Wiederaufbaus“ – so Oberst Klein selbst in seinem
schriftlichen Bericht vom 5. September 2009

1668
– gehan-

delt haben, nicht ausreichen, um die Personen an den

Tanklastern als legitime militärische Ziele zu qualifizie-

ren.
1663) Mat. 17-30, Ordn. 1, S. 101.

1664) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 21 und 31.

1665) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 36 und 40.

1666) Vgl. dazu ausführlich oben Gliederungspunkt III./1./d), ab Seite

222.
1667) Vgl. Artikel 13 Abs. 3 ZP II.

1668) Mat. 17-7 (Dokument 63), S. 3: „(…) dass ich nach allen mir zum
Zeitpunkt des Waffeneinsatzes zur Verfügung stehenden Informa-
tionen davon ausgehen konnte, (…) mit höchster Wahrscheinlich-
keit dabei nur Feinde des Wiederaufbaus AFGHANISTANS zu

treffen.“
Drucksache 17/7400 – 256 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
In diesem Zusammenhang wäre es sicher auch sinnvoll

gewesen, wenn der GBA sich intensiver mit der Frage

beschäftigt hätte, was eigentlich das genaue Ziel des

Bombeneinsatzes aus der Sicht von Oberst Klein war.

Dabei hätte auch präziser berücksichtigt werden können,

auf welche Einsatzregel (ROE) der Waffeneinsatz tatsäch-

lich gestützt wurde.

Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat jedenfalls gezeigt,

dass die Annahme von Oberst Klein, sämtliche Personen

an den Tanklastern seien Aufständische, allein auf der

unbestätigten Mitteilung einer einzigen HUMINT-Quelle

gründete, und dass dies nach den für einen Waffeneinsatz

geltenden ISAF-Einsatzregeln objektiv bei Weitem nicht

ausgereicht hat, um von der positiven Identifizierung

sämtlicher Personen vor Ort als legitime militärische

Ziele im Rahmen der ROE 429 auszugehen und damit den

angeordneten Waffeneinsatz zu legitimieren.

Somit reichte die Informationslage keinesfalls aus, um

anzunehmen, dass sämtliche Personen an den Tanklastern

Taliban gewesen seien. Deshalb bleibt letztlich allein der

Umstand, dass die Tanklaster offenkundig von Taliban

entführt worden waren, als Grundlage für die Annahme

übrig, dass sich zumindest einige Taliban an den Tanklas-

tern befunden haben müssen, die eventuell als legitime

militärische Ziele in Betracht gekommen wären, wenn

man dabei die mittelbare Folge der Tötung einer Vielzahl

von nicht als legitime Ziele erwiesenen Personen in Kauf

nehmen wollte.

(2) Beachtung des völkerrechtlichen „Exzess-
verbots“?

Weiterhin muss das Gebot beachtet worden sein, unter der

Zivilbevölkerung keine Verluste zu bewirken, die gege-

nüber dem zu erwartenden militärischen Vorteil völlig

außer Verhältnis stehen.

Das humanitäre Völkerrecht verbietet insofern „unter-
schiedslose“ Angriffe, also solche, die militärische Ziele
und Zivilpersonen oder zivile Objekte unterschiedslos

treffen können. Dies ist gemäß Artikel 51 Abs. 5 lit. b

ZP I insbesondere dann der Fall, wenn der zur Zeit des

Angriffsbefehls zu erwartende zivile Schaden „in keinem
Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren

militärischen Vorteil“ steht. Der GBA bezeichnet dies als
„Exzessverbot“.

(a) Konkreter und unmittelbarer militärischer
Vorteil?

Hier ist zunächst nach dem konkreten und unmittelbaren

militärischen Vorteil taktischer Art zu fragen, den der

Bombenabwurf bewirken sollte. Der GBA stellt hierzu

einfach apodiktisch fest, dass dieser militärische Vorteil

sowohl in der Zerstörung der Tanklaster als auch in der

zumindest zeitweisen Störung der regionalen Kommando-

struktur der Taliban gelegen habe, wobei die Erwartung

dieses militärischen Vorteils durch Oberst Klein „auf-
grund der Informationslage zur Zeit des Abwurfbefehls

gegeben“ gewesen sei.

Auch diese Darstellung des GBA muss auf gewisse Skep-

sis stoßen, wenn man sich vor Augen führt, dass die In-

formationslage vor dem Bombenabwurf keineswegs so

klar und eindeutig war, wie hier der Eindruck erweckt

wird:

– Hinsichtlich der Tanklaster, die ja ausweislich der
von Oberst Klein dem Waffeneinsatz zu Grunde ge-

legten Einsatzregel ROE 429 offenkundig beim

Bombenabwurf nicht mehr sein primäres Ziel gewe-

sen waren, hat die Beweisaufnahme des Ausschusses

ergeben, dass diese zum Zeitpunkt des Waffeneinsat-

zes objektiv keine Gefahr darstellten, und die

HUMINT-Quelle ausdrücklich berichtet hatte, dass

diese nicht mehr aus dem Schlamm befreit werden

konnten, sondern „ausgeschlachtet“ und „in Brand
gesteckt“ werden sollten. Insofern dürfte sich der mi-
litärische Vorteil ihrer Zerstörung eher in Grenzen

gehalten haben.

– Und auch hinsichtlich der von Oberst Klein und vom
GBA betonten „zeitweisen Störung der regionalen
Kommandostruktur der Taliban“ sind Zweifel an der
Bedeutung dieses angeblich anerkannten taktisch-

militärischen Vorteils angebracht, wenn man in

Rechnung stellt, dass letztlich unklar bleibt, wie viele

tote Mitglieder des organisierten bewaffneten Teils

der Taliban auf Grundlage der vorliegenden Informa-

tionen überhaupt erwartet werden konnten und ob de-

ren Tötung wirklich einen so konkreten und auch

unmittelbaren Vorteil darstellte, dass dahinter die

möglichen zivilen Opfer zurückzutreten hatten.

(b) Richtiger Blickwinkel für die Beurteilung?

Im Unterschied zu § 11 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 Völkerstraf-

gesetzbuch, der auf subjektiver Seite verlangt, dass der

Täter die Unverhältnismäßigkeit sicher erwartet, ist bei

der möglichen völkerrechtlichen Rechtfertigung im Rah-

men eines nationalen Tötungsdelikts nur gefordert, dass

damit zu rechnen ist („may be expected“, Artikel 51
Abs. 5 lit. b ZP I), dass der Angriff unverhältnismäßig

sein wird.

Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang vor

allem, dass in der Einstellungsverfügung des GBA unklar

bleibt, auf welchen Blickwinkel es für die Beurteilung des

taktischen Vorteils auf der einen und des zivilen Begleit-

schadens auf der anderen Seite eigentlich ankommt.

Die Darlegung des GBA, es sei „von der Perspektive des
Angreifenden zur Tatzeit auszugehen“, legt die Vermu-
tung nahe, dass sich der GBA bei der entscheidenden

Frage – ähnlich wie im Rahmen der Prüfung der Strafbar-
keit nach dem VStGB – eher an den subjektiven Vorstel-
lungen von Oberst Klein zum Zeitpunkt des Bombenab-

wurfs orientiert hat, obwohl er beiläufig auch von „tatsa-
chenbasierten Erwartungen“ spricht.1669
1669) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 64 und 65.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 257 – Drucksache 17/7400

Hier liegt aber der Kern der völkerrechtlichen Bewertung.

Würde man nämlich ausschließlich die subjektive Sicht

des Angreifenden zu Grunde legen, liefe die völkerrech-

tliche Verbotsregelung vollkommen leer; sie würde mili-

tärisches Handeln der Beliebigkeit anheimstellen. Denn

ein Verbot, das die Feststellung seiner Anwendbarkeit

dem Urteil seines Adressaten anheim gibt, verbietet die-

sem in Wahrheit gar nichts.
1670

Richtigerweise kommt es hier zwar auf die Sicht zur Tat-

zeit („ex ante“) an, jedoch aus der Perspektive eines ob-
jektiven Dritten in der Rolle des Angreifenden, also einer

im vernünftigen („reasonable“) Maß informierten Person
in den Umständen des Täters:

„The determination must be made in good faith
and in view of all information that can be said to

be reasonably available in the specific situa-

tion.“1671

Diese Person muss aufgrund der ihr vernünftigerweise zur

Verfügung stehenden Informationen einen unverhältnis-

mäßigen zivilen Begleitschaden als Folge des Angriffs

erwarten können.
1672

Hierzu fehlt im Einstellungsvermerk des GBA jegliche

Darlegung. Hätte der GBA hier die Auffassung vertreten

wollen, es komme allein auf die subjektive Sicht des

Täters an, hätte dies auch deutlicher gesagt werden müs-

sen, weil sich daraus die Konsequenz ergeben würde, dass

das völkerrechtliche Verbot unterschiedsloser Angriffe

damit für deutsche Soldaten völlig leerlaufen würde.

Wollte der GBA sich allerdings doch an der vorzugswür-

digen Auffassung orientieren, dass auf die Sicht eines

vernünftigen objektiven Dritten in der Rolle des Angrei-

fenden abzustellen ist, hätte dies klarer festgestellt und es

hätten hierzu weitere Ermittlungen durchgeführt werden

müssen. Insbesondere wäre es notwendig gewesen, unab-

hängigen militärischen Sachverstand hinzuzuziehen.

(c) Praktikable Aufklärungs- und Vorsichts-
maßnahmen („feasible precautions“)?

Vor allem aber wären umfangreichere Ermittlungen und

Darlegungen im Hinblick auf die in Artikel 57 Abs. 2

lit. a ZP I enthaltene völkerrechtliche Verpflichtung zur

„gebotenen und praktikablen Aufklärung“ erforderlich
gewesen. Die entscheidende Passage in Artikel 57 Abs. 2

ZP I lautet:
1670) So zutreffend Reinhard Merkel, in: Zeit Online vom 21. Januar

2010.

1671) Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation in

Hositiles under International Humanitarian Law, adopted by the
Assembly of the International Committee of the Red Cross on 26

February 2009, in: International Review of the Red Cross 2008,

S. 991, 1038 m.w.Nachw.; vgl. dazu auch: VN-
Jugoslavientribunal, Prosecuter v. Galic, Judgement, IT-98-29-T

vom 5. Dezember 2003, para. 58: „reasonably well-informed per-
son in the circumstances oft he actual perpetrator“; vgl. auch:
Ambos, in: NJW 2010, S. 1725, 1727.

1672) Vgl. hierzu etwa auch: von der Groeben, a.a.O., S. 480 f.

m. w. Nachw.

„Bei Kriegshandlungen ist stets darauf zu achten,
dass die Zivilbevölkerung, Zivilpersonen und zivile

Objekte verschont bleiben.

Im Zusammenhang mit Angriffen sind folgende

Vorsichtsmaßnahmen zu treffen:

Wer einen Angriff plant oder beschließt, hat alles

praktisch Mögliche zu tun, um sicherzugehen, dass

die Angriffsziele weder Zivilpersonen noch zivile

Objekte sind (…).“

Die Frage, ob im vorliegenden Fall weitere nach Völker-

echt zwingend gebotene „praktikable Aufklärungs- und
Vorsichtsmaßnahmen“ hätten durchgeführt werden müs-
sen, hat der GBA in seiner Einstellungsverfügung unver-

ständlicherweise nur lapidar mit zwei Sätzen angespro-

chen:

„Weitere praktikable Aufklärungs- und Vorsichts-
maßnahmen („feasible precautions“) standen in
der konkreten Situation zeitnah nicht zur Verfü-

gung. Die Gefahr einer Bergung der Laster oder

des Treibstoffs durch die Taliban brauchte Oberst

Klein nicht in Kauf zu nehmen.“1673

Jedoch handelt es sich hierbei um eine für die völkerrech-

tliche Bewertung entscheidende Fragestellung, der mit

genaueren Ermittlungen und sachverständiger Prüfung

hätte nachgegangen werden müssen.

Für eine Antwort auf die Frage, welche Aufklärungs- und

Vorsichtsmaßnahmen im konkreten Fall tatsächlich

„praktisch“ durchführbar gewesen wären, hätten vor al-
lem auch die einschlägigen ISAF-Einsatzregeln, die „Ru-
les of Engagement“, herangezogen werden müssen, so-
weit sie Hinweise darauf geben, welche Aufklärungsmög-

lichkeiten einzusetzen und welche Vorsichtsmaßnahmen

im Rahmen eines konkreten Waffeneinsatzes einzuhalten

sind.

Denn ausweislich der Erklärung der Bundesregierung zu

den Zusatzprotokollen zu den Genfer Abkommen sind

nach dem Verständnis der Bundesrepublik Deutschland

die Wörter „praktisch möglich“ so zu verstehen, dass
damit gemeint ist,

„was durchführbar oder praktisch tatsächlich
möglich ist, wobei alle in dem entsprechenden

Zeitpunkt gegebenen Umstände zu berücksichtigen

sind einschließlich humanitärer und militärischer

Überlegungen“.1674

Damit ist auch klargestellt, dass es aus Sicht der Bundes-

republik Deutschland nicht auf die subjektiven Vorstel-

lungen des Angreifenden zum Zeitpunkt der Tat ankom-

men kann, sondern dass alle zum Tatzeitpunkt gegebenen

objektiven Umstände zu berücksichtigen sind.
1673) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 65.

1674) Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, Erklärung der

Bundesregierung, Bundesratsdrucksache 64/90, S. 132.
Drucksache 17/7400 – 258 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Welche Aufklärungsmaßnahmen im vorliegenden Fall

„praktikabel“ gewesen wären, muss sich also daran orien-
tieren, welche Maßnahmen nach „humanitären und militä-
rischen Überlegungen“ durch einen objektiven Dritten
zum Tatzeitpunkt in der Rolle des Angreifenden ergriffen

worden wären.

Für den vorliegenden Fall erscheint es durchaus nahelie-

gend, dass sich der GBA mit den folgenden Möglichkei-

ten hätte auseinandersetzen können:

– Vor allem hat sich in der Beweisaufnahme im Aus-
schuss gezeigt, dass der konkrete Umgang mit der

HUMINT-Quelle in dieser Nacht alles andere als pro-

fessionell erfolgt ist. Ohne dass dadurch das Ziel der

militärischen Operation gefährdet worden wäre, hät-

ten beispielsweise durch eine zielorientierte und

sachgerechtere Führung der Gespräche mit dem In-

formanten Unklarheiten und Irrtümer, die erwiese-

nermaßen existierten, vermieden werden können.

– Beispielsweise hätten konkrete Fragen nach Tatsa-
chen, wie nach dem Verbleib der zivilen Fahrer der

Tanklaster, nach den ominösen „Subkontakten“ der
Quelle, nach dem Grund für den ständigen Wechsel

oder nach dem Alter der Personen vor Ort genauer

gestellt werden können.

– Zudem hätte auch genauer erkundet werden können,
ob wirklich sämtliche Personen vor Ort bewaffnet

waren, um sicher zu gehen, dass es sich ausschließ-

lich um Mitglieder eines militärisch organisierten

bewaffneten Teils der Taliban und nicht nur um Un-

terstützer oder Sympathisanten gehandelt hat, die

zwingend als Zivilisten hätten eingestuft werden

müssen.

– Praktikabel wäre es sicher auch gewesen, unmittelbar
über den Sprachmittler die entscheidenden Fragen an

die Quelle zu stellen, wenn man sich einzig auf diese

verlassen wollte. Damit hätte auch die oben beschrie-

bene „Stille-Post-Routine“ mit ihren Gefahren der In-
formationsverfälschung umgangen werden können.

– Fraglich bleibt nach der Beweisaufnahme im Aus-
schuss auch, ob es nicht durchaus im Bereich des

„praktisch Möglichen“ gelegen hätte, die Angebote
eines tiefen Überflugs durch die F15-Piloten, die auf

Weisung des JTAC in etwa sieben Kilometern Hö-

he
1675

kreisten und kaum aussagekräftige Bilder lie-

ferten, anzunehmen, um so eventuell ein besseres

Bild von den Personen vor Ort gewinnen zu können.

Dabei hätte dann vielleicht auch das festgestellt wer-

den können, was der einzige Augenzeuge, der über-

lebende Lastwagenfahrer A. M. im Ausschuss bekun-

dete, dass nämlich nur wenige Personen vor Ort Waf-

fen trugen und auch Kinder und Greise unter den vie-

len Personen vor Ort waren.
1676
1675) Vgl. Transkript des Funkverkehrs (Fn. 319, Dokument 60), S. 4

und Mettelsiefen/Reuter, Kunduz, 4. September 2009 – Eine Spu-
rensuche, S. 22.

1676) A. M., Protokoll-Nr. 39, S. 5 und 10.

Angesichts dessen, dass selbst die HUMINT-Quelle

berichtete, dass nur Panzerfäuste und Handfeuerwaf-

fen vor Ort seien, dürfte ein solche Überflug der F15-

Bomber auch gefahrlos möglich gewesen sein.

– Ohne die Bemühung objektiven militärischen Sach-
verstands dürfte auch nicht völlig auszuschließen

sein, dass der umgehende Einsatz einer unbemannten

Drohne eventuell doch praktikabel gewesen wäre und

eine bessere Sicht auf die Sandbank ermöglicht hät-

te,
1677

auch wenn man dafür einen Piloten hätte auf-

wecken müssen.

– Selbst eine Einbeziehung der an diesem Abend ja
durchaus im Gefechtsstand zeitweise anwesenden

Angehörigen des BND dürfte ohne weiteres „prakti-
kabel“ gewesen sein. Eventuell hätten diese durch
Aktivierung ihrer eigenen Informanten, die ja viel-

leicht in den umliegenden Dörfern lebten, zusätzliche

Informationen erhalten können. Gleiches gilt für die

Kontaktpersonen, die durch die J2-Abteilung des

PRT geführt wurden.

An dieser Stelle sind sicherlich noch weitere Möglichkei-

ten vorstellbar,
1678

die mit unabhängigem militärischen

Sachverstand umfassend daraufhin hätten überprüft wer-

den können, ob sie als „gebotene und praktikable Aufklä-
rungsmaßnahmen“ („feasible precautions“) im Sinne des
Artikel 57 Abs. 2 lit. a ZP I von einem objektiven Dritten

in der Position von Oberst Klein in Betracht gezogen

worden wären.

Auf eine solch eingehende Prüfung, deren Ergebnis auch

nach der Beweisaufnahme im Ausschuss natürlich nicht

abschließend benannt werden kann, hat der GBA jedoch

bedauerlicherweise verzichtet. Eventuell hätte dies ver-

mieden werden können, wenn die Ergebnisse der Unter-

suchungen dieses Ausschusses abgewartet worden wären,

damit sie in die Ermittlungen und Bewertungen des GBA

hätten einfließen können.

(d) Die Abwägungsentscheidung

Stattdessen hat sich der GBA damit begnügt, die gewagte

Behauptung aufzustellen, dass selbst dann, wenn für

Oberst Klein erkennbar gewesen wäre, dass „mehrere
Dutzend geschützte Zivilisten“ durch den Bombenabwurf
getötet würden, dies wegen des „besonderen Drucks der
Entscheidungssituation“ bei „taktisch-militärischer Be-
trachtungsweise nicht außerhalb jeden Verhältnisses zu
1677) Dies wird allerdings von Oberst Klein vehement bestritten: vgl.

Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 67 f.

1678) Beispielsweise findet sich im Transkript der Kommunikation des

JTAC mit den F15-Bomber-Piloten der Hinweis, dass wohl im
Rahmen von ISR-Maßnahmen („Intelligence, surveillance and
reconnaissance“) möglicherweise die Sensoren eines anderen
Flugobjekts eingesetzt werden könnten, um Unterstützung bei der
Aufklärung des Zielgebiets zu leisten („maybe you can utilize his
sensors“), wovon jedoch offensichtlich auch kein Gebrauch ge-
macht wurde (Dokument 60).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 259 – Drucksache 17/7400

den erwarteten militärischen Vorteilen gestanden“ hät-
te.

1679
Wiederum mit zwei kurzen Sätzen wird daraufhin festges-

tellt, dass eine „offensichtliche Disproportionalität“ im
vorliegenden Fall nicht erkennbar sei, weil die Vernich-

tung der Tanklastzüge und die Ausschaltung ranghoher

Taliban „eine nicht zu unterschätzende militärische Be-
deutung, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die dadurch

erheblich reduzierte Gefährdung eigener Truppen sowie

auch von Zivilpersonen durch Angriffe der Taliban“ habe.

Überträgt man den Ansatz des GBA, so hätte selbst dann,

wenn die Taliban beispielsweise mehrere Dutzend

deutsche Kinder unter 15 Jahren aus der deutschen Schule

in Kabul als Geiseln (menschliche Schutzschilde) an den

Tanklastern festgehalten hätten, der Tod all dieser Kinder

durch Oberst Klein zur Verfolgung des Ziels, die Tanklas-

ter zu zerstören und die örtlichen Talibanstrukturen zu

beeinträchtigen, ohne Weiteres aus völkerrechtlicher Sicht

in Kauf genommen werden können. Dass dies nicht rich-

tig sein kann, egal ob es sich um deutsche oder um afgha-

nische Kinder oder Jugendliche handelt, müsste eigentlich

für jeden auf den ersten Blick erkennbar sein.

Ein derart oberflächlicher Umgang mit der zentralen völ-

kerrechtlichen Abwägungsvorschrift des Artikel 51

Abs. 5 lit. b ZP I dürfte der Bedeutung dieser Frage auch

für mögliche zukünftige Fälle kaum gerecht werden.

Zweifel sind dabei sowohl hinsichtlich der ohne jeden

militärischen Sachverstand vorgenommenen Gewichtung

des militärischen Vorteils als auch hinsichtlich der auf

dieser Grundlage vorgenommenen Abwägungsentschei-

dung angebracht:

Hinsichtlich der Tanklaster hätte zumindest einbezogen

werden müssen, dass diese auch aus Sicht von Oberst

Klein zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs keine unmittel-

bare Gefahr darstellten und nach den Informationen der

einzigen Quelle, auf die sich Oberst Klein stützte, auf der

Sandbank in Brand gesteckt werden sollten. Jedenfalls

war völlig unsicher, ob und wie die Tanklaster überhaupt

durch die Taliban eingesetzt worden wären. Insofern

dürfte auch die Unmittelbarkeit des militärischen Vorteils

fraglich sein.

Und auch die lapidare Behauptung, die Liquidierung der

vor Ort vermuteten „ranghohen Talibanführer“ habe
„nicht zu unterschätzende militärische Bedeutung“, er-
scheint seltsam apodiktisch. Es wird nicht einmal ver-

sucht, dies militärfachlich zu untermauern.

In der völkerrechtlichen Literatur wird im Zusammenhang

mit gezielten Exekutionen vermuteter Talibanführer und

ihrer Anhänger im Sinne eines „targeted killing“ teilweise
sogar in Frage gestellt, ob dies überhaupt im Rahmen der

vorzunehmenden Abwägung mit dafür geopferten Zivilis-

ten eingebracht werden kann.
1680

Denn die Abwägung
1679) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 66.

1680) Vgl. etwa: Kretzmer, Targeted Killing of Suspected Terrorists, in:

EJIL 16 (2005), S. 171, 201: „After all, unless the said terrorists

würde dann auf reiner Spekulation über mögliches zu-

künftiges Wirken dieser Taliban beruhen. Insofern wirkt

die pauschale Behauptung der besonderen militärischen

Bedeutung einer solchen gezielten Tötung vermuteter

Talibanführer erst recht nicht sonderlich überzeugend.

Jedenfalls hätte es auch hier einer genaueren Prüfung und

vor allem auch Darlegung bedurft, wie die Abwägung im

Rahmen des „Exzessverbots“ aus der ex ante-Sicht eines
objektiven Dritten eigentlich vorgenommen werden müss-

te. All dies sucht man in der Einstellungsverfügung des

GBA leider vergebens.

Damit ist nicht gesagt, dass der GBA nicht zu dem

Schluss hätte gelangen können, keine Anklage zu erhe-

ben. Bedauerlich ist jedoch, dass es der GBA unterlassen

hat, sich der entscheidenden völkerrechtlichen Fragen im

Rahmen eigener Ermittlungen und durch transparente

Hinzuziehung objektiven militärischen Sachverstands

angemessen anzunehmen.

(e) Mögliche Bedeutung des verfassungsrech-
tlichen Grundsatzes der Verhältnismäßig-
keit

Abschließend wäre es unter dem Gesichtspunkt der

Rechtssicherheit sicherlich auch sinnvoll gewesen, wenn

sich der GBA mit der Frage auseinandergesetzt und hier-

zu eine tragfähige Antwort gefunden hätte, welche Aus-

wirkungen es hat, dass die Bundesrepublik Deutschland

im Rahmen ihrer Zustimmung zum ISAF-Operationsplan

die Erklärung abgegeben hat, dass militärische Gewalt

durch deutsche Soldaten zur Durchsetzung des Auftrags

nur nach Maßgabe des Prinzips der Verhältnismäßigkeit

eingesetzt werden darf.
1681

Denn damit ist nicht der Maßstab des bloßen „Exzessver-
bots“ aus Artikel 51 Abs. 5 lit. b ZP I gemeint, sondern
auf den viel engeren Maßstab des „Übermaßverbots“ nach
dem Grundgesetz verwiesen, wonach jegliches staatliche

Handeln im Hinblick auf den verfolgten Zweck geeignet,

erforderlich und angemessen sein muss.
1682

Es müssen

also der Nachteil für den Betroffenen und der erstrebte

Erfolg in einem vernünftigen Verhältnis zueinander ste-

hen.

Neben den klaren innerdienstlichen Auswirkungen eines

solchen Vorbehalts, auf die gleich noch einzugehen sein

wird, stellt sich die Frage, ob die völkerrechtliche Rech-

tfertigung aus dem UN-Mandat nicht nur das Handeln
are involved in a concrete terrorist attack that is about to take

place and can only be thwarted by targeting them, the military
advantages to be gained by targeting them are based largely on

speculation. Can the assessment that an attack on civilians by the

suspected terrorist might take place outweigh the high and con-
crete likelihood that the attack on the suspected terrorist will

cause the death and wounding of other civilians?“; ebenso: Diehl,
in: Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften 2010, S. 4,
19.

1681) Vgl. BT-Drs. 16/2380, S. 8.

1682) Vgl. beispielhaft und grundlegend: BVerfGE 19, 342, 348 f.; vgl.
aber auch: BVerfGE 109, S. 279, 335 und Kraft, Der Grundsatz

der Verhältnismäßigkeit im deutschen Rechtsverständnis, in:

BayVBl. 2007, S. 577 ff. m. v. w. Nachw.
Drucksache 17/7400 – 260 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
innerhalb des Mandats und die Zulässigkeit nach humani-

tärem Völkerrecht voraussetzt, sondern ob eventuell bei

einer möglichen nationalen Rechtfertigung zusätzlich

immer auch die verfassungsrechtliche Bindung deutscher

Soldaten an den grundgesetzlichen Maßstab der Verhält-

nismäßigkeit berücksichtigt werden muss.
1683

Ob die Überlegung einer möglichen Beschränkung des

völkerrechtlichen Rechtfertigungsmaßstabs letztlich wirk-

lich überzeugt, kann hier dahinstehen. Es zeigt sich an der

Ausklammerung dieser grundlegenden Fragestellung in

der Einstellungsverfügung des GBA nur, dass der von

ihm selbst angelegte Maßstab einer „umfassenden“ Prü-
fung im Rahmen eines „aufwendigen Prüf- und Ermitt-
lungsverfahrens“1684 kaum erfüllt sein dürfte.

Dies ist deshalb so bedauerlich, weil hier die Möglichkeit

bestanden hätte, erstmalig fundiert grundlegende und

zukunftsweisende Maßgaben für militärisches Handeln

der Bundeswehr aufzuzeigen, die nicht nur für die Solda-

tinnen und Soldaten der Bundeswehr relevant sind, son-

dern auch im gesellschaftlichen Diskurs über die zukünf-

tige sicherheitspolitische Ausrichtung Deutschlands von

nicht zu überschätzender Bedeutung hätten sein können.

Diese Chance wurde vom GBA und vom politisch hierfür

verantwortlichen Bundesministerium der Justiz vertan.

2. Kritik am Verzicht auf die Einleitung eines
förmlichen Disziplinarverfahrens

So schwierig die Frage der völkerrechtlichen Rechtferti-

gung des Waffeneinsatzes in Kunduz abschließend zu

beantworten ist, so sehr hat die Beweisaufnahme im Aus-

schuss deutlich werden lassen, dass auf die Einleitung

eines formalen disziplinarischen Ermittlungsverfahrens

im Hinblick auf die eklatanten Verstöße der beteiligten

Soldaten gegen die verbindlichen ISAF-Einsatzregeln und

gegen die ausdrückliche Untersagung der gezielten Tö-

tung Aufständischer außerhalb konkreter Gefechtssitua-

tionen zumindest wegen Verletzung der zentralen Pflicht

des Soldaten zum treuen Dienen nach § 7 i. V. m. § 23

Soldatengesetz sowie § 15 Abs. 1 Wehrdisziplinarord-

nung kaum hätte verzichtet werden dürfen.

Die Entscheidung, nach nur wenigen Wochen andauern-

den „Vorermittlungen“, die noch nicht einmal die in der
Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses gewon-

nenen Erkenntnisse einbezogen haben, ein förmliches

Disziplinarverfahren gar nicht erst zu eröffnen, sondern

Oberst Klein statt dessen zu befördern und in die nächst-

höhere Besoldungsgruppe B3 einzuweisen,
1685

stößt zu

Recht auf breitestes Unverständnis und sendet das be-

fremdliche Signal an die Soldatinnen und Soldaten aus,

dass hartes militärisches Vorgehen und die Außerachtlas-

sung der verbindlichen Einsatzregeln für den streitkräfte-
1683) So jedenfalls: Limpert in der Ausarbeitung WD 7 – 3000 -120/11

der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, S.

12; sehr ausführlich zum Meinungsstand: Wiefelspütz, Auslands-

einsatz der Streitkräfte und Grundrechte, in: NZWehrR 2008,
S. 89 ff.

1684) Vgl. Presseerklärung GBA Nr. 8/2010 vom 19. April 2010.

1685) Vgl. hierzu: BT-PlPr. des Deutschen Bundestages 17/64, S. 6738.

gemeinsamen Waffeneinsatz selbst bei erheblichen zivi-

len „Kollateralschäden“ im Zweifelsfall von den Vorge-
setzten gedeckt und von der politischen Führung akzep-

tiert wird.

Wenn man sich dann vor Augen führt, in wie vielen ande-

ren wehrdisziplinarischen Verfahren teilweise sogar dras-

tische Sanktionen wie Beförderungsverbote, Dienstgrad-

herabsetzungen oder gar die Entfernung aus dem Dienst-

verhältnis ausgesprochen worden sind, in denen zwar

auch schwere Verstöße gegen Dienstpflichten

– z. B. die Veröffentlichung eines selbstgemachten
Aktfotos der eigenen Person in einem Sexmagazin

zur Wiederherstellung des eigenen Selbstwertge-

fühls
1686

, die Mitnahme eines Kettensägeantriebs-

aggregats und anderer Gegenstände nach Hau-

se
1687

, das Erschleichen eines Leistungsscheins im

Rahmen einer universitären Diplomvorprüfung

durch „Abschreiben“ ohne Kenntlichmachung des
Zitats (Plagiat)

1688
oder der Diebstahl aus einer

Gemeinschaftskasse
1689



festgestellt wurden, die aber jedenfalls nicht bis zu 113

zivile Todesopfer gefordert haben, wirkt die Entschei-

dung, im vorliegenden Fall kein Disziplinarverfahren

einzuleiten, noch unverständlicher.

Dabei geht es nicht darum, Oberst Klein persönlich zu

„bestrafen“, sondern es geht darum, dass sowohl der
Durchführung eines Disziplinarverfahrens als auch der

eventuellen Verhängung disziplinarischer Maßnahmen

vor allem „pflichtenmahnende Wirkung“ auf die Angehö-
rigen der Bundeswehr im Allgemeinen zukommt.

1690
Zwar kollidiert dieser Gedanke in gewisser Weise mit

dem Grundsatz, dass Disziplinarsachen vertraulich zu

behandeln sind, doch wird der generalpräventiven Funkti-

on der Disziplinarmaßnahme auch immer durch die Mittel

des Rechtsunterrichts und gegebenenfalls durch die Ver-

öffentlichung wehrdienstgerichtlicher Rechtsprechung

Rechnung getragen.

All dem wurde im vorliegenden Fall durch die dem Bun-

desminister der Verteidigung zuzurechnende Entschei-

dung, ein förmliches Disziplinarverfahren noch nicht

einmal einzuleiten, sondern nur öffentlich zu verkünden,

es hätten sich noch nicht einmal Anhaltspunkte für eine

Dienstpflichtverletzung ergeben, bedauerlicherweise ohne

jede Not und gegen jede Vernunft der Boden entzogen. Es

wurde damit verhindert, dass in einem solch wichtigen

Sachverhalt mit kaum zu überschätzender Präzedenzwir-

kung effektive Sachverhaltsermittlungen angestellt und

grundlegende rechtliche Leitlinien durch gerichtliche

Prozesse und Entscheidungen formuliert werden konnten.

Die von manchen Verteidigungspolitikern der Mehrheit

im Ausschuss hergestellte unmittelbare Verknüpfung der
1686) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 34.98.

1687) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 20.09.
1688) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 30.01.

1689) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 28.08.

1690) So ausdrücklich: BVerwG, Az. 2 WD 20.09, Rz. 50.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 261 – Drucksache 17/7400

Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsver-

fahrens durch den GBA mit der fehlenden Notwendigkeit

disziplinarischer Ermittlungen
1691

entbehrt dabei offen-

kundig jeder Grundlage, weil für den GBA die Verletzung

von Einsatzregeln gerade keine Rolle spielte.

a) Eklatante Verstöße gegen ISAF-Einsatz-
regeln

Der GBA hat in seinem Einstellungsvermerk zutreffend

darauf hingewiesen, dass es sich bei den ISAF-

Einsatzregeln, den „Rules of Engagement“ um Innenrecht
handelt, dem keine Rechtswirkung nach außen zukommt,

so dass sich an deren Verletzung auch keine unmittelba-

ren strafrechtlichen Sanktionen knüpfen können. Wenn

diese Regeln aber in innerdienstliche Befehle gegenüber

den Soldatinnen und Soldaten aufgenommen werden, so

kann der Verstoß gegen sie oder ihre Nichtbeachtung

auch eine Dienstpflichtverletzung darstellen, die ihm

Rahmen von Disziplinarverfahren relevant wird.
1692

In seiner Einvernahme im Ausschuss hatte auch General

Ramms ausdrücklich erklärt, dass nach der von ihm ver-

anlassten Prüfung im Rahmen des Luftangriffs gegen

ISAF-Einsatzregeln verstoßen wurde,
1693

so dass eine

nationale disziplinarische Untersuchung nach Vorlage des

COM ISAF-Berichts hätte erfolgen müssen, weil die

NATO selbst keine Disziplinargewalt über das PRT-

Personal hat.
1694

„Rules of Engagement“ (ROE) wurden ursprünglich ge-
schaffen und ausgeformt, um den militärischen Führer an

die politischen und strategischen Absichten der Staatsfüh-

rung zu binden. Heute dienen ROE im Ergebnis dem Ziel,

insbesondere bei politisch hoch sensiblen militärischen

Maßnahmen im Rahmen des Krisenmanagements und bei

Friedensmissionen den Primat der politischen Führung

jederzeit sicherzustellen.
1695

Nach der offiziellen Definiti-

on sind ROE

„national, multinational oder international für ei-
nen bestimmten Einsatz festgelegte und zwischen

den beteiligten Nationen abgestimmte Richtlinien

und Vorgaben, die das Verhalten der Truppe und

die Anwendung von Gewalt und Zwangsmaßnah-

men einschließlich des Waffengebrauchs re-

geln.“1696
1691) Vgl. „Spiegel Online“ vom 19. August 2010: „Elke Hoff, sicher-

heitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, begrüßte

die Entscheidung des Verteidigungsministeriums: „Sie ist nach
der bereits erfolgten Einstellungen der Ermittlungen durch die
Bundesanwaltschaft nur folgerichtig. Im Einsatzgebiet der Bun-

deswehr in Nord-Afghanistan handelt es sich um einen nichtinter-

nationalen bewaffneten Konflikt. Der Einsatz der Soldatinnen und
Soldaten in der Region unterliegt somit dem Kriegsvölkerrecht.“,
sagte Hoff.“

1692) Vgl. etwa: Frister/Korte/Kress, JZ 2010, S. 10, 16.
1693) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5; Teil II, S. 1, 9, 13, 18, 20,

24 und 27.

1694) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 6 und 15.
1695) Vgl. etwa: Stein, in: Truppenpraxis/Wehrausbildung 1999, S. 596,

597.

1696) Vgl. Dreist, NZWehrr 2007, S. 107 m. w. Nachw.

Verbindlichkeit erhalten die ISAF-ROE für das deutsche

Einsatzkontingent ISAF über das nationale Befehls-

recht.
1697

Die deutschen ISAF-Kommandeure sind COM ISAF-

OPCON unterstellt und müssen die genehmigten ISAF-

Einsatzregeln, also die ROE, die „Standard Operating
Procedures“ (SOP) und sonstige Weisungen umsetzen.
Die besondere Bedeutung der ROE liegt dabei auf der

Hand: Sie setzen politische Vorgaben zum Verhalten der

Streitkräfte im Einsatz in militärisch handhabbare, opera-

tive Dienstbefehle um und sind dadurch für jede Soldatin

und jeden Soldaten verbindlich.

Die „Pflicht zum treuen Dienen“ aus § 7 Soldatengesetz
verlangt allgemein vom Soldaten, im Dienst und außer-

halb des Dienstes zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr

beizutragen und alles zu unterlassen, was sie in ihrem

durch das Grundgesetz festgelegten Auftrag schwächen

würde.
1698

Darunter fällt nicht nur die Pflicht, keine Aktfotos von

sich an Sexmagazine zur Veröffentlichung zu versen-

den
1699

, bei wissenschaftlichen Arbeiten nicht zu plagiie-

ren
1700

oder keine alten, unbrauchbaren Computermonito-

re der Bundeswehr bei den Stadtreinigungsbetrieben un-

gefragt zu entsorgen,
1701

sondern selbstverständlich auch

die Pflicht, den in Dienstvorschriften, Richtlinien, Erlas-

sen und Befehlen enthaltenen Handlungsanweisungen

Folge zu leisten.
1702

Dabei muss die Dienstpflichtverlet-

zung nicht vorsätzlich, sie kann auch fahrlässig begangen

werden, indem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt

außer Acht gelassen und in voraussehbarer und vermeid-

barer Weise gegen die Dienstpflichten verstoßen wird.
1703

Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat klar ergeben, dass

im Fall des Luft-Boden-Angriffs von Kunduz durch

Oberst Klein und seinen JTAC eine Vielzahl von ISAF-

Einsatzregeln konkret verletzt wurde.
1704

Zu diesem Schluss gelangte im Ergebnis nach eigenem

Bekunden auch die Bundesregierung selbst, auch wenn

sie bis heute weder öffentlich noch gegenüber dem Par-

lament eingeräumt hat, welche konkreten Einsatzregeln

aus ihrer Sicht eigentlich verletzt worden sind. Statt des-

sen wird immer versucht, den Eindruck zu erwecken, dass

sämtliche Einsatzregeln, gegen die in dieser Nacht versto-

ßen wurde, derart ungenau und widersprüchlich seien,

dass die Verstöße gegen sie nicht mehr als ein verständli-

ches, lässliches Versehen gewesen seien. Der eigentliche

Kern des Problems liege darin, dass die Soldatinnen und

Soldaten nicht verstehen könnten, was diese Einsatzregeln
1697) Vgl. BT-Drs. 16/10804, S. 16.

1698) Vgl. nur: Dau, Wehrdisziplinarordnung, Kommentar, vor § 15,

Rz. 2.
1699) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 34.98.

1700) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 30.01.

1701) Vgl. BVerwG, Az. 2 WD 7.10.
1702) Vgl. nur: Dau, Wehrdisziplinarordnung, Kommentar, vor § 15,

Rz. 2.

1703) Vgl. nur: Dau, Wehrdisziplinarordnung, Kommentar, vor § 15,
Rz. 21.

1704) Zu den einzelnen Verstößen gegen die ISAF-Einsatzregeln oben

ausführlich die Darstellungen in Abschnitt III./2/g.

Drucksache 17/7400 – 262 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
von ihnen verlangten, so dass diese erst einmal verändert

und eindeutiger ausgestaltet werden müssten. Zur Illust-

rierung dieser bis heute erkennbaren Vorgehensweise der

Bundesregierung mag die im Diffusen wabernde Aussage

des damaligen Verteidigungsministers Freiherr zu Gut-

tenberg im Ausschuss dienen:

„Ich hatte ja immer auf die Verfahrensfehler hin-
gewiesen und auch darauf hingewiesen, dass das

Fehler waren und dass auf der Grundlage dieser

Fehler die Einsatzregeln, weil der eine oder ande-

re Fehler ja wohl offensichtlich auch darauf zu-

rückzuführen war, dass die Einsatzregeln verwir-

rend, manchmal auch widersprüchlich waren, als

solche manchmal schwer verständlich - - Das ist ja

einer der Gründe gewesen, weshalb man sich auch

der Fragestellung angenommen hat, diese Einsatz-

regeln entsprechend zu korrigieren. Ich glaube,

das ist auch vonnöten gewesen, das zu tun.“1705

Dass es sich hierbei natürlich vor allem um eine leicht

durchschaubare Strategie zur Verlagerung von Verant-

wortung auf namenlose NATO-Bürokraten und ihre völlig

unverständlichen Vorgaben für den Einsatz militärischer

Gewalt handelt, liegt auf der Hand.

In der Beweisaufnahme des Ausschusses konnten sich

dessen Mitglieder hingegen davon überzeugen, dass eine

solch unklare Regelungslage im konkreten Fall keines-

wegs vorlag, sondern dass die Probleme fast durchgängig

in der fehlerhaften Anwendung der Einsatzregeln oder in

der Unkenntnis der Soldatinnen und Soldaten der Bun-

deswehr über den Inhalt dieser Regelungen gelegen ha-

ben.

Dabei erfolgten die Verstöße gegen diese Einsatzregeln

zum Teil sogar ganz bewusst – wie etwa im Fall der Er-
klärung eines TIC entgegen den engen Maßgaben des

unmittelbaren Vorgesetzten -, in den meisten Fällen aber

aufgrund mangelnder Sorgfalt in der Anwendung dieser

Regeln, wie insbesondere bei der fehlerhaften PID-

Feststellung, bei dem Verzicht auf Hinzuziehung eines

Rechtsberaters und Durchführung einer „Show of Force“,
oder bei der Anwendung der konkreten Einsatzregel für

einen offensiven Waffeneinsatz (ROE 429) bar jeder

Kenntnis über ihre zwingenden Voraussetzungen.
1706

Auf welche Weise die Wehrdisziplinaranwaltschaft, die –
wie der GBA – nicht der „dritten Gewalt“, also der Judi-
kative, angehört, sondern nach § 81 Abs. 3 WDO aus-

drücklich an Weisungen des Bundesministers der Vertei-

digung gebunden ist, im vorliegenden Fall zu dem Ergeb-

nis kommen konnte, dass trotz der vom Minister öffent-

lich behaupteten Verfahrensfehler noch nicht einmal

Anhaltspunkte gefunden werden konnten, um ein förmli-

ches Disziplinarverfahren überhaupt erst einzuleiten, wird

wohl immer ein Geheimnis dieser Bundesregierung blei-

ben. Gegenüber dem Untersuchungsausschuss wurden

jedenfalls keinerlei Hinweise darauf gegeben. Akten wur-
1705) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 36.

1706) Zu den Verstößen gegen die ISAF-Einsatzregeln oben ausführlich

die Darstellungen in Abschnitt III./2/g, ab Seite 240.

den dazu nicht vorgelegt, weil diese erst nach Einsetzung

des Untersuchungsausschusses entstanden seien.

b) Verletzung nationaler Einsatzvorgaben
durch gezielte Tötung außerhalb einer
Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituation

Zusätzlich zu den Verstößen gegen die ISAF-

Einsatzregeln begegnet die festgestellte Motivationslage

von Oberst Klein für den Bombenabwurf, vermutete Tali-

banführer bewusst „vernichten“ zu wollen, aus innerstaat-
lichem, dienstrechtlichem Blickwinkel erheblichen Be-

denken:

Aus deutscher Sicht ist es nämlich mehr als fraglich, ob

eine solche offensive Operation gegen die vier vermuteten

Taliban-Kommandeure und ihre Anhänger für deutsche

Soldaten überhaupt zulässig gewesen ist, weil damit die

Grenze zum für deutsche Soldaten unzulässigen „targeted
killing“ überschritten worden sein dürfte.

Die Bundesregierung hatte bislang immer besonderen

Wert auf die Feststellung gelegt, dass die Soldatinnen und

Soldaten der Bundeswehr angewiesen sind, außerhalb von

direkten Feuergefechten oder Angriffen im Rahmen von

Selbstverteidigung oder Nothilfe keine Personen zu töten,

selbst wenn es sich nachweislich oder nach überwiegen-

der Wahrscheinlichkeit tatsächlich um Aufständische

handeln sollte.

Selbst bei Personen, die bereits auf die so genannte „Joint
Priority Effects List (JPEL)“1707 gesetzt worden sind, bei
denen ISAF also nach sorgfältigen Prüfungen zu dem

Ergebnis gekommen ist, dass diese Personen besonders

gefährlich sind und deshalb ergriffen oder getötet werden

sollen, ist eine Beteiligung deutscher Soldatinnen und

Soldaten an der Tötung dieser Personen untersagt.
1708

Im Rahmen der deutschen Mitwirkung am ISAF-

Targeting-Prozess wird ausschließlich die Handlungsemp-

fehlung „Festnahme“ gegeben. Zugriffsoperationen, bei
denen deutsche Kräfte die Verantwortung für die Anwen-

dung militärischer Gewalt haben, die Ausführung über-

nehmen oder an denen sie sich beteiligen, erfolgen aus-

schließlich mit dem Ziel, die Personen festzusetzen.
1709

Auf hierzu immer wieder gestellte Fragen von Mitglie-

dern des Deutschen Bundestags wird die Bundesregierung

nicht müde, ihrerseits immer wieder zu betonen, dass

eindeutige nationale Vorgaben im Rahmen der deutschen

Teilhabe an diesem ISAF-Targeting-Prozess ausschließ-
1707) Bei der JPEL handelt es sich um eine dem ISAF-Regelwerk

entsprechende Liste, in der auf der Grundlage eines festgelegten

Kriterienkatalogs Zielpersonen Handlungsempfehlungen zu-

geordnet werden. Bei Personen, die sich unmittelbar oder dauer-
haft an den Feindseligkeiten beteiligen, besteht die Möglichkeit,

die Anwendung gezielt tödlich wirkender Gewalt zu empfehlen.

Vgl. etwa: BT-Drs. 17/2775, S. 77.
1708) Vgl. etwa BT-Drs. 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 10; 17/3008, S. 50;

Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.

1709) Vgl. etwa Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas
Kossendey vom 16. August 2010 auf Fragen des Abg. Dr. Rolf

Mützenich vom 30. Juli 2010; BT-Drs. 17/2884, S. 10; 17/2775,

S. 77.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 263 – Drucksache 17/7400

lich mit der Handlungsempfehlung erfolgen, die Zielper-

sonen festzusetzen, keinesfalls, sie zu töten.
1710

Wörtlich

heißt es in einer dieser Antworten beispielsweise:

„Zur Vermeidung eventueller Missverständnisse ist
deshalb ausdrücklich festzustellen, dass deutsche

Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr derar-

tige „Liquidierungen“ nicht durchführen und auch
nicht durchgeführt haben.“1711

Einer der Pressesprecher des Bundesministeriums der

Verteidigung, Kapitän zur See Dienst, sprach in der Re-

gierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010 insofern wie-

derholt von einer „Selbstverpflichtung“ bzw. einer “De-
facto-Selbstbeschränk-ung“.1712 Diese nationale Selbstbe-
schränkung spiegelt sich im Übrigen zu Recht auch aus-

drücklich in der so genannten „Taschenkarte“ wieder, die
jedem in Afghanistan eingesetzten Soldaten mitgegeben

wird, um diesem die Grenzen des Einsatzes militärischer

Gewalt verbindlich aufzuzeigen:
1713

Darin wird mit klaren Worten verlangt, dass militärische

Gewalt immer „verhältnismäßig“ sein muss, also nur
angewendet werden darf, wenn sie „geeignet und erfor-
derlich“ ist, so dass immer dann, wenn man sich nicht
einer „erheblichen Gefahr für Leib und Leben“ ausgesetzt
sieht, das „denkbar mildeste Mittel“ anzuwenden ist.

Darüber hinaus wird ausdrücklich verlangt, dass – soweit
es die Lage zulässt – militärische Gewalt immer vor ih-
rem Einsatz „anzudrohen“ ist. Unbeteiligte Personen
dürfen dabei allenfalls dann in Mitleidenschaft gezogen

werden, „wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und
Leben auf andere Weise nicht abgewendet werden kann“.

Deutlich bedient sich die Taschenkarte dabei nicht etwa

der Vorgaben des völkerrechtlichen „Exzessverbots“,
sondern sie verweist ausdrücklich auf den engeren Maßs-

tab des Grundgesetzes, wonach der Waffeneinsatz geeig-

net und erforderlich sein muss und die Folgen „nicht
außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen dür-

fen“.

Nur auf der Grundlage dieses Verständnisses des Grund-

satzes der Verhältnismäßigkeit machen die wiederholten

öffentlichen Darstellungen der Bundesregierung zum

Verbot der gezielten Tötung Aufständischer Sinn.

Dies steht zudem in Einklang mit der grundsätzlichen

deutschen Beurteilung des ISAF-Einsatzes als „Stabilisie-
rungs- und Unterstützungsoperation“, worauf von Anfang
an in jedem parlamentarischen Beschluss zur Durchfüh-

rung und Verlängerung des Einsatzes ausdrücklich hin-

gewiesen wurde, und welche eine zwingende Folge aus
1710) Vgl. nur: BT-Drs. 16/7794, S. 22; 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 10;

17/3008, S. 50; Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.

1711) BT-Drs. 16/7794, S. 22.
1712) Vgl. S. 3 des Ausdrucks der Mitschrift der Regierungspressekon-

ferenz vom 28. Juli 2010 auf www.bundesregierung.de.

1713) Mat. 17-49a, S. 9-10.

dem allgemein gesellschaftlich akzeptierten Leitbild der

„militärischen Kultur der Zurückhaltung“1714 darstellt.

Konkret spiegelt sich dies wieder in den Einsatzbeschrän-

kungen, die durch die Bundesrepublik Deutschland gege-

nüber dem ISAF-Operationsplan erklärt worden sind. Die

deutsche Politik hat dabei insbesondere in drei Bereichen

Vorgaben gemacht, die die militärische Operationsfüh-

rung einschränken: Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten

nehmen nicht aktiv an der Drogenbekämpfung teil, sie

wenden Gewalt ausschließlich nach Maßgaben des Ver-

hältnismäßigkeitsprinzips an, und sie operieren in der

Regel nur in den ISAF-Regionen Nord und Kabul.
1715

Wenn damit aber davon ausgegangen werden muss, dass

es deutschen Soldatinnen und Soldaten schon durch

dienstliche Weisungen untersagt ist, Personen zu töten,

die sich nach einem umfassenden Bewertungsprozess auf

ISAF-Ziellisten als besonders gefährlich qualifizierte

Aufständische finden, weil sie sich dauerhaft oder unmit-

telbar an Feindseligkeiten beteiligen, muss es Angehöri-

gen der Bundeswehr zwangsläufig erst Recht untersagt

sein, Personen unmittelbar zu töten, die noch nicht einmal

auf dieser Zielliste aufgeführt sind und bei denen man nur

vermutet, dass sie sich hierfür eventuell auch „qualifizie-
ren“ würden, weil man sie irgendwie „auf dem Schirm
hat“.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die vier angeblich an

den Tanklastern vermuteten Talibanführer noch nicht

einmal auf der JPEL namentlich aufgeführt waren.
1716

Hinsichtlich der restlichen, selbst nach Einschätzung von

Oberst Klein etwa 70 angeblichen „Anhänger“ dieser
Talibanführer, die sich ebenfalls vor Ort befunden haben

sollen, waren Namen noch nicht einmal bekannt.

Es gab nur die diffuse Einschätzung von Oberst Klein,

dass diese Gruppe von Aufständischen „als sehr aggressiv
und rücksichtslos“ bekannt gewesen sein solle.1717

Da aber nach der Beweisaufnahme eindeutig feststeht,

dass zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs kein unmittelba-

rer Angriff von diesen Personen gegen ISAF-Soldaten

oder gegen befreundete Kräfte ausging, ist die Schlussfol-

gerung zwingend, dass gegen die nationale Weisungslage,

außerhalb konkreter Selbstverteidigungs- oder Nothilfesi-

tuationen gegen Aufständische nicht im Wege solcher

„Liquidierungen“ vorzugehen, evident verstoßen wurde.

Oberst Klein räumte in seiner Vernehmung im Ausschuss

selbst ein, dass durch die Tötung der vier Talibanführer

und ihrer Anhänger den Aufständischen „ein schwerer
1714) Vgl. dazu ausführlich: Stefan Jungbauer, Die Bundeswehr in

Afghanistan – Die innerstaatlichen Restriktionen des deutschen
ISAF-Einsatzes, Hamburg 2010, S. 42 ff., 59 ff., 74 ff.
m. w. Nachw.; Georg Löfflmann, Verteidigung am Hindukusch?,

Hamburg 2008, S. 50 ff. m. w. Nachw.

1715) BT-Drs. 16/2380, S. 8; vgl. auch: Noetzel/Zapfe, Aufstandsbe-
kämpfung als Auftrag, SWP-Studie S 13, Mai 2008, S. 15 f.;

Jungbauer, a.a.O., S. 74 f.

1716) So die ausdrückliche Antwort der Bundesregierung auf Frage des
Abg. Dr. Hans-Peter Bartels: BT-PlPr.-Nr. 36 der 17. WP vom

21. April 2010 (Fn. 235, Dokument 58), S. 3463.

1717) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.
Drucksache 17/7400 – 264 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Schlag versetzt“ werden sollte.1718 Diese Argumentation
war für Oberst Klein im Hinblick auf seine völkerrechtli-

che Rechtfertigung wegen des Unterlassens der „Show of
Force“ sogar zwingend erforderlich.

Wenn aber nun deshalb letztlich von einem rein offensi-

ven Waffeneinsatz auszugehen ist, wurde hier gegen die

nationalen Vorgaben, die bewusst hinter dem durch das

Völkerrecht und das UN-Mandat Zulässigen
1719

zurück-

bleiben, verstoßen.

Sollte die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den

Standpunkt vertreten wollen, dass es den Vorgaben der

deutschen „Taschenkarte“ zur Verhältnismäßigkeit des
Einsatzes militärischer Gewalt durch deutsche Soldaten

an der Qualität verbindlicher Anweisung zu einem be-

stimmten Verhalten fehlen sollte, so dass die Missachtung

dieser Vorgaben keine Verletzung dienstlicher Pflichten

darstellen könne, fragt sich, welchen Sinn den Einsatzre-

geln und der „Taschenkarte“ dann eigentlich noch zu-
kommen soll.

Es dürfte wohl kaum angehen, diese förmlichen Regelun-

gen als bloß unverbindliche Hinweise darauf anzusehen,

wie man sich wünschen würde, dass Soldatinnen und

Soldaten militärische Gewalt mit möglichen tödlichen

Folgen doch bitte anwenden mögen, ihnen aber letztlich

keinen bindenden Charakter zuzubilligen, sondern ihre

Befolgung vollständig in das Belieben der Soldatinnen

und Soldaten zu stellen.

Sollte dies wirklich die Botschaft des Bundesministers der

Verteidigung sein, die er mit der Entscheidung, diszipli-

narische Ermittlungen im vorliegenden Fall noch nicht

einmal einzuleiten, transportieren wollte, so sollte er dies

auch öffentlich deutlich machen, so dass die Mitglieder

des Deutschen Bundestages, die dem Einsatz der Bun-

deswehr in Afghanistan auf der Grundlage bestimmter

Voraussetzungen und Annahmen zugestimmt haben, über

diese, von den bisherigen allgemeinen Vorstellungen eher

abweichende, Geschäftsgrundlage neu nachdenken könn-

te.

Dann sollte die Bundesregierung aber auch darauf ver-

zichten, den Eindruck zu erwecken, dass deutschen Solda-

ten bei der Anwendung militärischer Gewalt, zum Bei-

spiel bei der Liquidierung verdächtiger Taliban, Grenzen

auferlegt sind und stattdessen deutlich machen, dass sol-

che Beschränkungen in der Realität für diese Bundesre-

gierung eigentlich gar nicht mehr existieren.

V. Zusammenfassende Gesamtbewertung
zum Luft-Boden-Angriff von Kunduz

Bei dem von Oberst Klein am 4. September 2009 befoh-

lenen Luft-Boden-Angriff auf die zwei entführten und im

Fluss Kunduz stecken gebliebenen zivilen Tanklaster

sowie die dort befindlichen Personen handelt es sich um

den folgenschwersten militärischen Waffeneinsatz in der

Geschichte der Bundeswehr.
1718) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 17.

1719) „with all necessary means“.

Der Bombenabwurf hat zur Tötung von mindestens 22

Kindern unter 15 Jahren, einem zivilen Lastwagenfahrer

sowie von mindestens 60 erwachsenen Bewohnern der

umliegenden Dörfer geführt, die allesamt als Zivilisten zu

qualifizieren sind, weil sie sich weder unmittelbar an

Feindseligkeiten gegen ISAF-Kräfte beteiligt haben, noch

nachweislich Mitglieder des militärisch organisierten,

bewaffneten Teils der Taliban waren.

Erstmals in der Geschichte der Bundeswehr hat ein

deutscher Kommandeur einen offensiven Waffeneinsatz

mit dem Ziel der Tötung einer Vielzahl von Personen

außerhalb einer unmittelbaren Selbstverteidigungs- oder

Nothilfesituation befohlen, um die regionalen Talibans-

trukturen zu schwächen.

Bei der Bewertung der Entscheidungen von Oberst Klein

ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Sicher-

heitslage in der Provinz Kunduz in den Monaten vor dem

Angriff erheblich verschlechtert hatte und die Angehöri-

gen des PRT Kunduz seit Mai 2009 fast täglich im Feuer-

kampf standen.
1720

Hinzu kam noch, dass gerade am

3. September 2009 eine in Archi eingesetzte Kompanie

des PRT Kunduz in einen Hinterhalt geriet, drei Soldaten

verwundet und mehrere Fahrzeuge beschädigt worden

waren, woraufhin Oberst Klein weitere Truppenteile zur

Unterstützung nach Archi verlegte, die dort dann in eines

der schwersten Gefechte der deutschen Truppen in Kun-

duz verwickelt wurden.

Oberst Klein stand also an dem Tag vor dem Bombenein-

satz verständlicherweise unter höchster Anspannung.

Weiterhin verspürte Oberst Klein augenscheinlich einen

gewissen Druck von Seiten seiner Vorgesetzten, die von

ihm nach seiner Wahrnehmung einen „aktiven Einsatz“
erwarteten. Wörtlich erklärte Oberst Klein dazu im Aus-

schuss:

„Durch das Hauptquartier ISAF in Kabul, aber
auch durch das Regionalkommando Nord in Ma-

sar-i-Scharif wurde mir ausdrücklich befohlen,

unverzüglich Maßnahmen zur Sicherung dieser

Verbindungswege und zur Bekämpfung der Auf-

ständischen zu ergreifen. Auch mein unmittelbarer

Vorgesetzter, General Vollmer, machte mir sehr

deutlich, dass er einen aktiven Einsatz des PRTs in

dieser Hinsicht von mir erwartete.“1721

Diese eher diffusen Hinweise seiner vorgesetzten Stellen

hatte Oberst Klein augenscheinlich insofern missverstan-

den, als er sich nunmehr auch als PRT-Kommandeur zu

offensivem Waffeneinsatz mit dem Ziel der Verfolgung

und Tötung vermuteter Taliban außerhalb konkreter

Selbstverteidigungs- und Nothilfesituationen berufen

fühlte, obwohl ein solch offensives Vorgehen nach dem

ISAF-Operationsplan grundsätzlich allenfalls den Kom-
1720) Vgl. hierzu ausführlich die entsprechenden Passagen aus dem

Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 13 ff. und Klein, Protokoll-

Nr. 6, Teil II, S. 1 ff.

1721) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 265 – Drucksache 17/7400

mandanten der Spezialkräfte, wie etwa der deutschen

„Task Force 47“ (TF 47), vorbehalten ist.1722

Diese Spezialkräfte verfügen nämlich über andere Mög-

lichkeiten und Erfahrungen zur Informationsbeschaffung

und -bewertung bezüglich der Identifizierung derartiger

militärischer Ziele, denn genau dafür werden sie aufges-

tellt und ausgebildet. Vor allem sind diese aber besser

vertraut mit den für solch offensive Waffeneinsätze vorge-

sehenen Einsatzregeln. Diese notwendigen Kenntnisse

fehlten Oberst Klein in dieser Nacht.

War dieser Impuls zur offensiven Bekämpfung erkannter

Taliban außerhalb unmittelbarer Gefechtssituationen

zunächst wohl eher unterschwellig bei Oberst Klein vor-

handen, wurde er vor dem Waffeneinsatz ganz entschei-

dend durch den ranghöchsten Offizier der Task Force 47,

der sich in dieser Nacht im Feldlager Kunduz aufhielt,

den Zeugen Hauptmann N., verstärkt.

Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss ist anzunehmen,

dass dieser nicht nur den Entschluss von Oberst Klein

ausgelöst hat, nach den am Nachmittag entführten Tank-

lastern und den dort vermuteten Taliban konkret zu su-

chen, sondern auch dazu beigetragen hat, in Oberst Klein

den Entschluss reifen zu lassen, die aus seiner Sicht etwa

70 Personen an den Tanklastern zu „vernichten“1723 und
dabei den örtlichen Talibanstrukturen einen „schweren
Schlag“1724 zu versetzen.

Dabei verfolgte Hauptmann N. offenkundig eine sehr

eigene Agenda, die vor allem darin bestand, die Glaub-

würdigkeit und Zuverlässigkeit der HUMINT-

Kontaktperson der Task Force 47, die in der Nacht die

Informationen über die Tanklaster lieferte, zu überprü-

fen.
1725

Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss ist anzunehmen,

dass Oberst Klein durch Hauptmann N. – eventuell sogar
in kollusivem Zusammenwirken mit dem JTAC – zu
einem sehr frühen Zeitpunkt ein offensives Bombarde-

ment mit dem Ziel der Tötung der vermuteten Talibanfüh-

rer und ihrer Anhänger empfohlen wurde.
1726

Während Bundeswehr und Bundesregierung immer nur

gebetsmühlenartig wiederholen, dass die Task Force 47 in

dieser Nacht nur untergeordnete Unterstützungsleistungen

für den PRT-Kommandanten erbracht habe, stellt sich das

Geschehen nach der Beweisaufnahme im Ausschuss eher

so dar, dass Oberst Klein als PRT-Kommandeur, obwohl

er die Entscheidung zum Waffeneinsatz ausdrücklich

selbst getroffen hat, letztlich faktisch eher Unterstüt-

zungsleistungen für die Interessen der von Hauptmann N.

repräsentierten Task Force 47 geleistet hat.

Obwohl nicht ganz auszuschließen ist, dass Oberst Klein

persönlich auch in gewisser Sorge um die unmittelbare
1722) Vgl. dazu ausführlich oben unter III./2./g)/ff)/aaa, Seite 247 ff.
1723) So die Wortwahl von Oberst Klein selbst in seinem Bericht vom

5. September 2009, Mat. 17-7, S. 3.

1724) So die Wortwahl von Oberst Klein selbst im Ausschuss: Klein,
Protokoll-Nr. 6, Teil III, S. 17.

1725) Vgl. dazu ausführlich oben unter III./2./c), Seite 226 ff.

1726) Vgl. dazu ausführlich oben unter III./2./d), Seite 228 ff.

Sicherheit des PRT gehandelt haben mag, sprechen die in

der Beweisaufnahme deutlich gewordenen Tatsachen,

insbesondere die rigorose Verweigerung der „Show of
Force“, die Transkripte der Kommunikation mit den F15-
Piloten und die klare Aussage von Oberst Klein, dass er

dem Waffeneinsatz eine offensive Einsatzregel (ROE 429)

zugrundegelegt habe, dafür, dass es ihm vor allem darum

ging, die an den Tanklastern befindlichen Taliban zu

töten, um damit zu verhindern, dass diese Personen in der

Zukunft gegen ISAF, die Verbündeten oder gegen die

Zivilbevölkerung würden vorgehen können.
1727

Der zentrale Fehler von Oberst Klein war dabei seine

völkerrechtswidrige Annahme, die Bestimmung legitimer

militärischer Ziele für offensive militärische Operationen

könne anhand einer Differenzierung zwischen „Beteilig-
ten“ und „Unbeteiligten“ vorgenommen werden.

Oberst Klein ging völkerrechtswidrig davon aus, dass alle

Personen, die sich unmittelbar an den Tanklastern befan-

den und dabei halfen, diese um Benzin zu erleichtern oder

aus dem Schlamm zu befreien, per se als „Beteiligte“ und
damit als legitime militärische Ziele angesehen werden

konnten, während die Personen, die sich in einiger Ent-

fernung von den Tanklastern aufhielten, für ihn „Unbetei-
ligte“ waren, die er deshalb mit der bewussten Auswahl
einer möglichst kleinen Bombe „verschonen“ wollte.1728

Wörtlich sagte er im Ausschuss:

„Ich ging davon aus, dass alle Personen, die sich
zu diesem Zeitpunkt um die Tanklaster befanden,

Teil der Operation der Aufständischen waren, und

alle Personen, die sich im weiteren Umfeld dort

bewegt hatten – das, was andere vielleicht als Zivi-
listen bezeichnen würden -, Unbeteiligte war-

en.“1729 (…)

„Für mich war es wichtig, dass sie [die Bomben]
exakt auf der Sandbank treffen und die Gefähr-

dung aller Personen, die außerhalb dieser Sand-

bank sind, minimiert wird, und dadurch eben die

Tanklastzüge getroffen werden und die sie unmit-

telbar umgebenden Personen.“1730

Ein solches Vorgehen ist durch das Völkerrecht nicht

gedeckt und zudem völlig sachwidrig. Dies wurde sogar

durch den Generalbundesanwalt in seiner Einstellungsver-

fügung festgestellt:
1731

Richtigerweise weist dieser darauf

hin, dass alle Opfer des Bombenabwurfs, soweit es sich

nicht nachgewiesenermaßen um Mitglieder des militä-

risch organisierten und bewaffneten Teils der Taliban

handelt, nach dem humanitären Völkerrecht geschützte

Zivilisten waren, so dass auch Personen, die den Taliban

eventuell geholfen hatten, die Tanklaster aus dem

Schlamm zu befreien, oder die Benzin aus den Tanklas-
1727) Vgl. dazu ausführlich oben unter III./2./g)/aa), Seite 241 ff.
1728) Vgl. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17, 31, 48 und 60.

1729) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.

1730) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 60.
1731) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 60 bis 63, mit vielen weite-

ren Nachweisen.
Drucksache 17/7400 – 266 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tern für sich abgefüllt hatten, keinesfalls legitime Ziele

eines militärischen Angriffs waren.

Der Einsatz militärischer Mittel ist nach dem Konflikt-

völkerrecht eindeutig nicht zur Verfolgung Krimineller,

sondern nur zu militärischen Zwecken zulässig.
1732

Diese fatale völkerrechtliche Fehleinschätzung Oberst

Kleins, dass „Unterstützer“ des Raubes der zivilen Tank-
laster oder solche Personen, die Unterstützung bei der

„Sicherung der Beute“ gewähren, als „Beteiligte“ angese-
hen werden könnten, hat bei diesem zu der irrtümlichen

Annahme geführt, dass diese Personen allesamt legitime

militärische Ziele seien.

Legitime militärische Ziele im Sinne des Konfliktvölker-

rechts sind hingegen nur solche Personen, die sich entwe-

der unmittelbar an Feindseligkeiten gegen ISAF-

Kräfte
1733

beteiligen, oder nachweislich Mitglieder des

militärisch organisierten bewaffneten Teils der Taliban

sind.

Beides war hier bei der überwiegenden Zahl der Personen

auf der Sandbank – allenfalls mit Ausnahme der vier von
dem Informanten benannten sowie Oberst Klein und

Hauptmann N. namentlich bekannten angeblichen Tali-

banführer – nicht gegeben.

Die fehlerhafte Annahme von Oberst Klein, dass sich

Personen allein durch ihre körperliche Anwesenheit in

unmittelbarer Nähe der Tanklaster als legitime militäri-

sche Ziele im Sinne des Konfliktvölkerrechts qualifizieren

würden, dürfte der zentrale Bewertungsfehler sein, der

letztlich zu diesem fatalen Bombenabwurf geführt hat.

Die Unterscheidung zwischen „Beteiligten“ und „Unbe-
teiligten“ kann allenfalls weiterhelfen, wenn es sich um
die Beurteilung einer „unmittelbaren Feindseligkeit“
gegenüber ISAF-Kräften gehandelt hätte. Doch selbst

Oberst Klein erkannte, dass zum Zeitpunkt des Bomben-

abwurfs keine „unmittelbare Feindseligkeit“ im Sinne des
Konfliktvölkerrechts gegeben war, weil er für den Waf-

feneinsatz bewusst eine offensive Einsatzregel (ROE 429)

zugrunde legte.
1734

Da seine Absicht damit eine offensive

war, es ihm also primär um die Tötung von Taliban ging,

war seine Annahme, er könne die Bestimmung legitimer

militärischer Ziele anhand der Differenzierung zwischen

„Unbeteiligten“ und „Beteiligten“ vornehmen, grob feh-
lerhaft und völkerrechtswidrig.

Im Zusammenhang mit diesen festzustellenden Defiziten

des militärischen Führers bei der völkerrechtlichen Be-

wertung der Lage stehen auch die vielen durch Oberst

Klein zu verantwortenden Verstöße gegen die ISAF-

Einsatzregeln („Rules of Engagement“, ROE):
1732) So ausdrücklich der Einstellungsvermerk des Generalbundesan-

walts beim Bundesgerichtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 61 f.

m. w. Nachw.
1733) Und nicht etwa – wie hier – gegen eine rein zivile Infrastruktur,

selbst wenn sich ein solcher Angriff mittelbar auf ISAF-Kräfte

auswirken könnte; vgl. hierzu nur die Einstellungsverfügung des
Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (Fn. 122, Doku-

ment 52), S. 61 mit weiteren Nachweisen.

1734) Vgl. hierzu ausführlich oben unter III./2./g)/aa), Seite 241.

– Die Luftnahunterstützung hätte in dieser Nacht nicht
durch bewusst wahrheitswidrige Erklärung eines

„TIC“ angefordert werden dürfen.

– Es erfolgte in dieser Nacht noch nicht einmal ein
formal eindeutiger Ausschluss der möglichen Betrof-

fenheit eigener oder verbündeter Kräfte durch den

geplanten Waffeneinsatz.

– Oberst Klein und sein JTAC versäumten es, den Waf-
feneinsatz auf eine klare Grundlage zu stellen und die

herangezogene Einsatzregel gegenüber den F15-

Piloten deutlich zu benennen.

– Eine Vielzahl von Vorgaben der dem Waffeneinsatz
zu Grunde gelegten ROE 429 wurde nicht erfüllt.

– Die Waffeneinsatzbefugnis im Rahmen der ROE 429
ist allenfalls auf Kommandeure der Task Force dele-

giert, nicht jedoch auf PRT-Kommandeure, so dass

Oberst Klein den übergeordneten Kommandeur des

RC-North, General Vollmer, hätte beteiligen müssen.

– Oberst Klein hat pflichtwidrig die Einbindung des im
PRT vorhandenen Rechtsberaters unterlassen.

– Die Oberst Klein vorliegenden Informationen einer
einzelnen HUMINT-Quelle reichten allein nicht aus,

um bei einem derart komplexen und schwierigen,

sich andauernd verändernden Zielgebiet eine eindeu-

tige Identifizierung (PID) sämtlicher Personen vor

Ort als legitime militärische Ziele vorzunehmen.

– Darüber hinaus fehlte es sowohl Oberst Klein als
auch dem JTAC an den erforderlichen Kenntnissen

der im Rahmen des offensiven Waffeneinsatzes auf

Grundlage der ROE 429 anzuwendenden Verfahren

der Ziel- und Wirkungsanalyse und es wurde regel-

widrig versäumt, weitere Stellen im Rahmen des Sys-

tems der gegenseitigen Kontrolle und Verantwortung

in die Entscheidung einzubinden.

– Weiterhin hat Oberst Klein pflichtwidrig die Durch-
führung einer „abschreckenden Machtdemonstration“
(„Show of Force“) durch einen tiefen Überflug mit
dem Ziel der Warnung möglicher Zivilisten vor dem

Bombenabwurf verweigert, obwohl er selbst davon

ausgegangen war, dass sich „Unbeteiligte“ in der nä-
heren Umgebung der Sandbank befanden.

– Schließlich hat Oberst Klein pflichtwidrig darauf
verzichtet, unmittelbar nach dem Bombenabwurf eine

angemessene Wirkungsanalyse zu veranlassen. Zu-

mindest durch den Einsatz unbemannter Luftfahrzeu-

ge hätte der Angriffsort überwacht und Bodentruppen

hätten unmittelbar nach Tagesanbruch dorthin verlegt

werden müssen.

All diese Verstöße gegen die ISAF-Einsatzregeln werden

im Mehrheitsvotum entweder überhaupt nicht thematisiert

oder sie werden verharmlosend als „Verfahrensfehler“
bemäntelt und das Handeln Oberst Kleins anschließend

sogar noch als „folgerichtig“ und „vollkommen nachvoll-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 267 – Drucksache 17/7400

ziehbar“ gerechtfertigt.1735 Wie die Mehrheit im Aus-
schuss dazu kommen kann, den Luftschlag wegen dieser

„verschiedenen Verfahrensfehler“ als „nicht angemessen“
zu bezeichnen, während sie gleichzeitig Oberst Klein

wortreich bescheinigt, eigentlich keine Fehler begangen

zu haben, wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben.

Zudem muss festgestellt werden, dass sich die völker-

rechtswidrige Differenzierung zwischen „Beteiligten“ und
„Unbeteiligten“ bei der Feststellung legitimer militäri-
scher Ziele außerhalb unmittelbarer Feindseligkeiten bis

hin in die Bewertung der Ausschussmehrheit fortsetzt,
1736

wodurch die fehlende Auseinandersetzung der Mehrheit

mit den entscheidenden militärischen und völkerrechtli-

chen Fragestellungen erneut offenkundig wird.

Die Entscheidung von Oberst Klein zur Durchführung

dieses Waffeneinsatzes war nicht nur – wie von der
Mehrheit in treuer Gefolgschaft zu den Ausführungen des

Freiherrn zu Guttenberg – irgendwie aufgrund einer Ge-
samtschau von Dokumenten und nur im politischen Sinne

„militärisch unangemessen“, sondern sie ist ohne jeden
Zweifel als schwerer militärischer Fehler zu qualifizie-

ren.

Der Waffeneinsatz war eindeutig – und nicht nur aus
heutiger Sicht in Kenntnis der vielen zivilen Opfer, son-

dern auch aus ex ante-Sicht eines vernünftigen Dritten in

der Rolle von Oberst Klein
1737

– unverhältnismäßig.

Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss sprechen im

Hinblick auf nicht durchgeführte, aber praktikable Auf-

klärungs- und Vorsichtsmaßnahmen vor dem Waffenein-

satz sogar gewichtige Gründe für die Völkerrechtswid-

rigkeit des Angriffs.
1738

Bei der konkreten Durchführung des Waffeneinsatzes

wurde zudem gegen diverse NATO-Einsatzregeln ver-

stoßen oder diese wurden pflichtwidrig nicht ausreichend

beachtet.
1739

Wäre korrekt gehandelt worden, wäre der Luftangriff mit

Sicherheit vermieden worden.

Insofern hat die Beweisaufnahme im Ausschuss auch

erhebliche Hinweise auf zumindest fahrlässig begangene

Dienstpflichtverletzungen erkennbar werden lassen, die

zur Eröffnung eines förmlichen disziplinarischen Ermitt-

lungsverfahrens hätten führen müssen.
1735) So erscheint die Erklärung des „TIC“ für die Ausschussmehrheit

gleichzeitig „folgerichtig“ und „nachvollziehbar“ (S. 204 f. des
Mehrheitsvotums), auch die Ablehnung der „Show of Force“ sei
„folgerichtig“ gewesen (S. 205 des Mehrheitsvotums) und die
verspätete Durchführung des „Battle Damage Assessments“ ist für
die Mehrheit „vollkommen nachvollziehbar“ (S. 205 des Mehr-
heitsvotums). Zu den anderen in der Beweisaufnahme festgestell-

ten Verstößen gegen die ISAF-Einsatzregeln schweigt sich die
Mehrheit einfach aus.

1736) Vgl. etwa S. 178 und S. 179 des Mehrheitsvotums.

1737) Vgl. dazu nur: VN-Jugoslawientribunal, Prosecutor v. Galic,
Judgement, IT-98-29-T vom 5. Dezember 2003, para. 58: „rea-
sonably well-informed person in the circumstances of the actual

perpetrator“; vgl. auch: Ambos, in: NJW 2010, S. 1725, 1727.
1738) Vgl. hierzu ausführlich oben unter IV./1./b)/bb)/bbb)/(2)/(c), Seite

257 ff.

1739) Vgl. hierzu ausführlich oben unter III./2./g), Seite 240 ff.

Hinsichtlich der Unverhältnismäßigkeit des Waffenein-

satzes ergeben sich folgende alternative Szenarien:

– Soweit es Oberst Klein darum gegangen wäre, einer
unmittelbaren Gefahr für die Soldatinnen und Solda-

ten des PRT Kunduz durch die Tanklaster zu begeg-

nen, wäre der Bombenabwurf in der durchgeführten

Form deshalb unverhältnismäßig, weil eine solche

Gefahr objektiv und selbst aus Sicht von Oberst Klein

zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs nicht bestand.

– Selbst wenn man aber eine solche Gefahr unterstellen
wollte oder davon ausginge, dass die Tanklaster viel-

leicht doch noch hätten befreit, später eventuell um-

gebaut und dann als „rollende Bomben“ eingesetzt
werden können, wäre der Bombenabwurf ohne vor-

herige Warnung durch eine „Show of Force“ zumin-
dest nicht zur Beseitigung dieser von den Tanklastern

ausgehenden Gefahr erforderlich gewesen. Die Zer-

störung der Tanklaster wäre nämlich genauso erreicht

worden, wenn zuvor eine „Show of Force“ durchge-
führt und damit Zivilisten, die Oberst Klein sogar

selbst ein wenig abseits der Tanklaster vermutet hat-

te,
1740

vor dem Bombenabwurf gewarnt worden wä-

ren.

– Soweit Ziel des Waffeneinsatzes aus Sicht von
Oberst Klein aber die Tötung von etwa 70 an den

Tanklastern vermuteten „Taliban“ war, hat Oberst
Klein damit jedenfalls gegen die nationale Vorgabe

für deutsche Soldaten
1741

verstoßen, sich keinesfalls

an „Liquidierungen“ von vermuteten Taliban außer-
halb konkreter Selbstverteidigungs- oder Nothilfesi-

tuationen zu beteiligen.

– Weil die Entführung der Tanklaster selbst auch kei-
nen Angriff auf ISAF dargestellt hatte, sondern letz-

tlich „nur“ ein Raub ziviler Tanklaster war, kann hier
auch nicht argumentiert werden, die Personen auf der

Sandbank hätten sich auf der Flucht nach einem un-

mittelbaren Angriff befunden und hätten schon des-

halb getötet werden dürfen.

– Unabhängig davon, dass die vorhandenen Informa-
tionen nicht im Entferntesten ausgereicht haben, um

überhaupt mit der erforderlichen Sicherheit feststel-

len zu können, dass sämtliche der vermuteten 70 Per-

sonen vor Ort tatsächlich Mitglieder des militärisch

organisierten und bewaffneten Teils der Taliban war-

en
1742

und damit überhaupt ein legitimes militärisches

Ziel darstellten, wäre selbst dann, wenn dies festges-

tanden hätte, der Waffeneinsatz aus deutscher Sicht

unverhältnismäßig gewesen, weil die zielgerichtete

Tötung vermuteter Aufständischer als reine Präven-

tivmaßnahme niemals ein angemessenes Mittel zur

Bekämpfung nur vermuteter, unkonkreter zukünftiger

Gefahren darstellen kann.
1740) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.

1741) Vgl. nur: BT-Drs. 16/7794, S. 22; 17/2775, S. 77; 17/2884, S. 10;
17/3008, S. 50; Regierungspressekonferenz vom 28. Juli 2010.

1742) Vgl. zu diesen erheblichen Defiziten der Informationsbeschaffung

und -bewertung oben ausführlich unter: III./2./f., Seite 231.

Drucksache 17/7400 – 268 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur dann kom-

men, wenn man die bisherigen ausdrücklichen Zusagen

der Bundesregierung, dass sich deutsche Soldatinnen und

Soldaten nicht an der Liquidierung Aufständischer außer-

halb konkreter Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituatio-

nen beteiligen, ignorieren und somit einen rein völker-

rechtlichen Maßstab anlegen würde sowie zudem davon

ausginge, dass sämtliche praktikablen Aufklärungs- und

Vorsichtsmaßnahmen tatsächlich auch ergriffen wurden,

woran nach der Beweisaufnahme im Ausschuss erhebli-

che Zweifel bestehen.
1743

Insofern stellt sich die Frage, ob die von der Bundesregie-

rung immer wieder betonte Geltung des Grundsatzes der

Verhältnismäßigkeit bei der militärischen Gewaltanwen-

dung durch deutsche Soldaten und das dadurch bedingte

nationale Verbot der Beteiligung an Liquidierungen von

Personen im Rahmen des ISAF-Targetingprozesses über-

haupt noch Geltung hat oder ob die Bundesregierung sich

inzwischen bewusst von diesen Vorgaben für den Einsatz

deutscher Soldaten im Rahmen der „militärischen Kultur
der Zurückhaltung“1744 entfernt hat, obwohl diese öffent-
lich durch die Bundeskanzlerin nach wie vor beschworen

werden.

Wörtlich erklärte die Bundeskanzlerin beispielsweise

noch am 22. April 2010 im Plenum des Deutschen Bun-

destages:

„Deutschland übt sich auch aufgrund seiner Ge-
schichte nicht nur in Afghanistan in militärischer

Zurückhaltung. Ich sage: Deutschland übt sich

aus gutem Grund in militärischer Zurückhaltung.

Militärische Zurückhaltung und der Einsatz mili-

tärischer Mittel als Ultima Ratio – das ist Staats-
räson der Bundesrepublik Deutschland, und zwar

verbunden mit der politischen Verantwortung, die

wir aufgrund unserer wirtschaftlichen Stärke, un-

serer geografischen Lage im Herzen Europas wie

auch als Mitglied unserer Bündnisse wahrneh-

men.“1745

Wenn aber militärische Zurückhaltung und die Anwen-

dung militärischer Gewalt nur im Lichte des grundgesetz-

lichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
1746

nach Aussage

der Bundeskanzlerin „Staatsräson der Bundesrepublik
Deutschland“ sein sollen, muss die Frage gestellt werden,
warum die Bundesminister der Verteidigung es bis heute

nicht für nötig befunden haben, förmliche disziplinarische

Ermittlungen im Hinblick auf die bewusste offensive

Tötung von etwa 70 vermuteten Taliban außerhalb einer
1743) Vgl. hierzu ausführlich oben unter IV./1./b)/bb)/bbb)/(2)/(c), Seite

257 ff.

1744) Vgl. dazu ausführlich: Stefan Jungbauer, Die Bundeswehr in
Afghanistan – Die innerstaatlichen Restriktionen des deutschen
ISAF-Einsatzes, Hamburg 2010, S. 42 ff., 59 ff., 74 ff.

m. w. Nachw.; Georg Löfflmann, Verteidigung am Hindukusch?,
Hamburg 2008, S. 50 ff. m. w. Nachw.

1745) Dr. Merkel, BT-PlPr. vom 22. April 2010 (Dokument 190),

S. 3477 f. (Hervorhebungen nur hier).
1746) So ausdrücklich die Bundesregierung in: BT-Drs. 16/2380, S. 8;

vgl. auch: Noetzel/Zapfe, Aufstandsbekämpfung als Auftrag,

SWP-Studie S 13, Mai 2008, S. 15 f.; Jungbauer, a.a.O., S. 74 f.

konkreten Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituation

einzuleiten.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Bundesministe-

rium der Verteidigung entgegen den öffentlichen Bekun-

dungen der Bundeskanzlerin eine schleichende Erweite-

rung der offensiven Handlungsmöglichkeiten deutscher

Soldatinnen und Soldaten betreibt.

Dann sollte dies aber auch offen gesagt und darauf ver-

zichtet werden, immer wieder zu betonen, dass sich die

Bundeswehr nicht an der „Liquidierung“ von Aufständi-
schen beteiligt.

1747
Sollte es wirklich der Fall sein, dass die Bundesregierung

das ISAF-Mandat des Bundestages für die Bundeswehr

entgegen der bisher kommunizierten Auslegung nunmehr

so verstehen will, dass sich die Bundeswehr auch ver-

stärkt an gezielten offensiven Vernichtungsangriffen ge-

genüber vermuteten Taliban außerhalb konkreter Selbst-

verteidigungs- oder Nothilfesituationen im Sinne einer

präventiven „Liquidierung“ beteiligen will, muss dies bei
zukünftigen Entscheidungen des Deutschen Bundestages

über Mandate für die Bundeswehr Berücksichtigung fin-

den.

Sollte dies jedoch nicht die Absicht der Bundesregierung

sein, sondern fühlt diese sich an die öffentlichen Deklara-

tionen der „Staatsräson“ einer „militärischen Zurückhal-
tung“ durch die Bundeskanzlerin nach wie vor gebunden,
so ist die Bundesregierung der Öffentlichkeit und dem

Parlament eine Antwort auf die Frage schuldig, warum

die offensive Vorgehensweise von Oberst Klein in dieser

Nacht nach wie vor belobigt
1748

und sachliche Kritik an

seinem Verhalten als „nachgerade ehrverletzend“1749
gegeißelt wird sowie keinerlei Konsequenzen aus seinen

offenkundig fehlerhaften völkerrechtlichen Bewertungen

und militärischen Entscheidungen gezogen werden.

VI. Fehler und Versäumnisse in der Amtszeit
des Verteidigungsministers Dr. Jung

Nach der umfassenden Darstellung und Bewertung des

Luftangriffs selbst bedarf es im Folgenden der Aufarbei-

tung der schweren Fehler und Versäumnisse im Umgang

mit diesem Luftangriff im Bereich von Bundeswehr und

Bundesministeriums der Verteidigung, zunächst unter

Verantwortung des damaligen Ministers Dr. Jung, also

bis zum Eingang des COM ISAF-Berichts in Deutschland

am 26. Oktober 2009.

Dabei hat die Beweisaufnahme gezeigt, dass zu dem un-

bestreitbar nicht angemessenen Umgang mit dem Luft-

angriff von Kunduz, insbesondere zu dem tagelangen

starren Verharren auf der Position, es gebe keine zivilen
1747) So ausdrücklich die Bundesregierung in: BT-Drs. 16/7794, S. 22.

1748) Die von Freiherr zu Guttenberg abgekupferte und in das Mehr-
heitsvotum mindestens viermal hineinkopierte Standardformulie-

rung lautet: „...dass Oberst Klein zweifellos nach bestem Wissen
und Gewissen sowie zum Schutze seiner Soldaten gehandelt hat.“,
vgl. Mehrheitsvotum S. 81, 97, 128, 150.

1749) So die Ausschussmehrheit auf S. 207 ihres denkwürdigen Vo-

tums.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 269 – Drucksache 17/7400

Opfer, neben einer Reihe struktureller Defizite im Bun-

desministerium der Verteidigung (1.) auch persönliche

Fehler des damaligen Bundesministers für Verteidigung,

Dr. Jung (2.) beigetragen haben. Darüber hinaus musste

eine Vielzahl von Verschleierungsversuchen auf den

verschiedensten Ebenen – beginnend im PRT Kunduz,
über Mazar-e Sharif und Potsdam bis ins Ministerium

selbst – gegenüber Öffentlichkeit und Parlament festges-
tellt werden (3.), die der damalige Minister Dr. Jung

ebenfalls politisch zu verantworten hatte.

1. Strukturelle Defizite im BMVg beim Um-
gang mit derartigen Vorfällen

Es traten in der Beweisaufnahme erhebliche strukturelle

Probleme im Umgang des Verteidigungsministeriums mit

Vorfällen solcher Tragweite zu Tage. Beim Krisenmana-

gement wurden sowohl Mängel in der internen Koordina-

tion als auch in der Kommunikation nach außen festges-

tellt. Im Hinblick auf die hohe und tendenziell wachsende

Belastung der Bundeswehr durch Auslandseinsätze ist es

dringend geboten, in diesem Bereich endlich nachhaltig

für Abhilfe zu sorgen.

a) Öffentlichkeitsarbeit im Blindflug: Allein-
gang des Pressestabes ohne jede Koordi-
nierung

In der Beweisaufnahme wurde vor allem deutlich, dass es

keinerlei systematische Koordinierung der Pressearbeit

mit den militärischen Fachabteilungen gibt. Dieser Man-

gel hatte zentrale Bedeutung für die desaströse Kommu-

nikation des Verteidigungsministeriums zum Luftangriff

von Kunduz, weil es so dem Pressestab ermöglicht wurde,

die Richtung quasi im Alleingang zu bestimmen.

Der Pressestab unterstand als Teil des Leitungsstabes

direkt dem Verteidigungsminister und bestimmte in Ab-

sprache mit dem Minister die Kommunikation gegenüber

der Presse. Dabei war er nicht gezwungen, seine Stel-

lungnahmen mit den militärischen Fachabteilungen oder

dem Generalinspekteur abzustimmen.

In der Folge verselbständigte sich die Pressearbeit in der

Amtszeit des Ministers Dr. Jung weitgehend. Dies führte

dazu, dass die Erstmeldung vom 4. September 2009 vom

Pressestab diktiert wurde. Damit wurde die öffentliche

Kommunikation von Anfang an auf ein falsches Gleis

gesetzt: Leugnung möglicher ziviler Opfer und Ver-

schleierung eines möglichen Fehlverhaltens des deutschen

Kommandeurs. Selbst der bestens zur Bewertung der

Informationen aus dem Einsatzgebiet befähigte Leiter des

Einsatzführungskommandos, General Glatz, wurde bei

der Festlegung dieser verbindlichen „Presselinie“ nicht
einbezogen, er hatte ihr zu folgen.

1750
In den folgenden Tagen erschwerte der Pressestab durch

das eigenwillige Bemühen um „eigene“ Informationen
aus „erster Hand“ die Sachaufklärung.1751 Ohne Prüfung
1750) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil I, S. 75, 84.

1751) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5 f.;Nr. 31, Teil I, S. 80.

durch die Fachabteilungen wurden immer wieder Aussa-

gen verbreitet, die sich im Nachhinein als lückenhaft oder

sogar falsch erwiesen (Chronologie, „dritte Quelle“ usw.).

Dies zwang das Ministerium immer wieder zu nachträgli-

chen Kurskorrekturen, die – wenn überhaupt – nur zöger-
lich erfolgten, um die Glaubwürdigkeit des Pressestabes

und der Bundeswehr als Ganzes möglichst wenig zu er-

schüttern.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es in der Amtszeit

von Bundesminister Dr. Jung zum Normalfall wurde,

dass die Meldungen auf dem Pressestrang denjenigen auf

dem operativen Strang vorauseilten.
1752

Es entsteht der

Eindruck, dass der Pressestab ein Eigenleben entwickelte

und eine zentrale Rolle bei der Bestimmung der öffentlich

vertretenen Positionen und damit der Politik des Bundes-

ministers der Verteidigung spielte.

Während es in der Zeit vor Minister Dr. Jung üblich war,

dass der Generalinspekteur um die Teilnahme an Presse-

konferenzen gebeten wurde, um bei diffizilen Fragen mit

militärischem Sachverstand zu helfen, wurde dies in der

Amtszeit Dr. Jungs zur Ausnahme. Die Zeugen Schnei-

derhan und Dr. Wichert berichteten übereinstimmend,

dass Pressesprecher Dr. Raabe seine öffentlichen Stel-

lungnahmen überwiegend in eigener Regie abgab und sie

nur ausnahmsweise vorher konsultierte.
1753

In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich festzustellen,

dass es ohne jeden Zweifel die Aufgabe des Pressespre-

chers gewesen wäre, sich in den Fachabteilungen des

Hauses – gegebenenfalls beim Generalinspekteur oder
Staatssekretär selbst und nicht irgendwo sonst in der Welt

ungeprüft und ohne fachgerechte Bewertung – die zur
Unterrichtung der Presse nötigen Informationen zu be-

schaffen.

Generalinspekteur Schneiderhan erklärte, dass er jederzeit

zur Unterstützung bereit gewesen wäre, aber der Presse-

sprecher sich gerade im Zusammenhang mit Kunduz

niemals mit ihm in Verbindung gesetzt habe, um seinen

Informationsstand abzufragen oder eine gemeinsame

Sprachregelung zu definieren.
1754

Die katastrophalen

Mängel in der öffentlichen Kommunikation gehen damit

eindeutig auf das eigenmächtige Vorgehen des Presse-

sprechers zurück.

Darüber hinaus wurde in der Beweisaufnahme deutlich,

dass sich die Koordinationsmängel in der öffentlichen

Kommunikation nicht auf die Ministeriumsebene be-

schränkten. Militärische Einheiten bis hinunter zum PRT

Kunduz haben eigene Pressezentren, die ohne zentrale

Abstimmung Meldungen in eigener Verantwortung he-

rausgeben. Dies führte im Falle des Luftangriffs von

Kunduz dazu, dass die Erstmeldung zunächst mit dem
1752) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 2-3, 6-7.
1753) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 12-14; Wichert, Proto-

koll-Nr. 31, Teil I, S. 80.

1754) Vgl. etwa: Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5 f.

Drucksache 17/7400 – 270 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Kopf des „PRT Feyzabad“ erging, ohne dass dieser Um-
stand zur Hinterfragung der Quelle geführt hätte.

1755
Zudem ist festzustellen, dass die Erstmeldung auf der

Homepage des Einsatzführungskommandos in der Zeit

vom 4. bis zum 6. September 2009 unverändert blieb,

während sie auf der zentralen Homepage der Bundeswehr

mehrmals angepasst wurde.
1756

Es bedarf einer systematischen Koordination der Presse-

arbeit mit den militärischen Fachabteilungen, um zu ver-

hindern, dass es in Zukunft zu einem ähnlichen Kommu-

nikationsdesaster kommen kann. Fehler lassen sich damit

zwar nicht definitiv ausschließen, aber Schnellschüsse

wie die Erstmeldung vom 4. September würden sehr

wahrscheinlich unterbunden. Ebenso ist eine zentrale

Koordination der Pressearbeit der unterschiedlichen Stäbe

erforderlich, um eine kohärente Kommunikation gegenü-

ber der Öffentlichkeit sicherzustellen.

Bemerkenswert ist, dass der Sprecher Streitkräftebasis

inzwischen bereits in seinem selbstkritischen Bericht an

den Pressestab vom 7. Oktober 2009 empfahl, dass in

Zukunft bei solchen Vorfällen „Genauigkeit vor Schnel-
ligkeit“ im Umgang mit den Medien gelten müsse.1757
Kapitän zur See Dienst, der damals für die desaströse

Öffentlichkeitsarbeit mitverantwortlich war, wischte diese

Kritik jedoch in einer handschriftlichen Randbemerkung

beiseite und gelangte zu dem Schluss, man habe nichts

besser machen können.

Ebenso wenig wurde der oben festgestellte Handlungsbe-

darf zur Koordination der Pressearbeit erkannt. De-

mentsprechend bestehen die Strukturprobleme im Bereich

der Pressearbeit bis heute fort. Ob sie – wie von der Aus-
schussmehrheit insinuiert – im Zuge der Bundeswehrre-
form tatsächlich angegangen werden, bleibt abzuwarten.

b) Mängel im Bereich der „Unternehmenskul-
tur“

Neben diesen strukturellen Defiziten im Bereich der Öf-

fentlichkeitsarbeit ergaben sich im Zuge der Beweisauf-

nahme auch Hinweise auf Mängel im Bereich der „Unter-
nehmenskultur“: Obwohl zahlreiche hochrangige Militärs
(Vollmer, Glatz, Krause, Dora, Schneiderhan) der urs-

prünglichen Presselinie angeblich skeptisch gegenübers-

tanden und ihnen ab dem Nachmittag des 4. September

2009 sogar substanzielle Hinweise auf zivile Opfer aus

dem Einsatzgebiet vorlagen, ging keiner von Ihnen offen

dagegen vor.

Keiner von Ihnen regte nachhaltig gegenüber Bundesmi-

nister Dr. Jung oder Pressesprecher Dr. Raabe eine Kurs-

korrektur an bzw. forderte Vorgesetzte dazu auf, eine

offene Aussprache anzustreben. Die Kritik wurde viel-

mehr verklausuliert, als punktuelle, teilweise hypotheti-

sche, Bedenken und mit Anregungen für partielle Kurs-

korrekturen vorgetragen. Auf diese Weise fiel es dem
1755) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 3.

1756) Mat. 17-21a, Ordn. 1 (Dokument 100, Dokument 101), S. 14 f.

1757) Mat. 17-21a, Presse-/Info-Stab, Ordn. 2, S. 27-31.

Minister und seinem Pressesprecher leichter, diese zu

ignorieren.

Hier ist der heutige Bundesminister der Verteidigung in

der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um den Prinzipien

der „Inneren Führung“ wieder mehr Geltung zu verschaf-
fen. Insbesondere geht es darum, „Zivilcourage“ im Um-
gang mit Vorgesetzten zu befördern.

c) Strukturelle Mängel beim Umgang mit den
entscheidenden Informationen im Ministe-
rium

Die Ausschussmehrheit misst einer am 30. März 2010

von Staatssekretär Wolf abgeschlossenen Untersuchung

der Informationspraxis des BMVg im Zusammenhang mit

dem Luftangriff große Bedeutung bei, nach der keine

wesentlichen Mängel festzustellen seien.
1758

Dem weitreichenden Anspruch des Auftraggebers dieser

Untersuchung, Freiherr zu Guttenberg, neben dem inter-

nen Informationsfluss auch die Information von Öffent-

lichkeit und Parlament zu untersuchen, wird dieser Be-

richt hingegen nicht gerecht. Die Untersuchung hat wenig

Substanz. Sie beschränkt sich darauf, die Weitergabe von

elf Dokumenten innerhalb des Verteidigungsministeriums

nachzuvollziehen.
1759

Eine inhaltliche Analyse, wie diese

Dokumente ausgewertet und welche Bewertungen über

die verschiedenen Hierarchieebenen hinweg weitergege-

ben wurden, wird gar nicht erst versucht. Dabei würde

erst eine solche inhaltliche Analyse eine Grundlage bil-

den, auf der man feststellen könnte, wo die einzelnen

Fehlbewertungen ihren Ursprung genommen haben und

wie sich damit die Verantwortung für das katastrophale

Krisenmanagement innerhalb des Ministeriums verteilt.

Die weitreichende Schlussfolgerung der Mehrheit, dass

allein Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär

Dr. Wichert für alle Kommunikationsfehler und Ver-

säumnisse verantwortlich seien, weil bei Ihnen zumindest

alle Dokumente eingegangen seien, wird durch den Be-

richt jedenfalls nicht einmal entfernt fundiert.

Und auch Dr. Jung selbst widersprach dezidiert dem

Bemühen der Ausschussmehrheit, die Verantwortung für

Fehler auf Schneiderhan und Dr. Wichert abzuwälzen.
1760

2. Persönliches Fehlverhalten des damaligen
Bundesministers der Verteidigung
Dr. Jung

Schon nach den ersten Meldungen über mehr als 50 Tote

war offensichtlich, dass es sich um den folgenreichsten

deutschen Luftangriff seit Bestehen der Bundeswehr

handelte. Dennoch hielt der damalige Verteidigungsmi-

nister Dr. Jung es nicht für erforderlich, sich mit voller

Kraft persönlich um Aufklärung und die öffentliche

Kommunikation zu diesem Vorfall zu kümmern.
1758) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 179 ff., 180.

1759) Mat. 17-65.

1760) Vgl. etwa: Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 9.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 271 – Drucksache 17/7400

a) Der Wahlkampf hatte Priorität

Vorrang hatten in diesen Tagen für Dr. Jung Wahlkampf-

termine, unter anderem am 5. September in seiner hessi-

schen Heimat. Eine entsprechende Reise unterbrach er

nicht, als er von den Ereignissen in Kunduz erfuhr.
1761

Auch der Pressesprecher des Verteidigungsministeriums,

der ihn auf der Wahlkampfreise begleitete, sah keinen

Anlass, die Reise zu unterbrechen.
1762

Dies trug entscheidend dazu bei, dass über mehrere Tage

hinweg zivile Opfer als Folge des Luftschlages katego-

risch ausgeschlossen wurden, obwohl die öffentlichen

Verlautbarungen von Seiten der NATO von Beginn an in

die entgegengesetzte Richtung wiesen.

Die erste Meldung im Internet kam am 4. September 2009

um 6.42 Uhr ohne Abstimmung mit dem Verteidigungs-

minister zustande:

„56 Aufständische wurden getötet, Zivilpersonen
kamen nicht zu Schaden. Deutsche Kräfte ver-

zeichneten keine Schäden.“1763

Diese vorgegebene Kommunikationslinie wurde in der

Bundespressekonferenz am 4. September 2009 bestätigt.

Eine im Gegensatz hierzu sehr zurückhaltende und von

Staatssekretär Dr. Wichert verantwortete Vorlage für die

Obleute-Unterrichtung, welche eine Grundlage für die

Stellungnahme des Pressesprechers hätte bilden können,

war zu diesem Zeitpunkt noch nicht von Dr. Jung gebil-

ligt worden.
1764

Damit befand sich das Verteidigungsministerium seit dem

Mittag in einer defensiven, ja eigentlich unhaltbaren Posi-

tion, die in den folgenden Tagen schrittweise aufgeben

bzw. an die in der Presse bekannt gewordenen Umstände

angepasst wurde.

In dieser entscheidenden Phase hat es der damalige Ver-

teidigungsminister Dr. Jung also pflichtwidrig unterlas-

sen, aktiv die Führung beim Umgang mit der folgenreich-

sten militärischen Operation der Bundeswehr in Afghanis-

tan zu übernehmen. Stattdessen setzte er seine Wahl-

kampftermine unverändert fort.

b) Bedenken innerhalb des Ministeriums und
von der Bundeskanzlerin wurden ignoriert

Vorzuwerfen ist Dr. Jung weiterhin, dass er frühzeitige

Bedenken gegen die pauschale Leugnung ziviler Opfer

und möglichen Fehlverhaltens seitens der Bundeswehr,
1761) Mat. 17-27a, Ordn. Terminkalender, BM Dr. Jung, Bl. 1.

1762) Pressesprecher Dr. Raabe erklärte in diesem Zusammenhang,
dass er Dr. Jung in der Zeit vom 4. bis 6. September 2009 zwar

auf der Wahlkampfreise begleitet habe, als Mitarbeiter des BMVg

selber jedoch keinen Wahlkampf betrieben habe oder an dessen
Planung beteiligt gewesen sei. Die zeitliche Überschneidung mit

dem Wahlkampf sei allen Mitarbeitern des Pressestabes auch oh-

ne Anweisungen seinerseits bewusst gewesen, Dr. Raabe, Proto-
koll-Nr. 29, Teil I, S. 30 f.

1763) Mat. 17-21a, Ordn. 1 (Dokument 100), Bl. 16.

1764) Vgl. Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 42.

die innerhalb des Ministeriums und durch die Bundes-

kanzlerin erhoben worden sind, einfach rigoros ignorierte.

Bereits am 4. September 2009 rieten die Zeugen

Dr. Schlie, Schneiderhan und Ramms dazu, sich in dieser

Frage zurückhaltender zu äußern und dabei Rücksicht auf

die Verlautbarungen der NATO zu nehmen.

Schon der Sprechzettel für den Regierungssprecher zur

Bundespressekonferenz am 4. September, der dem BMVg

vorlag, formulierte vorsichtig:

„Ob und wie viele Unbeteiligte dabei zu Schaden
gekommen sind, wird derzeit untersucht.“1765

Dieser Sprechzettel kam jedoch nicht zum Tragen, weil

die Bundeskanzlerin den Regierungssprecher darum gebe-

ten hatte, sich bei diesem Vorgang zurückzuhalten. Die

Sprachregelung wurde deshalb nicht vorgetragen, sondern

die öffentliche Stellungnahme allein dem Sprecher des

Verteidigungsministeriums überlassen.

Auch die von Staatssekretär Dr. Wichert gebilligte schrift-

liche Obleute-Unterrichtung vom 4. September 2009

enthielt keine Hinweise darauf, dass Zivilisten nicht be-

troffen sein können, sondern ist völlig ergebnisoffen for-

muliert.
1766

Auch dies hielt Dr. Jung und seinen Presse-

sprecher nicht davon ab, die Betroffenheit von Zivilisten

trotzdem auszuschließen.

Nachdem er im Gespräch mit Staatssekretär Dr. Wichert

zu der Auffassung gelangt war, dass die ursprüngliche

Presselinie auf schwacher Grundlage stand, verfasste auch

der Leiter des Planungsstabes, Dr. Schlie, eine Sprech-

empfehlung, über deren Tenor er den damaligen Bundes-

minister Dr. Jung gegen 14 Uhr noch am 4. September

2009 zusätzlich per SMS unterrichtete.

Wörtlich hat der Zeuge Dr. Schlie dazu im Ausschuss

ausgeführt:

„Ich hatte von Anfang an Zweifel, dass die Be-
hauptung, es könne ausgeschlossen werden, dass

bei dem Luftschlag auch Zivilisten ums Leben ge-

kommen seien, zutreffend sei. Ich habe dies daher

zusätzlich um 14 Uhr Bundesminister Jung per

SMS (…) mitgeteilt.“1767 (…)

Selbst diese konkreten Bedenken von Dr. Schlie wurden

durch den Minister und seinen Pressesprecher ignoriert.

Generalinspekteur Schneiderhan stellte im Ausschuss dar,

dass er der Erstmeldung gegenüber extrem skeptisch

gewesen sei und dies auch in den ersten Telefonaten mit

dem Minister am 4. September 2009 zum Ausdruck ge-

bracht habe. Er habe dem Minister aufgrund der ungesi-

cherten Informationslage geraten, beim Umgang mit Zah-

len, Fakten und Vermutungen bzw. Bewertungen zurück-

haltend zu sein.
1768
1765) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 29.

1766) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 24 ff.
1767) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19; vgl. auch Protokoll-

Nr. 27, Teil I, S. 18.

1768) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 6.
Drucksache 17/7400 – 272 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bereits zuvor hatte er seine Vorbehalte im Ministerium

selbst anhängig gemacht. Auf eine Intervention seines

Adjutanten hin, der im Rahmen der morgendlichen Lei-

tungslage auf die anderslautenden Stellungnahmen der

NATO verwies, veränderte sich die Diktion der Stellung-

nahme im Internet. Statt von Zivilisten war nun davon die

Rede, dass vermutlich keine „Unbeteiligten“ zu Schaden
gekommen seien.

1769
Ebenfalls noch am 4. September 2009 erklärte General

Ramms gegenüber dem Leiter des Einsatzführungsstabes,

Konteradmiral Krause, und dem stellvertretenden Gene-

ralinspekteur, Generalleutnant Dora, telefonisch, dass

zivile Opfer nach seiner Auffassung nicht auszuschließen

seien, unter anderem weil ihm Meldungen über Verletzte

im Alter von zehn bis 14 Jahren aus dem Krankenhaus

Kunduz vorlägen.
1770

Obwohl General Ramms als

deutscher Offizier der Vorgesetzte des COM ISAF war,

hinterließ seine Warnung keine Wirkung in der Spitze des

Bundesministeriums der Verteidigung.

Selbst die Bundeskanzlerin führte nach ihren Angaben am

5. September 2009 ein Telefongespräch mit Verteidi-

gungsminister Dr. Jung, um ihn zu einer zurückhaltend-

eren Formulierung in Bezug auf die Möglichkeit ziviler

Opfer zu bewegen. Dabei habe sie ihn dazu gedrängt,

seine bisherige Linie zu korrigieren, weil es bereits ernste

Hinweise auf mögliche zivile Opfer gäbe, u. a. die kriti-

schen Aussagen des ISAF-Kommandeurs vom gleichen

Tage. Sie habe ihn darum gebeten, in seinen Stellung-

nahmen sämtliche Informationen – auch über den Besuch
des ISAF-Kommandeurs in Kunduz und dessen Äußerun-

gen – zu berücksichtigen.

Dr. Jung erklärte hingegen im Ausschuss auf konkrete

Nachfrage, dass er erst am 6. September 2009 bei einer

Wahlkampfveranstaltung in Düsseldorf das erste Mal mit

der Bundeskanzlerin über den Luftangriff gesprochen

habe. Dort sei man sich „einig“ gewesen, dass zivile Op-
fer nicht mehr auszuschließen seien.

1771

Der Ausschuss konnte nicht klären, welche Darstellung

letztlich zutrifft. Es spricht jedoch vieles dafür, dass das

Telefonat bereits am 5. September stattgefunden hat und

dass Dr. Jung dieses Gespräch im Ausschuss nur deshalb

verschwieg, weil seine offensichtlichen Fehlentscheidun-

gen und die politische Verantwortung für das völlige

Kommunikationsdesaster in der ersten Woche nach dem

Luftangriff damit noch deutlicher zu Tage getreten wä-

re.
1772

Eine gleichgerichtete Intervention von Regierungsspre-

cher Wilhelm bei Dr. Raabe blieb ebenfalls ohne erkenn-

bare Wirkung.
1773
1769) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 5 f.

1770) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 6.

1771) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 32, 4.
1772) Bemerkenswert ist, dass sich die Ausschussmehrheit in dieser

Frage einer eindeutigen Bewertung enthält und damit offenlässt,

ob die Bundeskanzlerin eventuell gegenüber dem Ausschuss hin-
sichtlich des zusätzlichen Gesprächs mit Dr. Jung am 5. Septem-

ber 2009 die Unwahrheit gesagt hat; vgl. Mehrheitsvotum, S. 199.

1773) Vgl. Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35 f.

c) Abweichende öffentliche Stellungnahme
des damaligen Bundesministers des Äuße-
ren

Schon am Nachmittag des 4. September 2009, also noch

am Tage des Bombenabwurfs, setze sich der damalige

Bundesminister des Äußeren, Dr. Frank-Walter Stein-

meier, von den Verlautbarungen des BMVg ab. Im Hinb-

lick auf die laufenden Untersuchungen formulierte er

ergebnisoffen:

„Derzeit wird untersucht, wie viele Opfer es gege-
ben hat und ob unschuldige Zivilisten darunter

waren.“1774

Mit seiner Formulierung „unschuldige Zivilisten“ reagier-
te er auf die inzwischen vom Verteidigungsministerium

gewählte Formulierung, dass keine „Unbeteiligten“ getö-
tet worden seien.

Zu dieser vorsichtigeren Positionierung dürften neben den

Informationen über die Stellungnahme des NATO-

Generalsekretärs auch ein Bericht aus Kunduz beigetra-

gen haben: Der zivile Leiter des PRT, der Zeuge D., hatte

das Auswärtige Amt am 4. September gegen 15.30 Uhr

über den Bericht des PsyOps-Teams des PRT Kunduz

unterrichtet, wonach allein aus einem einzigen Dorf 14

Zivilpersonen getötet und vier schwer verletzt worden

seien, die von Aufständischen dazu gezwungen worden

seien, in der Nacht zu den Tanklastern zu kommen.
1775

Anders als im Verteidigungsministerium, dem diese In-

formationen aus dem militärischen Bereich des PRT

Kunduz naturgemäß ebenfalls zur Verfügung standen,

wurde dieser erste Hinweis auf zivile Opfer im Auswärti-

gen Amt in seiner Bedeutung erkannt, was zu der zurück-

haltenden Positionierung des Außenministers führte.

Über den Diskussionsstand im Rahmen der NATO hielt

das Auswärtige Amt das Bundesverteidigungsministerium

ständig auf dem Laufenden.
1776

Mitarbeiter des AA wie-

sen bereits am 4. September 2009 auf die Kritik des

NATO-Sprechers an der Linie des Verteidigungsministe-

riums und den Widersprüchen zu den Äußerungen des

NATO-Generalsekretärs hin.
1777

Der Vorwurf der Mehrheit, der Außenminister habe sich

in der Angelegenheit nicht angemessen engagiert sowie

sich um seine Verantwortung „gedrückt“1778 und es seien
von ihm „keinerlei nennenswerte Beiträge (…) zur Beru-
higung der Lage bekannt“,1779 ist schwer nachzuvollzie-
hen:

In der Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit hat

Dr. Steinmeier bereits am 4. September 2009 als erstes

Kabinettsmitglied überhaupt die richtigen Akzente gesetzt

und zivile Opfer – im Gegensatz zu Dr. Jung und seinem
Pressestab – gerade nicht ausgeschlossen.
1774) dpa-Tickermeldung vom 4. September 2009, 16.51 Uhr.

1775) Be., Protokoll-Nr. 39, S. 31.

1776) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 211-27.
1777) Mat. 17-29a, Ordn. Büro AL 2 (Dokument 125), S. 18.

1778) Mehrheitsbewertung, S. 184.

1779) Mehrheitsbewertung, S. 201.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 273 – Drucksache 17/7400

Die Beweisaufnahme hat darüber hinaus ergeben, dass der

Außenminister in den Bereichen, in welchen er Verant-

wortung trug, unverzüglich gehandelt hat. So suchte er

den Kontakt zu Amtskollegen bzw. ließ das Auswärtige

Amt im Wege verschiedener Demarchen aktiv werden. Er

wies gegenüber EU-Partnern und NATO-Verbündeten auf

die ungesicherte Informationslage zu Opfern hin und riet

dazu, die Ergebnisse der NATO-Untersuchung abzuwar-

ten und auf schnelle Vorverurteilungen zu verzichten. Da

die ausländischen Stellungnahmen im Anschluss daran

einen sachlicheren Ton annahmen, ist festzustellen, dass

der Außenminister in seinem Aufgabenbereich einen

effektiven Beitrag zum Krisenmanagement der Bundesre-

gierung geleistet hat.

Bemerkenswert ist dabei, dass die Bundeskanzlerin – in
Widerspruch zum Votum der Mehrheit im Ausschuss –
die vielen Aktivitäten des damaligen Bundesaußenminis-

ters in der Sache ausdrücklich lobte. Wörtlich erklärte die

Bundeskanzlerin dazu im Ausschuss, während die Ab-

geordneten der Koalition offensichtlich zeitweilig den

Saal verlassen haben müssen:

„Aber ich habe ja über das gesamte Wochenende
von Freitag an verfolgt, was auch der Bundesau-

ßenminister zu diesem Sachverhalt gesagt hat. Und

ich kann mich an die Agenturmeldung erinnern,

dass er genauso – (…) - eingefordert hat, dass
man keine Vorverurteilungen ausspricht.

Ich konnte also praktisch über die öffentlichen Äu-

ßerungen von Herrn Steinmeier sehen, dass all

das, was ja auch sozusagen regierungsgerechtes

Handeln ist - - dass man sich für eine Aufklärung

einsetzt, dass man Vorverurteilungen vermeidet,

dass hier niemand sofort in einer bestimmten Wei-

se verdächtigt wird. All das hat stattgefunden.

Insofern gab es keinerlei Anlass, weil es öffentli-

che Äußerungen des Vizekanzlers gab, die mich

dazu bewogen hätten, zu sagen: Jetzt muss ich an-

rufen und in irgendeiner Weise einschreiten. - Das

war der normale Gleichklang von Kollegen, die in

einem Kabinett zusammenarbeiten.

Und genau das hat sich dann auch in den Debat-

tenbeiträgen zu der Regierungserklärung ja ge-

zeigt. Wir haben da wirklich an einem Strang ge-

zogen, und das auch noch in eine Richtung. (…)

Ich habe gesehen, dass der Außenminister sich ge-

äußert hat, dass die Dinge aufgeklärt werden müs-

sen, dass er auch sich Vorverurteilungen verbeten

hat. (…) Und dann ist nach meiner Erinnerung ja
später auch vom Außenministerium noch mal de-

marchiert worden, auch in verschiedenen Haupt-

städten (…) Also, ich habe keine Veranlassung ge-
sehen, in irgendeiner Weise Kritik am Bundes-

außenminister in diesen Tagen zu üben (…).

Ich hatte auch den Eindruck, dass der Außenminis-

ter die Tragweite des Vorgangs in vollem Maße er-

fasst hat, und ich hatte weiterhin den Eindruck,

dass er es nicht benutzt hat, um gegen CDU-Teile,

sage ich jetzt mal, der Regierung das polemisch

auszunutzen, und das ist innerhalb eines Wahl-

kampfes schon eine vernünftige Grundlage.“1780

d) Mögliche Beweggründe für die Haltung
von Bundesminister Dr. Jung

Den öffentlichen Stellungnahmen von Verteidigungsmi-

nister Dr. Jung lag hingegen in erster Linie das Bestreben

zugrunde, das Verhalten von Oberst Klein um jeden Preis

zu rechtfertigen, obwohl ihm noch gar nicht alle Fakten

bekannt waren:

„Deshalb halte ich es auch für richtig, dass wir in
einer solch schwierigen Situation unseren Oberst,

der die Entscheidung getroffen hat, nicht allein

stehen lassen, wenn voreilig von schweren Fehlern

gesprochen wird.“1781

Auch Dr. Raabe bestätigte im Ausschuss, dass Oberst

Klein persönlich vor Angriffen geschützt werden sollte:

„Ich glaube, dass es unsere Aufgabe als Ministe-
rium war, eine Person, die exponiert war in dem

Moment, vor ungerechtfertigten, unbewiesenen

Vorwürfen zu schützen; denn am 04.09. mittags

kann unmöglich ein Außenminister in Stockholm

bereits ein Urteil fällen über das Vorgehen eines

deutschen Oberst. Das empfand ich als zutiefst un-

gerecht.“1782

Man kann dahinter das verständliche Bemühen sehen, die

Moral der Truppe nicht durch Zweifel am Handeln eines

Einzelnen zu untergraben.

Das Problem dabei ist jedoch, dass Dres. Jung und Raabe

denselben Fehler machten, den sie anderen vorwarfen,

nämlich abschließende Bewertungen vorzunehmen, bevor

die Fakten überhaupt aufgeklärt waren. Dieses Vorgehen

ist nicht nur politisch ungelenk, sondern es widerspricht

dem Grundsatz verantwortlichen und ordnungsgemäßen

Regierungshandelns, weil Sicherheiten vorgespiegelt

wurden, die es so gar nicht gab. Dadurch wurde die sach-

gerechte Aufklärung der Fakten fast unmöglich gemacht,

weil man hinter die eigenen vollmundigen Behauptungen

später kaum mehr zurückfallen konnte.

Hinzu kam sicherlich, dass sich die militärischen Ausei-

nandersetzungen in den vorangegangen Monaten verstärkt

hatten und der Luftangriff zu einer Zeit erfolgte, als durch

die nahenden Bundestagswahlen ohnehin in Deutschland

eine öffentliche Debatte über die Dauer des deutschen

Engagements und die Bedingungen für die Beendigung

des ISAF-Einsatzes im Gange war. Insofern liegt die

Annahme sehr nahe, dass Bundesminister Dr. Jung in

dieser Situation jegliche Diskussionen über einen unver-

hältnismäßigen Einsatz militärischer Gewalt durch die

Bundeswehr vermeiden wollte.
1780) Vgl. etwa: Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, S. 44 f.

1781) Dr. Jung, BT-PlPr. 16/233 (Fn. 7, Dokument 6), S. 26305.

1782) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 10; Teil I, S. 7.
Drucksache 17/7400 – 274 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Es ist jedoch noch ein weiteres Motiv für die pauschale

Leugnung ziviler Opfer zu erkennen: Die kategorischen

Stellungnahmen dienten auch dem Zweck, Entschädi-

gungsansprüche möglichst im Keim zu ersticken.

Presse-

sprecher Dr. Raabe erklärte gegenüber dem Ausschuss

auf Nachfragen, dass er nicht dazu bereit gewesen sei,

zivile Opfer zuzugeben, solange keine „solidierten Be-
weise“1783 auf dem Tisch lagen, weil dies Rechtsfolgen
wie die Anerkennung von Entschädigungsansprüchen

nach sich gezogen hätte.
1784

Er verstieg sich sogar zu der

zynischen Bewertung, die konsolidierten Hinweise auf

einen verletzten 10-jährigen Jungen seien nicht einschlä-

gig, da dieser kein „Opfer“ sondern nur „Verletzter“ ge-
wesen sei.

1785
e) Unverantwortlicher „Tunnelblick“ des Mi-
nisters

Entgegen dem üblichen Vorgehen, dass die Meldungen

aus den Einsatzgebieten den Minister auf dem Dienstweg

und mit entsprechenden Kommentaren der militärischen

Vorgesetzten erreichen, entschied sich Bundesminister

Dr. Jung am 5. September 2009 dazu, selbst mit Oberst

Klein zu telefonieren, um sich Informationen „aus erster
Hand“ zu verschaffen:

„Ich habe ihm zunächst noch einmal meine eindeu-
tige Unterstützung zugesagt; denn ich habe es als

meine Verpflichtung empfunden, dass, wenn ein

Soldat in einer solch schwierigen Situation zu

solch einer Entscheidung kommt und dann öffent-

lich in die Kritik gerät, der deutsche Verteidi-

gungsminister sich vor ihn stellt. Ich habe dann

auch von ihm noch mal erfahren, dass es seine

Überzeugung war, dass es nur Taliban waren an

diesem Ort.“1786

In der Folge der direkten Aussprache übernahm er die

Sichtweise, dieser fühlte er sich offenbar gebunden, dem

Wort der Kommandeurs grenzenlos Glauben zu schenken.

Er vertraute ihm mehr als anderslautenden Hinweisen der

NATO und der Berater im eigenen Haus. Auch als ihm

General McChrystal in einem Telefonat am 6. September

2009 offen sagte, dass er der Meldung des PRT, es habe

keine zivilen Opfer gegeben, bezweifle, weil er solche im

Krankenhaus von Kunduz gesprochen habe, beharrte

Dr. Jung auf den Aussagen von Oberst Klein.
1787

„Ich hatte keinen Anlass, dass ich hier dem, was
Oberst Klein sagte, keinen Glauben schenken soll-

te.“1788

Dabei lag zu diesem Zeitpunkt bereits der äußerst kriti-

sche Bericht der „Washington Post“ vor, mit welchem der
Minister gegenüber dem Ausschuss später seinen Kurs-

wechsel in der Frage ziviler Opfer begründete.
1783) Vgl. etwa: Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 12.

1784) Vgl. etwa: Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 21.

1785) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 20 f., 35.
1786) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 3.

1787) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.

1788) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 28.

In seiner nur als „Tunnelblick“ zu bezeichnenden Wahr-
nehmung ließ er völlig außer Acht, dass Oberst Klein ein

Interesse daran haben könnte, die Vorgänge in einem für

ihn günstigen Licht erscheinen zu lassen. Im Fall eines

Fehlverhaltens drohten dem Kommandeur disziplinar-

oder strafrechtliche Konsequenzen. Dies scheint Dr. Jung

bei seinen Loyalitätsbekundungen für Oberst Klein zu-

mindest verdrängt zu haben. So erkannte er viel später als

andere, dass es zivile Opfer gegeben hatte und zu Regel-

verletzungen gekommen war, und versäumte es, das Kri-

senmanagement in seinem Ministerium entsprechend

darauf auszurichten.

f) Desinformation der Öffentlichkeit durch
einen Pressestab im Verfolgungswahn

Ein weiterer kardinaler – wenn nicht gar der schwerste –
Fehler des Verteidigungsministers war es, sich aus-

schließlich an der Kommunikationsstrategie des Presse-

sprechers Dr. Thomas Raabe zu orientieren. Statt sich von

militärischen Fachleuten unterrichten zu lassen, bevor

eine öffentliche Äußerung erfolgte, orientierte und verließ

er sich bei den ersten Stellungnahmen zum Vorfall ganz

auf das Urteilsvermögen von Dr. Raabe und dessen Stell-

vertreter, Kapitän zur See Dienst.

Wie groß das Vertrauen in die Arbeit seines Pressestabes

war, zeigt sich schon darin, dass der Inhalt der frühen

Erklärungen in der Bundespressekonferenz, in denen

zivile Opfer deutlich ausgeschlossen wurden, offenbar

nicht im Einzelnen mit Minister Dr. Jung abgesprochen

war, sondern vollständig in die Verantwortung von Pres-

sesprecher Dr. Raabe gelegt worden war.
1789

Dr. Raabe schob in seinen öffentlichen Äußerungen Kri-

tik von Seiten der NATO, wie sie in den ersten Meldun-

gen gegenüber der Presse oder im IAT-Bericht zum Aus-

druck kam, beiseite, weil er darin quasi eine „Verschwö-
rung“ von US-Kommandeuren – auch des COM ISAF,
General Stanley McChrystal – sah. Diese wollten sich
angeblich revanchieren, weil die Deutschen in der Ver-

gangenheit häufig Kritik an amerikanischen und anderen

NATO-Streitkräften geübt hätten, wenn deren Operatio-

nen zivile Opfer zur Folge gehabt hatten. Nachdem der

COM ISAF offiziell auf die allgemeine Strategie der

Deutschen zur Vermeidung von zivilen Opfern einge-

schwenkt sei, sei es ihm darum gegangen, an einem deut-

schen Kommandeur „ein Exempel“ zu statuieren, damit
die Intention und Bedeutung der taktischen Direktive vom

2. Juli 2009 für alle NATO-Kommandeure in Afghanistan

klar ersichtlich werde.
1790

Pressesprecher Dr. Raabe ging bei der Gestaltung der

Pressestrategie davon aus, dass COM ISAF und NATO-

Verbündete gegenüber dem Handeln des deutschen
1789) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 17. Der Zeuge Dr. Raabe

beharrte in der Absicht, Verantwortung für Fehler von sich abzu-

wälzen, hingegen darauf, dass der Minister laufend an der Be-

stimmung der Presselinie beteiligt gewesen sei und dazu die maß-
geblichen Vorgaben gemacht habe; Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29,

Teil I, S. 21.

1790) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 24, 25, 36, 37.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 275 – Drucksache 17/7400

Kommandeurs voreingenommen seien. Ein Einzelfall

sollte demzufolge angeblich zum Anlass genommen wer-

den, die Bundeswehr und damit die Bundesregierung „in
Misskredit zu bringen“, weil sie zuvor immer wieder
Kritik an Operationen von US- und anderen Verbündeten

mit zivilen Opfern geübt hatte.

Aus dieser Einstellung heraus wurden Hinweise auf mög-

liches Fehlverhalten und Kritik von Seiten der NATO

pauschal mit einem Vorbehalt versehen und gegenüber

der Öffentlichkeit geleugnet oder diskreditiert.

Dies geschah selbst dann noch, als es innerhalb des Mi-

nisteriums durchaus Hinweise darauf gab, dass die Dar-

stellung der Vorgänge durch die NATO zutreffend war.

Vor diesem Hintergrund bekannte der Zeuge Dr. Raabe

vor dem Ausschuss, dass er den Bericht der „Washington
Post“ als „Auftragsarbeit“ ansah und sich stattdessen
lieber auf die Aussagen der „führenden Vertreter der
Bundeswehr vor Ort“, vor allem auf die Aussage von
Oberst Klein, verließ. Wörtlich erklärte Dr. Raabe im

Ausschuss:

„Dieser Washington-Post-Artikel - sehen Sie es
mir nach - war aus meiner Sicht eine Auftragsar-

beit, die dazu führen sollte, dass die Deutschen

hier in Misskredit gebracht werden (…).“1791

„Bei der Washington Post ist sehr schnell der Ein-
druck entstanden, dass hier ein Exempel statuiert

werden sollte. (…) Ich habe keinen Grund, an den
Aussagen von führenden Vertretern der Bundes-

wehr vor Ort zu zweifeln. Aber ich habe Zweifel an

Darstellungen in einem Bericht in der Washington

Post.“1792

Dr. Raabe und KzS Dienst kamen überein, dass man dem

Bericht der „Washington Post“ etwas „entgegenhal-
ten“1793 müsse, was den Ausgangspunkt für die öffentli-
chen Aussagen zu der angeblichen „dritten Quelle“ bilde-
te, auf die sich Oberst Kleins Entscheidung gestützt habe.

Um Kritik vom Verteidigungsminister und von der Bun-

deswehr fernzuhalten, entwickelte Dr. Raabe eine Kom-

munikationsstrategie, die von Anfang an auf Leugnen,

Verschleiern und Vertuschen angelegt war. Dies lässt sich

exemplarisch an mehreren Einzelaktivitäten des Presse-

stabes belegen:

aa) Eigenmächtiges Abwiegeln durch den
Pressestab in den ersten Stellungnahmen
ohne Beteiligung der Fachabteilungen

Getreu der englischen Faustregel für PR-Berater „Be first
with the truth“ stellte der Pressestab auf der Grundlage
einer ungeprüften Meldung aus dem Einsatzgebiet bereits
1791) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 25.
1792) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 24.

1793) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 32, 24f., 39, 29. Siehe dazu

auch die SMS von Dr. Raabe an Dienst nach dem Erhalt des Ar-
tikels der Washington Post vom 6.September 2009 um 10.58 Uhr:

„Bei Anfragen an mich weiterleiten, werde jetzt gg. NATO argu-
mentieren!“ (Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 96).

am 4. September 2009 um 6.42 Uhr eine Stellungnahme

ins Internet, die den Luftschlag als vollen Erfolg im

Kampf gegen die Taliban darstellte und zivile Opfer kate-

gorisch ausschloss.

Der Text wurde mit dem stellvertretenden Pressesprecher

Dienst abgestimmt, der seinerseits Dr. Raabe am frühen

Morgen von dem Luftangriff und der Meldung informier-

te.

Der Leiter des Einsatzführungsstabes, Konteradmiral

Krause, sagte aus, er habe sich bei der Freigabe der Mel-

dung durch den Presse- und Informationsstab unter „gro-
ßen Druck“ gesetzt gefühlt, nun schnell mit einer Mel-
dung an die Öffentlichkeit zu treten.

Er habe diesem Druck an seinem sechsten Arbeitstag in

dieser Funktion nachgegeben, was er heute nicht mehr

ohne Rückkopplung mit dem Einsatzführungskommando

tun würde. In der Folge sei man von Beginn an in einer

defensiven Rolle verhaftet gewesen.
1794

Durch diese Fest-

legungen befand sich das Verteidigungsministerium im

Folgenden argumentativ in der Defensive.

Bei näherer Prüfung der Wirkanalyse („Battle Damage
Assessment“) aus der sich die in der Meldung genannten
Opferzahlen ergaben, wäre einem Experten des Einsatz-

führungskommandos klar gewesen, dass es sich dabei nur

um grobe Schätzungen handelte. Die präzisen Zahlenan-

gaben spiegelten hingegen ein genaues Lagebild vor, über

welches niemand zu diesem Zeitpunkt verfügte.

bb) Falsche Darstellung der zeitlichen Abläufe
(„Chronologie“)

Als ein weiteres Beispiel für „nachträgliche Flurbereini-
gung“ kann im Rahmen der Rechtfertigungsstrategie des
Verteidigungsministeriums die Beschreibung des zeitli-

chen Ablaufs der Operation dienen.

Der stellvertretende Pressesprecher KzS Dienst stellte es

in der Bundespressekonferenz am 4. September 2009 so

dar, als sei Oberst Klein plötzlich mit einer großen Zahl

von Taliban konfrontiert worden und hätte die Entschei-

dung zum Luftangriff nachts unter extremem Zeitdruck

binnen 40 Minuten fällen müssen, obwohl er sich tatsäch-

lich über einen Zeitraum von über fünf Stunden mit den

entführten Tanklastern beschäftigt hatte.

In einer handschriftlichen Notiz begründete er sein Vor-

gehen wie folgt:

„Zeiten war der Sachstand! Meine hier massive
Einlassung war notwendig, um die gefährliche

Spekulation um den potentiell möglichen Einsatz

von Bodentruppen frühzeitig erst einmal auszutre-

ten.“1795

Hier wurde in der Beweisaufnahme deutlich, dass es dem

Pressestab weniger um Aufklärung ging als darum, Oberst
1794) Vgl. Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 3 und 7.

1795) Mat. 17-21a, Ordn. 2, S. 72-73.

Drucksache 17/7400 – 276 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Klein und die Bundeswehr pauschal gegen jedwede Kritik

in Schutz zu nehmen.

Das Vorgehen beim Abwimmeln kritischer Nachfragen ist

auch in den Einlassungen Dr. Raabes vor der Bundes-

pressekonferenz am 7. September 2009 zu beobachten.

Hierbei präsentierte er einen neuen, aber ebenso unzutref-

fenden zeitlichen Ablauf, demzufolge die Tanklaster erst

zwischen 21 und 22 Uhr „gekidnappt“ worden seien,1796
wohingegen ein dem Pressestab vorliegender Sprechzettel

vom 6. September 2009 bereits die Information enthielt,

dass die Entführung der LKWs schon viel früher, nämlich

„gegen 17.00 Uhr“ erfolgt sei.1797

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Pressestab

tatsachenwidrig einen extremen Zeitdruck bei der Ent-

scheidung zum Luftangriff suggerierte, um kritische

Nachfragen abzuwehren und für Nachsicht mit dem

Kommandeur zu werben.

cc) Angebliche unmittelbare Bedrohung für
das PRT Kunduz durch „rollende Bomben“

Eines der bestimmenden Argumentationsmuster in der

öffentlichen Darstellung des Ministeriums zur Rechtferti-

gung des Vorgehens von Oberst Klein bildete die Behaup-

tung, die entführten Tanklaster hätten als „rollende Bom-
ben“ eine unmittelbare Gefahr für das PRT dargestellt.

Exemplarisch dafür sind die Einlassungen des Parlamen-

tarischen Staatsekretärs Kossendey am 4. September 2009

gegenüber der „Nordwest-Zeitung“, die sich später auch
Minister Dr. Jung und sein Pressesprecher zu eigen mach-

ten:

„Mit dem von der Bundeswehr befohlenen Luft-
angriff in Nordafghanistan ist nach Angaben des

Verteidigungsministeriums ein Selbstmordattentat

auf das deutsche Lager bei Kunduz verhindert

worden.“

„Wir gehen davon aus, dass die entführten zivilen
Tanklaster in Richtung des Bundeswehrlagers ge-

bracht werden sollten, um durch ein Selbstmordat-

tentat größtmöglichen Schaden anzurichten“, sag-
te der Parlamentarische Verteidigungsstaatssekre-

tär Thomas Kossendey (CDU) der Oldenburger

„Nordwest-Zeitung“. (…)

Deshalb sei die Bundeswehr so „intensiv vorge-
gangen“ und habe Luftunterstützung der NATO
angefordert. Die Kaperung der Tanklaster zeige

„die Verzweiflung der Taliban, die in der militäri-
schen Auseinandersetzung unterlegen“ seien, sag-
te Kossendey. „Deshalb versuchen sie, mit solchen
Anschlägen – einen Tanklastzug in ein Lager zu
steuern – Wirkung zu erzielen“. Aus Sicht der mili-
tärisch Verantwortlichen in Kunduz sei höchste
1796) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 185.

1797) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 207.

Gefahr im Verzug gewesen, daher habe man so

reagieren müssen.“1798

Auch damals hätte allen Beteiligten schon klar sein müs-

sen, dass diese Darstellung nicht der Wahrheit entsprach,

zumal sie bereits im Widerspruch zu der ersten Online-

Meldung der Bundeswehr stand, welche davon sprach,

dass die Tanklaster entführt worden seien, um den Treibs-

toff für eigene Zwecke in den Distrikt Chahar Darreh zu

verbringen.
1799

Mitarbeiter des AA erkannten diese Widersprüche bereits

am gleichen Nachmittag. In einer E-Mail heißt es dazu:

„Die Argumentationslinie des BMVg wird immer
verworrener (…) Die Inkaufnahme ziviler Opfer
nun durch eine vermeintliche Anschlagsplanung

erklären zu wollen, für die es bislang in der Kom-

munikation keine Hinweise gab, wird dem BMVg

auf die Füße fallen.“1800

Und auch im Verteidigungsministerium selbst schien man

sich dieses Problems schon damals bewusst zu sein: Mal-

te Krause, der Büroleiter von Minister Dr. Jung, empfahl

dem stellvertretenden Pressesprecher Dienst, am 4. Sep-

tember 2009 per SMS, in der bevorstehenden Bundes-

pressekonferenz einfach zu verschweigen, dass die Tank-

lastwagen auf der Sandbank festgefahren und nicht mehr

zu bewegen waren:

„Herr Dienst, wir empfehlen, den Umstand des
Festfahrens auf der Sandbank zunächst wegzulas-

sen. Gruß MK“1801

Wenige Minuten darauf regte er in einer weiteren SMS

an, die Obleute-Unterrichtung an den Verlauf der Bun-

despressekonferenz anzupassen.

Die Beweisaufnahme deutet somit darauf hin, dass man

selbst im unmittelbaren Umfeld des Ministers – nicht nur
beim Pressesprecher – vor gezielter Desinformation von
Öffentlichkeit und Parlament nicht zurückschreckte.

1802
Standhaft hielten der Minister und sein Pressesprecher an

dem Märchen, dass es Hinweise darauf gebe, dass die

Tanklaster unmittelbar gegen das PRT eingesetzt werden

sollten, fest, obwohl dem Pressestab spätestens seit dem

6. September 2009 durch das Einsatzführungskommando

mitgeteilt wurde, dass die festgefahrenen Trucks nach

SIGINT-Informationen von den Taliban in Brand gesetzt

werden sollten, sobald der Treibstoff abgezapft worden

sei.
1803

Nach Abschluss der Beweisaufnahme des Ausschusses

gibt es keinen einzigen Hinweis auf eine unmittelbare

Bedrohung des PRT durch die beiden in der Nacht vom 3.
1798) Tickermeldung vom 4. September 2009, 16.38 Uhr (Hervorhe-

bungen nur hier).

1799) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 16, 29, 179, 196.

1800) Mat. 17-25a, Ordn. Leitungsstab, S. 5.
1801) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 41.

1802) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 42.

1803) Mat. 17-21a, Presse-/Info-Stab, Ordn. 1, S. 135 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 277 – Drucksache 17/7400

auf den 4. September 2009 seit Stunden auf der Sandbank

feststeckenden Tanklaster.
1804

Absolut unerklärlich ist, wie selbst die Ausschussmehr-

heit heute noch zu dem Ergebnis kommen kann, dass

Oberst Klein davon ausgehen „musste“, dass „die festge-
fahrenen Tanklaster befreit, gewendet und für einen Ang-

riff auf das PRT Kunduz verwendet würden“.1805 Hierfür
gibt es nicht den geringsten tatsächlichen Anhaltspunkt

und die Mehrheit verschweigt, dass selbst nach den Ein-

lassungen von Oberst Klein selbst, er diese unmittelbare

Gefahr zum Zeitpunkt des Waffeneinsatzes nicht mehr

sah.

Hinzu kommt noch, dass das PRT Kunduz schon damals

so gut gesichert war, dass die Tanklastzüge nicht ohne

weiteres in das Lager hätten eindringen können, insbe-

sondere dann, wenn deren Ankunft erwartet worden wäre.

dd) Erfinden einer „dritten Quelle“

Die Beweisaufnahme hat weiter ergeben, dass der Presse-

stab der Öffentlichkeit auch nachgewiesen falsche Fakten

präsentiert hat.
1806

Nachdem er am Vortag mit seinem Stellvertreter Dienst

vereinbart hatte, dem Vorwurf der „Washington Post“,
dass sich Oberst Klein nur auf eine Quelle gestützt habe,

etwas entgegenzusetzen, präsentierte Dr. Raabe in der

Bundespressekonferenz am 7. September 2009 einen

weiteren „Aufklärungsstrang“, die später so genannte
„dritte Quelle“, die dem Handeln von Oberst Klein zug-
rundegelegen habe.

1807
Bei seinen Angaben stützte sich Dr. Raabe angeblich auf

ein Telefonat seines Stellvertreters KzS Dienst mit dem

Chef des Stabes PRT Kunduz, Oberstleutnant Gr., das

KzS Dienst in einem Vermerk vom 8. September 2009

wie folgt darstellte:

„Der J2 habe SIGINT für die Entscheidungsfin-
dung des Kommandeurs geliefert,“ die aus der Te-
lefonüberwachung des afghanischen Geheimdiens-

tes stammten und auf die Mobilisierung von Un-

terstützern der Taliban hinweisen sollten. Mit den

zusätzlichen Helfern sollten die LKWs wieder flott

gemacht werden.“1808

Dieser erst im Nachhinein auf Anweisung von

Dr. Raabe
1809

erstellte Vermerk ist der einzige Ge-

sprächsvermerk überhaupt in den Akten des Pressestabes,

obwohl in jenen Tagen viele Telefonate zur Informations-

beschaffung geführt wurden. Dieser Umstand böte schon

allein Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Darstellung des

Pressestabes zu zweifeln.
1804) Vgl. hierzu ausführlich oben ab Seite 244.
1805) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 210.

1806) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 1-7.

1807) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 179.
1808) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 333; Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I,

S. 4.

1809) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 5.

Auch im Einsatzführungsstab gab es offenbar Zweifel an

der Existenz bzw. Zuverlässigkeit dieser „dritten Quelle“.
Während im ersten Entwurf einer presseverwertbaren

Stellungnahme vom 7. September 2009 von „2 HUMINT-
Quellen“ die Rede ist, spricht man im zweiten Entwurf
von „mindestens 1 …zuverlässige(n) afghanische(n)
Quelle“. Dies mag auch erklären, weshalb Generalinspek-
teur Schneiderhan dem Vorschlag von Dr. Raabe vom

7. September nicht gefolgt ist, dieses Material später in

der Kommunikation nach außen zu verwenden.
1810

Die Aussage des Zeugen Gr., mit dem KzS Dienst angeb-

lich darüber gesprochen haben will, widerlegte die angeb-

liche Existenz einer „dritten Quelle“ endgültig. Dem
Ausschuss erklärte der Zeuge, dass er weder eine „dritte
Quelle“ noch das ihm im Vermerk von 8. September
zugeschriebene Zitat kenne.

1811
Insofern ist es nicht ver-

wunderlich, dass kein einziger anderer Zeuge im Aus-

schuss von dieser angeblichen „dritten Quelle“ je gehört
hatte.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass selbst

die Mehrheit inzwischen einräumt, dass es eine solche

„dritte Quelle“ niemals gegeben hat.1812 Wie sie es den-
noch vollbringt, auch diese Irreführung der Öffentlichkeit

nicht dem Pressestab, sondern dem Generalinspekteur

zuzuschreiben, der an dem Vorgang noch nicht einmal

entfernt beteiligt war, grenzt schon an Zauberei.

Es spricht vieles dafür, dass der Pressestab nicht davor

zurückschreckte, Öffentlichkeit und Parlament bewusst in

die Irre zu führen, um seine Version der Abläufe in Kun-

duz zu verteidigen.

Die Ausschussmehrheit vermutet zu Gunsten des Presse-

stabes, dass es sich um ein „Missverständnis“ gehandelt
haben könnte.

1813
Wie dies aber dann zu der Aussage des

Zeugen Dr. Raabe vor dem Ausschuss passen soll, dass

man „für ein Ministerium nur mit gesicherten Informatio-
nen an die Öffentlichkeit gehen“ könne1814, bleibt
schleierhaft.

Es zeigt aber erneut die Zweischneidigkeit des Vorgehens

des Zeugen Dr. Raabe: Hinsichtlich der möglichen Be-

troffenheit von Zivilisten werden „handfeste Beweise“
verlangt, hinsichtlich der angeblichen Fakten, die den

Bombenabwurf rechtfertigen sollen, wird dieser Maßstab

jedoch noch nicht einmal im Ansatz angelegt, sondern es

reichen völlig ungesicherte Vermutungen aus, die dazu

beitragen sollen, das Handeln von Oberst Klein öffentlich

in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.
1810) Mat. 17-30a, EFS Chronologie, Teil 2, S. 94-102, insbesondere S.

96 und 100; Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S 1-7,hier insbe-

sondere S. 1.

1811) OTL Gr., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S 1-3.
1812) Mehrheitsbewertung, S. 181 f.

1813) Mehrheitsbewertung, S. 181.

1814) Zitiert nach der Mehrheitsbewertung, S. 199, die dieser Aussage
des Zeugen Dr. Raabe besondere Bedeutung beimisst. Dr. Raabe

selbst sagt es tatsächlich etwas anders: Protokoll-Nr. 29, Teil I,

S. 20.

Drucksache 17/7400 – 278 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ee) Diffamierung des IAT-Berichts

Im Umgang mit der Kritik des IAT-Berichts zeigte sich

eine weitere Facette der Täuschungsmanöver des Presse-

sprechers. Dr. Raabe qualifizierte den IAT-Bericht, des-

sen kritischer Inhalt zu diesem Zeitpunkt bereits in der

Presse kursierte, in den Bundespressekonferenzen vom 9.

und 11. September 2009 einfach als „Reisebericht“ ab.
Damit verfolgte er offensichtlich das Ziel, sich nicht im

Einzelnen mit den darin enthaltenen Aussagen zu zivilen

Opfern und der Verletzung von NATO-Einsatzverfahren

auseinanderzusetzen zu müssen.

Mit dem lapidaren Hinweis, dass es sich um einen ersten

Zwischenbericht handele, der in erster Linie die Eröff-

nung einer förmlichen Untersuchung begründe, wurden

weitere Kommentare zur Sache pauschal bis zum Ab-

schluss der umfassenden NATO-Untersuchung ver-

tagt.
1815

Mit dieser Argumentation konnten unangenehme Fragen

bis nach den Bundestagswahlen abgeblockt werden.

Vor der Bundespressekonferenz am 9. September kon-

zentrierte sich Dr. Raabe auf eine Reaktion zu der Schät-

zung der Zahl der Opfer durch das IAT auf etwa 125.

Dieser Schätzung hielt er die Aussagen zweier afghani-

scher Gruppen von Offiziellen (60 bzw. 45 Taliban) ent-

gegen, denen er nach dem Eindruck der anwesenden

Journalisten größere Bedeutung beizumessen schien als

dem zuständigen Untersuchungsteam der ISAF vor

Ort.
1816

Diese Ablenkungsstrategie hatte wohl auch den Zweck,

das zweite große Thema des Berichts, die Benennung der

offenkundigen Verstöße von Oberst Klein gegen NATO-

Einsatzregeln, zu verschleiern.

ff) Ergebnis zum Pressestab

Zusammenfassend kann gesagt werden: Der entscheiden-

de Fehler des damaligen Verteidigungsministers Dr. Jung

war es, dass er seinem Pressesprecher Dr. Raabe freie

Hand bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit ließ. Dies

hat in den ersten Tagen zu einer systematischen Irrefüh-

rung von Öffentlichkeit und Parlament geführt.

Der Versuch der Mehrheit, das eigenmächtige und die

wahren Tatsachen verschleiernde Handeln des Pressesta-

bes und insbesondere des Pressesprechers Dr. Raabe auf

Fehlverhalten des Generalinspekteurs Schneiderhan und

des Staatssekretärs Dr. Wichert abzuschieben,
1817

wird

schon durch die aufgezeigten Fakten ad absurdum ge-

führt. Es zeigt sich, dass es der Mehrheit ausschließlich

darum geht, die spätere Entlassung der beiden Personen

durch Freiherr zu Guttenberg nachträglich zu rechtferti-

gen, koste es, was es wolle.

Dabei wird von der Mehrheit nicht davor zurückge-

schreckt, sachlich falsche Behauptungen aufzustellen. So
1815) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 401, Ordn. 2, S. 42.

1816) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 446 f.

1817) Vgl. etwa Mehrheitsbewertung, S. 181 ff.

wird beispielsweise behauptet, der Generalinspekteur sei

„gemäß der Geschäftsordnung des BMVg“ verpflichtet
gewesen, „alle relevanten Informationen auch dem Pres-
se- und Informationsstab zur Verfügung“ zu stellen oder
Dr. Wichert habe dem Pressestab vor der Pressekonferenz

am 7. September 2009 keine Sprachregelung zur Verfü-

gung gestellt.
1818

Beides ist nachweislich falsch: Dr. Raabe selbst hat ein-

geräumt, dass der Generalinspekteur ihm gegenüber

selbstverständlich nicht berichtspflichtig war.
1819

Ein

kurzer Blick in die Geschäftsordnung des Ministe-

riums
1820

hätte zudem auch der Mehrheit die Absurdität

ihrer Behauptung erspart.

Darüber hinaus findet sich gerade die von der Mehrheit

vermisste Sprachregelung von Dr. Wichert in den vom

Ausschuss beigezogenen Akten.
1821

Dokumentiert ist

dabei auch, dass sie dem Pressesprecher etwa eine halbe

Stunde vor seiner Pressekonferenz zuging. Dr. Wichert

stellte zudem fest, wann immer eine presseverwertbare

Stellungnahme angefordert worden sei, habe er diese auch

zur Verfügung gestellt.
1822

Nach übereinstimmenden Aussagen von Generalinspek-

teur und Staatssekretär Dr. Wichert gingen alle mit Be-

wertungen versehenen Ministervorlagen entsprechend der

Geschäftsordnung parallel an den Planungsstab. Beides

wird durch die dem Ausschuss vorliegenden Akten bestä-

tigt. Für Fälle, in denen dem Minister mündlich berichtet

bzw. Originaldokumente übergeben wurden, gab es weder

Vorschriften noch eine gängige Praxis der zufolge diese

Informationen parallel auch immer an andere Einheiten

weiterzuleiten gewesen wären. Insofern ist auch die durch

nichts belegte Behauptung der Mehrheit, der Zeuge

Schneiderhan sei seinen Verpflichtungen aus der Ge-

schäftsordnung „nicht immer ordnungsgemäß nachge-
kommen“, einfach unwahr.

Die Beweisaufnahme hat damit ergeben, dass keine An-

zeichen für eine fehlerhafte Unterrichtung durch General-

inspekteur und Staatssekretär vorhanden sind. Festzuhal-

ten ist damit: Nicht Generalinspekteur oder Staatssekretär

sind für das eigenmächtige und die wahren Fakten ver-

schleiernde Vorgehen des Pressestabes verantwortlich,

sondern ausschließlich dieser selbst.

g) Gesamtbewertung des Handelns von
Dr. Jung

Bundesminister Dr. Jung hat gravierende politische Fehl-

einschätzungen zu verantworten. Diese Fehler haben dazu

geführt, dass die Vorgänge aus falsch verstandener Loya-

lität heraus eher vernebelt als aufgeklärt wurden. Dieses
1818) Beide Unwahrheiten finden sich auf Seite 181 der Mehrheitsbe-

wertung.
1819) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 8.

1820) Hier insbesondere der Abschnitt B 25 und die Nrn. 5 und 6 des

Abschnitts C 16 im Umkehrschluss.
1821) Mat. 17-21a (Nachlieferung), Ordn. 1, S. 171 f. mit Faxkennung

von 9.31 Uhr.

1822) Dr. Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 52, 54, 76, 80.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 279 – Drucksache 17/7400

Verhalten hat der Bundesregierung und vor allem auch

dem guten Ruf der Bundeswehr geschadet.

Die Ausschussmehrheit kommt dagegen zu dem Schluss,

dass der kategorische Ausschluss ziviler Opfer durch den

Minister allein auf eine einseitige Beratung durch Gene-

ralinspekteur und Staatssekretär zurück zu führen sei. Sie

verfolgt damit auch hier das leicht erkennbare Ziel, die

Verantwortung auf zwei bewährte „Sündenböcke“ abzu-
wälzen, insbesondere um ihre Entlassung durch Freiherr

zu Guttenberg nachträglich zu rechtfertigen.

In der Beweisaufnahme haben sich keine noch so entfern-

ten Hinweise finden lassen, dass Generalinspekteur oder

Staatssekretär dem Minister jemals geraten hätten, zivile

Opfer zu leugnen. Solche Belege bleibt die Mehrheit in

ihrem Votum denn auch schuldig. Generalinspekteur

Schneiderhan hatte im Gegensatz dazu seine Bedenken

schon am 4. September telefonisch geäußert und zur Vor-

sicht bei konkreten Festlegungen und vorschnellen Be-

wertungen geraten.

Staatssekretär Dr. Wichert legte Wert darauf, dass die von

ihm gebilligten Obleute-Unterrichtungen vom 4. und 5.

September sich – im Gegensatz zu den Äußerungen des
Pressestabes – auf die Darstellung gesicherter Fakten
beschränkten und auf Aussagen zu zivilen Opfern, wie sie

Pressesprecher und Minister öffentlich verbreiteten, be-

wusst verzichteten. Im Widerspruch zur eigenen Bewer-

tung konzediert die Ausschussmehrheit denn auch zutref-

fend, dass der Verzicht auf spekulative Aussagen in der

Unterrichtung vom 4. September 2009 „nachvollziehbar“
gewesen sei.

1823
Die Beweisaufnahme hat ferner ergeben, dass beide Spit-

zenbeamten gegenüber dem von der politischen Leitung

verfolgten Kurs – wenn auch in viel zu zurückhaltender
Form – Kritik geäußert haben. Die falsche Weichenstel-
lung geht ausschließlich auf die Erstmeldung des Presse-

stabes zurück, welche vor ihrer Veröffentlichung vom

Stellvertreter Dr. Raabes autorisiert wurde.
1824

Dieser

informierte seinen Chef am frühen Morgen über den In-

halt, ohne dass dieser vor der Bundespressekonferenz

oder auch nur in den Folgetagen auf einen Kursschwenk

gedrungen hätte.

Die Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit war

durchgängig – auch noch nach der Regierungserklärung
der Bundeskanzlerin vom 8. September 2009 – nicht von
aktiven Bemühungen um Aufklärung geprägt, sondern

von Verschleiern und Abwimmeln. Korrekturen an der

öffentlichen Darstellung wurden erst dann vorgenommen,

wenn diese nicht mehr zu halten war. Die Wahrheit über

die Vorgänge wurde so nur häppchenweise preisgegeben.

Damit wird deutlich: der Pressestab hat die desaströse

Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums voll und ganz

selbst zu verantworten. Und dass ihm hierbei freie Hand

gelassen wurde, liegt in der Verantwortung des damaligen

Ministers Dr. Jung.
1823) Mehrheitsbewertung, S. 197.

1824) Mat. 17-21a, Ordn. 1, S. 2f., 10.

3. Verschleierungsaktivitäten auf allen Ebe-
nen

Die Mehrheit gelangt in ihrer Bewertung des Umgangs

von Bundeswehr und Verteidigungsministerium mit dem

Luftangriff von Kunduz zu dem Ergebnis, dass nieman-

dem in der Bundesregierung – natürlich mit Ausnahme
von Schneiderhan und Dr. Wichert, deren Aktivitäten

aber aus Sicht der Mehrheit wohl nicht dem Handeln der

Bundesregierung zuzurechnen sind – auch nur der gering-
ste Vorwurf zu machen sei.

1825
Insbesondere betont die Mehrheit dabei immer wieder, es

habe keine Versuche der Vertuschung oder Vernebelung

im Bereich der Bundeswehr oder der Bundesregierung

gegeben.
1826

Stattdessen „attestiert“ die Mehrheit der
Bundesregierung „einen durchweg korrekten Umgang mit
den Folgen des Luftschlages“.1827

Angesichts dieser Realitätsverweigerung bedarf es an

dieser Stelle noch einmal einer zusammenfassenden Be-

nennung der massiven Verschleierungs- und Vertu-

schungsaktivitäten auf allen betroffenen Ebenen in der

Amtszeit von Bundesminister Dr. Jung, die sich in der

Beweisaufnahme offenbart haben und die von der Mehr-

heit einfach ignoriert werden.

Das Hauptmotiv dieser Verschleierungsaktivitäten auf

den verschiedenen Ebenen bildete eine falsch verstande-

ne, unreflektierte Solidarität mit Oberst Klein. Dieser

sollte vor einer Vorverurteilung durch Presse und verbün-

dete Streitkräfte ebenso wie vor Strafverfolgung in

Deutschland geschützt werden.

a) Verschleierung vor Ort im PRT Kunduz
selbst

Eine solche Zusammenstellung muss naturgemäß unmit-

telbar am Ort des Geschehens beginnen. In der Beweis-

aufnahme wurde ganz klar erkennbar, dass bereits im

PRT Kunduz die verschiedensten Aktivitäten entfaltet

worden waren, um das Vorgehen von Oberst Klein mög-

lichst in einem guten Licht erscheinen zu lassen und

Sachverhaltsaspekte, die für Oberst Klein kritisch werden

könnten, zurückzuhalten. Stichwortartig ist dabei insbe-

sondere auf folgende Vorgänge hinzuweisen:

– Verzicht auf die Durchführung eines zeitgerechten
und angemessenen „Battle Damage Assessments“,
obwohl zumindest die Möglichkeit des zeitnahen

Einsatzes unbemannter Luftfahrzeuge (LUNA) zur

Verfügung stand, um den Angriffsort wenigstens per

Video zu überwachen, bis Bodentruppen bei Tages-

licht dorthin hätten verlegen können.

– Verspätete Information der vorgesetzten Stellen über
den Luftangriff.

– Verweigerung der Teilnahme der von General Voll-
mer zur Unterstützung entsandten Feldjäger und des
1825) Vgl. etwa: Mehrheitsbewertung, S. 210.

1826) Vgl. etwa: Mehrheitsbewertung, S. 184, 185, 199, 199, 202, 204.

1827) Mehrheitsbewertung, S. 174.

Drucksache 17/7400 – 280 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zivilen Leiters des PRT an der verspätet durchgeführ-

ten Wirkungsanalyse und Behinderung des Feldjäger-

Teams bei Filmaufnahmen.

– Eigene Erkenntnisse zu möglichen zivilen Opfern,
die bereits am 4. September 2009 gegen 14.00 Uhr

durch das eigene PsyOps-Team vorlagen, wurden

nicht angemessen kommuniziert. Aufträge an das

Team, weitere Befragungen von Dorfbewohnern vor-

zunehmen, insbesondere auch in den vielen anderen

möglicherweise in Betracht kommenden Dörfern,

wurden nicht erteilt.

– Faktenwidrige Behauptung in einem Bericht an Ge-
neral Vollmer vom 4. September 2009, die Gefahr sei

nicht von den Tanklastern selbst, sondern von den

Pick-Up-Fahrzeugen in der Nähe der Tanklaster aus-

gegangen, weil diese in der Nacht mit Benzin aus den

Tanklastern befüllt und als „fahrende Bomben“ ge-
gen das PRT hätten eingesetzt werden können.

– Der zivile Leiter des PRT wurde nur unzureichend
und nicht eigeninitiativ informiert und eingebunden,

er musste sich die wesentlichen Informationen zum

Luftangriff vielmehr aus dem Internet besorgen und

war vom Informationsfluss so gut wie abgeschnitten.

– Verschleierung der Möglichkeit ziviler Opfer durch
Konstruktion ihrer Beteiligung an der Taliban-

Operation über den Diebstahl von Benzin, obwohl

diese Personen, selbst wenn sie Treibstoff für sich zu

erlangen suchten, nach wie vor nach humanitärem

Völkerrecht geschützte Zivilisten waren.

– Bericht über die Aussagen einer HUMINT-Quelle
vom 4. September 2009, der im J2-Bereich des PRT

Kunduz so bewertet wurde, dass es danach wahr-

scheinlich erscheine, dass bei dem Luftschlag auch

Zivilisten getötet wurden, wurde nicht angemessen

kommuniziert.

– Verschleierung der Tatsache, dass der JTAC gegenü-
ber den F15-Bomber-Piloten erklärt hatte, Ziel des

Bombenabwurfs seien nicht die Tanklaster, sondern

die Personen vor Ort gewesen.

– Verweigerung des PRT Kunduz bis zum heutigen
Tage, Dokumente, mit denen sich derartige Ver-

schleierungsaktivitäten dokumentieren lassen, für die

Öffentlichkeit freizugeben.
1828

Schon an diesen Beispielen wird erkennbar, dass bereits

auf der Ebene des PRT Kunduz versucht wurde und bis

heute versucht wird, den wahren Sachverhalt und vor

allem die tatsächlichen Folgen des Luftangriffs möglichst

zu verschleiern.
1828) Vgl. Beratungsunterlage 17-290, S. 4 und 6: „ISAF has indicated

that ISAF PRT Kunduz has reviewed the documents and that

again it does not consent to declassification or release as re-

quested“.

b) Verschleierung in Masar-e Sharif und im
Einsatzführungskommando in Potsdam:
Manipulation des INTSUM

Als wohl gezielteste Desinformation im Zusammenhang

mit dem Luftangriff ist die von den deutschen Generälen

Vollmer und Glatz angeordnete Manipulation eines Ta-

gesberichts des PRT Kunduz anzusehen,
1829

die am 3. und

4. März 2010 durch „Spiegel Online“ aufgedeckt wurde:

„Neue Meldungen und Aktenvermerke, die dem
SPIEGEL vorliegen, zeigen, dass es den deutschen

Offizieren offenbar darum ging, das tragische

Bombardement innerhalb der Isaf und der Nato

herunterzuspielen.

Der für das Nachrichtenwesen zuständige Offizier

im Bundeswehrstützpunkt PRT-Kunduz erstattet

täglich Bericht. INTSUM, für Intelligence Summa-

ry, heißen diese Meldungen, die über das interne

Netz der Isaf verbreitet werden. Am 4. September

stellt der Offizier INTSUM Nummer 247 dort ein.

Geschmückt mit zwei Luftaufnahmen vom Fluss-

bett bei Kunduz meldet er um 15:30 Uhr unter

Punkt 3.3 auch den aktuellen Informationsstand

zum Luftschlag der vergangenen Nacht.

Pflichtschuldig und detailgetreu berichtet er von

möglichen Zivilisten unter den Opfern: Es sei

wahrscheinlich, dass die Aufständischen den

Treibstoff der feststeckenden Wagen an die lokale

Bevölkerung verteilt hätten, notiert er. Und: „It
cannot be excluded that civilians were among the

casualties“ – Es sei nicht ausgeschlossen, dass
auch Zivilisten bei dem Luftschlag ums Leben ge-

kommen seien. Lange bleiben diese Informationen

nicht im militärischen Netz. Schon dreieinhalb

Stunden später sind sie gelöscht.

Die beiden Generäle Vollmer und Glatz erkennen

die Brisanz des Luftschlags schnell. Laut der Un-

terlagen telefonieren sie am Abend des 4. Septem-

bers zweimal miteinander. Nach dem ersten Ge-

spräch um 18.15 Uhr vermerkt Glatz in ordentli-

chen rund geschwungenen Buchstaben seinen Är-

ger am rechten Rand der Meldung. „Wenn das so
stimmt und durch COMPRT (den Kommandeur

des PRT Kunduz Oberst Klein) bestätigt werden

sollte, ist das ein Verstoß gegen die Tactical Di-

rective des COMISAF (Isaf-Kommandeur Stanley

McChrystal).

Dann hätte man schlimmstenfalls CIVCAS (Tod

und Verwundung von Zivilisten) in Kauf genom-

men.“

Die Unterlagen zeigen, dass Glatz und Vollmer ih-

re Erkenntnisse über die Ausmaße des Luftschlags

wohl lieber nicht mit jedem teilen wollen. Dem-

nach vereinbaren die beiden, dass die heiklen Stel-

len aus der Meldung verschwinden.
1829) Vgl. hierzu auch den Feststellungsteil, S. 256 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 281 – Drucksache 17/7400

Nach einem zweiten Telefonat mit Vollmer ver-

merkt Glatz auf der Meldung: „BG V. (Brigadege-
neral Vollmer) hat gegen 20 Uhr veranlasst, dass

dies aus dem Netz genommen wird.“ Die Meldung
sei wieder aus dem Isaf-Netz herausgenommen

worden, „da Details noch nicht valide nachgeprüft
waren“, so Glatz.“1830

(…)

„Die Behauptung von Glatz erscheint indes kaum
plausibel. Im Gegenteil: Was der Nachrichtenoffi-

zier aufgeschrieben hatte, stammte offenbar aus

einer verlässlichen Quelle. Teilweise wörtlich zi-

tierte er aus einem dreiseitigen geheimen Quellen-

bericht vom 4. September, der SPIEGEL ONLINE

vorliegt. Autor des Berichts ist ein Nachrichten-

feldwebel, der einen afghanischen Informanten

führte. Dieser hatte bereits vorher „fairly reliab-
le“, also recht glaubwürdig, berichtet.

Die Aussagen der Quelle sind eindeutig. Unter den

Opfern seien „genauso Taliban wie Zivilisten“.
Die Taliban hätten den Treibstoff der Laster ver-

teilen wollen, dies sei der Grund für die hohe Zahl

an Zivilisten in der Umgebung gewesen. Mindes-

tens hundert Menschen seien gestorben. Es er-

scheine „wahrscheinlich, dass auch Zivilisten bei
dem Luftschlag getötet worden sind“. Für „vor-
stellbar“ hält der Feldwebel, dass „eine große
Zahl an Zivilisten anwesend war“. Genau diese
Aussagen jedoch wollten Glatz und Vollmer so

nicht an die Nato weitergeben.“1831

Weil sich das unter deutscher Führung stehende PRT

Kunduz auf mehrfache Anfrage aus dem Ausschuss nach

wie vor weigert, das INTSUM auch nur teilweise herab-

zustufen, ist es den Mitgliedern dieses Untersuchungsaus-

schusses untersagt, sich öffentlich dazu zu äußern, ob die

Darstellungen von „Spiegel Online“ zutreffen und sich die
zitierten Passagen wirklich in den Akten befinden oder

nicht.
1832

Wie dies mit der von der Bundeskanzlerin pro-

pagierten „ungeschönten“ Aufklärung, an der sich gerade
auch die Bundeswehr beteiligen werde, vereinbar sein

soll, bleibt fraglich. Immerhin konnte durch die Oppositi-

on erwirkt werden, dass Teile der handschriftlichen Ver-

merke von General Glatz von der strikten Geheimhaltung

ausgenommen und auf „offen“ herabgestuft wurden.

Die Generäle Glatz und Vollmer wurden zu dem gesamten

Vorgang im Ausschuss auch vernommen: General Voll-

mer rechtfertigte sich dabei damit, er habe das INTSUM

nur deshalb aus dem Netz nehmen lassen, weil es nicht

von Oberst Klein gebilligt gewesen sei und Oberst Klein

ihm gegenüber den gesamten Tag lang geäußert habe, es
1830) Spiegel Online vom 4. März 2010: „Offiziere änderten Meldun-

gen über zivile Opfer“.
1831) Spiegel Online vom 5. März 2010: „SPD wirft Bundeswehr-

Generälen Vertuschung vor“.
1832) Vgl. Beratungsunterlage 17-290, S. 4 und 6: „ISAF has indicated

that ISAF PRT Kunduz has reviewed the documents and that

again it does not consent to declassification or release as re-

quested“.

habe keine zivilen Opfer gegeben,
1833

was offenkundig im

Widerspruch zu den Inhalten des INTSUM stand.

Er, Vollmer, habe deshalb verlangt, dass Oberst Klein die

Meldung „abnicke“ bzw. billige.1834 Dies will General
Vollmer persönlich auch so gegenüber Oberst Klein

kommuniziert haben.
1835

Er selbst habe keinen Einfluss

auf konkrete Änderungen des INTSUM genommen, dies

habe er vielmehr allein der Führung des PRT Kunduz

überlassen.
1836

Zu seiner Motivation, das INTSUM zwecks Billigung

durch den Kommandeur an das PRT Kunduz zurückzuge-

ben, hat der Zeuge Vollmer ausgeführt:

„Ich habe also wirklich nur den Hut des Diszipli-
narvorgesetzten in dem Moment aufgesetzt (…)
und habe gesagt: Entweder gilt das jetzt hier – ich
glaube dir ja auch; ich akzeptiere deine Entschei-

dung der Nacht –, oder es gilt das. Dann ist es
auch gut, aber dann unterzeichne das. – Und dann
haben wir eine ganz andere Lage und gehen auch

ganz anders damit um.“1837 (…) „Ob ich dann üb-
rigens mit Oberst Klein gesprochen habe oder mit

seinem Chef des Stabes, kann ich nicht sagen. Ich

habe auf jeden Fall mit einem der beiden gespro-

chen. Ich habe gesagt: Hier habt ihr das Papier

noch mal zurück – im übertragenen Sinne.“1838

Im deutlichen Widerspruch dazu erklärte jedoch der Zeu-

ge Oberstleutnant K., der das INTSUM ursprünglich ers-

tellt und nachträglich auch verändert hatte, keineswegs

von der Führung der PRT Kunduz zu der Veränderung

des INTSUM angehalten worden zu sein. Er habe diese

Veränderung vielmehr allein nach

„deutlicher Einflussnahme telefonischer Art durch
RC North“,

also aus dem Verantwortungsbereich General Vollmers

und nicht etwa Oberst Kleins, vornehmen müssen. Von

dort sei er veranlasst worden, das INTSUM zu überarbei-

ten.
1839

Er sei dabei von seinem Vorgesetzten im RC

North nicht aufgefordert worden, einen bestimmten Satz

aus dem INTSUM zu streichen, sondern

„diese Frage der Zivilpersonen noch mal zu prü-
fen“

und sich noch einmal

„die Bedeutung dieser Aussage im politischen Um-
feld durch den Kopf gehen“

zu lassen.
1840

Dieses Gespräch sei ein längeres und „sehr eindringli-
ches“ gewesen.
1833) Vgl. Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 3.

1834 Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 5, 6 und 12.
1835 Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 12.

1836) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 49.

1837) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 6.
1838) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 10 f.

1839) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 60, 61 und 68.

1840) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 61.

Drucksache 17/7400 – 282 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Abweichend von der Darstellung des Zeugen Vollmer hat

der Zeuge K. noch nicht einmal davon berichten können,

dass diese Veränderung des INTSUM durch Oberst Klein,

den Chef des Stabes oder eine sonstige Person im PRT

Kunduz auch nur gebilligt worden sei. Es ist vielmehr

davon auszugehen, dass der veränderte Bericht unmittel-

bar durch den Zeugen K. wieder in das System eingestellt

wurde.

In der Beweisaufnahme stellte sich also letztlich heraus,

dass der Zeuge Vollmer noch im Ausschuss die wahren

Fakten zu verschleiern versuchte. Es gibt keinen Grund,

an den Aussagen des Zeugen K. zu zweifeln: Wäre er

wirklich von der Leitung des PRT – und nicht vom Stab
General Vollmers – aufgefordert worden, das INTSUM zu
verändern, hätte er dies ohne weiteres im Ausschuss so

bekunden können, ohne dass dies für ihn, das PRT oder

sonstige Stellen einen Nachteil bedeutet hätte. Seine Ein-

lassung, vom RC North zur Streichung der Passage über

mögliche zivile Opfer veranlasst worden zu sein, ist also –
im Gegensatz zu den Einlassungen des Zeugen Vollmer,

der ein großes Interesse daran hatte, sein eigenes Verhal-

ten zu rechtfertigen – sehr glaubhaft.

Insbesondere der Umstand, dass dem Zeugen K. durch

den Stab von General Vollmer bedeutet wurde, er müsse

sich die Bedeutung der Passage zu den möglichen zivilen

Opfern „im politischen Umfeld“ durch den Kopf gehen
lassen, lässt den Schluss zu, dass die Generäle Vollmer

und Glatz alles daran setzten, keine förmlichen Berichte

in der Hand halten zu müssen, die sie dazu zwingen könn-

ten, eventuell disziplinarische Ermittlungen gegen Oberst

Klein aufzunehmen.

Hierin zeigt sich, dass niemandem in der Generalität an

wirklicher Sachaufklärung gelegen war, sondern dass es

immer nur darum ging, möglichst keine Fakten zu schaf-

fen, die sich im Nachhinein für Oberst Klein als nachteilig

herausstellen könnten. Dafür wurde noch nicht einmal

davor zurückgeschreckt, offizielle NATO-Berichte nach-

träglich zum Vorteil von Oberst Klein verändern zu las-

sen.

Um dafür letztlich nicht die Verantwortung übernehmen

zu müssen, wurde der gesamte Vorgang durch den für

seine „Absicherungsmentalität“1841 bekannten General
Glatz in Kopie an das Büro des Generalinspekteurs wei-

tergereicht. Man wollte also – trotz bestehender Anhalt-
spunkte – selbst nicht gegen Oberst Klein ermitteln, daher
sorgte man für die Korrektur des INTSUM. Für den Fall,

dass später Verfehlungen doch noch offenkundig werden

sollten, wollte man aber einen Bericht haben, den General

Vollmer gegebenenfalls als Ausgangspunkt disziplinar-

rechtlicher Ermittlungen darstellen könnte, welche vom

Generalinspekteur gestoppt worden seien.

Genau so wurde auch vorgegangen: Die Generäle Vollmer

und Glatz versuchten im Ausschuss den Eindruck zu

erwecken, Vollmer habe mit der Entsendung des Feldjä-

gers bereits Ermittlungen gegen Oberst Klein eingeleitet,
1841) Vgl. etwa: Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 21.

die dann aber gestoppt worden seien, weil es die Weisung

aus Berlin gegeben habe, dass nationale Untersuchungen

erst im Anschluss an die ISAF-Untersuchungen durchge-

führt werden sollen.
1842

Mit dieser durchsichtigen Strategie versuchten die beiden

Zeugen davon abzulenken, dass sie mit der Veränderung

des INTSUM den einzigen förmlichen Anlass für eigene

disziplinarische Ermittlungen beseitigt hatten und dass

ihnen persönlich nichts ferner lag, als gegen Oberst Klein

jetzt auch noch ein förmliches Disziplinarverfahren zu

eröffnen.

Sie hatten vielmehr dafür Sorge getragen, dass der einzige

formale Anhaltspunkt für die Einleitung disziplinarer

Ermittlungen, nämlich die Formulierungen in dem besag-

ten INTSUM, zunächst aus der Welt geschafft worden

war.

Faktenwidrig wurde von beiden Zeugen versucht, den

Ausschuss davon zu überzeugen, dass die Untersuchun-

gen des Feldjägerführers im Einsatz, des Zeugen Br.,

wegen einer Weisung aus Berlin abgebrochen worden

seien.
1843

Der besagte Feldjägerführer hat im Ausschuss hingegen

glaubhaft bekundet, weder etwas davon mitbekommen zu

haben, dass sein Auftrag Teil disziplinarischer Ermittlun-

gen gewesen sein solle, noch dass diese Ermittlungen

vorzeitig abgebrochen worden seien.
1844

Es habe sich

auch keineswegs um eine „nationale Untersuchung“ ge-
handelt. Für ihn sei es „nichts anderes als die Sachverhalt-
sfeststellung und das Verdichten des Lagebildes für Gene-

ral Vollmer“ gewesen und diese habe er auch vollständig
abgeschlossen.

1845
Sich im Ausschuss damit zu brüsten, man habe ja schon

von Anfang an disziplinar ermitteln wollen und sei nur

durch eine Weisung aus Berlin davon abgehalten worden,

dürfte damit nachweislich in den Bereich der Märchen zu

verweisen sein.

Mit der klaren Aussage des Feldjägerführers im Einsatz,

dass er seine Arbeit keineswegs abgebrochen, sondern zu

Ende geführt habe, hat sich auch die wiederholte Behaup-

tung der Mehrheit, Generalinspekteur Schneiderhan habe

die Feldjägeruntersuchung eigenhändig „gestoppt“,1846 als
unwahr erwiesen.

c) Verschleierung im Pressestab gegenüber
der Öffentlichkeit

Ausführlich wurden die verschiedenen Verschleierungs-

bemühungen des Pressestabes im Bundesverteidigungs-

ministerium bereits dargestellt:
1842) Vgl. Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 65; Vollmer, Protokoll-

Nr. 12, Teil II, S. 26.

1843) Vgl. Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 64 f.; Vollmer, Protokoll-

Nr. 12, Teil II, S. 8, 26.
1844) Vgl. nur: Br., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 11, 18 f., 37, 44.

1845) Br., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 44.

1846) Vgl. etwa Mehrheitsbewertung, S. 182 ff. und 203.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 283 – Drucksache 17/7400

– Leugnung ziviler Opfer, auch mit dem Ziel, Entschä-
digungsansprüche möglichst zu vermeiden.

– Vortäuschen von Zeitdruck bei der Entscheidung
zum Luftschlag durch falsche chronologische Dar-

stellungen.

– Falschmeldung zum bevorstehenden Angriff der
Lastwagen auf das PRT Kunduz trotz Widerspruch

zur eigenen Online-Meldung, die davon sprach, dass

der Treibstoff für eigene Zwecke in den Distrikt

Chahar Darrah verbracht werden sollte und Hinwei-

sen, dass die festgefahrenen Tanklaster in Brand ge-

setzt werden sollten.

– Erfinden einer so genannten „dritten Quelle“, angeb-
liche SIGINT des afghanischen Geheimdienstes, auf

die die Entscheidung zum Luftschlag gestützt worden

sei, für die Bundespressekonferenz vom 7. September

2009.

– Diffamieren des IAT-Berichts der NATO als „Reise-
bericht“ in den Bundespressekonferenzen vom 9. und
11. September 2009 und Verschleierung seiner Inhal-

te, insbesondere zu den offenkundigen Verstößen von

Oberst Klein gegen NATO-Einsatzregeln.

– Angebliche Ermordung eines der Fahrer wird als
Beleg für unmittelbare Bedrohung präsentiert, nicht

als möglicher Hinweis auf die Anwesenheit eines Zi-

vilisten am Tatort.

– Versuch der Leugnung, dass Tanklastwagen festge-
fahren waren (SMS von Malte Krause).

d) Sonstige Verschleierungsaktivitäten im
Ministerium

Neben den Aktivitäten des Pressestabes sind in der Be-

weisaufnahme noch weitere Vorgänge innerhalb des Mi-

nisteriums offenkundig geworden, die ebenfalls der Ver-

schleierung dienten:

aa) Einflussnahme auf die NATO-
Untersuchung

Nach Abschluss der Beweisaufnahme bleibt der Eindruck

bestehen, dass auch die Schaffung der so genannten

„Gruppe 85“ im Bundesministerium der Verteidigung
unter anderem dem Ziel diente, unerwünschten Entwick-

lungen im Zuge der NATO-Untersuchung entgegenzu-

wirken.

Selbst wenn die Arbeitsgruppe nach Aussagen von Staats-

sekretär Dr. Wichert allein der Aufgabe dienen sollte, das

JIB bzw. die NATO-Untersuchung zu unterstützen bzw.

seine Arbeit zu begleiten, wurde auf Nachfragen deutlich,

dass es auch darum ging, ein für Bundeswehr und Oberst

Klein nachteiliges Ergebnis zu verhindern.

Das deutsche Mitglied des JIB, der Zeuge Vo., berichtete

dem Ausschuss, dass er von den deutschen Kollegen, die

sich ihm gegenüber nie als organisierte Einheit zu erken-

nen gegeben hätten, keine sachdienlichen Informationen

erhalten habe. Deutsche Beiträge zur NATO-

Untersuchung seien auf diesem Wege nicht geleistet wor-

den. Dagegen sei er immer wieder zum Fortgang der

Untersuchung und möglichen Schlussfolgerungen befragt

worden.

Nur in zwei Fällen habe er von sich aus den Kontakt auf-

genommen. Zum einen habe er dabei den Feldjägerbericht

angefordert, von dem das JIB im Zuge von Zeugenbefra-

gungen erfahren hatte. Da der Bericht „nur Deutschen zur
Kenntnis“ gegeben werden sollte, wertete er den Bericht
im Oktober im Auftrag des Untersuchungsteams aus. Er

bestätigte dem Ausschuss, dass der Bericht nach seiner

Auffassung keine dem Untersuchungsteam zum damali-

gen Zeitpunkt nicht aus anderen Quellen bekannten Er-

kenntnisse enthielt. Daher sah das JIB von einer förmli-

chen Auswertung und Einbeziehung in den Bericht ab.

Zum anderen habe der Zeuge Vo. selbst nur einmal im

Auftrag des JIB den Rat der deutschen Kollegen gesucht,

als es um rechtliche Konsequenzen einer bestimmten

Untersuchungsrichtung gegangen sei. Bei diesem Mei-

nungsaustausch habe sich die Vermutung bestätigt, dass

ein solches Vorgehen zu einem Abbruch der NATO-

Untersuchung geführt haben würde, weil strafrechtliche

oder disziplinarische Sanktionen in Deutschland die Folge

gewesen wären.

In einem solchen Falle hätte die Untersu-

chung des Vorgangs von der NATO an den betroffenen

Mitgliedsstaat übergeben werden müssen. Daran hatten

beide Seiten kein Interesse, so dass dieser Untersuchungs-

strang vom JIB nicht weiter verfolgt wurde.

Um welche Frage es sich dabei genau handelte, ließ sich

in der Befragung nicht abschließend klären. Aber die

Schlussfolgerung liegt auf der Hand, dass es sich dabei

um Verfehlungen des Kommandeurs oder seiner Unterge-

benen bei der Entscheidung zum Luftangriff handelte, die

strafrechtlich oder disziplinarrechtlich zu verfolgen gewe-

sen wären. Und in dieser Beziehung hatte die Stellung-

nahme der „Gruppe 85“ Einfluss auf den Verlauf der
NATO-Untersuchung.

bb) Verschleierung der Beteiligung von Perso-
nen der „Task Force 47“

Erst nach der Veröffentlichung des NATO-

Untersuchungsberichts wurde in der Obleute-

Unterrichtung vom 6. November 2009 erstmals überhaupt

die Beteiligung der Spezialkräfte der „Task Force 47“ an
dem Luftangriff erwähnt. Die Öffentlichkeit erfuhr davon

erst einen Monat später durch einen Bericht der „„Bild“-
Zeitung“.1847

Zwar hat die Beweisaufnahme klar ergeben, dass es sich

bei dem Luftangriff nicht um eine verdeckte Operation

der TF47 handelte. Dennoch verbinden sich mit ihrer

Beteiligung viele wichtige Fragen. Durch die Führung aus

der Operationszentrale der TF47 war Oberst Klein nicht
1847) „Neue Details über den Luftschlag von Kunduz: Welche Rolle

spielte Elitetruppe KSK?“Bild, online-Ausgabe, 10. Dezember
2009.

Drucksache 17/7400 – 284 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
von seinem üblichen Stab und seinen Beratern umgeben.

Diese hätte er zur Unterstützung herüberbitten können,

doch unterließ er dies bewusst. Durch diese Konstellation

erlangten die Informationen bzw. der Ratschlag des in

jener Nacht ranghöchsten Offiziers der Task Force,

Hauptmann N., eine zentrale Bedeutung für die Abläu-

fe.
1848

Die Beteiligung der TF47 bzw. zumindest einiger ihrer

Mitarbeiter, hatte somit Einfluss auf die Geschehnisse

jener Nacht. Dennoch wurden Parlament und Öffentlich-

keit über diesen Zusammenhang solange im Unklaren

gelassen, bis sich dies angesichts der Hinweise im

NATO-Untersuchungsbericht nicht mehr leugnen ließ.

cc) Verweigerung einer nationalen Untersu-
chung nach Eingang des COM ISAF-
Berichts

Wie wenig dem Bundesministerium der Verteidigung an

einer wirklichen Aufklärung der Vorgänge gelegen war,

zeigt sich an dem Verzicht auf eine nationale Untersu-

chung bzw. einen eigenen Bericht zum Vorgang. Die

ursprüngliche Entscheidung von Anfang September, der

NATO-Untersuchung den Vortritt zu lassen, weil diese

auch Zugang zu den US-Piloten haben würde, ist noch

nachvollziehbar.

Dagegen ist kaum nachvollziehbar, warum der Faden

nach Abschluss der NATO-Untersuchung nicht noch

einmal aufgenommen wurde. Denn zu den Gründen für

das desaströse Krisenmanagement und die fehlerhafte

Information von Öffentlichkeit und Parlament machte der

NATO-Bericht überhaupt keine Aussagen. Hier eine

schonungslose Bilanz und die nötigen Lehren zu ziehen,

wäre die originäre Aufgabe des Ministeriums gewesen,

um Ähnliches bei Auslandseinsätzen in der Zukunft zu

vermeiden.

e) Verschleierung gegenüber dem Parlament

Das Gefühl einer Verpflichtung zu besonderer Loyalität

gegenüber Oberst Klein wirkte sich auch negativ auf die

Information des Parlamentes aus. Während nach Vorlie-

gen des IAT-Berichts und der Feststellung eines ausrei-

chenden Anfangsverdachts für eine förmliche NATO-

Untersuchung durch das JIB zivile Opfer nicht generell

ausgeschlossen wurden, hielt man sich bei dem zweiten

Themenkomplex des IAT-Berichts zunächst bedeckt: der

Kritik an möglichen Verletzungen der NATO-

Einsatzregeln durch Oberst Klein und seine Besatzung.

Kritische Stellungnahmen wurden weder bei schriftlichen

noch bei den mündlichen Unterrichtungen der Bundes-

tagsgremien, insbesondere des Verteidigungsausschusses

und seiner Obleute, im Zeitraum vom 8. bis 11. Septem-

ber deutlich dargestellt. Sie wurden selbst dann nicht

angesprochen, wenn dazu in den Sprechzetteln entspre-

chende Ausführungen vorgesehen worden waren.
1848) Vgl. hierzu ausführlich oben ab Seite 226 ff.

Generalinspekteur Schneiderhan räumte im Ausschuss

ein, dass erst nach seiner Rückkehr von seiner Afghanis-

tan-Reise ab dem 16. September 2009 den Obleuten darü-

ber berichtet wurde, dass beispielsweise die Luftbilder

nicht dazu geeignet gewesen waren, die Anwesenheit von

Waffen nachzuweisen, oder die Anwesenheit von Zivilis-

ten auszuschließen. Er sei nach den Gesprächen mit

Oberst Klein und seinen Vorgesetzten bei ISAF mit der

Überzeugung zurückgekehrt, dass Fehler bei der Ent-

scheidung zum Luftangriff gemacht worden seien.

Trotz der Bitte von Mitgliedern des Verteidigungsaus-

schusses, Ihnen den IAT-Bericht im Original zur Verfü-

gung zu stellen, entschied sich Bundesminister Dr. Jung

dagegen.
1849

Staatsekretär Dr. Wichert begründete diesen

Schritt formal damit, dass es sich um ein geheimes

NATO-Dokument gehandelt habe, und die Exekutive

generell nicht zur Herausgabe von Akten gegenüber der

Legislative verpflichtet sei.

Mit der Übergabe der Akten an den Untersuchungsaus-

schuss ist heute jedoch offensichtlich, dass schon damals

die Mängel in der Unterrichtung des Parlamentes zu Tage

getreten wären, und dies in der Situation des Bundestags-

wahlkampfs zu heftiger Kritik an der Bundesregierung,

insbesondere am Verteidigungsminister, Anlass geboten

hätte.

Nach der Beweisaufnahme ergibt sich ein erschreckender

Befund: Der Deutsche Bundestag wurde nur scheibchen-

weise über den Luftangriff unterrichtet. Informiert wurde

allein über einzelne Sachverhalte, die bereits öffentlich

bekannt geworden und damit nicht mehr zu leugnen war-

en. Auch in diesen Fällen erfolgte die Unterrichtung häu-

fig noch unvollständig. Diese Taktik diente zum einen

dem Zweck, den deutschen PRT-Kommandeur vor Kritik

zu schützen, zum andern dazu, die Fehler des Ministe-

riums in der Aufarbeitung des Vorfalls sowie die irrefüh-

renden Darstellungen gegenüber der Öffentlichkeit solan-

ge wie möglich zu kaschieren. Verantwortlich für diese

unangemessene Unterrichtung des Parlaments waren vor

allem der damalige Bundesminister Dr. Jung, Generalin-

spekteur Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Wichert.

Dabei wurde aber wenigstens nicht so verfahren wie im

Pressestab, und den Abgeordneten immerhin keine be-

wusst falschen Informationen übermittelt, sondern nur auf

die Übermittlung eigentlich wichtiger Informationen

bewusst verzichtet.

Staatssekretär Dr. Wichert begründete die schleppende,

selektive Informationspolitik mit dem Hinweis, man habe

dem Parlament nur „bewiesene Tatsachen“ präsentieren
wollen, um nicht der Lüge bezichtigt zu werden.

Dies mag eventuell der bis dahin üblichen Verfahrenswei-

se im Ministerium entsprochen haben, jedoch stellt dies

keinen angemessenen Umgang mit dem Parlament dar.
1850

Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind durchaus in
1849) Infolge des politischen Drucks wurde der Bericht am 11. Septem-

ber 2009 den Fraktionsvorsitzenden über die Geheimschutzstelle

des Bundestages zugänglich gemacht.

1850) Dr. Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 73, 109.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 285 – Drucksache 17/7400

der Lage, auch die Information aufzunehmen, dass es

bestimmte noch nicht verifizierte Hinweise in bestimmte

Richtungen gibt. Es kommt immer auf die Art der Unter-

richtung an, ob diese hinreichend differenziert und über-

zeugend erfolgt. In der Praxis des Ministeriums wurde

deutlich, dass man das Parlament im Unklaren lassen

wollte.

Eine genauere Analyse der Obleute-Unterrichtungen

zeigt, dass es sich bei der mangelhaften Unterrichtung des

Bundestages nicht um punktuelle Versäumnisse, sondern

um ein eher systematisches Vorgehen handelte:

Die Obleute-Unterrichtung vom 4. September 2009

enthielt keinerlei Angaben zu möglichen zivilen Opfern

und keinen Hinweis auf die parallele Veröffentlichung

von Zahlen durch die Bundeswehr im Internet („56 Auf-
ständische wurden getötet“).1851 Ebenso wenig fand sich
darin ein Hinweis auf die von der Linie des BMVg ab-

weichende Stellungnahme der NATO vom gleichen Tage:

„ISAF has received information that civilians were killed
and injured.“1852 Die Information ging nicht an das Par-
lament, obwohl der Zeuge Glatz aussagte, dass er diese

Mitteilung über den Adjutanten des Generalinspekteurs

mit dem Hinweis, dass diese Information für die Obleute-

Unterrichtung bestimmt sei, weitergeleitet bekommen

habe.
1853

Gegenüber dem Ausschuss stellte der Zeuge Schneider-

han dar, dass dies eine seiner ersten Interventionen gewe-

sen sei, auf Änderungen im Kommunikationsverhalten

des Verteidigungsministeriums hinzuwirken.

Befremdlich wirkt es, dass der Zeuge Dr. Jung keinen

Widerspruch darin sehen wollte, dass er in der ersten

Obleute-Unterrichtung vom 4. September 2009 keine

Zahlen zu den Opfern nannte, weil es keine gesicherten

Angaben gegeben habe, während zeitgleich das Verteidi-

gungsministerium im Internet solche Zahlen verbreitete,

ohne dass er dagegen vorging.
1854

Obwohl bereits am 4. September 2009 durch den Bericht

des PsyOpsTeams des Zeugen Be. eigene Hinweise auf

mögliche zivile Opfer im BMVg vorlagen, wurden die

Obleute darüber erst am 7. September 2009 informiert.
1855

Die Obleute-Unterrichtung vom 5. September 2009 be-

schränkte sich auf die Aussage, dass die Untersuchung

des IAT andauere. Sie berichtete weder über Hinweise auf

zivile Opfer vom Vortag noch über die öffentliche Stel-

lungnahme des COM ISAF oder die detaillierte Schilde-

rung der Vorgänge durch den schriftlichen Bericht Oberst

Kleins vom gleichen Tage.
1856

Auch die Obleute-Unterrichtung vom 7. September 2009

verschwieg Informationen zum IAT-Bericht, dessen zent-
1851) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 24-27.

1852) PM des HQ ISAF, die per E-Mail um 9.26 Uhr an den Stellv.
Pressesprecher KzS Dienst (Dokument 85), Mat. 17-21a, Ordn. 1,

S. 24-26, hier S. 26.

1853) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil I, S. 63.
1854) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 50.

1855) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 5-9.

1856) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 4.

rale Inhalte im Ministerium zu diesem Zeitpunkt durch

den Bericht des deutschen Mitglieds Oberst Ne. bereits

bekannt waren. Insbesondere fehlen Hinweise auf die

Einschätzung, dass es höchstwahrscheinlich zivile Opfer

und Verfahrensverstöße gegeben habe, obwohl die Süd-

deutsche Zeitung darüber bereits berichtet hatte. Der

Schwerpunkt der Berichterstattung lag statt dessen auf der

am Vortag übermittelten Stellungnahme afghanischer

Offizieller der Provinz Kunduz vom 4. September, es

seien nur „regierungsfeindliche Kräfte getötet worden“. In
diesem Zusammenhang ging die Unterrichtung jedoch

immerhin erstmals auf die Opferzahlen vom 4. September

und die Indizien für jugendliche Verletzte im Kranken-

haus Kunduz ein.
1857

In der mündlichen Obleute-Unterrichtung sowie den Sit-

zungen des Verteidigungs- und Auswärtigen Ausschusses

am 8. September 2009 wurde erstmals eingehend über

den IAT-Bericht informiert, insbesondere über dessen

Ermittlungen zu den Entscheidungsprozessen im PRT und

zu zivilen Opfern.

Die Obleute-Unterrichtung vom 9. September 2009 be-

richtete kursorisch über den Eingang des IAT-Berichts im

BMVg, über dessen Votum für eine förmliche Untersu-

chung durch das JIB, um offene Fragen zu klären und

Empfehlungen zur Ergänzung der Einsatzregeln zu lie-

fern. Die Kritik an zivilen Opfern und möglichen Verfah-

rensverstößen Oberst Kleins wurde in der Obleute-

Unterrichtung jedoch weiter verschwiegen.
1858

Generalinspekteur Schneiderhan informierte die Obleute

erst am 16. September 2009 nach seiner Rückkehr aus

Kunduz mündlich darüber, dass sich die Anwesenheit von

Zivilisten anhand der Luftbilder der F-15 nicht ausschlie-

ßen ließ, und lieferte damit den ersten Hinweis auf Zwei-

fel an der Entscheidung Oberst Kleins von Seiten des

BMVg gegenüber dem Parlament.
1859

Von den Sprechzetteln für die vorhergehenden mündli-

chen Obleute-Unterrichtungen vom 8. und 11. September

2009, welche den IAT-Bericht ausführlich darstellten und

erstmals auf mögliche Regelverletzungen durch Oberst

Klein hinwiesen (mit Festfahren der LKWs entfiel „un-
mittelbare Bedrohung“), machten seinerzeit weder er
noch der Minister Gebrauch.

1860
Nach dieser Analyse der Unterrichtungen des Bundesta-

ges durch das BMVg kann man zunächst durchaus der

Einschätzung des Zeugen Dr. Raabe zustimmen, der

gegenüber dem Ausschuss feststellte, der Inhalt der Ob-

leute-Unterrichtungen hinke generell hinter der Bericht-

erstattung in den Medien hinterher und falle „relativ dürf-
tig“ aus.1861 Der Unterschied zu seiner Strategie der Un-
terrichtung der Öffentlichkeit lag jedoch darin, dass den
1857) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 5-9.

1858) Dokument 139, S. 10-12.

1859) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 15.
1860) Mat. 17-42a, Ordn. 2, S. 28-52; Mat. 17-21a, Ordn. 2, S. 57-63,

hier S. 60 und S. 51.

1861) Dr. Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7.

Drucksache 17/7400 – 286 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Abgeordneten zumindest keine falschen Informationen

unterbreitet wurden.

Insgesamt ist festzustellen, dass nicht nur der Luftangriff

selbst „nicht angemessen“ war, sondern dass diese Bewer-
tung vor allem für die Art und Weise des Umgangs des

Verteidigungsministeriums mit dem Parlament gelten

muss. Hier muss die Zukunft erweisen, ob sich der neue

Verteidigungsminister eines anderen, ehrlicheren Um-

gangs mit dem Parlament verpflichtet fühlt.

VII. Freiherr zu Guttenberg: Illusion und Insze-
nierung

Während die Probleme im Bundesministerium der Vertei-

digung zur Amtszeit von Minister Dr. Jung tieferliegende

strukturelle Ursachen hatten, die im Rahmen dieses Son-

dervotums ausdrücklich adressiert werden mussten, be-

darf es einer solchen tiefergehenden Auseinandersetzung

mit den Fehlern und Missständen zur Amtszeit des Frei-

herrn zu Guttenberg nach dessen Rücktritt von allen poli-

tischen Ämtern eigentlich nicht.

Dies liegt daran, dass es sich dabei vor allem um Proble-

me seiner persönlichen „nassforschen Selbstherrlich-
keit“1862 handelte. Insofern sind aus diesen persönlichen
Verfehlungen keinerlei nachhaltige Lehren in der Sache

zu ziehen.

Nachdem die Mehrheit jedoch den Schwerpunkt ihrer

Bewertung auf eine nachträgliche Rechtfertigung des

Verhaltens des damaligen Ministers gelegt hat und dafür

die von diesem begonnene ungerechtfertigte und unans-

tändige Verleumdung des damaligen Generalinspekteurs

Schneiderhan und des damaligen Staatssekretärs

Dr. Wichert perpetuiert, diese hätten aus purem Eigennutz

den Verteidigungsministern jahrelang wichtige Informa-

tionen vorenthalten, kann doch nicht ganz auf eine Be-

wertung zumindest einiger Aspekte des Vorgehens des

Freiherrn zu Guttenberg in seiner Zeit als Bundesminister

der Verteidigung verzichtet werden.

1. Zur Bewertung des Luftangriffs als „zwin-
gend“

Die erste öffentliche Aktivität des Freiherrn zu Gutten-

berg in Sachen „Luftangriff von Kunduz“ war am 6. No-
vember 2009 zu verzeichnen. Hier wollte der damalige

Verteidigungsminister, der gerade erst wenige Tage im

Amt war, sich selbst öffentlich zum Luftangriff äußern

und dabei über die zuvor vom Generalinspekteur abgege-

bene Bewertung des Luftangriffs als „in operativer Hin-
sicht militärisch angemessen“ hinausgehen. Er ver-
objektivierte die Bewertung des Generalinspekteurs, in-

dem er den Militärschlag allgemein als „militärisch an-
gemessen“ bezeichnete und zusätzlich öffentlich bekun-
dete:
1862) So jedenfalls die eingängige Bewertung von Arnulf Baring, in:

„Welt am Sonntag“ vom 6. März 2011: „Ein Mogelpeter vor dem
Herrn“.

„Ich darf allerdings auch sagen, dass ich nach
meiner Einschätzung zu dem Schluss komme:

Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben

hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müs-

sen.“1863

Für diese starke Ausweitung der zuvor mit Bedacht zu-

rückhaltend gewählten Formulierung gab es keinerlei

sachliche Gründe. Es liegt nahe, dass dieses Vorgehen des

damaligen Ministers dem Ziel diente, sich zu Beginn

seiner Amtszeit möglichst schnell mit einem solch umfas-

senden „Freispruch“ von Oberst Klein bei den Soldatin-
nen und Soldaten beliebt zu machen.

Dabei erschließt sich die Logik dieser Aussage bis heute

nicht. Denn wie oben ausführlich erörtert, hätte es ohne

Verfahrensfehler niemals zu dem Luftangriff kommen

können. Beispielsweise hätte schon die Luftunterstützung

durch die F15-Bomber nicht angefordert werden dürfen

und andere NATO-Stellen hätten in den Waffeneinsatz

eingebunden werden müssen.

Insofern ist es auch verständlich, wenn die Mehrheit diese

logischen Untiefen mit der Feststellung umschifft, dass

Freiherr zu Guttenberg mit dieser Aussage

„seine politische Unterstützung für den (…) um-
sichtig handelnden Oberst Klein zum Ausdruck

bringen wollte“.1864

Nachdem sich später herausstellte, dass diese Formulie-

rung wegen des durch die „Bild“-Zeitung mit der Veröf-
fentlichung des Feldjägerberichts ausgeübten öffentlichen

Drucks auf den Minister nicht mehr aufrechterhalten

werden konnte, musste ein Schuldiger für diesen Fauxpas

gefunden werden.

Und so wundert es nicht, dass Freiherr zu Guttenberg im

Untersuchungsausschuss erstmals den wirklich Verant-

wortlichen für diesen Fehltritt präsentiert hat, nämlich

Generalinspekteur Schneiderhan:

„Ich berichtete (…) noch von einem Telefonat, das
ich am Vorabend mit General Schneiderhan ge-

führt hatte, der sich zu diesem Zeitpunkt auf einer

Dienstreise in Bratislava befand. Dabei hatte ich

mich mit General Schneiderhan auf diese Linie

und den konkreten Wortlaut verständigt und ihm

auch mitgeteilt, dass ich so gegenüber der Öffent-

lichkeit zu argumentieren beabsichtige. Wohlge-

merkt: General Schneiderhan äußerte mir gegenü-

ber keinerlei Einwände, auch nicht bezüglich einer

der Formulierungen.“1865

Damit die Schuldzuweisung nicht ganz so auffällig wirkt,

wurde an anderer Stelle der Vernehmung dann noch ein-

geflochten, dass es sich bei diesem Zusatz doch um seine

eigene Formulierung gehandelt habe:
1863) Pressestatement des Ministers Freiherr zu Guttenberg zum The-

ma ISAF-Untersuchungsbericht zum Luftangriff am 04. Septem-

ber 2009 im Raum Kunduz (Dokument 155) S. 2.
1864) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 188.

1865) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8 (Hervorhe-

bungen nur hier).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 287 – Drucksache 17/7400

„Das ist eine Formulierung, die jetzt kein Vor-
schlag war von der militärischen oder zivilen Spit-

ze des Hauses oder jener, die mich damals beraten

haben, sondern die von mir persönlich

stammt.“1866

Jedoch lässt er keinen Zweifel daran, dass er genau diese

Formulierung Schneiderhan wortwörtlich am Telefon

vorgelesen und dieser nicht die geringsten Einwände

erhoben habe:

„Also, auf jeden Fall erinnere ich mich, dass ich
die wesentlichen Sätze ihm wörtlich vorgelesen

habe. (…) Dabei hatte ich mich mit ihm auf diese
Linie und den konkreten Wortlaut verständigt und

ihm auch mitgeteilt, dass ich so gegenüber der Öf-

fentlichkeit zu argumentieren beabsichtige. So war

es.“1867

Dieser Darstellung der Geschehnisse wurde im Ausschuss

durch den Zeugen Schneiderhan energisch widerspro-

chen: Bei dem Telefonat am 5. November 2009, bei dem

er sich in einem Hotelzimmer in Bratislava aufhielt, habe

ihm der Minister nur sinngemäß erklärt, er werde ihn

hinsichtlich seiner eigenen Bewertung des Vorfalls in der

vergangenen Woche „nicht im Regen stehen lassen“. Er –
der Zeuge Schneiderhan – habe keine Empfehlung aus-
gesprochen, dass es selbst dann, wenn es keine Verfah-

rensfehler gegeben haben würde, zum Luftschlag hätte

kommen müssen. Auch sei ihm nichts „vorgelesen“ wor-
den:

„Ich habe nicht gemerkt, dass der Minister mir
was vorliest, und ich kann mich auch nicht daran

erinnern, dass der Minister mich auf diesen Punkt

aufmerksam gemacht hätte. (…) Das habe ich so
nicht wahrgenommen, dass es hier um eine Ab-

stimmung zu einem ganz wesentlichen Punkt geht,

wo der Minister meine Zustimmung gesucht hat.

Das habe ich aus diesem Gespräch nicht entnom-

men.“1868

„Wenn der Minister mir gesagt hätte: „Passen Sie
auf, ich gehe da weiter“, also ausgedrückt hätte,
was der Zweck dieses Gespräches ist, bin ich si-

cher, ich hätte es gemerkt. So, muss ich Ihnen sa-

gen, habe ich nicht gemerkt, dass ich abstimme mit

dem Minister, dass er in seiner Presseerklärung

über meine Beurteilung hinausgeht.“1869

Die Darstellung des Zeugen Schneiderhan erscheint nicht

nur auf den ersten Blick glaubhafter als die des Freiherrn

zu Guttenberg: Der Zeuge Schneiderhan hatte im Aus-

schuss wiederholt nachvollziehbar dargestellt, welche

Brisanz seine eigene öffentliche Erklärung zur Bewertung

des Luftangriffs als „in operativer Hinsicht militärisch
1866) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 29.
1867) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 29.

1868) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, S. 30.

1869) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, S. 21.

angemessen“ hatte und wie jedes seiner Worte „mehrfach
rumgedreht und ausgetüftelt“1870 worden sei.

Es ist nicht plausibel, dass der Generalinspekteur, der dies

als „Ritt auf der Rasierklinge“1871 beschrieben hatte, eine
solch weitreichende und unlogische neue Formulierung

am Telefon einfach so goutiert haben soll. Ebenso wenig

plausibel erscheint es, dass der Minister dem Generalin-

spekteur in Bratislava am Mobiltelefon ein anderthalb

Seiten umfassendes
1872

Redemanuskript vorliest und von

diesem „absegnen“ lässt, ohne ihm den Text zuvor in das
Hotel zu faxen, wenn es ihm wirklich darum gegangen

wäre, die Meinung des Generalinspekteurs zu einer so

weitreichenden Neupositionierung zu erfahren.

Zudem findet sich dieses angebliche Redemanuskript mit

den angeblich handschriftlichen Ergänzungen des Minis-

ters, das er General Schneiderhan vorgelesen haben will,

nicht in den an den Ausschuss übermittelten Akten. Die

Zusage des Zeugen Freiherr zu Guttenberg in seiner

Vernehmung, das Manuskript dem Ausschuss nachträg-

lich zur Verfügung zu stellen,
1873

hat der damalige Minis-

ter dann leider auch nicht eingehalten.

Insgesamt war festzustellen, dass der damalige Minister

wenig zur Aufklärung beigetragen und in seiner Verneh-

mung im Ausschuss auf konkrete Nachfragen von Aus-

schussmitgliedern nur immer wieder darauf bestand, eine

entsprechende Passage aus seinem vorformulierten Ein-

gangsstatement erneut vorzulesen.
1874

Naheliegender ist die Annahme, dass Freiherr zu Gutten-

berg seine neue Formulierung nachträglich zu rechtferti-

gen versuchte, um auch hierfür die Verantwortung abzu-

schieben. Gleichzeitig aber noch damit zu kokettieren, mit

welcher menschlichen Größe er doch zu seinen eigenen

Fehlern stehe,

- „In allen meinen Gesprächen mit Soldaten habe
ich festgestellt, dass sie Verständnis dafür haben,

wenn auch ein Minister zugibt, mal einen Fehler

gemacht zu haben, und sich korrigiert, ebenso wie

diese selbst bereit sind, zu militärischen Fehlern

zu stehen.“1875 -

hinterlässt einen faden Beigeschmack. Wenn er diese

Größe wirklich gehabt hätte, hätte es dieser konstruierten

Abschiebung der sachlichen Verantwortung auf Schnei-

derhan kaum gebraucht.

Schon früh zeigt sich, dass Freiherr zu Guttenberg vor

allem ein Meister der „Illusionspolitik“ war. Er vermochte
es, die Illusion von sachlicher Kompetenz und Lernfähig-
1870) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, S. 21.

1871) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, S. 37.

1872) So jedenfalls die Länge der Tonbandabschrift des tatsächlich
gehaltenen Statements, Mat. 17-21a, Ordn. 3, S. 165 f.

1873) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 70.

1874) Vgl. nur beispielhaft: Protokoll-Nr. 18, S. 20 [re. Spalte]; S. 21
[li. Spalte]; S. 25 [li. Spalte]; S. 27 [li. Spalte]; S. 30 [re. Spalte];

S. 33 [re. Spalte]; S. 39 [li. Spalte]; S. 42 [li. Spalte]; S. 43 [re.

Spalte]; S. 51 [li. Spalte]; S. 52 [re. Spalte]; S. 67 [li. Spalte un-
ten]; S. 78 [li. Spalte unten].

1875) Freiherr zu Guttenberg, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom

25. Januar 2010.

Drucksache 17/7400 – 288 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
keit, von Verantwortungsbereitschaft und Gradlinigkeit,

von Aufrichtigkeit und moralischer Unbestechlichkeit, zu

erzeugen, obwohl sich objektiv geradezu das Gegenteil

manifestierte, wenn man nur genauer hinschaute.

Die Mehrheit ist nach wie vor in dieser Illusion verfan-

gen, applaudiert dem tadellosen Charakter zu Gutten-

bergs, mit dem er öffentlich den eigenen Fehler der fal-

schen Bewertung einräumt,
1876

folgt ihm aber gleichzeitig

auf dem Pfad, die eigentliche Verantwortung für diesen

Fehler auf andere abzuschieben.

Das Telefonat mit Schneiderhan in Bratislava bildet für

die Mehrheit nur den Einstieg. Die erste Bewertung des

Ministers soll einzig und allein „der lückenhaft erfolgten
Beratung“ durch Generalinspekteur Schneiderhan und
Staatssekretär Dr. Wichert geschuldet sein.

1877
Es soll –

aus welchen „Unterlagen“ auch immer – festzustellen
sein, dass die Beratung durch den Generalinspekteur „in
wesentlichen Punkten lückenhaft bzw. unvollständig“
gewesen sei.

1878
„Problematische Elemente und Berichte“

seien einfach nicht erwähnt worden. Es sei dem neuen

Minister durch eine „selektive Auswahl der Informationen
und Argumente“ ein „faktisch unkorrektes Bild der in den
Berichten bereits kritischer beschriebenen Lage vermit-

telt“ worden.1879

Bei alledem wird von der Mehrheit unterschlagen, dass

der Minister den vollständigen COM ISAF-Bericht, der

all die von ihr in der Beratung von Schneiderhan und

Dr. Wichert so vermissten kritischen Elemente enthielt,

angeblich selbst ausführlich gelesen haben will. Im Ver-

teidigungsausschuss,
1880

in der Öffentlichkeit, aber auch

in seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss unter

Wahrheitspflicht gab Freiherr zu Guttenberg an, den

COM ISAF-Bericht intensiv studiert zu haben:

„Den COM ISAF-Bericht habe ich, wie ich schon
dargestellt habe, in der Zeit, als ich diesen Kurzur-

laub nach dem 30. Oktober angetreten hatte - - In

der Zeit 30. Oktober bis 3. November habe ich

mich sehr intensiv mit diesem Bericht befasst. (…)

Die Anlagen hatte ich sozusagen in den Tagen des

Kurzurlaubs nicht dabei. Ich hatte mich allerdings

zwischen dem 03. und 06. sehr, sehr intensiv auch

mit diesen Anlagen befasst und immer wieder auch

die Anlagen mir herbeigezogen, wobei - Sie ken-

nen ja die Anlagen auch - manche von denen für

einen Laien und auch für manchen Fachmann

schier unverständlich sind mit den Abkürzungen

und ähnlichen Dingen, die da laufen.

Aber überall dort, wo ich es aus dem Bericht he-

raus - er ist ja auch sehr umfangreich mit seinen
1876) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 187.

1877) So das Mehrheitsbewertung auf S. 188 ff.

1878) So das Mehrheitsbewertung auf S. 188.
1879) So das Mehrheitsbewertung auf S. 189.

1880) „Im Hinblick auf den COM ISAF-Bericht wolle er nochmals
klarstellen, dass er sich nicht allein auf den militärischen Rat-
schlag verlassen habe. Er vertraue durchaus auf seine Fähigkeit

zu lesen und eigene Bewertungen abzugeben.“, Kurzprotokoll der
3. Sitzung vom 27.11.2009 (Dokument 163).

70 plus Seiten - für nötig erachtet habe, dass man

da noch mal die Anlage heranzieht, um sich die

Frage zu stellen, die Dinge auch noch mal zu ver-

tiefen, habe ich das in den Tagen auch ge-

macht.“1881

Für jeden, der die ersten sieben Seiten des COM ISAF-

Berichts, der eine hervorragende Zusammenfassung des

Geschehens und sämtlicher in dieser Nacht begangenen

Verstöße gegen die ISAF-Einsatzregeln enthält, auch nur

kursorisch überflogen hat, steht unumstößlich fest, dass

die Aussage, wie sie Freiherr zu Guttenberg am 6. No-

vember 2009 öffentlich getroffen hat, nicht mit diesem

Bericht in Einklang zu bringen ist.

Wegen der nach wie vor bestehenden Geheimhaltungs-

verpflichtung hinsichtlich der genauen Inhalte dieses

Berichts ist es hier nicht möglich, einzelne Formulierun-

gen beispielhaft anzuführen. Es kann jedoch deutlich

gesagt werden, dass es keinesfalls des intensiven Stu-

diums der gesamten über 70 Seiten des Berichts und aller

seiner Anlagen bedarf, um seine Essenz zu erfassen. Nach

einfachem Lesen der ersten sieben Seiten des Berichts

muss selbst ein militärischer Laie zu dem Schluss kom-

men, dass dieser Luftangriff weder angemessen noch

verhältnismäßig war.

Es ist zu vermuten, dass selbst die Mehrheit dem damali-

gen Minister nicht abnimmt, dass er auch nur die Zusam-

menfassung gelesen hat, wenn sie das angeblich intensive

Studium des Berichts durch Freiherr zu Guttenberg nicht

mit einem Wort erwähnt.

Die Annahme drängt sich auf, dass der damalige Minister

auch hier wieder allein die „Illusion“ eigener umfangrei-
cher Sacharbeit vermittelt hat, die es aber in der Realität

kaum gegeben haben dürfte. Näher liegt vielmehr die

Annahme, dass der damalige Minister sich ausschließlich

der achtseitigen Bewertung des Berichts durch den Ein-

satzführungsstab bedient hatte, die in der Tat ein eher

geschöntes Bild des COM ISAF-Berichts vermittelt.

Aber selbst dieser Vermerk, der sich im Grunde kaum von

der Bewertung der Ausschussmehrheit heute unterschei-

det, die ja ebenfalls für die wenigen von ihr benannten

Verfahrensverstöße immer eine entsprechende Rechtferti-

gungslitanei aus dem Blickwinkel von Oberst Klein lie-

fert,
1882

gibt mit keiner Silbe Anlass zu der Bewertung des

damaligen Ministers vom 6. November 2009, den Luft-

angriff sozusagen als „unausweichlich“ oder „zwingend“
zu bezeichnen.

Fest steht damit, dass die erste Bewertung des Freiherrn

zu Guttenberg, der Luftschlag habe auch bei Beachtung

aller Verfahrensvorschriften erfolgen müssen, allein durch

diesen selbst zu verantworten ist und die Schuld daran

nicht auf andere Personen abgeschoben werden kann.

Freiherr zu Guttenberg hätte gut daran getan, genau dies
1881) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.

1882) Und so räumt die Mehrheit selbst ein, dass „eine sorgfältige
Prüfung der seinerzeit zur Verfügung stehenden Fakten bei der

Bewertung „militärisch angemessen“ nicht in Abrede gestellt
werden könne; vgl. Mehrheitsbewertung, S. 189.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 289 – Drucksache 17/7400

auch offen einzuräumen, statt mit dem sprichwörtlichen

„Finger“ auf andere zu zeigen und gleichzeitig mit der
eigenen Fähigkeit zur ehrlichen Selbsteinsicht gegenüber

den Soldatinnen und Soldaten zu kokettieren.

2. Die angeblich „vorenthaltenen“ wichtigen
Dokumente

Selbstverständlich steht es einem jeden Verteidigungsmi-

nister frei, seine Staatssekretäre und auch den Generalin-

spekteur jederzeit ohne Angabe von Gründen nach Einho-

lung einer Stellungnahme der Bundeskanzlerin zu entlas-

sen oder in den (einstweiligen) Ruhestand zu versetzen,

wenn er dies politisch für opportun hält. Genau so ist auch

der heutige Verteidigungsminister Dr. Thomas de Mai-

zière mit dem beamteten Staatssekretär Walther Otremba,

der als Vertrauter seines Vorgängers für die unausgegore-

ne Strukturreform der Bundeswehr zuständig gewesen

war, verfahren, als er sich unmittelbar nach Übernahme

des Amtes von diesem getrennt hat. Dabei hat sich Dr. de

Maizière einer öffentlichen Begründung dieses Schrittes

enthalten.

Im Gegensatz dazu wurde die „Entlassung“ von Staats-
sekretär Dr. Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan

durch den damaligen Minister Freiherr zu Guttenberg

wiederholt sowohl im Parlament und gegenüber den Sol-

datinnen und Soldaten
1883

als auch öffentlich begründet

und den beiden Personen wurden gröbste Verfehlungen

vorgeworfen: Beide hätten ihm „selbst auf Nachfragen
noch Informationen vorenthalten“1884 oder gar Dokumente
„unterschlagen“1885.

Auch im Plenum des Deutschen Bundestages begründete

der damalige Minister seine „Neubewertung“ des Luft-
angriffs von Kunduz vor allem mit einem „durch das
Vorenthalten der Dokumente leider mangelnde[n] Ver-

trauen gegenüber damaligen Bewertungen“.1886

Freiherr zu Guttenberg ließ in den Tagen und Wochen

nach der Veröffentlichung des Feldjägerberichts durch die

„Bild“-Zeitung kaum ein Interview oder eine Talkshow
aus, um sich dort abfällig über die beiden Untergebenen

und ihre vorgebliche vorsätzliche Irreführung des Minis-

ters durch das Vorenthalten wichtigster Dokumente und

angeblich unzureichenden militärischen Ratschlag zu

äußern.

Diese massive PR-Kampagne des damaligen Ministers

diente dabei nur einem einzigen Zweck: es sollte auch

hier wieder eine „Illusion“ erzeugt werden, und zwar die,
1883) Im Rahmen des Tagesbefehls vom 26. November 2009 begründe-

te er die Trennung von beiden Untergebenen mit „Versäumnissen
bei der Aufarbeitung der Abläufe der Luftangriffe in Kunduz,
Afghanistan, vom 4. September 2009“ (Dokument 14).

1884) Vgl. Protokoll der 3. Sitzung des Verteidigungsausschusses vom

27. November 2009 (Dokument 163), S. 27; in der ARD bei
„Beckmann“ am 14. Dezember 2009: „die große Anzahl vor-
enthaltener Berichte“.

1885) So Freiherr zu Guttenberg im ZDF bei „Maybritt Illner“ am 10.
Dezember 2009.

1886) Stenografisches Protokoll der 9. Sitzung des Deutschen Bundes-

tages am 3. Dezember 2009 (Dokument 166), S. 681 f.

dass die inzwischen öffentlich nicht mehr haltbare Bewer-

tung des Luftangriffs als „angemessen“ oder gar „zwin-
gend“ einzig und allein auf Fehlverhalten seiner Unterge-
benen und nicht etwa auf einen Fehler des Ministers

selbst zurückzuführen sei.

Diese Kampagne des Ministers gipfelte dann darin, dass

durch „sein Umfeld“ oder vielleicht sogar durch ihn per-
sönlich gegenüber der Presse vorgebliche Einzelheiten

aus dem Gespräch mit Schneiderhan und Dr. Wichert am

25. November 2009 verbreitet wurden: Nach der Darstel-

lung im „Spiegel“ vom 29. November 2009 habe er im
Laufe des Gesprächs dreimal nach weiteren internen Be-

richten über die Nacht in Kunduz gefragt und dreimal

hätten die später Entlassenen die Existenz solcher Berich-

te abgestritten. Sogar das Wort „leugnen“ wird in diesem
Zusammenhang benutzt:

„Ob es noch mehr interne Berichte über das Bom-
bardement in Afghanistan gebe, will der Verteidi-

gungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wis-

sen. Vor ihm sitzen der Generalinspekteur der

Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan und Staats-

sekretär Peter Wichert. Nein, sagen die beiden.

Wirklich nicht?, fragt Guttenberg. Wirklich nicht.

(…) Guttenberg fragt Schneiderhan noch einmal.
Als beide wieder leugnen, entlässt er sie. So be-

richtet es sein Umfeld.“1887

Bis zum Schluss hätten die beiden Untergebenen die

Existenz des „Feldjägerberichts“ nicht einräumen wollen,
so dass ihm gar nichts anderes übrig geblieben sei, als

sich von beiden umgehend zu trennen.

Dass diese Darstellung nicht der Wahrheit entspricht, hat

inzwischen selbst Freiherr zu Guttenberg in seiner Ver-

nehmung vor dem Ausschuss eingeräumt,
1888

nachdem er

bereits unmittelbar vor der Vernehmung von Schneider-

han und Dr. Wichert im Ausschuss – wohl aus Sorge um
deren mögliche Einlassungen – im Sinne einer „Frontbe-
gradigung“ öffentlich eher halbherzig von seinen Vorwür-
fen abgerückt war.

1889
Sowohl Schneiderhan als auch Dr. Wichert hatten den

Minister unmittelbar nach Erscheinen des Artikels im

„Spiegel“ in mehreren persönlichen Briefen1890 aufgefor-
dert, die Falschdarstellungen zu ihrer Person, die von

Dr. Wichert in seinem Schreiben an den Minister vom 11.
1887) „Der Spiegel“ vom 29. November 2009, „Die Schweigespirale“,

S. 23. Dieser Artikel ist heute allerdings aus sämtlichen Daten-

banken entfernt worden und kann online nicht mehr abgerufen
werden, nachdem Dr. Wichert in einem Prozess gegen den „Spie-
gel“ vor dem Landgericht Köln (Az. 9 O 396/10) erwirkt hat,
dass die dort enthaltenen Darstellungen zum Ablauf des Ge-
sprächs mit dem Minister nicht der Wahrheit entsprechen, nicht

mehr weiter verbreitet werden.

1888) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 10.
1889) Vgl. nur: „Der Spiegel“ vom 15. März 2010: „Tarnen und Täu-

schen“ oder „Handelsblatt“ vom 17. März 2010: „Wäscht sich zu
Guttenberg rein?“; „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 15.
März 2010: „Guttenbergs Frontbegradigungen“.

1890) Schreiben Dr. Wichert an BM zu Guttenberg vom 30. November

2009 (Dokument 191).

Drucksache 17/7400 – 290 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dezember 2009 nachvollziehbar als „Rufschädigung“
qualifiziert wurden, richtig zu stellen.

Hierzu sah der sonst so auf Stil und Komment bedachte

Minister nicht die geringste Veranlassung. Während die

beiden Schreiben des ehemaligen Generalinspekteurs

noch nicht einmal einer Antwort für würdig befunden

wurden, schrieb der damalige Minister an Dr. Wichert:

„Sehr geehrter, lieber Herr Dr. Wichert,

offenbar gibt es interessierte Kreise, die mit Setzen

von vermeintlichen Zitaten und gezielten Unwahr-

heiten Unfrieden, ja Zwietracht säen wollen.

Mir ist nochmals wichtig zu betonen, dass ich

überall darauf hinweise, dass Sie für unbestrittene

Informationspannen die Verantwortung übernom-

men haben und dass ich nicht ansatzweise davon

ausgehe, dass man Ihnen hierfür Böswilligkeit un-

terstellen könnte.

Ebensowenig unerwähnt bleiben Ihre hohen Ver-

dienste und das von mir uneingeschränkt als sehr

angenehm empfundene menschliche Miteinander

sowie der Wunsch sich auch künftig fachlich aus-

tauschen zu können.

Diese Zeilen machen Artikel nicht ungeschehen,

mir war es gleichwohl ein Bedürfnis, Ihnen diesbe-

züglich zu schreiben.

Mit herzlichen Grüßen (…)“1891

Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss, in der der Zeu-

ge Freiherr zu Guttenberg einräumte, „in diesen Tagen
mit Sicherheit auch mal mit Spiegel-Journalisten gespro-

chen“ zu haben,1892 kann dieses Schreiben nur als zutiefst
unaufrichtig bezeichnet werden, zumal der „Spiegel“ in
einem Folgeartikel vom 1. Februar 2010 darauf verzichte-

te, das „Umfeld des Ministers“ zu bemühen, sondern für
die Darstellung des Gesprächs ausdrücklich den Minister

selbst heranzog:

„Lügt er oder lügt Guttenberg? Der Minister sagt:
(…)“1893

Nachdem sich Dr. Wichert damit nicht zufriedengab,

sondern den Minister erneut anschrieb und darum bat,

eine Pressemitteilung des Ministeriums mit einer Richtig-

stellung zu veröffentlichen oder ihn von der Schweigepf-

licht zu entbinden, zog Freiherr zu Guttenberg letzteres

vor. Er verband dies aber noch mit den ebenso scheinhei-

ligen Sätzen:

„Ich habe keinen Zweifel, dass Sie auf die Weiter-
gabe von Informationen verzichten, deren Veröf-

fentlichung dem Wohle unseres Landes schaden

oder die Wahrnehmung der Aufgaben der Bun-

deswehr gefährden würde. Ich für meinen Teil
1891) Schreiben BM zu Guttenberg an Dr. Wichert vom 2. Dezember

2009 (Dokument 192).
1892) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 55.

1893) „Der Spiegel“ vom 1. Februar 2010, „Ein deutsches Verbrechen“
(Dokument 159), S. 56 (Hervorhebung nur hier).

werde weiterhin an der Vertraulichkeit festhalten,

(…).“1894

Nach der Beweisaufnahme im Ausschuss muss für jeden

unvoreingenommenen Betrachter feststehen, dass Frei-

herr zu Guttenberg selbst die falschen Darstellungen des

Gesprächsablaufs an die Presse gegeben hatte.

Zu diesem Ergebnis gelangen auch Eckart Lohse und

Markus Wehner, die sich in ihrer Biographie „Gutten-
berg“,1895 ausführlich mit diesem Sachverhalt beschäftigt
haben und auf deren Darstellung und Bewertung der Ein-

zelheiten des Gesprächs hier uneingeschränkt verwiesen

werden kann.

3. Die angebliche „Neubewertung“ vom
3. Dezember 2009

Auf eine letzte fabelhafte „Illusion“ des Freiherrn zu
Guttenberg sei zum Abschluss noch hingewiesen, weil

sich diese bis heute hält und immer noch die offizielle

Position dieser Bundesregierung darstellt:

Am 3. Dezember 2009 hat es der damalige Verteidi-

gungsminister vermocht, im Plenum des Deutschen Bun-

destages den Anschein zu erwecken, er habe nach Aus-

wertung der vielen ihm zuvor vorenthaltenen Dokumente

eine umfassende „Neubewertung“ der Vorgänge von
Kunduz vorgenommen.

Auch hierbei handelte es sich jedoch um nichts anderes

als um eine geschickte Täuschung, und zwar in zweierlei

Hinsicht: Zum einen wurde darüber getäuscht, dass die

Neubewertung wegen „vorenthaltener Dokumente“ erfor-
derlich wurde und zum anderen wurde darüber getäuscht,

dass es sich wirklich um eine „Neubewertung“ gehandelt
hat.

In dem Redemanuskript des Ministers für die fraktionsof-

fene Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 1.

Dezember 2009 mit dem Thema „Die Situation in Afgha-
nistan“ heißt es:

„Ich habe zudem den Stellvertreter des Generalin-
spekteurs, Admiral Kühn, angewiesen, weitrei-

chende ergänzende Untersuchungen durchzufüh-

ren. Die Ergebnisse lasse ich gegenwärtig in einer

Gesamtschau neu bewerten. Ich behalte mir vor,

auf Grundlage des neuen militärischen Ratschlags

durch Admiral Kühn meine eigene Bewertung,

falls notwendig, zu justieren.“1896

Die Beweisaufnahme des Ausschusses ergab jedoch, dass

der Zeuge Admiral Kühn keineswegs mit „weitreichenden
ergänzenden Untersuchungen“ beauftragt worden war.
Sein „neuer militärischer Ratschlag“ erfolgte vielmehr
allein auf Grundlage eines kursorischen „Durchscannens“
1894) Schreiben BM zu Guttenberg an Dr. Wichert vom 18. Dezember

2009 (Dokument 193).

1895) Erschienen im Droehmer Verlag, 2. Auflage, 2011, S. 271 bis
292.

1896) Mat. 17-27a, Ordn. 3 (Dokument 165), S. 134 ff, 136 (Hervorhe-

bung nur hier).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 291 – Drucksache 17/7400

– also „Überfliegens“ – der vorhandenen Unterlagen
innerhalb eines halben Tages. Admiral Kühn war mit dem

Kunduz-Vorgang zuvor nicht einmal entfernt befasst

gewesen, sondern für ihn waren sämtliche Dokumente –
sogar der COM ISAF-Bericht – völliges Neuland.1897

Zudem verfasste auch Admiral Kühn hierzu nichts

Schriftliches, machte sich noch nicht einmal Notizen bei

der Durchsicht der Akten, sondern bekundete seine über-

schlägige Einschätzung nur in einer größeren „Runde“ in
Anwesenheit des Ministers am 30. November 2009, also

am selben Tag, an dem er die Akten überhaupt erstmals

vorgelegt bekommen hatte.
1898

Zur Illustration dieser

Illusion hier einige wörtliche Auszüge aus der Aussage

des Zeugen Kühn:

„Ich habe keine Gespräche mit den an der Opera-
tion Beteiligten geführt. Aus dem Zeitablauf ergibt

sich, dass ich an einem Donnerstag spät von Bonn

nach Berlin beordert worden bin, am 27. ein erstes

kurzes Gespräch hatte und erst am 30. dann die

Möglichkeit hatte, die Unterlagen einmal zu scan-

nen. Sie kennen selber den Umfang dieser Unter-

lagen.“1899

„Das Gespräch mit dem Minister fand, wenn ich
das richtig in Erinnerung habe, um 18 Uhr statt.

Am 30., im Laufe des 30. habe ich diese Papiere

gescannt. Den Auftrag dazu habe ich am Freitag

gegeben, sodass mir die Papiere am Montagmor-

gen zur Verfügung standen.“1900

„Da ich vorher keine Gelegenheit hatte, mich mit
diesem gesamtem Umfang der Dokumente zu be-

schäftigen, musste ich das dann natürlich am 30.

machen. Das war auch die erste Gelegenheit, wo

ich überhaupt Zugang zu diesen Unterlagen hatte

und ich auch die Notwendigkeit sah, mich mit die-

sen Unterlagen zu beschäftigen, da ich mich ja

vorher mit meinem eigenen Aufgabenbereich hin-

länglich beschäftigt habe.“1901

„Eine schriftliche Beratung hat es nicht gegeben.
(…) Ich habe nichts Schriftliches abgegeben und
auch an keinem Papier mitgewirkt. Ich habe mich

auch ausschließlich in dieser mündlichen Bewer-

tung gegenüber dem Minister eingelassen.“1902

„Die Gesamtheit der Dokumentenlage war für
mich maßgeblich für meine Beurteilung. In wel-

chem Dokument ich irgendeinen spezifischen An-

lass gefunden habe, vermag ich jetzt nicht zu sa-

gen. Es war auch gar nicht gegeben, sondern die

Breite des Eindruckes war für mich hinreichend,

um den Minister in der von mir geschilderten Art

und Weise zu beraten.“1903
1897) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 5, 6, 11, 12.
1898) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6 und 20.

1899) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 5.

1900) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 10.
1901) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 12.

1902) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6.

1903) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 11.

„Ich habe gesagt, es hätte auch andere Alternati-
ven des Handelns gegeben. Damit war meine Be-

ratung beendet.“1904

Dies steht eindeutig in Widerspruch zu den öffentlichen

Behauptungen des Freiherrn zu Guttenberg hinsichtlich

des Umfangs der Auswertung und der Sorgfalt bei der

Bewertung.
1905

Immer wieder wurde – ob von Admiral Kühn, Freiherr zu
Guttenberg oder auch heute noch von der Mehrheit im

Ausschuss – behauptet, dass die „Gesamtschau“ der durch
Schneiderhan und Dr. Wichert „vorenthaltenen“ Berichte
zu der Neubewertung habe führen müssen. Bis heute sind

jedoch alle Beteiligten, die diese Behauptung aufgestellt

haben, eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben,

was konkret an dieser „Gesamtschau“ neuartig oder je-
denfalls anders war gegenüber den Erkenntnissen, die

jeder bereits Wochen vorher aus dem COM ISAF-Bericht

hätte gewinnen können.

Die Behauptung der Ausschussmehrheit, die „erstmals
vollständig vorgelegten Dokumente“ hätten „ein deutlich
kritischeres Bild des Luftschlags“ gezeichnet und es sei
nicht möglich gewesen, „allein auf Grundlage des
COM ISAF-Berichts eine umfassende Bewertung des

Vorfalls abzugeben“1906 wird an keiner Stelle des Mehr-
heitsvotums auch nur entfernt mit Fakten unterfüttert.

Stattdessen wird pauschal behauptet, in den nicht vorge-

legten Berichten seien „neue, relevante Erkenntnisse
enthalten“ gewesen, die zu der Neubewertung führen
mussten.

1907
Konkret wird die Ausschussmehrheit nicht.

In der Tat ergib sich nichts Neues aus den angeblich vor-

enthaltenen Berichten. Sämtliche Fakten, sämtliche Er-

kenntnisse sind bereits umfassend im COM ISAF-Bericht

enthalten. Die einzige zur Unterstützung ihrer These prä-

sentierte Behauptung, der IAT-Bericht habe „deutlich auf
den Umfang ziviler Opfer hingewiesen“, ist sachlich
falsch:

Selbstverständlich wurden sämtliche Erkenntnisse des

IAT-Berichts im COM ISAF-Bericht berücksichtigt, denn

er bildete Auslöser und Grundlage der ISAF-

Untersuchung. Deshalb konnte der COM ISAF-Bericht

Wochen nach der Erstellung des IAT-Berichts validere

Erkenntnisse zu den zivilen Opfern präsentieren.

Weiterhin lag Minister Freiherr zu Guttenberg vor seiner

Bewertung des Luftangriffs als „zwingend“ am 6. No-
vember 2009 neben dem COM ISAF-Bericht nach eige-

nen Angaben auch der Bericht des Internationalen Roten

Kreuzes vor, auf dessen Inhalte aus Geheimschutzgrün-

den hier nicht näher eingegangen werden kann. Die Ver-

mutung, dass dieser sich ausgiebig mit möglichen zivilen
1904) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 25.

1905) Freiherr zu Guttenberg am 30. November 2009 in der ARD: „Ich
will natürlich baldmöglichst diese Neubewertung vornehmen,
aber sie muss auch substanziell sein (…)“ oder am 1. Dezember
2009 im ZDF: „Ich will eine faire Bewertung vornehmen nach ei-
ner anständigen Auswertung auch der Papiere, die jetzt vorliegen
(…)“.

1906) Mehrheitsbewertung, S. 195.

1907) Mehrheitsbewertung, S. 195.

Drucksache 17/7400 – 292 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Opfern des Luftangriffs beschäftigt hat, dürfte jedoch

nicht allzu fernliegend sein.

All dies belegt, dass die angebliche sorgfältige „Neube-
wertung“ nur dem einzigen Zweck diente, sich des von
der „Bild“-Zeitung durch die Veröffentlichung des Feld-
jägerberichts ausgelösten Drucks zu entledigen und nicht

etwa deshalb erfolgte, weil man im Bundesministerium

der Verteidigung zu der militärfachlichen Erkenntnis

gekommen wäre, dass der Luftschlag wirklich nicht hätte

befohlen werden dürfen.

Im Ministerium arbeitete man nicht etwa daran, die tat-

sächlichen Geschehnisse in Kunduz wirklich aufzuarbei-

ten, um die von der Bundeskanzlerin versprochene „unge-
schönte“ Wahrheit ans Licht zu bringen und die Gescheh-
nisse sachgerecht zu bewerten. Es ging allein darum, sich

ohne Eingeständnis der tatsächlichen Fehler und Miss-

stände und ohne dass dies in irgendeiner Weise für Oberst

Klein auch nur im Entferntesten nachteilig werden könnte,

von dem öffentlichem Druck zu befreien.

Deshalb gibt es auch keine einzige Vorlage im Ministe-

rium, in der klar, deutlich oder gar „ungeschönt“ ausgesp-
rochen wird, was genau im Rahmen dieses Luftangriffs

und im Umgang mit diesem Vorfall durch Bundeswehr

und Bundesregierung falsch gelaufen ist, aus welchen

Gründen diese Fehler erfolgen konnten und welche

Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind.

Deshalb erschöpft sich der militärische Ratschlag darin, in

banaler Weise Binsenweisheiten in Bezug auf die Mög-

lichkeiten alternativen Handelns festzustellen, wie die von

Admiral Kühn, auf den Freiherr zu Guttenberg seine

Neubewertung angeblich stützte:

„Das ist eine Erkenntnis, die natürlich auch ver-
bunden ist mit einer Lebenserfahrung, auch als

Soldat, dass es immer auch Alternativen des Han-

delns gibt - gerade auch aus meinem Erfahrungs-

schatz. Wenn Sie zur See fahren, dann werden Sie

es immer wieder haben, dass Sie rechtsrum und

linksrum machen können.“1908

Wenn das Neue in der „Neubewertung“ des Minister zu
Guttenberg war, dass es alternative Handlungsmöglich-

keiten gegeben hatte und dass deshalb der Luftangriff als

„unangemessen“ zu bewerten ist, dann fragt sich, wie der
für diesen Ratschlag zuständige Admiral Kühn gleichzei-

tig behaupten kann:

„Aber ich möchte an dieser Stelle auch betonen,
dass es aus der Situation von Oberst Klein damals

die richtige Entscheidung war.“1909

Entweder es hat Alternativen gegeben, die hätten genutzt

werden müssen und der Luftangriff war „unangemessen“
weil sie nicht genutzt worden sind, oder Oberst Klein hat

damals richtig entschieden. Beides gleichzeitig geht nicht.

Hier wird versucht, zwei völlig inkompatible Aussagen so

miteinander in Einklang zu bringen, dass niemand Scha-
1908) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 6.

1909) Kühn, Protokoll-Nr. 25, Teil I, S. 19.

den nimmt, außer die sachgerechte Bewertung des Vor-

gangs.

Die Öffentlichkeit wurde und wird durch diese Bundesre-

gierung und die sie tragende Mehrheit im Verteidigungs-

ausschuss schlicht „für dumm verkauft“: Es wird die
Illusion erweckt, es habe eine Neubewertung stattgefun-

den, doch im Grunde unterscheidet sich diese nicht im

Geringsten von dem, was Generalinspekteur Schneider-

han in seinem öffentlichen Statement bereits am 29. Ok-

tober 2009 gesagt hatte:

„Vor diesem Hintergrund und in Kenntnis des jetzt
vorliegenden Untersuchungsergebnisses habe ich

keinen Grund daran zu zweifeln, dass deutsche

Soldaten auf der Grundlage des Mandats der Ver-

einten Nationen angesichts der schwierigen Lage

in operativer Hinsicht militärisch angemessen ge-

handelt haben.“1910

Diese damals mit Bedacht gewählte Formulierung, über

die sich Freiherr zu Guttenberg eigenmächtig hinwegge-

setzt hatte, sagte nämlich nichts anderes aus als das, was

Bundesregierung und Mehrheit heute immer noch be-

haupten, nämlich, dass den handelnden Soldaten aus ihrer

subjektiven Sicht kein Vorwurf zu machen sei.

Dass diese Bewertung sachlich nicht haltbar ist, wurde in

diesem Sondervotum ausführlich und detailliert nachge-

wiesen. Niemand kann heute mehr behaupten, Oberst

Klein habe in der damaligen Situation die richtigen Ent-

scheidungen getroffen. Seine Entscheidungen waren ein-

deutig falsch. Sie hätten so nicht getroffen werden dürfen.

Er hat teilweise bewusst, teilweise aus pflichtwidriger

Unkenntnis gegen NATO-Einsatzregeln und gegen natio-

nale Vorgaben zum Einsatz militärischer Gewalt versto-

ßen, die gerade deshalb existieren, damit solche Vorfälle

mit einer Vielzahl ziviler Opfer möglichst vermieden

werden.

All dies dürften für denjenigen, der die Aufklärung des

Vorgangs zum höchsten Ziel erklärt hat, keine neuen

Erkenntnisse sein. Es fehlte dieser Bundesregierung mit

Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg als verantwortlichen

Verteidigungsministern jedoch die Kraft und der Wille,

diese Wahrheit auch offen zu benennen: Dr. Jung war viel

mehr damit beschäftigt, den Wahlkampf zu bestehen,

angebliche Intrigen des COM ISAF abzuwehren und sich

vorbehaltlos schützend vor Oberst Klein zu stellen. Frei-

herr zu Guttenberg hingegen war ausschließlich darauf

konzentriert, sich zum beliebtesten Minister seit Men-

schengedenken zu machen und gleichzeitig mit Aplomb

seine eigene „Souveränitätsshow“1911 zu betreiben, bei der
selbstbewusste Untergebene wie Schneiderhan und

Dr. Wichert eben auch einmal das Nachsehen haben. Es

war halt alles für (s)einen guten Zweck. Dass kein wirkli-

cher Wille zur Aufklärung des Vorgangs selbst bestand,

ist auch daran festzumachen, dass Freiherr zu Guttenberg

im Ausschuss zwar mit Eifer anprangerte, dass unmittel-

bar nach dem Luftangriff keine nationale Untersuchung
1910) Mat. 17-22a, GI, Ordn. 2, S. 316.

1911) So Lohse/Wehner, in: „Guttenberg“, S. 353.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 293 – Drucksache 17/7400

durchgeführt worden sei, weil man auf den Abschluss der

ISAF-Untersuchung habe warten wollen:

„Ich kann nur noch mal das wiederholen, was ich
vorhin gesagt habe: dass ich auch als eine Folge

dessen, was erkennbar war, Wert darauf lege, dass

in - es gibt jetzt nie wirklich vergleichbare Fälle,

aber Fälle, die eine gewisse Schwere in sich tra-

gen - - in meinen Augen eine nationale Untersu-

chung unter allen Umständen auch mit beauftragt

oder angewiesen werden sollte.
1912

Gleichzeitig unternahm er aber selbst nicht die geringste

Anstrengung, eine solche nationale Untersuchung nach

Eingang des COM ISAF-Berichts anzustoßen. Im Gegen-

teil: Es wurde noch nicht einmal ein förmliches diszipli-

nares Ermittlungsverfahren auf Grundlage der Erkenn-

tnisse der NATO-Untersuchung eingeleitet.

Letztlich ist zu hoffen, dass Freiherr zu Guttenberg zu-

mindest seine Ankündigung, nicht wieder in die deutsche

Politik zurückzukehren, wahr werden lässt. Erfreulich ist,

dass der neue Bundesminister der Verteidigung Dr. de

Maizière in den von zu Guttenberg verbreiteten Illusionen

nicht ganz so verfangen scheint wie die Mehrheit dieses

Ausschusses, was sich daran zeigt, dass er für die Umset-

zung der von zu Guttenberg mehr schlecht als recht vor-

bereiteten Bundeswehrreform
1913

wieder auf den Fachver-

stand des von zu Guttenberg verbannten Generals Wolf-

gang Schneiderhan zurückgreift.
1914

VIII. Bundeskanzlerin Dr. Merkel: Fehlende poli-
tische Führung

Als Regierungschefin trägt die Bundeskanzlerin die poli-

tische Gesamtverantwortung für das Handeln ihres Kabi-

netts und damit auch für die Amtsausübung der einzelnen

Kabinettmitglieder.

Nach ihren eigenen Angaben vor dem Ausschuss erkannte

die Bundeskanzlerin bereits am 4. September 2009, dass

es sich in Kunduz um einen der schwerwiegendsten mili-

tärischen Zwischenfälle seit Bestehen der Bundeswehr

handelte. Warum zögerte sie damit, die Initiative zu er-

greifen, und überließ stattdessen ausschließlich dem of-

fensichtlich völlig überforderten Verteidigungsminister

Dr. Jung die öffentliche Kommunikation? Entweder er-

kannte sie die Bedeutung des Vorgangs doch erst später,

oder sie scheute, die politische Verantwortung bei einem

negativ besetzten Thema wie den Folgen einer Militär-

operation in Afghanistan zu übernehmen.
1912) Freiherr zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 22.

1913) Vgl. nur: tagesschau.de vom 15. Mai 2011: „Bestelltes Haus oder
Bruchbude?“; stern.de vom 17. Mai 2011: „Guttenberg hinterließ
nur Chaos“; Focus Online vom 13. Mai 2011: „CSU sauer auf
Guttenberg“; sueddeutsche.de vom 16. Mai 2011: „Der Chaos-
Nachlass des Baron“; Spiegel Online vom 14. Mai 2011: „De
Maizière rechnet mit Guttenberg ab“.

1914) Vgl. Financial Times Deutschland vom 3. Mai 2011: „Rückkehr
eines Verbannten“.

1. Informationsquellen des BND bleiben un-
genutzt

Dabei befindet sich die Bundeskanzlerin in der komfor-

tablen Position, mit dem Auslandsnachrichtendienst BND

über eigene Informationsquellen aus den Einsatzgebieten

der Bundeswehr zu verfügen. Diese hätte sie nutzen kön-

nen, um die Angaben des Verteidigungsministeriums zu

ergänzen bzw. zu überprüfen.

Vom BND stammten auch die ersten Hinweise zu mögli-

chen zivilen Opfern („Zahlen variieren von 50 bis 100“),
die am 4. September 2009 bereits vor 9 Uhr im Bundes-

kanzleramt eingingen.
1915

Weder die für die Koordination der Nachrichtendienste

zuständige Fachabteilung 6 noch die Bundeskanzlerin

selbst hielten es jedoch für erforderlich, sich danach zu

erkundigen, woher diese Informationen stammten oder

diese zum Anlass für die Bitte um weitergehende Recher-

chen zu nehmen. Auch als das Bundeskanzleramt in der

folgenden Woche immer wieder die schleppende Informa-

tionsweitergabe aus dem Verteidigungsministerium be-

mängelte, wurde der BND nicht beauftragt, das Lagebild

zu ergänzen,
1916

obwohl die Mehrheit in ihrer Bewertung

selbst Wert auf die Feststellung legt, dass dies zu den

„zentralen Aufgaben“ des BND gehört hätte.1917 Die ein-
zigen Fragen, die an den BND von der Abteilung 6 he-

rangetragen wurden, sind folgende:

„Ob Personal des BND an dem Luftschlag beteiligt
gewesen ist?

Ob es sich um einen BND-Informanten, auf den

sich Oberst Klein bei seiner Entscheidung stützte?

Welche Informationen dem BND zum Anschlags-

szenario „rollende Bombe“ vorlagen?“1918

Die Begrenztheit der Fragen zeigt, dass das Bundeskanz-

leramt im Kontakt mit dem BND eigentlich nur seine

„Zuständigkeit“ ausschließen oder prüfen wollte, anstatt
die nachrichtendienstlichen Mittel des BND zu nutzen,

um zur Aufklärung des Vorfalls beizutragen und die poli-

tische Leitung zu einem besseren Umgang mit den Folgen

zu befähigen.

Die Beweisaufnahme hat darüber hinaus ergeben, dass der

BND ansonsten von sich aus nur zurückhaltend zum Luft-

angriff berichtete. Während am Vormittag noch konkrete

Zahlen getöteter Aufständischer und Zivilsten gemeldet

wurden, vermied die Darstellung in den Berichten ab dem

Nachmittag des 4. September einen offenen Widerspruch

zur Linie des Verteidigungsministeriums. Die Zurückhal-

tung des BND ist umso erstaunlicher als er eigene Er-

kenntnisse hatte, dass die Aussagen afghanischer Offiziel-

ler, auf die sich der Verteidigungsminister in den ersten

Tagen ausschließlich stützte, auf einer zwischen afghani-

schen Regierungsvertretern abgestimmten Linie zur Be-
1915) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35. Mat. 17-29a, Ordn.

Büro AL 2, S. 1.
1916) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 18.

1917) Mehrheitsbewertung, S. 186.

1918) Mat. 17-29a, Ordn. Abt. 6, S. 30-32.

Drucksache 17/7400 – 294 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ruhigung der Deutschen basierte

1919
, was zumindest zu

Zweifeln an der Seriosität der Aussagen hätte führen

müssen.

2. Bundeskanzlerin lässt Verteidigungsminis-
ter „dahindilettieren“

Ohne eigene Erkenntnisse, allein mit einer eigenen Be-

wertung der Vorgänge, lässt die Bundeskanzlerin Minister

Dr. Jung über Tage auf die zunehmend entrüstete Öffent-

lichkeit los.

Im Ausschuss erklärte sie zwar, sie habe Jung schon am

5. September 2009 in einem Telefonat zu verstehen gege-

ben, dass er von seiner Linie abrücken solle, sie lässt ihn

trotzdem gewähren.
1920

Die verklausulierte Forderung, er möge die Aussagen

Dritter wie des ISAF-Kommandeurs zu zivilen Opfern bei

seiner Bewertung einbeziehen, fruchtete offenbar nicht.

Erst als am 6. September 2009 mit dem – bereits am Vor-
tag absehbaren – Erscheinen eines Artikels in der „Was-
hington Post“, der aus der Feder eines bei der Verneh-
mung von Oberst Klein durch General McChrystal anwe-

senden Journalisten stammte, offen zu Tage trat, wie

absurd die vom Verteidigungsminister verfolgte Linie

war, sah sich die Kanzlerin genötigt, ihm die Rote Karte

zu zeigen. Erst als der Schaden in der Öffentlichkeit

schon eingetreten war, machte die Kanzlerin von ihrer

Richtlinienkompetenz Gebrauch.

Dieser Darstellung der Bundeskanzlerin widerspricht

allerdings Dr. Jung, der im Ausschuss erklärt hat, er habe

erst am 6. September mit ihr gesprochen und sei eigens-

tändig zu derselben Auffassung gelangt, dass nun eine

Kurskorrektur angebracht sei. Welche der Versionen – die
der Bundeskanzlerin oder die des Verteidigungsministers

– letztlich der Wahrheit entspricht, konnte der Ausschuss
nicht klären. Jedenfalls war die Krisenkommunikation in

diesen Tagen erbärmlich.

3. Zusage vollständiger Aufklärung bleibt
Lippenbekenntnis

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass den vollmundigen

Ankündigungen der Bundeskanzlerin im Hinblick auf

eine „lückenlose Aufklärung“ in ihrer Regierungserklä-
rung vom 8. September 2009, bei der „nichts beschönigt“
werden sollte, keinerlei Taten folgten.

Sie nahm es hin, dass der COM ISAF-Bericht nicht öf-

fentlich gemacht werden sollte. Initiativen zur Erstellung

eines eigenen Berichts der Bundesregierung zur Informa-

tion der Öffentlichkeit gab es nicht. Die Bundeskanzlerin

hat es hingenommen, dass kein einziger zusammenfas-

sender Bericht über den Vorfall aus Sicht der Bundesre-

gierung erstellt wird. Die versprochene lückenlose Auf-

klärung entfiel. Stattdessen versteckt sich Dr. Merkel

hinter dem Parlament mit der falschen Annahme, der
1919) Vgl. Mat. 17-34, Ordn. 3, S. 98-102.

1920) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 44.

Untersuchungsausschuss würde die Bundesregierung von

ihrer eigenen Verpflichtung zu Aufklärung und Informa-

tion der Öffentlichkeit befreien.

Noch während die Bundeskanzlerin Aufklärung ver-

sprach, informierte sie Parlament und Öffentlichkeit in

ihrer Regierungserklärung am 8. September 2009 unvoll-

ständig. Nach der Beweisaufnahme ist klar, dass ihr zu

dieser Zeit bereits zentrale Inhalte des IAT-Berichts be-

kannt waren. Obwohl sie wusste, dass nach dem IAT-

Bericht

„mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
auch Zivilisten getötet oder verletzt wurden“,

sprach sie im Parlament verharmlosend nur von „wider-
sprüchlichen Meldungen“ und von zivilen Opfern auch
nur im Konjunktiv.

1921
Dennoch hob sich Ihr Auftreten

immerhin vom ungelenken Abwiegeln des Verteidi-

gungsministers in den vorhergehenden Tagen ab.

Aus den Akten geht hervor, mit wie wenig Nachdruck die

Bundeskanzlerin ihr Versprechen „lückenloser Aufklä-
rung“ bereits wenige Tage nach der Regierungserklärung
verfolgte:

Auf Nachfrage der Bundeskanzlerin zum Verständnis der

Kritik des IAT-Berichts erläuterte der Abteilungsleiter 2,

Dr. Heusgen, am 11. September 2009 die einschlägigen

NATO-Verfahren. Darin hieß es, die relevanten ROE

besagten, dass der Kommandeur des PRT bei Verdacht

auf Zivilisten am Abwurfort nicht allein entscheiden durf-

te. Er habe zumindest seinen Vorgesetzten im Regional-

kommando Nord, Brigadegeneral Vollmer, einschalten

müssen. Der Vermerk endete mit einem lapidaren „Fazit:
Klein trägt also Hauptverantwortung.“1922

Dennoch sprach die Kanzlerin an keiner Stelle Klartext

zum Verhalten von Oberst Klein – nicht nach der Bewer-
tung des Generalinspekteurs als „in operativer Hinsicht
militärisch angemessen“ vom 29. Oktober 2009, nicht
nach der darüber hinausgehenden Bewertung durch Frei-

herr zu Guttenberg vom 6. November 2009 als trotz der

Regelverstöße „zwingend erforderlich“, und auch nicht
nach dessen „Neubewertung“ vom 3. Dezember 2009.
Ebenso wenig wirkte sie auf den zuständigen Verteidi-

gungsminister ein, diese Aufgabe zu übernehmen und

disziplinarische Ermittlungen in die Wege zu leiten.

Die laufende ISAF-Untersuchung bot der Bundeskanzle-

rin einen Vorwand, sich einstweilen nicht mit einer Be-

wertung der Vorgänge zu befassen. Dies bedeutete zu-

gleich, dass Verteidigungsminister Dr. Jung den Ton

angab, der faktisch ein Fehlverhalten Oberst Kleins aus-

schloss.

Die Beweisaufnahme im Ausschuss hat ergeben, dass

diese Linie auch von den Mitarbeitern des Kanzleramtes

verfolgt wurde: Gruppenleiter Dr. Vad informierte den

Abteilungsleiter 2 und den Büroleiter des Chef BK am 8.
1921) Dr. Merkel, BT-PlPr. 16/233, 8. September 2009 (Fn. 7, Doku-

ment 6), S. 26297.

1922) Mat. 17-29a, Ordn. Büro AL2, S. 39.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 295 – Drucksache 17/7400

Oktober 2009 über den Zwischenstand der ISAF-

Untersuchung.

Demnach sei mit Kritik wegen dreier Verstöße gegen

ISAF-Einsatzregeln zu rechnen: Keine „Show of Force“,
Voraussetzungen für Anforderung der Luftnahunterstüt-

zung durch TIC-Erklärung nicht gegeben, Fehlen einer

unmittelbaren Bedrohung.

Vor diesem Hintergrund äußerte sich Dr. Vad besorgt,

dass die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft

Dr. Jung wegen dessen Rückendeckung für Oberst Klein

in Bedrängnis bringen könnten.

In einer separaten Mitteilung riet der Abteilungsleiter

Dr. Heusgen ausdrücklich, sich wegen der Regelverstöße

nicht einzumischen, da dies Angelegenheit des Verteidi-

gungsministers sei. In der Konsequenz blieb das Kanzler-

amt untätig, anstatt das Verteidigungsministerium zu

proaktivem Handeln aufzufordern.
1923

Lückenlose Aufklä-

rung – wie von Dr. Merkel versprochen – sieht anders
aus.

4. Verständnis für jede Bewertung des Luft-
angriffs

Noch in ihrer Vernehmung durch den Ausschuss enthielt

sich die Bundeskanzlerin einer eigenen Bewertung des

Luftangriffs. Sie erklärte sämtliche, auch sich diametral

widersprechende Bewertungen für „nachvollziehbar“ und
mit dem Untersuchungsbericht der NATO für vereinbar:

Es komme eben nur auf den „Blickwinkel“ an; zu ihrer
eigenen Sicht wolle sie sich jedoch nicht äußern.

1924
Die Bundeskanzlerin sagte aus, man könne entweder den

Standpunkt des Kommandeurs oder den der Regelverstö-

ße einnehmen. Aus den Akten geht hervor, dass dieses

Argumentationsmuster auf eine Vorlage des Referates

222 zum Untersuchungsbericht der NATO vom 29. Okto-

ber 2009 zurückgeht.

Darin heißt es, dass eine abschließende Bewertung von

der Wahrnehmung einer „kriegsähnlichen Situation“1925 in
Kunduz oder der Betrachtung punktueller Regelverstöße
1923) Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22, S. 149 f. und 152.

1924) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 57, 39, 41.

1925) Offiziell scheute sich die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt
noch, die Lage in Nordafghanistan als innerstaatlichen Krieg zu

bezeichnen, sondern beharrte darauf, dass es sich um eine Stabili-

sierungsmission der UN zur Stärkung der afghanischen Regierung
handele, die mit begrenztem Risiko verbunden sei und sich in en-

gem völkerrechtlichen Rahmen bewege. Im Lichte der Beweis-

aufnahme des Ausschusses stellt sich die Frage, ob der Luftang-
riff von Kunduz den Ausgangspunkt für die Neubewertung der

Lage in Afghanistan bildete, infolgedessen das Kabinett im Be-

schluss zum ISAF-Mandat am 9. Februar 2011 feststellte, dass es
sich um einen „nicht-internationalen bewaffneten Konflikt“ han-
dele. Mit dieser Lagebeschreibung begründete die Generalbun-

desanwaltschaft letztendlich die Einstellung des Ermittlungsver-
fahrens gegen Oberst Klein, da sie ihm in diesem Zusammenhang

einen größeren Ermessensspielraum zum Einsatz militärischer

Gewalt einräumte. Damit drängt sich der Eindruck auf, dass durch
den Kabinettbeschluss vom 9. Februar 2010 der Boden für die

Persilscheine der Generalbundesanwaltschaft und des Inspekteurs

des Heeres bereitet wurde.

abhänge.
1926

Die Bundeskanzlerin identifizierte diese

Betrachtungsweise direkt mit der Wahrnehmung der Lage

durch Oberst Klein. Sie ignorierte damit, dass auch in

einer „kriegsähnlichen Situation“ Regeln gelten, deren
Einhaltung gerade dazu dienen soll, solch verheerende

Vorfälle zu vermeiden.

Mit dem gemeinsamen Ziel vor Augen, in der Bundes-

wehr unpopuläre Verfahren gegen Oberst Klein zu ver-

meiden, hat die Bundeskanzlerin alle drei unterschiedli-

chen Bewertungen des Vorgangs mitgetragen, angefangen

mit der Bewertung des Generalinspekteurs vom 29. Okto-

ber 2009, dass der Luftschlag „aus operativer Sicht militä-
risch angemessen“ sei, über die Bewertung des Luftang-
riffs als „zwingend“, bis zur Neubewertung als „unange-
messen“. Sie hat die Drehungen und Wendungen ihres
Verteidigungsministers Freiherr zu Guttenberg jedes Mal

gestützt, sie hat sein katastrophales Auftreten in der Sache

mitgetragen und seine Fehler gedeckt. Im Ausschuss lobte

sie das Verhalten des Freiherrn zu Guttenberg sogar als

„vorbildlich“ für die Politik, da er bereit zum Eingeständ-
nis eines Fehlers und zur Korrektur seiner Position gewe-

sen sei.
1927

Damit trägt sie das heuchlerische Auftreten

des Freiherrn zu Guttenberg – Fehler zuzugeben, die
Schuld für die eigenen Fehler aber anderen in die Schuhe

zu schieben – ausdrücklich mit.

5. Mitspielerin beim „Bauernopfer“

Die Vernehmung der Bundeskanzlerin Dr. Merkel im

Ausschuss hat ergeben, dass sie selbst durch die nach dem

25. November 2009 bekannt gewordenen Dokumente,

u. a. der „Feldjägerbericht“, keine neue Faktenlage sah,
die sie zu einer Revision ihrer früheren Aussagen veran-

lasst haben würde.
1928

Dennoch stellte sie es in keiner

Weise in Frage, als Freiherr zu Guttenberg ihr gegenüber

am 2. Dezember 2009 die für den folgenden Tag geplante

Neubewertung ankündigte. Auch gegen dessen Allein-

gang unternahm sie nichts, obwohl sie am Vortag beim

Besuch des pakistanischen Ministerpräsidenten Gilani

angekündigt hatte, dass es eine einvernehmliche Bewer-

tung der Bundesregierung geben solle, an der neben dem

Verteidigungsminister und dem Außenminister auch die

Bundeskanzlerin mitwirken würde.
1929

„Sie dürfen davon ausgehen, dass der Bundesver-
teidigungsminister, die Bundeskanzlerin, aber ge-

nauso auch der Bundesaußenminister die Bewer-

tung dann einvernehmlich in der Bundesregierung

vornehmen werden und vor allen Dingen auch

daraus die richtigen Schlüsse ziehen werden, wenn

nicht alle Regeln eingehalten worden sein sol-

len.“1930
1926) Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22, S. 182-84.

1927) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, S. 56.

1928) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 54-56.
1929) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 66, 80.

1930) Stuttgarter Zeitung vom 2. Dezember 2009 (Hervorhebung nur

hier).

Drucksache 17/7400 – 296 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bereits am 25. November 2009 wusste sie von der faden-

scheinigen „Entlassung“ von General Schneiderhan und
Staatssekretär Dr. Wichert. Diesen machte der damalige

Verteidigungsminister öffentlich zum Vorwurf, dass sie

ihm wichtige Dokumente zum Luftangriff vorenthalten

hätten und eine weitere Zusammenarbeit daher unvors-

tellbar sei. Im Ausschuss vermied die Bundeskanzlerin

jegliche Aussage darüber, welche Begründung Freiherr

zu Guttenberg ihr gegenüber abgegeben habe, sie habe

jedoch Wert darauf gelegt, dass sie eine schriftliche Be-

gründung mit dem zerrütteten Vertrauensverhältnis brau-

che, um der Entlassung zustimmen zu können.

Sie duldete es, dass der Minister die Entlassungen im

Bundestag am 26. November 2009 bekannt gab, bevor sie

diesen förmlich zugestimmt hatte. Obwohl der Generalin-

spekteur Schneiderhan auch ihr oberster militärischer

Berater gewesen war, sie ihm vertraute und nie Anlass

gehabt hatte, an seinem Urteil zu zweifeln, verzichtete sie

auf ein Gespräch mit Schneiderhan oder auf Einwände

gegen die Entscheidung des Verteidigungsministers. Dem

Ausschuss gegenüber begründete sie dies formaljuristisch

damit, dass der Generalinspekteur ja selbst um seine Ver-

setzung in den Ruhestand gebeten habe.
1931

Die Beweisaufnahme hat somit ergeben, dass die Bundes-

kanzlerin die ihr nach § 19 der Geschäftsordnung der

Bundesregierung obliegende Pflicht zur Stellungnahme

hinsichtlich der Entlassung von Schneiderhan und Wi-

chert nicht genutzt hat, um selbst Klarheit über die Be-

rechtigung der Vorwürfe zu erlangen, sondern das Vor-

bringen zu Guttenbergs einfach nur abnickte. Damit hat

sie es ihm ermöglicht, mit den „Bauernopfern“ die eige-
nen Fehler bei der Bewertung des Luftangriffs vom 6.

November 2009 zu kaschieren.

6. Einsatz für Entschädigung: Fehlanzeige

Als sich die Bundeskanzlerin Anfang Dezember erstmals

nach Vorliegen des NATO-Untersuchungsberichts zum

Luftangriff substanziell äußerte, erkannte sie deutlicher

als am 8. September 2009 an, dass es zivile Opfer gege-

ben habe.
1932

Sie betonte den hohen Wert menschlichen

Lebens und kündigte vollmundig die „Übernahme von
Verantwortung“ durch Deutschland für die zivilen Opfer
des Luftangriffs an.

1933
Aus den Akten geht hervor, dass sie sich Anfang Dezem-

ber 2009 durch die Fachabteilung des Kanzleramtes in-

formieren ließ, wie die bisherige Praxis der Bundeswehr

bei der Entschädigung ziviler Opfer erfolgte.
1934

Durch
1931) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 58-60, 68.

1932) „Es muss klar sein, dass es ein Bedauern gibt. (…) Damals war
das noch nicht so völlig klar.“Äußerung anlässlich des Besuchs
des pakistanischen MP Gilani, zitiert nach: Spiegel Online, 1. De-

zember 2009.
1933) „Es ist mir ganz wichtig, dass das, was infolge unseres Handelns

geschehen ist, auch von uns verantwortet wird.“, Äußerung an-
lässlich des Besuchs des pakistanischen MP Gilani, zit. nach: Fi-
nancial Times Deutschland, 2. Dezember 2009.

1934) Mat. 17-29a, Ordn. BPA S. 204; Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 21,

Ordn. 2, S. 71.

diesen Zusammenhang wird deutlich, dass sie bei der

Zusage, Deutschland werde Verantwortung übernehmen,

Entschädigungszahlungen an die Opfer im Blick hatte.

Die Vorlage vom 9. Dezember 2009 hielt fest, dass Ent-

schädigungen in Afghanistan traditionell sehr schnell

erfolgten, die Bundeswehr bisher pro Opfer 20 000 bis

33 000 US-Dollar gezahlt habe und Opferlisten „ohne
intensive eigene Ermittlungen“ nur schwerlich zu bestäti-
gen seien.

1935
Dennoch blieben die Bundeskanzlerin und das Kanzler-

amt danach untätig, drangen nicht auf verstärkte Aufklä-

rungsbemühungen von deutscher Seite.
1936

Sie überließen

stattdessen wiederum dem Verteidigungsministerium das

Feld. Dieses beschränkte sich auf geringfügige Winterhil-

fe in den betroffenen Gemeinden und verhandelte ohne

besonderen Nachdruck über acht Monate hinweg, um im

Ergebnis die Zahlungen nach unten zu drücken. Im Au-

gust 2010 erhielten 86 geschädigte Familien nur noch

5 000 USD pro Familie. Dabei wurden die Zahlungen

ausdrücklich als „humanitäre Geste“ bezeichnet und gera-
de nicht als Entschädigung, die auch die Übernahme der

rechtlichen Verantwortung durch die Bundeswehr unters-

trichen hätte.
1937

Hier wird klar, dass auch die Zusiche-

rung der Bundeskanzlerin vom Dezember, Verantwortung

übernehmen zu wollen, und die Opfer zu entschädigen,

nur für die Galerie gedacht war. Sie speiste die Opfer mit

„humanitärer Hilfe“ ab, die in der Praxis einem Almosen
gleicht. Dieses wird gerade nicht der politisch erklärten

Absicht gerecht, sich gegenüber den Opfern und ihren

Angehörigen zur deutschen Verantwortung zu bekennen,

sich nachdrücklich zu entschuldigen und Kompensation

zu leisten.

7. Koordinierungsprobleme im Bundeskan-
zleramt

Schließlich deutet der gesamte Umgang mit der Krise

nach dem Luftangriff von Kunduz darauf hin, dass die

Bundeskanzlerin ihr eigenes Haus nicht im Griff hat. Es

wurden erhebliche Mängel in der Koordination zwischen

der für Außen- und Sicherheitspolitik zuständigen Abtei-

lung 2 und der für die Aufsicht über die Nachrichten-

dienste zuständigen Abteilung 6 deutlich.

Keine der Kanzlervorlagen zur Darstellung der Vorgänge

oder ihrer Bewertung wird von der Abteilung 6 mitge-

zeichnet.
1938

Somit fehlten Anreize für die Abteilung 6,

die in den Nachrichtendiensten vorliegenden Erkenntnisse
1935) Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 21, Ordn. 2, S. 71.
1936) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 70f.

1937) „Opfer des Kundus-Luftangriffs: Bundeswehr zahlt Angehörigen
der Opfer halbe Million Dollar“, Spiegel online, 5. August 2010.

1938) BK-Vorlage durch RL Siegmann vom 7. September 2009 zur

Vorbereitung auf die Regierungserklärung (Mat. 17-29a, Ordn.

Gruppe 22, S. 62 ff.); BK-Vorlage durch RL Siegmann vom 10.
September 2009 zu IAT-Bericht (Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22,

S. 93 f.) ; BK-Vorlage Reisinger, Ref. 222, zu COM ISAF-

Bericht 29. Oktober 2009 (Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 22, S.208
f.); BK-Vorlage zur Entschädigungsproblematik nach Frage in

Morgenlage 9. Dezember 2009 (Mat. 17-29a, Ordn. Gruppe 21,

Ordn. 2, S. 28 f.).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 297 – Drucksache 17/7400

systematisch auszuwerten, oder gezielt um die Beschaf-

fung zusätzlicher Informationen durch den BND zu ver-

anlassen.

Umgekehrt beschränkt sich die Abteilung 2 auf die eige-

nen Arbeitskontakte, anstatt umfassende Unterstützung

durch den BND von Abteilung 6 anzufordern. Damit wird

der Stab des Bundeskanzleramtes der Aufgabe nicht ge-

recht, die Bundeskanzlerin mit einem umfassenden Lage-

bild zu versehen. Die Bundeskanzlerin hat es versäumt,

auf eine systematische Verzahnung der einzelnen Abtei-

lungen des Bundeskanzleramtes hinzuwirken. Sie wird

Anforderungen an eine moderne, effektive Regierungs-

führung damit nicht gerecht.

Die Bundeskanzlerin hat es zudem hingenommen, dass

dem Kanzleramt angeblich wichtige Dokumente über den

Vorgang durch das Verteidigungsministerium nicht rech-

tzeitig übermittelt worden sind. Ihr Haus war nicht in der

Lage, in enger Abstimmung der Abteilungen und unter

Einschaltung des Chefs des Bundeskanzleramtes die not-

wendigen Informationen zeitnah zu beschaffen.

Dies mutet umso erstaunlicher an, wenn man bedenkt,

dass immer wieder die schleppende Weitergabe von In-

formationen durch das Verteidigungsministerium kritisiert

wurde.
1939

Staatssekretär Dr. Wichert, der in diesem Zusammenhang

immer wieder vom Gruppenleiter Dr. Vad kritisiert wur-

de, hält dem entgegen, dass sein „Rotstrich-Vermerk“
vom 7. September 2009 die angeforderte umfassende

Unterrichtung zur Vorbereitung auf die Regierungserklä-

rung der Bundeskanzlerin enthielt. Unter anderem war

darin die zentrale Bewertung aus dem IAT-Bericht enthal-

ten, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich-
keit“ auch Zivilisten bei dem Luftangriff getötet worden
seien.

Als sich Mitarbeiter des Kanzleramts am 10. September

2009 direkt an den Staatssekretär mit der Bitte um Über-

sendung des IAT-Berichts wandten, wurde dieser umge-

hend zur Verfügung gestellt. Zuvor hatte man sich nur auf

Arbeitsebene um das Dokument bemüht, die in einer so

delikaten Angelegenheit keine Informationen an der poli-

tischen Leitung vorbei übermitteln wollte. Mängel im

Vorgehen der Gruppe 22 treten auch darin zutage, dass

der Eingang des IAT-Berichts nicht unverzüglich an das

inzwischen um Unterstützung gebetene Büro des Chefs

des Bundeskanzleramt gemeldet, sondern zunächst in

Ruhe ausgewertet wurde.

In der Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss

machte der Gruppenleiter Dr. Vad widersprüchliche Aus-

sagen zum Informationsstand: Zum einen kritisierte er in

der ersten Woche nach dem Luftangriff schleppende und
1939) Mitteilung von RL Siegmann an AL Dr. Heusgen vom 8. Sep-

tember 2009. gegen 11 Uhr, in dem dieser seine Verwunderung

darüber äußerte, dass im Verteidigungsausschuss am gleichen Ta-

ge drei wichtige Informationen über die Vorgänge in Kunduz er-
wähnt wurden, die nicht in der zur Vorbereitung der Regierungs-

erklärung am 7. September 2009 eingegangen waren (Mat. 17-

29a, Ordn. Gruppe 21, Ordn. 1, S. 38).

unvollständige Unterrichtung durch das Verteidigungsmi-

nisterium. Zum anderen behauptete er, die Bundeskanzle-

rin sei mit umfassender Information in die Regierungser-

klärung am 8. September 2009 gegangen. Dies könne man

an der Regierungserklärung selbst, die bis heute im We-

sentlichen Bestand habe, ableiten.

8. Ergebnis

Abschließend lässt sich feststellten, dass es der Bundes-

kanzlerin in der öffentlichen Wahrnehmung gelungen ist,

Distanz zum umstrittenen militärischen Vorfall zur wah-

ren, und die Verantwortung allein auf die beiden überfor-

derten Amtsinhaber im Bundesministerium der Verteidi-

gung abzuwälzen. So trägt sie deren wechselnde Bewer-

tungen des Luftangriffs bis heute mit und verhindert es,

eigene Schlussfolgerungen aus der Angelegenheit zu

ziehen. Die Aufklärung schiebt sie auf den Bundestag ab.

Ihrer Führungsfunktion als Regierungschefin wird sie

damit gerade nicht gerecht.

Angesichts der Dramatik und der Schwere des Vorfalls –
auf deutschen Befehl um die hundert Tote, darunter viele

Zivilisten – erscheint das Verhalten der Bundeskanzlerin
insgesamt erschreckend unangemessen.

IX. Zum Verfahren im Untersuchungsaus-
schuss

Von besonderer Bedeutung scheinen für die Ausschuss-

mehrheit die im Laufe der Beweisaufnahme dieses Unter-

suchungsausschusses zu Tage getretenen Verfahrensfra-

gen zu sein, weil sie diese in ihrer Bewertung als Erstes

behandelt.
1940

Was hierzu von der Mehrheit jedoch vor-

getragen wird, ist stellenweise so skurril, dass es nicht

ohne Widerspruch bleiben kann.

1. Ausschluss der Öffentlichkeit durch die
Mehrheit

Die ungenierte Behauptung der Mehrheit, sie sei in die-

sem Untersuchungsverfahren stringent ihrer „politischen
Linie der Transparenz“1941 gefolgt, mutet angesichts der
von ihr allein zu verantwortenden Verbannung vieler

Zeugenvernehmungen aus der Öffentlichkeit hinter ver-

schlossene Türen mehr als abenteuerlich an.

Der etwas umständlich hergeleiteten Rechtsauffassung

der Mehrheit, dass der Verteidigungsausschuss als Unter-

suchungsausschuss selbst darüber entscheiden darf, ob

und in welchem Umfang Zeugenvernehmungen öffentlich

durchgeführt werden, ist allerdings zuzustimmen.

Wegen dieser im Ausschuss festgestellten Einigkeit wur-

de zu Beginn der Beweisaufnahme vereinbart, dass Mitg-

lieder der politischen Leitungsebene und der militärischen

Führung sowie Personen aus dem nachgeordneten Bereich

jeweils im Einzelfall in öffentlicher Sitzung vernommen
1940) Mehrheitsbewertung, S. 169 ff.

1941) Vgl. Mehrheitsbewertung, S. 170.

Drucksache 17/7400 – 298 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
werden sollten, um so viel Transparenz wie möglich her-

zustellen und die Öffentlichkeit direkt an der Aufklä-

rungsarbeit des Ausschusses teilnehmen zu lassen.

Diese interfraktionelle Vereinbarung zur Frage der Öf-

fentlichkeit wurde indes durch die Mehrheit im Juni 2010,

unmittelbar im Anschluss an die Vernehmung des Frei-

herrn zu Guttenberg, geradezu handstreichartig aufge-

kündigt.

Mit angeblich geschäftsordnungsrechtlichen Bedenken

wurde der einvernehmliche Beschluss vom 16. Dezember

2009, der für die Opposition auch die Geschäftsgrundlage

für die Behandlung des Falles im Verteidigungsausschuss

– und nicht in einem Untersuchungsausschuss gemäß
Artikel 44 Grundgesetz – gebildet hatte, gegen den aus-
drücklichen und rechtlich breit untermauerten

1942
Protest

der Minderheit aufgehoben.

Begründet wurde dies damit, dass der ursprüngliche Ver-

fahrensbeschluss zu pauschal gewesen sei. Geflissentlich

übersehen wurde dabei jedoch, dass für jede einzelne

öffentlich durchgeführte Zeugenvernehmung immer noch

ein konkreter einzelfallbezogener Beschluss des Aus-

schusses gefasst worden war.

Dass die Argumentation der Mehrheit nur vorgeschoben

war, wurde im weiteren Verlauf dadurch unter Beweis

gestellt, dass die Minderheit, die für jeden für eine öffent-

liche Vernehmung in Betracht kommenden Zeugen nun-

mehr einzelne ausführliche Begründungen vorlegte, re-

gelmäßig durch die Mehrheit kommentarlos niederges-

timmt wurde.

Diese Vorgehensweise der Mehrheit diente dem einzigen

Zweck, das nach der Vernehmung des Freiherrn zu Gut-

tenberg erwartungsgemäß nachlassende öffentliche Inter-

esse an den Vorgängen von Kunduz möglichst vollständig

zu ersticken.

In der Folge wurden dann auch wichtige Zeugen, wie

beispielsweise Admiral Kühn oder Staatssekretär Wolf,

der Leiter des Planungsstabes Dr. Schlie, Pressesprecher

Dr. Raabe, General Ramms oder für das Bundeskanzler-

amt die Abteilungsleiter Dr. Heusgen und Fritsche ohne

Not hinter verschlossenen Türen vernommen.

Neben den eher peinlichen Bekundungen des Admiral

Kühn, der in seiner Vernehmung die Substanzlosigkeit der

„Neubewertung“ des Luftangriffs anschaulich bestätigt
hat,

1943
musste die Öffentlichkeit damit auch auf die offe-

ne Kritik an Bundeswehr und Ministerium durch General

Ramms und die entlarvenden Bekundungen des damaligen

Pressesprechers Dr. Raabe
1944

verzichten.

Vor allem wurden aber selbst zivile Zeugen, bei denen

nicht der geringste Grund für den Ausschluss der Öffent-

lichkeit bestand, wie etwa der durch den Bombenabwurf

verletzte zivile Lastwagenfahrer oder die Zeugin

Dr. Erfan aus der Öffentlichkeit verbannt.
1942) Beratungsunterlage 17-219.

1943) Vgl. dazu ausführlich oben ab Seite 290.

1944) Vgl. dazu ausführlich oben ab Seite 274 ff.

Das Versprechen der Bundeskanzlerin, eine „ungeschön-
te“ Aufklärung gewährleisten zu wollen, hatte sich damit
nun endgültig als reine Farce entpuppt.

2. Die Verweigerung der Durchführung einer
Gegenüberstellung

In der Beweisaufnahme wurden mehrere Widersprüche

zwischen den Aussagen des Zeugen Freiherr zu Gutten-

berg auf der einen und den Zeugen Schneiderhan und

Dr. Wichert auf der anderen Seite erkennbar, die sämtlich

den Kern des vorliegenden Untersuchungsauftrags betra-

fen und deren Klärung eine der wesentlichen Aufgaben

dieses Ausschusses dargestellt hätte. Dass diese Wider-

sprüche tatsächlich existierten, wurde inzwischen sogar

von der Mehrheit offen eingeräumt.
1945

Deshalb drängte sich die Durchführung einer Verneh-

mungsgegenüberstellung dieser Zeugen zur Erforschung

der Wahrheit und damit zur effektiven Aufklärung des

Sachverhalts geradezu auf. Durch eine gemeinschaftliche

Befragung der sich widersprechenden Zeugen hätten sich

diese Widersprüche mit hoher Wahrscheinlichkeit aufklä-

ren lassen.

Gegenüber dem bloßen Vorhalt ist die Gegenüberstellung

das bessere Beweisverfahren, weil es die Möglichkeit

eröffnet, die Zeugen unmittelbar mit den Angaben der

anderen Zeugen zu konfrontieren und dadurch ein an-

schauliches Bild von den sich gegenseitig beeinflussenden

Reaktionen der Beweispersonen zu gewinnen. Der ent-

sprechende Antrag der Minderheit wurde von der Mehr-

heit jedoch kategorisch abgelehnt, um den damaligen

Verteidigungsminister vor einer öffentlichen Bloßstellung

zu bewahren.

Der Versuch, die Durchführung der Gegenüberstellung

gerichtlich durchzusetzen, scheiterte, weil dem Bundesge-

richtshof die Entscheidung darüber, ob eine Gegenübers-

tellung im Einzelfall zulässig und zweckmäßig ist, zu

„politisch“ erschien.

Dabei hat der Bundesgerichtshof nicht darüber entschie-

den, ob die Gegenüberstellung im konkreten Fall „gebo-
ten“ war, sondern nur darüber, dass die Ausschussmehr-
heit in der Entscheidung frei sei, ob eine Gegenüberstel-

lung durchgeführt werde oder nicht, weil im Gesetz zur

Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

(PUAG) die Durchführung einer Gegenüberstellung nicht

ausdrücklich als Minderheitenrecht ausgewiesen sei.

Wörtlich heißt es in dem Beschluss des Bundesgerichts-

hofs:

„Bei der Beurteilung, ob wegen Widersprüchen in
den Aussagen von Zeugen eine Gegenüberstellung

zulässig und zweckmäßig ist, sind die politischen

Bewertungen der Zeugenaussagen von ausschlag-

gebender Bedeutung. Diese ist Aufgabe der Mitg-

lieder des Untersuchungsausschusses und nicht

der Gerichte, die nur über Rechtsfragen, nicht da-
1945) Mehrheitsbewertung, S. 170.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 299 – Drucksache 17/7400

gegen über politische Bewertungen zu entscheiden

haben.“1946

Damit wurde klargestellt, dass die Möglichkeit der Durch-

führung einer Gegenüberstellung im konkreten Fall ohne

weiteres bestanden hätte, wenn die Mehrheit dies nur

gewollt hätte. Da dies aber aus rein politischen Gründen

nicht der Fall war, mussten die Zeugen Schneiderhan und

Dr. Wichert erneut in Einzelvernehmungen gehört wer-

den, damit sie zu den Vorwürfen ihres ehemaligen Vorge-

setzten noch einmal Stellung nehmen konnten.

Im Rahmen der laufenden Diskussionen über eine mögli-

che Novellierung des PUAG sollte darauf hingewirkt

werden, dass die Durchführung einer Vernehmungsgege-

nüberstellung ausdrücklich als Minderheitenrecht ausges-

taltet wird.

3. Zur Reihenfolge der Zeugenvernehmun-
gen: das Reißverschlussverfahren

Als völlig unverständlich ist der Beitrag der Mehrheit

zum Problem der Reihenfolge von Zeugenvernehmungen

zu bewerten.

Zu der Frage, wie im Ausschuss zu verfahren ist, wenn

keine Einigung darüber erzielt werden kann, welche Zeu-

gen in welcher Reihenfolge gehört werden sollen, sieht

das PUAG in seinem § 17 Abs. 3 vor, dass „die Vor-
schriften der Geschäftsordnung des Bundestages zur Rei-

henfolge der Reden entsprechend“ angewendet werden
müssen.

Dazu, wie dies in der laufenden Wahlperiode konkret

auszugestalten ist, hatte der Fachbereich Parlamentsrecht

der Verwaltung des Deutschen Bundestages ein ausführli-

ches Gutachten vorgelegt. Dieses gelangt zu dem eindeu-

tigen Ergebnis, dass das zu Beginn der 17. Wahlperiode

zwischen den Fraktionen vereinbarte Schema zur Redner-

abfolge im Plenum des Deutschen Bundestages anzuwen-

den sei.
1947

Den ausführlichen und ausgewogenen Darstel-

lungen in diesem Gutachten wird hiermit ausdrücklich

zugestimmt.

Der klägliche Versuch der Verfasser des Mehrheitsvo-

tums, das Gutachten des politisch unabhängigen Fachbe-

reichs Parlamentsrecht zu „widerlegen“, bedarf eigentlich
keiner ausführlichen Stellungnahme. Das absurde Ergeb-

nis der Mehrheit, die „formal gerechte“ Lösung läge dar-
in, dass die Mehrheit das Recht habe, „sieben“ (!) Zeugen
hintereinander vernehmen zu lassen, ehe die Minderheit

mit ihren „fünf“ Zeugen nacheinander „zum Zuge kä-
me“,1948 dürfte für sich sprechen.

Die eindeutige Formulierung der Gesetzesbegründung zu

§ 17 Abs. 3 PUAG, die ausdrücklich nach einer „abwech-
1946) BGH, Beschluss vom 17. August 2010, Az. 3 ARs 23/10 (Fn. 49,

Dokument 19), Rz. 28 (Hervorhebungen nur hier).

1947) Beratungsunterlage 17-137 (Fn. 34, Dokument 18a).

1948) Mehrheitsbewertung, S. 172.

selnden Reihenfolge“ verlangt1949 wurde durch die Mehr-
heit einfach ignoriert.

Wie es zu einer solch eklatanten Verkennung des zentra-

len parlamentarischen und verfassungsrechtlich fundier-

ten
1950

Grundsatzes von „Rede und Gegenrede“, dem der
Geschäftsordnungsausschuss des Deutschen Bundestages

eindeutig Vorrang vor dem Stärkeverhältnis der Fraktio-

nen einräumt,
1951

in einem offiziellen parlamentarischen

Votum kommen kann, ist nicht zu verstehen, und kann

wohl nur als „Betriebsblindheit“ bewertet werden.

Die Verfasser des Mehrheitsvotums belegen anschaulich,

dass sie die entscheidenden parlamentsrechtlichen Rah-

menbedingungen nicht verstanden haben, wenn sie die

Befürchtung äußern, die Minderheit könne die Verneh-

mungen von Zeugen „dominieren“. Auch diese Angst der
Mehrheit beruht auf der Verkennung des „Grundsatzes
von Rede und Gegenrede“, der natürlich auch den Frak-
tionen der Mehrheit grundsätzlich die Möglichkeit ein-

räumt, im Wechsel mit einer Fraktion der Minderheit

einen Zeugen zu benennen. Genau das ist mit dem hierfür

eingebürgerten Begriff des „Reißverschlussverfahrens“
gemeint.

Es ist unerklärlich, wie die Mehrheit zu dem Ergebnis

kommen kann, dass ein Verfahren, mit dem über viele

Wahlperioden und mit Zustimmung der jeweiligen Mehr-

heit ein gerechter Ausgleich für den – im täglichen parla-
mentarischen Betrieb sicherlich entscheidenderen – Be-
reich der Rednerreihenfolge im Plenum des Deutschen

Bundestages herbeigeführt wurde und weiterhin wird, auf

einmal eine „rechtlich nicht haltbare“ Benachteiligung der
Mehrheit darstellen soll.

Der angebliche „Präzedenzfall“ aus dem BND-
Untersuchungsausschuss, aus dem die Mehrheit meint

herleiten zu können, dass der Grundsatz von „Rede und
Gegenrede“ im Untersuchungsverfahren keine Geltung
haben dürfe, belegt diese Auffassung jedenfalls nicht,

weil es sich dabei gerade nicht um einen Streitfall, son-

dern um eine interfraktionelle „Einigung“ gehandelt hat,
die immer möglich ist und vom Gesetz natürlich bevor-

zugt wird. Damit ist aber nichts darüber gesagt, was in

dem Fall zu gelten hat, in dem eine Einigung gerade nicht

erzielt werden kann.

4. „Mehrheit bleibt Mehrheit“

Letztlich zeigen die Rechtsansichten der Mehrheit zu den

Verfahrensfragen im Ausschuss nur, was sich auch an

vielen anderen Stellen gezeigt hat: Es geht der Koalition

von CDU/CSU und FDP nicht mehr darum, mit sachli-

chen Argumenten zu überzeugen, sondern es reicht ihr

völlig aus, darauf zu verweisen, dass sie mit ihrer rechne-

rischen Mehrheit beschließen kann, was sie will. Beis-

pielsweise:
1949) Vgl. BT-Drs. 14/5790, S. 17.

1950) Vgl. nur: BVerfGE Bd. 10, S. 4, 12.
1951) Vgl. hierzu nur: Auslegungsentscheidung des 1. Ausschusses vom

5. Dezember 2002 und ausführlich: Ritzel/Bücker/Schreiner,

Kommentar zur GO-BT, § 28 mit vielen weiteren Nachweisen.

Drucksache 17/7400 – 300 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– wurde der Minderheit zu Beginn des Verfahrens eine

sachwidrige Struktur der Untersuchung oktroyiert,

– wurde die Reihenfolge der Zeugen nach Belieben
durch die Mehrheit festgelegt, bis nach Androhung

einer Klage eingelenkt wurde,

– wurde die Sitzungsdauer der Zeugenvernehmungen
gegen den ausdrücklichen Willen der Minderheit auf

sechs Stunden begrenzt,

– wurden Fernsehübertragungen der wesentlichen öf-
fentlichen Zeugenvernehmungen der Minister und

der Bundeskanzlerin gegen den Willen der Minder-

heit verhindert,

– wurde die Vernehmung von Zeugen durch Abgeord-
nete der Minderheit häufig mit teilweise sachfernen

Einwürfen
1952

unterbrochen und damit die Sachauf-

klärung erheblich erschwert,

– wurde das Ausschusssekretariat trotz der von der
Vorsitzenden und von Mitarbeitern des Sekretariates

vorgetragenen Bedenken unter einen solch enormen

Zeitdruck gesetzt, einen Entwurf für den Feststel-

lungsteil des Abschlussberichts vorzulegen, dass es

kaum möglich war, sämtliche Beweismittel erschöp-

fend auszuwerten,

– wurden auch die Fristen für die Vorlage der politi-
schen Bewertungen durch die Fraktionen ohne sach-

lichen Grund extrem kurz bemessen,

– hielt sich die Mehrheit dann jedoch selbst nicht an
ihren eigenen Zeitplan, auf den die Minderheit ein-

gestellt hatte, und änderte diesen mehrfach nach ei-

genem Gusto und zum Nachteil der Minderheit.

Eine Mehrheit, die fast durchgängig auf Sachargumente

verzichtet und nur noch auf ihre rechnerische Stärke ver-

weist, um sämtliche Minderheitsinteressen pauschal ab-

zuwehren, wird ihrer Verantwortung im parlamentari-

schen System des Grundgesetzes, das gerade dem ange-

messenen Ausgleich zwischen Mehrheits- und Minder-

heitsinteressen in Untersuchungsausschüssen besondere

Bedeutung beimisst, nicht gerecht.
1952) Vgl. etwa: Abg. Siegfried Kauder: „Sie können nicht aus eigenem

Wissen vorhalten.“ (Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 23); Abg. Siegf-
ried Kauder: „Es kann nur aus etwas zitiert werden, was allen zur
Verfügung steht.“ (Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 41); Abg. Siegfried
Kauder: „Es kommt nicht darauf an wer über was nachgedacht
hat, sondern was veranlasst worden ist oder was nicht veranlasst

worden ist.“ (Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 31); Abg. Siegfried Kau-
der: „Die Frage von Entschädigungszahlungen ist nicht Gegens-
tand des Untersuchungsausschusses.“ (Protokoll-Nr. 49, Teil I,
S. 70). Einerseits wird immer wieder verlangt, dass den Zeugen
Dokumente, nach denen gefragt wird, vorgelegt werden: [Abg.

Siegfried Kauder: „Vorlegen!“ (Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 77)],
andererseits wird immer wieder moniert, wenn den Zeugen Do-
kumente vorgelegt werden [Abg Siegfried Kauder: „Es kostet
doch einen Haufen Zeit, wenn man zu jeder Frage, die man stellt,

die Akte vorlegen lässt.“ (Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 15)].

X. Lehren aus den festgestellten Fehlern und
Defiziten: Handlungsbedarf

Nachdem die Ausschussmehrheit in ihrer Bewertung

darauf verzichtet hat, die Vorgänge in der Nacht vom 3.

auf den 4. September 2009 in Kunduz sachgerecht aufzu-

arbeiten, wundert es nicht, dass sie in ihrem Votum auch

die Frage des Untersuchungsauftrags, welche Nachsteue-

rungen in nationaler Verantwortung mit Blick auf die

Zukunft vorgenommen werden müssen, nicht sinnvoll

beantworten konnte.

Nach den abschließenden Bewertungen der Mehrheit soll

es keinerlei strukturelle Defizite gegeben haben. Sogar

das Verfahren des Umgangs mit HUMINT-Quellen durch

Angehörige der Bundeswehr soll sich „insgesamt be-
währt“ haben und vor allem „im vorliegenden Fall opti-
mal genutzt“ worden sein.1953

Die entscheidende Frage nach den „lessons learned“, wird
durch die Mehrheit so beantwortet, dass die Bundesregie-

rung im Grunde schon alle Probleme, die aber eigentlich

keine gewesen sein sollen, abgestellt und beseitigt habe.

– Dem angeblichen „Defizit“, dass Oberst Klein keine
eigenen nationalen Aufklärungsmittel zur Verfügung

gestanden hätten, sei durch die Einführung des Un-

bemannten Aufklärungssystems HERON 1 begegnet

worden. Dabei wird jedoch übersehen, dass dem PRT

Kunduz unbemannte Aufklärungssysteme durchaus

zur Verfügung standen und das Problem nur darin

lag, dass Oberst Klein keinen Piloten aufwecken

wollte, um sie zu bedienen. Verkannt wird zudem,

dass HERON 1 nicht den PRTs selbst zur Verfügung

steht, sondern nur über RC North angefordert werden

kann.

– Ein weiteres angebliches „Defizit“ wird darin gese-
hen, dass Oberst Klein nicht genügend „Eskalations-
potential“ mit „adäquaten nationalen Wirkmitteln“
zur Verfügung gestanden hätte. Wie der von der

Mehrheit belobigte „Einsatz der Panzerhaubitze 2000
und des Schützenpanzers Marder ab Frühjahr 2010“
auch nur eines der festgestellten Probleme von Oberst

Klein in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009

hätte lösen sollen, erschließt sich nicht.

– Die „Feststellung“ der Mehrheit, dass „bereits einige
Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung veran-

lasst“ worden seien, wirkt unglaubhaft, wenn darauf
verzichtet wird, klar zu benennen, worin die Defizite

in der Anwendung der Einsatzregeln konkret bestan-

den haben.

– Unklar bleibt auch, welche „entscheidenden Schritte“
das BMVg „aus Sicht des Ausschusses in Richtung
einer umfassenden und transparenten Informations-

politik“ gemacht haben soll.

– Auch die Feststellung der Mehrheit, die Information
des Parlamentes habe sich deutlich verbessert, über-

zeugt nicht. Richtig ist nur, dass durch die Übertra-
1953) Mehrheitsbewertung, S. 210 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 301 – Drucksache 17/7400

gung der Zuständigkeit auf das Einsatzführungs-

kommando sich die Unterrichtungen quantitativ ge-

steigert haben, eine Verbesserung der Qualität und

Tiefe der Unterrichtungen ist jedoch keineswegs fest-

zustellen.

– Auch für die angeblich verbesserte Information der
Öffentlichkeit bleibt die Mehrheit jeden konkreten

Beleg schuldig.

– Weiterhin werden zwar „Konsequenzen bei der Ge-
schäftsordnung des BMVg“ angemahnt, aber welche
das sein sollen, bleibt völlig offen.

Letztlich wird durch die Mehrheit nicht eine einzige wirk-

liche Schlussfolgerung aus den Feststellungen zum Luft-

angriff von Kunduz benannt, ganz als ob es die festges-

tellten Fehler und Regelverstöße nie gegeben hätte. Dem

Anspruch des gemeinsam von allen Fraktionen im Vertei-

digungsausschuss gefassten Untersuchungsauftrags wird

dieses Votum der Mehrheit nicht gerecht.

Auf der Grundlage der in diesem Sondervotum heraus-

gearbeiteten Defizite auf allen beteiligten Ebenen von

Bundeswehr und Bundesregierung sind folgende Schluss-

folgerungen für die Zukunft zu ziehen:

1. Klare Aussagen der Bundesregierung zu
den nationalen Einsatzvorgaben des ISAF-
Mandats sind zwingend erforderlich

Vor allem anderen hat die Bundesregierung die Frage zu

beantworten, ob die von ihr immer wieder betonte Ge-

ltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der

militärischen Gewaltanwendung durch deutsche Soldaten

und das dadurch bedingte nationale Verbot der gezielten

Tötungen noch Geltung hat oder ob sich die Bundesregie-

rung inzwischen bewusst von diesen Vorgaben für den

Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen der „militärischen
Kultur der Zurückhaltung“ entfernt hat.

Sollte die Bundesregierung das ISAF-Mandat des Bun-

destages so ausweiten, dass sich die Bundeswehr auch

verstärkt an gezielten offensiven Vernichtungsangriffen

gegenüber vermuteten Taliban außerhalb konkreter

Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituationen im Sinne

einer präventiven „Liquidierung“ beteiligen will, muss
dies bei zukünftigen Entscheidungen des Deutschen Bun-

destages Berücksichtigung finden.

2. Folgerungen aus den Defiziten auf der
Ebene des PRT

Die Beweisaufnahme hat weiterhin eine Vielzahl von

Defiziten im Umgang der beteiligten Soldaten mit der

zentralen menschlichen „Kontaktperson“ und bei der
Vermengung der Aufgaben von Task Force 47 und PRT

erkennbar werden lassen. Zudem mussten bei den betei-

ligten Soldaten erhebliche Unsicherheiten im Umgang mit

nationalen und internationalen Einsatzvorgaben festges-

tellt werden. Es besteht unmittelbarer Handlungsbedarf

der militärischen und der politischen Führung:

– Es bedarf nachhaltiger Maßnahmen, um eine klarere
Trennung zwischen den Aktivitäten der Task For-

ce 47 und den Aufgaben der PRT zu bewirken, so

dass eine den Vorgaben des NATO-Operationsplans

widersprechende Vermengung der Aufgaben und Be-

fugnisse der Task Force mit denen des PRT zukünf-

tig vermieden wird.

– Zukünftig sollte sichergestellt werden, dass die PRTs
über eine aufgabengerechte technische Ausstattung

verfügen, so dass keinesfalls mehr ein Rückgriff auf

Gefechtsstände und Personal der Task Force für

PRT-Einsätze erfolgt.

– Die überkommenen Verfahren der Führung men-
schlicher Kontakte im Bereich des Militärischen

Nachrichtenwesens der Bundeswehr müssen grund-

legend auf den Prüfstand gestellt werden.

– Die Ausbildung und Kontrolle der Feldnachrichten-
kräfte im Bereich der Führung von HUMINT-

Kontakten, insbesondere in Bezug auf die Verfahren

der Informationsübermittlung an den militärischen

Entscheider im Rahmen operativer Unterstützungs-

handlungen, die Verfahren der zielgerichteten Ge-

sprächsführung und die Vorgaben zur Analyse und

Bewertung von Informationen von HUMINT-

Quellen müssen stark verbessert werden.

– Die Koordinierung innerhalb des Militärischen Nach-
richtenwesens sowie seine fachaufsichtliche Kontrol-

le müssen einer umfassenden Überprüfung durch das

Bundesministerium der Verteidigung und – soweit
der BND betroffen ist – das Bundeskanzleramt unter-
zogen werden.

Hinsichtlich der in der Beweisaufnahme des Ausschusses

festgestellten Verstößen gegen die ISAF-Einsatzregeln

und gegen nationale Vorgaben im Zusammenhang mit

dem konkreten Waffeneinsatz sowie hinsichtlich der

eklatanten Defizite in Bezug auf die richtige völkerrech-

tliche Bewertung von Konfliktlagen im Einsatz sind fol-

gende Maßnahmen zu ergreifen:

– Es bedarf im Rahmen des Rechtsunterrichts einer
nachhaltigen Verbesserung von Aus- und Fortbildung

der Soldatinnen und Soldaten hinsichtlich des Ver-

stehens und der korrekten Anwendung der bindenden

Rules of Engagement der NATO sowie der nationalen

Einsatzvorgaben.

– Den Soldatinnen und Soldaten müssen zudem die
wichtigsten verfassungs- und völkerrechtlichen Rah-

menbedingungen so verständlich gemacht werden,

dass sich mühelos im täglichen Einsatz daran orien-

tieren können.

– Zwingend muss die Notwendigkeit der Einbeziehung
des Rechtsberaters in solchen Fällen wie dem vorlie-

genden vermittelt werden.

– Es muss absolut sichergestellt sein, dass ein solcher
ausgebildeter Rechtsberater auch immer in den PRTs

verfügbar ist.

Drucksache 17/7400 – 302 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Es muss sichergestellt werden, dass die Stellen, die

für die Abklärung der möglichen Betroffenheit eige-

ner oder befreundeter Kräfte zuständig sind, auch des

Nachts immer auskunftsfähig sind.

3. Folgerungen aus den festgestellten Defizi-
ten auf der Ebene der Bundesregierung

Es wurden in der Beweisaufnahme weiterhin erhebliche

Probleme im Umgang des Bundeskanzleramts, des Ver-

teidigungsministeriums und des Bundesministeriums der

Justiz mit Vorfällen solcher Tragweite festgestellt:

– Beim Krisenmanagement des Bundesverteidigungs-
ministeriums wurden sowohl Mängel in der internen

Koordination als auch in der Kommunikation nach

außen festgestellt. Im Hinblick auf die hohe Belas-

tung der Bundeswehr durch Auslandseinsätze ist es

dringend geboten, in diesem Bereich für Abhilfe zu

sorgen.

– Der Bundesminister der Verteidigung muss sichers-
tellen, dass Pressestab und militärischen Fachabtei-

lungen zukünftig nicht weiter planlos nebeneinander

agieren, sondern koordiniert und abgestimmt die Öf-

fentlichkeit wahrheitsgetreu informieren.

– Der Bundesminister der Verteidigung muss die sich
in der Beweisaufnahme offenbarten Mängel im Be-

reich der „Unternehmenskultur“ offensiv angehen
und Maßnahmen zu ergreifen, um den Prinzipien der

Inneren Führung wieder mehr Geltung zu verschaffen

und „Zivilcourage“ im Umgang mit Vorgesetzten zu
befördern.

– Hinsichtlich der defizitären Unterrichtung des Parla-
ments durch das Bundesministerium der Verteidi-

gung bedarf es eines grundsätzlichen Umdenkens und

eines ehrlicheren Umgangs. Dieser ist nicht nur an

Quantität, sondern vor allem auch an der Qualität der

Informationen zu messen. Es bedarf einer besseren

und regelmäßigeren Unterrichtung zumindest der Ob-

leute des Verteidigungsausschusses über die Einsätze

von Spezialkräften.

– Der Bundesminister der Verteidigung muss prüfen,
inwiefern die durch den Untersuchungsausschuss

gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen disziplinari-

scher Ermittlungen aufgegriffen werden müssen. Es

muss zukünftig sichergestellt werden, dass schwere

Verstöße gegen nationale und internationale Einsatz-

vorgaben durch Soldatinnen und Soldaten angemes-

sen untersucht und vergleichbare dienstrechtlichen

Konsequenzen nach sich ziehen wie andere Dienst-

pflichtverstöße.

– Die Mängel in der Koordination zwischen der für
Außen- und Sicherheitspolitik zuständigen Abteilung

2 und der für die Aufsicht über die Nachrichtendiens-

te zuständigen Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes

müssen beseitigt werden.

– Die Bundesministerin der Justiz muss prüfen, inwie-
fern die im Untersuchungsausschuss gewonnenen Er-

kenntnisse es notwendig machen, beim Generalbun-

desanwalt darauf hinzuwirken, dass dessen Verfahren

in Fällen mit derartig offensichtlicher Präzedenzwir-

kung zukünftig den Ansprüchen an gründliche, wirk-

same und effektive Ermittlungen besser entsprechen

als es die Einstellungsverfügung des Generalbundes-

anwalts im vorliegenden Fall erkennen lässt.

4. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf

Neben den Nachsteuerungsnotwendigkeiten bei Bundes-

wehr und Bundesregierung hat sich im Rahmen der Be-

weisaufnahme auch Handlungsbedarf auf der Ebene des

Gesetzgebers gezeigt:

– Die erkannte Lücke im System der parlamentarischen
Kontrolle des Bereichs des Militärischen Nachrich-

tenwesens der Bundeswehr muss geschlossen wer-

den, wobei die Lösung beispielsweise in einer Erwei-

terung der Zuständigkeiten des Parlamentarischen

Kontrollgremiums oder in der Wahrnehmung dieser

Kontrollaufgaben durch den Verteidigungsausschus-

ses gefunden werden könnte.

– In diesem Zusammenhang sollte durch den Gesetz-
geber durchaus auch erwogen werden, das Militäri-

sche Nachrichtenwesen unter dem Gesichtspunkt der

Rechtssicherheit auf eine eigene gesetzliche Grund-

lage zu stellen.

– Auch im Bereich der Strafverfolgung von Bundes-
wehrangehörigen im Zusammenhang mit Auslands-

einsätzen der Bundeswehr besteht gesetzgeberischer

Diskussionsbedarf: Aus Gründen der Rechtssicher-

heit sollte die Frage der Verfolgungszuständigkeit

des Generalbundesanwalts auch für die Verfolgung

von Straftaten nach allgemeinem Strafrecht im Zu-

sammenhang mit völkerstrafrechtlichen Sachverhal-

ten einer gesetzlichen Klärung zugeführt werden.

– Zudem sollte – auch zur Klarstellung für die Solda-
tinnen und Soldaten der Bundeswehr – darüber nach-
gedacht werden, ob auch in Deutschland eine eindeu-

tige und ausdrückliche gesetzliche Norm zur Rech-

tfertigung militärischen Handelns deutscher Soldaten

im Rahmen von Auslandseinsätzen erlassen werden

sollte.

– Im Rahmen der laufenden Diskussionen über eine
mögliche Novellierung des PUAG sollte darauf hin-

gewirkt werden, dass die Durchführung einer Ver-

nehmungsgegenüberstellung ausdrücklich als Min-

derheitenrecht ausgestaltet wird.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 303 – Drucksache 17/7400

B. Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.

I. „Lückenlose Aufklärung … ein Gebot der
Selbstverständlichkeit“

1954
In ihrer Regierungserklärung vom 08.09.2009 ist Bundes-

kanzlerin Dr. Angela Merkel mit dem Versprechen anget-

reten:

„Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls vom letz-
ten Freitag und seiner Folgen ist für mich und die

ganze Bundesregierung ein Gebot der Selbstver-

ständlichkeit. Die Bundeswehr wird mit allen zur

Verfügung stehenden Kräften genau dazu beitra-

gen. (… ) Ich stehe dafür ein, dass wir nichts be-
schönigen werden, (…).

(…)

Eine umfassende Bewertung des Angriffs und sei-

ner Folgen ist mir, ist dem Bundesminister der

Verteidigung, ist der Bundesregierung insgesamt

absolut wichtig. Auf der Grundlage aller Fakten

wird sie erfolgen: offen und nachvollziehbar.“1955

Dieses Versprechen ist bis heute nicht eingelöst. Stattdes-

sen haben die CDU/CSU/SPD- und auch die

CDU/CSU/FDP-Bundesregierung die Aufklärung der

Geschehnisse in der Nacht vom 3./4. September 2009

eher erschwert, behindert und verschleppt. Man hat be-

stenfalls reagiert, wenn öffentliche Meldungen es erfor-

derlich erscheinen ließen. Eine korrekte und vollständige

Information der Öffentlichkeit und des Parlaments sieht

anders aus.

Der Luftangriff vom 04.09.2009 hat gegen ISAF-

Verfahrensregeln verstoßen und war völkerrechtswid-

rig.
1956

Er hat das Leben vieler afghanischer Zivilisten

gekostet.
1957

Eine angemessene Entschädigung der Opfer

des Luftangriffs erfolgte bis heute nicht.
1958

Die Bundes-

regierung vertuschte alle mit dem Luftangriff in Zusam-

menhang stehenden Erkenntnisse nach Kräften
1959

und

bemühte sich sogar, Ermittlungen, die sich mit dem Luft-

angriff befassten, zu beeinflussen.
1960

Die von Kanzlerin Merkel geführte Bundesregierung hat

eigene Aktivitäten zur umfassenden Aufklärung des Vor-

falls weitgehend unterlassen. Stattdessen hat man – sofern
es opportun erschien – auf die Untersuchungen Anderer
verwiesen.

So haben sich die Mitglieder der Bundesregierung zu-

nächst darauf zurückgezogen, dass die Untersuchungser-
1954) Regierungserklärung vom 08.09.2009, BT-PlPr. 16/233

(Dokumnent 6), S. 26298.

1955) BT-PlPr. 16/233, S. 26298.
1956) Vgl. dazu ausführlich S. 331 f., 335 f. in diesem Sondervotum

(Teil 4, B.II.1. und 2.).

1957) Vgl. S. 308 f. (Teil 4, B.I.3.a)aa)).
1958) Vgl. S. 359 (Teil 4, B.III.2.).

1959) Vgl. S. 307 f. (Teil 4, B.I.3.).

1960) Vgl. S. 314 f., 352 f. (Teil 4, B.I.3.c)aa) sowie II.3.a)).

gebnisse des am 08.09.2009 eingesetzten ISAF-Joint

Investigation Board (JIB) abzuwarten seien.

Als sich abzeichnete, dass die Untersuchungsergebnisse

des JIB (der sog. COM ISAF-Bericht) nicht im Sinne der

deutschen Regierung waren – weil das JIB ermittelte
gravierende Verfahrensfehler deutlich benannte –, wurde
der NATO die Möglichkeit genommen, den vom JIB

ermittelten Sachverhalt mit einer abschließenden Bewer-

tung zu komplettieren.
1961

Die interessierte Öffentlichkeit

wurde stattdessen vom Bundesverteidigungsministerium

mit einer die JIB-Untersuchungsergebnisse umdeutenden

geschönten Interpretation bis auf Weiteres ruhig ge-

stellt.
1962

Nach dem plötzlichen Auftauchen des sog. Feldjägerbe-

richts in der Öffentlichkeit, der Entlassung von Staatssek-

retär Dr. Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan

und dem Rücktritt des ehemaligen Verteidigungsministers

Dr. Jung als Bundesminister für Arbeit und Soziales, war

die Linie der Regierung wiederum, die eigene Verpflich-

tung zur Aufklärung der Geschehnisse zu „delegieren“:
Nun hieß es, jegliches Bemühen um Aufklärung könne

allein dem frisch konstituierten Untersuchungsausschuss

überlassen werden, die Bundesregierung werde die dorti-

gen Aufklärungsbemühungen unterstützen.

Auch das ist nicht geschehen.

1. Behinderung der Arbeit des Untersu-
chungsausschusses

Die Möglichkeiten, die der Bundesregierung zur Verfü-

gung standen, die Aufklärungsarbeit des Untersuchungs-

ausschusses ins Leere laufen zu lassen, wurden konse-

quent genutzt.

Beigezogene Beweismittel wurden dem Untersuchungs-

ausschuss teilweise erst so spät übersandt, dass es nicht

mehr möglich war, sie zur Vorbereitung der mit ihnen in

Zusammenhang stehenden Zeugenvernehmungen auszu-

werten. Die Bundesregierung schwärzte bzw. sperrte

zahlreiche Aktenbestandteile, insbesondere aus dem Be-

reich des Bundesverteidigungsministeriums, vornehmlich

unter Berufung auf einen exzessiv interpretierten sog.

Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die restrik-

tive, die Vorgaben der Geheimschutzordnungen über-

schreitende Politik nicht nachvollziehbarer VS-

Einstufungen und verweigerter Herabstufung offenkundig

nicht geheimhaltungsbedürftiger Erkenntnisse in Be-

weismitteln und Beweisergebnissen lässt deutlich erken-

nen, dass es der Bundesregierung weniger um den Schutz

sicherheitsrelevanter Staatsgeheimnisse ging als darum,

ihr nachteilige Informationen nicht an die Öffentlichkeit

gelangen zu lassen.
1961) Vgl. S. 317 (Teil 4, B.I.3.c)bb)).

1962) Vgl. S. 319 f. (Teil 4, B.I.3.c)cc)).
Drucksache 17/7400 – 304 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die von der Bundesregierung erteilten Aussagegenehmi-

gungen wurden so eingeschränkt, dass Zeugen sich viel-

fach nicht in der Lage sahen, Auskunft über ihre für die

Untersuchung relevanten Kenntnisse zu geben. Konse-

quent zurückgewiesen wurden in den Ausschusssitzungen

daher Fragen, die darauf abzielten, es den Mitgliedern des

Untersuchungsausschusses zu ermöglichen, sich selbst

eine Meinung darüber zu bilden, inwieweit es sich bei den

Aktivitäten in der Nacht des 03./04.09.2009 um eine Ope-

ration der Task Force 47 gehandelt hatte, oder ob versucht

worden war, gezielt Personen zu töten, die auf der sog.

JPEL
1963

, also der capture or kill-Liste der am ISAF-

Mandat beteiligten NATO-Staaten, standen.

So war es dem Untersuchungsausschuss letztlich weder

möglich, nachzuweisen, dass eine Verknüpfung mit nicht

vom ISAF-Mandat des Bundestages gedeckten Einsatz-

modalitäten (Stichworte: Spezialkräfteoperation – targe-
ted killing – geheimdienstliche Aktivitäten?) bestanden
hatte, noch auszuschließen, dass dies der Fall gewesen

war.

Die die Regierungskoalition tragenden Bundestagsfrak-

tionen der CDU/CSU und FDP haben die skizzierte Linie

der Bundesregierung im Untersuchungsausschuss ge-

stützt.

Den im Dezember 2009 ursprünglich einvernehmlich

gefassten Ausschussbeschluss, eine möglichst optimale

Information der Öffentlichkeit über die Untersuchungen

des Ausschusses auch dadurch zu gewährleisten, dass

Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss so

weitgehend wie möglich öffentlich durchgeführt werden,

hoben sie mit ihrer Stimmenmehrheit im Juni 2010 gegen

den Protest der Oppositionsfraktionen auf. In der Folge

gestellte Anträge der Oppositionsfraktionen auf Verneh-

mung diverser weiterer Zeugen in öffentlicher Sitzung

stimmten sie nieder.

Der Ablauf der Beweisaufnahme und die Zeugenreihung

wurden unter wiederholter Missachtung der argumentativ

fundierten Vorstellungen der Oppositionsfraktionen maß-

geblich durch die Mehrheitsfraktionen vorgegeben; zu-

gleich wurde die Dauer der Beweisaufnahmesitzungen auf

maximal sechs Stunden pro Sitzungstag begrenzt.

Den Zeitplan für die Erstellung des Abschlussberichts des

Untersuchungsausschusses fassten die Mehrheitsfraktio-

nen so eng, dass weder dem Ausschusssekretariat noch

den Oppositionsfraktionen die Möglichkeit blieb, sämtli-

che Beweismittel erschöpfend auszuwerten und der Öf-

fentlichkeit zugänglich zu machen. Sich selbst verschaff-

ten die Mehrheitsfraktionen jedoch nach Belieben Auf-

schübe durch entsprechende Beschlussfassung.
1963) JPEL = Joint Prioritized Effects List. Diese Liste ist Grundlage

für targeted killings im Rahmen des ISAF-Einsatzes; vgl. BT-Drs.

17/2775, S. 77: „Entsprechend dem ISAF-Regelwerk wird eine
Liste geführt, in der auf der Grundlage eines festgelegten Krite-

rienkatalogs Zielpersonen Handlungsempfehlungen zugeordnet

werden. Bei Personen, die sich unmittelbar oder dauerhaft an den
Feindseligkeiten beteiligen, besteht die Möglichkeit, die Anwen-

dung gezielt tödlich wirkender militärischer Gewalt zu empfeh-

len.”

2. Eindimensionalität der Bewertung der
Mehrheitsfraktionen

Die Bewertung des Ergebnisses der Arbeit des Untersu-

chungsausschusses durch die Mehrheitsfraktionen der

CDU/CSU und FDP lässt sich nur als eindimensional

bezeichnen.

a) Mangelndes Aufklärungsinteresse

Das Ausmaß ihres Aufklärungsinteresses offenbaren die

Mehrheitsfraktionen dankenswerterweise selbst, wenn sie

ausführen, die Ausschussmehrheit habe

„durch umsichtiges Verhalten erreichen können,
dass (…) Schaden von der Bundeswehr abgewen-
det wurde.“1964

Wenig überraschend ist vor diesem Hintergrund, dass

bereits die Eingangsbehauptung, die Bundesregierung

habe sich nach dem Luftangriff von Kundus „unmittelbar
um Aufklärung der Lage vor Ort bemüht und sehr rasch

die deutsche wie die afghanische Öffentlichkeit nach

bestem verfügbaren Wissen unterrichtet“1965 nicht zu
halten ist; dass von einer korrekten Information des Par-

laments und der Öffentlichkeit keine Rede sein kann,

wurde bereits angesprochen.
1966

Die von den Mehrheitsfraktionen vorgenommene Bewer-

tung der Arbeit des Untersuchungsausschusses in Hinb-

lick auf das Bombardement der Sandbank im Kundus-

Fluss spricht für sich: Die Mehrheitsfraktionen vertreten

die Auffassung,

„Durch die umfassende Unterrichtung“

– gemeint sind hier augenscheinlich die Angaben des
Zeugen Verteidigungsminister a. D. Guttenberg im Unter-

suchungsausschuss –

„und die gemachten Feststellungen“

– dies dürfte sich auf das Ermittlungsergebnis der Gene-
ralbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof im Ver-

fahren gegen Oberst Klein und seinen Fliegerleitoffizier

(JTAC) Hauptfeldwebel W. beziehen –

„waren weiterführende neue Erkenntnisse für den
Untersuchungsauftrag nicht mehr zu erwarten und

wurden im Nachgang auch nicht mehr gewon-

nen.“1967

Dass der Untersuchungsausschuss gerade zu der wichti-

gen Frage „Was geschah wirklich in der Nacht des
03./04.09.2009 in Kundus?“ nennenswerte Erkenntnisse
erlangt hat, ist den Ausführungen im Folgenden

1968
zu

entnehmen. Dabei musste die Opposition feststellen, dass

die von der Mehrheit hervorgehobene Aufklärungsarbeit
1964) Teil 3, B.I.2. (S. 175).
1965) Teil 3, B.I.1. (S. 174).

1966) Und wird im folgenden Abschnitt noch näher darzustellen sein,

vgl. S. 307 f. (Teil 4, B.I.3.).
1967) Teil 3, B.I.2. (S. 175).

1968) Vgl. insbesondere S. 307 f., 312 f., 331 f., 335 f. (Abschnitt I.3.a)

und b) sowie II.1. und 2.).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 305 – Drucksache 17/7400

der Strafverfolgungsbehörden den tatsächlichen Ereignis-

sen nicht im Ansatz gerecht geworden ist.
1969

Das Straf-

verfahren gegen die Verantwortlichen von Kundus wurde

von der Bundesanwaltschaft nach unhaltbar oberflächli-

chen „Ermittlungen“ eine Woche vor der Vernehmung
des seinerzeitigen Verteidigungsministers Guttenberg als

Zeuge im Untersuchungsausschuss eingestellt. Entgegen

der von den Mehrheitsfraktionen danach wiederholt geäu-

ßerten Auffassung besagt dies nichts darüber, dass ein

Fortführen der Arbeit im Untersuchungsausschuss über-

flüssig gewesen wäre – es bestätigt nur, wie unzureichend
die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft waren.

Und das der Realität nicht im Ansatz gerecht werdende

Lob der Regierungsfraktionen für die „intensive und in-
haltlich umfassende Untersuchung“1970 des Bombenang-
riffs vom 04.09.2009 durch die Strafverfolgungsbehörden

belegt, dass die – dem Bundesjustizministerium berichts-
pflichtige – Bundesanwaltschaft sich sicher sein konnte,
unter dieser Bundesregierung keine Rechenschaft für die

faktische Nichtverfolgung des Luftangriffs von Kundus

ablegen zu müssen.

Die Arbeit des Untersuchungsausschusses – entgegen
aller Blockaden der Bundesregierung und der diese tra-

genden Mehrheitsfraktionen – war bitter nötig, um zu
gewährleisten, dass der Luftangriff von Kundus zumin-

dest auf der Grundlage der von der Bundesregierung

zugänglich gemachten Beweismittel näher aufgeklärt

werden konnte.

Geradezu bestürzend werden die Ausführungen der Aus-

schussmehrheit da, wo sogar eine neue „Dolchstoßlegen-
de“ formuliert wird: „Statt Unterstützung für die Bundes-
wehr“ sei ein „politischer Generalangriff nach innen ver-
sucht“ worden.1971 Mit ihrer Bewertung der Ausschussar-
beit diskreditieren sich die Mehrheitsfraktionen im Unter-

suchungsausschuss letztlich selbst.

b) Umdeutung der Beweisergebnisse des
Untersuchungsausschusses

Die Mehrheitsfraktionen biegen die Beweisergebnisse

nach Belieben zurecht – wenn sie sie nicht gleich selbst
konstruieren. Insbesondere in ihrem Bewertungsteil stel-

len sie selektiv und tendenziös stets nur auf die Zeugen-

aussagen und sonstigen Beweismittel ab, die ihnen ge-

nehm sind, ohne sich den Mühen einer adäquaten Be-

weiswürdigung auszusetzen. Und sie scheuen noch nicht

einmal davor zurück, „Beweisergebnisse“ zu behaupten,
die der Ausschuss niemals ermittelt hat.

Die Ausführungen im Bewertungsteil der Mehrheit kön-

nen insoweit nur als unseriös bezeichnet werden. Einige

der gravierendsten Konstruktionen sollen hier angespro-

chen werden:

Die Mehrheitsfraktionen stellen u. a. die Behauptung auf,

„nach den Erkenntnissen des Ausschusses“ sei davon
1969) Vgl. S. 352 f. (Teil 4, B.II.3.).

1970) Teil 3, B.I.2. (S. 174).

1971) Teil 3, B.I.2. (S. 175).

auszugehen, dass die Entführung der Tanklaster „geplant
war, um später mit der gewaltigen Sprengkraft zweier voll

beladener Tanklastzüge einen Anschlag der schwersten

Kategorie durchführen zu können.“1972 Derartige Erkenn-
tnisse des Untersuchungsausschusses gibt es nicht. Hin-

weise darauf, was mit den Tanklastern geschehen sollte,

ergaben sich lediglich aus Meldungen des Informanten
1973

der Task Force 47: die Tanklaster sollten über den Kun-

dus-Fluss nach Westen gebracht oder auf der Sandbank

ausgeschlachtet werden.
1974

Die Darlegung im Mehrheitsvotum, dass die Sandbank,

auf der sich die Tanklaster festgefahren hatten, nur 7

Kilometer vom PRT Kundus entfernt war,
1975

übergeht,

dass es sich bei dieser Entfernungsangabe um die Luftli-

nie zwischen beiden Orten handelte. Die Fahrtstrecke von

der Sandbank zum PRT Kundus, selbst über ausgebaute

Straßen, die ein schnelleres Vorankommen ermöglicht

hätten, wäre deutlich weiter gewesen. Um überhaupt eine

der Hauptstraßen zum PRT Kundus zu erreichen, hätten

die Tanklaster außerdem zunächst eine Teilstrecke von

mehreren Kilometern über Nebenstraßen zurücklegen

müssen. Das würde sich zusätzlich auf die Fahrtzeit zum

PRT Kundus ausgewirkt haben. Diese Informationen –
die auch die Angaben von Oberst Klein zur vorgeblichen

Bedrohungslage für das PRT Kundus relativieren – hatte
das Bundesverteidigungsministerium der Bundesanwalt-

schaft Mitte Februar 2010 – allerdings erst auf gezielte
Nachfrage – übermittelt.1976

Die Mehrheitsfraktionen formulieren das angebliche Be-

weisergebnis, „im weiteren Verlauf“ hätten sich Dorfbe-
wohner zur Sandbank begeben und dort Treibstoff aus

den Tanklastern abgezapft, „damit diese an Gewicht ver-
lieren und die Sandbank wieder verlassen können.“1977
Dem Untersuchungsausschuss liegen keinerlei Anhalt-

spunkte, erst recht keine Beweisergebnisse vor, aus denen

sich eine derartige Intention der freiwillig zur Sandbank

gekommenen Dorfbewohner (zu helfen, die Tanklaster

freizubekommen) ergibt.

Beunruhigend wird das Ausmaß, in dem die Mehrheits-

fraktionen bemüht sind, tatsächlich noch nicht einmal

andeutungsweise im Raum stehende Sachverhaltskonstel-

lationen zu fingieren, wenn sie formulieren, es habe

„nicht zweifelsfrei geklärt werden“ können, „ob das Ben-
zin zum eigenen Verbrauch überlassen werden sollte oder

befohlen wurde, das Benzin abzuzapfen, um es später in

die Tanklaster zurück zu füllen“.1978 Ein derartiges Szena-
rio (Rückfüllen des Treibstoffs in die Tanklaster bzw.

Erteilung eines entsprechenden Befehls) war weder im

Untersuchungsausschuss jemals Thema, noch im Rahmen

der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden – und
zwar deshalb, weil hierfür niemals Anhaltspunkte vorla-
1972) Teil 3, B.I.4.a) (S. 176).

1973) Sog. HUMINT- (Human Intelligence) Quelle.
1974) Vgl. die im Feststellungsteil, S. 45, wiedergegebenen HUMINT-

Meldungen (Teil 2, B.III.1.b) und Dokument 55.

1975) Teil 3, B.I.4.a) (S. 176).
1976) Mat. 17-74, Anlage 02, Bl. 3 ff., 5, 33, 34; Tgb.-Nr. 96/11.

1977) Teil 3, B.I.4.a) (S. 176).

1978) Teil 3, B.I.4.a) (S. 177).
Drucksache 17/7400 – 306 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gen. Die vermeintlich im Ausschuss ungeklärte „Zwei-
felsfrage“ war also frei erfunden.

Entgegen der Darlegung der Ausschussmehrheit hatte

Oberst Klein auch nicht den Auftrag erteilt, den Informan-

ten der Task Force 47 „nach etwaigen Veränderungen der
Lage zu befragen“,1979 sondern hatte stets nur danach
gefragt, ob sich auch wirklich nur Aufständische vor Ort

befänden.
1980

Hier wird eine Differenziertheit des Verhal-

tens von Oberst Klein vorgegaukelt, die noch nicht einmal

nach dessen eigenen Angaben gegeben war.

Unzutreffend ist die „Sachverhaltsschilderung“ der Mehr-
heitsfraktionen auch in Hinblick auf die in der Nacht des

03./04.09.2009 in der Operationszentrale der

Task Force 47 anwesenden Personen:
1981

In der durch-

sichtigen Absicht, das Ausmaß der Beteiligung von Kräf-

ten der Task Force 47 herunterzuspielen, wird unterschla-

gen, dass auch die beiden Mitarbeiter des Field HUMINT

Team (FHT) der Task Force 47 in der Operationszentrale

ein- und ausgingen und dort u. a. auch länger verweilten:

Sie hielten kontinuierlich den Nachrichtenoffizier der

Task Force 47 über die Angaben des Informanten der

Task Force 47 (die wiederum von dem Sprachmittler der

Task Force 47 übersetzt wurden) auf dem Laufenden.

Völlig übergangen wird außerdem, dass Oberst Klein,

dem die Mehrheitsfraktionen ansonsten jedes Wort zu

glauben scheinen, selbst angab, als er die Operationszent-

rale der Task Force 47 kurz nach Mitternacht – also nach-
dem die Tanklaster auf der Sandbank entdeckt worden

waren – betreten habe, hätten sich dort auch ihm vom
Sehen bekannte Mitarbeiter des BND befunden.

1982
Dieser Punkt steht zugleich exemplarisch dafür, wie die

Mehrheitsfraktionen sich in ihrer Bewertung ausschließ-

lich auf die Aussagen und sonstigen Beweismittel stützen,

die in das Bild des Geschehens, wie die Ausschussmehr-

heit es zeichnen möchte, passen. Widerstreitende Be-

weismittel werden übergangen, eine Auseinandersetzung

mit den Beweismitteln, eine Beweiswürdigung und Ab-

wägung der Beweiskraft dieser von den Mehrheitsfraktio-

nen zugrunde gelegten – häufig sogar: singulär gebliebe-
nen – „Erkenntnisse“ findet nicht statt.

c) Einseitige Schuldzuweisung für Vertu-
schungsbemühungen

Geradezu erschreckend ist, wie die Mehrheitsfraktionen

in ihrem kaum bemäntelten intensiven Bestreben, Regie-

rungsmitglieder von jeglicher Verantwortlichkeit frei-

zusprechen, auf schon irrationale Weise den ehemaligen

Generalinspekteur, General a. D. Schneiderhan, und den

ehemaligen Staatssekretär im Bundesverteidigungsminis-

terium Dr. Wichert als die Personen inszenieren, die aus

dem Hintergrund alle Verteidigungsminister und deren

Stäbe wie Marionetten führten. Welches finstere Ziel
1979) Teil 3, B.I.4.d) (S. 179).
1980) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13, 15, 56.

1981) Teil 3, B.I.4.b) und 4.c) (S. 177 f.).

1982) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8, 9/10, 23, 59.

diese damit verfolgten, teilen die Mehrheitsfraktionen

leider nicht mit.

Die Annahme, ein Generalinspekteur und ein Staatssekre-

tär hätten über Jahre – oder doch erst „seit dem Luft-
schlag“?1983 – entgegen der Vorgaben der Bundesregie-
rungen, für die sie tätig waren, eigenständig Verteidi-

gungspolitik betreiben können, ist schon deshalb abenteu-

erlich, weil sie die Frage völlig unbeantwortet lässt, wel-

chen individuellen Vorteil diese Akteure daraus hätten

ziehen sollen. Selbst wenn es zuträfe, dass diese beiden

Personen im Übermaß und über einen längeren Zeitraum

die Politik des Bundesministeriums der Verteidigung

bestimmt hätten, würde sich die Frage unabweisbar stel-

len, wie es um die Führung dieses Hauses bestellt war,

und wieso eine Kanzlerin, die die Gesamtverantwortung

trägt, solche Strukturen so lange tolerieren konnte. Es ist

zudem offensichtlich, dass diese beiden Personen seitens

der Bundesregierung – und nunmehr auch der diese Re-
gierung tragenden Mehrheitsfraktionen – dazu auserkoren
wurden, in der Bilanz die Verantwortung für jeglichen

feststellbaren Missstand zu tragen.

In den Hintergrund treten soll dabei, dass weder die große

Koalition der 16. Wahlperiode noch die schwarz-gelbe

Regierung der 17. Wahlperiode irgendein Interesse daran

haben konnten, die Öffentlichkeit und das Parlament

adäquat über den Luftangriff von Kundus zu informieren.

Die Befragung aller Regierungsmitglieder, Behördenmi-

tarbeiter und Bundeswehrangehörigen, die mit irgendeiner

Reaktion auf den Luftangriff befasst waren, hat verdeut-

licht, dass all diese Personen mehr gewusst hatten – in-
sbesondere über zivile Opfer und Verfahrensfehler – als
von Seiten der Bundesregierung und der Bundeswehr

nach außen hin eingeräumt wurde.

Ebenfalls in den Hintergrund treten soll, dass die Fehlbe-

wertung des Luftangriffs durch den neu ins Amt gekom-

menen Verteidigungsminister Guttenberg am 06.11.2009

offenkundig nicht vorrangig mit dessen Beratung durch

den Generalinspekteur und den Staatssekretär begründet

werden kann: Der Leiter des – unmittelbar dem Minister
unterstellten – Planungsstabes im Bundesverteidigungs-
ministerium etwa bezeichnete den Luftangriff ebenfalls

als „militärisch vertretbar“1984 – was er evident nicht war.
Schwerer wiegt in diesem Zusammenhang aber, dass der

Verteidigungsminister Guttenberg vor dem 06.11.2009

nach eigenen Angaben den sehr kritischen COM ISAF-

Bericht selbst gelesen hatte. Es wäre also an ihm gewe-

sen, sich selbst eine Meinung zu bilden – und gegebenen-
falls auch einmal gezielt nachzuhaken.

Dass gewählte Volksvertreter und von diesen gestützte

Regierungsmitglieder – zumal vor der Bundestagswahl
vom 27.09.2009 – ein größeres Interesse daran hatten, die
Realitäten des Krieges in Afghanistan vor der Öffentlich-

keit zu verbergen, als politische Beamte, erschließt sich

von selbst.
1983) Vgl. Teil 3, B.III.2.b)aa)aaa) (S. 192).

1984) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 307 – Drucksache 17/7400

Das Mehrheitsvotum lässt überdeutlich erkennen, dass es

seinen Verfassern nicht um eine Auseinandersetzung mit

den dem Untersuchungsausschuss aufgegebenen Frages-

tellungen geht. Ziel ist allein, Bundeswehr und Bundesre-

gierung von jeglicher „Schuld“ oder Verantwortung frei-
zuzeichnen.

Personalisiert bedeutet dies: Die Mitglieder der vor und

nach der Bundestagswahl vom 27.09.2009 amtierenden

Bundesregierungen, allen voran Bundeskanzlerin

Dr. Merkel, Verteidigungsminister a. D. Dr. Jung und

Verteidigungsminister a. D. Guttenberg von dem massi-

ven Verdacht der Vertuschung der Vorbedingungen und

Folgen des Luftangriffs von Kundus reinzuwaschen. Und

zugleich Freisprüche für Oberst Klein und Verteidi-

gungsminister a. D. Guttenberg zu formulieren, damit

diesen nicht die Möglichkeit genommen wird, weiter

Karriere zu machen.

Die Mehrheitsfraktionen lassen sich offensichtlich auch

von dem Bemühen leiten, die Auslandseinsätze der Bun-

deswehr umstandslos zu verfechten. Dies soll auch für die

Zukunft gelten. Dazu gehört dann, dass man jegliche

Verunsicherung der Truppe strikt zu vermeiden sucht, die

ja schon durch eingehendere Untersuchung kritik- oder

strafwürdigen Verhaltens in den Auslandseinsätzen und

daraus entstehende Folgen aufkommen könnte. Und man

möchte verhindern, dass die große Bevölkerungsgruppe

derer, die dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan und

weiteren bereits laufenden, geplanten oder künftig zu

erwartenden Militäreinsätzen unter deutscher Beteiligung

ablehnend gegenübersteht, noch weiter anwächst. Dass

diese Motive einer konsequenten Aufklärung der Ereig-

nisse in Kundus im Wege stehen, liegt auf der Hand.

3. Vertuschung der Folgen und näheren Um-
stände des Luftangriffs durch die Bundes-
regierung

Die Bundesregierung hatte bereits früh – am Vormittag
des 04.09.2009 – Hinweise darauf erhalten, dass der Luft-
angriff in Kundus Opfer unter der Zivilbevölkerung ge-

kostet hatte. Selbst auf internationaler Ebene wurde an die

Bundesregierung appelliert, zivile Opfer nicht zu leugnen.

Anstatt zumindest offenzulegen, dass es zwar (anfänglich)

noch keine unzweideutigen Beweise für den Tod einer

Vielzahl von Zivilpersonen gab, dass sich aber die Anzei-

chen, die dies nahelegten, häuften,
1985

verlor sich die –
gesamte – Bundesregierung (soweit sich Regierungsmitg-
lieder überhaupt äußerten) in beschönigenden Darstellun-

gen und vagen Bekundungen.
1986

Versucht wurde auch, den Luftangriff mit der Behauptung

zu rechtfertigen, von den Tanklastern bzw. den Personen

auf der Sandbank sei eine Bedrohung für das PRT Kun-

dus ausgegangen.
1987

Der Untersuchungsausschuss hat

feststellen können, dass dies nicht der Fall war und dass

hierfür auch niemals belastbare Anhaltspunkte vorlagen.
1985) Vgl. S. 310 f. (Teil 4, B.I.3.a)bb)).

1986) Vgl. S. 312 f. (Teil 4, B.I.3.a)cc)).

1987) Vgl. S. 312 f. (Teil 4, B.I.3.b)).

Eine nationale Untersuchung des Vorfalls wurde im Bun-

desverteidigungsministerium explizit unterbunden.
1988

Auf NATO-Ebene wurde zunächst das Initial Action

Team (IAT), im Anschluss daran das Joint Investigation

Board (JIB) eingesetzt, um den Luftangriff insbesondere

in Hinblick auf dessen Folgen und auf mögliche Regel-

verstöße zu untersuchen.

Bereits dem am 07.09.2009 vorgelegten Bericht des IAT

war zu entnehmen, dass durch den Luftangriff in Kundus

Zivilisten getötet und schwer verletzt worden waren. Der

Bericht stand damit in Widerspruch zur offiziellen Linie

der Bundesregierung. Das Bundesverteidigungsministe-

rium bemühte sich daher, diesem Bericht alle Relevanz

abzusprechen und gab vor, dies sei ein „bloßer Reisebe-
richt“, und er habe „keinen offiziellen Charakter“.1989

In Hinblick auf die Arbeit des JIB, das direkt nach Vor-

liegen der Erkenntnisse des IAT (und aufgrund dessen)

am 08.09.2009 eingesetzt worden war, bemühte sich die

Bundesregierung zunächst, Einblick in den Gang der

Untersuchung zu bekommen und – soweit ersichtlich –
diese auch zu beeinflussen.

1990
Der – für die Bundeswehr

und insbesondere Oberst Klein – wenig schmeichelhaft
ausfallende Abschlussbericht des JIB, der sog.

COM ISAF-Bericht, wurde nach Deutschland geholt,

bevor es der NATO gelungen war, ihre abschließende

Bewertung zum Luftangriff zu formulieren.
1991

Die Bun-

desregierung ersetzte die Bewertung der NATO gegenü-

ber der Öffentlichkeit durch eine sehr eigene und beschö-

nigende Darstellung der Ergebnisse des JIB.
1992

Dass hinter all diesen Manövern die Furcht stand, sich im

Bundestagswahlkampf mit der deutschen Kriegsbeteili-

gung in Afghanistan auseinandersetzen zu müssen,
1993

ist

evident.

a) Vertuschung der Tötung einer großen Zahl
von Zivilpersonen

Die Bundesregierung wird nicht müde, zu erklären, letz-

tlich gebe es noch nicht einmal Sicherheit darüber, ob

durch den Luftangriff vom 04.09.2009 überhaupt irgen-

dein afghanischer Zivilist oder eine Zivilistin getötet oder

verletzt wurde.
1994

Die Ausschussmehrheit immerhin

scheint inzwischen erkannt zu haben, dass „bei dem Luft-
schlag sowohl Taliban als auch Zivilisten getötet und
1988) Hierzu Feststellungsteil S. 78 f. (Teil 2, B.IV.4.).
1989) Vgl. z. B. Mat. 17-52, Bl. 7; Mat. 17-54, Ordner 4, Bl. 195; sowie

Dokument 74, Bl. 74.

1990) Vgl. S. 314 f. (Teil 4, B.I.3.c)aa)).
1991) Vgl. S. 317 f. (Teil 4, B.I.3.c)bb)).

1992) Vgl. S. 319 f. (Teil 4, B.I.3.c)cc) und d)).

1993) Vgl. S. 324 f., 328 f. (Teil 4, B.I.3.e) und f)).
1994) So Bundeskanzlerin Dr. Merkel noch im Februar 2011 als Zeugin

im Untersuchungsausschuss: „Es sind ja bis heute keine evidenten
Fakten gefunden worden. (…) Ich habe eine politische Bewertung
vorzunehmen, und als Bundeskanzlerin sage ich, dass ich in al-

lem, was ich sage und tue, davon ausgehen muss, dass die Wahr-

scheinlichkeit, dass es zivile Opfer gibt, um ein Vieles höher ist.
Also, ich gehe einfach von zivilen Opfern aus und richte danach

meine politische Einlassung zu diesem Vorgang ein.“ (Protokoll-
Nr. 49, Teil I, S. 47, 88).
Drucksache 17/7400 – 308 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
verletzt wurden“.1995 Da im Mehrheitsvotum alle dem
Untersuchungsausschuss vorliegenden Erkenntnisse zu

zivilen Opfern als nicht hinreichend belastbar bezeichnet

werden, fragt sich lediglich, worauf die Mehrheitsfraktio-

nen ihre Behauptung stützen, es sei „davon auszugehen,
dass die Anzahl der getöteten Taliban weitaus höher ist

als die der Zivilisten“.1996 In der Tat ist es dem Untersu-
chungsausschuss nicht gelungen, nachzuweisen, wie viele

der durch den Luftangriff vom 04.09.2009 getöteten und

verletzten Menschen Taliban bzw. aufständische Kämpfer

waren.

Der Untersuchungsausschuss hat aber Feststellungen dazu

treffen können, in welcher Größenordnung sich die Zahl

der getöteten und verletzten Zivilpersonen bewegte. Be-

sonders wertvoll waren dabei die Angaben der Zeugin

Dr. Erfan, die sich vor Ort in Kundus selbst an Ermittlun-

gen beteiligt hatte.

aa) Erkenntnisse zur Zahl ziviler Opfer nach
der Beweisaufnahme im Untersuchungs-
ausschuss

Die im Untersuchungsausschuss als Zeugin vernommene

afghanische Ärztin, Frauenrechtlerin und Kommunalpoli-

tikerin Dr. Habibe Erfan erfuhr in den Tagen nach dem

Luftangriff in Kundus von der örtlichen Bevölkerung,

dass bei dem Bombardement nicht nur Kämpfer ums

Leben gekommen waren, sondern dass es auch viele Tote

aus den Reihen der Zivilbevölkerung gab. Diese Informa-

tion stand in Widerspruch zur offiziellen Linie der Pro-

vinzregierung und der afghanischen Zentralregierung, die

zunächst behaupteten, Opfer des Luftangriffs seien aus-

schließlich Aufständische geworden. Frau Dr. Erfan

schilderte im Untersuchungsausschuss:

„Man hat uns erzählt, dass viele Frauen durch die-
ses Bombardement Witwen geworden sind und

dass sie jetzt eine sehr schwierige Lage haben. (…)
Wir haben dann in der Zwischenzeit erfahren, dass

viele Zivilisten und auch Leute, die Kämpfer war-

en, getötet worden sind. Aber die afghanische Re-

gierung hat behauptet, auch die lokale Regierung

hat behauptet, dass in Kunduz die Zivilbevölke-

rung nicht getötet worden ist, sondern es waren

Kämpfer und Oppositionelle, die in diesem Bom-

bardement getötet worden sind. Aber die Bevölke-

rung dort war Zeuge. Die Krankenhäuser sind voll.

Sie haben als Augenzeugen gesehen, dass viele

Leute, Zivilbevölkerung, getötet worden sind und

dass sie auch in Krankenhäuser gebracht wurden

und ein Teil von ihnen auch im Krankenhaus ge-

storben ist.“1997

Frau Dr. Erfan gründete daher gemeinsam mit einer wei-

teren Abgeordneten des Provinzrats (Schura) von Kundus,

Frau Z., ein kleines Ermittlerteam. Sie wollten vor Ort

herausfinden, ob und inwieweit die Berichte der Bevölke-
1995) Teil 3, B.VI.2.a)bb) (S. 206).

1996) Teil 3, B.VI.2.a)bb) (S. 206).

1997) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 3.

rung zutrafen, durch den Luftangriff seien mehr als 100

Zivilisten getötet worden. Im Untersuchungsausschuss

schilderte sie den Ablauf ihrer ausführlichen Recherchen:

„Wir haben ein Team gebildet, damit wir selber
die Untersuchung durchführen können.

Anfang November 2009 sind ich und Frau Z. mit

Helfern unseres Arbeitsteams zum Geschehensort

gegangen. Wir sind von Haus zu Haus gegangen.

Es war sehr schwierig, dort die Untersuchung

durchzuführen. Damit wir nicht selber gefährdet

werden, haben wir die Hilfe der Einheimischen in

Anspruch genommen. Wir haben gesehen, dass

viele Leute dort getötet worden sind. Wir wollten

Dokumentationen hierzu herstellen. Wir hatten ja

eine Statistik, weil die Bevölkerung, die zu uns

gekommen war, gesagt hat, dass 179 Getötete dar-

unter waren. (…)

Aufgrund der verschiedenen Unterlagen, die wir

zusammengestellt hatten, hatten wir dann auch

Zeugen mit Namen und Adressen gesammelt und

hatten auch die Familien der betroffenen Leute, die

getötet worden sind, gesammelt, sodass wir die

Statistik erfassten, dass 113 Menschen getötet

worden sind, und sieben Personen waren verwun-

det.

(…) Wir haben dann unsere Untersuchungen über
den Bezirksvorsteher vervollständigt, wie viele

Kinder getötet worden sind. Die getöteten Kinder

waren Schulkinder. Wir konnten durch den Direk-

tor und durch die Lehrer der Schulen wieder eine

Liste zusammenstellen.

Damit wir unsere Beweise vervollständigen konn-

ten, haben wir unsere Fragen noch mal bei den

Familien gestellt, (…).

Unser Erforschungsteam setzte aber seine Arbeit

weiter fort. Dann wurde aber von Deutschland aus

Ihr Untersuchungsausschuss gebildet, und wir hof-

fen, dass wir durch die Untersuchung dieses Aus-

schusses doch endgültig zu Wahrheiten gelangen

können.“1998

Bereits dieses Zitat lässt erkennen, dass die Anhörung der

Zeugin Dr. Erfan im Untersuchungsausschuss beeinträch-

tigt wurde durch eine über weite Strecken schwer nach-

vollziehbare und vermutlich auch lückenhafte Simultan-

übersetzung durch die offenkundig überforderten Dolmet-

scher.
1999

Dennoch verdeutlichen die gedolmetschten

Angaben der Zeugin anschaulich, welche Aktivitäten

durch sie und ihr Team entfaltet wurden, um eine belast-

bare und nachvollziehbare Dokumentation zu zivilen

Opfern des Luftangriffs vom 04. September 2009 zu er-

stellen.
1998) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 4.

1999) Die in Dari getätigten Angaben der Zeugin wurden im Untersu-
chungsausschuss nicht aufgezeichnet und konnten dem in

deutscher Sprache und auf Basis der Simultanübersetzung ver-

fassten Protokoll daher nicht gegenübergestellt werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 309 – Drucksache 17/7400

Das Team um die Zeugin Dr. Erfan sammelte Dokumen-

te, um die Anzahl der getöteten Zivilisten belegen zu

können und deren Personalien festzustellen – Schüler-
ausweise, Personalausweise, Wahlausweise:

„Wir hatten dann Fotos, und die Personalausweise
hat man mitgebracht, und aufgrund dieser Unterla-

gen haben wir dann eine Liste aufgestellt.“2000

„Aufgrund des Personalausweises konnte man ja
das Alter feststellen und aufgrund der Unterlagen,

die in den Schulen über diese Schüler vorhanden

waren. (…) Die Getöteten, die Schüler waren,
waren ja Schüler. Deswegen waren wir ja in den

Schulen. Und dann haben der Direktor und sein

Stellvertreter bestätigt, dass diese Schüler, die ge-

tötet worden sind, von ihren Schulen stammen.
“2001

„Ich denke, 25 bis 26 Schulkinder waren da-
bei.“2002

„Ja. Die meisten hatten solche Wahlausweise. Ja.
Das können Sie bei mir sehen in den Unterla-

gen.“2003

„Ich denke, es waren mehr als 60 bis 70 Wahlaus-
weise. Die Kinder hatten keine Wahlausweise.“2004

Die von dem Team um die Zeugin Dr. Erfan zusammen-

gestellten Unterlagen liegen dem Untersuchungsausschuss

vor.
2005

Die von der Zeugin Dr. Erfan und ihrem Team gesam-

melten Wahlausweise sind von grundlegender indizieller

Bedeutung dafür, dass es sich bei den ermittelten Perso-

nen nicht um Aufständische und noch nicht einmal um

den Aufständischen nahestehende Menschen handelte:

Die Taliban boykottierten die Wahlen und hatten ver-

sucht, deren Durchführung zu verhindern. Große Teile der

Bevölkerung hatten deshalb auch nicht an der Wahl teil-

genommen. Für Taliban oder deren Anhänger wäre es

daher höchst ungewöhnlich und sogar untunlich gewesen,

zur Wahl zu gehen (und hinterher noch ihren Wahlaus-

weis aufzubewahren).

Zudem besuchten Kinder aus Taliban-Familien keine

regulären Schulen.

Bei der von der Zeugin Dr. Erfan und ihrem Team fest-

gestellten Zahl von 113 Toten aus der Zivilbevölkerung

und sieben schwer Verletzten (leicht Verletzte waren

nicht erfasst worden, wie Frau Dr. Erfan im Untersu-

chungsausschuss ebenfalls bekundet hatte
2006

) handelt es

sich vermutlich nur um einen Teil der zivilen Opfer. Frau

Dr. Erfan behauptete nicht, sie könne die Anzahl der

durch den Luftangriff getöteten Zivilisten abschließend

und präzise beziffern: Das Ermittlerteam hatte seine Re-
2000) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.

2001) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.
2002) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.

2003) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 11.

2004) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 16.
2005) Mat. 17-74a, Anlagenordner 1 und 2 zum Sachakten-Sonderband

Geschädigtenvertreter.

2006) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 5.

cherchen nur in sechs Dörfern anstellen können
2007

. Die

Frauen durften sich selbst nicht in Gefahr bringen – sie
konnten daher nur dorthin gehen, wo die Bevölkerung

bereit und in der Lage war, das Ermittlerteam zu schützen

und mit ihm zu kooperieren.

Weil Frau Dr. Erfan und Frau Z. politisch sowie in der

NGO Afghan Women and Gender Rights Protection Or-

ganisation aktiv und daher in der Region als Gegnerinnen

der Taliban bekannt waren, konnten sie nur bei Familien

von Opfern des Bombenangriffs recherchieren, die den

Taliban nicht nahestanden. Sie verfügten aufgrund dessen

andererseits aber über hinreichend sichere Kontakte, um

diese Familien auch zu finden und zu verifizieren, dass es

sich nicht um Familien von Aufständischen handelte.

Die von den Mehrheitsfraktionen – überdies unter verfäl-
schender Verkürzung der Angaben der Zeugin Dr. Erfan

im Untersuchungsausschuss – konstruierte Behauptung,
die von Frau Dr. Erfan ermittelten Opferzahlen seien

nicht belastbar, weil sie nicht darauf geachtet habe, ob sie

es mit den Taliban nahestehenden Personen zu tun gehabt

habe
2008

, ist schon deshalb unhaltbar.

Die Zeugin Dr. Erfan hatte von Anfang an berichtet, dass

nach den Erzählungen der Bevölkerung auch Taliban bei

dem Luftangriff getötet worden waren – sie vermochte
lediglich über genaue Zahlen in diesem Zusammenhang

keine Angaben zu machen, weil sie zu diesen Kreisen

gerade keine Kontakte hatte:

Rainer Arnold (SPD): „Ich habe noch eine Frage,
Frau Dr. Erfan. Sie sagten vorhin, es wurden auch

Taliban bombardiert. Da haben Sie keine Zahl ge-

sagt. Kennen Sie auch die Zahl der Taliban, die ge-

tötet wurden in dieser Nacht?“

Zeugin Dr. Habibe Erfan (Simultanübersetzung):

„Ich habe keine Information über die getöteten Ta-
liban.“2009

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

„Sie haben ja schon beschrieben, woher Sie die In-
formation haben, dass dort Taliban waren. Das ha-

ben Sie aus mündlichen Aussagen einiger erfahren.

Aber wie kann man in Afghanistan unterscheiden:

Wer ist ein Taliban, und wer ist ein Zivilist?“

Zeugin Dr. Habibe Erfan (Simultanübersetzung):

„Ja, das ist natürlich schwierig. Wir haben mit den
Taliban nichts zu tun. Die Taliban haben also kei-

nerlei direkte Verbindung zu uns. Die Taliban sind

unsere Feinde, weil sie gegen die Frauen sind. Sie

lehnen die Frauen ab. Aus diesem Grunde gibt es

auch keinen Anlass von beiden Seiten, miteinander

zu tun zu haben.“2010

Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE. kann den

Angaben der Zeugin Dr. Erfan zur Zahl ziviler Opfer des

Luftangriffs vom 04.09.2009 gefolgt werden. Die Zeugin
2007) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 12.
2008) S.o., Teil 3, B.VI.2.a) bb) (S. 206).

2009) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 5.

2010) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 8/9.

Drucksache 17/7400 – 310 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hat sich selbst an einer umfangreichen und fundierten

Untersuchung vor Ort beteiligt. Hierbei handelt es sich

um die einzige Untersuchung zu den Opfern des Luftang-

riffs von Kundus, zu der dem Untersuchungsausschuss

eine ausführliche Dokumentensammlung vorliegt, die die

Angaben der Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss

nachvollziehbar macht. Auch das Auftreten der Zeugin im

Untersuchungsausschuss gibt keinerlei Anlass zu Zwei-

feln an der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Die Zeugin

Dr. Erfan ist eine engagierte afghanische Menschen-

rechtsaktivistin und Politikerin, die selbst unter der nach

wie vor starken Stellung der Taliban in Afghanistan zu

leiden hat. Welches Interesse sie daran haben sollte, sich

gerade zugunsten der Familien von Talibankämpfern oder

Talibananhängern einzusetzen, erschließt sich nicht.

Ergebnis der Beweisaufnahme des Untersuchungsaus-

schusses ist demgemäß, dass allein in den Dörfern, in

denen die Zeugin Dr. Erfan und ihr Team recherchiert

haben, jedenfalls 113 Zivilisten durch den von Oberst

Klein befohlenen Luftangriff vom 04.09.2009 getötet und

weitere sieben Zivilisten schwer verletzt wurden.

bb) Der Bundesregierung im September 2009
zugängliche Erkenntnisse und Anhalts-
punkte zu zivilen Opfern des Luftangriffs

Bei der Bundesregierung – und zwar sowohl im
Bundesverteidigungsministerium als auch im

Auswärtigen Amt als auch im Bundeskanzleramt – gingen
bereits am Vormittag und Mittag des 04.09.2009 die

ersten Meldungen ein, die Hinweise darauf enthielten, der

Luftangriff könne Opfer unter der Zivilbevölkerung

gekostet haben. Medienberichte aus Afghanistan

schilderten, durch den Luftangriff seien viele Menschen

getötet worden, unter diesen befänden sich auch

Zivilisten.
2011

NATO-Vertreter äußerten sich sowohl

gegenüber den Medien
2012

als auch gegenüber

Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes
2013

dazu, dass

angesichts der Modalitäten des Angriffs wahrscheinlich

auch Zivilpersonen getroffen worden seien. Der

seinerzeitige Kommandeur des deutschen

Einsatzkontingents in Afghanistan und Kommandeur des

Regional Command North in Mazar-i-Sharif,

Brigadegeneral Vollmer, fand sich noch am 04.09.2009 in

mehreren Videokonferenzen wieder, in denen ihm u. a.

der ISAF-Kommandierende General McChrystal

bestätigte, nach seiner Einschätzung habe der Luftangriff

zivile Opfer gefordert.
2014

Und der BND hatte schon am Morgen des 04.09.2009 –
in einer bereits um 10:30 Uhr versendeten „Orientierung
zur Lage in den Einsatzgebieten“ – gemeldet, nach Pres-
seberichten, die wiederum auf Opferzahlen „aus Kreisen
der Afghanischen Sicherheitsdienste“ zurückgingen, gebe
es 90 Opfer:
2011) Vgl. Feststellungsteil S. 88 (Teil 2, C.I.1. und 2.).
2012) Vgl. Feststellungsteil S. 88 (Teil 2, C.I.2.).

2013) Vgl. Feststellungsteil S. 116 (Teil 2, C.II.2.b)).

2014) Vgl. Feststellungsteil S. 89 f. (Teil 2, C.II.1.a)).

„Neben 50 getöteten Aufständischen soll es auch
zivile Opfer gegeben haben. Der Provinzgouver-

neur gab an, dass die Taleban an der Stelle des

Luftangriffs versucht hätten, Treibstoff an die ört-

liche Bevölkerung zu verteilen.“2015

Noch im Laufe des 04.09.2009 nahm die Zahl der Mel-

dungen und Hinweise bezüglich Opfern aus der Zivilbe-

völkerung stetig zu.

Unter anderem bei Nachforschungen des Leitenden Sani-

tätsoffiziers des PRT im Krankenhaus Kundus stellte sich

heraus, dass unter den dort aufgenommenen Verletzten

mit schweren Brandverletzungen auch Kinder im Alter

von etwa zehn bis 14 Jahren gewesen waren.
2016

Die Angehörigen des Tactical PsyOps Team
2017

des PRT

Kundus, die den Ort Haji Amanmulla aufgesucht hatten,

berichteten nach Angaben des Zeugen B. nach ihrer

Rückkehr ins PRT Kundus, die Dorfältesten hätten ihnen

geschildert, Männer aus dem Dorf seien gezwungen wor-

den, zur Sandbank mitzukommen.
2018

Dem unmittelbar

nach dem Besuch vor Ort verfassten schriftlichen Bericht

des Tactical PsyOps Team ist darüber hinaus zu entneh-

men, dass Befragungen in dem Dorf in der Nähe der

Sandbank ergeben hatten, dass einige Kinder aus diesem

Dorf ihren Vätern gefolgt waren. 14 Zivilisten aus diesem

Dorf seien dann durch den Luftangriff getötet worden,

vier schwer verletzt. Sechs dieser Getöteten seien zwi-

schen acht und 14 Jahren alt gewesen, ein Dreizehnjähri-

ger sei verletzt. Darüber hinaus hätten die Dorfbewohner

erzählt, dass es in einem Nachbardorf eine ähnlich große

Zahl ziviler Opfer gegeben habe.
2019

Über den im Rahmen einer Besprechung im PRT Kundus

erstatteten mündlichen Bericht des Tactical PsyOps Team

und dessen Angaben zu zivilen Opfern informierte der

zivile Leiter des PRT Kundus, der Vortragende Legati-

onsrat D., per E-Mail noch am Nachmittag des

04.09.2009 die Abteilung 343 (Politische Abteilung, Afg-

hanistan) im Auswärtigen Amt.
2020

Selbst wenn die deutsche Bundesregierung also Verlaut-

barungen der Taliban kein Vertrauen schenken wollte,

gab es doch genug Meldungen aus Quellen, die unver-

dächtig waren, Interessen der Taliban zu vertreten und die

darauf schließen ließen, dass zivile Opfer – unabhängig
von deren genauer Anzahl – mindestens sehr wahrschein-
lich waren.

In den Folgetagen verdichteten sich die Anhaltspunkte.

Meldungen, wonach aus mehreren umliegenden Dörfern

Menschen zur Sandbank gekommen waren, um Benzin

abzuzapfen, häuften sich. Der äußerst detaillierte Bericht
2015) Mat. 17-25, Anlage 01-03, Fach Leitungsstab (Referat 040),

Bl. 96 - 98, Tgb.-Nr. 24/10.

2016) Mat. 17-11, Anlage 33; Mat. 17-21, Tgb.-Nr. 3/10; Mat. 17-21a,

Bl. 4.
2017) Tactical PsyOps Team = TPT; „Tactical Psychological Operati-

ons“ steht für – u. a. – (Gesprächs-) Aufklärung durch Kontakte
mit der Bevölkerung.

2018) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24 f.

2019) Mat. 17-11, Anlage 25.

2020) Mat. 17-25a, Ordner Vertreter AA im PRT Kundus, Bl. 14.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 311 – Drucksache 17/7400

des US-amerikanischen Journalisten Rajiv Chandraseka-

ran, der das ISAF-Initial Action Team (IAT) nach Kun-

dus begleitet hatte, erschien am 06.09.2009 in der Was-

hington Post.
2021

Äußerungen von General McChrystal,

wonach dieser davon ausgehe, bei dem Luftschlag seien

Zivilisten umgekommen, fanden sich wiederholt in den

unterschiedlichsten Quellen. Das ISAF-Initial Action

Team (IAT) gelangte zum Ergebnis, der Luftangriff habe

zivile Opfer gefordert. Der Untersuchungsausschuss hat

nicht nachweisen können, dass dieser Bericht vor dem

08.09.2009 den Mitgliedern der Regierung zur Kenntnis

gelangt war; der Bericht des deutschen Mitglieds des IAT,

Oberst N., in dem dieser die wesentlichen Ergebnisse des

IAT zusammengefasst hatte, war dem Einsatzführungs-

kommando allerdings noch am Abend des 06.09.2009

zugegangen.
2022

Bereits am 07.09.2009 verfügte der BND über in einer

Sammelmeldung zusammengefasste Erkenntnisse, dass

sehr viele Zivilisten zur Sandbank gekommen waren, um

dort Benzin zu holen, dass sich dort deutlich mehr Zivilis-

ten als Taliban befunden hatten und dass möglicherweise

150 Dorfbewohner durch den Luftangriff getötet wur-

den.
2023

Zudem gab es Informationen über Anweisungen,

gegenüber Journalisten zu behaupten, bei dem Luftangriff

seien nur Aufständische getötet worden – obwohl bekannt
war, dass durch das Bombardement auch Zivilisten um-

gekommen waren.
2024

Dem BND lagen in dieser Sam-

melmeldung vom 07.09.2009 außerdem erste Erkenntnis-

se vor, wonach die einzige auf der Sandbank vorgefunde-

ne Schusswaffe neben einem der Tanklastwagen drapiert

worden sei, um diese Kombination vorgeblicher Beweis-

mittel zu fotografieren.
2025

Diese mit der Sammelmeldung vom 07.09.2009 BND-

intern übermittelten Erkenntnisse des Kommandos Strate-

gische Aufklärung der Bundeswehr hatten dem J2 des

PRT Kundus bereits am 04.09.2009 vorgelegen und war-

en von diesem in einem „Lagebeitrag“ vom gleichen Tag
aufgearbeitet worden.

2026
Erkennen lässt sich das an der

Übernahme teilweise wortgleicher Formulierungen.

Aus den Feststellungen des Untersuchungsausschusses

zum Hintergrund der in der (in den letzten beiden Absät-

zen erwähnten) Sammelmeldung des BND vom

07.09.2009 zusammengefassten Informationen ergibt

sich, dass eine gezielte Manipulation der Öffentlichkeit,

deutscher Stellen oder der ISAF-Kräfte durch Übermitt-

lung dieser Informationen an deutsche Stellen auszu-

schließen ist. Die dem BND vorliegenden Meldungen

lassen sich daher als belastbar ansehen.

Dennoch wird aus den dem Untersuchungsausschuss zur

Verfügung gestellten Beweismitteln nicht ersichtlich, dass
2021) Vgl. die ausführliche Dokumentation oben im Feststellungsteil,

S. 74 (Teil 2, B.IV.2.a)ff)), sowie Dokument 70 und Doku-
ment 116.

2022) Vgl. Feststellungsteil S. 98 (Teil 2, C.II.1.b)bb)bbb)).

2023) z. B. Mat. 17-34, Ordner 3, Bl. 27 ff., 30, 75, Tgb.-Nr. 36/10.
2024) Mat. 17-34, Ordner 3, Bl. 78/79, Tgb.-Nr. 36/10.

2025) Mat. 17-34, Ordner 3, Bl. 38, Tgb.-Nr. 36/10.

2026) Mat. 17-74, Anl. 03, Bl. 89 - 92, Tgb.-Nr. 96/11.

eine dieser Meldungen an anderer Stelle aufgegriffen oder

einer Beurteilung der Geschehnisse in der Nacht des

03./04. September 2009 zugrunde gelegt wurde.

Sowohl der Präsident des Bundesnachrichtendienstes

Uhrlau als auch der ehemalige Geheimdienstkoordinator

und Leiter der im Bundeskanzleramt für den BND zu-

ständigen Abteilung 6, der heutige Staatssekretär im Bun-

desinnenministerium Fritsche, sowie der Leiter der dieser

Abteilung 6 zugeordneten Gruppe 62, Ministerialdirigent

Vorbeck, behaupteten als Zeugen im Untersuchungsaus-

schuss, die Sammelmeldung des BND sei ihnen jedenfalls

im Vorfeld des Untersuchungsausschusses unbekannt

gewesen.
2027

Die darin erfassten Informationen seien nach

ihrer Kenntnis nicht an das Bundeskanzleramt gelangt
2028

und, nach Einschätzung des Zeugen Uhrlau, offenbar

ohne weitere nachvollziehbare Kenntnisnahme zuständi-

ger BND-Mitarbeiter ins System eingespeist worden
2029


also ungenutzt geblieben.

Die Richtigkeit dieser Angaben unterstellt, ergeben sich

daraus allerdings – angesichts der Tatsache, dass die
meistdiskutierte Frage bereits unmittelbar nach dem Luft-

anschlag die gewesen war, ob es Opfer aus der Zivilbe-

völkerung gegeben hatte – die weitergehenden Aspekte:

Wie konnte es sein, dass die sowohl dem BND als auch

der Bundeswehr vorliegenden, aus vergleichbar belastba-

ren Quellen stammenden deutlichen Hinweise auf zivile

Opfer ignoriert wurden, augenscheinlich ins Nirwana

ausgemusterter Erkenntnisse der Bundeswehr entschwan-

den, im Datenpool des BND versanken – und jedenfalls
nicht zum Gegenstand intensiver ergänzender Nachfor-

schungen oder einer weiteren Berichterstattung gegenüber

Mitgliedern der Bundesregierung wurden?

Oder wurden dem Untersuchungsausschuss die entspre-

chenden Vorgänge vorenthalten?

Der BND beschränkte sich noch am Morgen des

08.09.2009 auf die „Information“, verlässliche Aussagen
zu Opfern und Opferzahlen könnten nicht getroffen wer-

den.
2030

Am 08.09.2009 um 16:45 Uhr – also kurz nach
der Regierungserklärung von Kanzlerin Dr. Merkel vor

dem Bundestag – meldete der BND dann erstmals, es
seien „wahrscheinlich einige Zivilpersonen getötet (etwa
70 Personen)“2031 worden; zu einem Zeitpunkt also, an
dem sichergestellt war, dass in der Regierungserklärung

darauf kein Bezug mehr genommen werden musste. Und

zu einem Zeitpunkt, als an jedem anderen Ort der Welt

davon ausgegangen wurde, es könne als sicher vorausge-
2027) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 20, 26 f.; Fritsche, Protokoll-

Nr. 47, Teil II, S. 13; Vorbeck, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 2.
2028) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil II, S. 13; Vorbeck, Protokoll-

Nr. 47, Teil II, S. 2.

2029) Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil II, S. 20, 26 f.
2030) Wochenbericht Einsatzgebiete des BND vom 08.09.2009, 09.30

Uhr, Mat. 17-25, Ordner 2, Leitungsstab - Referat 040 (Tage-

buchnr. 011-011/10), Bl. 55, 58, Tgb.-Nr. 24/10.
2031) Sonderbericht des BND vom 08.09.2009, 16.45 Uhr, Mat. 17-25,

Ordner 2, Leitungsstab - Referat 040 (Tagebuchnr. 011-011/10) –
Bl. 48, 50, Tgb.-Nr. 24/10.
Drucksache 17/7400 – 312 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
setzt werden, dass bei dem Luftschlag zahlreiche Zivilis-

ten getötet und verletzt worden waren.

cc) Öffentliche Darstellungen der Bundesre-
gierung zur Frage ziviler Opfer

Ungeachtet der klaren Reaktionen auf internationaler

Ebene, insbesondere der Einschätzung durch ISAF- und

NATO-Verantwortliche, die bereits am 04.09.2009 deut-

liche Anhaltspunkte dafür erblickten, dass bei dem Luft-

angriff in Kundus Zivilisten umgekommen waren, und in

den Folgetagen zunehmende Sicherheit diesbezüglich

erlangten, dementierte und mauerte die Bundesregierung

nach Kräften.

Der seinerzeitige Verteidigungsminister Dr. Jung leugne-

te in seinen ersten Stellungnahmen nach dem Luftangriff

strikt, dass die afghanische Zivilbevölkerung in Mitlei-

denschaft gezogen worden sein könnte. Bundeskanzlerin

Dr. Merkel und Bundesaußenminister Dr. Steinmeier

fanden sich schnell bei einer gemeinsamen Formel, indem

sie der Öffentlichkeit erklärten: zivile Opfer seien „nicht
auszuschließen“. Diese in Anbetracht einer Vielzahl von
Berichten über Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbe-

völkerung wahrhaft „aufklärerische“ Position wurde von
da an konsequent beibehalten.

Sieht man einmal davon ab, dass schon zwischen „nicht
auszuschließen“ und „mit hoher Wahrscheinlichkeit“
bzw. „sicher anzunehmen“ ein nicht ganz unbeträchtlicher
Unterschied ist, so laufen diese sprachlichen Verrenkun-

gen vor allem auf eins hinaus: Der Öffentlichkeit sollte

weisgemacht werden, dass es keine belastbaren Anhalt-

spunkte dafür gebe, dass eine Vielzahl von Zivilisten

(oder überhaupt irgendein Zivilist oder eine Zivilistin)

von dem Luftangriff getroffen worden sei. Dies entspricht

nicht den Tatsachen.

Zumal festzuhalten ist: Wo es darum geht, Opfern aus der

Zivilbevölkerung und deren Hinterbliebenen die Ge-

ltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die

BRD zu erschweren, wird diese Linie vom Bundesvertei-

digungsministerium bis heute gehalten.

Zugleich wurden damit xenophobe Ressentiments der

deutschen Bevölkerung bedient oder geweckt, der durch

das Vorgehen der Bundesregierung vermittelt wurde,

Stimmen aus Afghanistan, die auf die Folgen des Luft-

angriffs für die afghanische Bevölkerung hingewiesen

hatten, sei nicht zu trauen. Anstatt Wiedergutmachung zu

leisten, erzeugte die Bundesregierung so den Eindruck,

die geschädigten Afghanen seien Heuchler, die sich un-

rechtmäßig bereichern wollten.

b) Vortäuschen einer unmittelbaren Bedro-
hung für das PRT Kundus

Oberst Klein unternahm den Versuch, den von ihm befoh-

lenen Luftangriff vom 04.09.2009 mit einer vorgeblich

existenten Bedrohungswarnung des BND für das PRT

Kundus zu rechtfertigen. An diesem unhaltbaren Argu-

mentationsansatz hatten sich ebenfalls Angehörige des

Bundesverteidigungsministeriums versucht und ihn sogar

noch im Laufe ihrer Vernehmungen im Untersuchungs-

ausschuss gehalten.

Die Mehrheitsfraktionen im Untersuchungsausschuss

haben die Mär vom angeblichen Bestehen einer am

04.09.2009 akut bestehenden Bedrohungslage nicht nur

erneut aufgewärmt und im Feststellungsteil des Ab-

schlussberichts als vorgebliches Ergebnis der Beweisauf-

nahme festgeschrieben. Sie haben sie zusätzlich in ihrem

Bewertungsteil auch noch ausgeschmückt, indem sie z. B.

formulierten, es sei vor Angriffen mit einem „mit Spreng-
stoff vollgepackten (…) Tanklastzug“ gewarnt worden,
und eine Zuverlässigkeit des Warnhinweises behaupteten,

für die sich aus den dem Untersuchungsausschuss vorlie-

genden Beweismitteln nichts ergibt.
2032

Vorauszuschicken ist daher zunächst: Die vom Untersu-

chungsausschuss beigezogenen Beweismittel belegen in

aller Deutlichkeit, dass es die behauptete Bedrohungs-

warnung, aus der sich eine akute Gefährdung des PRT

Kundus in der Nacht des 03./04.09.2009 hätte ableiten

lassen, nicht gab.

aa) Hinweise auf eine Bedrohungswarnung

Schon bald nach dem Luftangriff geisterte die Meldung

durch die Medienlandschaft, Oberst Klein habe das Bom-

bardement der Sandbank im Kundus-Fluss befohlen, weil

sich aus Geheimdienstberichten Hinweise darauf ergeben

hätten, die Tanklaster seien erbeutet worden, um mit

ihnen einen Anschlag auf das PRT Kundus zu verü-

ben.
2033

Im Zuge der Unterrichtung der Obleute im Verteidi-

gungsausschuss und im Auswärtigen Ausschuss über die

näheren Umstände des Luftangriffs von Kundus teilte

Staatssekretär Dr. Wichert am 07.09.2009 mit:

„In der jüngsten Vergangenheit gab es sehr ernst
zu nehmende Warnhinweise, dass OMF

2034
im

Raum Kunduz einen Anschlag mit einem zu einer

großen Bombe umfunktionierten Lkw gegen das

PRT Kunduz oder Liegenschaften der afghani-

schen Sicherheitsbehörden planen. Die beiden ent-

führten Treibstoff-Lkw wären für einen Anschlag

dieser Art bestens geeignet gewesen.“2035

Auch weitere Akteure versuchten den Eindruck zu erwe-

cken, es habe konkrete Hinweise auf eine akute Gefähr-

dung des PRT Kundus gegeben, die Oberst Klein mit dem

Luftangriff vom 04.09.2009 abgewendet habe. Verteidi-

gungsminister a. D. Dr. Jung wies in Pressestatements

wiederholt darauf hin, Oberst Klein habe den Luftangriff

angeordnet, um einen Angriff auf das PRT Kundus zu

verhindern. Und Generalinspekteur a. D. Schneiderhan

führte noch am 29.10.2009 in seiner Presseerklärung
2032) Vgl. Teil 3, B.I.3. (S. 176) sowie B.VI.2.b) (S. 207).

2033) Vgl. z. B. Spiegel online vom 07.09.2009, „Viele Opfer, viele
Fragen“.

2034) OMF = Opposing Militant Forces.

2035) Mat. 17-22a, GI / Ordner 1, Bl. 92 ff., 95.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 313 – Drucksache 17/7400

anlässlich des Eingangs des COM ISAF-Berichts im

Bundesverteidigungsministerium zu der vermeintlichen

Bedrohung durch die geraubten Tanklaster aus:

„Dieses Jahr wurden bis Ende August in Afghanis-
tan bereits in sechs Fällen LKW oder Tanklastwa-

gen für Attentate eingesetzt. (…) Bei diesen An-
schlägen, die sich gegen ISAF, aber auch gegen

die afghanische Bevölkerung gerichtet haben, kam

es durch die große Menge an genutztem Spreng-

stoff zu hohen Verlusten, auch bei der Zivilbevöl-

kerung. Seit Mitte Juli gab es ernstzunehmende

Hinweise darauf, dass ähnliche Anschläge gegen

das PRT Kunduz geplant waren. (…) Es handelte
sich hierbei um eine Kombination aus üblicher

Vorgehensweise der feindlichen Kräfte, den vor-

handenen Warnhinweisen über einen größeren ge-

planten Anschlag und den Versuch der feindlichen

Kräfte, sich die Mittel für einen solchen Anschlag

zu beschaffen.“2036

Ungeachtet der Tatsache, dass evident war, dass eine

Bedrohungswarnung für den konkreten Zeitraum und die

konkrete Situation der Nacht des 03./04.09.2009 niemals

existiert hatte, behauptete Verteidigungsminister a. D.

Dr. Jung noch im März 2010 gegenüber den Mitgliedern

des Untersuchungsausschusses:

„Wir hatten in dem Zusammenhang auch Hinwei-
se, dass die Taliban einen größeren Anschlag ge-

gen uns planen. Deshalb war ich in permanenter

Sorge, dass es den Taliban gelingt, auch und gera-

de in der Perspektive vor der Bundestagswahl, ei-

nen derartigen Schlag gegen unsere Soldaten

durchzuführen. (…) Ich weiß, wie auch die NATO
diesbezüglich sorgenvoll die Entwicklung in Kun-

duz gesehen hat, zumal rund eine Woche vorher,

am 25. August, ein Tanklastwagen von den Tali-

ban in Kabul in die Luft gesprengt worden ist, wo

40 Personen getötet und 60 verletzt wurden.“2037

Und auch Oberst Klein bezog sich im Untersuchungsaus-

schuss auf laut Warnhinweisen angeblich konkret zu

erwartende Angriffe mit den beiden Lastwagen auf das

PRT Kundus:

„Wachsende Sorge machte uns aber auch die Zu-
nahme von Entführungen von Fahrzeugen durch

die Aufständischen. Vorrangiges Ziel waren Poli-

zei- und Militärfahrzeuge, aber auch Tanklastfahr-

zeuge. Anfang September mussten wir davon aus-

gehen, dass zwölf (…) Fahrzeuge der Polizei, zwei
Geländefahrzeuge (…) – das sind die (…) Model-
le, die die afghanische Armee mit nutzt – und
mehrere Tankfahrzeuge in der Hand der Aufstän-

dischen waren. Für uns bestand die sehr konkrete

Gefahr, dass mit diesen erbeuteten Polizeifahrzeu-

gen unter Nutzung gestohlener Uniformen Angrif-

fe (…) durchgeführt werden. (…).
2036) Dokument 51, Bl. 318 (Hervorhebung nicht im Original).

2037) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 2/3.

Zudem hatten wir seit Mitte/Ende Juli einen sehr

detaillierten Bericht des Bundesnachrichtendiens-

tes zu einem direkten Angriff auf das PRT; in der

Presse ist er häufig als Dreistufenplan bezeichnet

worden. Dabei sollten die Absperrungen des Feld-

lagers durch zwei aufeinander folgende Angriffe

durch Selbstmordattentäter mit Fahrzeugen durch-

brochen werden. Danach sollten weitere Selbst-

mordattentäter zu Fuß ins PRT rein und maxima-

len Schaden anrichten. Ein solcher Angriff fand

am 25. August, also knapp eine Woche vor dem 4.

September, unter Nutzung eines Tankfahrzeuges in

Kandahar statt. (…) Die durch den Bundesnach-
richtendienst uns offengelegten Angriffspläne

waren sehr konkret, detailliert und nicht auf einen

bestimmten Zeitraum begrenzt.

Zudem hatten wir seit Frühjahr 2009 Hinweise auf

gezielte und möglichst spektakuläre Angriffe auf

deutsche Kräfte und Einrichtungen. Warnungen zu

Angriffsterminen umfassten den gesamten August,

insbesondere den Wahltag in Afghanistan, den 20.

August, den geplanten Tag der afghanischen Prä-

sidentschaftswahlen, aber auch den deutschen

Wahltermin am 27. September und auch den

3. Oktober.“2038

bb) Kein Vorliegen des behaupteten Warn-
hinweises

Tatsächlich hatte es einen Warnhinweis des BND vom

15.07.2009 gegeben, in dem vor einem Angriff auf das

PRT Kundus in mehreren Stufen und mit mehreren Fahr-

zeugen gewarnt worden war.

Das dort beschriebene Szenario setzte allerdings gar nicht

mehr die Erbeutung von Fahrzeugen voraus. Vielmehr

wurde festgehalten, die für einen Anschlag benötigten

zwei Fahrzeuge stünden schon „präpariert“ bereit, ebenso
die acht für diesen Anschlag erforderlichen Selbstmordat-

tentäter. Dass die Aufständischen bereits Fahrzeuge er-

beutet hatten, hatte Oberst Klein im Untersuchungsaus-

schuss auch dargestellt (vgl. das soeben wiedergegebene

Zitat am Ende des vorhergehenden Abschnitts

B.I.3.b)aa)). Neben der Tatsache, dass die in diesem

Warnhinweis erwähnten Routen und Orte, von denen ein

Angriff hätte ausgehen sollen, von den Umständen der

Entführung der Tanklaster am 03.09.2009 abwichen, gab

es zwei wesentliche weitere Aspekte, die deutlich erken-

nen ließen, dass der Warnhinweis des BND vom

15.07.2009 keinerlei Bezug zu dem Geschehen auf der

Sandbank haben konnte:

Zum einen wird in allen Bezugnahmen auf den Warnhin-

weis des BND bislang nonchalant darüber hinweg gegan-

gen, dass die Namen der in diesem Warnhinweis als Pla-

ner und Anführer des angeblich bevorstehenden Angriffs

benannten Aufständischen im Kontext der Nacht des

03./04.09.2009 niemals fielen. Die mit der Erbeutung der
2038) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5/6.
Drucksache 17/7400 – 314 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Tanklastwagen in Verbindung gebrachten und angeblich

auf der Sandbank anwesenden Talibananführer waren

andere Personen.

Zum anderen war der konkrete Warnhinweis des BND

nicht mehr aktuell. Gewarnt worden war explizit vor

Anschlägen, die bis zum 20. August 2009 verübt werden

sollten, also dem Tag der afghanischen Präsidentschafts-

wahlen (nicht der deutschen Bundestagswahl!). Der poli-

tische Anknüpfungspunkt eines solchen Anschlags war

also schon längst entfallen. Die Behauptung von Oberst

Klein, es habe „Hinweise auf (…) spektakuläre Angriffe
auf deutsche Kräfte“ für „den gesamten August, (…) aber
auch den deutschen Wahltermin am 27.09. und auch den

3. Oktober“2039 gegeben, ist schlicht falsch. Jedenfalls
lässt sich anhand der dem Untersuchungsausschuss über-

mittelten Beweismittel diese Aussage nicht verifizieren.

Der BND selbst teilte auf Anfrage der Bundesanwalt-

schaft am 13.11.2009 mit:

„(…) zu einem von Oberst Klein gegenüber der
Presse geäußerten Anschlagsszenario, in dem er

nach Aussage der Presse befürchtet habe, ‚Taliban
würden Polizeistationen oder sogar das PRT ang-

reifen, wenn man sie mit den Tanklastwagen ent-

kommen lasse„ (…). Der zuständige Fachbereich
hat dazu Folgendes mitgeteilt:

Konkrete Erkenntnisse über ein derartiges An-

schlagsszenario lagen dem Bundesnachrichten-

dienst zum Zeitpunkt des militärischen Luftstreit-

kräfteeinsatzes am 4. September 2009 nicht vor.

(…)

Im Rahmen der ereignisorientierten, kurzfristigen

Berichterstattung des Bundesnachrichtendienstes

in Form von Warnhinweisen bei unmittelbarer Ge-

fährdungslage, wurde am 15. Juli 2009, basierend

auf einem Einzelhinweis hinsichtlich eines komp-

lexen Anschlags bis zum 20. August 2009 auf das

PRT Kunduz (…) gewarnt.“2040

Der Warnhinweis des BND vom 15.07.2009 lautete:

„S(…) plant, einen komplexen Anschlag gegen das
(…) PRT Kunduz durchzuführen. (…) Es soll bis
zum 20. August 2009 eine fahrzeuggestützte

Sprengvorrichtung (…) an der Wache des PRT
Kunduz zur Explosion gebracht werden. Ein zwei-

tes Fahrzeug solle in das PRT Kunduz hineinfah-

ren und dort zur Wirkung gebracht werden. (…)
Hierfür stünden derzeit acht Selbstmordattentäter

und zwei präparierte Fahrzeuge bereit. Die Fahr-

zeuge sollen die Route (…) nutzen, (…).“2041

Der – ohnehin nicht auf den Zeitraum nach der afghani-
schen Präsidentschaftswahl bezogene – Hinweis des BND
warnte also vor einem langfristig geplanten Geschehen
2039) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5/6.

2040) Mat. 17-54a, Ordner 3, Bl. 33 ff.
2041) Mat. 17-54a, Ordner 3, Bl. 36; aufgrund seiner Einstufung als

Verschlusssache kann der Warnhinweis hier nur ausschnittweise

wiedergegeben werden.

mit bereits bereitstehenden Angriffsmitteln – nicht vor
einer kurzfristig und unvorbereitet durchgeführten Opera-

tion mit gerade erst bei günstiger Gelegenheit erbeuteten

Tanklastern.

cc) Keinerlei Hinweis auf eine direkte Gefähr-
dung des PRT Kundus

Dazu passt, dass der Informant der Task Force 47 in der

Nacht des 03./04.09.2009 keinerlei Hinweis auf einen

angeblich bevorstehenden Anschlag auf das PRT Kundus

gegeben oder einen solchen auch nur angedeutet hat. Er

hat in jener Nacht durchgängig geschildert, die Tanklaster

sollten über den Fluss nach Westen gebracht oder, für den

Fall, dass es nicht möglich sei, die Fahrzeuge an der

Sandbank über den Fluss zu bringen, „vor Ort ausge-
schlachtet werden“. Nachdem klar war, dass die Tanklas-
ter stecken geblieben waren, meldete er zusätzlich noch

das Vorhaben, die Tanklaster nach dem geplanten Aus-

schlachten in Brand zu setzen.
2042

Objektive Anhaltspunkte für eine Bedrohung des PRT

Kundus in der Nacht des 03./04.09.2009 durch einen zu

erwartenden Angriff mit den erbeuteten Tanklastern gab

es daher zu keiner Zeit.

c) Vertuschung der Erkenntnisse des ISAF-
Joint Investigation Board

Der Untersuchungsausschuss hat festgestellt, dass die

Bundesregierung – insbesondere das Bundesverteidi-
gungsministerium, allerdings mit Unterstützung oder

zumindest Duldung des Bundeskanzleramts – unter-
schiedlichste Aktivitäten entfaltete, um sicherzustellen,

dass die Öffentlichkeit nicht mit kritischen Bewertungen

des zur Untersuchung des Luftschlags von Kundus einge-

setzten ISAF-Joint Investigation Board (JIB) konfrontiert

werde.

aa) Gruppe 85 im Bundesverteidigungsminis-
terium

Im Bundesverteidigungsministerium wurde eine Arbeits-

gruppe unter der Bezeichnung „Gruppe 85“ eingesetzt.
Nach offizieller Lesart sollte diese Gruppe den Luftang-

riff von Kundus untersuchen und eine Reaktion des Mi-

nisteriums auf die Arbeitsergebnisse des Joint Investigati-

on Board (JIB) ermöglichen („Auftrag Situation AFG zu
prüfen und dahingehend auszuwerten, dass die Ltg auf

NATO Abschlussbericht reagieren kann“).2043

Tatsächlich zeichnen die dem Untersuchungsausschuss

zur Arbeit der Gruppe 85 vorliegenden Unterlagen aller-

dings ein anderes Bild: Die Gruppe 85 bemühte sich,

jeweils auf der Höhe der Ermittlungen des JIB zu sein.

Auf dieser Grundlage arbeitete die Gruppe dann daran,
2042) Mat. 17-10a, Anlage 17, Anhang G; vgl. Feststellungsteil S. 45 f.

(Teil 2, B.III.1.b)).

2043) Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 241; vgl. auch oben Teil 2, B.IV.2.c).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 315 – Drucksache 17/7400

noch während der laufenden Untersuchung auf die weite-

ren Aktivitäten des JIB einzuwirken.

aaa) Kontakt zum ISAF-Joint Investigation
Board

Die Gruppe 85 stand in relativ enger Verbindung zu dem

deutschen Mitglied des JIB, ORR V., einem Rechtsberater

des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. Dieser

enge Kontakt wurde – soweit aus den dem Untersu-
chungsausschuss vorliegenden Dokumenten ersichtlich –
gegenüber den weiteren Mitgliedern des JIB oder anderen

ISAF-Verantwortlichen nicht offenbart. Die Gruppe 85

war – lange vor Fertigstellung des vom JIB zu formulie-
renden COM ISAF-Berichts – gut über den Stand der
Arbeit des JIB und die dort ausgewerteten Beweismittel

informiert. Unter den vom Untersuchungsausschuss bei-

gezogenen Unterlagen befindet sich u. a. ein „Ablaufpro-
tokoll“2044 der Gruppe 85 – von einem Mitglied der Grup-
pe 85 auch als „Einsatztagebuch“ bezeichnet – für den
Zeitraum vom 09.09.2009 bis 26.10.2009. In diesem sind

sowohl die Inhalte von Dienstbesprechungen als auch

Telefongespräche etc. festgehalten, und auch Kontaktauf-

nahmen mit ORR V., dem deutschen Mitglied des JIB.

Dem Ablaufprotokoll ist in Hinblick auf die Kenntnis der

Gruppe 85 vom Ermittlungsstand des JIB u. a. zu ent-

nehmen:

Gespräch vom 14.09.2009, 19:00 Uhr, zwischen RDir

Sch.
2045

und ORR V. über E-Dat:

„V.:

(…)

1. Handlung JIB Auswertung Videos B1 und F15

mit Sprachband:

Erster Eindruck: Personen waren Ziel. KFZ nicht

in Richtung PRT; Show of Force durch PRT abge-

lehnt; eine HUMINT
2046

Quelle;

Auf Band ca. 100 – 120 Personen sichtbar; Ein-
druck nach Sichtung, dass F15-Piloten sich für ge-

ringeres Waffenmittel eingesetzt haben, das Diffe-

renz zu DEU
2047

Darstellung.

Commander
2048

in TOC
2049

TF47 nicht in JOC
2050

;

RC North erhielt auf Nachfrage in JOC PRT

20 min vor Drop Auskunft, dass über TIC
2051

dort

nichts bekannt sei. JIB
2052

diskutierte daher, dass
2044) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 240, 241

ff.
2045) Referent im Bundesverteidigungsministerium.

2046) HUMINT = Human Intelligence (Bezeichnung für eine menschli-

che Quelle / Informant).
2047) DEU = deutsch / Deutsches ISAF-Kontingent.

2048) Commander = Kommandeur PRT Kundus, also Oberst Klein.

2049) TOC TF47 = Operationszentrale der Task Force 47.
2050) JOC = Operationszentrale des PRT.

2051) TIC = troops in contact.

2052) JIB = Joint Investigation Board.

es sich möglicherweise um eine OP
2053

der TF47

handelte.

Derzeit keine Anhaltspunkte für besondere Bedro-

hungslage.

Fragen bestünden insb. zu Proportionality; Pattern

of Life (…); Unklarheit bzgl ROE2054; Imminent
Threat; TIC; (…)”.2055

Besprechung vom 18.09.2009, 14:45 Uhr:

„(…)

Erste Erkenntnisse zu kritischen Aspekten:

- Hinzuziehung weiterer Informationsquellen zur
Entscheidungsfindung am 04. September 2009

- Abgrenzung unbewaffnete OMF2056 zu ‚unbeteilig-
te Zivilpersonen„

- (…)

- Ableitung einer unmittelbaren Bedrohung aus den
dem Kdr PRT Kdz

2057
bekannten Umständen am

Ereignisort zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (ex

ante-Sicht)

- (…)

- Durchführung BDA2058 [sehr zeitnah] nach dem
Ereignis (…) hat nicht stattgefunden (erst um
12:34 Uhr). (…)“2059

Telefonat mit ORR V. vom 23.09.2009, 15:00 Uhr:

- „Mittlerweile wurden die Piloten durch das JIB be-
fragt: Daraus ergab sich, dass die Piloten kein Mit-

tel / keine Möglichkeit zur positiven Identifikation

von Personen am Boden besaßen, es ihnen also

nicht möglich war, ein eigenes ausreichendes La-

gebild zu gewinnen.

- Da der JTAC am 4. September „imminent threat“
bestätigte, sahen die Piloten keine Notwendigkeit,

‚die rote Karte zu spielen„

- Bislang wurden noch keine Anhaltspunkte bzw.
Informationen dafür gefunden, dass sich die Men-

schenmenge umgruppieren und das PRT angreifen

wollte.

- Es wurden dagegen zwei Informationen
(HUMINT

2060
) bekannt, die besagen sollen, dass

die entführten Tanklastwagen an einen Ort 25 km
2053) OP = Operation.

2054) ROE = Rules of Engagement (Einsatzregeln).
2055) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 245 - 247.

2056) OMF = Opposing Militant Forces.

2057) Kdr PRT Kdz = Kommandeur PRT Kundus, Oberst Klein.
2058) BDA = Battle Damage Assessment.

2059) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 254 - 257.

2060) Siehe oben: Fn. 2046.

Drucksache 17/7400 – 316 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nördlich des PRT verbracht werden sollten oder,

falls dies nicht möglich sein sollte, ausgeschlachtet

werden sollten.

- Das JIB sucht nun SIGINT Informationen zu be-
schaffen, die den JTAC in der TOC

2061
(Task Force 47) zur Annahme eines ‚imminent
threat„ bewogen haben könnten. (…)

- Das JIB sieht gegenwärtig noch keine Tatsachen-
grundlagen, mit denen sich ‚imminent threat„ oder
‚hostile intent„ begründen ließen.“2062

Telefonat mit ORR V. vom 06.10.2009, 17:00 Uhr:

- „(…)

- Das Interview [Anm.: Befragung von Oberst Klein
durch das JIB] zeigte nach Ansicht von V., dass

Oberst Klein nicht sicher mit den Begrifflichkei-

ten, Prozessabläufen (z.B. Targeting) und ROE

umgegangen ist. (…)“2063

Die Gruppe 85 übernahm es, die Ermittlungstätigkeit des

JIB nachzuvollziehen und die vorhandenen Beweismittel

selbst zum Teil ebenfalls auszuwerten. Auf dieser Basis

bemühte sie sich zum einen, Prognosen darüber zu entwi-

ckeln, zu welchen Ergebnissen, unter Umständen auch

welchen weiteren Ermittlungsschritten das JIB gelangen

könne. Zum anderen wurden klare Vorgaben zur Einwir-

kung auf die Arbeit des JIB formuliert und an das

deutsche Mitglied des JIB, ORR V., kommuniziert.

Der Zeuge ORR V. wurde im Untersuchungsausschuss zu

Einflussnahmeversuchen der Gruppe 85 befragt. Er be-

hauptete, er könne sich weder an Unterstützungsleistun-

gen für die Gruppe oder durch die Gruppe erinnern, noch

habe er seitens der Gruppe 85 Weisungen bezüglich sei-

ner Aktivitäten im JIB erhalten.
2064

Nach Auffassung der

Fraktion DIE LINKE. handelt es sich hierbei um Schutz-

behauptungen des Zeugen. Das „Ablaufprotokoll“2065 der
Gruppe 85 spricht für sich. In einem Telefonat vom

16.09.2009, 17.30 Uhr wird ein Gespräch zwischen RDir

H., dem Leitenden Rechtsberater des Einsatzführungs-

kommandos der Bundeswehr, und ORR V. wiedergege-

ben. Daraus ergibt sich, dass ORR V. aufgegeben wurde,

dafür Sorge zu tragen, dass der Vorfall nicht unter dem

Blickwinkel des humanitären Völkerrechts betrachtet

werde.
2066

Das Dokument liegt dem Untersuchungsaus-

schuss vor, kann aber aufgrund seiner VS-Einstufung an

dieser Stelle nicht wörtlich wiedergegeben werden.

Zur Befassung der Gruppe 85 mit den Untersuchungser-

gebnissen des JIB und den Bemühungen um eine Ein-
2061) TOC = Operationszentrale.
2062) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 262 - 264.

2063) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 266, 267.

2064) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 21 f., 22, 31; vgl. Teil 2, B.IV.2.c).
2065) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 240,

241 ff.

2066) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 252.

flussnahme auf die Aktivitäten und Schlussfolgerungen

des JIB wird im Ablaufprotokoll der Gruppe 85 z. B.

festgehalten:

Gespräch vom 14.09.2009, 19:00 Uhr, zwischen RDir

Sch.
2067

und ORR V. über E-Dat:

„(…)

Hinweis Sch.:

Wir unterstützen mit Hinweisen auf Unklarheiten

in Vorschriften, die dann im JIB Bericht reflektiert

werden müssen. Intensive Darstellung ist wichtig.

Geordnetes Verhalten auf der Sandbank gibt ggf.

Anhalte für Art der Beteiligung der CAS.
2068

Be-

rücksichtigung der AFG
2069

Aussagen zur Wirkung

des Einsatzes.

Schwachpunkte bei unklarer Ermittlungslage müs-

sen klar hervorgehoben werden und nicht durch

Vermutungen ersetzt werden.

Er [Anm.: ORR V.] muss immer Umsetzung jeder

Vorschrift für PRT prüfen. (…)“2070

Dienstbesprechung vom 15.09.2009, 18:00 Uhr:

„(…)

Bewertung des FJg Berichtes
2071

und der sehr kriti-

schen Bewertung. (Gefahr der Veröffentlichung).

(…) EinsFüKdo RB2072 wird zunächst angewiesen:
Keine Weitergabe.

(…).“2073

Aus dem Eintrag zu dieser Dienstbesprechung vom

15.09.2009 erschließt sich zudem, dass eine Erweiterung

des JIB zum Anlass genommen werden sollte, die Arbeit

des JIB kritisch zu beleuchten und insgesamt zu hinterfra-

gen.
2074

Aufgabe der Gruppe 85 war es nicht nur, die

Arbeit des JIB durch formale Einwände zu diskreditieren,

sondern auch Argumentationsansätze vorzubereiten, um

die Untersuchungsergebnisse des JIB in Zweifel zu zie-

hen: Die Ergebnisse des JIB sollten antizipiert und auf

dieser Grundlage eine Argumentationslinie vorbereitet

werden, um Schwachstellen, Kritikpunkte und Vorwürfe

zu entkräften.
2075

bbb) Kontakt zu den Ermittlungsbehörden

Darüber hinaus hielten die Mitglieder der Gruppe 85 den

Kontakt zu den deutschen Strafverfolgungsbehörden, die

den Luftangriff in Kundus untersuchen sollten. Obwohl
2067) Referent im Bundesverteidigungsministerium.

2068) CAS = Casualties, hier: Opfer.
2069) AFG = afghanisch.

2070) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 245, 247.

2071) FJg Bericht = Feldjägerbericht.
2072) EinsFüKdo RB = Rechtsberater beim Einsatzführungskommando

der Bundeswehr.

2073) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 248, 249.
2074) Vgl. Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 248,

249.

2075) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 254, 255.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 317 – Drucksache 17/7400

die Gruppe 85 dank ihres Verbindungsmanns beim ISAF-

Joint Investigation Board (JIB) gut über den Stand der

ISAF-Untersuchung informiert war, sowie offenbar Zu-

griff auf vom JIB ausgewertete Beweismittel hatte und

diese selbst auswertete, lieferte die Gruppe 85 den Ermitt-

lungsbehörden (explizit) keinerlei Details zur Tataufklä-

rung. Tatsächlich unterstützte die Gruppe 85 die Ermitt-

lungstätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden so zurück-

haltend wie möglich. Mit Blick auf die öffentliche Wir-

kung wurden Gesprächstermine absolviert und den Er-

mittlungsbehörden Rechtsvorschriften zum ISAF-Mandat

überlassen; darüber hinaus wurde innerhalb der Gruppe

85 abgestimmt, ob bzw. welche Informationen der zu

dieser Zeit zuständigen Integrierten Ermittlungseinheit

Sachsen (INES) bei der Generalstaatsanwaltschaft Dres-

den vom Einsatzführungskommando (gezielt) zugänglich

gemacht werden sollten:

Telefonat vom 16.09.2009:

„Am 17.09.09 wird H.2076 sich nach einer letzten
vorbereitenden Besprechung mit O i. G. S. für den

Besuch bei INES
2077

in DD telefonisch melden und

mit B. abstimmen, welche Strategie verfolgt wird

und was inhaltlich ausgesagt werden soll. Gemein-

sames Verständnis war jedoch bereits, dass der

rechtliche Rahmen erläutert wird und zu diesem

Zwecke eingestufte Vorschriften in geeigneter

Weise übergeben werden. Dies soll die GStA
2078

befähigen, am selben Tage eine Presseerklärung

herauszugeben, in der dargestellt werden soll, dass

eine Bw
2079

Delegation mit GStA Kontakt aufge-

nommen hat und eingestufte Dok übergeben

hat.“2080

Telefonat vom 17.09.2009, 16:45 Uhr:

„Der Freitagsbesuch in DD wird insbesondere
„atmosphärische Aspekte“ umfassen. Es wurden
folgende Dokumente (…) bereits übergeben:

- nat und int. Mandate

- ROE

- SOPs 311, 398

- SPINS

- Tactical Directive

Am 18.09.09 werden nach ggw Planungsstand

noch MC 362/1, die Zusammenstellung der An-

schläge 2009 mittels Trucks bzw. Tanklastwagen

(…) übergeben. Zusätzlich soll der Warnhinweis
(…) bezüglich eines Anschlags mittels Tanklast-
wagen auf das PRT zitiert werden (…). Gespro-
chen werden soll nicht über Details (Begleitende
2076) Leitender Rechtsberater beim Einsatzführungskommando der

Bundeswehr.

2077) INES = Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen der Generalstaats-

anwaltschaft Dresden.
2078) GStA = Generalstaatsanwaltschaft Dresden.

2079) Bw = Bundeswehr.

2080) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 250.

Begründung: Es soll auf Ergebnisse des Investiga-

tion Board gewartet und dann hierzu Stellung ge-

nommen werden), sondern insbesondere über den

Rechtscharakter der Dokumente:

- ROE: Umsetzung völkerrechtlicher Mandate,
über die deshalb nicht hinausgegangen werden

kann. (…).“2081

„Amtshilfe“ einer Behörde für die andere im Sinne des
Wortes hätte hingegen bedeutet, den Ermittlungsbehörden

die von diesen eingeforderten Unterlagen und Informatio-

nen zukommen zu lassen – ohne dabei danach zu filtern,
welche Erkenntnisse der Position der Bundeswehr bzw.

des Bundesverteidigungsministeriums günstig und welche

abträglich sein könnten.

Es ließ sich also feststellen, dass Zielrichtung der Einset-

zung der Gruppe 85 nicht nur eine Beeinflussung der

Untersuchung des ISAF-Joint Investigation Board war,

sondern auch eine manipulierte Information der Strafver-

folgungsbehörden über die Vorgänge in Kundus.

bb) Verhinderung einer Bewertung der Erkenn-
tnisse des ISAF-Joint Investigation Board
durch die NATO

Der COM ISAF-Bericht gelangte – entgegen vorausge-
gangener anderslautender Entscheidungen auf NATO-

Ebene – auf einem nicht vorgesehenen Weg zum Bundes-
verteidigungsministerium.

2082
Ein Effekt dieses abgekürz-

ten Verfahrensweges war, dass der NATO die Möglich-

keit genommen wurde, das Verhalten der Bundeswehran-

gehörigen im PRT Kundus in der Nacht des

03./04.09.2009 zu bewerten und Konsequenzen in Hinb-

lick auf die festgestellten Verfahrensfehler zu ziehen oder

zu empfehlen. Der COM ISAF-Bericht blieb insoweit

unvollendet.

Nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses

ist die Einschätzung der Bundeskanzlerin Dr. Merkel

unzutreffend, die als Zeugin im Untersuchungsausschuss

erklärte:

„Wenn ich recht informiert bin, ist der COMISAF-
Bericht nicht bezüglich einer Bewertung gemacht

worden, sondern ist der COMISAF-Bericht bezüg-

lich der Aufklärung der Fakten gemacht worden.

Deshalb musste ja auch der Generalinspekteur und

anschließend der Bundesverteidigungsminister die

Bewertung vornehmen, weil der COMISAF-

Bericht ausdrücklich keine Bewertung hat.“2083

Der Zeuge General a. D. Ramms, im September 2009

Kommandeur des Allied Joint Force Command (JFC)

Headquarters in Brunssum, der als NATO-Befehlshaber

für den ISAF-Einsatz in der Befehlskette dem ISAF-

Kommandeur General McChrystal unmittelbar über-
2081) Ablaufprotokoll Gruppe 85, Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 252 - 254.
2082) Vgl. zu diesem Vorgang oben S. 138 (Teil 2, D.II.1.); Ramms,

Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

2083) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 72.

Drucksache 17/7400 – 318 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
geordnet war

2084
und selbst direkt dem Kommando des

Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) unters-

tand, schilderte im Untersuchungsausschuss, dass zwi-

schen ihm und General McChrystal bezüglich der Bewer-

tung der Ergebnisse des COM ISAF-Berichts eine spezifi-

sche Abstimmung getroffen worden war:

Der Untersuchungsbericht des ISAF-Joint Investigation

Board, also der sog. COM ISAF-Bericht, würde nur tat-

sächliche Feststellungen zum Luftangriff vom 04.09.2009

und der Einhaltung oder Nichteinhaltung spezifischer

Verfahrensregeln treffen, sich aber einer Bewertung des

Verhaltens von Oberst Klein und der diesen unterstützen-

den Soldaten enthalten. Insoweit schilderte die Kanzlerin

die Sachlage zutreffend.

Die abschließende fachliche und rechtliche Bewertung

des Verhaltens der Angehörigen des PRT Kundus – und
insbesondere der gegebenenfalls festgestellten, von diesen

begangenen Verfahrensfehler – hätte dann jedoch in ei-
nem weiteren Schritt im JFC Brunssum unter Federfüh-

rung von General Ramms erfolgen müssen, bevor der

Bericht von dort aus und mit dieser Bewertung nach

Deutschland weitergeleitet werden konnte. General

Ramms schilderte den Mitgliedern des Untersuchungsaus-

schusses, dass dies – Bewertung des Verhaltens deutscher
ISAF-Kräfte durch einen „deutschen“ General (wenn-
gleich in einer NATO-Funktion), statt durch das ISAF-

Joint Investigation Board – ein Entgegenkommen von
General McChrystal und ISAF gegenüber der Bundes-

wehr gewesen sei.
2085

In den Worten von General Ramms stellte sich der Vor-

gang wie folgt dar:

„Der Untersuchungsauftrag, den der General
McChrystal erteilt hat an sein Team, sagt eindeu-

tig, dass dieses Team die Verletzung von ROE-

Befehlen, nationalen Regeln und disziplinarrech-

tlichen Dingen nicht untersuchen und nicht bewer-

ten soll. Das hat das Team auch getan. Es hat

Sachverhalte dargestellt und hat daraus keine Fol-

gerungen gezogen. Die Absprache, die ich mit

Stan McChrystal getroffen habe, weil ich ja auch

Deutscher bin – ich sage das mal vorsichtig so,
obwohl ich in der Zeit einen NATO-Hut trage -,

war die, dass, wenn eine solche Bewertung erfor-

derlich sein sollte, diese Bewertung dann durch

deutsches Personal in Brunssum erstellt werden

sollte, weil das ja – ich sage das mal – ein bisschen
sensitiv ist.“2086

„Und als ich dann informiert wurde, als ich in
Afghanistan eintraf – (…), am 28. morgens -, habe
ich gehört, dass der Bericht fertig war. Da hatte er

mir aber schon ein Signal gegeben, es mag sein,

drei Tage oder vier Tage vorher, wieder bei einer

VTC. Wir haben regelmäßig miteinander konfe-

riert, auch zu anderen Sachverhalten. Und dann
2084) Mat. 17-22, Anl. 1 Ordner 02, Annex B, 1.a., Tgb.-Nr. 19/10.

2085) Vgl. Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

2086) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

sagte er: Wenn du nächste Woche kommst, kannst

du diesen Bericht mitnehmen. – Und so war das
auch vorgesehen, dass ich den beim Rückflug,

entweder am 30. oder 31., dann mitgebracht hätte

nach Deutschland.“2087

Dieser im Vorfeld vereinbarte Verfahrensablauf wurde

nicht eingehalten. Stattdessen wurde der COM ISAF-

Bericht noch am Tag des Eintreffens von General Ramms

in Afghanistan, am 28.10.2009, an diesem vorbei nach

Deutschland zum Bundesverteidigungsministerium trans-

feriert. Die vorgesehene Bewertung der Ermittlungser-

gebnisse des Joint Investigation Board durch die NATO

hatte sich – in den Worten von General Ramms – „(d)a
der Bericht nicht auf dem Dienstweg über Brunssum nach

Berlin gegangen ist, sondern direkt, (…) im Prinzip erüb-
rigt.“2088

Zu den Hintergründen dieses um ein sehr wesentliches

Detail „verkürzten“ Dienstwegs erklärte General
Ramms:

2089
„Die Frage kann ich Ihnen, was den Verursacher
angeht, nicht beantworten. Ich weiß, dass ein Tele-

fongespräch stattgefunden hat zwischen dem Ge-

neral Wieker und irgendjemandem anderen auf der

anderen Seite – jetzt irgendjemanden dort ins Ren-
nen zu schicken, wäre von meiner Seite her Speku-

lation – und dass der General Wieker aufgrund die-
ser Tatsache einen seiner Feldwebeldienstgrade am

28. morgens in Marsch gesetzt hat. Wieker war

damals Chef Stab ISAF.

(…)

Also, die Tatsache, dass ich den Bericht mitneh-

men wollte, war dem General Wieker bekannt.

Aber ob der General Wieker in dem Falle der Ent-

scheider war oder Durchführender war, die Frage

kann ich Ihnen nicht beantworten.“2090

Nach den Feststellungen des Untersuchungsausschusses

hatte Verteidigungsminister Dr. Jung im Vorfeld mit

Generalleutnant Wieker, „der ja in Afghanistan war und
Chef des Stabes war“,2091

„besprochen (…), dass, wenn der Bericht da ist,
wir ihn sofort bekommen.“2092

Ob damit zugleich die Anweisung verbunden war, dafür

Sorge zu tragen, dass das Bundesverteidigungsministe-

rium den Bericht zu einem Zeitpunkt „bekomme“ – um
ihn dann sogleich gegenüber der Öffentlichkeit zu kom-

mentieren –, an dem er vom übergeordneten NATO-
Hauptquartier überhaupt noch nicht freigegeben war, hat

der Untersuchungsausschuss nicht festgestellt. Es lässt

sich aber bezweifeln, dass ein solcher, den Vorgaben der

ISAF-Führung widersprechender, vorgreifender Transfer
2087) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3/4.

2088) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

2089) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 7.
2090) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 7.

2091) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil II, S. 8.

2092) Dr. Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil II, S. 8.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 319 – Drucksache 17/7400

ohne Kenntnis und Billigung von Entscheidungsträgern

aus den Reihen der Bundesregierung hätte stattfinden

können.

General Ramms wurde im Untersuchungsausschuss auch

dazu befragt, wie seine Bewertung der Untersuchungser-

gebnisse des Joint Investigation Board gelautet hätte,

wenn er die Gelegenheit erhalten hätte, eine solche zu

verfassen. Dazu erklärte er:

„Wenn ich diese Bewertung geschrieben hätte, hät-
te in dieser Bewertung auf der Basis des NATO-

Berichtes folgender relativ einfacher Satz gestan-

den: Ich empfehle die gerichtliche und disziplinare

Untersuchung dieses Vorfalls.“2093

Da der Untersuchungsbericht am JFC Brunssum vorbei

geleitet worden war und die vermeintlichen Ergebnisse

dieses Berichtes vom Bundesverteidigungsministerium

bereits am 29.10.2009 der Öffentlichkeit präsentiert wur-

den, war General Ramms – und damit der NATO – die
Möglichkeit genommen, den Bericht auf Grundlage der

ISAF-Einsatzregeln zu bewerten, ohne der deutschen

Regierung offen entgegenzutreten.
2094

cc) Umdeutung der Erkenntnisse des ISAF-
Joint Investigation Board gegenüber der
Öffentlichkeit

Es war nicht nur verhindert worden, dass dem

COM ISAF-Bericht eine wertende Betrachtung der fest-

gestellten Tatsachen beigefügt wurde. Das Bundesvertei-

digungsministerium kommunizierte vielmehr auch die im

Bericht zusammengefassten Tatsachen so, dass in der

Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden konnte, das

ISAF Joint Investigation Board erachte das Verhalten der

Bundeswehrangehörigen für ordnungsgemäß und den

Luftangriff für regelkonform. Vom Kanzleramt wurde

diese Linie gestützt.

aaa) Bundesverteidigungsministerium

Am Tag nach dem Eingang des COM ISAF-Berichts

beim Bundesverteidigungsministerium ging der General-

inspekteur Schneiderhan vor die Presse und gab eine

Erklärung zu den Untersuchungsergebnissen des Joint

Investigation Board ab.
2095

Dabei stützte er sich auf Vor-

arbeiten des ihm selbst unterstellten Einsatzführungssta-

bes, der Rechtsabteilung des Bundesverteidigungsministe-

riums und des unmittelbar dem Verteidigungsminister

unterstellten Planungsstabes im Bundesverteidigungsmi-

nisterium.

Nach Angaben des Zeugen Dr. Schlie, dem Leiter des

Planungsstabes, hatten die von ihm beauftragten Mitarbei-

ter des Planungsstabes die Ergebnisse des Joint Investiga-

tion Board zum Luftangriff von Kundus ihm gegenüber
2093) Vgl. oben S. 139 (Teil 2, D.II.1.); Ramms, Protokoll-Nr. 41,

Teil II, S. 15.

2094) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2, 15, 22.

2095) Vgl. Feststellungsteil S. 139 f. und 141 (Teil 2, D.II.2. und 3.).

dahingehend zusammengefasst, Verfahrensfehler seien

bestätigt worden; das Vorgehen von Oberst Klein lasse

sich aber durchaus als „militärisch nachvollziehbar“ und
völkerrechtskonform bewerten.

2096
Obwohl der Leiter des

Planungsstabes Dr. Schlie im Untersuchungsausschuss

erklärte, er selbst habe den COM ISAF-Bericht bis zum

Morgen zumindest „kursorisch“ gelesen gehabt, plädierte
er in einer Besprechung am Morgen des 29.10.2009 gege-

nüber Staatssekretär Dr. Wichert und dem Adjutanten des

Generalinspekteurs dafür, den Luftangriff als „militärisch
vertretbar“ zu bewerten.2097 Staatssekretär Dr. Wichert
und der Generalinspekteur wiederum präferierten die

Formulierung „militärisch angemessen“.2098

General Schneiderhan ging in der von ihm am 29.10.2009

gegen 12:15 Uhr abgegebenen Presseerklärung
2099

mit

keinem Wort darauf ein, dass das Joint Investigation

Board eine Vielzahl von Verfahrensfehlern – also: „mili-
tärischen“ Fehlern – moniert hatte, die von Oberst Klein
und den ihn unterstützenden Soldaten begangen worden

waren. Stattdessen versuchte der Generalinspekteur den

Eindruck zu erwecken, das Joint Investigation Board habe

ermittelt, dass konkrete Warnhinweise vorgelegen hätten,

die einen Anschlag auf das PRT Kundus mit den erbeute-

ten Tanklastern hätten wahrscheinlich erscheinen lassen,

und den Luftangriff aufgrund dessen gutgeheißen:

„Es handelte sich um eine Kombination aus übli-
cher Vorgehensweise feindlicher Kräfte, den vor-

handenen Warnhinweisen über einen geplanten

Anschlag und dem Versuch der feindlichen Kräfte,

sich die Mittel für einen solchen Anschlag zu be-

schaffen. Das führte nach meiner Bewertung zu

der richtigen Lagebeurteilung, dass der Luftangriff

zum damaligen Zeitpunkt militärisch angemessen

war.“2100

Bezeichnend ist, dass General a. D. Schneiderhan gege-

nüber den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses

darauf hinwies, er habe diese Presseerklärung Wort für

Wort vorgelesen, denn:

„Und das Haus hat mir unter juristischer Hochbe-
ratung gesagt, dass ich in diesem Fall genau sein

muss und nicht ins Schwätzen kommen darf. Und

deshalb habe ich mich an diesen Ratschlag halten

müssen, weil es ja eine hoch brisante Geschichte

war. (…) Ich wusste, dass das auch ein Ritt auf der
Rasierklinge ist, was ich da mache. Und deshalb

habe ich mich an die Sprache derer gehalten, deren

Fachsprache das ist.“2101
2096) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.
2097) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.

2098) Dr. Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 20 f.

2099) Vgl. das im Feststellungsteil ausschnittweise wiedergegebene
Zitat: S. 141 (Teil 2, D.II.3.a)) und Dokument 51.

2100) Pressestatement General Schneiderhan (Dokument 51), Bl. 318.

2101) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 34.

Drucksache 17/7400 – 320 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Sofern das Pressestatement überhaupt irgendeine „Fach-
sprache“ erkennen ließ, war dies allerdings am ehesten
eine militärische.

2102
In seiner Presseerklärung vom 29.10.2009 formulierte der

Generalinspekteur schließlich als eigene Bewertung bzw.

Bewertung des Bundesverteidigungsministeriums, auf

Basis der Feststellungen im COM ISAF-Bericht betrachte

er das Verhalten der deutschen Soldaten im PRT Kundus

als „in operativer Hinsicht militärisch angemessen“. Mit
dieser Formulierung habe er ausdrücken wollen: „man
konnte so handeln“.2103

Weder die Bezeichnungen „militärisch angemessen“,
noch „militärisch vertretbar“ noch „militärisch nachvoll-
ziehbar“ stellen korrekte Bewertungen des Luftangriffs
vom 04.09.2009 dar. Keine dieser Bezeichnungen wird

den im COM ISAF-Bericht dokumentierten Feststellun-

gen des Joint Investigation Board gerecht.

Da der COM ISAF-Bericht eingestuft war (und blieb, vgl.

insoweit sogleich die Ausführungen auf S. 321 (Teil

B.I.3.c)dd))) und auf diese Einstufung auch stets verwie-

sen wurde, war es der Öffentlichkeit, den Medien aber

auch dem größten Teil der Abgeordneten des Bundestages

nicht möglich, sich selbst ein Bild von den Untersu-

chungsergebnissen des Joint Investigation Board zu ma-

chen.

Die Untersuchungsergebnisse des Joint Investigation

Board kannte aber Verteidigungsminister a. D. Gutten-

berg, der – nach eigenen Angaben – den COM ISAF-
Bericht in einem Kurzurlaub zwischen dem 30.10. und

03.11.2009 gelesen,
2104

sich zwischen dem 03. und

06.11.2009 auch intensiv mit dessen Anlagen befasst

hatte,
2105

und am 06.11.2009 vor die Presse ging, um sich

selbst zu dem Luftangriff zu äußern. Obwohl der

COM ISAF-Bericht selbst ohne die Anlagen nur ca. 70

Seiten umfasst, und in aller Deutlichkeit bereits nach

kurzer Lektüre – auf den ersten Seiten – offenbart, dass
den PRT Angehörigen, die in der Nacht des

03./04.09.2009 von der Operationszentrale der

Task Force 47 aus agierten, nicht nur grundlegende Ver-

fahrensfehler nachgewiesen worden waren, sondern dass

diese Fehler auch ursächlich für den Bombenabwurf und

den Tod einer großen Anzahl von Menschen gewesen

waren, erklärte Verteidigungsminister Guttenberg am

06.11.2009:

„(…) ich selbst komme zum Schluss, dass ich kei-
nen Zweifel an der Einschätzung des Generalin-

spekteurs hege, nämlich dass die Militärschläge

und die Luftschläge vor dem Gesamtbedrohungs-

hintergrund als militärisch angemessen zu sehen

sind.

(…)
2102) Vgl. das im Feststellungsteil ausschnittweise wiedergegebene

Zitat: S. 141 (Teil 2, D.II.3.a)) und Dokument 51.
2103) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 34.

2104) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6, 50.

2105) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.

Ich darf allerdings auch sagen, dass ich nach mei-

ner Einschätzung zu dem Schluss komme: Selbst

wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hät-

te es zum Luftschlag kommen müssen. Das ist eine

Abwägung vieler Umstände. Das ist eine Abwä-

gung, die sich darauf begründet, dass wir jetzt die

Möglichkeit hatten, über Tage hinweg diese Be-

wertung vorzunehmen.“2106

bbb) Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt

Der COM ISAF-Bericht war am 29.10.2009 ebenfalls an

das Kanzleramt sowie das Auswärtige Amt weitergeleitet

worden. Die Presseerklärung des Generalinspekteurs lag

im Bundeskanzleramt vor.
2107

Es wurden allerdings kei-

nerlei Aktivitäten entfaltet, der vom Bundesverteidi-

gungsministerium betriebenen Politik der Desinformation

ein Ende zu setzen. Vielmehr wurde im Kanzleramt sogar

auf die „Öffentlichkeitsarbeit“ des Bundesverteidigungs-
ministeriums verwiesen, und eine eigene Stellungnahme

gezielt vermieden:

Im Kanzleramt war der Bericht durch Mitarbeiter der

Abteilung 2 (Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspoli-

tik) ausgewertet worden. Dort entstand eine Zusammen-

fassung, die der Kanzlerin noch am 29.10.2009 als Vorla-

ge zugeleitet wurde.

In dieser Vorlage wird dargelegt:
2108

„Kernpunkte des Berichts sind:

Angemessenheit des militärischen Vorgehens: Der

Bericht sieht das Vorgehen am 04.09. nicht iso-

liert, sondern bettet es in die komplexe militärische

Gesamtlage in und um Kunduz ein. Als wesentli-

che Kritikpunkte werden jedoch genannt:

(…)

BMVg (GenInsp) hat mit einem ersten kurzen Sta-

tement vor der Presse reagiert.

III. Bewertung

Der Bericht geht umfassend, ausführlich und aus-

gewogen auf die Vorgänge um den Luftangriff ein

und enthält sich auftragsgemäß jeder rechtlichen

Bewertung. Er äußert jedoch Kritik am PRT Kdr

und – abgestuft – auch an dem ihn unterstützenden
Personal sowie den Luftfahrzeugbesatzungen.

Die Frage, ob die beteiligten DEU Soldaten auf der

Grundlage des Mandates der VN angesichts der

schwierigen Lage in operativer Hinsicht militä-

risch angemessen gehandelt haben, wird nicht in

der Gesamtheit eindeutig beantwortet, punktuelle

Verfehlungen werden jedoch benannt (…).

(…)
2106) Pressestatement Minister Guttenberg (Dokument 155), Bl. 62 ff.
2107) Mat. 17-29a, Ordner Gruppe 22, Bl. 174 - 178.

2108) Aufgrund der VS-Einstufung der Vorlage kann diese hier nicht

vollständig zitiert werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 321 – Drucksache 17/7400

Eine abschließende Bewertung des Vorfalls wird

in hohem Maße davon abhängig sein, ob und wie-

weit man die Perspektive des in einer kriegsähnli-

chen, besonderen Handlungssituation stehenden

Kommandeurs einnimmt oder den Vorfall primär

unter dem Blickwinkel möglicher Regelverstöße

sieht.“2109

Im Kanzleramt war also bekannt und der Kanzlerin selbst

vermittelt worden, dass die Darstellung des Bundesvertei-

digungsministeriums der Realität des Bombenangriffs

vom 04.09.2009 – und dessen Bewertung durch das Joint
Investigation Board – nicht gerecht wurde. Dennoch er-
hielt der Regierungssprecher für die Bundespressekonfe-

renz am 30.10.2009 einen Sprechzettel mit der Vorgabe,

in Hinblick auf die Bewertung des Luftangriffs im COM

ISAF-Bericht im Falle eventueller Nachfragen nur darauf

zu verweisen,

„Der Bericht der NATO zum Luftangriff der ISAF
am 4. September liegt seit Mittwochabend vor.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat Sie ge-

stern auf einer Pressekonferenz darüber informiert.

Der Bericht ist von der NATO als GEHEIM ein-

gestuft und wird derzeit durch das BMVg detail-

liert ausgewertet.

Aus diesen Gründen verbietet sich hier eine wei-

tergehende Stellungnahme.

Die Bundeskanzlerin hat in der Regierungserklä-

rung betont: ‚Jeder in Afghanistan unschuldig zu
Tode gekommene Mensch ist einer zuviel … Ich
stehe dafür ein, dass wir nichts beschönigen wer-

den, aber ich stehe genauso dafür ein, dass wir

Vorverurteilungen nicht akzeptieren werden …
Eine umfassende Bewertung des Angriffs und sei-

ner Folgen ist mir, ist dem Bundesminister der

Verteidigung, ist der Bundesregierung insgesamt

absolut wichtig. Auf der Grundlage aller Fakten

wird sie erfolgen: offen und nachvollziehbar.„“2110

dd) Verhinderung einer Herabstufung des
COM ISAF-Berichts

Eine nationale Untersuchung des Luftangriffs vom

04.09.2009 erfolgte nicht. Der Verfasser des sog. Feldjä-

gerberichts erfuhr im PRT Kundus nur wenig Unterstüt-

zung. Maßgebliche Informationen wurden ihm nicht zu-

gänglich gemacht. Die unmittelbar Handelnden, u. a. der

in der Nacht des 03./04.09.2009 eingesetzte Fliegerleitof-

fizier (JTAC) „Red Baron“, Hauptfeldwebel W., verwei-
gerten die Kooperation.

Die einzige umfassende und fundierte Untersuchung der

Vorfälle in der Nacht des 03./04.09.2009 ist daher der

sog. COM ISAF-Bericht, der Bericht des ISAF-Joint

Investigation Board (JIB). In diesem Bericht werden
2109) Dokument 152.

2110) Mat. 17-29a, Ordner Gruppe 22, Bl. 185.

zahlreiche Verfahrensfehler der Bundeswehrsoldaten im

PRT Kundus herausgearbeitet.
2111

Der COM ISAF-Bericht ist jedoch nach wie vor als

NATO-/ISAF-secret klassifiziert und kann daher bis heute

weder ganz noch in Auszügen veröffentlicht werden.

Nach eigener Darstellung war das Bundesverteidigungs-

ministerium von Beginn an stark daran interessiert, eine

Herabstufung des COM ISAF-Berichts durch die NATO

zu erreichen, um die Erkenntnisse des ISAF-Joint Investi-

gation Board der Öffentlichkeit in der BRD unmittelbar

zugänglich machen zu können.

Die nach Herausgabe des COM ISAF-Berichts vom Lei-

ter des Einsatzführungsstabes im Bundesverteidigungsmi-

nisterium, Konteradmiral Andreas Krause, an das ISAF-

Hauptquartier in Kabul herangetragene Bitte, eine unklas-

sifizierte Version des COM ISAF-Berichts herauszuge-

ben,
2112

wies das ISAF-Hauptquartier mit einem Schrei-

ben vom 04.11.2009 zurück.
2113

Verfasser und Unter-

zeichner dieses Schreibens vom 04.11.2009 war der am

09.10.2009 zum Chef des Stabes Hauptquartier ISAF

ernannte Generalleutnant Volker Wieker. Er wurde nach

der Entlassung von General Schneiderhan von Verteidi-

gungsminister Guttenberg am 18.12.2009 als dessen de-

signierter Nachfolger auf dem Posten des Generalinspek-

teurs präsentiert.

Die Kanzlerin Dr. Merkel schilderte den Mitgliedern des

Untersuchungsausschusses, welche Begründung ihr von

Verteidigungsminister a. D. Guttenberg für die Weige-

rung der NATO, den Bericht herabzustufen, genannt

worden sei:

„Soweit mir in Erinnerung ist, hat mir der Bundes-
verteidigungsminister dann berichtet, dass die

NATO aus der grundsätzlichen Erwägung: ‚Wir
sind ja nicht der einzige Bündnispartner„, damals
gesagt hat, dass sie das nicht tun wird.“2114

Im Frühjahr 2011 ersuchte die Bundesregierung – anges-
toßen durch eine entsprechende Anregung der Opposition

im Untersuchungsausschuss – das NATO Hauptquartier
ein zweites Mal um eine Herabstufung bzw. um die He-

rausgabe nicht eingestufter, ggf. gekürzter, Versionen des

COM ISAF-Berichts sowie weiterer Dokumente. Diese

Bitte wurde im Juli 2011 wiederum seitens der NATO

zurückgewiesen.
2115

Der Vorgang brachte allerdings Klarheit über die Hinter-

gründe der Verweigerung einer Herabstufung des

COM ISAF-Berichts – und zwar auch in Hinblick auf die
abschlägige Reaktion der NATO von November 2009 auf

die erste Anfrage der Bundesregierung. Einem Antwort-

schreiben des Allied Joint Force Command (JFC) Head-

quarters Brunssum vom 06.07.2011 ist zu entnehmen,

dass die Idee einer Herabstufung nicht etwa von der

ISAF-Führung aufgrund dort vorhandener Sicherheitsbe-
2111) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115).

2112) Dokument 73, Bl. 182.
2113) Dokument 73, Bl. 181.

2114) Dr. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 61.

2115) Beratungsunterlage Nr. 17-290.
Drucksache 17/7400 – 322 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
denken verworfen worden war. Das JFC teilte vielmehr

mit, entsprechend der NATO-Richtlinien könne die Ein-

stufung eines Dokuments nur durch den Herausgeber –
ISAF – oder mit dessen Einverständnis geändert oder
aufgehoben werden. Im Zuge dieses Verfahrens sei die

Anfrage der Bundesregierung auch dem PRT Kundus zur

Stellungnahme weitergeleitet worden und das PRT Kun-

dus habe seine Zustimmung zu einer Herabstufung der

Dokumente nicht erteilt:

„2. In response to a request to theatre, ISAF has
indicated that ISAF PRT Kunduz has reviewed the

documents and that again it does not consent to

declassification or release as requested.“2116

Das PRT Kundus hatte also offenkundig auch bereits bei

der ersten Anfrage zur Herabstufung des COM ISAF-

Berichts im Herbst 2009 ein „Veto“ eingelegt („… again
it does not consent ...“) und so eine Veröffentlichung der
Untersuchungsergebnisse des ISAF-Joint Investigation

Board verhindert.

Angesichts der von der Bundesregierung und insbesonde-

re dem Bundesverteidigungsministerium nach außen hin

propagierten Linie, sich für eine Information der Öffent-

lichkeit bezüglich der Vorgänge in der Nacht des

03./04.09.2009 einsetzen zu wollen, ist dieses Detail

interessant: Bei einer strikt hierarchisch organisierten

Einrichtung wie der Bundeswehr spricht es für sich, wenn

es dem zuständigen Ministerium nicht gelingt, den Ange-

hörigen des von der Bundeswehr betriebenen PRT in

Kundus zu vermitteln, dass ein erhebliches Interesse

(auch) des Bundesverteidigungsministeriums daran be-

steht, den COM ISAF-Bericht zumindest in Teilen herab-

zustufen.

d) Angemessenheit – Unangemessenheit des
Luftangriffs

General a. D. Ramms, der ehemalige Kommandeur des

JFC Brunssum, gab als Zeuge im Untersuchungsaus-

schuss eine direkte und knappe Antwort auf die Frage, ob

der Luftangriff in Kundus am 04.09.2009 angemessen

war:

„Aus meiner Sicht war er nicht angemessen.“2117

Und auf die kurz darauf gestellte Frage, ob man auf

Grundlage der Lektüre des vom ISAF-Joint Investigation

Board verfassten COM ISAF-Berichts zu dem Ergebnis

kommen könne, der Luftschlag sei angemessen gewesen,

erklärte General Ramms:

„Nach meiner Auffassung nicht. Sie müssen auch
den Bericht als Ganzes sehen.“2118

Es ist bekannt, dass der ehemalige Verteidigungsminister

Guttenberg in dieser Frage zu variierenden Ergebnissen

gelangte – und zwar in allen Fällen zu einem Zeitpunkt,
zu dem er den COM ISAF-Bericht zumindest nach seinen
2116) Beratungsunterlage Nr. 17-290.

2117) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.

2118) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 3.

eigenen Worten schon vollständig gelesen und sich sogar

mit den Anlagen dieses Berichts auseinandergesetzt hatte.

aa) „Militärisch angemessen“ und „selbst
wenn es keine Verfahrensfehler gegeben
hätte, hätte es zum Luftschlag kommen
müssen“

Am 06.11.2009 nutzte Verteidigungsminister a. D. Gut-

tenberg im Anschluss an eine Unterrichtung der Frakti-

onsvorsitzenden einen kurzfristig angesetzten Presseter-

min, um wenige Tage nach der Vorstellung der Ergebnis-

se des COM ISAF-Berichts (aus Sicht des im Bundesver-

teidigungsministerium offenbar herrschenden Wunsch-

denkens) durch den Generalinspekteur und kurz nach

seiner eigenen Einführung ins Amt des Verteidigungsmi-

nisters öffentlich zu erklären:
2119

„(…) ich selbst komme zum Schluss, dass ich kei-
nen Zweifel an der Einschätzung des Generalin-

spekteurs hege, nämlich dass die Militärschläge

und die Luftschläge vor dem Gesamtbedrohungs-

hintergrund als militärisch angemessen zu sehen

sind.

Ich setze neben diese militärische Betrachtung und

Einschätzung einen wichtigen politischen Punkt,

nämlich den, dass der Bericht zu dem Schluss

kommt, dass es Verfahrensfehler gab, dass es in

gewissen Bereichen Ausbildungsmängel gab, dass

es Fragestellungen bei der Auswertung etwa von

Rules of Engagement und anderen Dingen gab und

dass es wichtig ist für die politische Führung, dass

man solche Verfahrensmängel nicht verschweigt,

dass man über sie spricht, dass man sich auch mit

dem Parlament über diese austauscht und insbe-

sondere, dass man daraus die entsprechenden Kon-

sequenzen zieht, national, aber auch international

mit Blick auf die NATO.

Ich darf allerdings auch sagen, dass ich nach mei-

ner Einschätzung zu dem Schluss komme: Selbst

wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hät-

te es zum Luftschlag kommen müssen. Das ist eine

Abwägung vieler Umstände.“2120

Die Kriterien, die er seiner Abwägung zugrunde gelegt

hatte, nannte Verteidigungsminister a. D. Guttenberg

nicht. Nach seiner eigenen Aussage bestand seine Vorbe-

reitung auf dieses Pressestatement im Wesentlichen in der

Kenntnisnahme vom COM ISAF-Bericht, der Sprechemp-

fehlung für den Generalinspekteur und einer achtseitigen

„Auswertung“ des COM ISAF-Berichts durch den Ein-
satzführungsstab,

2121
die die Feststellungen des

COM ISAF-Berichts aufgriff und diese so interpretierte,

dass sie ins Gegenteil verkehrt wurden. Mit der Formulie-

rung dieses Textes waren nach Angaben des Leiters des

Einsatzführungsstabes im Bundesverteidigungsministe-
2119) Vgl. Feststellungsteil S. 149 f. (Teil 2, D.III.4.).

2120) Pressestatement Guttenberg (Dokument 155), Bl. 62 f.

2121) Vgl. Feststellungsteil S. 145 f., 149 f. (Teil 2, D.II.6.; D.III.4.).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 323 – Drucksache 17/7400

rium, Konteradmiral Krause, auch Mitarbeiter befasst

gewesen, die zuvor in der Gruppe 85 daran beteiligt ge-

wesen waren, eine Strategie zum Umgang mit den Ergeb-

nissen des Joint Investigation Board zu entwickeln.
2122

Sonderlich subtil war diese Bearbeitung durch den Ein-

satzführungsstab allerdings nicht, die Diskrepanz zu den

Untersuchungsergebnissen des Joint Investigation Board

erschloss sich ohne Mühe. Insoweit hätten sich also min-

destens Zweifel daran, ob diese Auswertung dem

COM ISAF-Bericht gerecht wurde, und entsprechende

Nachfragen des Ministers bei seinen Beratern oder den

Verfassern der Auswertung aufgedrängt. Eine ausführli-

che und problemorientierte Diskussion des Themas „Luft-
angriff von Kundus“ hatte Guttenberg aber bis dahin
weder mit seinen Mitarbeitern geführt noch eingefordert.

Im Untersuchungsausschuss bestand daher großes Interes-

se daran, zu erfahren, auf welcher Basis der ehemalige

Verteidigungsminister zu seinem Urteil gelangt war und

was ihn motiviert hatte, über die Erklärung des Generalin-

spekteurs, der Luftangriff sei „in operativer Hinsicht
militärisch angemessen“ gewesen,2123 noch hinauszuge-
hen. Die Erklärung des seinerzeitigen Verteidigungsmi-

nisters, seine Bewertung des Luftangriffs als „militärisch
angemessen“ habe auf der „Beratung der damaligen mili-
tärischen und zivilen Spitze im Bundesministerium der

Verteidigung“2124 beruht, vermag in Anbetracht der Tat-
sache, dass der Minister angab, den COM ISAF-Bericht

gelesen zu haben, nicht zu überzeugen – jedenfalls dann
nicht, wenn der Minister den Bericht nicht nur gelesen,

sondern auch verstanden hatte. Details zu diesen „Bera-
tungsleistungen“ hat der ehemalige Verteidigungsminister
Guttenberg dem Untersuchungsausschuss auch nicht

benennen können.

Der Schluss drängt sich auf, dass Minister Guttenberg

gegenüber der Öffentlichkeit (und den Fraktionsvorsit-

zenden) am 06.11.2009 nicht etwa eine Bewertung des

Luftangriffs von Kundus formuliert hat, die ihm sachlich

angemessen erschien – sondern eine Einschätzung, die er
für politisch opportun und zugleich, passend zu seiner

Selbstinszenierung als mutiger Querdenker, der immer

einen Schritt voraus ist, vermarktungsfähig hielt: Nicht

nur „militärisch angemessen“, sondern „selbst wenn es
keine Verfahrensfehler gegeben hätte, …“, also nahezu
zwingend. Ob Minister Guttenberg sich zu dieser Frages-

tellung eine eigene Meinung gebildet hatte – und wenn ja,
welche –, konnte dabei außen vor bleiben.

bb) „… militärisch nicht angemessen“

Am 03.12.2009 – keine zehn Tage nach der Entlassung
von General Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Wichert

– vollzog Verteidigungsminister Guttenberg seine öffent-
liche Kehrtwende in der Bewertung des Luftangriffs von

Kundus vor dem deutschen Bundestag und erklärte:
2122) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 1.

2123) Vgl. oben S. 319 f. (Teil 4, B.I.3.c)cc)aaa)).

2124) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6 f.

„Ich darf in aller Klarheit sagen, dass Oberst Klein
mein volles Verständnis dafür hat, dass er ange-

sichts kriegsähnlicher Zustände um Kunduz, (…)
subjektiv von der militärischen Angemessenheit

seines Handelns ausgegangen ist. Dafür hat er

mein Verständnis. (…)

Wie viel leichter erscheint es jetzt, sich ein Urteil

über die Frage der Angemessenheit zu bilden – aus
der Distanz, mit auch für mich zahlreichen neuen

Dokumenten und mit neuen Bewertungen, die ich

am 6. November dieses Jahres noch nicht hatte.

Diese weisen im Gesamtbild gegenüber dem gera-

de benannten COMISAF-Bericht deutlicher auf die

Erheblichkeit von Fehlern und insbesondere von

Alternativen hin. (…)

Obgleich Oberst Klein – ich rufe das auch den Of-
fizieren zu, die heute hier sind – zweifellos nach
bestem Wissen und Gewissen sowie zum Schutz

seiner Soldaten gehandelt hat, war es aus heutiger,

objektiver Sicht, im Lichte aller, auch der mir da-

mals vorenthaltenen Dokumente, militärisch nicht

angemessen.

Nachdem ich – ohne juristische Wertung; das ist
mir wichtig – meine Beurteilung diesbezüglich
rückblickend mit Bedauern korrigiere, korrigiere

ich meine Beurteilung allerdings nicht betreffend

mein Verständnis bezüglich Oberst Klein. Das ist

der Grund – das sage ich auch an dieser Stelle –,
weshalb ich Oberst Klein nicht fallen lassen werde.

Das würde sich nicht gehören.“2125

Die Hintergründe seines Sinneswandels hat Minister a. D.

Guttenberg bis heute nicht stimmig vermitteln können.

Im Dezember 2009 im Plenum des Bundestages hatte er

sich noch auf die für ihn „zahlreichen neuen Dokumente
und neuen Bewertungen“, die „im Gesamtbild gegenüber
dem COM ISAF-Bericht deutlicher auf die Erheblichkeit

von Fehlern und insbesondere von Alternativen“ hinge-
wiesen hätten, beziehen können. Für den Untersuchungs-

ausschuss musste er hingegen eine neue Begründungsstra-

tegie zugrundelegen, denn die Ausschussmitglieder kann-

ten den Inhalt der von ihm erwähnten Schriftstücke und

waren so in der Lage, die Darstellung des Verteidigungs-

ministers Guttenberg nachzuvollziehen.

Ungeachtet der Tatsache, dass er bereits seit Ende Okto-

ber 2009 mit dem Inhalt des COM ISAF-Berichts vertraut

war und die Chance hätte nutzen können, die Beratungs-

leistungen seiner Mitarbeiter den im COM ISAF-Bericht

getroffenen Feststellungen gegenüberzustellen, erklärte

Verteidigungsminister Guttenberg als Zeuge im Untersu-

chungsausschuss, er habe sich nunmehr mit grundlegen-

den Fragen des Luftangriffs von Kundus und seiner Be-

wertung auseinandergesetzt:
2125) BT-PlPr. 17/9 (Dokument 166), Bl. 682.
Drucksache 17/7400 – 324 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Was meinen wir eigentlich, wenn wir von militä-
risch angemessen oder unangemessen sprechen?

Welche Maßstäbe haben wir dafür?

Das mag abstrakt klingen. Aber mit dieser Frage

musste ich mich vor meiner Neubewertung noch-

mals intensiv auseinandersetzen.“2126

Denn er habe erkennen müssen, dass seiner Beratung

durch Angehörige des Ministeriums bis zum 06.11.2009

„eine rein militärisch-operative Sichtweise zugrunde
gelegen“ habe.2127 Daher seien auch seine öffentlichen
Erklärungen am 06. November 2009

„im Ergebnis in erster Linie Bewertungen aus der
damaligen Perspektive von Oberst Klein, wie er sie

zum Zeitpunkt seines Handelns hatte“

gewesen
2128

– selbst „aus diesem, dem rein militärischen
Blickwinkel“ lasse sich der Vorgang aber „mit jeweils
guten Argumenten auch unterschiedlich bewerten“.2129

Minister Guttenberg versuchte als Zeuge im Untersu-

chungsausschuss seinen Sinneswandel aus einer komple-

xeren Abwägung des Vorgangs herzuleiten. Er begründet

seine korrigierte Bewertung damit,

– dass bei dem Luftschlag zumindest eine größere
Anzahl an „Unbeteiligten“ – darunter auch Kinder
und Jugendliche – getötet oder verletzt wurden,

– dass die Bedrohungslage am 04.09.2009 „so unmit-
telbar“ nicht war, um bewusst und gezielt Opfer unter
„Unbeteiligten“ in Kauf zu nehmen.

Er fügte hinzu, „im Grundsatz“ bereits am 06.11.2009
von einer Tötung und Verletzung von Zivilpersonen aus-

gegangen zu sein.
2130

Dennoch hatte er sich zu diesem

Zeitpunkt nicht daran gehindert gesehen, den Luftangriff

als „angemessen“ zu bezeichnen. Schon dies muss stutzig
machen.

Und wenn es dann noch bei dem Luftangriff von Kundus

um den zweiten von Verteidigungsminister Guttenberg

angesprochenen Aspekt geht, dass man eine „bewusste
und gezielte“ Tötung von Zivilisten in Kauf genommen
habe-, dann befindet man sich unausweichlich mitten in

einer Verlagerung des Prüfungsmaßstabes: von der militä-

rischen „Angemessenheit“ zur Völkerrechtswidrigkeit.
Diesen Schluss hat der Minister a. D. jedoch tunlichst

vermieden. Auch das ein Hinweis auf eine gewisse Belie-

bigkeit der Ausführungen des ehemaligen Ministers zu

Guttenberg.

Der Eindruck drängt sich daher auf, dass es weniger um

eine substantielle Neubewertung mit allen Folgen ging,

sondern dass die Korrektur vor allem darauf abzielte, der

massiven Kritik in der Öffentlichkeit auszuweichen und

weiter auf der Welle des Zeitgeistes möglichst weit oben

schwimmen zu können.
2126) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 13.

2127) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.
2128) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.

2129) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.

2130) Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.

e) Täuschung der Bevölkerung über die Art
der deutschen Kriegsbeteiligung

Festzuhalten ist zunächst: Die Bundesregierung hat sich

nach Kräften bemüht, die Bevölkerung über die genauen

Umstände und die Auswirkungen des Luftschlags vom

04.09.2009 zu täuschen.

Die Bevölkerung wurde – und das lange vor dem
04.09.2009 – aber ebenfalls über die Vorbedingungen des
Luftschlags, d. h. die für die Kräfte der Bundeswehr ge-

ltenden spezifischen Einsatzregularien und die Modalitä-

ten der Kriegsbeteiligung getäuscht. Tatsächlich hatte die

Bundeswehr nämlich keinen „defensiven“ Auftrag, der ihr
den Einsatz militärischer Gewalt nur zur Abwehr von

Angriffen erlaubt hätte. Eine Bindung an eine defensive

Einsatzstrategie ergab sich weder aus dem Bundestags-

mandat für den ISAF-Einsatz (vgl. sogleich Abschnitt

aa)), noch aus nationalen Vorbehalten gegenüber dem

ISAF-Operationsplan (hierzu Abschnitt bb)
2131

), noch aus

den vom Bundesverteidigungsministerium herausgegebe-

nen Taschenkarten (hierzu Abschnitt cc)
2132

).

So überrascht es wenig, dass Oberst Klein im Untersu-

chungsausschuss schilderte, seitens seines Vorgesetzten in

Afghanistan, des deutschen Kommandeurs des RC North

General Vollmer sei ihm ein aggressiveres Vorgehen

durchaus nahegelegt worden:

„So häuften sich (…) Zwischenfälle, bei denen die
Aufständischen (…) illegale Kontrollpunkte ein-
richteten. Diese wurden zwar relativ schnell er-

kannt, durch uns oder durch die afghanischen Si-

cherheitskräfte aufgelöst, waren aber eine sichtbare

Machtdemonstration der Aufständischen (…).
Durch das Hauptquartier ISAF in Kabul, aber auch

durch das Regionalkommando Nord in Masar-i-

Scharif wurde mir ausdrücklich befohlen, unver-

züglich Maßnahmen zur Sicherung dieser Verbin-

dungswege und zur Bekämpfung der Aufständi-

schen zu ergreifen. Auch mein unmittelbarer Vor-

gesetzter, General Vollmer, machte mir sehr deut-

lich, dass er einen aktiven Einsatz des PRTs in die-

ser Hinsicht von mir erwartete.“2133

aa) ISAF-Mandat der Bundeswehr

Die Resolution 1386 (2001) des UN-Sicherheitsrats vom

20.12.2001 und deren Folgeresolutionen
2134

benennen als

Ziel des ISAF-Einsatzes, die afghanische Regierung bei

der Aufrechterhaltung der Sicherheit im ISAF-

Einsatzgebiet so zu unterstützen, dass afghanische Staat-

sorgane sowie UN-Vertreter und anderes internationales

Zivilpersonal in einem sicheren Umfeld agieren kön-

nen
2135

. In Hinblick darauf erlauben sie grundsätzlich
2131) S. 325.
2132) S. 327.

2133) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5.

2134) Für den Zeitpunkt 04.09.2009 relevant ist die Resolution 1833
(2008) vom 22.09.2008 (Dokument 45).

2135) In der Diktion der Ursprungs-Resolution 1386 (2001) des UN-

Sicherheitsrats: „to assist the Afghan Interim Authority in the
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 325 – Drucksache 17/7400

„alle zur Umsetzung des Mandats erforderlichen Maß-
nahmen“ („to take all necessary measures to fulfil its
mandate“).

Das Bundestagsmandat der Bundeswehr schränkt diese

weite Vorgabe nicht etwa ein. Dort wird vielmehr Bezug

genommen auf das UN-Mandat und die darin festgehalte-

nen Vorgaben:
2136

„Status und Rechte der Internationalen Sicher-
heitsunterstützungstruppe richten sich nach den

zwischen der NATO und der Regierung von Afg-

hanistan getroffenen Vereinbarungen. Die Interna-

tionale Sicherheitsunterstützungstruppe ist autori-

siert, alle erforderlichen Maßnahmen einschließ-

lich der Anwendung militärischer Gewalt zu er-

greifen, um das Mandat gemäß Resolution 1833

(2008) durchzusetzen.“

Aufgrund dieser Mandatslage ist der Bundeswehr im

Afghanistaneinsatz also all das erlaubt, was auch allen

anderen ISAF-Kräften gestattet ist. Von einer defensiven

Ausrichtung der Aktivitäten der Bundeswehr in Afghanis-

tan kann demnach keine Rede sein.

bb) Spezifische nationale Beschränkungen
des ISAF-Mandats (national caveats)

Dennoch hält sich in der deutschen Öffentlichkeit die

Überzeugung, die Bundeswehr sei aufgrund spezifischer

Vorgaben der Bundesregierung zu einem defensiven

Vorgehen verpflichtet oder verpflichtet gewesen.

Das ist insoweit nur bedingt überraschend, als gegenüber

der Öffentlichkeit schon seit dem Beginn des Afghanis-

taneinsatzes der Bundeswehr der Eindruck erzeugt wer-

den sollte, die Bundeswehr befinde sich in Afghanistan in

einem reinen, humanitär orientierten, sog. „Stabilisie-
rungseinsatz“.

Dieses Trugbild fand – auch in der öffentlichen Wahr-
nehmung – eine so gutgläubige Aufnahme, dass sich
hartnäckig die Vorstellung hielt, das Afghanistanmandat

der Bundeswehr erlaube die Anwendung militärischer

Gewalt ausschließlich zu defensiven Zwecken, also zum

Eigenschutz im Rahmen von Notwehrhandlungen und der

Leistung von Nothilfe gegenüber akut bedrohten Dritten.

Immer wieder heißt es, die Bundesregierung habe bei der

NATO völkerrechtlich relevante „Vorbehalte“, sog. (na-
tional) caveats, hinterlegt, entsprechend derer der Bun-

deswehr ein offensives militärisches Vorgehen gegenüber

Aufständischen, deren Vertreibung, sogar die gezielte

Suche nach ihnen, untersagt sei:
2137
maintenance of security in Kabul and its surrounding areas, so
that the Afghan Interim Authority as well as the personnel of the

United Nations can operate in a secure environment”.
2136) Für den Stichtag 04.09.2009: BT-Drs. 16/10473 (Dokument 46)

und BT-PlPr. 16/183 vom 16. Oktober 2008, S. 19514.

2137) Vgl. statt vieler: Kornelius, Der unerklärte Krieg – Deutschlands
Selbstbetrug in Afghanistan (2009), S. 43 ff.; s. unter Bezugnah-
me hierauf und m.w.Nw. auch: Jungbauer, Die Bundeswehr in

Afghanistan – Die innerstaatlichen Restriktionen des deutschen
ISAF-Einsatzes (2010), S. 60 f., 74 f.

„Alles, was die Bundeswehr zum Akteur macht in
diesem Kriegstheater, ist verboten. Die Truppe soll

nur reagieren.“2138

In der BRD war demgemäß auch im Spätsommer 2009

noch die öffentliche Meinung verbreitet, die wechselnden

Bundesregierungen (sowohl die rot-grüne Bundesregie-

rung als auch die große Koalition) und die sie tragenden

parlamentarischen Mehrheiten behaupteten nicht nur, der

Afghanistaneinsatz sei ein nicht kriegerisch eingerichte-

ter, quasi-humanitärer Stabilisierungseinsatz – und die
Bundeswehr befinde sich lediglich deshalb vor Ort, um

den Brücken- und Brunnenbau und die Gründung von

Mädchenschulen in Afghanistan zu begleiten –, sondern
es seien auch rechtliche und militärische Vorkehrungen

getroffen worden, die einen Verzicht auf offensives Agie-

ren in Hinblick auf die Beteiligung am ISAF-Mandat

sicherstellten.

Tatsächlich hat bis heute keine Bundesregierung (weder

rot-grün, noch die große Koalition, noch schwarz-gelb)

irgendeine einschränkende Erklärung gegenüber ISAF

und der NATO in Hinblick auf eine Beteiligung der Bun-

deswehr an offensiven militärischen Einsätzen gegen

Aufständische abgegeben.

Dies zu verschleiern, bemühte die Bundesregierung sich

auch gegenüber dem Parlament. In einer Kleinen Anfra-

ge
2139

verlangte die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

in der 16. Wahlperiode Auskunft u. a. auf die Fragen:

„Gibt es Tätigkeiten und Einsätze innerhalb des
ISAF-Kommandos, an denen sich Angehörige der

Bundeswehr nicht beteiligen dürfen (sog. national

caveats)? Wenn ja, welche Aufgaben sind das?“

Im August 2006 beantwortete das Bundesministerium der

Verteidigung diese Anfrage u. a. wie folgt:

„Deutschland hat dem überarbeiteten OPLAN
ISAF einschließlich der multinationalen ROE im

NATO-Rat zugestimmt. In drei Bereichen hat

Deutschland Erklärungen zur nationalen Umset-

zung der ROE abgegeben bzw. aufrechterhalten,

die insbesondere die Vorgaben des Bundestags-

mandats reflektieren. Diese Erklärungen haben

klarstellenden Charakter. Sie beziehen sich darauf,

dass deutsche Soldaten nicht aktiv an Drogenbe-

kämpfungsmaßnahmen teilnehmen, dass sie militä-

rische Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags nur

nach Maßgabe des Prinzips der Verhältnismäßig-

keit einsetzen und dass sie grundsätzlich in den

ISAF-Regionen Nord und Kabul operieren und in

anderen Regionen nur für zeitlich und im Umfang

begrenzte Unterstützungsmaßnahmen der NATO

eingesetzt werden, sofern diese Unterstützungs-

maßnahmen zur Erfüllung des ISAF Gesamtauf-

trags unabweisbar sind.“2140
2138) Kornelius, Der unerklärte Krieg – Deutschlands Selbstbetrug in

Afghanistan (2009), S. 45.

2139) Vgl. BT-Drs. 16/2380.

2140) BT-Drs. 16/2380, S. 8.
Drucksache 17/7400 – 326 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Obwohl die Bundesregierung hier versuchte, den Ein-

druck zu erwecken, bzgl. aller angesprochenen drei As-

pekte (Einsatzgebiet Kabul und Nordafghanistan; keine

Beteiligung an Drogenbekämpfungsmaßnahmen; „Einsatz
militärischer Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags nur

nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips“) hande-
le es sich um die in der Kleinen Anfrage thematisierten

sog. national caveats, die bei der NATO hinterlegt wor-

den seien, war dies in der Realität nicht der Fall.

Das offenbarte allerdings erst ein Bericht des Bundesmi-

nisteriums der Verteidigung an den Verteidigungsaus-

schuss vom 29.06.2010.
2141

Zur Frage nationaler caveats

für die Bundeswehr im Rahmen der Beteiligung am

ISAF-Einsatz teilte der Parlamentarische Staatssekretär

Thomas Kossendey darin mit:

„Die Bundesrepublik Deutschland hat seit Beginn
des ISAF-Einsatzes gegenüber der NATO im

Rahmen der ISAF Transfer of Authority (TOA)-

Message Clarifying Remarks (klarstellende An-

merkungen) abgegeben, welche in der NATO als

„caveats“ geführt werden. (…) In der derzeit gülti-
gen TOA-Message vom 23. Februar 2010 handelt

es sich im Wesentlichen um folgende klarstellende

Anmerkungen zum ISAF-Einsatz:

- Der Einsatz der deutschen Streitkräfte erfolgt
auf der Grundlage der Mandatserteilung durch

den Deutschen Bundestag. Das laufende Man-

dat endet am 28. Februar 2011.

- Der permanente Einsatz deutscher Streitkräfte
erfolgt nur in den ISAF-Regionen Kabul und

Nord. In anderen Regionen können deutsche

Kräfte für zeitlich und im Umfang begrenzte

Maßnahmen eingesetzt werden, sofern diese

Maßnahmen zur Erfüllung des ISAF-

Gesamtauftrages unabweisbar sind. (…)

- Deutsche Streitkräfte führen keine direkten mi-
litärischen Operationen im Rahmen der Dro-

genbekämpfung durch.“2142

Aus beiden Stellungnahmen der Bundesregierung ergibt

sich damit, dass keinerlei Bindung der Bundeswehr in

Hinblick auf eine spezifisch defensive Ausrichtung ihrer

Einsatzaktivitäten existiert:

Die vorzitierten
2143

Ausführungen zur Kleinen Anfrage

der Fraktion DIE LINKE. aus dem Jahr 2006 – „militäri-
sche Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags nur nach

Maßgabe des Prinzips der Verhältnismäßigkeit einset-

zen“2144 – erweisen sich bei etwas konzentrierterer Be-
trachtung als tautologisch. Sie enthalten keinerlei spezifi-

sche oder gar einschränkende Vorgabe für eine Defensiv-

Verpflichtung der Bundeswehr, sondern täuschen eine

Variation des ohnehin Geltenden nur vor: Staatliches
2141) BT, Verteidigungsausschuss, Ausschuss-Drs. 17 (12) 349 vom

30.06.2010.
2142) BT, Ausschuss-Drs. 17 (12) 349 vom 30.06.2010.

2143) Siehe S. 325 bei Fußnote 2140.

2144) BT-Drs. 16/2380, Bl. 8.

Handeln ist nach deutschem Verfassungs- und Verwal-

tungsrecht stets an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit

gebunden.

Und dem Verweis auf das ISAF-Bundestagsmandat in

dem Bericht des Parlamentarischen Staatssekretärs im

Bundesministerium der Verteidigung Kossendey vom

29.06.2010
2145

lässt sich gerade keine Beschränkung der

Bundeswehr auf eine defensive Einsatzstrategie entneh-

men: Während das am 04.09.2009 aktuelle Mandat des

Bundestages auf die Aspekte regionaler Beschränkungen

des Einsatzgebietes und der Drogenbekämpfung aus-

drücklich einging (Punkt 4. und Punkt 8. des Antrags der

Bundesregierung vom 07.10.2008)
2146

, sucht man Ausfüh-

rungen zu Begrenzungen militärischer Gewalt vergebens.

Das Bundestagsmandat wiederholt lediglich die recht

weite Formulierung der in Bezug genommenen UN-

Resolutionen, ohne die Frage einer möglichen Beschrän-

kung der Befugnisse deutscher Soldaten auch nur anzu-

deuten:

„5. Ermächtigung zu Einsatz und Dauer

Der Bundesminister der Verteidigung wird

ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bun-

desminister des Auswärtigen für die weitere

deutsche Beteiligung an der Internationalen

Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanis-

tan die in Nummer 6. genannten Kräfte und

Fähigkeiten – unter dem Vorbehalt der konsti-
tutiven Zustimmung durch den Deutschen

Bundestag – im Rahmen der Beschlüsse des
NATO-Rates und des Mandats der Vereinten

Nationen einzusetzen. (…)

7. Status und Rechte

Status und Rechte der Internationalen Sicher-

heitsunterstützungstruppe richten sich nach

den zwischen der NATO und der Regierung

von Afghanistan getroffenen Vereinbarungen.

Die Internationale Sicherheitsunterstützungs-

truppe ist autorisiert, alle erforderlichen Maß-

nahmen einschließlich der Anwendung militä-

rischer Gewalt zu ergreifen, um das Mandat

gemäß Resolution 1833 (2008) durchzuset-

zen. Die Wahrnehmung des Rechts zur indi-

viduellen und kollektiven Selbstverteidigung

bleibt davon unberührt. Die im Rahmen die-

ser Operation eingesetzten Kräfte sind befugt,

das Recht auf bewaffnete Nothilfe zugunsten

von jedermann wahrzunehmen.“2147

Insbesondere der Bezugnahme auf das Selbstverteidi-

gungsrecht ist keine Begrenzung der erlaubten Anwen-

dung militärischer Gewalt zu entnehmen, sondern im

Gegenteil eine über das ISAF-Mandat hinausgehende

Erweiterung der Befugnisse der Soldaten: Es handelt sich

dabei um eine Ausformung des z. B. im deutschen Straf-
2145) BT, Ausschuss-Drs. 17 (12) 349 vom 30.06.2010.
2146) BT-Drs. 16/10473 (Dokument 46).

2147) Antrag der Bundesregierung vom 07.10.2008, BT-Drs. 16/10473

(Hervorhebung nicht im Original).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 327 – Drucksache 17/7400

gesetzbuch spezialgesetzlich formulierten allgemeinen

Notwehr- und Nothilferechts. Sehen Soldaten sich einem

unmittelbar bevorstehenden Angriff gegenüber, befinden

sie sich also in einer akuten und nicht anders abwendba-

ren Selbstverteidigungssituation, dann dürfen sie zur

Abwendung dieser Situation auch militärische Mittel

einsetzen, die über die jeweiligen ISAF-Einsatzregeln

hinausgehen.

Die vom Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Kos-

sendey angesprochene Erklärung der Bundesregierung zu

Transfer of Authority (ToA) und die in diesem Zusam-

menhang formulierten Clarifying Remarks – in der für
den Stichtag 04.09.2009 relevanten Fassung vom

10.07.2009 – wurden dem Untersuchungsausschuss erst
im Juni 2010 zugeleitet, nachdem zuvor ausdrücklich die

Beiziehung der Einsatzregeln beschlossen werden musste.

Die von Staatssekretär Kossendey benannten Einschrän-

kungen bezüglich des Einsatzgebietes und der Beteiligung

an Drogenbekämpfungsmaßnahmen wurden dort tatsäch-

lich als Clarifying Remarks aufgeführt. Zu einer Ein-

schränkung der Befugnis deutscher Soldaten zur Anwen-

dung militärischer Gewalt verhält sich das Dokument

hingegen mit keinem Wort. Eine Bezugnahme auf das

Bundestagsmandat erfolgte nur insoweit, als klargestellt

wurde, dass dieses befristet war zum 13.12.2009.
2148

Bei der in der deutschen Öffentlichkeit verbreiteten Über-

zeugung, die Einsatzregeln für das ISAF-Mandat (auch

die am 04.09.2009 geltenden) beschränkten die Bundes-

wehr auf Maßnahmen der Kampfunterstützung und unter-

sagten deutschen Soldaten ein offensives Vorgehen gegen

Aufständische, militärische Gewalt dürften sie ausschließ-

lich zur Selbstverteidigung oder zum Schutz Dritter an-

wenden, handelte es sich also um eine Fehlvorstellung,

die seitens der Bundesregierung auch durch nebulöse

Auskünfte auf Fragen aus dem parlamentarischen Raum

aufrecht erhalten wurde – ersichtlich, um die Legende
vom „Stabilisierungseinsatz“ in Afghanistan zu unter-
mauern.

cc) Taschenkarten

Auch die vom Bundesverteidigungsministerium heraus-

gegebene Taschenkarte für die Soldaten des deutschen

ISAF-Kontingents gebietet keine Beschränkung auf de-

fensiv orientierte Einsätze. Insoweit unterscheidet sich

auch die Taschenkarte von 2009 nicht von der vorange-

henden Version von 2006.

Zwar definiert die Taschenkarte 2009 durchaus ein erwei-

tertes Spektrum für die deutschen ISAF-Soldaten: Sie

räumt diesen – über die in der Taschenkarte 20062149
vorgesehene Befugnis „zur Abwehr eines unmittelbar
bevorstehenden Angriffs“ hinaus – nunmehr auch eine
Befugnis zur präventiven Reaktion auf noch nicht gegen-

wärtige, sondern nur erwartete Angriffe ein, indem sta-

tuiert wird:
2148) Dokument 194.

2149) Taschenkarte Stand Oktober 2006, Ziffer II.4., Mat. 17-49a zu BB

17-168, Bl. 3.

„Angriffe können zum Beispiel dadurch verhindert
werden, dass gegen Personen vorgegangen wird,

die Angriffe planen, vorbereiten, unterstützen oder

ein sonstiges feindseliges Verhalten zeigen.“2150

Die in der Taschenkarte formulierte Berechtigung zur

defensiv orientierten Gewaltanwendung wird damit in

zeitlicher Hinsicht erweitert.

Sowohl diese Erweiterung als auch eine redaktionelle

Überarbeitung, nach der die Taschenkarte von 2009 (ge-

genüber der sieben Seiten umfassenden Vorauflage von

2006, die sich um eine relativ detaillierte Darstellung des

Erlaubten bemühte) den Handlungsrahmen auf nur noch

vier Seiten in stark verkürzter Form bezeichnete und

dabei die Grenze zwischen erlaubter und verbotener Ge-

walt weniger klar definierte, vermitteln den Eindruck, die

Befugnisse der Soldaten zur Anwendung militärischer

Gewalt seien erweitert worden – und hat vermutlich den
Soldaten auch das Gefühl gegeben (und geben sollen), ein

härteres „Durchgreifen“ sei nicht nur geduldet, sondern
erwünscht.

Eine Modifizierung bezüglich eines offensiven Vorgehens

der Bundeswehr findet sich darin aber nicht – eine solche
Begrenzung gab es nämlich auch in der Fassung von 2006

nicht: Da bereits der in beiden Taschenkarten definierte

„Auftrag“ durchaus Raum bietet für die offensive An-
wendung von Gewalt – also nicht nur zur Selbstverteidi-
gung und als Nothilfeleistung zugunsten Regierungskräf-

ten und zivilem Personal, sondern auch zur Erzwingung

der „Schaffung eines sicheren Umfelds“ durch einen
militärischen Angriff –, lassen beide Taschenkarten selbst
für den Fall des Schusswaffengebrauchs gegen Menschen

eine originär defensive Ausrichtung schon von vornherein

nicht erkennen.

Beide Taschenkarten halten ausdrücklich fest, dass die

Anwendung militärischer Gewalt „zur Durchsetzung des
Auftrags“2151 zulässig ist.

Worum es sich bei diesem „Auftrag“ handelt, wird in
beiden Taschenkarten mit ähnlicher Formulierung inhalt-

lich identisch definiert.

Die Taschenkarte 2006 beschreibt eher wortreich:

„1. Auftrag

Ihr Auftrag in Afghanistan lautet: Unterstützung

der Staatsorgane Afghanistans bei der Aufrecht-

erhaltung der Sicherheit im Einsatzgebiet, so dass

sowohl die afghanischen Staatsorgane als auch das

Personal der Vereinten Nationen und anderes

internationales Zivilpersonal ihre Tätigkeit in ei-

nem sicheren Umfeld ausüben können. Dies

schließt die Unterstützung der Staatsorgane Afg-

hanistans bei der rechtmäßigen Ausdehnung ihrer
2150) Taschenkarte Stand Juli 2009, Ziffer III.8., Mat. 17-49a zu BB

17-168, Bl. 10.
2151) Taschenkarte Stand Oktober 2006, Ziffer III. und Taschenkarte

Stand Juli 2009, Ziffer II., vgl. Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 4,

9.
Drucksache 17/7400 – 328 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Stabilisierungs- und Sicherheitsaufgaben auf ganz

Afghanistan ein.“2152

In der Taschenkarte 2009 heißt es:

„I. Auftrag

Sie unterstützen Afghanistan bei der Aufrecht-

erhaltung der Sicherheit, damit sowohl die afgha-

nischen Staatsorgane als auch das Personal der

Vereinten Nationen und anderes internationales

Zivilpersonal, insbesondere solches, das dem Wie-

deraufbau und humanitären Aufgaben nachgeht, in

einem sicheren Umfeld arbeiten können.“2153

Der „Auftrag“ orientiert sich damit in beiden Taschenkar-
ten bis hin zur Wortwahl an der Resolution des UN-

Sicherheitsrats 1386 (2001) und deren Folgeresolutionen

sowie dem darauf Bezug nehmenden Mandat des Bundes-

tages.

Beide Taschenkarten erlauben überdies – als schärfstes in
diesen Taschenkarten explizit benanntes Mittel militäri-

scher Gewalt – auch den Schusswaffengebrauch gegen
Menschen „zur Durchsetzung des Auftrags“.2154

Begrenzungen für die Anwendung militärischer Gewalt

werden in beiden Taschenkarten allein dem Verhältnis-

mäßigkeitsprinzip entnommen.

Als Maßstab gibt die Taschenkarte von Juli 2009 lediglich

vor, dass militärische Gewalt „verhältnismäßig“ sein
muss, also nur angewandt werden darf, wenn sie „geeig-
net und erforderlich“ und das „denkbar mildeste Mittel“
ist.

2155
(Die Taschenkarte liegt dem Untersuchungsaus-

schuss vor, kann aber aufgrund ihrer VS-Einstufung an

dieser Stelle nicht wörtlich wiedergegeben werden.)

Diese Bindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip ver-

steht sich aber von selbst, da staatliches Handeln per se

nicht unverhältnismäßig sein darf.

Und selbst der Schusswaffeneinsatz unterliegt nach dieser

Regelung nur dann einer stärkeren Einschränkung, wenn

eine Gefährdung „unbeteiligter“ Personen zu befürchten
ist.

2156
Die Einschränkung greift also nicht, wenn es „nur“

um eine Gefährdung des Lebens von Aufständischen geht.

Die Taschenkarte von Oktober 2006 formulierte die Ein-

satzvorgaben für den am ehesten risikobehafteten, da

potentiell tödlichen, Schusswaffeneinsatz gegen Men-

schen wiederum blumiger als die Taschenkarte 2009, sah

eine Begrenzung militärischer Gewalt aber ebenfalls nur

im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Inhaltlich beschränkt

sich diese Taschenkarte auf die gleichen Schlagworte und

Abwägungskriterien wie die Taschenkarte von 2009.
2157

Auch die Taschenkarte von 2006 liegt dem Untersu-
2152) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 2.

2153) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 9.
2154) Taschenkarte Stand Oktober 2006, Ziffer V.1. und Taschenkarte

Stand Juli 2009, Ziffer II., vgl. Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 4,

9.
2155) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 9.

2156) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 9.

2157) Mat. 17-49a zu BB 17-168, Bl. 4/5.

chungsausschuss vor, kann aufgrund ihrer VS-Einstufung

aber an dieser Stelle nicht wörtlich wiedergegeben wer-

den.

Die breite Darstellung der Abwägungskriterien der Ver-

hältnismäßigkeitsprüfung („geeignet“, „erforderlich“,
„milderes Mittel“) in beiden Taschenkarten mag es er-
leichtern, den Adressaten den Rahmen ihrer Befugnisse

vor Augen zu führen; inhaltlich ist sie jedoch rein dekla-

ratorischer Natur, sie wiederholt etwas Selbstverständli-

ches.

Von einer Orientierung der vom Bundesverteidigungsmi-

nisterium herausgegebenen Taschenkarten an einer defen-

siven Einsatzstrategie für das ISAF-Mandat kann also

keine Rede sein.

f) Ziel der Vertuschung

Das Ziel der Bemühungen, alle erdenklichen Tatsachen

bezüglich der Schattenseiten des Afghanistaneinsatzes

unter Verschluss zu halten, erklärt sich mit einem Blick

auf die im September 2009 bevorstehende Bundestags-

wahl und die Einsatzstrategie der Bundeswehr in Afgha-

nistan.

aa) Bundestagswahlkampf und Kriegsbeteili-
gung

Selbstverständlich haben alle im Untersuchungsausschuss

dazu befragten Zeugen erklärt, die Reaktion der Bundes-

regierung auf den Luftangriff von Kundus habe in keiner-

lei Zusammenhang mit der Bundestagswahl vom

27.09.2009 gestanden.

Überzeugt hat das allerdings nicht – und das nicht nur,
weil z. B. im Auswärtigen Amt dazu klar in Widerspruch

stehende E-Mails ausgetauscht wurden:

Der stellvertretende Leiter des Referats für Afghanistan

und Pakistan im Auswärtigen Amt erhielt in einer E-Mail

am Mittag des 04.09.2009 von einer Referentin im Presse-

referat des Auswärtigen Amtes vor dem Hintergrund der

auf den Luftangriff von Kundus bezogenen Mitteilung der

NATO-Presseabteilung, die NATO sehe die „Mehrzahl
der Getöteten wohl als Zivilisten an“, die Information:

„BMVg wird gerade in der BPK intensiv dazu be-
fragt. Auch Überschwappen auf allgemeine ‚Krieg
oder nicht„ Diskussion.“2158

Er reagierte darauf bereits drei Minuten später mit einer

E-Mail nach Kundus und Mazar-i-Sharif, in der er äußer-

te:

„Zivile Opfer scheint sich zu echtem Problem für
uns zu entwickeln.“2159

Und ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts in Faisabad,

der bereits in Hinblick auf eine wenig glückliche Operati-

on deutscher Kräfte am Vortag darauf hingewiesen hatte,
2158) Mat. 17-25a, Ordner Referat 343 (Dokument 143), Bl. 13.

2159) Mat. 17-25a, Ordner Referat 343 (Dokument 143), Bl. 13.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 329 – Drucksache 17/7400

„in drei Wochen [seien] Wahlen“2160, kommentierte in
einer internen E-Mail am Nachmittag des 04.09.2009 die

Bombardierung der Tanklaster und die damit verbunde-

nen Meldungen zu zivilen Opfern mit den Worten:

„Hier Sorge, dass diese Welle in deutscher Öffent-
lichkeit ‚Tsunami-Qualität„ im Wahlkampf errei-
chen könnte.“2161

Die Akzeptanz in der Bevölkerung für eine Kriegsteil-

nahme der Bundeswehr war (und ist) außerordentlich

gering.

Eines der beiden drückendsten Horrorszenarien des Afg-

hanistaneinsatzes – eine Vielzahl ziviler Toter oder eine
große Zahl toter Bundeswehrsoldaten – war Realität ge-
worden, und das gerade einmal drei Wochen vor einer

Bundestagswahl. Dieser Zeitraum war viel zu kurz, um

sich auf eine kollektive Verdrängung der Ereignisse bis

zur Wahl zu verlassen.

Also wurde es erforderlich, darauf zu reagieren – was
wiederum bedeutete, so viele Tatsachen wie möglich

unter den Teppich zu kehren. Zu leugnen, dass deutsche

Soldaten in Afghanistan agierten, war nicht möglich;

ebensowenig, die Verantwortung für die Entsendung

dieser Soldaten von sich zu weisen.

Keine der für den Afghanistaneinsatz verantwortlichen

Parteien wollte aber für das in Kundus Geschehene in

Haftung genommen werden. Das vereinte auch die –
eigentlich im Wahlkampf „gegeneinander“ antretenden –
Partner in der Regierung: CDU und SPD, Bundeskanzle-

rin Dr. Merkel und Außenminister Dr. Steinmeier.

Als Ausweg blieb daher nur: darauf zu bestehen, es hand-

le sich bei der Beteiligung am Afghanistankrieg um einen

„Stabilisierungseinsatz“2162 oder zu versuchen, den Ein-
druck zu erwecken, der Luftangriff sei nicht etwa einem

Bundeswehroberst, sondern ISAF zuzurechnen
2163

. Vor

allem aber entgegen aller eigenen Erkenntnisse und un-

geachtet heftigsten internationalen Gegenwindes darauf
2160) Mat. 17-25a, Ordner Referat 343, Bl. 10.
2161) Mat. 17-25a, Ordner Referat 343 (Dokument 143), Bl. 9.

2162) So der stv. Pressesprecher des Bundesverteidigungsministeriums,

Kapitän zur See Dienst, in der Bundespressekonferenz am
04.09.2009 (Dokument 115), Bl. 32, und die Pressesprecher des

Bundesverteidigungsministerium sowie des Bundesjustizministe-

riums Dr. Raabe und Schmierer in der Bundespressekonferenz
am 11.09.2009 (Dokument 74), Bl. 77.

2163) So der stv. Pressesprecher des Bundesverteidigungsministeriums,

Kapitän zur See Dienst, auf die Frage, ob der deutsche PRT
Kommandeur den Befehl zum Luftangriff erteilt habe: „Ich kann
Sie auf die Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers verweisen.

Darin wird ausgesagt: „Local ISAF-Commander ordered an air-
strike, which destroyed the fuel trucks.‟ Das ist die Erkenntnisla-
ge, die zurzeit vorliegt.” Erst nachdem der Fragesteller ausdrück-
lich nachgehakt hatte, ergänzte der Pressesprecher: „Es gibt kei-
nen ISAF-Kommandeur, der in Kundus vor Ort ist, außer dem

deutschen PRT Kommandeur.“, vgl. Protokoll der Bundespresse-
konferenz am 04.09.2009 (Dokument 115), Bl. 33. Dieses Verhal-
ten korrespondierte einer von der Bundeswehr per E-Mail kom-

munizierten Empfehlung: „Dieser Einsatz sollte stark unter dem
ISAF-Kontext kommuniziert werden (CAS durch F-15).“ (vgl.
Mat. 17-21a, Ordner 1, Bl. 12). „CAS“ kann in diesem Kontext
sowohl für „Close Air Support“ (Luftnahunterstützung) als auch
„Casualties“ (Opfer) stehen.

zu beharren, bei dem Luftangriff am Kundus-Fluss vom

04.09.2009 sei kein einziger Afghane umgekommen, der

nicht auf Seiten der Aufständischen gekämpft habe – oder
zumindest sei nichts anderes nachweisbar… Und darauf
zu hoffen, die Bevölkerung werde den öffentlichen Ver-

lautbarungen der Bundesregierung zumindest so viel

Glauben schenken, dass sie sowohl die gegenläufigen

Medienberichte in Deutschland, die von einer großen Zahl

von zivilen Toten sprachen, als auch alle internationalen

Reaktionen zumindest in Zweifel ziehen oder nicht wahr-

nehmen werde.

So kam es, dass alles getan wurde, das Geschehene zu

verschleiern und zugleich im parlamentarischen und au-

ßerparlamentarischen Raum vollmundig Aufklärung zu

verlangen und diese zu versprechen. All dies in der Hoff-

nung, die Öffentlichkeit so schnell wie möglich zu beru-

higen – ruhig zu stellen.

Da die Realität des Krieges in Afghanistan kein Kriterium

für eine Wahlentscheidung sein durfte, galt es, die Oppo-

sition ebenfalls nach Kräften zu desinformieren. Im Bun-

destag dienten dazu, wie aufgezeigt, z. B. Obleuteunter-

richtungen, die nur einen Bruchteil der tatsächlichen Er-

kenntnisse vermittelten.

Und ein weiteres Dilemma ergab sich schließlich daraus,

dass der Bevölkerung weiterhin vorgespiegelt werden

sollte, die Bundeswehr agiere in Afghanistan als Beschüt-

zerin der Schwachen, nicht aber als Akteurin im militäri-

schen Kampf gegen die Aufständischen. Ein Oberst, der

klar formuliert hatte, er habe „Aufständische vernich-
ten“2164 wollen, war – und zwar unabhängig von den noch
hinzutretenden Verstößen gegen das ISAF-Regularium

und gegen humanitäres Völkerrecht
2165

– in dieses Raster
schwer einzufügen: Sollte die Bundesregierung ihn öf-

fentlich für seinen Verstoß gegen die vermeintlichen

deutschen Einsatzvorgaben zur Rechenschaft ziehen –
oder einräumen, dass die behaupteten Einsatzbeschrän-

kungen gar nicht existierten?

bb) Counterinsurgency – Teilnahme an offen-
siver Kriegsführung

Da der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr in der deut-

schen Bevölkerung wenig Zustimmung erfährt, bemühten

sich die verschiedenen dafür verantwortlichen Regierun-

gen stets darum, die Ausweitung der Kriegsbeteiligung

möglichst unauffällig und scheibchenweise durchzuführen

– wohl auch in der Hoffnung, so die Bevölkerung an die
zunehmend offensive deutsche Militärpolitik zu gewöh-

nen.

War die Bundeswehr durch die Aufnahme von Tornado-

überwachungsflügen Anfang 2007 nur mittelbar an offen-

siven Operationen der NATO-Verbündeten beteiligt, so

änderte sich dies im Juni 2008, als die Bundeswehr von
2164) Bericht an den Generalinspekteur und den Befehlshaber des

Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (Dokument 63),
S. 1.

2165) Ausführlich dazu im folgenden Abschnitt: S. 331 f., 335 f. (Teil 4,

B.II.1. und 2.).
Drucksache 17/7400 – 330 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Norwegen die „Quick Reaction Force“ übernahm. Diese
Einheit ist ausschließlich für die Aufstandsbekämpfung

zuständig. Parallel wurde die Mandatsobergrenze für die

Bundeswehr kontinuierlich erhöht. Im Jahr 2009 nahm

zudem der Druck auf die NATO Verbündeten durch die

neue US-Regierung unter Barack Obama zu, sich in grö-

ßerem Umfang und entschlossener am Kampf gegen die

Aufständischen zu beteiligen. So forderte der US-

Amerikanische NATO-Botschafter am 01.07.2009: „Die
Vereinigten Staaten erfüllen ihren Teil, Europa und

Deutschland können und sollen mehr tun.“2166 Um dem
nachzukommen, brachte die Bundeswehr im Sommer

2009 erstmals schweres Militärgerät wie etwa Panzerhau-

bitzen nach Afghanistan und änderte die Taschenkarte mit

den Einsatzregeln für deutsche Soldaten so, dass diese in

Bezug auf den Einsatz militärischer Gewalt weniger ein-

schränkend wirkten.
2167

In Folge dessen änderte sich im Sommer 2009 der Cha-

rakter der militärischen Operationen der Bundeswehr.

War es zuvor üblich, bei Angriffen durchzustoßen und

sich möglichst schnell wieder in die sichere Kaserne zu-

rückzuziehen, so suchte nun die Bundeswehr teils aktiv

die militärische Auseinandersetzung. Ein Beispiel dafür

war die „Operation Adler“ in der zweiten Julihälfte 2009.
Der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolf-

gang Schneiderhan, begründete gegenüber den Medien,

diese Operation mit 300 Bundeswehrsoldaten sei nötig

gewesen, da die Sicherheitslage in der Region Kundus

sich massiv verschlechtert habe: „Wir sind jetzt besonders
herausgefordert in Kundus.“ Schneiderhan machte deut-
lich, es sei „jetzt an der Zeit, diese Eskalation vorzuneh-
men“.

Bereits vor dieser politischen Weichenstellung für eine

offensivere deutsche Kriegsbeteiligung hatte der damalige

NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer darauf

hingewiesen, dass durch die offensive Aufstandsbekämp-

fungsstrategie der NATO mit mehr Opfern unter der Zi-

vilbevölkerung und den Soldaten zu rechnen sein werde:

„Wir werden mehr Opfer auf allen Seiten sehen (...). Ich
halte es für eine realistische Erwartung, dass wir eine

schwere Kampfzeit vor uns haben.“ Die Counterinsur-
gency- (COIN- bzw. Aufstandsbekämpfungs-) Strategie

hinter diesem Vorgehen verbindet die massive Bekämp-

fung von Aufständischen mit dem Versuch, gleichzeitig

die Bevölkerung für die NATO zu gewinnen. Da nicht nur

die Bundeswehrführung, sondern auch andere NATO-

Staaten im Zweifelsfall jedoch dem Schutz der eigenen

Soldaten nahezu immer Priorität vor dem Schutz der

Bevölkerung einräumen, führt die offensive COIN-

Strategie immer wieder zu zivilen Opfern und somit zu

wachsender Ablehnung dieser Kriegsführung durch die

afghanische Bevölkerung. Und es verstärkt den Eindruck,

dass es sich bei der Militärpräsenz – wider die offiziellen
Verlautbarungen – doch um eine Art NATO-
Besatzungsregime handelt.
2166) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.07.2009.

2167) Vgl. dazu oben S. 327 (Teil 4, B.I.3.e)cc)).

Trotz dieses Dilemmas hält die USA unverändert an der

Strategie fest und drängt sowohl die afghanischen als

auch die NATO-Verbündeten zu einer stärkeren Teilnah-

me an den Operationen. Entsprechend gab es im Sommer

2009 auch positive Rückmeldung von US-

Amerikanischen Beobachtern, wie etwa der renommierten

Politikwissenschaftlerin Elizabeth Pond, für „die neue
deutsche Durchsetzungsbereitschaft“2168.

Treibende Kraft für die Ausweitung des deutschen Mili-

täreinsatzes ist offenbar die Befürchtung, innerhalb der

NATO als politische Kraft nicht ernstgenommen zu wer-

den, solange die militärische Durchsetzungsfähigkeit

nicht unter Beweis gestellt wird. Der ehemalige Verteidi-

gungsstaatsekretär Lothar Rühl warnt, Deutschland werde

andernfalls nur „als zweitklassiger Verbündeter betrachtet
und auch so behandelt“, und fährt fort: „Abwehr von
Angriffen, die man in Berlin stets hervorhebt, genügt den

Partnern nicht länger, sie wollen Angriffe auf den Feind

sehen, wie auch hohe deutsche Militärs zugeben.“2169 Im
Sommer 2009 kämpfte also die deutsche Regierung nicht

nur gegen Aufständische, sondern auch für ein größeres

politisches Gewicht in der NATO.

Als für derartige Bemühungen kontraproduktiv erweist

sich aber eine interventionskritische Stimmung innerhalb

der Bevölkerung und ein zu genauer Blick der Öffentlich-

keit auf die Aktivitäten der Bundeswehr.

II. „Das … Ermittlungsverfahren gegen
Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. … ist
… einzustellen.“

2170
Wer sich im Auftrag der Bundesregierung und der Mehr-

heit der im Bundestag vertretenen Parteien am Krieg in

Afghanistan beteiligt, der muss berufliche und rechtliche

Konsequenzen kaum befürchten. Das gilt selbst für den

Fall, dass Opfer unter der dortigen Zivilbevölkerung zu

verantworten sind. Diesbezügliche Verfahren wurden

bisher allesamt eingestellt. Richtig ist und das muss ein

tragender Grundsatz unserer Rechtsordnung bleiben: „Im
Zweifel für den Angeklagten“. Aber es darf sich in kei-
nem Fall, um einer vermeintlichen Staatsräson willen,

eine „Kultur der Straflosigkeit“ etablieren. Mehr als alar-
mierend sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen

und Verhaltensweisen der politischen und militärischen

Führung der Streitkräfte, die insbesondere bezogen auf

den Luftangriff vom 4. September den Schutz staatlicher

Handlungsfähigkeit bzw. die Kampfmoral der Truppe

über das Gebot der Rechtswahrung stellen.

Das gilt dafür, dass Amtsträgern – nämlich dem ehemali-
gen Generalinspekteur Schneiderhan – von

„hochgestellten Persönlichkeiten dieser Republik
(…) sehr ans Herz gelegt [wurde], wie sehr [sie]
2168) Christian Science Monitor, 07.08.2009.

2169) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.07.2009.

2170) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof vom 16.04.2010 (Dokument 52), Bl. 1 (offene Version);

http://www.generalbundesanwalt.de/docs/einstellungsvermerk201

00416offen.pdf .
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 331 – Drucksache 17/7400

auf den Oberst Klein aufpassen [müssten], dass da

jetzt nicht etwas daneben geht, was im Grunde die

gesamte Einsatzmoral der Truppe beschädigen

könnte, wenn der Klein sozusagen zu diesem Zeit-

punkt zum Abschuss freigegeben“

werde
2171

, und dafür, dass Referenten aus dem Büro des

Staatssekretärs im Bundesministerium der Verteidigung

Wolf empfahlen, auf die Obleute der Koalitionsfraktionen

im Untersuchungsausschuss einzuwirken, damit

„das Verhalten von Oberst i. G. Klein nicht Ge-
genstand der Untersuchung des Ausschusses“

wird.
2172

Bereits der COM ISAF-Bericht hatte deutlich herausges-

tellt, dass Oberst Klein gegen ISAF-Verfahrensregeln

verstoßen hatte.
2173

Der Luftangriff stand auch nicht in Einklang mit den

Vorgaben des Völkerrechts,
2174

weil Oberst Klein es ver-

säumt hatte, die Personen auf der Sandbank vor seinem

Luftangriff zu warnen
2175

– trotzdem es Anhaltspunkte
dafür gegeben hatte, dass Zivilpersonen vor Ort waren,

und trotzdem auch er selbst davon ausgegangen war.
2176

So hatte er den Zivilisten die Möglichkeit genommen, die

Sandbank vor Erteilen des Angriffsbefehls zu verlassen.

Das Bombardement war so völkerrechtswidrig und damit

im Ergebnis strafrechtlich nicht gerechtfertigt.
2177

Gegen Oberst Klein wurde aber noch nicht einmal ein

reguläres Disziplinarverfahren zur Klärung des Verstoßes

gegen Einsatzregeln eingeleitet, sondern lediglich ein sog.

Vorermittlungsverfahren. Dieses stellte der Inspekteur des

Heeres am 19.08.2010 ein.
2178

Formale strafrechtliche Ermittlungen gegen Oberst Klein

waren (erst) im März 2010 aufgenommen worden, dieses

Verfahren wurde von der Bundesanwaltschaft bereits

nach fünf Wochen eingestellt. Sowohl die späte Aufnah-

me der Ermittlungen als auch die schnelle Einstellung

sind ein ungewöhnliches Vorgehen, wenn es um den

Vorwurf der Tötung einer Vielzahl von Menschen geht.

1. Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln

Das ISAF-Mandat bezieht sich auf die Resolution 1386

(2001) des UN-Sicherheitsrats sowie deren Folgeresolu-

tionen
2179

und stützt sich auf den Operationsplan

(OPLAN) der NATO. Die Vorgaben des OPLAN wiede-

rum werden umgesetzt u. a. durch sog. Rules of Engage-

ment (ROE).
2171) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 20.

2172) Mat. 17-42a, Ordner 6, Bl. 109.

2173) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115); s. hierzu im folgenden
Abschnitt: S. 331 f. (Teil 4, B.II.1.).

2174) S. 335 f. (Teil 4, B.II.2.).

2175) S. 346 f. (Teil 4, B.II.2.b)).
2176) Vgl. S. 336 f., 346 f. (insbes.: S. 338 f., 349 f., 351 (Teil 4,

B.II.2.a)aa)fff) sowie 2.b)aa) a.E. und 2.b)bb)).

2177) S. 352, 357 f. (Teil 4, B.II.2.c) und 3.c)).
2178) Vgl. Verfahrensteil S. 9 (Teil 1, A.II.2.).

2179) Für den Zeitpunkt 04.09.2009 relevant ist die Resolution 1833

(2008) vom 22.09.2008 (Dokument 45).

Zu diesem Regelsystem schilderte der seinerzeitige

Kommandeur des Allied Joint Force Command Head-

quarters Brunssum
2180

, General Ramms vor dem Untersu-

chungsausschuss:

„Es beginnt mit dem Operationsplan, der eine be-
stimmte Absicht beinhaltet (…). Ein Kennzeichen
dieses Operationsplanes ist die Tatsache, dass man

den Schutz der Zivilbevölkerung in den Mittel-

punkt der Bemühungen stellt, weil man die Zivil-

bevölkerung für die weiteren Handlungen in die-

sem Land entsprechend gewinnen will.

Ein weiterer Punkt sind die so genannten Rules of

Engagement. (…) Diese Rules of Engagement re-
geln unter bestimmten Bedingungen, wann man

Waffen einsetzen darf, bis zu welchem Umfang

man sie einsetzen darf und wie man sie einsetzen

darf.

Dazu gibt es Zielplanungen. Die Zielplanungen re-

geln, was man tun darf in eigener Verantwortung

und in nicht eigener Verantwortung, in Abhängig-

keit wieder von zivilen Verlusten oder auch (…)
Schäden (…).

Dazu gab es ergänzend die Tactical Directive von

Stan McChrystal, die ich vorhin schon mal angesp-

rochen habe, die den Soldaten, die bei ISAF einge-

setzt sind, mit Blick auf die Anwendung von Waf-

fengewalt in Verbindung mit möglichen zivilen

Verlusten sehr restriktive Regeln aufgelegt hat,

weil Stan McChrystal in jedem Falle (...) erreichen

wollte, dass die Soldaten (...) die Zivilbevölkerung

nicht über die Maßen hinaus schädigen.“2181

a) Fehlende Befugnis zur Anordnung eines
Luftangriffs

Entsprechend der Tactical Directive des damaligen ISAF-

Kommandeurs McChrystal war insbesondere der Einsatz

von Luftangriffen an enge Voraussetzungen geknüpft.
2182

Der Operationsplan gab u. a. vor, welcher Kreis von Per-

sonen unter welchen Bedingungen überhaupt Luftangriffe

anfordern durfte.

Differenziert wurde im Operationsplan u. a. zwischen den

Kommandeuren der sog. Provincial Reconstruction

Teams (PRT) einerseits und den Task Force-

Kommandeuren andererseits.
2183

Bei den Task Forces

handelte es sich bereits institutionell um offensiv agieren-

de, kämpfende Einheiten. Die Task Force-Kommandeure

standen daher in der Verantwortung, im Rahmen von

Counterinsurgency-Operationen offensive Kampfeinsätze

gegen Aufständische durchzuführen. Die in den PRTs
2180) Zu den Unterstellungsverhältnissen vgl. die Grafik oben Feststel-

lungsteil S. 39 (Teil 2, B.I.1.).
2181) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 8.

2182) Tactical Directive vom 06.07.2009 (Dokument 49), vgl.
http://www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf.

2183) Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner 02, Annex B, 1.d. und e., Tgb.-

Nr. 19/10.
Drucksache 17/7400 – 332 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
eingesetzten Kontingente hingegen waren vielfach für

diese offensiven Kampfeinsätze nicht ausgebildet und

nicht ausgerüstet. Strukturelle Vorgabe für die PRTs war

vielmehr, im Sinne des mit dem ISAF-Mandat verknüpf-

ten sog. comprehensive approach den Aufbau einer zivi-

len Infrastruktur in Afghanistan voranzutreiben und eine

Realisierung dieser Aufbaubemühungen mit militärischen

Mitteln durchzusetzen. Insbesondere den deutschen PRT-

Kommandeuren war dementsprechend die Aufgabe zuge-

schrieben worden, im Zuge dieses sog. Aufbau- und Sta-

bilisierungseinsatzes Aufbautätigkeiten der zivilen Kräfte

in der ihnen zugewiesenen Region abzusichern. Militäri-

sche Gewalt durften sie zur Erreichung dieses Zwecks

und zur Eigensicherung einsetzen.
2184

Für die Anforderung von Luftnahunterstützung verlieh

der Operationsplan diesen beiden Gruppen von Komman-

deuren – zum Schutz der Zivilbevölkerung2185 – unter-
schiedliche Befugnisse. Eine eigene Kompetenz zur

Anordnung von Luftangriffen in sog. „hasty operations“,
also eilbedürftigen Situationen, war nur den schon nach

ihrer allgemeinen Aufgabenstellung offensiv orientierten

Task Force-Kommandeuren eingeräumt. Die demgegenü-

ber weniger kampferprobten PRT-Kommandeure durften

hingegen auch in Eilsituationen ohne vorherige Zustim-

mung ihrer militärischen Vorgesetzten keine Luftnahun-

terstützung anfordern und keinen Luftangriff anord-

nen.
2186

Den Luftangriff vom 04.09.2009 hätte Oberst Klein nach

den für ihn geltenden Einsatzregeln also noch nicht ein-

mal in einer Eilsituation zur Vorbeugung eines voraus-

sichtlich bevorstehenden Angriffs selbst anordnen dürfen;

vielmehr hätte es hierfür als Mindestvoraussetzung eines

Befehls des unmittelbaren militärischen Vorgesetzten von

Oberst Klein, des seinerzeitigen Kommandeurs des Re-

gional Command (RC) North, General Vollmer, bedurft.

Dieser wurde von Oberst Klein in der Nacht des

03./04.09.2009 allerdings nicht kontaktiert. Einen Rechts-

berater konsultierte Oberst Klein vor dem Angriff eben-

sowenig, obwohl auch dies nach den ISAF-Einsatzregeln

eine obligatorische Vorgabe war, mit der die Einhaltung

der Regeln des humanitären Völkerrechts gewährleistet

werden sollte.
2187

Sowohl das ISAF-Initial Action Team (IAT) als auch das

ISAF-Joint Investigation Board (JIB) haben offenbar

erkannt, dass sich die Frage der Anordnungsbefugnis von

Oberst Klein selbst für eilbedürftige Operationen stellte

und dies auch in ihren Untersuchungsberichten angespro-

chen.
2188

Eine (rechtliche) Bewertung dieses Aspektes

erfolgte durch diese beiden Untersuchungskommissionen
2184) Vgl. http://www.isaf.nato.int/mission.html; BT-Drs. 16/10473;

BT-Drs. 17/2884 (Dokument 62).

2185) So auch Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9.

2186) Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner 02, Annex E, 1.a. (5), Tgb.-Nr. 19/10.
2187) Mat. 17-10, COM ISAF-Bericht, engl. Originalfassung, Bl. 50

Pkt. 5., Tgb.-Nr. 8/10; MAT 17-54, Ordner 10, Bl. 279 f., Tgb.-

Nr. 61/10.
2188) Mat. 17-12, IAT-Bericht, engl. Originalfassung, Bl. 8, Fn. 1,

Tgb.-Nr. 10/10; Mat. 17-10, COM ISAF-Bericht, engl. Original-

fassung, Bl. 49 ff. Pkt. 4 ff., 17, Tgb.-Nr. 8/10.

nicht. Allerdings war jedenfalls für den COM ISAF-

Bericht auch vereinbart worden, dass dort nur die Fakten

zusammengestellt werden sollten. Die Bewertung sollte

dann dem JFC Brunssum überlassen werden.
2189

Dies

wurde lediglich dadurch vereitelt, dass der COM ISAF-

Bericht entgegen einer Abstimmung auf ISAF-Ebene

zwischen dem seinerzeitigen Kommandeur des JFC

Brunssum, General Ramms, und dem damaligen ISAF-

Kommandeur, General McChrystal, unmittelbar an das

deutsche Verteidigungsministerium geleitet und dort

sogleich öffentlich kommentiert wurde (vgl. zu dem Vor-

gang oben S. 317 f. (Teil 4, B.I.3.c)bb))).

Fehlte es Oberst Klein bereits an der Berechtigung, ei-

genständig einen Luftangriff in einer sog. „hasty“-
Situation anzuordnen, war er als PRT-Kommandeur erst

recht nicht befugt, ohne vorheriges Durchlaufen eines

festgelegten Zielfreigabeverfahrens Luftnahunterstützung

anzufordern, wenn es noch nicht einmal galt, eilig auf

eine akute Gefährdungssituation zu reagieren. Luftangrif-

fe gegen Aufständische zur vorbeugenden Abwehr erst

künftig und nur potentiell zu erwartender Angriffe waren

ebenso wie alle Operationen, die allein die Bekämpfung

Aufständischer (Counterinsurgency) zum Ziel hatten,

entsprechend der seinerzeit geltenden Einsatzvorgaben

(Operationsplan, Rules of Engagement, Standard Opera-

ting Procedures) ausnahmslos im Rahmen eines Verfah-

rens zur dynamischen Zielzuweisung (dynamic targeting)

auf höherer militärischer Führungsebene zu genehmi-

gen.
2190

Oberst Klein musste im Untersuchungsausschuss sogar

einräumen, dass er noch nicht einmal die erforderlichen

Kenntnisse zur Anordnung eines solchen Luftangriffs

besaß:

„Ich muss zugeben, dass ich das gesamte Verfah-
ren der dynamischen Zielzuweisung bis zur Lektü-

re des ISAF-Berichts nicht kannte und deswegen

auch die Verfahren mir nicht bekannt waren.“2191

Den Angaben von Oberst Klein, sowohl im Untersu-

chungsausschuss als auch gegenüber der Generalbundes-

anwaltschaft, ist deutlich zu entnehmen, dass er sich Be-

fugnisse anmaßte, die völlig außerhalb seines Kompe-

tenzbereichs lagen. Er ordnete einen Luftangriff ohne

Konsultation seiner Vorgesetzten an, um völlig hypotheti-

sche zukünftige Aktivitäten von Aufständischen – gegen
wen und wann auch immer diese hätten erfolgen sollen –
vorbeugend zu verhindern, und Aufständische zu be-

kämpfen. Er schrieb sich sogar die Autorität zu, die Tank-

laster auch dann bombardieren zu lassen, wenn das Ziel

der Aufständischen nicht gewesen wäre, das östlich von

der Sandbank gelegene PRT oder mit ISAF assoziierte

Sicherheitskräfte noch in jener Nacht anzugreifen, son-

dern die Tanklaster aus dem Zugriffsbereich des PRT

hinaus in die entgegengesetzte Richtung, nach Westen
2189) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 2.
2190) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9; Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner

02, Annex E, 1.a. (5), Tgb.-Nr. 19/10.

2191) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 51.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 333 – Drucksache 17/7400

und damit in einen anderen, entfernten Distrikt zu brin-

gen:

„Ich habe Ihnen dargestellt, (…) dass ich auch da-
von ausgehen musste, dass, wenn ich sie nicht be-

kämpfe, sie entweder sehr schnell gegen uns selbst

eingesetzt werden können – gegen das Lager,
wenn sie nach Osten fahren –, oder gegen die afg-
hanischen Sicherheitskräfte oder unserer Aufklä-

rung entzogen werden, wenn sie nämlich über den

Fluss weiter nach Westen fahren, in den Raum des

Zweistromlandes, wo wir mehrfach auch einfach

die Fühlung mit solchen Fahrzeugen verloren hat-

ten.“2192

Die Annahme, die Tanklaster könnten vom PRT Kundus

weg und nach Westen gefahren werden, kam nicht von

Ungefähr – der Informant,2193 auf den sich Oberst Klein
und die Mitarbeiter der Task Force 47 in der Nacht des

03./04.09.2009 stützten, hatte nämlich gemeldet, die Ab-

sicht der Aufständischen sei es gewesen, die Tanklaster

nach Westen, in den Distrikt Gor Tepa, zu bringen. Oberst

Klein war das auch bekannt
2194

, er erklärte im Untersu-

chungsausschuss auf die Frage, was nach seiner Erkenn-

tnis die Pläne der Aufständischen mit den Tanklastern

waren:

„Bei mir ist angekommen, dass diese Tanklastzüge
nach Westen verbracht werden, in den Rückzugs-

raum der Aufständischen, und dort vorbereitet

werden sollen für Anschläge.“2195

Der Informant hatte hingegen zu keiner Zeit gemeldet, es

existiere ein Plan der Aufständischen, mit den Tanklastern

zu irgendeinem Zeitpunkt das deutsche Feldlager anzug-

reifen.
2196

Die Motivlage von Oberst Klein, die dieser nochmals

gegenüber der Generalbundesanwaltschaft wie folgt be-

schrieb:

„Ich sah die Gefahr, dass wir, wenn es den Auf-
ständischen gelungen wäre, die Fahrzeuge zu be-

freien und sie weiter Richtung Westen gefahren

wären, die Fahrzeuge verlieren könnten. (…) Für
die Zerstörung der Tanklaster gab es nach meiner

Einschätzung keinen besseren Ort als auf der

Sandbank, denn die Tanklaster wären im An-

schluss ständig durch dicht besiedeltes Gebiet ge-

fahren. Eine Zerstörung ohne die Gefahr von Kol-

lateralschäden wäre nicht mehr möglich gewe-

sen.”2197,
2192) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 25.

2193) Sog. HUMINT- (Human Intelligence) Quelle.
2194) Vgl. oben im Feststellungsteil S. 45 f. (Teil 2, B.III.1.b)); Klein,

Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 38.

2195) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.
2196) Vgl. Vernehmung Klein im Untersuchungsausschuss, Protokoll-

Nr. 6, Teil II, S. 49, sowie den vollständigen Wortlaut der ent-

sprechenden HUMINT-Meldungen im Feststellungsteil S. 45 f.
(Teil 2, B.III.1.b)); siehe auch S. 314 (Teil 4, B.I.3.b)cc)).

2197) Mat. 17-66, Beschuldigtenvernehmung Oberst Klein durch die

Bundesanwaltschaft, Vernehmungsprotokoll Bl. 13/14.

korrespondierte also den realen Plänen der Entführer der

Tanklastwagen.

Allerdings gab es nach den ISAF-Einsatzregeln keinerlei

Rechtfertigung für Oberst Klein, Aufständische aus der

Luft anzugreifen – auch und schon gar nicht, um sie daran
zu hindern, Tanklaster zu einem unbekannten Zweck dem

Zugriff des PRT Kundus zu entziehen.

Schon mit seiner Entscheidung, die Tanklaster und die um

sie herum befindlichen Menschen überhaupt bombardie-

ren zu lassen, setzte Oberst Klein sich über elementare

Einsatzregeln des ISAF-Mandats hinweg.

Dass nur ein vorab festgelegter, eingegrenzter Kreis quali-

fizierter und einsatzerfahrener Militärs Luftangriffe

anordnen darf, dient dem Schutz der Zivilbevölkerung.
2198

b) Unterlassen einer show of force

Dem Schutz der Zivilbevölkerung, aber auch der Scho-

nung des militärischen Gegners dienten weitere Regelun-

gen des Operationsplanes, beispielsweise die Vorgabe,

mögliche Angreifer zu warnen und ihnen Gelegenheit zu

geben, sich zurückzuziehen bzw. ihre potentiell feindseli-

gen Aktivitäten einzustellen.
2199

Auch hierauf basierte die Verpflichtung für ISAF-

Kommandeure, vor einem Bombenangriff aus der Luft

von den Bomberpiloten zunächst eine sog. show of force

durchführen zu lassen, d. h. einen tiefen Überflug, um

Aufständischen zu verdeutlichen, dass ein Angriff auf sie

unmittelbar bevorstehe und ihnen die Möglichkeit zu

geben, ihre Operation abzubrechen und sich zu entfernen.

Eine show of force hätte in der Nacht des 04.09.2009

nicht etwa deshalb unterbleiben dürfen, weil nach Zeu-

genangaben der Lärm der Flugzeuge auf der Sandbank

höchstwahrscheinlich über mehrere Stunden hinweg zu

hören gewesen war. Selbst wenn alle Personen auf der

Sandbank die Flugzeuggeräusche bemerkt hätten, konnte

nicht schon hierdurch der Warneffekt einer show of force

erreicht werden. So schilderte der Zeuge A. M., Fahrer

eines der beiden Tanklastwagen, der sich vor dem und

während des Luftangriffs auf der Sandbank aufgehalten

hatte, dass die Menschen auf der Sandbank zwar gehört

hätten, dass sich Flugzeuge über ihnen befanden. Sie

hätten aber nicht damit gerechnet, dass diese Flugzeuge

die Sandbank bombardieren würden:

„Die Flugzeuge waren in der Luft. Aber man
konnte nicht ahnen, dass diese Flugzeuge tatsäch-

lich diese Stelle bombardieren würden.“2200

„Die Flugzeuge, die sehr tief fliegen sollten-- ha-
ben wir diese nicht gesehen. Aber wir wissen ja,

dass viele Flugzeuge im afghanischen Luftraum

fliegen, nach Tadschikistan und in anderen be-
2198) So auch Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 9; vgl. Tactical

Directive vom 06.07.2009 (Dokument 49),
http://www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf.

2199) Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner 02, Annex E, 1.a. (1), Tgb.-Nr. 19/10.

2200) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 8.
Drucksache 17/7400 – 334 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nachbarten Ländern. Es sind ja viele verschiedene

Arten von Flugzeugen in der Luft.“2201

Das Bundeswehrkontingent in der Provinz Kundus galt –
jedenfalls nach der gegenüber der Öffentlichkeit propa-

gierten offiziellen Lesart des deutschen ISAF-Mandats bis

zum 04.09.2009
2202

– jenseits von Sicherungsmaßnahmen
als weder beauftragt noch legitimiert, sich an sog. offen-

siven Operationen zu beteiligen. Die deutschen Tornados

im Einsatzgebiet führten keine Luftangriffe aus – und
flogen deshalb auch keine shows of force, denn diese

dienten dazu, vor einem unmittelbar bevorstehenden

Luftangriff zu warnen, der den Tornados ja nicht möglich

war. Es fanden jedoch sog. show of presence-Einsätze

statt, dabei wurde durch einen vom Boden aus noch

wahrnehmbaren Überflug in großer Höhe, je nach Bauart

und Größe des Bombers mindestens 5.000 bzw. 8.000

Fuß, auf die Anwesenheit von ISAF-Kräften hingewiesen.

Das hatte sich auch in der Bevölkerung herumgesprochen.

Die gerade zitierte Aussage des Zeugen A. M. verdeutlicht

daher eines: Soweit den Menschen auf der Sandbank

überhaupt klar war, dass Militärflugzeuge über ihnen

kreisten, gingen sie allenfalls davon aus, über ihnen werde

eine solche show of presence geflogen. Mit einem kurz

bevorstehenden Luftangriff mussten sie hingegen nicht

rechnen und erwarteten ihn ersichtlich auch nicht; das

erschließt sich nicht zuletzt aus den vom Untersuchungs-

ausschuss beigezogenen Videoaufzeichnungen
2203

des

Geschehens auf der Sandbank, die die Bomberpiloten

unmittelbar in das PRT übertrugen. Um die Personen auf

der Sandbank vor dem geplanten Luftangriff zu warnen,

wäre es nach den ISAF-Einsatzregeln unabdingbar gewe-

sen, zuvor einen tiefen Vorbeiflug, eine sog. show of force

durchzuführen.

Stattdessen wies der JTAC Hauptfeldwebel W. nicht nur

den mehrmals wiederholten Vorschlag der F15-Besatzung

zurück, eine show of force durchzuführen, sondern forder-

te die Piloten sogar auf, möglichst weit oben zu fliegen

und sich zu verbergen:

„please stay as high as possible“2204,

„I want you to hide“.2205

Der JTAC instruierte die Piloten außerdem, das Angriffs-

ziel seien die Fahrzeuge und die Personen um die Fahr-

zeuge herum:

„… vehicles and the several individuals around are
your target“2206.

Für die Mitteilung, die er daraufhin von der F15-

Besatzung erhielt:
2201) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 10.

2202) Vgl. oben S. 325 f. (Teil 4, B.I.3.e)bb)) zur Frage nationaler
Beschränkungen (sog. caveats) zum Operationsplan.

2203) Mat. 17-34a (DVD), Mat. 17-63.

2204) Aufzeichnung des Funkverkehrs der F-15 Luftfahrzeuge
(Dokument 60), Bl. 3.

2205) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.

2206) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.

„I see a lot of individuals looks like they‟re on top
of the trucks and all around“2207

bedankte er sich, korrigierte seine Zielvorgabe allerdings

nicht.
2208

c) Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens

Der ISAF-Operationsplan erlaubte es Kommandeuren

nur, so viel militärische Gewalt einzusetzen, wie erforder-

lich, um ihren Auftrag zu erfüllen.
2209

Selbst wenn man davon absieht, dass Oberst Klein nach

dem Operationsplan ohnehin nicht legitimiert war, diesen

Bombenangriff anzuordnen, gilt also: Geht eine spezifi-

sche Bedrohung nicht primär von Menschen aus, sondern

von den Objekten, die diese nutzen wollen, kann es allen-

falls legitim sein, diese Objekte zu zerstören, nicht aber,

eine Gruppe von Menschen gezielt zu töten.

Oberst Klein schilderte, seine Befürchtung sei es gewe-

sen, die mit Treibstoff beladenen Tanklastwagen könnten

für Angriffe genutzt werden, z. B. als „rollende Auto-
bomben“, sog. unkonventionelle Sprengvorrichtungen
(Improvised Explosive Device, IED). Dass es keine ob-

jektiven Anhaltspunkte gab, die diese behauptete Be-

fürchtung stützten, wurde bereits festgehalten.
2210

Jeden-

falls aber wäre in diesem Fall eine Gefährdungslage be-

reits durch deutlich weniger eingriffsintensive Maßnah-

men – äußerstenfalls, nach Vorwarnung der Zivilisten
durch show of force, eine Zerstörung der Fahrzeuge durch

ihre Bombardierung aus der Luft – beseitigt gewesen.
Zugleich auch noch eine Vielzahl von Menschen zu töten,

bedeutete, militärische Gewalt im Übermaß einzusetzen.

d) Verstoß gegen geltende Rules of Engage-
ment (ROE)

Oberst Klein konnte sich – nach Erkenntnissen des seiner-
zeitigen Kommandeurs des Allied Joint Force Command

Headquarters Brunssum, General Ramms, (dem der

Kommandeur der ISAF, COM ISAF General McChrystal,

unmittelbar unterstellt war) – nicht auf eine Rule of En-
gagement (ROE), die einen Luftangriff legitimiert hätte,

stützen:

„ROE [Anm.: der Zeuge benannte hier verschiede-
ne ROE] können für diesen Einsatz nicht in Ans-

pruch genommen werden.“2211

„(…) ich hatte vorhin gesagt, dass die ROE (…)
für diesen Fall nicht in Anspruch genommen wer-

den können, und damit gibt es keine anderen Rules

of Engagement, die für diesen Fall hätten in Ans-

pruch genommen werden können.“2212
2207) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.

2208) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.

2209) Mat. 17-22, Anl. 1, Ordner 02, Annex E, 1.a. (2), Tgb.-Nr. 19/10.
2210) S. 314 (Teil 4, B.I.3.b)cc)) und S. 45 (Teil 2, B.III.1.b)).

2211) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 11.

2212) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 24.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 335 – Drucksache 17/7400

„Das Ergebnis der Anwendung der ROE habe ich
vorgetragen. Das Ergebnis meines Zielplaneroffi-

ziers und meines Rechtsberaters war, dass diese

[Anm.: Anwendung der ROE] nicht rechtmäßig

gewesen sind.“2213

Auch dies mag erklären, warum Oberst Klein sich im

Laufe der Nacht des 04.09.2009 zur Begründung des

Luftangriffs auf unterschiedliche ROE bezog und er und

sein JTAC (Fliegerleitoffizier) Hauptfeldwebel W. abwei-

chende Angaben dazu machten, auf welche ROE abge-

stellt worden war.
2214

Den F15-Bomberpiloten, die den

Luftangriff auf Anordnung von Oberst Klein ausführten,

blieb schleierhaft, welche Einsatzregel der Kommandeur

zugrunde legte
2215

– in der durch den JTAC vermittelten
Kommunikation mit den Bomberpiloten wurde nicht

geklärt, auf Basis welcher ROE der Luftangriff erfolg-

te.
2216

Das monierte der COM ISAF-Bericht ebenso wie die

Tatsache, dass Fehler im Bereich der Zielfreigabe ge-

macht worden waren.
2217

e) Vorspiegeln einer Gefechtssituation
(troops in contact, TIC) bzw. einer akuten
Bedrohungslage (imminent threat)

Überdies hatte Oberst Klein bereits die Unterstützung

durch die F15-Bomber, die letztlich den Luftangriff aus-

führten, nur deshalb erhalten, weil er der Lufteinsatzzent-

rale – bewusst wahrheitswidrig und nicht in Übereins-
timmung mit den geltenden Verfahrensvorschriften –
durch seinen Fliegerleitoffizier (Joint Tactical Air Cont-

roller, JTAC) Hauptfeldwebel W. eine Gefechtssituation

(troops in contact, TIC) melden ließ.
2218

Darüber hinaus

täuschte der JTAC die Besatzung der F15-Bomber, die

mehrfach nachgefragt hatten, ob tatsächlich eine akute

Bedrohungslage (imminent threat) bestehe, die einen

Luftangriff rechtfertige, als er – entgegen den in der Ope-
rationszentrale vorliegenden Informationen – behauptete,
es gebe Meldungen darüber, dass die vermeintlichen

Aufständischen auf der Sandbank beabsichtigten, sich

nach dem Abpumpen des Treibstoffs neu zu gruppieren

und das PRT anzugreifen:

„[F-15E-1 an JTAC:] (…) confirm that err one last
time, these pax are an imminent threat?

[JTAC an F-15E-1:] yeah those pax are an immi-

nent threat, so those insurgents are trying to get all

the gasoline off the tanks and after that they will

regroup and we‟ve got intel information about cur-
rent ops so probably attacking camp Konduz”.2219
2213) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 27.

2214) Teil 2, B.III.7.b)dd) (a.E.); Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 36;

W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 27, 29.
2215) Teil 2, B.III.7.b)cc)ccc); Funkverkehr F-15 (Dokument 60),

Bl. 4 ff.

2216) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 8. f.
2217) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 8., 9., 11.

2218) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 12.

2219) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 10.

f) Unzureichende Aufklärung vor dem Luft-
angriff als Verstoß gegen spezifische Vor-
gaben des COM ISAF

Ein Luftangriff auf eine große Ansammlung von Men-

schen – der aufgrund der Hinweise nur einer einzigen
Informationsquelle durchgeführt wurde, und ohne dass

tatsächlich eine Gefährdungssituation für ISAF-Kräfte

vorlag – stand in Widerspruch zu „COM ISAF‟s intent
and guidance“, wie im COM ISAF-Bericht festgestellt
wurde,

2220
also der bereits erwähnten Tactical Directive

von General McChrystal
2221

.

g) Verzicht auf Battle Damage Assessment
(BDA)

Den gravierenden Regelverletzungen, die dem Luftangriff

vorausgingen, ihn begleiteten und erst ermöglichten, ließ

Oberst Klein schließlich nach der Bombardierung der

Tanklastwagen und der Menschen auf der Sandbank noch

eine weitere folgen.

Entgegen der ISAF-Regeln verzichtete Oberst Klein dar-

auf, nach dem Luftangriff rechtzeitig ein sog. Battle Da-

mage Assessment (BDA) durchführen zu lassen:
2222

eine

umgehende Untersuchung am Ort des Bombenangriffs,

um sofort alle vorhandenen Spuren zu sichern, festzustel-

len, wie viele Opfer der Luftangriff (auch unter der Zivil-

bevölkerung) gekostet hatte und ggf. Verletzte (und zwar

auch Verletzte aus den Reihen der Gegner) zu bergen und

zu versorgen.

Dieser letzte Verfahrensverstoß beeinflusste von Beginn

an und beeinflusst auch heute noch die rechtliche und

politische Aufarbeitung der Ereignisse vom

03./04.09.2009: ISAF-Kräfte tauchten am Ort des Bom-

benangriffs erst auf, als von der Bevölkerung nahezu alle

Opfer von der Sandbank geborgen und die Toten bestattet

worden waren. So fehlt bis heute eine Aufstellung darü-

ber, wie viele Menschen insgesamt durch den Luftangriff

vom 04.09.2009 ihr Leben verloren haben oder verletzt

wurden. Überhaupt keine gesicherten Erkenntnisse gibt es

dazu, wie viele dieser Personen Aufständische waren, und

nicht einmal zur Zahl getöteter Zivilisten existiert bislang

eine abschließende Erhebung.

2. Verstoß gegen grundlegende völkerrech-
tliche Schutzvorschriften

Oberst Klein verstieß gegen die Regeln des humanitären

Völkerrechts.

Er ging davon aus, dass sich Personen auf der Sandbank

befänden, die nicht zu den bewaffneten und kämpfenden

Taliban gehörten: Er sprach von „Unterstützern“ und
„Sympathisanten“, zog aber hieraus nicht den Schluss,
dass solche Personen völkerrechtlich Zivilisten sind.

2223

2220) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 16.

2221) Vgl. http://www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf.
(Dokument 49).

2222) Auswertung EinsFüStab (Fn. 1115), Pkt. 14.

2223) Vgl. S. 349 (Teil 4, B.II.2.b)aa) a.E.).
Drucksache 17/7400 – 336 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ob Oberst Klein diese Grundregel des humanitären Völ-

kerrechts nicht bekannt war oder er sie wissentlich mis-

sachtete, ist nicht festgestellt worden.

Darüber hinaus ignorierte Oberst Klein objektiv vorhan-

dene Anhaltspunkte für die Anwesenheit von Zivilperso-

nen, die zur Sandbank gekommen waren, um sich dort

Treibstoff zu holen.

Das humanitäre Völkerrecht, das sog. Law of armed conf-

lict (LOAC), schützt Zivilisten besonders.

Das Erste Zusatzprotokoll (im Folgenden: ZP I) vom

08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949

über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter

Konflikte macht explizit Vorgaben zum Schutz der Zivil-

bevölkerung.

Wesentliche Schutzvorschriften des ZP I sind nach den

Regeln des Völkergewohnheitsrechts und den Grundsät-

zen von Artikel 13 Absatz 1 des Zweiten Zusatzprotokolls

(ZP II) vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom

12.08.1949 über den Schutz der Opfer nicht internationa-

ler bewaffneter Konflikte auf das Recht des bewaffneten

nicht-internationalen Konflikts übertragbar.
2224

Dies gilt insbesondere für im ZP I kodifizierte Vorsichts-

maßnahmen, die gewährleisten sollen, dass die Zivilbe-

völkerung bei Angriffen nicht zu Schaden kommt: unter

anderem muss Angriffen, die zu Opfern unter der Zivil-

bevölkerung führen können, „eine wirksame Warnung
vorausgehen“ (Artikel 57 Absatz 2 c) ZP I), damit Zivilis-
ten sich rechtzeitig vor einem Angriff entfernen und in

Sicherheit bringen können.

Nach dieser klaren Vorgabe hätte also Oberst Klein – so
wie es die F15-Bomberpiloten mehrfach vorgeschlagen

hatten – eine sog. show of force, einen tiefen Überflug
über die Sandbank, erlauben und anordnen müssen, sofern

es objektive Anhaltspunkte dafür gab, dass sich Zivilisten

vor Ort befanden.

a) Völkerrechtliche Verpflichtung, festzustel-
len, ob sich am Angriffsort Zivilpersonen
aufhalten

Oberst Klein behauptete, er sei der – subjektiv – sicheren
Überzeugung gewesen, dass sich vor Ort keine Zivilisten

befunden hätten. Diese Einschätzung habe er darauf ge-

stützt, dass er bei der Kontaktperson der Task Force 47

mehrere Male habe nachfragen lassen, ob sich Zivilisten

vor Ort befänden. Zudem sei er der Auffassung gewesen,

u. a. auf Grund der Tatsache, dass Ramadan war, sei nicht

zu erwarten gewesen, dass sich auf der Sandbank in der

Nacht Zivilpersonen aufgehalten hätten.
2225

In der Nacht des 03./04.09.2009 gab es zahlreiche Anhalt-

spunkte für die Anwesenheit von Zivilisten auf der Sand-

bank im Kundus-Fluss.
2226

Oberst Klein ignorierte diese
2224) Vgl. Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Huma-

nitarian Law (2005), S. 51 ff.

2225) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 13.

2226) Hierzu sogleich Abschnitt aa).

aber und verzichtete deshalb darauf, ergänzende Informa-

tionen einzuholen, um sich zu vergewissern, dass mit

einem Luftangriff auf die Sandbank keine Zivilisten ge-

troffen werden würden.
2227

Damit verletzte er seine völ-

kerrechtliche Pflicht zur adäquaten Aufklärung vor einem

Angriff.

aa) Ignorieren der Anhaltspunkte für die An-
wesenheit von Zivilisten am Angriffsort

Die Frage, ob mit der Anwesenheit von Zivilisten zu

rechnen ist, ist für die völkerrechtliche Beurteilung nicht

aufgrund der subjektiven Einschätzung des unmittelbar

Handelnden zu beantworten, sondern unter Berücksichti-

gung der Bewertung der Situation durch einen hinzuge-

dachten neutralen Dritten auf der Basis der in der Situati-

on erreichbaren Erkenntnisse (eines sog. objektiven ex

ante-Beobachters).
2228

Es kommt also weder darauf an, ob

Oberst Klein der Auffassung war, es seien Zivilisten vor

Ort – noch dass tatsächlich, wie sich später herausstellte,
Zivilisten vor Ort waren. Völkerrechtlicher Maßstab ist

der Blickwinkel eines hypothetischen, objektiven, ver-

nunftgeleiteten Beobachters, der sich auf Grundlage der

vor dem Luftangriff vom 04.09.2009 vernünftigerweise

zu erlangenden und verfügbaren Erkenntnisse eine Mei-

nung darüber bildet, ob ein Angriff rechtmäßig und wie

sicher auszuschließen ist, dass Zivilisten – zunächst ein-
mal: egal wie viele – vor Ort sind.

Es gab zahlreiche Anhaltspunkte, die die Anwesenheit

von Zivilisten als wahrscheinlich, jedenfalls aber nicht

ausgeschlossen erscheinen ließen:

aaa) Nächtliche Aktivitäten während des Rama-
dan

Bereits mit seiner „landeskundlichen“ Einschätzung, es
sei auszuschließen, dass sich während des Ramadan

nachts Zivilisten auf der Sandbank aufgehalten hätten,

stand Oberst Klein relativ allein da.

Die Angaben der Zeugin Dr. Erfan im Untersuchungsaus-

schuss wurden für die Ausschussmitglieder wie folgt

gedolmetscht:

„Sie wissen, dass wir einen Fastenmonat Ramadan
haben. Der Monat ist natürlich heilig. Man wacht

aber auf um die Uhrzeit. Vor dem Morgengrauen

muss man natürlich noch einmal essen. Aufgrund

der Armut, nachdem man das gehört hat und es

viel Krach gegeben hat, sind die Leute halt dorthin

und am Geschehensort erschienen.“2229

Dass es gerade im Ramadan sogar wahrscheinlich war,

dass Zivilisten nachts vor Ort sein würden, erörterten
2227) Vgl. S. 339 f. (Teil 4, B.II.2.a)bb)).
2228) Vgl. zu diesem Maßstab ICTY, Prosecutor v. Stanislav Galic,

Case No. IT-98-29-T, Judgement, 05.12.2003, para. 58 („a rea-
sonably well-informed person in the circumstances of the actual
perpetrator, making reasonable use of the information available to

him or her”) sowie Ambos NJW 2010, 1725, 1727.
2229) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 337 – Drucksache 17/7400

noch am Morgen des 04.09.2009 die Zeugen Brigadege-

neral Dr. Vad, Leiter der Gruppe 22 im Bundeskanzler-

amt, und General Glatz, Leiter des Einsatzführungskom-

mandos der Bundeswehr, miteinander:

„Der General Glatz schilderte mir im Gespräch, er
habe ein Bauchgefühl, dass zivile Opfer nicht aus-

geschlossen seien. Ich erinnere mich auch, dass er

das auch im Zusammenhang mit dem Ramadan

erwähnte, wo abends und nachts ja auch in diesem

Lande mehr los ist als sonst. Auch mit Blick auf

diesen Vorfall hatte er, wie gesagt, ein Gefühl –
noch keinen Indikator, noch keinen Hinweis, auch

noch nichts vorliegen, jedenfalls nicht am Frei-

tagmorgen –, woraus er ableitete, dass Zivilopfer
nicht ausgeschlossen werden könnten.“2230

Die Einschätzung, schon wegen verstärkter nächtlicher

Aktivitäten der Bevölkerung während des Ramadan seien

zivile Opfer zu befürchten, hatte der Zeuge Dr. Vad kurz

nach dem Luftangriff, am 06.09.2009 in einer E-Mail an

seinen Vorgesetzten Dr. Heusgen, den Leiter der Abtei-

lung 2 im Bundeskanzleramt, festgehalten.
2231

Der objektive ex ante-Beobachter an der Stelle von Oberst

Klein hätte noch aus weiteren Gründen daran gezweifelt,

dass sich auf der Sandbank nur Taliban-Kämpfer oder

andere Aufständische befanden.

bbb) Kommen und Gehen auf der Sandbank

Der Untersuchungsausschuss hat die Videoaufnahmen

beigezogen, die in den Stunden vor dem Luftangriff mit

den Bordkameras des B1-Bombers und der F15-Bomber

erstellt und zeitgleich an die Operationszentrale der Task

Force 47 überspielt wurden.
2232

In der Operationszentrale

befand sich Oberst Klein gemeinsam mit seinem JTAC

Hauptfeldwebel W. und den Angehörigen der Task Force

47. Die dort Anwesenden konnten die Aufzeichnungen,

die mit einem Beamer vergrößert in den Raum projiziert

wurden, in Echtzeit betrachten.

Deutlich erkennbar in diesen Videos ist, dass es ein reges

Kommen und Gehen der Personen auf der Sandbank gab.

Eine Vielzahl von Menschen umringte die Tanklaster,

eine große Anzahl von Personen bewegte sich auch auf

der Sandbank hin und her, zum Teil zwischen den Fahr-

zeugen, zum Teil zu den Uferbereichen hin. Besonders

auffällig aber war ein gut sichtbares Geschehen, das die

Assoziation einer Ameisenstraße
2233

nahe legte: ein Strom

von Menschen, der die Sandbank verließ, den Fluss

durchquerte und sich zum Festland bewegte, ein gegen-
2230) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 8.
2231) Mat. 17-29a, Ordner Büro AL 2, Bl. 9.

2232) Mat. 17-34a und Mat. 17-63; die Videoaufzeichnungen wurden

nicht freigegeben und konnten daher nicht auf den dem Ab-
schlussbericht beigefügten Datenträger mit Beweismitteln über-

nommen werden.

2233) Das teilte die Besatzung der F15-Bomber auch dem JTAC mit:
„there‟s kind of a small ant trail and then there‟s more vehicles
along the road to the south“, Aufzeichnung des Funkverkehrs der
F-15 Luftfahrzeuge (Dokument 60), Bl. 6.

läufiger Strom von Menschen, der auf diesem Weg die

Sandbank erreichte.

Ein solches reges Kommen und Gehen einer Vielzahl von

Personen ist nicht typisch für Aktivitäten von Aufständi-

schen zur Vorbereitung eines Angriffs, sondern ein Indi-

kator dafür, dass sich Schaulustige zu einem Ort (und von

diesem weg) bewegen. Oder Menschen, die sich dort

etwas holen.

Es bedarf keiner großen landeskundlichen Expertise, zu

wissen, dass die afghanische Landbevölkerung in großer

Armut lebt. Kraftstoff wird in Afghanistan nicht nur zum

Auto- und Motorradfahren und zum Heizen gebraucht,

sondern auch zur Stromerzeugung. Jeder Haushalt benö-

tigt daher Kraftstoff, und nur wenigen fällt es leicht, ihn

zu bezahlen. Die Annahme, dass es sich bei dem deutlich

erkennbaren Strom von Menschen, die auf die Sandbank

kamen, um Personen handelte, die dort Treibstoff aus den

liegen gebliebenen Tanklastern holen wollten, war nahe-

liegend.

Die Zeugin Dr. Erfan, Mitglied des Provinzrates (Schura)

von Kundus, schilderte dazu im Untersuchungsausschuss:

„Sie sind wegen des Benzins dort hingegangen.
Die Leute sind sehr arm, und das war dann eine

gute Gelegenheit, etwas Benzin abzuzapfen.“2234

Ob diese Menschen auf Aufforderung der Taliban handel-

ten oder mit ihnen sympathisierten, ist dabei völlig irrele-

vant. Personen, die sich nicht an feindseligen Handlun-

gen, also kämpferischen Operationen oder konkreten

Angriffsvorbereitungen, beteiligen, sind nach den Regeln

des humanitären Völkerrechts keine legitimen Angriffs-

ziele – selbst dann, wenn sie „Unterstützer“ der Taliban
sind, „mit den Taliban sympathisieren“ oder „Feinde des
Wiederaufbaus Afghanistans“ sind, um in der Diktion des
Oberst Klein

2235
zu bleiben. Sie sind Zivilisten und als

solche zu schützen.

Angesichts der von den Bomberbesatzungen übertragenen

Videoaufzeichnungen wäre der hinzuzudenkende objekti-

ve ex ante-Beobachter mindestens auf die Idee gekom-

men, dass das sichtbare Geschehen nicht typisch für eine

Operation von Aufständischen oder deren Vorbereitung

war. Er hätte intensive Anstrengungen entfaltet, um aus-

zuschließen, dass sich Zivilpersonen vor Ort befanden.

ccc) Vermutete Anwesenheit mehrerer Gruppen
und deren Anführer

Ein weiterer Aspekt, den ein objektiver Betrachter be-

rücksichtigt hätte, wäre die Erkenntnis gewesen, dass eine

Ansammlung von einigen Dutzend Taliban, unter ihnen

gleich mehrere Anführer, eine ungewöhnliche Erschei-

nung gewesen wäre. Auch Oberst Klein war dies aufgefal-

len
2236

. Er hatte daraus allerdings nur den Schluss gezo-
2234) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.

2235) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10 f., 11, 16; Bericht Oberst
Klein an das Einsatzführungskommando der Bundeswehr vom

05.09.2009 (Dokument 63), Bl. 3.

2236) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15 f.

Drucksache 17/7400 – 338 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gen, eine große Gruppe (vermeintlicher) Taliban sei ein

besonders lohnendes Ziel.
2237

Oder – in der Einschätzung
dem Untersuchungsausschuss namentlich nicht bekannter

Mitarbeiter des BND –:

„Sollten tatsächlich (…) INF die Informationen
bestätigt haben, wäre der Bw ein ziemlicher

Schlag gelungen.“2238

„Erfolg in Kdz (…). Anmerkungen: Endlich.“2239

Eine nüchterne Betrachtung durch einen erfahrenen, nicht

übernervösen oder von Verfolgungseifer gepackten

Kommandeur hätte daher Anlass gegeben, intensiv zu

hinterfragen, ob hier wirklich die ungewöhnliche Konstel-

lation vorlag, dass sich mehrere Talibananführer mit ihren

Gruppen an dieser Sandbank versammelt hatten, um sich

mit nichts Bedeutenderem zu befassen als zwei festgefah-

renen Tanklastern – oder eine Fehleinschätzung.

ddd) Verbleib der Fahrer

Ein objektiver Betrachter hätte zudem versucht, Klarheit

darüber zu erlangen, was aus den Fahrern der entführten

Tanklaster geworden war – und ob sie auf der Sandbank
festgehalten wurden. Der Sprachmittler der Task Force 47

hatte als Zeuge im Untersuchungsausschuss bekundet, der

Informant habe ihm mitgeteilt, (nur) einer der Fahrer sei

getötet worden.
2240

Oberst Klein hatte sich damit begnügt, keine Erkenntnisse

über den Verbleib der Fahrer zu besitzen – er sagte im
Untersuchungsausschuss wörtlich: „Ich wusste nichts
davon.“2241 – und Spekulationen darüber anzustellen, dass
die Fahrer in anderen Fällen, von denen er gehört hatte,

entweder sofort getötet oder verhört und dann freigelassen

worden waren.
2242

Einen Auftrag, den Informanten der

Task Force 47 nach dem Schicksal der Fahrer zu fragen,

erteilte er nicht.

eee) Angriff allein aufgrund der Angaben eines
Informanten

Ein objektiver (ex ante) Betrachter hätte zudem berück-

sichtigt, dass alle Informationen über die Vorgänge auf

der Sandbank nur von einer einzigen Kontaktperson

stammten. Oberst Klein oder den Angehörigen des PRT

war der Informant nicht näher bekannt. Insbesondere

besaßen sie nach Erkenntnis des Untersuchungsausschus-

ses keinerlei Hintergrundwissen, zu welcher Gruppierung

er gehörte und aufgrund welcher Interessenlage er handel-

te. Bekannt war allerdings, dass der Informant „über Insi-
der-Informationen verfügte“2243 und „taliban-nah“ war2244.
2237) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17 f.; Mat. 17-66, Vernehmung

Klein, Bl. 15 f.

2238) Mat. 17-34, Ordner 4 Bl. 455, Tgb.-Nr. 36/10.
2239) Mat. 17-34, Ordner 1 Bl. 5, Tgb.-Nr. 36/10.

2240) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 4.

2241) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.
2242) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23; vgl. Teil 2, B.III.4.c)aa).

2243) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 62.

2244) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 25.

Ein objektiver Beobachter hätte Erwägungen dazu anges-

tellt, aus welchem Motiv heraus eine den Aufständischen

nahestehende und in deren Aktivitäten eingeweihte Per-

son die Vorhaben dieser Aufständischen vereitelte und sie

in (Lebens-) Gefahr brachte – und welche Vorteile eine
militärische Reaktion des PRT diesem Informanten brin-

gen konnte.

Schon angesichts dessen wäre es dringend angezeigt ge-

wesen, keinesfalls einen Luftangriff anzufordern, ohne

über präzisere Erkenntnisse zu den Hintergründen zu

verfügen und ohne sich weitere Erkenntnisse aus anderen

verfügbaren Quellen zu erschließen.

fff) Widersprüche der Lagebewertung durch
Oberst Klein

Oberst Klein durfte sich nicht darauf beschränken, ohne

weitere Prüfung der (für einen objektiven ex ante-

Beobachter) offenkundigen Hinweise darauf, dass sich

auf der Sandbank Zivilpersonen aufhalten konnten, die

nicht in feindselige Aktivitäten Aufständischer involviert

waren, zu behaupten, „keine Zweifel“2245 an der Darstel-
lung des Informanten der Task Force 47 gehabt zu haben,

dass alle Personen auf der Sandbank „zu den Aufständi-
schen gehör[t]en“.2246

Ein relevantes Detail in diesem Zusammenhang ist näm-

lich, dass Oberst Klein ausweislich seiner eigenen Anga-

ben im Untersuchungsausschuss von der Anwesenheit

von Zivilpersonen im Bereich der Sandbank tatsächlich

ausging:

Zum einen erklärte er selbst, er habe angenommen, bei

den Personen auf der Sandbank habe es sich um „Auf-
ständische und deren unmittelbare Unterstützer“ bzw.
„Sympathisanten“ der Aufständischen gehandelt.2247

Zum anderen schilderte er,

„Ich ging davon aus, dass alle Personen, die sich
zu diesem Zeitpunkt um die Tanklastzüge befan-

den, Teil der Operation der Aufständischen waren

und deswegen beteiligt waren, und alle Personen,

die sich im weiteren Umfeld dort bewegt hatten –
das, was andere vielleicht als Zivilisten bezeichnen

würden –, Unbeteiligte waren.“2248

Oberst Klein definierte nicht explizit, wo dieses „weitere
Umfeld“ begann und endete – ob er damit Personen mein-
te, die sich im Uferbereich um die Sandbank herum be-

wegten, oder ob er sich auf die Personen bezog, die sich

auf der Sandbank, aber nicht in unmittelbarer Nähe der

Tanklastwagen aufhielten. Selbst wenn er über Personen

im Uferbereich sprach, ist aber daran zu erinnern, dass –
für ihn und die weiteren Soldaten in der Operationszentra-

le anhand der von den Bomberbesatzungen übertragenen
2245) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56.

2246) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 56; vgl. oben im Feststellungs-

teil S. 64 (Teil 2, B.III.7.b)bb)).
2247) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 16; vgl. zur völkerrechtli-

chen Einordnung S. 349, 350 (Teil 4, B.II.2.b)bb)aaa)).

2248) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 339 – Drucksache 17/7400

Videos gut sichtbar – wie oben S. 337 f. (Teil 4,
B.II.2.a)aa)bbb)) gerade beschrieben ein reges Kommen

und Gehen zwischen Sandbank und Uferbereich, auf die

Sandbank und von der Sandbank weg, zu verzeichnen

war. Wie Oberst Klein hier hätte ausschließen wollen,

dass sich von den potentiellen Zivilisten im Umkreis der

Sandbank einige auf die Sandbank begeben hatten, bleibt

im Dunkeln.

Interessant an der gerade zitierten Äußerung von Oberst

Klein ist im Übrigen, dass sie grundlegend in Wider-

spruch steht zu der von ihm behaupteten Einschätzung,

Zivilisten verließen nachts, zumal im Ramadan, ihre Ge-

höfte nicht.

bb) Völkerrechtlich gebotene Aktivitäten zur
Aufklärung, ob sich Zivilpersonen am Ang-
riffsort befanden

Der Ansatz von Oberst Klein, die vorhandenen Indizien

für die Anwesenheit von Zivilisten einfach zu ignorieren,

stand in Widerspruch zu den Vorgaben des humanitären

Völkerrechts: Alle Personen, die nicht klar als Aufständi-

sche identifiziert werden können, gelten nach den Regeln

des humanitären Völkerrechts als Zivilisten.
2249

Solange

sich nicht ausschließen lässt, dass Zivilisten vor Ort sind

und von einem Luftangriff getroffen werden können, und

so lange objektiv irgendein Zweifel daran besteht, ob

Zivilpersonen von einem Angriff in Mitleidenschaft ge-

zogen werden können, ist grundsätzlich jeder Angriff zu

unterlassen.

Nach Artikel 57 Absatz 2 a) (1) ZP I sind Vorsichtsmaß-

nahmen zu treffen:

a) Wer einen Angriff plant oder beschließt,

(i) hat alles praktisch Mögliche zu tun, um
sicherzugehen, dass die Angriffsziele we-

der Zivilpersonen noch zivile Objekte sind

und nicht unter besonderem Schutz ste-

hen, sondern militärische Ziele im Sinne

des Artikels 52 Absatz 2 sind und dass der

Angriff nicht nach diesem Protokoll ver-

boten ist; (…).2250

Das humanitäre Völkerrecht gibt damit spezifische Auf-

klärungspflichten vor. Oberst Klein, aber auch alle ande-

ren in der Operationszentrale der Task Force 47 anwesen-

den Personen, hätten demnach „alles praktisch Mögliche
tun“ müssen („do everything feasible“), um sicherzustel-
len, dass tatsächlich keine Zivilpersonen vor Ort waren

und undifferenziert durch einen Luftangriff hätten verletzt

oder getötet werden können. Gemäß Artikel 57 Ab-

satz 2 a) (iii) ZP I ist
2249) Vgl. Artikel 50 ZP I.

2250) In der völkerrechtlich verbindlichen englischen Version lautet
diese Vorschrift: „a) those who plan or decide upon an attack
shall: (i) do everything feasible to verify that the objectives to be

attacked are neither civilians nor civilian objects and are not sub-
ject to special protection but are military objectives within the

meaning of paragraph 2 of Article 52 and that it is not prohibited

by the provisions of this Protocol to attack them; (…)”.

von jedem Angriff Abstand zu nehmen, bei dem

damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste unter

der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivil-

personen (…) oder mehrere derartige Folgen zu-
sammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum

erwarteten konkreten und unmittelbaren militäri-

schen Vorteil stehen.
2251

Das Spektrum des „praktisch Möglichen“ zur Aufklärung,
ob sich Zvilisten vor Ort befanden oder nicht, war vor

dem Luftangriff vom 04.09.2009 längst noch nicht ausge-

schöpft worden:

aaa) Differenzierte Fragen an den Informanten

Geboten war es zunächst, sicherzustellen, dass präzise

Fragen an den Informanten gerichtet wurden, um aussa-

gekräftige und überprüfbare Antworten von diesem zu

erhalten, die über die Aussagen hinausgingen:

„Dort sind nur Aufständische, keine Zivilisten.“2252
(Oberst Klein)

„Es sind nur Taliban vor Ort.“2253 (Zeuge Haupt-
mann N., CJ2X der Task Force 47)

„(…), es sind keine Zivilisten vor Ort.“2254 (Zeu-
gen Hauptfeldwebel S. und Oberfeldwebel F.,

HUMINT-Kollektoren der Task Force 47)

„Das sind alles schuldige Menschen; unschuldige
sind keine dabei.“2255 (Zeuge M. M., Sprachmittler
der Task Force 47)

Oberst Klein räumte gegenüber der Bundesanwaltschaft

ein, er

„selbst habe nur von Insurgents, also Aufständi-
schen, gesprochen“

und sich darauf beschränkt, den J2X der Task Force 47,

Hauptmann N., zu bitten,

„danach zu fragen, ob sich ausschließlich Aufstän-
dische bei den Tanklastern aufhielten.“

Was der J2X Hauptmann N. und der Sprachmittler mit

dem Informanten im Einzelnen besprochen hatten, wisse

er nicht, er habe weder daneben gestanden, noch sei er in

den Meldeprozess eingebunden gewesen. Hauptmann N.

habe ihm jedes Mal mitgeteilt, der Informant habe von

„Taliban“ gesprochen. „Dadurch“ sei für ihn „klar“ gewe-
sen, dass sich nach Meldung der Quelle ausschließlich
2251) In der amtlichen englischsprachigen Version: „[to] refrain from

deciding to launch any attack which may be expected to cause in-

cidental loss of civilian life, injury to civilians (…) which would
be excessive in relation to the concrete and direct military advan-
tage anticipated”.

2252) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.

2253) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 68.
2254) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50; F., Protokoll-Nr. 35, Teil II,

S. 9.

2255) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 2.

Drucksache 17/7400 – 340 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Aufständische und keine Zivilisten bei den Tanklastern

aufhielten.“2256

(1) Erkennbarkeit von Zivilpersonen

Die im Untersuchungsausschuss als Zeugen vernomme-

nen Angehörigen der Bundeswehr und des Bundesvertei-

digungsministeriums verwiesen sämtlich darauf, eine

visuelle Unterscheidung zwischen Zivilpersonen und

Aufständischen sei im Regelfall kaum möglich gewesen,

weil die Aufständischen nicht uniformiert, sondern lan-

destypisch gekleidet seien. Dennoch unternahmen die

Personen im Bereich der Operationszentrale der

Task Force 47 vor dem Luftangriff nach ihren eigenen

Aussagen keinerlei Versuch, den Informanten zu bewe-

gen, seine Behauptung, „alle“ Personen im Bereich der
Sandbank seien „Taliban“ bzw. „Schuldige“, und „Zivilis-
ten“ oder „Unschuldige“ seien nicht vor Ort, zu begrün-
den. Ebenso wenig wurde der Informant aufgefordert,

seine Angaben mit Detailinformationen zu unterlegen, die

es den Bundeswehrangehörigen in der Operationszentrale

ermöglicht hätten, diese Behauptung nachzuvollziehen

oder qualifiziert zu hinterfragen.

Der Informant wurde nicht gefragt, worauf er seine Ein-

schätzung stütze. Er wurde nicht danach gefragt, woher er

seine vermeintliche Kenntnis habe, es seien keine Zivilis-

ten und nur Aufständische vor Ort und welche Kriterien

er selbst angelegt habe, um – zumal in einer großen Men-
schenansammlung, in der Dunkelheit der Nacht – Zivilis-
ten von Talibankämpfern zu unterscheiden. Offensichtlich

wurde noch nicht einmal versucht, festzustellen, wie der

Informant die Begriffe Taliban und Zivilisten definierte,

ob er zwischen Talibankämpfern, deren Sympathisanten

und gelegentlich mitkämpfenden Zivilisten differenzierte

und wodurch sich „schuldige“ bzw. „unschuldige“ Men-
schen auszeichneten. Der letztgenannte Aspekt war des-

halb besonders bedeutsam, weil die Beteiligung am Raub

von Tanklastwagen und das Abzapfen des Kraftstoffs

(nach deutschem Strafrecht jedenfalls: Hehlerei) selbst-

verständlich nach islamischem Recht verboten war. Straf-

rechtliche „Schuld“ in diesem Sinne allein machte die
Personen auf der Sandbank aber noch nicht zu Kämpfern,

gegen die nach dem humanitären Völkerrecht militärisch

vorgegangen werden durfte. Interessant vor diesem Hin-

tergrund ist insbesondere die Aussage des JTAC Haupt-

feldwebel W. im Untersuchungsausschuss, der davon

sprach, von dem Informanten sei „bestätigt“ worden, es
seien „keine allgemein unbeteiligten“ Personen vor
Ort.

2257
(2) Standort des Informanten

Ebenfalls nicht allen Personen in der Operationszentrale

bekannt war, dass der Informant nicht etwa kontinuierli-

chen Sichtkontakt zu den Tanklastern oder den Vorgän-
2256) Mat. 17-66, Beschuldigtenvernehmung Oberst Klein vom

25.03.2010, Bl. 11, Tgb.-Nr. 80/10.

2257) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 48; vgl. oben S. 55 (Teil 2,

B.III.4.c) aa)).

gen auf der Sandbank hatte. Bezeichnend in diesem Zu-

sammenhang ist wiederum, dass Oberst Klein selbst nach

eigenen Angaben bis zum Schluss fälschlich davon aus-

ging, der Informant befinde sich auf der Sandbank, wäh-

rend der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., sogar

einräumte, dass insoweit ein unzutreffender Eindruck

entstanden war, der erst nach und nach ausgeräumt wur-

de.
2258

Unterstellt man, dass diese beiden Zeugen im Untersu-

chungsausschuss wahrheitsgemäß ausgesagt haben, bleibt

festzuhalten, dass Oberst Klein offenkundig nicht darauf

gedrungen hat, über den Standort des Informanten auf

dem Laufenden gehalten zu werden – und der J2X der
Task Force 47, Hauptmann N., die Zuverlässigkeit seines

Informanten selbst dann nicht qualifiziert hinterfragt und

angemessen reagiert hat,
2259

als klar war, dass dieser über

seinen Standort zunächst falsche Angaben gemacht hatte.

Von Oberst Klein und den Angehörigen der

Task Force 47 ist nicht kontinuierlich nachvollzogen

worden, wo der Informant sich aufhielt und woher seine

vermeintlichen Kenntnisse resultierten – und schon gar
nicht, inwieweit er über eigene Wahrnehmungen berichte-

te oder etwas schilderte, was er (vorgeblich) von weiteren

Personen erfahren hatte.

(3) Identität der Kontaktpersonen des Infor-
manten

Keinerlei Erkenntnisse besaßen Oberst Klein und die

Angehörigen der Task Force 47 darüber, wer die Kon-

taktpersonen waren, auf die der Informant sich stützte und

welche Interessen diese verfolgten. Auch der Informant

wurde dazu nicht befragt.

(4) Tragen von Waffen

Zweifel bestehen daran, ob Oberst Klein und die ihn un-

terstützenden Personen in der Operationszentrale der

Task Force 47 alles Erforderliche getan haben, um fest-

zustellen, ob tatsächlich alle Personen auf der Sandbank

Waffen trugen bzw. wie groß der Anteil waffentragender

Person an der Anzahl der Personen auf der Sandbank

insgesamt war.

Das Waffentragen wurde vielfach als Indiz dafür gewer-

tet, ob jemand den Aufständischen zuzurechnen sei oder

nicht. Nach den Beweisergebnissen des Untersuchungs-

ausschusses stellt sich der Umgang mindestens einzelner

Personen, die sich in der Nacht des 03./04.09.2009 in der

Operationszentrale der Task Force 47 aufhielten, mit der

Frage von Anhaltspunkten für das Waffentragen der Men-

schen auf der Sandbank – oder jedenfalls der überwiegen-
den Zahl dieser Menschen – als gewagt dar.

Ein wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass der JTAC,

Hauptfeldwebel W., behauptete, er habe auf den von dem

B1-Bomber in die Operationszentrale übertragenen Bil-
2258) Vgl. oben S. 51 f. (Teil 2, B.III.3.d)).

2259) Vgl. auch S. 343 (Teil 4, B.II.2.a)bb)bbb)).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 341 – Drucksache 17/7400

dern Waffen bei den Menschen auf der Sandbank erken-

nen können und die Besatzungsmitglieder des B1-

Bombers hätten ihm dies ebenfalls bestätigt:

„Mit der B-1 habe ich Waffen vermutet, die mir
durch den Piloten bestätigt wurden. So ist meine

Erinnerung daran. Zu welchem Zeitpunkt und wie

genau der Wortlaut war, kann ich Ihnen nicht sa-

gen.“2260

„Ich glaube, mich so daran erinnern zu können,
dass diese Information durch die B-1 bestätigt

wurde, ja.
“2261

Der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., unterstützte

diese Behauptung, als er schilderte,

„Ich kann Ihnen jetzt allerdings nicht genau sagen,
ob mir das vom JTAC so weiter zugetragen wor-

den ist oder ob ich das über Funk mitbekommen

habe, dass sie es direkt gesagt haben. Es wurde uns

aber auf jeden Fall gesagt – auch dem Oberst –,
dass durch das Aufklärungsasset diese Waffen ent-

sprechend identifiziert worden sind. Und es war

die Rede von RPGs und Langwaffen, also AKs,

was in dem Bereich normalerweise üblich ist.“2262

und noch ergänzte:

„Die B-1B-Bomber-Piloten haben die Leute ent-
sprechend als INS,

2263
als Insurgenten, klas-

sifiziert.“2264

Dem Untersuchungsausschuss lagen weitere Beweismittel

vor, die es den Ausschussmitgliedern ermöglichten, sich

selbst einen Eindruck über diese angeblichen Meldungen

der B1-Besatzungsmitglieder zu verschaffen, unter ande-

rem deren Angaben gegenüber dem ISAF-Joint Investiga-

tion Board
2265

. Diese Erkenntnisse tragen die Aussagen

der hier erwähnten Bundeswehrsoldaten über derartige

Äußerungen der B1-Besatzungsmitglieder nicht.

Dem Untersuchungsausschuss lagen neben den Aufzeich-

nungen der F15-Bomber und den im COM ISAF-Bericht

zusammengefassten Interviews der B1-

Besatzungsmitglieder auch die von den B1-Bombern in

der Nacht des 03./04.09.2009 aufgezeichneten und in die

Operationszentrale übertragenen Videoaufnahmen von

der Sandbank vor.
2266

Diese aus einigen tausend Metern

Höhe aufgezeichneten Bilder sind nicht im entferntesten

detailliert genug, um darauf erkennen zu können, was

irgendeine Person am Boden mit sich herumtrug. Die

Menschen selbst sind nur als winzige amorphe Punkte zu

erkennen, die so verschwommen sind, dass überwiegend

noch nicht einmal festgestellt werden kann, wie viele

Personen sich an der gleichen Stelle aufhielten.
2260) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 33.

2261) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 33.
2262) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 64.

2263) INS (Insurgents) = Aufständische.

2264) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 84.
2265) Mat. 17-10/10a, Anhang F, Anlage 23, Punkt 9, 10, 18, 31, 38,

40, 45, 48, 53.

2266) Mat. 17-63; vgl. auch Fn. 2232.

Die Behauptung des JTAC, er selbst habe geglaubt, Waf-

fen bei den Personen auf der Sandbank identifizieren zu

können, wird zudem durch seine eigenen Angaben in

diesem Zusammenhang konterkariert. Wenn er schildert,

„Die Waffen wurden mir, wenn ich mich richtig
erinnere, auch von der B-1 bestätigt. Es war etwas,

wobei ich nicht sagen kann, welcher Art Fahrzeug,

oder war es nur ein Karren oder was. Das konnte

ich von den Lichtverhältnissen her nicht einschät-

zen.

Wenn man auf das Bild schaute, stand vor dem

linken Fahrzeug noch irgendwas davor...“2267

offenbart er damit, dass sogar Fahrzeuge auf der Sand-

bank in diesen Videoaufzeichnungen nur schemenhaft zu

erkennen sind. Wie er angesichts dessen von den Perso-

nen getragene Waffen hätte erkennen wollen, die um ein

Vielfaches kleiner sind als Fahrzeuge, bleibt zumindest

rätselhaft.

Ebenso rätsel- bzw. zweifelhaft ist aber, wie es Oberst

Klein in der Nacht des 03./04.09.2009 gelingen konnte,

seine im Untersuchungsausschuss getätigte Aussage,

„Sie können nicht zwischen Zivilisten und Taliban
unterscheiden, (…). Auch in dieser Nacht haben
sie die Waffen gehabt, haben sie teilweise wieder

zur Seite gelegt. Ich ging davon aus, dass alle Per-

sonen, die sich zu diesem Zeitpunkt um die Tank-

lastzüge befanden, Teil der Operation der Aufstän-

dischen waren (…).“2268

zu verifizieren. Dass er in jener Nacht in der Operations-

zentrale hätte erkennen können, wie irgendeine Person im

Bereich der Sandbank ihre Waffe „gehabt“ und „wieder
zur Seite gelegt“ habe, widerspricht nicht nur seinen sons-
tigen Angaben darüber, was er selbst auf der Sandbank zu

erkennen vermochte, sondern ist schlicht unrealistisch.

Die blumige Schilderung von Oberst Klein offenbart

insoweit ein etwas angespanntes Verhältnis zur Wahr-

heitspflicht, unter der er als Zeuge im Untersuchungsaus-

schuss stand. Insgesamt lassen die dargelegten Erkenn-

tnisse des Untersuchungsausschusses es jedenfalls als

fraglich erscheinen, ob die zitierten Zeugen, allen voran

Oberst Klein, in der Nacht des 03./04.09.2009 ihre Ver-

pflichtung, alles zu tun, um sicherzustellen, dass keine

Zivilpersonen durch einen Angriff zu schaden kommen

würden, ernster genommen haben, als ihre Zeugenpflich-

ten.

Es steht zu befürchten, dass auch die Befragung des In-

formanten dazu, wie viele Personen auf der Sandbank

tatsächlich Waffen trugen – oder woraus sich gegebenen-
falls ergeben hätte, dass Personen ohne Waffen ebenfalls

Aufständische gewesen seien –, differenzierter hätte er-
folgen können.
2267) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 31.

2268) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.

Drucksache 17/7400 – 342 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
(5) Schicksal der Fahrer

Dezidierte Nachfragen wären geboten gewesen in Hinb-

lick auf die Anwesenheit der Fahrer der Tanklastwagen.

Die im Untersuchungsausschuss befragten Zeugen
2269

machten widersprüchliche Angaben dazu, ob der Infor-

mant nach dem Schicksal der Fahrer gefragt worden sei

oder welche Auskunft er hierzu gegeben habe.

Der Sprachmittler der Task Force 47 gab im Untersu-

chungsausschuss an, ihm sei von dem Informanten gesagt

worden, einer der beiden Fahrer sei erschossen wor-

den.
2270

Diese Aussage begegnet insoweit Zweifeln, als

der Zeuge A. M., der überlebende Fahrer des zweiten

Lastwagens, im Untersuchungsausschuss relativ detailliert

geschildert hat, dass sein Kollege erst durch den Bomben-

abwurf getötet worden sei,
2271

und dies hatte auch eine

afghanische Untersuchungskommission in ihrem Bericht

für Präsident Karzai festgestellt
2272

. Jedenfalls lagen dem

Sprachmittler nach seiner eigenen Aussage aber – da es
zwei Lastwagen gab – Anhaltspunkte dafür vor, der zwei-
te Fahrer könne noch am Leben sein.

Die Angaben der beiden Mitglieder des Field HUMINT

Team (FHT) der Task Force 47, deren Aufgabe es war,

die Informationen, die der Sprachmittler von dem Infor-

manten erhielt, an den J2X der Task Force 47 zu übermit-

teln, stehen aus gegenläufiger Perspektive in Widerspruch

zu den Darlegungen des Sprachmittlers: Beide bekunde-

ten, vom Sprachmittler über das Schicksal der Fahrer

nichts erfahren zu haben. Während der Zeuge Oberfeld-

webel F. allerdings aussagte, er habe gar nicht erst nach

dem Verbleib der Fahrer gefragt
2273

und daher darüber

auch nichts erfahren, zudem sei er aus der Operations-

zentrale auch nicht aufgefordert worden, nach den Fah-

rern zu fragen,
2274

schilderte sein Kollege, Hauptfeldwe-

bel S., das Field HUMINT Team („wir“) habe den Infor-
manten über den Sprachmittler gefragt, was mit den Fah-

rern geschehen sei, darüber aber keine Information erhal-

ten.
2275

Das nächste Glied in der Nachrichtenkette zwischen

Oberst Klein und dem Informanten, der mit dem Sprach-
2269) Die Angaben des JTAC Hauptfeldwebel W. in diesem Zusam-

menhang werden hier nicht verwertet, da sie unergiebig waren. Es

muss allerdings kurz festgehalten werden, dass die Aufarbeitung

im FeststellungsTeil Insoweit einen wesentlichen Aspekt nicht
erwähnt. Dort – S. 55 (Teil 2, B.III.4.c)aa)) – wird aus der Ver-
nehmung des Zeugen W. zitiert wie folgt: „Es wurde gesagt: ‚Es
gibt keine Information„, wenn ich mich richtig erinnere. Es kann
aber genauso gesagt worden sein: ‚Die sind nicht mehr dabei„ –
(…)“. Die Variante, „Die sind nicht mehr dabei“, hatte der Zeuge
allerdings erst auf gezielte Nachfrage hin genannt, nachdem ihm
genau diese Formulierung als Antwortalternative vorgegeben

worden war: „Wurde gesagt: ‚Es gibt keine Information„, oder
wurde gesagt: ‚Die sind nicht dabei„?“. Von sich aus hatte der
Zeuge aber zunächst geschildert: „Ich fragte: Haben wir eine In-
formation über die Kraftfahrer? Mir gegenüber wurde dann geäu-

ßert: Nein.“ (alle Zitate: Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 48).
2270) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 4.

2271) Vgl. S. 87 (Teil 2, B.V.7.d)).

2272) Dokument 53, Bl. 7.
2273) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 5.

2274) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 19.

2275) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 41, 45.

mittler der Task Force 47 telefonierte, war der J2X der

Task Force 47, Hauptmann N. Abweichend von den gera-

de wiedergegebenen Aussagen der Mitglieder des Field

HUMINT Team, deren unmittelbarer Ansprechpartner er

in der Nacht des 03./04.09.2009 gewesen war, erklärte

dieser Zeuge im Untersuchungsausschuss, er meine, er-

fahren zu haben, der Informant habe berichtet, die Fahrer

seien „nicht mehr im Spiel (…) also wohl umgebracht
worden“; er könne aber nicht ausschließen, dass seine
Erinnerung inzwischen auch durch Medienberichte be-

einflusst sei.
2276

Ob Oberst Klein ihn gebeten habe, den

Informanten nach den Fahrern zu fragen, konnte er nicht

sagen.
2277

Oberst Klein schließlich bekundete im Untersuchungsaus-

schuss, er habe über das Schicksal der Fahrer nichts ge-

wusst.
2278

Die Angaben dieser Zeugen lassen daran zweifeln, dass

der Frage, ob die Lastwagenfahrer auf der Sandbank an-

wesend waren und durch einen Luftangriff hätten gefähr-

det werden können, in der Operationszentrale irgend eine

Bedeutung zugemessen wurde – oder ob sie überhaupt
zum Thema geworden war.

Relativ deutlich erschließt sich aus allen Aussagen, dass

keine andeutungsweise validen Informationen zu diesem

Aspekt vorhanden waren und offenbar auch keine

ernsthaften Anstrengungen entfaltet wurden, von dem

Informanten Näheres über das Schicksal der Fahrer zu

erfahren, um sicherzustellen, dass von einem Luftangriff

keine Zivilisten betroffen sein würden. Dies wiegt auch

insoweit doppelt schwer, als die Piloten der F15-Bomber

in der Operationszentrale der Task Force 47 ausdrücklich

nachgefragt hatten, was aus den Fahrern der Tanklaster

geworden sei.
2279

(6) Anwesenheit von Kindern

Dringend angezeigt gewesen wäre es, den Informanten

gezielt nach der Anwesenheit von Kindern im Bereich der

Sandbank zu befragen. Angesichts der Größenunterschie-

de zwischen Kindern und Erwachsenen und der Tatsache,

dass die Bewegungsmuster von Kindern sich meist grund-

legend von denen Erwachsener unterscheiden, hätte es für

den Informanten vor Ort leicht sein müssen, hier eine

Unterscheidung zu treffen.

Die Frage der Anwesenheit von Kindern auf der Sand-

bank war von großer Relevanz, denn das humanitäre

Völkerrecht schützt Kinder besonders.
2280

Kinder unter 15

Jahren dürfen keine „Kombattanten“ sein und sind des-
halb vom Grundsatz her keine legitimen militärischen

Ziele.

Die Angaben der im Untersuchungsausschuss dazu ver-

nommenen Zeugen, welche Informationen von dem Kon-
2276) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 62, 75.

2277) N., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 85.
2278) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.

2279) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.

2280) Vgl. z. B. Artikel 77 ZP I, Artikel 4 Abs. 3 c) und d) ZP II.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 343 – Drucksache 17/7400

takt der Task Force 47 bezüglich der Anwesenheit von

Kindern erlangt bzw. bei diesem abgefragt wurden, wi-

dersprechen sich wiederum.

Der Zeuge Hauptfeldwebel S., einer der beiden Angehöri-

gen des Field HUMINT Team der Task Force 47 behaup-

tete, bei dem Informanten der Task Force 47 sei „auch
direkt nachgefragt [worden], ob dort Frauen und Kinder

vor Ort“ seien, der Kontakt habe dies verneint.2281 Das
zweite Mitglied des Field HUMINT Team, Oberfeldwe-

bel F., wich als Zeuge im Untersuchungsausschuss jedoch

mehrmals der direkten Frage aus, ob der Informant nach

Kindern gefragt worden sei und entgegnete nur, der Kon-

takt habe gesagt: „keine Zivilisten“.2282

Der Ansprechpartner der Mitglieder des Field HUMINT

Team in der Operationszentrale der Task Force 47, der

J2X Hauptmann N., äußerte im Untersuchungsausschuss,

nach Kindern sei der Informant nach seiner Kenntnis

nicht explizit gefragt worden.
2283

Oberst Klein erklärte nur, die Anwesenheit von Kindern

habe er für nicht möglich gehalten und aufgrund seiner

„Erfahrung“ die Anwesenheit von Frauen vor Ort für
„ausgeschlossen“.2284 Worauf sich diese Überzeugung in
Hinblick auf die Abwesenheit von Kindern begründete,

erläuterte er nicht.

Unabhängig davon, wie präzise der Informant von den

Angehörigen des Field HUMINT Team möglicherweise

tatsächlich nach der Anwesenheit von Kindern auf der

Sandbank gefragt worden sein sollte: Die Aussagen der

Zeugen im Untersuchungsausschuss, insbesondere die

Angaben von Hauptmann N. und Oberst Klein, verdeutli-

chen, dass weder Oberst Klein selbst noch Hauptmann N.

darauf gedrungen haben, von dem Kontakt der

Task Force 47 belastbare Informationen über die Anwe-

senheit von Kindern vor Ort zu erhalten. Offenkundig

haben sie den Mitarbeitern des Field HUMINT Team

nicht den Auftrag erteilt, den Informanten auch nur ein-

mal ausdrücklich danach zu fragen, ob er irgendeinen

Anhaltspunkt dafür habe, dass sich im Bereich der Sand-

bank Kinder befinden könnten.

(7) Unzulängliche Erkundigungen beim Infor-
manten

Die dargestellten differenzierten Nachfragen an den In-

formanten drängten sich geradezu auf. Und dennoch hat

Oberst Klein all diese Fragen in der Nacht des

03./04.09.2009 offensichtlich nicht gestellt. Seine (völker-

rechtliche) Pflicht als Kommandeur, der einen Luftangriff

anordnen wollte, wäre es aber gewesen, sich alle verfüg-

baren Informationen zu verschaffen. Hierzu wäre ihm

auch zuzumuten gewesen, sich selbst zu dem Sprachmitt-

ler der Task Force 47 zu bewegen und diesem zielführen-

de Fragen an den Informanten vorzugeben – oder (was
nach den ISAF-Einsatzregeln ohnehin geboten gewesen
2281) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 50.
2282) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 2, 5.

2283) N., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 68.

2284) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.

wäre
2285

) auf die Anforderung eines Luftschlags zu ver-

zichten. Die statusorientierte Argumentation von Oberst

Klein,

„Es ist völlig undenkbar, dass ein Führer unmittel-
bar mit der Quelle spricht. Es gibt Stufen, die im-

mer dazwischengeschaltet sind. Deswegen ist mir

sowohl die Identität des Dolmetschers als auch die

der Quelle nicht bekannt.“2286

ist angesichts der mangelnden Differenziertheit der von

den Mitarbeitern der Task Force 47 gelieferten Erkenn-

tnisse zum Geschehen jedenfalls nicht akzeptabel. Den

Vorgaben des Artikel 57 Absatz 2 a) (i) ZP I genügte das

Verhalten von Oberst Klein nicht.

bbb) Nutzung weiterer erreichbarer Er-
kenntnismöglichkeiten

Geboten gewesen wäre es darüber hinaus, neben präzise-

ren Fragen an den einzigen kontaktierten Informanten,

weitere bereits vorhandene Erkenntnismöglichkeiten zu

nutzen und sich neue zu erschließen.

Über die „allgemeine“ völkerrechtliche Pflicht zur Auf-
klärung hinaus, gab es sogar noch einen spezifischen

Grund, nicht allein auf die Kontaktperson der

Task Force 47 zu setzen, sondern ergänzend weitere In-

formanten und andere Erkenntnisquellen heranzuziehen:

Der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., hat nämlich

im Untersuchungsausschuss geschildert, er habe den In-

formanten der Task Force 47 in der Nacht des

03./04.09.2009 primär deshalb eingebunden, um dessen

Zuverlässigkeit zu testen:

„Ich wollte das Ganze nutzen, um die Glaubwür-
digkeit meines Kontaktes in Bezug auf andere

Dinge, die er uns schon gemeldet hatte, noch mal

zu verifizieren, und gucken, ob er wirklich so gut

arbeitet, wie es die ganze Zeit vorher schon den

Anschein gehabt hatte.

Als Oberst Klein diesen Vorschlag aufgegriffen

hatte, dass man diese Tanklaster findet, habe ich

drüben bei uns in Masar-i-Scharif angerufen, bei

meiner vorgesetzten Dienststelle, und habe dem

dortigen J2 (…) gesagt: Wir haben eine Möglich-
keit, (…) die Informationen zu überprüfen, die uns
der Kontakt gegeben hat, und gleichzeitig im

Rahmen der Force Protection das PRT zu unters-

tützen, diese Laster zu finden. Er hat mir das Go

gegeben, diese ganze Sache zu machen, und hat

dann eben auch gewusst, dass wir, so wir die fin-

den, dann diese ganze Geschichte entsprechend

wieder zurück ans PRT übergeben.“2287

Hauptmann N. selbst war aufgrund dessen – mindestens –
in der Pflicht, den PRT-Kommandeur, der einen Luftang-

riff auf die Sandbank in Erwägung zog, ausdrücklich
2285) Vgl. oben S. 331 f. (Teil 4, B.II.1.).

2286) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.

2287) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.

Drucksache 17/7400 – 344 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
darüber in Kenntnis zu setzen, dass er selbst seinen In-

formanten noch nicht für eine hinreichend valide Quelle

hielt, um sich allein auf diesen zu verlassen, und sicher-

zustellen, dass weitere Erkenntnismöglichkeiten genutzt

wurden.

Zugunsten von Oberst Klein wird hier unterstellt, dass

ihm das Vorhaben des J2X der Task Force 47 vor dem

Bombenangriff nicht bekannt gewesen war. Auch dies

enthob ihn allerdings nicht der Verpflichtung, im Sinne

von Artikel 57 Absatz 2 a) (1) ZP I „alles praktisch Mög-
liche zu tun, um sicherzugehen, dass die Angriffsziele

keine Zivilpersonen sind“. Ganz unabhängig von dem nur
als zynisch zu bezeichnenden Verhalten des J2X der

Task Force 47 war Oberst Klein daher gehalten, sich vor

der Anordnung eines Luftangriffs darum zu bemühen,

ergänzende Informationen aus weiteren Quellen zu erhal-

ten.

Neben der Hinzuziehung anderer Informanten kamen

hierfür insbesondere Mittel zur präziseren Luftaufklärung

in Betracht.

(1) Weitere Informanten

Nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses

hat Oberst Klein nicht versucht, die Angaben des Infor-

manten der Task Force 47 – der sich soweit feststellbar
aus eigenem Antrieb bei den HUMINT-Kollektoren der

Task Force 47 gemeldet hatte – zu validieren, indem er
weitere Informanten aktivierte: Er hat nicht den ihm un-

mittelbar unterstellten J2 des PRT Kundus einbezogen,

um einen Kontakt zu – nach Angaben des J2 im Untersu-
chungsausschuss: vorhandenen und greifbaren

2288
– eige-

nen Informanten des PRT herzustellen. Er hat die Ange-

hörigen der Task Force 47 nicht aufgefordert, zumindest

zu versuchen, von weiteren Kontaktpersonen Informatio-

nen zu erhalten. Er hat auch nicht etwa die der

Task Force 47 assoziierten BND-Mitarbeiter, die sich ab

23 Uhr in ihrem Unterkunftszelt aufgehalten haben sollen,

herbeirufen lassen, um herauszufinden, ob diese Quellen

besaßen, mit deren Hilfe sie ergänzende Erkenntnisse

hätten beisteuern können.

(2) Weitere Mittel der Luftaufklärung

(a) Drohne

Inakzeptabel ist auch die von Oberst Klein gelieferte

Begründung, er habe die Drohnen des PRT zur weiteren

Aufklärung der Vorgänge auf der Sandbank nicht einset-

zen können, da dies einen zeitlichen Vorlauf von etwa

einer Stunde erfordert haben würde und er das für den

Drohneneinsatz benötigte Personal für Einsätze am näch-

sten Tag habe schonen wollen.
2289

Oberst Klein durfte

nicht das Risiko hinnehmen, durch einen Luftangriff nach

nicht hinreichender Aufklärung den Tod einer unbekann-

ten Zahl von Zivilisten zu verursachen – und das, um die
2288) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 65.

2289) Vgl. Teil 2, B.III.5.c); Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 13.

Nachtruhe seiner Drohnenpiloten nicht zu beeinträchti-

gen. Wollte er den Drohnenpiloten ermöglichen, ungestört

durchzuschlafen, hätte er auf die Ausführung des auf

ungeklärter Tatsachengrundlage basierenden Luftangriffs

verzichten müssen.

Denn nach den Vorgaben des Völkerrechts („do every-
thing feasible“, Artikel 57 Absatz 2 a) (1) ZP I) war
Oberst Klein verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu nut-

zen, um sicherzustellen, dass durch sein militärisches

Vorgehen nicht unbeabsichtigt Zivilisten beeinträchtigt

würden. Eine Drohne des PRT hätte in geringer Höhe die

Sandbank und deren Umgebung überfliegen und dabei

Videoaufnahmen an das PRT senden können. Diese Vi-

deoaufnahmen hätten einen besseren Einblick in die Vor-

gänge auf der Sandbank und die Aktivitäten der dort be-

findlichen Personen ermöglicht, als die Videos, die von

den Bomberbesatzungen aufgezeichnet und gesendet

wurden, denn eine Drohne hätte die Sandbank ohne Ge-

fährdung in wesentlich geringerer Höhe überfliegen kön-

nen als die Bomber.

(b) ISR

Zudem – ggf. sogar alternativ zu einem Einsatz einer
Drohne des PRT – hätte Oberst Klein auf die Unterstüt-
zung durch ein weiteres ISAF-Überwachungsmittel zu-

rückgreifen können: ein im Luftraum befindliches Aufklä-

rungsflugzeug. Denn Besatzungsmitglieder der F15-

Bomber hatten dies vorgeschlagen. In den von ihren

Bordkameras übertragenen Vorgängen auf der Sandbank

vermochten sie den vom JTAC im PRT Kundus behaup-

teten „imminent threat“ einfach nicht zu erkennen und
äußerten sich angesichts dessen sehr besorgt darüber, auf

welche Einsatzregel ein Luftangriff gestützt werden soll-

te:

[F-15E-1 an F-15E-2:] „(…) I don‟t know how
we‟d be able to drop anything on that as far as cur-
rent ROE and stuff like that”2290

[F-15E-1 inter-cockpit:] „I mean I don‟t know if
we can drop on this, you know what I mean?”2291

[F-15E-1 inter-cockpit:] „I don‟t know if it‟s a TIC
or where the friendlies are at”2292

[F-15E-1 inter-cockpit:] „but there‟s none like
imminent threat or any of that”2293

[F-15E-1 an F-15E-2:] „alright just thinking about
this right now, we‟ve got 50 to 100 people down
there all claiming to be insurgents but err I‟m not
seeing any imminent threat. I don‟t know what you
guys think should we try to work a dynamic or any

type of other targeting?”2294

[F-15E-1 an F-15E-2:] „yeah I‟m really looking to
find out status of the people inside and then what‟s
2290) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.

2291) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
2292) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.

2293) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.

2294) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 345 – Drucksache 17/7400

inside the trucks. And then if we can show of

force, scatter the people and then blow up the

trucks

[F-15E-1 inter-cockpit:] well we couldn‟t drop on
the trucks that would have to work as well, it‟s not
an imminent threat”2295

[F-15E-1 inter-cockpit:] „(…) this is kind of hairy
man”2296

[F-15E-1 an JTAC:] „(…) just confirm those guys,
those guys are hostile?”2297

[F-15E-1 inter-cockpit:] „shall we ask if that is an
imminent threat?”2298

[F-15E-2 an F-15E-1:] „(…) something doesn‟t
feel right but I can‟t put my thumb on it”2299

[F-15E-2 an F-15E-1:] „confirm you‟re saying it‟s
not imminent threat, even though the JTAC‟s said
it was”2300

[F-15E-1 an JTAC:] „(…) we‟re just working with
some ROE issues, what I was saying if we get low

do a show of force we can put (…; geschwärzt) on
each vehicle and take and disable those ve-

hicles“.2301

Die hochgradig verunsicherten Piloten boten dem JTAC –
der ihre Vorschläge, eine show of force durchzuführen,

nicht akzeptierte – vor dem Luftangriff über Funk die
Unterstützung eines in der Nähe befindlichen sog. ISR an.

ISR steht für Intelligence, Surveillance, Reconnaissance

und meinte in dieser Situation ein Aufklärungsflugzeug.

Die F15-Besatzung legte dem JTAC nahe, auf die Über-

wachungstechnik dieses ISR-Mittels zurückzugreifen, um

den Soldaten im PRT eine präzisere Einschätzung der

Situation auf der Sandbank zu ermöglichen:

„yeah we have an (…; geschwärzt) [ISR] that‟s en
route maybe you can utilize his sensors”

„there is a (…; geschwärzt) [ISR] en route at (…;
geschwärzt) for your SA

2302”

„(…) they‟re sending him en route so he can help
out, just letting you know”2303.

Der JTAC nahm dieses Angebot, mittels eines Aufklä-

rungsflugzeugs weitere Erkenntnisse über das Geschehen

auf der Sandbank zu erhalten, zur Kenntnis, ging aber

nicht darauf ein.

Keiner der im Untersuchungsausschuss vernommenen

Zeugen, die sich in der Nacht des 03./04.09.2009 im Be-

reich der Operationszentrale befanden, hat sich zu diesem
2295) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.

2296) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.

2297) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 6.
2298) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 7.

2299) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 7.

2300) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 8.
2301) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 8.

2302) SA = Situational Awareness.

2303) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 8.

Aufklärungsflugzeug geäußert. Bislang fehlt es daher an

einem Nachweis, dass Oberst Klein positive Kenntnis

davon hatte, dass diese ergänzende Aufklärungsmöglich-

keit bestand. Oberst Klein hatte Gelegenheit, den Funk-

verkehr in der Operationszentrale zu verfolgen; er zog

sich allerdings darauf zurück, er habe den Sprechfunkver-

kehr des JTAC mit den Bomberpiloten nicht „überwacht“
und auch nicht „selbst eingegriffen“.2304

Der JTAC schilderte demgegenüber,

„(…), dass Oberst Klein die Gespräche mit den
F15-Besatzungen und auch zuvor mit der B1-B-

Besatzung über Lautsprecher mithören konnte. Ge-

legentlich unterhielt er sich mit Hauptmann N.

Soweit ich es in Erinnerung habe, verließ Oberst

Klein im Laufe des Abends und der Nacht das

Zelt, in dem ich mich aufhielt, nur wenige Male

und dann auch nur für kurze Zeit. Die übrige Zeit

konnte er das Geschehen am Bildschirm mitver-

folgen und den Funkverkehr über Lautsprecher mi-

thören. (…) Ich habe in Erinnerung, dass die Pilo-
ten eine so genannte show of force, also einen tie-

fen Überflug, anboten, und zwar mehr als ein Mal.

(…) Oberst Klein hatte diese Vorschläge meiner
Meinung nach allesamt über Lautsprecher mitbe-

kommen. In Erinnerung habe ich noch, dass er

einmal zu mir schaute und mit dem Kopf schüttel-

te, woraufhin ich den Piloten ‚negativ„ melde-
te.“2305

Sollte Oberst Klein tatsächlich keine Kenntnis von der

Verfügbarkeit dieses ISR-assets gehabt haben, ist daraus

entweder zu schließen, dass er seinen JTAC nicht beauft-

ragt hatte, herauszufinden, ob weitere Aufklärungsmittel

herangezogen werden konnten, oder dass der JTAC den

Kommandeur nicht zutreffend bzw. nicht vollständig

informiert hatte. In diesem Fall wäre zu ermitteln, aus

welcher Motivation heraus.

(c) Geringere Flughöhe

Unabhängig von der Frage des Einsatzes des ISAF-ISR-

assets oder einer Drohne des PRT bestand die Möglich-

keit, die Bomberbesatzungen in geringerer Höhe fliegen

zu lassen, um bessere Bilder von den Vorgängen auf der

Sandbank zu erhalten. Selbst wenn die Bomberbesatzun-

gen, um sich selbst nicht zu gefährden, nicht auf ähnlich

niedrige Flughöhen wie beispielsweise Drohnen hätten

gehen können, wäre es angezeigt gewesen, mindestens zu

versuchen, auf diese Art aufschlussreichere Videoauf-

nahmen zu erhalten.

Ein gedachter objektiver ex ante-Beobachter würde dieses

Aufklärungsmittel genutzt haben, um sich eine Meinung

über die Anwesenheit von Zivilisten zu bilden.

Oberst Klein hingegen bemühte sich offenbar noch nicht

einmal um eine nähere Abklärung der Situation mittels
2304) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.

2305) Mat. 17-66, Beschuldigtenvernehmung Hauptfeldwebel W. durch

die Bundesanwaltschaft, Vernehmungsprotokoll Bl. 6/7.

Drucksache 17/7400 – 346 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dieser naheliegenden und unmittelbar greifbaren Aufklä-

rungsmöglichkeit. Stattdessen wies der JTAC die F15-

Besatzung an – trotzdem er selbst zwischendurch die
Qualität der übertragenen Bilder moniert hatte

2306
–, in

möglichst großer Höhe zu fliegen und sich zu verstecken:

„stay as high as possible“2307

„I want you to hide”2308.

cc) Unzulängliche Aufklärung

Oberst Klein hat sich nicht entsprechend der Vorgaben

von Artikel 57 Absatz 2 a) i) ZP I angemessen bemüht,

um festzustellen, inwieweit mit der Anwesenheit von

Zivilpersonen zu rechnen war. Bereits insoweit ist ein

Verstoß gegen zwingende völkerrechtliche Vorgaben zu

verzeichnen.

Solange und soweit die erforderlichen, „praktisch mögli-
chen“ Maßnahmen zur Aufklärung, ob sich Zivilisten am
Angriffsort befinden, nicht getroffen sind, und solange

(objektiv und ex ante) Anlass zu Zweifeln daran besteht,

dass keine Zivilisten vor Ort sind, ist – umgekehrt – da-
von auszugehen, dass Zivilisten vor Ort sind, denn Arti-

kel 50 Absatz 1 Satz 3 ZP I bestimmt:

„Im Zweifel gilt die betreffende Person als Zivil-
person.“

b) Völkerrechtliche Verpflichtung zur wirk-
samen Warnung vor einem geplanten An-
griff

Der – unter völkerrechtlichem Aspekt maßgebliche2309 –
objektive ex ante-Beobachter hätte erkannt, dass Anhalt-

spunkte dafür existierten, dass sich Zivilisten im Bereich

des vorgesehenen Angriffsortes befanden. Er hätte auf die

Durchführung eines Angriffs in dieser ungesicherten Lage

per se verzichtet, sich mindestens aber an den Vorgaben

des Artikel 57 ZP I orientiert, d.h. die danach geforderten

weiteren „Vorsichtsmaßnahmen beim Angriff“ getroffen
und alles Erforderliche getan, um einen nach Artikel 51

Absatz 4, Absatz 5 b) ZP I verbotenen unterschiedslosen

Angriff zu vermeiden.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass in der konkreten Situation

des 04.09.2009 vor einem Luftangriff, so er überhaupt

hätte durchgeführt werden dürfen, mindestens eine sog.

show of force zu fliegen gewesen wäre – ein tiefer Vor-
beiflug, der einen bevorstehenden Luftangriff ankündigt,

die vor Ort Anwesenden so warnt und insbesondere Zivil-

personen die Chance gibt, sich zu entfernen, um nicht

Opfer des Angriffs zu werden.

Artikel 57 Absatz 2 c) ZP I formuliert das wie folgt:

c) Angriffen, durch welche die Zivilbevölkerung

in Mitleidenschaft gezogen werden kann,
2306) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
2307) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 3.

2308) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 5.

2309) Vgl. S. 336 (Teil 4, B.II.2.a)aa)).

muss eine wirksame Warnung vorausgehen,

es sei denn, die gegebenen Umstände erlaub-

ten dies nicht.
2310

Entgegen dieser klaren völkerrechtlichen Vorgaben ver-

zichtete Oberst Klein auf eine show of force. Die F15-

Piloten hatten dem JTAC, Hauptfeldwebel W., fünf Mal

angeboten, vor einer Bombardierung der Tanklaster tief

zu fliegen, um die Menschen um die Tanklaster von der

Sandbank zu vertreiben.
2311

Der JTAC reagierte darauf

mit den Anweisungen, so hoch wie möglich zu fliegen

und sich zu verbergen.
2312

Das letzte Angebot der Piloten,

eine show of force zu fliegen, lehnte er ab mit den Wor-

ten:

„negative, I want you to strike directly“.2313

Dass Oberst Klein, der in der Operationszentrale die Mög-

lichkeit hatte, den Funkverkehr zu verfolgen, diesen Aus-

tausch bewusst wahrgenommen hat, hat der Untersu-

chungsausschuss nicht nachweisen können. Ungeachtet

dessen wäre es die Aufgabe des Kommandeurs gewesen,

vor Durchführung eines Luftangriffs von selbst auf die

Idee zu kommen, eine show of force fliegen zu lassen.

Und mindestens einmal leitete der JTAC die Frage der

F15-Besatzung, ob eine show of force geflogen werden

solle, an Oberst Klein weiter.
2314

Oberst Klein lehnte di-

esen Vorschlag der Piloten ab.

aa) Offensive Aufstandsbekämpfung als
Grund für den Verzicht auf eine show of
force

Im Untersuchungsausschuss begründete er das damit, eine

Warnung durch eine show of force habe er für nicht sinn-

voll gehalten. Den Personen auf der Sandbank müsse

durch den mehr als eineinhalbstündigen, nach Einschät-

zung von Oberst Klein gut hörbaren Überflug bereits

bewusst gewesen sein, dass Flugzeuge über ihnen waren.

Nach seiner bisherigen Erfahrung hätten Aufständische

bereits in anderen Fällen derartige Überflüge „nicht ernst“
genommen und auf tiefe Überflüge keine bis wenig Reak-

tion gezeigt; „die Notwendigkeit einer zusätzlichen show
of force [habe] daher nicht [bestanden]“.2315

Aus den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Be-

weismitteln erschließt sich eine andere Motivation: Oberst

Klein ging es offenkundig darum, die Aufstandsbewegung

auf offensive Weise zu bekämpfen.

Bereits in seinem am 05.09.2009 verfassten Bericht an

den Generalinspekteur meldete Oberst Klein:
2310) In der völkerrechtlich verbindlichen englischen Version lautet

diese Vorschrift: „(c) effective advance warning shall be given of
attacks which may affect the civilian population, unless circums-

tances do not permit”.
2311) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4, 5, 8, 9.

2312) Vgl. soeben Abschnitt B.II.2.a)bb)bbb)(2)(c) zu Fn. 2307 und

2308.
2313) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 9.

2314) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.

2315) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 347 – Drucksache 17/7400

„Am [04.09.2009 um 01:51 Uhr] entschloss ich
mich, zwei am Abend des 03 sep 09 (…) entführte
Tanklastwagen, sowie die an den Fahrzeugen be-

findlichen INS [Anm.: Insurgents = Aufständi-

sche] durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu

vernichten.“2316

Er habe „eine Gefahr für [seine] Soldaten frühzeitig ab-
wenden“ und „mit höchster Wahrscheinlichkeit dabei nur
Feinde des Wiederaufbaus Afghanistans (…) treffen“
wollen.

2317
Gegenüber den Mitgliedern des Untersuchungsausschus-

ses bekräftigte Oberst Klein dies in seiner Vernehmung

am 10.02.2010:

„Ich kann nur das wiederholen, was ich in meiner
ersten schriftlichen Meldung an den Generalin-

spekteur geschrieben habe, dass das Ziel die bei-

den Tanklastwagen und die sie unmittelbar umge-

benden Personen waren.“2318

und ergänzte, seine Intention sei es gewesen, die auf der

Sandbank festgefahrenen Tanklaster zu zerstören und die

dort befindlichen Personen zu töten, um die Aufständi-

schen zu schwächen:

„Durch die Zerstörung der Tanklastzüge und die
Tötung feindlicher Kämpfer, dabei vermutlich

Führer und die in der Vergangenheit als besonders

gefährlich erkannten ausländischen Kämpfer, wür-

de den Aufständischen ein schwerer Schlag ver-

setzt. Zudem rufe ich in Erinnerung, dass der stell-

vertretende Generalinspekteur, Generalleutnant

Dora, bei der Pressekonferenz am 6. November

feststellte, die Sicherheitslage habe sich in Bezug

auf sicherheitsrelevante Zwischenfälle seit dem

04.09. deutlich verbessert.“2319

Aus dem Transkript der Kommunikation zwischen den

Besatzungsmitgliedern der F15-Bomber und dem in der

Nacht des 04.09.2009 in der Operationszentrale der

Task Force 47 eingesetzten JTAC, Hauptfeldwebel W.,

ergeben sich aufschlussreiche Hinweise darauf, dass die-

ser Aspekt den Kern trifft: Die auf der Sandbank anwe-

senden Aufständischen sollten ohne Vorwarnung getrof-

fen werden. Die Soldaten in der Operationszentrale der

Task Force 47 bemühten sich sogar, sicherzustellen, dass

den Personen auf der Sandbank verborgen blieb, dass

Angriffsvorbereitungen stattfanden.

Noch bevor die F15-Bomber sich direkt über der Sand-

bank befanden, forderte der JTAC die Besatzung zwei

Mal auf, so weit oben zu fliegen, wie möglich.
2320

Die

Verwendung eines Infrarotmarkers zur Zielmarkierung
2316) Bericht an den Generalinspekteur und den Befehlshaber des

Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (Dokument 63),

S. 1.
2317) Bericht an den Generalinspekteur und den Befehlshaber des

Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (Dokument 63),

S. 2.
2318) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 26.

2319) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17/18.

2320) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 2, 3.

gestattete er mit der Begründung, er gehe nicht davon aus,

dass die Aufständischen Nachtsichtgeräte (Night Vision

Glasses, NVGs) besäßen und die Markierung bemerken

würden:

„[F-15E-1 an JTAC:] (…) confirm we can use the
IR marker on the target

[JTAC an F-15E-1:] that‟s affirmative we also can
use the IR marker on the target so we got no frien-

dlies in the vicinity of the target and I don‟t be-
lieve the insurgents got NVGs to see the IR”.2321

Dass der JTAC die wiederholten Fragen der F15-

Besatzung nach einer show of force mit den Anweisun-

gen, möglichst weit oben zu bleiben bzw. sich zu verste-

cken („I want you to hide“) beantwortet und statt dessen
gefordert hatte „I want you to strike directly“, wurde
bereits beschrieben.

2322
Es kam also offenbar darauf an, die Personen auf der

Sandbank zu treffen und es sollte verhindert werden, dass

diese realisierten, dass ein Luftangriff auf sie bevorstand.

Bereits um 1 Uhr 18, also etwa zehn Minuten nach dem

Eintreffen der F15, bezeichnete der JTAC das potentielle

Angriffsziel wie folgt:

„… vehicles and the several individuals around are
your target“2323.

Als sie den JTAC auf die „Ameisenstraße“ von der Sand-
bank zum Flussufer und die auf dem dortigen südlichen

Festland befindlichen Fahrzeuge aufmerksam machten,

hakte der JTAC sogleich bei den Besatzungsmitgliedern

der F15 nach, ob es möglich sei, auch eine Bombe auf die

„feindlichen Kräfte“ an diesem Ufer gegenüber der Sand-
bank abzuwerfen.

2324
Kurz darauf meldeten die F15-Piloten dem JTAC, dass

etwa die Hälfte der Personen auf der Sandbank nach Nor-

den (also in die den Fahrzeugen am Uferbereich entge-

gengesetzte Richtung) rannten, vermutlich zu einer dort

befindlichen Siedlung. Daraufhin erklärte der JTAC das

Ziel für zeitkritisch,

„(…) understand the target is now time sensitive
so standby just for (…; geschwärzt) on the sand-
bank“,2325

d. h. er forderte die F15-Besatzung auf, sich für einen

eiligen Luftangriff bereit zu halten.

Nur zwei Minuten später fragten die F15-Piloten noch

einmal nach, ob mit den Bomben die Fahrzeuge oder die

Menschen („pax“) auf der Sandbank getroffen werden
sollten:
2321) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.

2322) S. 346 (Teil 4, B.II.2.b)).

2323) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 4.
2324) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 6 (20 Uhr 57 Zulu-Zeit =

1 Uhr 27 Ortszeit).

2325) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 7.
Drucksache 17/7400 – 348 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
[F-15E-1 an JTAC] „(…) confirm are you trying to
take out the vehicles or are you trying to take out

the pax”,

und erhielten zur Antwort, den Bundeswehrangehörigen

komme es darauf an, die Menschen zu „vernichten“ (take
out):

[JTAC an F-15E-1] „we‟re trying to take out the
pax”.2326

Offenbar bemerkte der JTAC die wachsenden Bedenken

der F15-Besatzungsmitglieder. Gut zehn Minuten vor

Auslösung der Bomben teilte er ihnen über Funk ohne

erkennbaren Bezug mit: „so you‟ll be a hero“2327. Drei
Minuten vor Zündung der Bomben schilderte er – auf die
wiederholte drängende Nachfrage, ob die Personen auf

der Sandbank tatsächlich eine unmittelbare Bedrohung

(imminent threat) für das PRT darstellten – den vorgebli-
chen Informationsstand der Bundeswehrangehörigen mit

den Worten:

„[F-15E-1 an JTAC:] (…) confirm that err one last
time, these pax are an imminent threat?

[JTAC an F-15E-1:] yeah those pax are an immi-

nent threat, so those insurgents are trying to get all

the gasoline off the tanks and after that they will

regroup and we‟ve got intel information about cur-
rent ops

2328
so probably attacking camp Kon-

duz”.2329

Daraufhin stellten die F15-Besatzungsmitglieder ihre

Bedenken zurück und trafen die letzten Vorbereitungen

für den Luftangriff.

Nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses

gab es jedoch auf die hier vom JTAC Hauptfeldwebel W.

behauptete Sachlage – Intelligence-Informationen über
eine Neugruppierung der angeblichen Aufständischen, mit

dem Ziel, dann das PRT Kundus anzugreifen – tatsächlich
zu keiner Zeit irgendeinen Hinweis. Der JTAC täuschte

also eine Bedrohungslage vor, die niemals existierte und

niemals in Rede stand – ersichtlich, um die F15-Piloten so
dazu zu veranlassen, ohne vorherige Durchführung einer

show of force einen Luftangriff auf die Tanklaster und die

Menschen auf der Sandbank auszuführen.

Es ist schwer vorstellbar, dass der Kommandeur Oberst

Klein in den Minuten vor dem Luftangriff nicht in der

Operationszentrale war und auch von dieser Kommunika-

tion nichts mitbekommen hat. Der JTAC jedenfalls be-

hauptete gegenüber der Bundesanwaltschaft, nach seiner

Wahrnehmung habe Oberst Klein den Funkverkehr mit-

verfolgt. Die Operationszentrale habe Oberst Klein zudem

nur äußerst selten und dann immer nur für kurze Zeit

verlassen:

„Ich habe noch in Erinnerung, dass die Piloten ir-
gendwann fragten, ob eine unmittelbare Bedro-
2326) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 7.
2327) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 8.

2328) ops = operations.

2329) Funkverkehr F-15 (Dokument 60), Bl. 10.

hung vorliege. Dabei weise ich darauf hin, dass

Oberst Klein die Gespräche mit den F15-

Besatzungen und auch zuvor mit der B1-B-

Besatzung über Lautsprecher mithören konnte. Ge-

legentlich unterhielt er sich mit Hauptmann N.

Soweit ich es in Erinnerung habe, verließ Oberst

Klein im Laufe des Abends und der Nacht das

Zelt, in dem ich mich aufhielt, nur wenige Male

und dann auch nur für kurze Zeit. Die übrige Zeit

konnte er das Geschehen am Bildschirm mitver-

folgen und den Funkverkehr über Lautsprecher mi-

thören. Ich meldete den F15-Besatzungen, dass

nach Einschätzung des Kommandeurs eine unmit-

telbare Bedrohung vorliege (…). Ich habe in Erin-
nerung, dass die Piloten eine so genannte show of

force, also einen tiefen Überflug, anboten, und

zwar mehr als ein Mal. Ich weiß allerdings nicht

mehr, wie häufig die Piloten eine show of force

anboten. Oberst Klein hatte diese Vorschläge mei-

ner Meinung nach allesamt über Lautsprecher mit-

bekommen. In Erinnerung habe ich noch, dass er

einmal zu mir schaute und mit dem Kopf schüttel-

te, woraufhin ich den Piloten ‚negativ„ melde-
te.“2330

Der Gesamteindruck, der sich aus all diesen Aktivitäten

des PRT Kommandeurs Oberst Klein sowie des JTAC

Hauptfeldwebel W. ergibt, bedarf keiner langen Erläute-

rung mehr: Es kam wesentlich darauf an, die vermeintli-

chen Talibankämpfer oder Talibananführer auf der Sand-

bank zu töten. Deshalb durfte keine Person auf der Sand-

bank gewarnt und zum Verlassen des Ortes bewegt wer-

den.

Das erkannte auch die bereits erwähnte Gruppe 85 im

Bundesverteidigungsministerium, die in einem Bericht

vom 06.10.2009 festhielt:

„21 – (…)

- (…) Der Fliegerleitoffizier beantragte die aus
seiner Sicht notwendige Bewaffnung 6X GBU

38 „airburst“ und bittet Dude 15 [Anm.: Ken-
nung F15-Bomber] dabei so hoch wie möglich

zu bleiben. Aus hiesiger Sicht soll hier mögli-

cherweise das Überraschungsmoment genutzt

werden, d. h. die Insurgenten sollen bis zum

letzten Moment nicht gewarnt werden.

- Aus hiesiger Sicht ein Anzeichen, dass eine
Bekämpfung der INS (AAF) und nicht mittel-

bar der Tanklastzüge beabsichtigt war. (…)

24 – (…)

- (…) Nach hiesiger Annahme wurde durch
COM PRT eindeutig die Absicht verfolgt, ge-

gen die Personenziele vorzugehen, ein ggf.

Auseinandertreiben der Gruppierung zu ver-
2330) Mat. 17-66, Beschuldigtenvernehmung Hauptfeldwebel W. durch

die Bundesanwaltschaft, Vernehmungsprotokoll Bl. 6/7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 349 – Drucksache 17/7400

hindern (widerspricht ggf. den Vorgaben der

SPINS)“.2331

Über die Motive der Beteiligten oder den Hintergrund

dieser Operation lässt sich nach wie vor nur spekulieren –
es drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass es den

Bundeswehrangehörigen in der Operationszentrale der

Task Force 47 darauf ankam, mit militärischer Gewalt

Personen „auszuschalten“, die auf der sog. JPEL (Joint
Prioritized Effects List

2332
), also der capture or kill-Liste

der ISAF, standen und sich so an gezielten Tötungen

bestimmter Anführer der Aufständischen zu beteiligen.

Dafür wurde in Kauf genommen, durch den Luftangriff

auch Zivilpersonen zu töten: Objektive Anhaltspunkte,

dass es jedenfalls nicht völlig fernliegend war, dass sich

(auch) mindestens einer der Tanklasterfahrer sowie weite-

re Zivilisten vor Ort aufhielten, die sich nur Benzin abho-

len wollten, aber nicht in – hypothetische – feindliche
Operationen der Aufständischen involviert waren, hatte es

gegeben. Diese waren nicht ausgeräumt, und eine War-

nung der Personen auf der Sandbank war zielgerichtet

vermieden worden.

Zudem ging Oberst Klein nach eigenen Angaben davon

aus, auf der Sandbank befänden sich „Unterstützer“ bzw.
„Sympathisanten“ der Aufständischen.2333 Auch diese
durften völkerrechtlich nicht als „Aufständische Kämp-
fer“ behandelt werden.2334

bb) Rechtspflicht zur effektiven Vorwarnung

Das Verhalten von Oberst Klein bedeutet einen Verstoß

gegen die in Artikel 57 Absatz 2 c) ZP I kodifizierte Vor-

gabe, dass Angriffen, durch die die Zivilbevölkerung in

Mitleidenschaft gezogen werden kann, eine wirksame

Warnung vorausgehen muss.

aaa) Unzulässiger Überraschungsangriff

Artikel 57 Absatz 2 c) ZP I eröffnet zwar eine Hintertür

für überraschende Angriffe: die Einschränkung, dass eine

Warnung unterbleiben darf, wenn „die gegebenen Um-
stände“ sie nicht „erlaubten“2335.

Gemeint sind Angriffe, bei deren Ausführung zur Errei-

chung eines militärischen Vorteils das Überraschungs-
2331) Mat. 17-35a, R II 3, Ordner 3, Bl. 133 ff., 139, 140.

2332) Die Liste ist Grundlage für sog. targeted killings im Rahmen des
ISAF-Einsatzes; vgl. z. B. BT-Drs. 17/2775, S. 77: „Entsprechend
dem ISAF-Regelwerk wird eine Liste geführt, in der auf der

Grundlage eines festgelegten Kriterienkatalogs Zielpersonen
Handlungsempfehlungen zugeordnet werden. Bei Personen, die

sich unmittelbar oder dauerhaft an den Feindseligkeiten beteili-

gen, besteht die Möglichkeit, die Anwendung gezielt tödlich wir-
kender militärischer Gewalt zu empfehlen.”

2333) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 16.

2334) Dazu sogleich, S. 349, 350 (Teil 4, B.II.2.b)bb)aaa)).
2335) Die verbindliche englischsprachige Version lautet: c) effective

advance warning shall be given of attacks which may affect the

civilian population, unless circumstances do not permit.

moment genutzt werden soll,
2336

ein Vorbehalt „militäri-
scher Notwendigkeit“ also. Diese Regelung wirkt aller-
dings gerade nicht zugunsten Oberst Klein. Denn Arti-

kel 57 Absatz 5 ZP I statuiert explizit:

Die Bestimmungen dieses Artikels sind nicht so

auszulegen, als erlaubten sie Angriffe auf die Zi-

vilbevölkerung, Zivilpersonen oder zivile Objekte.

Auch hier gilt damit selbstverständlich das allgemeine

Prinzip, dass der in Rede stehende Angriff im Übrigen

völkerrechtlich zulässig sein muss, er darf z. B. nicht

unterschiedslos im Sinne von Artikel 51 ZP I sein. Zivi-

listen sind generell zu schonen.

Aus diesem Grund greift die gerade genannte Ausnahme-

regelung des Artikel 57 Absatz 2 c ZP I für Überra-

schungsangriffe im vorliegenden Fall nicht – Oberst Klein
durfte keinen Angriff ohne Vorwarnung befehlen:

Gegenstand der Beweisaufnahme im Untersuchungsaus-

schuss war u. a., welche Vorstellung Oberst Klein sich in

der Nacht des Bombenangriffs von den Vorgängen auf

der Sandbank gemacht hatte und welchen militärischen

Zweck er mit einer Bombardierung der Sandbank errei-

chen wollte.

Nach eigenen Angaben ging Oberst Klein davon aus, auf

der Sandbank hätten sich vor dem Bombenangriff aus-

schließlich „Aufständische“2337 sowie deren „unmittelbare
Unterstützer“2338 bzw. „Sympathisanten“2339 aufgehalten,
„unbeteiligte Zivilisten“2340 aber nicht. Ziel der Personen
auf der Sandbank sei es gewesen, die Tanklaster freizube-

kommen und damit entweder entgegen der bisherigen

Fahrtrichtung zurück nach Osten zu fahren, um das PRT

oder „afghanische Sicherheitskräfte“ anzugreifen; oder
die Fahrt nach Westen fortzusetzen und die Tanklaster

über den Fluss in ein Rückzugsgebiet („in den Raum des
Zweistromlandes“) zu bringen, um sie als rollende Bom-
ben für – nicht näher definierte – spätere Angriffe gegen
ISAF-Truppen zu präparieren.

2341
Jedes dieser möglichen

Szenarien habe er verhindern und dabei zugleich „durch
die Tötung feindlicher Kämpfer“ die Aufständischen
schwächen wollen.

2342
Oberst Klein differenzierte bezüglich der von ihm auf der

Sandbank vermuteten Personen ersichtlich, und zwar

zwischen:

a) Aufständischen Kämpfern,

b) Personen, die diese unterstützten oder mit ihnen

sympathisierten (aber offenkundig selbst nicht, oder

nicht konstant, als Akteure am bewaffneten Kampf

teilnahmen), und
2336) Sandoz / Swinarski / Zimmermann (Hrsg.), Commentary on the

Additional Protocols of 8 June 1977 to the Geneva Conventions

of 12 August 1949 (1987), para. 2223, 2225.
2337) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11, 16.

2338) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.

2339) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.
2340) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.

2341) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 25, 49.

2342) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17/18, 25.

Drucksache 17/7400 – 350 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) „unbeteiligten“ Zivilisten, womit er ersichtlich Per-

sonen beschreiben wollte, die in keinerlei Aktivitäten

der Aufständischen involviert waren und diesen auch

nicht nahestanden.

Offenbar verkannte (oder ignorierte?) er allerdings die an

diese Differenzierung geknüpften rechtlichen Konsequen-

zen.

Die von Oberst Klein geschilderten Szenarien rechtfertig-

ten nach Maßgabe des humanitären Völkerrechts (Arti-

kel 57 Absatz 2 c) ZP I) nämlich allenfalls einen Überra-

schungsangriff auf vor Ort anwesende „feindliche Kämp-
fer“ bzw. „Aufständische Kämpfer“ (korrekter, aber we-
nig griffig formuliert: aktive und funktional dauerhaft

eingebundene Mitglieder der bewaffneten organisierten

Aufständischengruppe), keinesfalls aber auf andere Per-

sonen.

Denn wenn es sich – entsprechend der von der Bundesre-
gierung im Herbst 2009 letztlich doch noch vorgenom-

menen Kehrtwende in der Bewertung des Afghanistan-

konflikts – bei den kriegerischen Auseinandersetzungen
in Afghanistan um einen sog. nicht-internationalen be-

waffneten Konflikt (allgemeinsprachlich formuliert: Bür-

gerkrieg) handelt, gelten andere rechtliche Vorgaben als

in einem internationalen bewaffneten Konflikt.

Im internationalen bewaffneten Konflikt sind legitime

militärische Ziele – sog. „Kombattanten“ – Personen, die
in Gruppen oder Verbänden auftreten, die in gewissem

Maße militärisch gegliedert bzw. zentralisiert geführt

sind, und die offenkundig bewaffnet und durch Unifor-

men oder sonstige deutlich erkennbare Unterscheidungs-

merkmale besonders gekennzeichnet sind (vgl. Artikel 43,

44 ZP I).
2343

Kombattanten dürfen nach vorherrschender

Auffassung im Völkerrecht auch dann bekämpft – und
getötet – werden, wenn sie nicht unmittelbar an Feindse-
ligkeiten beteiligt sind.

Den Aufständischen in Afghanistan wird nach dieser

Auffassung kein regulärer Kombattantenstatus zugebil-

ligt, da sie bereits aufgrund ihrer regelmäßig zivilen Klei-

dung nicht von der nichtkämpfenden Bevölkerung zu

unterscheiden sind. Als legitime militärische Ziele der

ISAF-Truppen sowie der afghanischen Armee gelten sie

völkerrechtlich dennoch, sofern sie feste und funktional

dauerhaft eingebundene Mitglieder der bewaffneten orga-

nisierten Aufständischengruppe sind (oben gerade be-

zeichnet als: „Aufständische Kämpfer“). Nach derzeit
wohl überwiegender völkerrechtlicher Bewertung dürfen

sie auch dann angegriffen werden, wenn sie sich nicht

unmittelbar an Feindseligkeiten beteiligen.
2344

Personen hingegen, die nicht organisatorisch-funktional

fest eingebundene Mitglieder der kämpfenden Gruppe

sind, die sich also nur im Einzelfall oder nur gelegentlich

an feindseligen Handlungen beteiligen, bleiben „Zivilper-
sonen“ im völkerrechtlichen Sinn und dürfen folgerichtig
2343) Ipsen, Völkerrecht, § 68 Rz. 34 ff.

2344) ICRC, Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation

in Hostilities under International Humanitarian Law, S. 72.

nur zur Verteidigung bekämpft werden, d. h. nur in einem

Moment, in dem sie sich selbst gerade unmittelbar an

Feindseligkeiten beteiligen (Artikel 13 Absatz 3 ZP II).

Diese völkerrechtliche Bewertung der herrschenden Mei-

nung hat gravierende Folgen in Hinblick auf die von

Oberst Klein vorgenommene Einschätzung des Status der

Menschen auf der Sandbank: Personen, die als ständige

Mitglieder der Gruppen der bewaffneten Aufständischen

in diese funktional eingebunden und entsprechend an

Operationen beteiligt waren, originäre „Aufständische
Kämpfer“ also, durften in der Nacht des 03./04.09.2009
grundsätzlich aus der Luft angegriffen werden – zumin-
dest nach den Kriterien des humanitären Völkerrechts

(dass Oberst Klein hierzu nach den ISAF-Einsatzregeln

nicht befugt war, wurde oben S. 331 (Teil 4, B.II.1.a))

dargelegt).

Die von Oberst Klein als „Unterstützer“ und „Sympathi-
santen“ den Aufständischen Kämpfern gegenübergestell-
ten Personen auf der Sandbank blieben aber Zivilisten und

unterstanden dem Schutz des Ersten (und Zweiten) Zu-

satzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949

(ZP I, ZP II). Angegriffen werden durften sie daher nur,

sofern und solange sie sich selbst unmittelbar an Feindse-

ligkeiten beteiligten und der Angriff auf sie dem Grund-

satz der Verhältnismäßigkeit entsprach.
2345

Oberst Klein gab, wie bereits dargelegt, an, er habe be-

fürchtet, mit den Tanklastern solle entweder noch in der

gleichen Nacht ein Anschlag auf das PRT Kundus oder

die afghanischen Sicherheitskräfte verübt werden, oder

die Tanklaster sollten in ein Rückzugsgebiet der Aufstän-

dischen „nach Westen“ gebracht und dort für künftige
Angriffe hergerichtet werden.

2346
Beides legitimierte keinen vorwarnungslosen Angriff.

(1) Rückfahrt nach Osten und Angriff auf das
PRT Kundus

Die Abwehr eines unmittelbar bevorstehenden Anschlags

auf das PRT Kundus
2347

könnte als Verteidigungshand-

lung betrachtet werden, zugunsten von Oberst Klein wäre

danach davon auszugehen, dass ein militärisches Vorge-

hen, das einen solchen Anschlag vereitelt hätte, völker-

rechtlich grundsätzlich zulässig gewesen wäre.

Nicht gerechtfertigt gewesen wäre aber selbst in dieser

Situation ein Luftangriff – ohne wirksame Vorwarnung –
auf die Tanklaster und (unterschiedslos) die umstehenden

Menschen. Es lässt sich nicht behaupten, im Sinne des

Artikel 57 Absatz 2 c) 2. Hs. ZP I hätten „die gegebenen
Umstände“ eine wirksame Warnung nicht „erlaubt“, die
Ausnutzung eines Überraschungseffekts könne also legi-

tim oder gar legal gewesen sein. Denn angesichts der
2345) ICRC, Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation

in Hostilities under International Humanitarian Law, S. 43 ff., 73.

2346) Vgl. S. 333 (Teil 4, B.II.1.a)).

2347) Zu der Tatsache, dass es sich insoweit nur um eine unfundierte
Vermutung gehandelt haben kann, weil es keinerlei Warnung

bzgl. eines solchen Anschlags gab, vgl. oben S. 313 f., 333 und

S. 45 (Teil 4, B.I.3.b)bb), cc) und II.1.a) sowie Teil 2, B.III.1.b).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 351 – Drucksache 17/7400

selbst von Oberst Klein unterstellten Anwesenheit poten-

tiell „kämpfender“ (und je nach Auslegung des Begriffs
„Sympathisant“: nicht-kämpfender!) Zivilisten – also von
organisatorisch bzw. funktional bei den Aufständischen

nicht eingebundenen „Unterstützern“ oder „Sympathisan-
ten“ – war es völkerrechtlich umgekehrt gerade geboten,
das mildeste effektive Mittel zur Abwehr eines bevorste-

henden Anschlags zu wählen. Artikel 57 Absatz 3 ZP I

gibt insoweit vor:

Ist eine Wahl zwischen mehreren militärischen

Zielen möglich, um einen vergleichbaren militäri-

schen Vorteil zu erringen, so ist dasjenige Ziel zu

wählen, dessen Bekämpfung Zivilpersonen und zi-

vile Objekte voraussichtlich am wenigsten gefähr-

den wird.

Sofern also tatsächlich kein anderes Verteidigungsmittel

gegeben gewesen wäre, als eine Bombardierung aus der

Luft, so hätte dieser Luftangriff nur auf eine Zerstörung

der Tanklaster zielen dürfen, musste die anwesenden

Menschen aber sofern irgendwie realisierbar verschonen –
und zwar alle, da Oberst Klein eine Differenzierung, wer

von den am Boden befindlichen Personen Kämpfer (also

legitimes militärisches Ziel) war und wer „Unterstützer“
bzw. „Sympathisant“, ja nicht möglich war. Denn das von
Oberst Klein behauptete spezifische Gefährdungspotential

ging gerade nicht von den auf der Sandbank anwesenden

Menschen aus – selbst wenn einige von diesen „landesty-
pisch“ mit Schusswaffen bewaffnet waren –, sondern
allenfalls von den mit Treibstoff befüllten Tanklastern,

und auch das nur, sofern diese tatsächlich für den nach

Angaben von Oberst Klein vermuteten Angriff gegen das

PRT Kundus genutzt worden wären.

Selbst zur Abwendung eines Anschlags gegen das PRT

Kundus wäre der von Oberst Klein angeordnete, vorwar-

nungslose Luftangriff auf die Tanklaster und die Men-

schen auf der Sandbank daher im Ergebnis sogar nach

seiner behaupteten Vorstellung, wer sich auf der Sand-

bank befunden habe, völkerrechtswidrig gewesen.

(2) Weiterfahrt und Verbringung der Tanklas-
ter nach Westen

Erst recht völkerrechtswidrig war der Luftangriff aber,

soweit es Oberst Klein darum ging, zu verhindern, dass

die Tanklaster nach Westen, „in den Raum des Zweist-
romlandes“ verbracht wurden, um sie auf irgend eine Art
und Weise für – lediglich vermutete – unbestimmte späte-
re Angriffe auf nicht näher definierbare Ziele zu präparie-

ren.

Denn unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt lässt sich

feststellen, dass die von Oberst Klein auf der Sandbank

vermuteten „Unterstützer“ und „Sympathisanten“ der
Aufständischen sich bei einer Involvierung in ein derarti-

ges Szenario „selbst unmittelbar an Feindseligkeiten be-
teiligten“. Nach der vom IKRK veröffentlichten Interpre-
tive Guidance on the Notion of Direct Participation in

Hostilities under International Humanitarian Law
2348

liegt

eine solche Beteiligung nur vor, wenn die folgenden drei

Voraussetzungen sämtlich erfüllt sind:

„1. the act must be likely to adversely affect the
military operations or military capacity of a

party to an armed conflict or, alternatively, to

inflict death, injury, or destruction on persons

or objects protected against direct attack

(threshold of harm), and

2. there must be a direct causal link between the

act and the harm likely to result either from

that act, or from a coordinated military opera-

tion of which that act constitutes an integral

part (direct causation), and

3. the act must be specifically designed to di-

rectly cause the required threshold of harm in

support of a party to the conflict and to the

detriment of another (belligerent nexus).“2349

Bereits die danach erforderliche unmittelbare kausale

Verknüpfung zwischen feindseliger Handlung und einem

erwarteten Schaden (direct causation) ist nicht feststell-

bar. Der Versuch, die Tanklaster freizubekommen, damit

sie nach Westen gefahren werden konnten, stellte allen-

falls eine dem – vermuteten – eigentlichen schädigenden
Verhalten (spätere Nutzung der noch zu präparierenden

Tanklaster als Sprengsatz / IED) weit vorgelagerte Vorbe-

reitungshandlung dar. Vergleichbar ist dies den in der

Interpretive Guidance diskutierten Beispielen der Lage-

rung und Konstruktion von IED (Improvised Explosive

Device) bzw. der Beschaffung der hierfür benötigten

einzelnen Komponenten, oder der Lieferung von Muniti-

on in ein Lagerhaus im zukünftigen Einsatzgebiet: in all

diesen Fällen besteht aufgrund einer Vielzahl erforderli-

cher weiterer Zwischenschritte (noch) keine Unmittelbar-

keitsbeziehung zum konkret schadensverursachenden

Ereignis (dem finalen Einsatz von IED oder Munition als

„Kriegsgerät“).2350

bbb) Völkerrechtswidrigkeit des Verzichts auf
eine wirksame Vorwarnung

Festzuhalten ist danach: Zivilisten, die sich nicht unmit-

telbar an Feindseligkeiten beteiligten, durfte Oberst Klein

nicht bekämpfen, unabhängig davon, ob diese „Unterstüt-
zer“ oder „Sympathisanten“ der Aufständischen waren.
Sofern „Unterstützer“ oder „Sympathisanten“ sich unmit-
telbar an Feindseligkeiten beteiligt hätten, hätte allenfalls

ein Angriff auf die Tanklaster erfolgen dürfen. Diesem

hätte wiederum eine wirksame Vorwarnung vorausgehen

müssen, um den „Unterstützern“ oder „Sympathisanten“
die Möglichkeit zu geben, ihre Aktivitäten einzustellen

und sich zu entfernen. In beiden Fällen lag also keines-

falls eine Konstellation vor, die es nach Artikel 57 Ab-
2348) http://www.icrc.org/eng/resources/documents/publication/p0990.htm.

2349) ICRC, Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation
in Hostilities under International Humanitarian Law, S. 46.

2350) ICRC, Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation

in Hostilities under International Humanitarian Law, S. 53 f., 56.
Drucksache 17/7400 – 352 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
satz 2 c) ZP I erlaubt hätte, auf eine show of force zu

verzichten.

Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext zudem, dass –
wie bereits oben

2351
dargelegt – objektiv (d. h. aus der ex

ante-Perspektive eines neutralen Beobachters) zahlreiche,

nicht widerlegte, Anhaltspunkte dafür existierten, dass

nicht nur mindestens ein Fahrer der Tanklastwagen, son-

dern auch weitere Zivilpersonen auf der Sandbank anwe-

send waren, die nur Benzin holen wollten und in keiner

Weise in vermeintliche feindselige Handlungen der Auf-

ständischen, also noch nicht einmal in Vorbereitungs-

handlungen, eingebunden bzw. sich solcher Aktivitäten

überhaupt bewusst waren.

c) Nachweis der Völkerrechtswidrigkeit des
Vorgehens von Oberst Klein

Oberst Klein hat gegen fundamentale Prinzipien des hu-

manitären Völkerrechts verstoßen: die Pflicht zur Unter-

scheidung zwischen Kombattanten (hier entsprechend:

Aufständischen Kämpfern) und Zivilisten sowie die

Pflicht zur Schonung von Zivilpersonen.
2352

Einige völ-

kerrechtliche Verpflichtungen, die sich aus diesen beiden

Prinzipien ergeben, sind explizit in Artikel 57 ZP I kodifi-

ziert: unter anderem die Pflicht, vor einem Angriff alles

praktisch Mögliche zu unternehmen, um aufzuklären, ob

Angriffsziele ziviler Natur sind bzw. ob damit zu rechnen

ist, dass Zivilisten von einem Angriff mitbetroffen sein

werden; außerdem die Pflicht, vor einem Angriff, durch

den Zivilpersonen beeinträchtigt werden können, wirksam

zu warnen, um der Zivilbevölkerung die Möglichkeit zu

geben, sich in Sicherheit zu bringen. Beide Pflichten hat

Oberst Klein ohne rechtlich tragfähige Legitimation ver-

letzt.

Die in Artikel 57 ZP I niedergelegten Vorsichtsmaßnah-

men müssen selbstständig rechtliche Beachtung finden,

denn sie flankieren nicht etwa nur die völkerrechtlichen

Vorgaben zur Kriegsführung als bloße Ordnungsvor-

schriften. Vielmehr besitzen sie eine eigene Rechtsquali-

tät, sie sollen dazu dienen, ein grundlegendes Ziel des

humanitären Völkerrechts zu realisieren: den Schutz der

Zivilbevölkerung, die sich mit Kriegshandlungen konf-

rontiert sieht.

Die Verletzung der Pflicht, die in Artikel 57 ZP I festge-

schriebenen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, stellt daher

– unabhängig von den Auswirkungen eines Angriffs im
Einzelfall und unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit im

Übrigen – einen eigenständigen Völkerrechtsverstoß
dar.

2353

2351) S. 336 f. (Teil 4, B.II.2.a)aa)).
2352) Vgl. Artikel 48 ZP I.

2353) Vgl. Quéguiner, Precautions under the law governing the conduct

of hostilities, 88 International Review of the Red Cross (2006),
794: „the precautionary obligations (…) constitute obligatory
standards of conduct whose violation entails international respon-

sibility”.

Das Vorgehen von Oberst Klein in der Nacht des

03./04.09.2009 war also schon auf der Grundlage der von

ihm selbst behaupteten Gefechtslage völkerrechtswidrig.

Es erschließt sich nicht, wie dies sowohl sämtlichen Ent-

scheidungsträgern im Bereich der Bundeswehr und des

Bundesverteidigungsministeriums als auch der Bundes-

anwaltschaft verborgen bleiben konnte.

3. Keine adäquate rechtliche Aufarbeitung
des Luftangriffs durch deutsche Behörden

Die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof

gelangte nach einem nur fünf Wochen lang betriebenen

Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen des

Luftangriffs von Kundus zu dem Ergebnis:

„Das Vorgehen von Oberst Klein war völkerrech-
tlich zulässig und damit strafrechtlich gerechtfer-

tigt.

(…)

Da das Verhalten von Oberst Klein strafrechtlich

nicht zu beanstanden ist (…), scheidet eine Straf-
barkeit von Hauptfeldwebel W. gleichermaßen

aus.“2354

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist nicht

der Ort, abschließend über strafrechtliche Schuld oder

Unschuld zu befinden. Was der Untersuchungsausschuss

aber feststellen konnte, ist:

Der Luftangriff in Kundus vom 04.09.2009 war nach den

Regeln des Völkerrechts nicht zulässig. Eine strafrechtli-

che Rechtfertigung des Verhaltens der für diesen Luftang-

riff verantwortlichen Bundeswehrsoldaten unter Rückgriff

auf eine völkerrechtliche Rechtfertigung kommt damit

nicht in Betracht.

Die Prämisse der Bundesanwaltschaft für ihre Einstellung

des Ermittlungsverfahrens gegen Oberst Klein und Haupt-

feldwebel W. war unzutreffend. Eine effektive rechtliche

Aufarbeitung des Luftangriffs von Kundus steht nach wie

vor aus.

a) Durchreichen eines unwillkommenen Ver-
fahrens

Bezeichnend ist bereits, wann und wie sich welche Er-

mittlungsbehörden mit dem Luftangriff von Kundus be-

fassten.

Zum Gegenstand eines (regulären) Ermittlungsverfahrens

gegen Bundeswehrangehörige wurde der Luftangriff erst

am 12. März 2010 – und das auch nur für fünf Wochen. In
diesem Zeitraum erhob die seit November 2009 zuständi-

ge Bundesanwaltschaft zum ersten und einzigen Mal in

diesem Verfahren eigenständig Beweise – nach einem
2354) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof vom 16.04.2010 (Dokument 52), Bl. 59, 69 (offene Ver-

sion).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 353 – Drucksache 17/7400

vorher festgelegten Zeitplan.
2355

Und entsprechend der

Vorgaben dieses Zeitplans stellte sie das Verfahren be-

reits am 16.04.2010, knapp eine Woche vor der Verneh-

mung des damaligen Bundesverteidigungsministers Gut-

tenberg im Kundus-Untersuchungsausschuss, wieder ein,

weil sie keinen hinreichenden Tatverdacht gegen Oberst

Klein oder den JTAC Hauptfeldwebel W. zu erkennen

vermochte.
2356

Zuvor hatte die Angelegenheit – niemals förmlich in den
Stand eines Ermittlungsverfahrens erhoben

2357
, sondern

u. a. auf Intervention des Leitenden Rechtsberaters beim

Einsatzführungskommando der Bundeswehr
2358

dezidiert

stets als „AR-Angelegenheit“ („Allgemeine Rechtssa-
che“) bzw. ARP-Verfahren, „Prüfvorgang“ und „Vorer-
mittlungsverfahren“ zur „Vorprüfung, ob ein strafrechtli-
cher Anfangsverdacht besteht“2359, geführt – mehrere
Staatsanwaltschaften beschäftigt, die sich jeweils, und

zum überwiegenden Teil recht schnell, durch Abgabe des

Verfahrens entledigten.

aa) Befassung der Staatsanwaltschaften Pots-
dam und Leipzig sowie der Generalstaats-
anwaltschaft Dresden

Zuständigkeitshalber zuerst mit dem Verfahren befasst

war am 07.09.2009 die Staatsanwaltschaft Potsdam als

Strafverfolgungsbehörde am Sitz des Einsatzführungs-

kommandos der Bundeswehr.
2360

Der Staatsanwaltschaft

Potsdam gelang es, die Sache innerhalb eines Tages –
noch am 07.09.2009 – an die Staatsanwaltschaft Leipzig
abzugeben, weil diese aufgrund der Stationierung von

Oberst Klein in deren Einzugsgebiet örtlich zuständig

war. Die Staatsanwaltschaft Leipzig wählte einen außer-

gewöhnlichen Ansatz, um sich ihrerseits einer Befassung

mit dem Verfahren zu entziehen: Als würden in Leipzig

niemals Ermittlungen in strafrechtlichen Umfangsverfah-

ren geführt, wurde darauf verwiesen,

„dass die Staatsanwaltschaft Leipzig den Vorgang
aus Kapazitätsgründen nicht übernehmen“2361

könne, und die Angelegenheit an die nächsthöhere Behör-

de, die Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgegeben.

Der Vorteil einer solchen Zuständigkeitsverlagerung liegt

auf der Hand: die Generalstaatsanwaltschaft Dresden

untersteht unmittelbar dem sächsischen Justizministerium.

Pikanterweise ging das Verfahren bei der Generalstaats-

anwaltschaft Dresden auch nicht etwa an ein völkerrech-

tlich, militär- oder wehrstrafrechtlich ausgewiesenes De-

zernat, sondern an die vor einigen Jahren bei der General-

staatsanwaltschaft Dresden angesiedelte sog. „Integrierte
Ermittlungseinheit Sachsen (INES)“. Ausweislich des
2355) Dokument 195.

2356) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-

richtshof (Dokument 52).
2357) Trotzdem bei der GStA insoweit durchaus Problemsicht bestand,

vgl. Dokument 174, Bl. 46 und Dokument 172.

2358) Dokument 170, Bl. 14.
2359) Mat. 17-52, Bl. 6.

2360) Dokument 167.

2361) Dokument 170, Bl. 14.

Internetauftritts der Generalstaatsanwaltschaft Dresden ist

INES eingerichtet, um „sachsenweit gewichtige Fälle und
bedeutende Sachverhalte der Organisierten, Umwelt- und

Wirtschaftskriminalität und der Korruptionsstraftaten“ zu
ermitteln; „zur Strafverfolgung werden unter einem Dach
Staatsanwälte, Polizisten, Wirtschafts- und Buchhaltungs-

fachkräfte sowie bei Bedarf Spezialisten anderer Ressorts

gebündelt“.2362

Von einer spezifischen, völkerrechtlichen, wehrstrafrech-

tlichen oder militärischen Expertise kann hier also keine

Rede sein, INES ist explizit auf eine funktionsübergrei-

fende Ermittlungstätigkeit in Verfahren aus dem Bereich

des Wirtschaftsstrafrechts im weiteren Sinne ausgerichtet.

Auch der bei INES nunmehr mit der Bearbeitung der

Sache befasste Leitende Oberstaatsanwalt S. verstand sich

selbst nicht als Spezialisten für dieses Verfahren: In ei-

nem Telefonat mit dem zuständigen Leitenden Rechtsbe-

rater des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr

teilte er diesem mit,

„dass er noch nie mit einem Bundeswehrvorgang
zu tun gehabt habe“

und „bat um Übersendung von Unterlagen zum rechtli-
chen Rahmen der ISAF“.2363

Es fällt schwer, angesichts dieser Vorbedingungen nicht

auf die Idee zu kommen, hier sei gezielt eine Strafverfol-

gungsbehörde mit Ermittlungen in einem Bereich betraut

worden, die ausdrücklich nicht auf spezifische Vorkenn-

tnisse zurückgreifen konnte (stattdessen aber bereits

strukturell eine große Nähe zum Landesjustizministerium

aufwies).

bb) Grundlegende Ermittlungsdefizite

Folgerichtig beschränkten die Ermittlungen (bzw. „Vor-
ermittlungen“) sich auch im Weiteren darauf, auf das
Eintreffen des COM ISAF-Berichts zu warten und das

Einsatzführungskommando der Bundeswehr zu bitten,

„die dort vorhandenen bzw. entstehenden Unterlagen zu
dem Sachverhalt zu übermitteln und die Rechtsgrundla-

gen der deutschen Beteiligung an ISAF sowie des verfah-

rensgegenständlichen Einsatzes mitzuteilen“.2364 Den
Strafverfolgungsbehörden wurden einzelne Berichte über-

sandt, u. a. Sofort- und Folgemeldungen der Bundeswehr,

ein Schreiben des Gouverneurs der Provinz Kundus und

der Bericht der von Präsident Karzai eingesetzten Unter-

suchungskommission.

Seitens der Rechtsabteilung des Bundesverteidigungsmi-

nisteriums und des Rechtsberaters des Einsatzführungs-

kommandos der Bundeswehr, die für die Kommunikation

mit der Generalstaatsanwaltschaft zuständig waren, wurde

auf das (ohnehin geringe) Engagement der Ermittlungs-

behörden am 16.09.2009 mit der Anweisung reagiert:
2362) http://www.justiz.sachsen.de/gensta/content/679.htm.

2363) Dokument 170, Bl. 14.

2364) Mat. 17-52, Bl. 9.
Drucksache 17/7400 – 354 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„RB2365 EinsFüKdo hat mit R I 52366 abgestimmt,
nur solche Unterlagen an die StA zu übersenden,

die den rechtlichen Handlungsrahmen beschreiben

(ROE, SOP usw.). Dokumente, die Aussagen zum

Sachverhalt enthalten, sollten nicht übermittelt

werden.“2367

So wurde den Ermittlungsbehörden z. B. der IAT-Bericht

nicht übersandt, und dies – in Widerspruch zur Tatsachen-
lage – damit begründet, der Bericht sei „lediglich eine
vorläufige erste Feststellung unmittelbar nach dem Vor-

fall“, habe „keinen offiziellen Charakter“ und werde beim
Bundesverteidigungsministerium „als bloßer ‚Reisebe-
richt„ eingestuft“.2368 Auch der Bericht von Oberst Klein
vom 05.09.2009, der Feldjägerbericht, ein Bericht des

IKRK, die UNAMA-Liste über zivile Opfer sowie zahl-

reiche weitere bereits im September 2009 entstandene

Dokumente wurden den Ermittlungsbehörden erst zu-

gänglich gemacht, nachdem der Feldjägerbericht zum

Gegenstand der Medienberichterstattung geworden war

und sich die Konstituierung eines Untersuchungsaus-

schusses abzeichnete.
2369

Weder die Generalstaatsanwalt-

schaft Dresden noch die Bundesanwaltschaft hatten aller-

dings soweit ersichtlich bis zu diesem Zeitpunkt jemals

dezidiert nachgehakt, ob ihnen alle einschlägigen Unter-

lagen vorgelegt worden waren.

Nachhaltige Versuche der Strafverfolgungsbehörden,

mögliche Tatverdächtige oder Zeugen zu vernehmen –
insbesondere Personen, die in der Nacht des

03./04.09.2009 in irgendeiner Form in das Geschehen

involviert gewesen waren – gab es nicht. Ansätze, Ermitt-
lungen bezüglich der Anzahl und des Status (Kämpfer?

Zivilpersonen?) der Opfer des Luftangriffs anzustellen,

sind nicht ersichtlich.

cc) Verteidigungsaktivitäten des Ein-
satzführungskommandos der Bundeswehr

Während sich die Verteidiger der tatnächsten Personen

(Oberst Klein und JTAC Hauptfeldwebel W.) in den staat-

sanwaltschaftlichen Verfahren nicht nennenswert hervor-

taten, übernahmen es Angehörige des Einsatzführungs-

kommandos der Bundeswehr und des Bundesverteidi-

gungsministeriums, den Kontakt zu den Ermittlungsbe-

hörden zu suchen und zu halten, dort Rechtsgespräche

über eine potentielle strafrechtliche Verantwortlichkeit

von Bundeswehrangehörigen bzw. die Herleitung von

Rechtfertigungsgründen zu führen und eine Schutz-

schrift
2370

einzureichen. Bundeswehr und Bundesverteidi-

gungsministerium agierten damit nicht, wie es staatsrech-

tlich geboten gewesen wäre, mit der Neutralität und Ob-

jektivität von Bundesbehörden, die militärische Zusam-
2365) RB = Rechtsberater.

2366) R I 5 = Referat R I 5 der Abteilung Recht des Bundesverteidi-
gungsministeriums, zuständig u. a. für die Bereiche Rechtspflege

der Bundeswehr, Wehrdisziplinarordnung, Strafrecht.

2367) Mat. 17-35a, R I 5, Hefter 1, Bl. 39.
2368) Mat. 17-52, Bl. 7; Mat 17-54a, Ordner 4, Bl. 195.

2369) Mat. 17-35a, R I 5, Hefter 2, Bl. 161, und Hefter 3, Bl. 94.

2370) Mat. 17-35a, R II 3, Ordner 5, Bl. 199 ff., 202 ff.

menhänge verdeutlichten, Rechtsauskünfte zu den Ein-

satzregeln erteilten und Amtshilfe durch Weiterleitung der

ihnen zum Luftangriff vom 04.09.2009 vorliegenden

Erkenntnisse leisteten, sondern traten auf als einseitige

Interessenvertreter zugunsten Oberst Klein (und des Afg-

hanistaneinsatzes der Bundeswehr).

Am 18.09.2009 fand bei der Generalstaatsanwaltschaft

Dresden eine Besprechung mit Vertretern des Einsatzfüh-

rungskommandos insbesondere „zu den Rechtsgrundlagen
des Einsatzes und zur Sicherheitslage in der betroffenen

Region Afghanistans“ statt. Am 08.10.2009 schloss sich
eine Zusammenkunft mit Mitarbeitern des Bundesvertei-

digungsministeriums an, in der die „Rechtsgrundlagen
zum Militäreinsatz“ in Afghanistan „erörtert“ und poten-
tielle Ansätze für eine strafrechtliche Rechtfertigung des

Luftangriffs vom 04.09.2009 angesprochen wurden.
2371

Der Dresdner Generalstaatsanwalt hatte allerdings am

06.10.2009 vermerkt, er teile nicht die Auffassung, aus

den dem ISAF-Einsatz zugrunde gelegten UN-

Resolutionen sowie dem Bundestagsmandat zur Beteili-

gung am ISAF-Einsatz ergebe sich ein „gesetzesgleicher“
strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund.

2372
In Anknüpfung an die Besprechung vom 08.10.2009

wurde in einem Vermerk der Rechtsabteilung des Bun-

desverteidigungsministeriums – adressiert an das Büro
des Staatssekretärs Dr. Wichert – festgehalten:

„Bericht (...) zu Gespräch mit GStA Dresden:

1. Hauptproblemstellung für die GStA ist die
Übersetzung einer möglichen völkerrechtli-

chen Befugnis zum Handeln in einen Rech-

tfertigungsgrund i. S. des deutschen Straf-

rechts. Auch bei wohlwollender Prüfung kann

die GStA die dogmatische Herleitung nicht

erkennen.

2. Die strafrechtl. Rechtfertigung allein aus einer
mandatierenden VN-Sicherheitsratsresolution

abzuleiten, erscheine derzeit nicht nachvoll-

ziehbar (…). Leichter herleitbar wäre die
strafrechtl. Rechtfertigung allerdings wohl

dann, wenn eine Abstützung auf Humanitäres

Völkerrecht in Betracht käme, d. h. ein be-

waffneter Konflikt anzunehmen sei. (…)

4. Aus Sicht der GStA würde in so einem rechtl.
unklaren Fall zunächst ein Ermittlungsverfah-

ren eingeleitet und dann angeklagt werden, um

dem Gericht die Klärung dieser rechtl. Unsi-

cherheit zu überlassen.

5. GStA würde versuchen, von derartigem Vor-
gehen abzusehen; sie benötige allerdings auf

Grund von erheblichem öffentlichen und

internen Druck bereits vor der Übermittlung

des NATO-Berichtes eine stichhaltige und all-
2371) Vgl. Dokument 174, Bl. 46; Mat. 17-52, Bl. 22; Mat. 17-54a,

Ordner 4, Bl. 254.

2372) Vgl. Mat. 17-54a, Ordner 4, Bl. 252.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 355 – Drucksache 17/7400

gemein akzeptierbare dogmatische Herleitung

der Rechtfertigung für mandatskonformes

Handeln (…).

Seitens Leiter Ministerbüro wurde folgender

Handlungsbedarf in Bezug auf GStA Dresden

festgestellt:

1. Abt. Recht erstellt zusammen mit Planungs-

stab ein umfassendes rechtl. Grundsatzpapier,

das die dogmatische Herleitung der strafrechtl.

Rechtfertigung für mandatskonformes militä-

risches Handeln in den Einsätzen der Bun-

deswehr (generell; unabhängig von bestimm-

ten Einsätzen) darstellt. Dabei ist sowohl die

Herleitung des Rechtfertigungsgrundes als

auch dessen rechtl. Ausgestaltung so darzus-

tellen, dass dieses Papier als tragende Grund-

lage für die Beendigung des Verfahrens K.

durch die GStA Dresden dienen kann.

2. Das Papier muss der GStA jedenfalls vor der

Übermittlung des NATO-Untersuchungs-

berichtes vorliegen. (…)“2373

In der daraufhin erstellten Schutzschrift des Bundesver-

teidigungsministeriums, die der Generalstaatsanwaltschaft

Dresden am 21.10.2009 übersandt wurde, wird dann zwar

nicht explizit formuliert, die Bundesrepublik beteilige

sich in Afghanistan an einem nicht-internationalen be-

waffneten Konflikt – zur Definition der Befugnisse von
Bundeswehrsoldaten (und damit der Konstruktion eines

strafrechtlichen Rechtfertigungsgrundes für den Luftang-

riff vom 04.09.2009) wird aber ausdrücklich und nahezu

ausschließlich auf die für den nicht-internationalen be-

waffneten Konflikt geltenden Grundsätze des humanitä-

ren Völkerrechts abgestellt.
2374

Bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden wurde dieser

Sinneswandel mit Interesse zur Kenntnis genommen, wie

sich aus einem Vermerk vom 29.10.2009 ergibt:

„Bemerkenswert erscheint, dass das BMVg die
Anwendbarkeit des Rechts bewaffneter nationaler

Konflikte bejaht, wenn auch nur im Rahmen der

Schranken eines – ohne Rückgriff auf das ius in
bello – aus den Resolutionen des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen zum ISAF-Einsatz in Afg-

hanistan in Verbindung mit Artikel 24 Absatz 2

Grundgesetz und mit den auf Anträge der Bundes-

regierung ergangenen Beschlüssen des Deutschen

Bundestages abgeleiteten Rechtfertigungsgrundes.

Wegen der daraus folgenden grundsätzlichen Be-

jahung der Anwendbarkeit des VStGB ist eine

Mitteilung an den GBA angezeigt.“2375

Ob es sich hierbei um eine Kommunikationspanne han-

delte, ließ sich nicht feststellen – am 06.11.2009 gab die
Generalstaatsanwaltschaft Dresden das Verfahren an die
2373) Mat. 17-35a, R II 3, Ordner 3, Bl. 209/210.

2374) Mat. 17-35a, R II 3, Ordner 5, Bl. 199 ff., 202 ff.

2375) Mat. 17-54a, Ordner 4, Bl. 306.

Bundesanwaltschaft mit der Begründung ab, in Afghanis-

tan könne es sich um einen bewaffneten Konflikt im Sin-

ne des Völkerrechts handeln, insoweit sei zu prüfen, ob

eine Völkerstraftat in Betracht komme und die Zuständig-

keit des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof

gemäß §§ 120 Absatz 1 Nr. 8, 142a Absatz 1 GVG eröff-

net sei.
2376

Gegenüber dem sächsischen Justizministerium

begründete der zuständige Leitende Oberstaatsanwalt S.

die Verfahrensabgabe Anfang November 2009 damit,

nach Auswertung des COM ISAF-Berichts stünden Taten

nach dem Völkerstrafgesetzbuch im Raum, da dort „von
einer ‚übereilten Eskalation„“ ausgegangen werde; es
könne für eine Rechtfertigung von Bedeutung sein, ob der

Einsatz als „kriegsähnlich“ zu qualifizieren sei.2377

dd) Zügige Verfahrensabwicklung durch die
Generalbundesanwaltschaft

Bei der Bundesanwaltschaft wurde das Verfahren bis

März 2010 weiterhin als Prüfvorgang (ARP) geführt. Und

auch die Ermittlungstätigkeit der Bundesanwaltschaft

beschränkte sich im Wesentlichen darauf, beim Einsatz-

führungskommando der Bundeswehr die Überlassung von

Berichten anzumahnen und Vermerke zur Rechtslage zu

verfassen. Mögliche Zeugen oder Tatverdächtige wurden

über Monate hinweg weder gesucht noch befragt, es gab

keine Ermittlungsaktivitäten in Hinblick auf eine Feststel-

lung der Zahl oder des Status der Opfer des Luftangriffs.

Nachdem der Kundus-Untersuchungsausschuss sich im

Dezember 2009 konstituiert und im Februar 2010 Oberst

Klein sowie den JTAC Hauptfeldwebel W. und den J2X

der Task Force 47, Hauptmann N., vernommen hatte, bat

die Bundesanwaltschaft um Übermittlung der Ausschuss-

protokolle.

Ohne dass festzustellen wäre, dass in der Zwischenzeit

weitere Ermittlungsschritte erfolgt waren, wurde ein Zeit-

plan aufgestellt, nach dem am 12.03.2010 nunmehr end-

lich ein förmliches Ermittlungsverfahren einzuleiten und

dieses fünf bis sechs Wochen später, in der 15. oder 16.

Kalenderwoche, abzuschließen war. In diesem Dokument

waren sämtliche weiteren Ermittlungsschritte, insbeson-

dere die in diesem Ermittlungsverfahren zu erhebenden

Beweise bereits vorab festgelegt worden:

„Nachdem die tatsächlichen und rechtlichen Prü-
fungen, die im Rahmen des ARP-Vorganges erfol-

gen können, vor dem Abschluss stehen, ergibt sich

folgendes Zeitgerüst für die weiteren Schritte:

- Am 3. März 2010 wird Oberst Klein nach Mit-
teilung von Rechtsanwalt Prof. Dr. M. das

Protokoll des Untersuchungsausschusses ein-

sehen und gegebenenfalls Änderungen veran-

lassen. Im Anschluss daran ist kurzfristig mit

der Übersendung durch die Ausschussvorsit-

zende an den GBA zu rechnen.
2376) Mat. 17-35a, R I 5, Hefter 2, Bl. 22.

2377) Mat. 17-52, Bl. 33, E-Mail vom 05.11.2009.

Drucksache 17/7400 – 356 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
- Am 5. März 2010 überbringt Rechtsanwalt

Prof. Dr. M. die von Oberst Klein im Aus-

schuss abgegebene Stellungnahme, die VS-

Geheim eingestuft ist.

- Am 8. März 2010 wird der Aufbau einer BJs-
Akte vorbereitet.

- Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens als
Voraussetzung für Zeugen- und Beschuldig-

tenvernehmungen soll am 12. März 2010 er-

folgen. Gleichzeitig werden der Nachrichten-

offizier und der Storyboard-Führer als Zeu-

gen, Hauptfeldwebel W. und Oberst Klein als

Beschuldigte geladen.

- Die Vernehmungen sollen in der
12. Kalenderwoche (22. bis 26. März 2010) in

den Diensträumen des GBA stattfinden.

- Für die Auswertung der Vernehmungen und
die Fertigung der Abschlussverfügung ist –
auch unter Berücksichtigung der Osterferien –
ein Zeitbedarf von zwei Wochen anzusetzen.

Bis dahin sollten auch die noch ausstehenden

Protokolle des Untersuchungsausschusses und

alle erbetenen Zulieferungen des Einsatzfüh-

rungskommandos und des Bundesministe-

riums der Verteidigung vorliegen.

- Mit der Bekanntgabe der Entscheidung ist da-
her in der 15. oder 16. Kalenderwoche (12. bis

23. April 2010) zu rechnen.“2378

Dieser Zeitplan wurde eingehalten. Hinweise auf ergän-

zende Beweiserhebungen – etwa aufgrund sich aus den
Vernehmungen oder den übersandten Dokumenten erge-

bender weiterer Ermittlungsansätze – finden sich nicht.
Beeindruckend knapp ist insbesondere der für die Aus-

wertung der erhobenen Beweise und die Formulierung der

Einstellungsverfügung angesetzte „Zeitbedarf von zwei
Wochen“.

Schon am 16.04.2010 stellte die Bundesanwaltschaft das

fünf Wochen zuvor erst eingeleitete Ermittlungsverfahren

gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. wieder ein.

b) Verletzung des Amtsermittlungsgrund-
satzes

Die gesamte Behandlung der Angelegenheit durch die

deutschen Strafverfolgungsbehörden ist bereits in forma-

ler Hinsicht bemerkenswert – wenn nicht merkwürdig.

Verfahrensgegenstand war die vorsätzliche Tötung einer

großen Zahl von Menschen. Kämen bei einer Schießerei

auf einem belebten Bahnhofsvorplatz in Deutschland 100

bis 200 Menschen ums Leben, hätte das die sofortige

Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen eines Tö-

tungsdelikts, die Beantragung von Haftbefehlen und einen

enormen Ermittlungsdruck zur Folge. Für die Tötung

einer so großen Anzahl von Menschen durch Bundes-
2378) Dokument 195, Bl. 384 f.

wehrangehörige in Afghanistan galt das offensichtlich

nicht.

Erst im Frühjahr 2010 – ein halbes Jahr nach dem Luft-
angriff in Kundus – waren endlich Ermittlungsaktivitäten
der Bundesanwaltschaft zu verzeichnen. Auch dabei wur-

de aber nur ein Minimalprogramm abgearbeitet, das nicht

geeignet ist, den Eindruck zu verwischen, hier seien bloße

pro forma-Ermittlungen ohne ernsthafte Auseinanderset-

zung mit den Beweisergebnissen geführt worden.

Vernommen wurden gerade einmal vier Personen: Oberst

Klein und der JTAC Hauptfeldwebel W. als Beschuldigte,

der J2X der Task Force 47, Hauptmann N., und der story-

board writer der Task Force 47, Hauptfeldwebel V., als

Zeugen. Alle vier Personen hatten sich zum Zeitpunkt des

Luftangriffs in der Operationszentrale der Task Force 47

aufgehalten, waren also immerhin – neben den Besat-
zungsmitgliedern der F15-Bomber und den vom Luftang-

riff getroffenen Personen auf der Sandbank – die tatnäch-
sten Personen.

Sie waren allerdings auch sämtlich an der Operation be-

teiligt, als solche bereits Beschuldigte oder – wie die als
Zeugen vernommenen N. und V. – jedenfalls als Teilneh-
mer selbst potentiell tatverdächtig und damit weit davon

entfernt, „neutrale Zeugen“ zu sein. Nötig gewesen wäre
es daher, diese Personen aufmerksam und kritisch zu

vernehmen, mögliche Widersprüche herauszuarbeiten und

ihre Angaben anhand aller anderen greifbaren Erkenn-

tnismittel zu überprüfen.

Das hätte auch bedeutet, weitere Personen zum (Vor-)

Tatgeschehen und Nachtatverhalten zu vernehmen (un-

geachtet der Tatsache, dass diese Beweise ohnehin so

schnell wie möglich nach dem Luftangriff hätten erhoben

werden müssen, um zu verhindern, dass die Zeugen bis zu

ihrer Vernehmung bereits wesentliche Teile ihrer Wahr-

nehmungen wieder vergessen hatten), also:

– die Mitglieder des Field HUMINT Team der
Task Force 47, die in der Operationszentrale ein- und

ausgingen und in Kontakt mit dem Informanten stan-

den;

– die in der Operationszentrale zeitweilig anwesenden
BND-Mitarbeiter zu ihren Wahrnehmungen im Vor-

feld des Bombenangriffs;

– den von der Task Force 47 einsetzten Sprachmittler,
der z. B. hätte berichten können, welche Fragen er

nach den Vorgaben aus der Operationszentrale an den

Informanten stellen sollte und welche Informationen

er von diesem erhalten und weiterkommuniziert hat-

te;

– weitere Angehörige des PRT Kundus zu ihren Wahr-
nehmungen am Abend vor dem Luftangriff und in-

sbesondere in den Stunden und Tagen danach: z. B.

wie sich die in der Operationszentrale der

Task Force 47 agierenden Personen zur Durchfüh-

rung des Luftangriffs, ihren Wahrnehmungen und ih-

ren Beweggründen geäußert hatten;
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 357 – Drucksache 17/7400

– den Feldjägerführer, der den Feldjägerbericht verfasst
hatte, zu der Frage, was er anlässlich seines Auf-

enthalts im PRT Kundus – auch von Dritten – über
die Hintergründe des Luftangriffs erfahren hatte und

wie sich die involvierten Personen nach seiner Kenn-

tnis dazu verhielten.

Ferner hätte z. B. auch versucht werden müssen, die afg-

hanischen Zeugen, hier besonders den überlebenden

Tanklastzugfahrer, sowie weitere ausländische Zeugen,

den Informanten der Task Force 47, die Besatzungsmitg-

lieder der F15-Bomber sowie des B1-Bombers, die in der

Flugleitzentrale, im OCC-P und im Headquarter RC

North eingesetzten Personen zu vernehmen, auch wenn

hierzu der Weg internationaler Rechtshilfe hätte beschrit-

ten werden müssen.

Und schließlich wäre es geboten gewesen, Ermittlungen

dazu anzustellen, wie viele Menschen durch den Luftang-

riff getötet und verletzt worden waren und wie viele Zi-

vilpersonen sich darunter befanden.

Es ist nicht ersichtlich, dass seitens der Bundesanwalt-

schaft eine angemessene Auseinandersetzung mit der

Frage der Glaubhaftigkeit der Angaben der wenigen ver-

nommenen Personen, insbesondere der Angaben von

Oberst Klein, des JTAC Hauptfeldwebel W. und des J2X

Hauptmann N., erfolgte. Dass alle vier bei der Bundesan-

waltschaft vernommenen Personen, die Beschuldigten

ebenso wie die Zeugen, ein Interesse daran hatten, ihre

eigenen (potentiellen) Tatbeiträge so harmlos wie möglich

darzustellen – und sich ggf. auch gegenseitig zu schützen
oder sich gegenseitig Verantwortung zuzuschieben –,
liegt auf der Hand und hebt sich auch nicht in einem qua-

si-mathematischen Prozess gegeneinander auf.

Dennoch wurden weder die zahlreich vorhandenen Wi-

dersprüche in den Angaben dieser vier Personen aufgear-

beitet, noch die Widersprüche, die sich zwischen diesen

Angaben und weiteren der Bundesanwaltschaft vorlie-

genden Erkenntnissen ergaben, etwa den dem

COM ISAF-Bericht beigefügten Verschriftlichungen der

Befragungen von über 30 Personen, die zu ihren Kenn-

tnissen über den Luftangriff vom 04.09.2009 angehört

worden waren. Allein aus den Angaben der Besatzungs-

mitglieder des B1-Bombers sowie der F15-

Bomberflugzeuge ergeben sich deutliche Anhaltspunkte

dafür, dass der Sachverhalt sich stark von dem unter-

schieden haben könnte, was die Beschuldigten und Zeu-

gen gegenüber der Bundesanwaltschaft schilderten.

Die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Angehörigen des

PRT Kundus und der Task Force 47 wurde seitens der

Bundesanwaltschaft scheinbar schlicht nicht hinterfragt,

was sich bereits am Fehlen kritischer oder konfrontativer

Nachfragen in den protokollierten Vernehmungen zeigt.

c) Materiellrechtliche Fehlbewertung als
Grundlage der Verfahrenseinstellung
durch die Bundesanwaltschaft

Der äußerst bedenkliche, wenn nicht bereits rechtsstaats-

widrige, strafverfahrensrechtliche Umgang mit dem Luft-

angriff vom 04.09.2009 wird flankiert von einer materiell-

strafrechtlichen Bewertung des Geschehens, die eine

adäquate Problemsicht vermissen lässt.

Materiell-strafrechtliche Kreativität und ein besonderer

Verfolgungswille lassen sich den Strafverfolgungsbehör-

den in diesem Verfahren, in dem es um die gezielte Tö-

tung einer großen Zahl von Menschen ging, nicht unters-

tellen – im Gegensatz etwa zu Ermittlungsverfahren, in
denen Beschuldigten vorgeworfen wird, Sachbeschädi-

gungen an Rüstungsgütern begangen oder dazu aufgeru-

fen zu haben.

Die Bundesanwaltschaft kommt in ihrer Einstellungsver-

fügung vom 16.04.2010 zu dem soweit ersichtlich zutref-

fenden Ergebnis, der Luftangriff vom 04.09.2009 sei

tatbestandlich als Mord mit gemeingefährlichen Mitteln

zu bewerten. Präzise Feststellungen zur absoluten Zahl

der Opfer gibt es nicht, fest steht aber, dass ein großer

Teil der Opfer Zivilisten waren.

Weiter nimmt die Bundesanwaltschaft – unzutreffend –
an, dieses den Tatbestand eines Tötungsdelikts erfüllende

Handeln der Beschuldigten sei nicht rechtswidrig, in

diesem Fall also nicht strafbar.

Die Bundesanwaltschaft legt dabei die – grundsätzlich
vertretbare – Rechtsauffassung zugrunde, ein strafrechtli-
cher Rechtfertigungsgrund, der die Rechtswidrigkeit eines

Verhaltens entfallen lasse und damit zur Straffreiheit

führe, könne sich nicht allein aus dem nationalen Recht,

also z. B. dem deutschen Strafgesetzbuch, ergeben, son-

dern auch aus übergeordneten Rechtsprinzipien abgeleitet

werden, hier: dem humanitären Völkerrecht. Dahinter

steht der Gedanke, dass ein Verhalten, das rechtlich an

sich zulässig ist, nicht strafbar sein kann.

Fehlerhaft ist aber die Anwendung dieses Prinzips auf den

konkreten Fall: Die Bundesanwaltschaft stützt ihre Ein-

stellungsverfügung nämlich auf die Annahme, der Luft-

angriff vom 04.09.2009 sei sowohl in Hinblick auf die

Tötung von Aufständischen Kämpfern als auch in Bezug

auf die Tötung und Verletzung einer Vielzahl von Perso-

nen aus der Zivilbevölkerung völkerrechtlich zulässig

gewesen. Und nur aufgrund dieser rechtlich unzutreffen-

den Bewertung gelangt sie zu ihrem Ergebnis, der Luft-

angriff sei strafrechtlich gerechtfertigt gewesen und das

Verhalten der Personen in der Operationszentrale der

Task Force 47 damit im Ergebnis nicht strafbar.

Zu dieser Einschätzung konnte die Bundesanwaltschaft

allerdings nur gelangen, indem sie die Angaben der Be-

schuldigten zum Teil ausblendete, zum Teil einseitig

wertete, und entscheidende Prinzipien des humanitären

Völkerrechts unberücksichtigt ließ. Dass der Luftangriff

in Kundus völkerrechtlich nicht erlaubt gewesen war,

wurde oben S. 335 f. (Teil 4, Abschnitt B.II.2.) ausführ-

Drucksache 17/7400 – 358 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lich begründet. In der Konsequenz liegt ein Verstoß gegen

zwingende völkerrechtliche Schutzvorschriften vor –
Durchführung eines Luftangriffs ohne wirksame War-

nung, die Zivilpersonen erlaubt hätte, sich vom Angriffs-

ort zu entfernen –, der ursächlich für die Tötung einer
Vielzahl von Zivilpersonen auf der Sandbank im Kundus-

Fluss gewesen war.

Ein völkerrechtswidriges Verhalten kann aber – entspre-
chend des gerade dargelegten Grundsatzes – nicht als
Grundlage der Ableitung eines aus dem humanitären

Völkerrecht entnommenen strafrechtlichen „Rechtferti-
gungsgrundes“ in Hinblick auf die Tötung einer Vielzahl
von Zivilisten, die gerade in Folge dieses Rechtsverstoßes

umkamen, herangezogen werden (weil das humanitäre

Völkerrecht das Vorgehen der Bundeswehrangehörigen

eben nicht erlaubte).

Die Annahme der Bundesanwaltschaft, das Verhalten der

Personen in der Operationszentrale der Task Force 47 in

der Nacht des 04.09.2009 sei nicht strafbar, weil ein

Rechtfertigungsgrund greife, lässt sich daher noch nicht

einmal auf Basis der von der Bundesanwaltschaft selbst

herausgearbeiteten Prämissen halten.

d) Einflussnahme der Bundesregierung

Eine direkte Einflussnahme der Bundesregierung auf den

Gang und das Ergebnis der Ermittlungen sowie die rech-

tliche Bewertung der Bundesanwaltschaft ist mittels der

dem Untersuchungsausschuss zugänglich gemachten

Beweismittel nicht nachweisbar.

Der Umgang mit diesem Verfahren durch einem Landes-

justizministerium und dem Bundesjustizministerium un-

mittelbar unterstellte Strafverfolgungsbehörden offenbart

aber, dass es – mindestens – eine deutliche, politisch
determinierte gesellschaftliche Stimmungslage in der

BRD gibt, die den Ermittlungsbehörden vermittelte, dass

eine allzu gründliche, den Bundeswehreinsatz in Afgha-

nistan in ein ungünstiges Licht stellende Suche nach der

strafprozessualen Wahrheit unerwünscht ist.

III. „Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode
gekommene Mensch … einer zu viel“

2379
Gegenstand des Untersuchungsauftrags ist es nicht nur,

festzustellen, ob der Luftangriff vom 04.09.2009 regel-

konform war – diese Frage wurde gerade im vorangegan-
genen Abschnitt II. verneint –, sondern auch, welche
Lehren daraus zu ziehen sind.

1. Kein effektiver Schutz der Zivilbevölkerung
im bewaffneten Konflikt

Gegenstand und Zielvorgabe des humanitären Völker-

rechts ist u. a. der Schutz der Zivilbevölkerung im Krieg.
2379) Regierungserklärung Bundeskanzlerin Dr. Merkel vom

08.09.2009, BT-PlPr. 16/233 (Dokument 6), S. 26298.

Selbst die Einsatzregeln der ISAF-Truppen schenken

allen erdenklichen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbe-

völkerung große Aufmerksamkeit. General McChrystal in

seiner damaligen Funktion als ISAF-Kommandeur hatte

im Juli 2009 eine Tactical Directive herausgegeben, in der

er – getreu dem Ziel, „die Bevölkerung zu gewinnen“, um
den Krieg zu gewinnen – spezifische Vorgaben zu einem
schonenderen Umgang mit der Bevölkerung formulierte,

um die Zahl bei Einsätzen der ISAF-Kontingente getöte-

ter Zivilisten zu senken.

Die Bundeswehrangehörigen werden vor ihrem Afghanis-

taneinsatz Schulungen unterzogen und dabei sowohl über

die Einsatzregeln unterrichtet als auch über die Regeln

des humanitären Völkerrechts. Zu Gunsten der Bundes-

wehr ist zu unterstellen, dass alles getan wird und wurde,

um die Soldaten – insbesondere Kommandeure wie
Oberst Klein – mit allen für Einsätze im Rahmen des
ISAF-Mandates voraussichtlich relevanten rechtlichen

Aspekten vertraut zu machen.

Dennoch hat Oberst Klein durch sein Verhalten gezeigt,

dass er weder damit vertraut war, dass das humanitäre

Völkerrecht unter den gegebenen Umständen – und zwar
sogar den von Oberst Klein selbst erkannten, nämlich der

Anwesenheit von „Sympathisanten“ bzw. „Unterstützern“
der Aufständischen – einen Angriff ohne Vorwarnung
klar verbot, noch, dass die ISAF-Einsatzregeln es ihm per

se schon nicht erlaubten, einen Angriff wie den von ihm

befohlenen ohne Einbindung seiner Vorgesetzten bzw.

ohne vorherige Durchführung eines Verfahrens zur dy-

namischen Zielzuweisung durch höherrangige ISAF-

Stellen anzufordern. Dass Oberst Klein bei der Anwen-

dung der relevanten Rules of Engagement (ROE) unzu-

reichende Kenntnisse der Einsatzregeln offenbarte, wurde

ihm vom ISAF Joint Investigation Board attestiert.
2380

Oberst Klein musste im Untersuchungsausschuss eben-

falls einräumen, dass er keine Ahnung von den Regeln der

dynamischen Zielzuweisung hatte.
2381

Es bleibt das traurige Fazit, dass durch die falsche und

fehlerhafte Entscheidung zur Bombardierung durch

Oberst Klein mehr als 100 Zivilisten ihr Leben, Familien

ihre Väter und Söhne verloren haben. Nicht unerwähnt

bleiben sollte, dass der Kampf der betroffenen Familien

um Entschädigungsleistungen nicht unmaßgeblich da-

durch erschwert wird, dass Oberst Klein im Anschluss an

den von ihm rechtswidrig befohlenen Luftangriff das

gebotene Battle Damage Assessment unterließ.

Es erscheint mehr als zweifelhaft, ob eine „bessere“ Aus-
bildung oder eine „klarere“ Formulierung von Regelun-
gen etwas daran hätten ändern können, dass Oberst Klein

dieses Bombardement befahl. Das humanitäre Völker-

recht und die auf seine Einhaltung gerichteten Einsatz-

vorgaben des ISAF-Regelwerks sind die offiziellen

Grundlagen der Kriegsführung in Afghanistan, und den-

noch wird immer wieder dagegen verstoßen. Das mag
2380) Vgl. hierzu Teil 2, D.II.6. a.E. sowie Mat. 17-22a, GI Schneider-

han Ordner 3, Bl. 267.

2381) Vgl. oben S. 332 (Teil 4, B.II.1.a)).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 359 – Drucksache 17/7400

auch mit menschlicher Unzulänglichkeit zu tun haben,

mehr noch aber mit der Einsatzwirklichkeit. Daher ist die

Lektion, die sich aus diesen Vorgängen erlernen lässt die,

dass es nicht möglich ist, einen „sanften“ Krieg zu führen.
Die größten Opfer beim Einsatz von Kriegswaffen bringt

stets die Zivilbevölkerung, zumal in den mehr und mehr

technisierten militärischen Engagements der Moderne.

Daher sind deutsche Beteiligungen an solchen Krieg-

seinsätzen abzulehnen.

2. Keine Wiedergutmachung für die Opfer

Die Opfer des Luftangriffs wurden – soweit bekannt – bis
heute von der Bundesregierung nicht adäquat entschädigt.

Auf großen öffentlichen Druck hin hatte die Bundesregie-

rung zunächst lediglich ein sog. „Soforthilfeprogramm“
aufgelegt, in dessen Rahmen allerdings nur Dinge des

täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Decken, Öl etc. ver-

teilt wurden. Die Hilfe wurde im Frühjahr 2010 an 1.200

Personen ausgeliefert. Grundlage für die Verteilung war-

en – unter anderem, aber nicht ausschließlich, denn die
Bundesregierung betonte ausdrücklich, diese Hilfe stehe

in keinem Zusammenhang mit dem Luftangriff vom

04.09.2009 – die von der Zeugin Dr. Erfan im Untersu-
chungsausschuss genannten Listen von Opfern aus sechs

Dörfern.

Im Sommer 2010 – kurz vor dem Jahrestag des Luft-
schlags und nachdem Verhandlungen mit Rechtsanwälten

der Opfer medienwirksam für gescheitert erklärt worden

waren – teilte die Bundesregierung mit, an 86 Familien
von Opfern des Luftangriffs vom 04.09.2009 seien je-

weils 3.800 Euro gezahlt worden. Ermittelt worden waren

die Empfänger dieser Zahlungen auf Basis einer Aufstel-

lung der afghanischen Menschenrechtskommission

AIHRC. Das Bundesverteidigungsministerium versäumte

aber nicht, sogleich wieder ausdrücklich darauf hinzuwei-

sen, es handele sich hierbei nur um eine „freiwillige hu-
manitäre Hilfsleistung“ und das Geld stelle keine „Ent-
schädigung im Rechtssinne“ für die Verletzten und die
Angehörigen der Toten des Luftangriffs dar.

Weder wurde danach differenziert, wie viele Opfer eine

einzelne Familie zu beklagen hatte, noch wer die Opfer

waren (d.h. welche Funktion sie im Familienverband

hatten und wie viel Anteil sie z. B. bis zum Luftschlag an

der Erwirtschaftung des Lebensunterhalts gehabt hatten),

noch ob die Opfer getötet oder verletzt worden waren

bzw. wie schwerwiegend ihre Verletzungen waren. Eine

Opferfamilie, die mehrere Angehörige verloren hatte,

erhielt genau so viel, wie eine Familie, die „nur“ ein ver-
letztes Opfer zu beklagten hatte. Jede Familie erhielt

„pauschal“ diese 3.800 Euro. Allerdings nicht in bar. Der
Betrag wurde bei einer afghanischen Bank hinterlegt, und

es hieß, die Angehörigen hätten jeweils Zugriff auf ein

personalisiertes Konto – was bedeutete, dass in den meis-
ten Fällen tatsächlich jeweils nur ein männliches Fami-

lienoberhaupt an das Geld gelangen konnte, was wiede-

rum bedeutete, dass nicht gewährleistet war, dass die

Witwen genug von der „freiwilligen humanitären Hilfs-
leistung“ erhielten, um ihre Familien ernähren zu können.

Eine angemessene (oder auch nur als Entschädigung be-

zeichnete) Schadensersatzleistung haben die Opfer bzw.

die Angehörigen der Opfer von der deutschen Bundesre-

gierung also nicht erhalten. Um einen Zufall dürfte es sich

dabei nicht handeln. Die Bundesregierung ist ganz offen-

bar verzweifelt bemüht, in keinem Fall eine Rechtspflicht

zur Gewährung von Entschädigungsleistungen anzuer-

kennen und damit ein Fehlverhalten von Angehörigen der

Bundeswehr oder des Bundesverteidigungsministeriums

einzuräumen.

Die Gründe dafür erschließen sich aus einem sowohl an

Verteidigungsminister Guttenberg als auch an die Staats-

sekretäre Dr. Wichert und Wolf adressierten Vermerk aus

der Rechtsabteilung des Bundesverteidigungsministe-

riums vom 24.11.2009 zu „Staatlichen Haftungsfragen im
Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ und
einer aufgehefteten handschriftlichen Notiz, die sich unter

den Akten aus dem Büro des Staatssekretärs im Bundes-

verteidigungsministerium Wolf fanden. Der Vermerk vom

24.11.2009 befasste sich mit der Frage, inwieweit sich aus

dem Luftschlag in Kundus für Geschädigte individual-

rechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Bundesre-

publik Deutschland ergeben könnten, entweder – nach
deutschem innerstaatlichen Recht – in Anknüpfung an
Amtspflichtverletzungen deutscher Soldaten oder, ent-

sprechend der Argumentation der Beschwerdeführer im

noch beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfah-

ren wegen des NATO-Luftangriffs vom 30.05.1999 auf

die Brücke von Varvarin, aus Normen des Völkerrechts.

In Ziffer 25 des Vermerks vom 24.11.2009 wird – ersich-
tlich zur Risikominimierung – dazu geraten, „eine gütli-
che Einigung mit Hilfe sog. ex gratia payments“, also
Zahlungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, anzust-

reben.
2382

Die aufgeheftete handschriftliche Anmerkung hierzu

lautete:

„1) Rechtl., auch außergerichtliche Einigung
kommt m.E. zum jetzigen Zeitpunkt nicht in

Betracht (neben den rechtl. Gründen des

Vermerks auch Schutz O. Klein im laufenden

Prüfungsverfahren Bundesanwaltschaft).

2) Daher ist zu prüfen, ob gütl. Einigung (vgl.

Ziff. 25) ohne präjudizierende Wirkung mög-

lich und auf welchem Wege dies sinnvoll er-

scheint (wie haben wir das bisher – erfolg-
reich – gemacht?)“.2383

Das Handeln im Bundesverteidigungsministerium war

also in jeder Hinsicht darauf konzentriert, alles zu ver-

meiden, was darauf hinweisen könnte, der Luftangriff von

Kundus könne unter irgendeinem Gesichtspunkt pflicht-

widrig gewesen sein – und damit sowohl Oberst Klein vor
2382) Mat. 17-42, Büro StS Wolf, Ordner 7, Bl. 140 ff., 143.

2383) Mat. 17-42, Büro StS Wolf, Ordner 7, Bl. 140 ff., 143.

Drucksache 17/7400 – 360 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Strafverfolgung zu schützen, als auch die Bundesrepublik

vor der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.

Die Interessen der Opfer mussten angesichts dieser

Schwerpunktsetzung bislang zurücktreten.

Oberst Klein hingegen wurde etwa ein Jahr nach dem

Befehl zur Bombardierung der Tanklastzüge von der

Bundesregierung sogar faktisch für sein Vorgehen be-

lohnt. Er wurde in die Besoldungsstufe B3 befördert,
2384

erhält so monatlich 600 Euro mehr und wechselt in den

Führungsstab des Heeres im Bundesverteidigungsministe-

rium in Bonn. Wie sehr das Verteidigungsministerium

darum bemüht ist, negative Auswirkungen der öffentli-

chen Debatte und der (wenn auch nur oberflächlichen)

juristischen Aufarbeitung des Tanklastzugbombardements

auf die Einsatzmoral der Truppe zu vermeiden, erläuterte

Staatssekretär Christian Schmidt auf Nachfragen der

Abgeordneten Christine Buchholz in der Fragestunde des

Bundestages am 06.10.2010:

„Ihre schwierige Tätigkeit [Anm.: die Tätigkeit
von Soldaten im Auslandseinsatz] bringt auch mit

sich, dass man unter Umständen – Sie haben den
Bundesminister zitiert – nicht angemessen handelt
und doch schnell handeln muss. Wenn eine indi-

rekte Bestrafung durch Gehaltsabzug möglich wä-

re, dann würden unsere Soldaten – diesen Ein-
druck habe ich – ein hohes Maß ihrer Motivation
verlieren, den gefährlichen Dienst, in den wir sie

stellen, dann nicht nur nach Auftrag und Recht,

sondern auch mit einem inneren Engagement zu

erledigen.“2385

Der Einsatzfähigkeit oder konkret der Kampfmoral der

Truppe wird vom Bundesverteidigungsministerium also

eindeutig der Vorrang eingeräumt vor einer rechtsstaatli-

chen Aufarbeitung der Vorgänge.

3. Das Gesicht des Krieges

Der Luftschlag von Kundus ist auch eine Mahnung, ge-

nauer hinzusehen, was der Krieg in Afghanistan für die

Bevölkerung dieses Landes gebracht hat.

Die beiden Abgeordneten der Bundestagsfraktion DIE

LINKE. und Mitglieder im Untersuchungsausschuss,

Christine Buchholz und Jan van Aken, sind im Februar

2010 auf einer Reise nach Afghanistan auch mit Angehö-

rigen von Opfern des Luftangriffs von Kundus zusam-

mengekommen. Diese haben ihnen berichtet, welche

Folgen der Luftangriff für ihr Leben und das ihrer Fami-

lien hatte. Die Witwe L. z. B. hat ihre beiden 13 und 15

Jahre alten Söhne durch den Bombenangriff verloren.

Beide hatten sie dabei unterstützt, die Familie zu versor-

gen, der eine kümmerte sich um die Kuh der Familie, der

andere bestellte das Feld. L. muss jetzt auch diese Arbei-

ten allein erledigen, sie ist auf Leihgaben der Verwandten

angewiesen und kann ihre fünf weiteren kleinen Kinder

kaum ernähren. Eine alte Frau namens B. hat bei dem
2384) BT-PlPr. 17/64, S. 6738.

2385) BT-PlPr. 17/64, S. 6739.

Luftschlag drei ihrer Enkelkinder verloren. Beim Treffen

mit den Bundestagsabgeordneten weinte sie und klagte:

„Wäre ich nicht arm, hätten wir kein Benzin ge-
braucht.“

Nur 20 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Landes

in Afghanistan werden bebaut. 85 Prozent der Bevölke-

rung sind Bauern, aber 70 Prozent von ihnen haben keine

Arbeit. Die Situation der Menschen in der Hauptstadt

Kabul ist kaum besser. Die Stadt ist gezeichnet vom

Krieg. Viele Gebäude sind zerstört, nur ein Teil der Stra-

ßen ist befestigt. Eine schmutzige Dunstglocke hängt über

der Stadt. In Müllhaufen kann man Schafherden sehen,

die Unrat fressen. Auf den Straßen sind viele Kriegsver-

letzte.

Die Lage in Afghanistan spiegelt sich auch in den Aussa-

gen der von dort angereisten Zeugen Dr. Habibe Erfan

und A. M. vor dem Untersuchungsausschuss. Der Zeuge

A. M., Fahrer eines der beiden bombardierten Tanklaster,

entgegnete auf die Frage, ob er auch nach seinen trauma-

tischen Erlebnissen vom 03./04.09.2009 noch Tanklaster

durch Afghanistan fahre:

„In Afghanistan gibt es ja keinen Beruf mehr.
Entweder ist man Lastwagenfahrer, oder man ist

am Bau tätig, oder man muss ein Gewehr nehmen

und mit Gewehren sein Geld verdienen. Mehr be-

rufliche Tätigkeit gibt es nicht. Für mich gibt es al-

so diese Lastwagenfahrtätigkeit.“2386

Die Zeugin Dr. Erfan äußerte sich gegenüber den Mitg-

liedern des Untersuchungsausschusses zu den Nöten gro-

ßer Teile der Bevölkerung und erklärte, die Menschen

seien zu den später von ISAF bombardierten Tanklastern

gekommen, weil sie das Benzin aus den Tanks dringend

benötigt hätten:

„Sie sind wegen des Benzins dort hingegangen.
Die Leute sind sehr arm, und das war dann eine

gute Gelegenheit, etwas Benzin abzuzapfen.“2387

Mit ihren Recherchen zum Luftangriff von Kundus setzte

Frau Dr. Erfan sich in Widerspruch zur offiziellen Linie

der von ISAF unterstützten afghanischen Regierung:

„Wir sind also Aktivisten in diesem Land. (…)
Wir haben dann auch mit GTZ und anderen inter-

nationalen Organisationen unsere Zusammenarbeit

fortgesetzt. Wir (…) konnten in die Lage versetzt
werden, uns in den Provinzrat wählen zu lassen.

Viele Frauen in der Provinz Kunduz und viele

Menschen haben uns gewählt, sodass wir auch ins

afghanische Parlament kommen konnten.

(…)

Unsere Aktivitäten haben dazu geführt, dass nach

der Bombardierung in Kunduz einige Leute, die

durch das Bombardement betroffen waren, zu uns

gekommen waren und natürlich dann ihr Anliegen
2386) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 20.

2387) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 7.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 361 – Drucksache 17/7400

vorgetragen haben. Man hat uns erzählt, dass viele

Frauen durch dieses Bombardement Witwen ge-

worden sind und dass sie jetzt eine sehr schwierige

Lage haben.

(…)

Wir haben dann in der Zwischenzeit erfahren, dass

viele Zivilisten und auch Leute, die Kämpfer war-

en, getötet worden sind. Aber die afghanische Re-

gierung hat behauptet, auch die lokale Regierung

hat behauptet, dass in Kunduz die Zivilbevölke-

rung nicht getötet worden ist, sondern es waren

Kämpfer und Oppositionelle, die in diesem Bom-

bardement getötet worden sind. Aber die Bevölke-

rung dort war Zeuge. Die Krankenhäuser sind voll.

Sie haben als Augenzeugen gesehen, dass viele

Leute, Zivilbevölkerung, getötet worden sind und

dass sie auch in Krankenhäuser gebracht wurden

und ein Teil von ihnen auch im Krankenhaus ge-

storben ist.

(…)

Wir haben uns zusammengetan gegen die afghani-

sche Regierung, um die Wahrheit zu erfahren.

Aufgrund unserer Aktivitäten war es, dass die lo-

kale Regierung in Kunduz ihre Stellungnahme zu-

rücknahm und dann eine Version der Geschichte

erzählte. Und dann kam es zu einer anderen An-

zahl, zu einer anderen Statistik der getöteten Men-

schen. Da die Bevölkerung selber Zeuge war, wie

viele Menschen dort getötet worden sind, war sie

unzufrieden, dass die Wahrheit nicht ans Tages-

licht kommt.“2388

Frau Dr. Erfan reagierte im Untersuchungsausschuss sehr

zurückhaltend auf Fragen nach den Taliban und politi-

schen Fragen im Allgemeinen, und bestätigte, dass dies

damit zusammenhänge, dass sie sich Bedrohungen ausge-

setzt sah:

„Ja. Mehrmals sind wir bedroht worden. Wir ha-
ben diese Bedrohung angenommen. Auch jetzt

könnten uns Gefahren drohen.

(…)

Auch jetzt hier gegenwärtig habe ich Angst. Wäh-

rend der Wahlkampagnen bekam ich Drohungen.

Man sagte, ich solle meine Kinder nehmen und

weggehen. Es gab permanent Drohungen. Kann

sein, dass ich, wenn ich zurückkehre, nicht in

Kunduz lebe, sondern vielleicht in Kabul leben

werde aufgrund der Gefahren.“2389

Nicht mehr nur aufgrund ihrer politischen Aktivitäten und

ihrer Menschenrechtsarbeit für die NGO Afghan Women

and Gender Rights Protection Organisation, sondern auch

mit ihren Nachforschungen über den Luftschlag war sie

sowohl der Regierung als auch den Taliban ein Dorn im

Auge geworden. Die Situation hat sich tatsächlich in der
2388) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 3.

2389) Dr. Erfan, Protokoll-Nr. 35, Teil I, S. 18.

Zwischenzeit so verschärft, dass Frau Dr. Erfan Kundus

verlassen musste.

Für die meisten Menschen in Afghanistan bedeutet der

Krieg extreme Armut, Vertreibung, und Gefahr für Leib

und Leben. Hunderttausende befinden sich auf der Flucht.

Unter dem Krieg leiden besonders die afghanischen Frau-

en. Lediglich wohlhabende Frauen leben heute zum Teil

besser, so wie insgesamt vor allem eine kleine wohlha-

bende Schicht von der Präsenz der ISAF-Truppen profi-

tiert.

Für die Mehrheit der Menschen in Afghanistan hat sich

die soziale Lage dagegen nicht nachhaltig verbessert, sie

bleibt für Viele unerträglich. Über 80 Prozent der Bevöl-

kerung leben in absoluter Armut auf dem Land. Laut

medico international sind 50 bis 70 Prozent der erwerbs-

fähigen Afghanen ohne regelmäßiges Einkommen. Ein

Großteil der Bevölkerung hat – wenn überhaupt – nur
wenige Stunden am Tag Zugang zu elektrischem Strom,

die Situation ist damit sogar gegenüber der noch vor we-

nigen Jahren herrschenden schwieriger geworden. Selbst

in der Hauptstadt Kabul sind die Probleme mit der Trink-

wasserversorgung und Entsorgung von Abwässern drama-

tisch. Die Bevölkerung hat sich dort in den letzten Jahren

auf fünf Millionen verzehnfacht, aber die Stadt hat kein

Abwassersystem.

Dass eine nachhaltige Entwicklung nicht in Gang ge-

bracht wurde, hängt elementar damit zusammen, dass die

Wirtschaftspolitik der afghanischen Regierung unter dem

Druck der westlichen „Berater“ vor allem darauf ausge-
richtet wurde, Afghanistan dem kapitalistischen Welt-

markt zu öffnen. Die neoliberale Ideologie, wonach Glo-

balisierung und Marktöffnung per se heilsbringend seien,

wurde dem Land übergestülpt und in praktische Politik

übersetzt. Investitionsschutzabkommen garantieren aus-

ländischen Unternehmen den unbeschränkten Zugang zu

den afghanischen Märkten und begrenzen das finanzielle

Risiko durch Zollreduzierungen, Steuerbefreiungen, Pri-

vatisierungen von Staatsbetrieben bei gleichzeitigem

Verbot von Enteignungen. Der Schutz ausländischen

Kapitals ist Ziel der afghanischen Verfassung. Eine ei-

genständige wirtschaftliche Entwicklung des Landes

bleibt so auf der Strecke.

Afghanistan ist Spielball der Interessen der NATO-

Staaten. Die Afghanen bezahlen den Preis für die geostra-

tegisch bedeutsame Lage ihres Landes. Es grenzt an den

russisch dominierten Raum im Norden, an China im Os-

ten, die Erdölregion vom Kaspischen Meer über Iran bis

Saudi-Arabien im Westen und an die Konfliktzone zwi-

schen Indien und Pakistan im Süden. Wer diesen Raum

kontrolliert, der hat Verfügungsmacht über wichtige

Quellen des Reichtums, der hat auch entsprechendes

politisches Gewicht. In den zentralasiatischen Ländern

Kasachstan und Turkmenistan liegen einige der größten

Öl- und Gasfelder, die in den letzten Jahren entdeckt

wurden. Diese Energieressourcen müssen über Pipelines

in die Abnehmerländer gebracht werden. Afghanistan ist

auch in dieser Hinsicht ein wichtiges Transitland. Darüber

hinaus wollen die USA und führende NATO-Staaten

Drucksache 17/7400 – 362 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Stärke gegenüber den konkurrierenden Wirtschaftsmäch-

ten China und Indien zeigen. Die Bundesregierung hofft

zudem, als drittgrößter Truppensteller die Bedeutung

Deutschlands innerhalb der NATO, der Vereinten Natio-

nen und des Internationalen Währungsfonds zu steigern.

Auch dafür sterben Menschen am Hindukusch.

Große Teile der Bevölkerung lehnen die Regierung des

Präsidenten Karzai ab oder verachten sie sogar. Das ist

auch darauf zurückzuführen, dass es ein hohes Maß an

Korruption und ein erhebliches Demokratiedefizit gibt.

Die Lage der Bevölkerung hat sich seit Kriegsbeginn

kaum zum Positiven gewendet, und in der Regierung

sitzen Minister, die selbst in Kriegsverbrechen, Drogen-

geschäfte und Korruption involviert sind.

Von demokratischen Verhältnissen ist Afghanistan noch

meilenweit entfernt. Hamid Karzai wurde im Jahr 2001

auf einer Konferenz auf dem Bonner Petersberg zum

afghanischen Präsidenten ernannt. Unter Karzai herrschen

vielfach noch dieselben Kriegsfürsten, die die Afghanen

in den 1990er Jahren terrorisierten. ISAF wurde aufges-

tellt, um die Regierung Karzai an der Macht zu halten.

Wadir Safi, ein Professor für Internationales Recht an der

Universität Kabul, der den Aufbau des Gerichtswesens in

Afghanistan unterstützt, berichtete den Mitgliedern der

Bundestagsfraktion DIE LINKE. auf ihrer Afghanistan-

reise im Februar 2010 über die 2005 veröffentlichten

Ergebnisse der Untersuchung einer Menschenrechtskom-

mission: Diese hatte aufgezeigt, dass 96 Prozent der Afg-

hanen Opfer derjenigen sind, die jetzt in Afghanistan an

den Schalthebeln der Macht sitzen; 46 Prozent der afgha-

nischen Bevölkerung waren demnach der Auffassung, die

Täter müssten zwar nicht bestraft, aber nachhaltig von der

Macht entfernt werden.

Ohne Gerechtigkeit kein Frieden – das ist die klare Forde-
rung vieler Afghanen, die erreichen möchten, dass nicht

allein die Verbrechen der Taliban im Fokus stehen, son-

dern dass auch die Verbrechen der vorherigen Bürger-

kriegsparteien, deren Vertreter heute in der Regierung

sitzen, aufgearbeitet werden.

Die AFPAK (Afghanistan-Pakistan)-Strategie der US-

Regierung schreibt die Ausweitung des Krieges auf Pakis-

tan fest. Der sog. Counterinsurgency- (COIN-) Ansatz der

NATO, der vorsieht, etwa mit Drohnenangriffen gezielt

die „Köpfe“ des bewaffneten Kampfes zu töten, um so die
Aufständischen zu schwächen, kostet nicht nur weiterhin

viele Opfer unter der Zivilbevölkerung. Er schlägt offen-

bar auch fehl, weil es den Aufständischen bislang nicht

schwer fällt, Ersatz für die getöteten Führungspersonen zu

rekrutieren. Die Bewegung hat weiterhin ausreichend

Zulauf – anzunehmen ist, dass dies nicht zuletzt eine
Folge der Kriegsführungstaktik der NATO ist.

Bundesregierung und NATO kommunizieren die Vorga-

be, zivile Opfer zu vermeiden. Den Militärs gelingt es

aber nicht, Aufständische von Zivilisten zu unterscheiden

– ein Zivilist erscheint den Soldaten daher als potentieller
Aufständischer. Die Haltung der Bundeswehrsoldaten

gegenüber der Bevölkerung ist dementsprechend von

Angst geprägt. Sie ist keine Grundlage für eine Zusam-

menarbeit, die sich an den Bedürfnissen der Menschen in

Afghanistan orientiert. Militärische Aufstandsbekämp-

fung und Schutz der Zivilbevölkerung sind unvereinbar.

Es ist irreführend, von „Ausbildungs- und Schutztruppen“
zu sprechen. Die Schutztruppen sind Kampfsoldaten, die

die anderen in die gefährlichen Gebiete begleiten. Es gibt

kaum noch ungefährliche Gebiete. Die Entsendung von

Schutz- und Kampftruppen durch den Bundestag bedeutet

daher: Entsendung von Kampftruppen, und nichts ande-

res. Auch die überwiegend paramilitärische Polizei in

Afghanistan ist Teil des Krieges und die Mithilfe bei

deren Aufbau mehr als fragwürdig.

Die von der Bundesregierung hochgehaltene Zivilmilitäri-

sche Zusammenarbeit (CIMIC) wird für Afghanistan als

Königsweg aus der Krise dargestellt. Sie hat mit Entwick-

lungshilfe aber nichts zu tun, sondern dient dazu, den

Militäreinsatz zu flankieren.

Zum Zeitpunkt des Luftangriffs verfügte der dem Aus-

wärtigen Amt unterstellte „zivile“ Zweig des PRT Kun-
dus z. B. gerade einmal über drei Mitarbeiter.

2390
Dem

stand ein Kontingent von etwa 1.000 deutschen Soldaten

gegenüber. Der zivile Leiter des PRT, der Vortragende

Legationsrat D., gab im Untersuchungsausschuss zwar an,

sein Kontakt mit dem Kommandeur des PRT, Oberst

Klein, sei regelmäßig gewesen, er habe mit diesem ein

sehr offenes, direktes Arbeitsverhältnis gehabt und auch

an den Lagebesprechungen im PRT teilgenommen.
2391

Über geplante und durchgeführte Operationen des militä-

rischen Strangs wurde er allerdings nicht auf dem Lau-

fenden gehalten – obwohl dies, sofern zivile Wiederauf-
bauaktivitäten tatsächlich stattgefunden hätten, wesentli-

che Informationen gewesen wären, um das Gefährdungs-

potential für zivile Helfer abzuschätzen. Auch in Hinblick

auf den Luftangriff vom 04.09.2009 gab es keinerlei Ini-

tiative der militärischen Führung des PRT, D. unaufge-

fordert über das Ereignis zu informieren. D. schilderte im

Untersuchungsausschuss vielmehr, von dem Luftangriff

habe er am Morgen des 04.09.2009 bei Arbeitsbeginn

durch Medienberichte im Internet erfahren. Daraufhin

habe er Oberst Klein aufgesucht, dieser habe ihm dann „in
aller Kürze bestätigt“, dass es einen Luftangriff auf Tank-
laster gegeben habe.

2392
Von einer gleichberechtigten,

gleichgewichtigen Stellung der zivilen „Zweiglein“ der
PRTs kann also keine Rede sein.

Statt einer Stärkung ziviler Konfliktlösung bedeutet Zi-

vilmilitärische Zusammenarbeit deren Instrumentalisie-

rung für militärische Ziele. Das Militär verschlingt die

meisten Ressourcen und bestimmt immer stärker die

Rahmenbedingungen für zivile Arbeit.
2390) Vgl. Feststellungsteil S. 117 (Teil 2, C.II.2.c)aa)); ausführlicher:

D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 8.

2391) Vgl. Feststellungsteil S. 117 (Teil 2, C.II.2.c)aa)); D., Protokoll-
Nr. 33, Teil I, S. 4.

2392) Vgl. Feststellungsteil S. 117 (Teil 2, C.II.2.c)aa)); D., Protokoll-

Nr. 33, Teil I, S. 4 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 363 – Drucksache 17/7400

Unter den Vorzeichen des Konzepts der „vernetzten Si-
cherheit“ ist der Einsatz deutscher Entwicklungshilfege-
lder an eine Kooperation mit den PRTs gebunden. Die

zunehmende Vermischung von humanitärer Hilfe mit

Aufstandsbekämpfung hat zu einer gestiegenen Bedro-

hung von Hilfsorganisationen geführt. Selbst Projekte in

Taliban-Hochburgen sind nach Erfahrungen von Hilfsor-

ganisationen hingegen effektiv, wenn sie – auch unter
Berücksichtigung des spezifischen regionalen Konfliktpo-

tentials – differenziert vorbereitet, langfristig angelegt,

entsprechend der Bedürfnisse der Menschen geplant und

vor allem unabhängig vom Militär sind.

4. lessons learned

Krieg ist keine Lösung, sondern führt zu mehr Gewalt.

Frieden kann nicht von außen verordnet werden, er muss

im Land wachsen. Nur die Menschen in Afghanistan

selbst können Frieden und Versöhnung schaffen.

Drucksache 17/7400 – 364 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
C. Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I. Einleitung

In der Nacht des 4. September 2009 ordnete Oberst Georg

Klein, Kommandeur des deutschen Regionalen Wieder-

aufbauteams Kunduz (Provincial Reconstruction Team,

kurz PRT) einen Luftschlag an. Durch den Bombenab-

wurf starben viele Menschen, darunter auch Zivilperso-

nen. In den folgenden Wochen mehrten sich die Hinweise

darauf, dass der Luftschlag auf Grundlage von Fehlein-

schätzungen der Situation vor Ort angeordnet und mit

teilweise gravierenden Verfahrensfehlern durchgeführt

worden war. Dies wurde der Öffentlichkeit aufgrund der

Informationspolitik der Bundesregierung mit erheblichen

Verzögerungen bekannt. Der Bombenabwurf geschah in

einem Zeitraum, in dem seit 2001 geführten Einsatz der

Deutschen Bundeswehr in Afghanistan innerhalb der

deutschen Bevölkerung zunehmend kritisch bewertet

wurde.
2393

Der Bombenabwurf fand darüber hinaus wäh-

rend der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs statt. In

den Wochen nach der Wahl stellten viele Beobachterin-

nen und Beobachter die Frage, ob die Bundesregierung

vor der Bundestagswahl wirklich alles getan hatte, um

den Vorfall aufzuklären oder ob möglicherweise gezielt

Informationen zurück gehalten wurden. So wurde ein

Feldjägerbericht, der sich kritisch zu dem Vorfall in Afg-

hanistan äußerte, erst im November 2009, zwei Monate

nach dem Bombenabwurf, durch die Medien bekannt.

Dies war eine der Ursachen für den Rücktritt des ehema-

ligen Verteidigungsministers Dr. Franz Josef Jung.

Schließlich stand wenige Jahre nach Abschluss des so

genannten Kurnaz-Untersuchungsausschusses
2394

erneut

die Frage nach der Beteiligung deutscher Spezialkräfte im

Raum, deren Einsätze der parlamentarischen Kontrolle

nach wie vor weitestgehend entzogen sind. Spekuliert

wurde, ob die Task Force 47 (TF 47), eine Spezialeinheit,

deren Aufgabe unter anderem darin besteht, mutmaßliche

Anführer der Taliban oder anderer aufständischer Grup-

pen festzunehmen, den Luftschlag veranlasste. Die Öf-

fentlichkeit erfuhr erst durch die Diskussion über den

Luftschlag in Kunduz von der Existenz der TF 47, obwohl

diese bereits seit 2007 in Afghanistan operiert.
2395
2393) Süddeutsche Zeitung vom 7. September 2009, „Die afghanische

Zäsur“: Der Luftschlag in Kunduz fand 19 Tage vor der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag statt. Der Bundeswehreinsatz in

Afghanistan war in der Öffentlichkeit umstritten. Nach einer Um-

frage von Infratest Dimap im Auftrag der ARD waren Anfang
September 2009 mehr als die Hälfte der Deutschen (57 Prozent)

dafür, dass sich die Bundeswehr möglichst schnell aus Afghanis-

tan zurückzieht. Nach Einschätzung von Beobachtern wollte die
große Koalition den Afghanistaneinsatz aus dem Bundestags-

wahlkampf heraushalten; siehe oben: Feststellungsteil C.IV (S.

136).
2394) Vgl.: Abschlussbericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses

vom 18. September 2008, BT-Drs. 16/10650.

2395) Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Bundes-
tagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/2757
– Informationspolitik zum Afghanistan-Einsatz vom 8. September
2010 (BT-Drs. 17/2884, Dokument 62).

Ziel der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN war es, mit Hilfe des Untersuchungsausschus-

ses die offenen Fragen aufzuklären, politische Verantwor-

tungen zu benennen und die Lehren aus den Geschehnis-

sen des 4. September 2009 und der folgenden Wochen zu

ziehen. Der Verteidigungsausschuss als 1. Untersu-

chungsausschuss beschäftigte sich gemäß Artikel 45a

Abs. 2 Grundgesetz zwischen dem 16. Dezember 2010

und dem 24. Februar 2011 mit der Frage, ob der Luft-

schlag mit nationalen und internationalen politischen,

rechtlichen und militärischen Vorgaben für den Einsatz in

Afghanistan vereinbar ist. Darüber hinaus untersuchte er,

ob die Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundes-

regierung in Bezug auf den Luftschlag angemessen war.

Im Mittelpunkt unseres Sondervotums steht nicht die

nachträgliche individuelle Schuldzuweisung, sondern die

Aufdeckung struktureller Missstände. Wir bewerten, ob

deutsche Soldatinnen und Soldaten auf schwierige militä-

rische Entscheidungen vorbereitet sind und wie transpa-

rent mit militärischen Entscheidungsverläufen umgegan-

gen wird. Hierdurch wollen wir einen Anstoß geben,

damit sich das Parlament auch über den Kunduz-

Untersuchungsausschuss hinaus – zum Beispiel im Rah-
men des Verteidigungsausschusses – mit der Frage be-
schäftigt, wie gewährleistet werden kann

– dass zukünftig militärische Fehlentscheidungen ver-
mieden werden, die zum Tod von Zivilisten führen;

– dass sich die Bundeswehr als Parlamentsarmee an die
Vorgaben des erteilten Mandates hält sowie konse-

quent die Prinzipen der Angemessenheit und Ver-

hältnismäßigkeit einhält;

– dass den Soldatinnen und Soldaten im Auslandsein-
satz Klarheit über die Grundlagen und Grenzen ihres

Einsatzes vermittelt wird, unter anderem durch klar

formulierte Einsatzregeln (so genannte Rules of En-

gagement);

– dass die Bundesregierung künftig transparent und
zeitig umfassend informiert und angemessen politisch

reagiert;

– dass auch bei Auslandseinsätzen die Grundsätze der
Inneren Führung umgesetzt werden.

Das vorliegende Sondervotum enthält Anmerkungen zum

Verfahren des Untersuchungsausschusses (II), bevor es

sich den Untersuchungsergebnissen zuwendet. Bewertet

werden der Luftschlag (III) und die Reaktion durch die

Bundesregierung auf den Luftschlag (V-VII). Abschlie-

ßend erfolgt eine systematische Darstellung der Erkenn-

tnisse (VIII) und etwaige Handlungsempfehlungen (les-

sons learned) (IX).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 365 – Drucksache 17/7400

II. Verfahren

Das Verfahren des Verteidigungsausschusses als 1. Un-

tersuchungsausschuss (im folgenden Untersuchungsaus-

schuss) verlief nicht reibungslos. Die Mehrheit des Unter-

suchungsausschusses (Mitglieder der FDP und

CDU/CSU-Fraktion) hat die Arbeit des Untersuchungs-

ausschusses wiederholt teilweise bis an die Grenzen sei-

ner Funktionsfähigkeit behindert. Dies zeigt, dass die

Mehrheit nicht ernsthaft an einer Aufklärung der Kunduz-

Affäre interessiert gewesen ist. Auch die Bundesregierung

hat den Untersuchungsausschuss nicht immer im erforder-

lichen Maß unterstützt

In diesem Zusammenhang sind folgende Punkte kritisch

zu benennen in der Hoffnung, dass ein solches Verhalten

in zukünftigen Untersuchungsausschüssen unterbleibt:

1. Die Öffentlichkeit der Sitzungen

Am 16. Dezember 2009, in seiner 2. Sitzung, einigte sich

der Untersuchungsausschuss darauf, bestimmte Zeugen-

gruppen grundsätzlich in öffentlicher Sitzung zu verneh-

men. Dies wurde im Verfahrensbeschluss Nr. 8 festgelegt.

Dort heißt es im dritten Absatz:

„Mitglieder der politischen Leitungsebene (Mitg-
lieder der Bundesregierung, beamtete und parla-

mentarische Staatssekretäre, Abteilungsleiter und

Pressesprecher) und der militärischen Führung

(Generalinspekteur und Stellvertreter) werden

grundsätzlich in öffentlicher Sitzung einvernom-

men. Die Vorschrift des § 14 PUAG bleibt unbe-

rührt.“

Ziel dieses Beschlusses war es, die Erkenntnisse des Un-

tersuchungsausschusses – so weit wie rechtlich zulässig –
mit der Öffentlichkeit zu teilen und transparent zu ma-

chen, aufgrund welcher Informationen der Untersu-

chungsausschuss seine Bewertung vornimmt.

Der Verfahrensbeschluss Nr. 8 stellt eine wesentliche

Bedingung dafür dar, dass die Fraktionen sich auf einen

gemeinsamen Untersuchungsauftrag geeinigt haben. Ohne

diesen Verfahrensbeschluss hätte die Untersuchungsmin-

derheit erwogen, einen zusätzlichen Untersuchungsaus-

schuss gemäß Artikel 44 Grundgesetz mit grundsätzlich

öffentlicher Beweiserhebung hinsichtlich der politischen

Verantwortlichkeit zu beantragen.
2396

Lediglich die mili-

tärisch relevanten Fragen wären dann im Rahmen des

Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss

gemäß Artikel 45a Abs. 3 Grundgesetz verhandelt wor-

den, bei dem die Öffentlichkeit grundsätzlich ausge-

schlossen werden darf.

Gegen Verfahrensbeschluss Nr. 8 in der ursprünglichen

Version gibt es weder verfassungsrechtliche Bedenken,

noch verstößt er gegen die Geschäftsordnung des Deut-

schen Bundestages (GO-BT). Dies hat ein rechtliches

Gutachten durch die Wissenschaftlichen Dienste des
2396) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Dokument 176).

Deutschen Bundestages bestätigt.
2397

Neben dem im Be-

schluss Nr. 8 gefassten Grundsatz, bestimmte Zeugen-

gruppen öffentlich zu vernehmen, ist für jeden Zeugen

erwogen worden, ob er öffentlich aussagen kann oder ob

seine Aussage mittels einer nichtöffentlichen Verneh-

mung zu schützen ist. Auf Grundlage dieses Vorgehens

hat der Untersuchungsausschuss bis zur 23. Sitzung 14

Zeugen gehört, ohne dass dies Anlass gegeben hätte, an

der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens zu zweifeln.

In der 23. Sitzung, am 17. Juni 2010, hat die Mehrheit des

Untersuchungsausschusses die oben zitierte Passage im

Verfahrensbeschluss Nr. 8 einseitig aufgehoben. Gleich-

zeitig hat sie die bereits beschlossene Öffentlichkeit der

Zeugenvernehmungen vom 1. und vom 8. Juli 2010 nach-

träglich aufgehoben.
2398

Sie hat dies unzutreffend damit

begründet, dass der Beschluss Nr. 8 in seiner „pauscha-
len“ Formulierung hinsichtlich Artikel 45a Abs. 3 Grund-
gesetz bedenklich sei. Insbesondere fehle es an der nach

§ 69 Abs. 1 GO-BT bei jedem Zeugen vorzunehmenden

Einzelfallprüfung.
2399

Wie oben dargestellt, haben diese

Einzelprüfungen jedoch stattgefunden. Die Argumentati-

on der Mehrheit wird rechtlich weder von der Vorsitzen-

den des Untersuchungsausschusses, der Minderheit im

Untersuchungsausschuss, noch den Wissenschaftlichen

Diensten des Deutschen Bundestages geteilt.
2400

Darüber

hinaus hat die Mehrheit des Ausschusses ihre interfrak-

tionell gegebene Vereinbarung gebrochen, so weit wie

möglich transparent zu arbeiten, obwohl ihr klar gewesen

ist, dass dies eine wesentliche Voraussetzung für das

Zustandekommen des gemeinsamen Untersuchungsaus-

schusses darstellte.

In der Folge hat die Mehrheit durchgesetzt, dass fast alle

noch zu hörenden Zeugen in nicht öffentlichen Sitzungen

vernommen worden sind. Entgegen ihrer Ansage, dass

auch in Zukunft öffentliche Vernehmungen nach Einzel-

fallprüfung möglich blieben
2401

, hat die Mehrheit konse-

quent einzelfallbezogene und sachlich gut begründete

Anträge der Minderheit auf Durchführung öffentlicher

Sitzungen abgelehnt. Die Ablehnung ist ohne inhaltliche

Begründung und ohne sachlichen Grund erfolgt. Beispiele

sind die Vernehmungen des Zeugen Dr. Raabe zu seiner

Tätigkeit als Pressesprecher des BMVg oder die Zeugin

Dr. Erfan, ein Mitglied des Provinzrates von Kunduz.

Die politische Motivation des Mehrheitsbeschlusses wird

deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die meis-

ten Protokolle der nichtöffentlich gehörten Zeugen im

Nachhinein durch die Bundesregierung herabgestuft und

somit öffentlich zugänglich sind.
2397) Georgii/Mäde, Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als

Untersuchungsausschuss, WD 3 – 464/09, 2009 (Fn. 27, Doku-
ment 18).

2398) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Fn. 2396, Dokument 176).
2399) Beratungsunterlage 17-218 (Dokument 175).

2400) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Dokument 176).

2401) Kurzprotokoll-Nr. 23 (Dokument 176).
Drucksache 17/7400 – 366 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Die Reihenfolge der Zeugen

Die Ausschussmehrheit hat versucht, die Rechte der Min-

derheit zu beschneiden, indem sie gegen den Willen der

Minderheit beschlossen hat, in welcher Reihenfolge die

Zeugen zu vernehmen sind. Sie nahm erst Abstand von

ihrem Beschluss, nachdem die Minderheit gemäß § 17

Abs. 3 Satz 2 PUAG widersprach und androhte, rechtliche

Mittel in Anspruch zu nehmen und ein Verfahren vor dem

BGH anzustrengen.
2402

Daraufhin hat sich der Untersu-

chungsausschuss am 22. April 2010 im Einklang mit § 17

Abs. 3 Satz 2 PUAG darauf geeinigt, zukünftig abwech-

selnd je einen von der Mehrheit und von der Minderheit

benannten Zeugen zu hören (so genanntes Reißver-

schlussverfahren).
2403

3. Die Begrenzung der Sitzungszeiten

Die Mehrheit des Untersuchungsausschusses hat gegen

die Stimmen der Ausschussminderheit durchgesetzt, dass

die Sitzungsdauer der Zeugenvernehmungen auf sechs

Stunden begrenzt wird.
2404

Hierdurch ist ein unnötiger

Zeitdruck bei der Vernehmung einzelner Zeugen auf

Kosten der Gründlichkeit der Befragung geschaffen wor-

den. Darüber hinaus sind einzelne geladene Zeugen in

einer Sitzung nicht oder nur teilweise gehört worden, mit

der Folge, dass sie erneut vor dem Untersuchungsaus-

schuss erscheinen mussten.
2405

4. Der Versuch einer vorschnellen Beendi-
gung der Beweiserhebung

Nach Anhörung des Zeugen zu Guttenberg am 22. April

2010 (in der 18. Sitzung) hat die Ausschussmehrheit sich

gegen die Vernehmung weiterer Zeugen ausgesprochen,

mit Ausnahme des Zeugen Braunstein, dem Adjutanten

des damaligen Verteidigungsministers. Um die Beweis-

aufnahme so schnell wie möglich zu beenden hat sie die

Minderheit wiederholt aufgefordert auf weitere Zeugen zu

verzichten. In Folge hat die Minderheit ihre Zeugenvor-

schlagsliste reduziert, um der gemeinsamen Arbeit im

Ausschuss weiterhin eine, wenn auch einseitig gewährte,

Grundlage zu geben.
2406

Sie hat jedoch in Einklang mit

ihrem Minderheitenrecht darauf beharrt, weitere Zeugen

zu laden, die für die Aufklärung unerlässlich waren, zum

Beispiel den Kommandeur Joint Force Command im

NATO Hauptquartier Brunssum, Zeugen General

Ramms, oder den einzigen Augenzeugen des Luftschlags,

Herrn A. M., sowie Zeugen, die bei der Vorbereitung und

der Aufklärung des Luftschlages beteiligt waren.
2402) Kurzprotokoll-Nr. 11.

2403) Kurzprotokoll-Nr. 12; zu der rechtlichen Begründung vgl. Bera-

tungsunterlage Nr. 17-137, Gutachten vom 4. Februar 2010 vom
Fachbereich Parlamentsrecht der Verwaltung des Deutschen Bun-

destages und die Zusammenfassung im Feststellungsteil Punkt

A.V.a) (Fn. 34, Dokument 18a).
2404) Kurzprotokoll-Nr. 3.

2405) vgl. z. B. Zeuge Dr. Vad, Protokoll-Nr. 41, S. 45.

2406) Kurzprotokoll-Nr. 19, S. 26 f.

Die Ausschussmehrheit hat sich nach diesem Zeitpunkt

weitgehend aus der Zeugenvernehmung herausgezogen.

Dagegen hat sie vermehrt Verfahrensanträge gestellt, um

die Unzulässigkeit von Fragen der Minderheit feststellen

zu lassen. Diese Anträge waren meist unbegründet, erziel-

ten aber die Wirkung die Beweiserhebung zu stören und

zu verschleppen.
2407

In Kombination der bereits genann-

ten Gesamteinschränkung der Sitzungsdauer war so eine

gründliche Beweisaufnahme nur noch unter schwierigen

Bedingungen zu leisten.

5. Die zeitlichen Rahmenbedingungen für das
Verfassen des Abschlussberichts

Nach Abschluss der Zeugenvernehmung hat die Mehrheit

durch ihre Verfahrensgestaltung die Arbeit der Minderheit

erschwert.

Am 24. Februar 2011 hat sie – gemeinsam mit den Stim-
men der SPD und gegen den Willen der Mitglieder der

Bundestagsfraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und

DIE LINKE. – einen unrealistisch knappen Zeitplan für
das Verfassen des Abschlussberichtes gesetzt. Ziel war,

den Untersuchungsausschuss noch vor der Sommerpause

zu beenden. Die Bitte der Minderheit, einen angemesse-

nen Zeitrahmen für das Verfassen der Sondervoten einzu-

räumen, hat die Mehrheit ignoriert.

Dieser erste Zeitplan hat das Sekretariat des Untersu-

chungsausschusses dazu gezwungen, einen Entwurf für

den Verfahrens- und Feststellungsteil in kurzer Zeit vor-

zulegen (15. April 2011). Weiterhin hat der Zeitplan vor-

gesehen: Beschluss des Verfahrens- und Sachverhalts-

Abschnitts am 12 Mai 2011; Vorlage des Bewertungsteils

der Mehrheit am 24. Mai 2011 und Vorlage etwaiger

Sondervoten am 6. Juni 2011. Die Verabschiedung und

Beschlussempfehlung sollte am 10. Juni 2011 stattfin-

den.
2408

Am 25. Mai 2011 hat die Mehrheit einen neuen

Zeitplan vorgelegt, wiederum gegen die Stimmen der

Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE

LINKE. und ohne Zustimmung der SPD-Fraktion. Als

Begründung hat die Mehrheit angegeben, dass sie mehr

Zeit als vorgesehen benötige, um den fristgerecht vorge-

legten Entwurf des Sekretariats durchzuarbeiten. Der

zweite Zeitplan sah vor, dass die Bewertung durch die

Mehrheit am 21. Juni 2011 vorgelegt und am 29. Juni

2011 beschlossen wird; nur fünf Tage später – am 4. Juli
2011 – die Sondervoten der Minderheit vorgelegt werden.
Die Verabschiedung und Beschlussempfehlung war für

die ersten Sitzungen nach der Sommerpause terminiert.

Auch hier hat die Mehrheit ohne sachliche Begründung

den Antrag der Minderheit abgelehnt, einen realistische-

ren Zeitrahmen für die Abgabe der Sondervoten zu set-

zen.
2409

Die Mehrheit hat auch beim zweiten Zeitplan die Fristen

aufgrund eines Krankheitsfalls in der Fraktion nicht ein-

gehalten. Sie hat die von ihr selbst gesetzte fristgerechte
2407) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil II; M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II.

2408) Protokoll-Nr. 50.

2409) Protokoll-Nr. 53.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 367 – Drucksache 17/7400

Vorlage ihrer Bewertung versäumt. In der Beratungssit-

zung vom 29. Juni 2011 – anderthalb Wochen nachdem
der vorige Zeitplan geplatzt war – hat die Mehrheit einen
schriftlichen Zeitplanentwurf vorgelegt, der unter ande-

rem als Abgabetermin für die Sondervoten den 15. Au-

gust 2011 vorsah. Im Laufe der Beratungssitzung hat die

Mehrheit ihren Entwurf allerdings dahingehend abgeän-

dert, dass der 8. August 2011 als Abgabetermin für die

Sondervoten gelten sollte. Nach weiteren mündlichen

Besprechungen in einer Obleuterunde hat die Mehrheit

gegen die Stimmen der Opposition in einer Beratungssit-

zung des Untersuchungsausschusses schließlich den 11.

August 2011 für die Abgabe der Sondervoten festgelegt.

Im dritten Zeitplan, am 6. Juli 2011 beschlossen, sind

folgende Fristen festgelegt: Beschluss der Mehrheitsbe-

wertung am 6. Juli 2011, Vorlage der Sondervoten am 11.

August 2011, Einleitung des rechtlichen Gehörs am 5.

September 2011, Beschluss des Gesamtberichts am 28.

oder 29. September 2011. Vorstellen des Abschlussbe-

richts im Plenum in der Woche ab dem 17. Oktober 2011.

6. Das Verhalten der Bundesregierung

Auch der Bundesregierung ist vorzuwerfen, dass sie die

Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht in angemes-

sener Weise unterstützt hat.

So hat sie daraufhin gewirkt, die Aussagegenehmigung

bestimmter Zeugen unverhältnismäßig weit einzuschrän-

ken. Dabei hat sie sich auf das Staatswohl bzw. den Kern-

bereich exekutiver Eigenverantwortung berufen. In vielen

Fällen erwies sich die Frage als zulässig. Einige der Zeu-

gen haben sich – im Einvernehmen mit der restriktiven
Interpretation der Bundesregierung, welche Fragen zuläs-

sig sind und welche nicht – daraufhin ausgesprochen
unkooperativ gezeigt.

2410
Die Bundesregierung hat darüber hinaus beigezogene

Akten mit erheblicher Verspätung
2411

oder überhaupt
2410) vgl. z. B., Kurzprotokoll-Nr. 43. S. 3, 4; Teil I S. 22, Angehörige

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lassen über die Zuläs-
sigkeit der Frage zur Zusammenarbeit zwischen dem BND und

der militärischen Nachrichtenzentrale abstimmen. Die Zulässig-

keit der Frage wird von der Vorsitzenden bestätigt und die
Rechtmäßigkeit einer solchen Beschränkung der Aussagegeneh-

migung bezweifelt. Nach erneuter Beratung erlaubt die Regierung

dem Zeugen, die Frage zu beantworten. Dieser antwortet auswei-
chend. Vgl. weiterhin M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 67, 68:

Auf die Frage seitens BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ob es Auf-

gabe des Zeugen war, Informationen an die Task Force weiterzu-
geben, jedoch nicht an das PRT, verweigert der Zeuge seine Aus-

sage. Die Bundesregierung führt dazu aus: „die Aussagegenehmi-
gung des Zeugen umfasst Aussagen zu seinem Aufgabengebiet in
allgemeiner Form, aber nicht Aussagen zu Aufgaben des BND im

Rahmen der Task Force 47, also nur Tätigkeiten, die der Zeuge

ausgeübt hat im Zusammenhang seiner dienstlichen Tätigkeit
BND im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand

Luftschlag in Kunduz.“ Die GRÜNEN konkretisieren die Frage
dahingehend, „ob Informationen, die er [der Zeuge] hat, dem PRT
oder der Task-Force zugeleitet werden.“

2411) Dokumente, die mit erheblicher Verzögerung beim Untersu-

chungsausschuss eingingen: Cockpit Tapes und Trans-
kripte der F 15 Piloten (Dokument 60): Diese wurden mit Be-

weisbeschluss 17-167 vom 6. Mai 2010 beigezogen. In der Bera-

tungssitzung vom 28. September2010 fragte MdB Nouripour

nicht
2412

vorgelegt. Andere Akten hat sie unzureichend

aufbereitet. Zu Bemängeln waren z. B. fehlende Paginie-

rung
2413

, massive Übersetzungsfehler
2414

und weitere

Sorgfaltsfehler.
2415

Eine zügige und vollständige Vorlage

der beigezogenen Akten ist eine wesentliche Vorausset-

zung dafür, dass der Untersuchungsausschuss effizient

arbeiten kann. Insofern ist zu erwarten, dass die Bundes-

regierung diesbezüglich ihren Verpflichtungen sorgfälti-

ger nachkommt.

7. Das Nichterscheinen von Zeugen

Schließlich ist anzumerken, dass einige der geladene

Zeugen nicht erschienen, von denen relevante Informatio-

nen für die Aufarbeitung der Geschehnisse in Kunduz zu

erwarten waren: darunter die F-15-E Piloten (Beweisbe-
schluss 17-143), Admiral James G. Stravidis (Beweisbe-

schluss 17-144), General Stanley A. McChrystal (Beweis-

beschluss 17-145), und Rajiv Chandrasekaran (Beweis-

beschluss 17-146).

8. Die Geheimhaltung des COM ISAF-
Berichts

Der COM ISAF Bericht ist als geheim eingestuft. Dies ist

bedauerlich, weil er die Ergebnisse der NATO- Untersu-

chung zum Luftschlag enthält und somit ein wesentliches

Dokument für die Aufarbeitung der Geschehnisse in

Kunduz ist. Trotz mehrerer Anträge des Untersuchungs-

ausschusses konnte keine Herabstufung erwirkt werden,

auch der Antrag auf teilweise Herabstufung der Passagen,

die keine schutzbedürftigen Inhalte besitzen, wurde abge-

lehnt. Die Bundesregierung hat stets beteuert, dass die

Herabstufung eine reine NATO-Angelegenheit sei, die sie

nicht beeinflussen könne. Bei anderen Vorfällen ähnlicher

Art in Afghanistan waren jedoch andere ISAF-
nach dem Verbleib der Dokumente. Diese gingen am 8. Oktober
2010 im Sekretariat ein, einen Tag nach der geplanten Befragung

der F15 Piloten am 7. Oktober 2010 (vgl. Beratungssitzung vom
7. Oktober 2010); z. B. Mat.17-47 Diese wurden mit Beweisbe-

schluss 17-15 vom 16. Dezember 2009 beigezogen und gingen

am 21. Mai 2010, bzw. am 11. Oktober 2010 im Sekretariat ein.
2412) z. B. Beweisbeschluss 17-15. Mit Schreiben vom 16. Januar 2011

teilte Herr Birkenheier dem UA mit, dass eine der ZIP Dateien

aufgrund Beschädigung nicht zu entschlüsseln sei, dass an der
Entschlüsselung einer weiteren Datei noch gearbeitet würde

(Schreiben vom 26. Januar 2011 Beratungsunterlage 17-261).

Vgl. z. B. Beratungsunterlage 17-266 (Schreiben von Frau Gene-
ralbundesanwältin beim Bundesgerichtshof vom 17. Februar

2011).

2413) COM ISAF-Bericht Mat.17- 10/10a, Feldjägerbericht Mat. 17-
11/11a.

2414) vgl. COM ISAF-Bericht, Mat.17- 10/10a Anhang F, Anlage 32:

Liste der anwesenden Personen fehlerhaft; Anmerkung zu Beginn
fehlt in deutscher Übersetzung); vgl. COM ISAF-Bericht, Mat.17-

10/10a, Anhang G, Anlage 14, 15, Formulare zur Anforderung

von Luftunterstützung wurden unvollständig übersetzt.
2415) Diverse Kopierfehler im vom Untersuchungsausschuss beigezo-

genen Aktenmaterial des BMVg. Zum Beispiel wurden Doku-

mente mit farblichen Merkmalen nur als Schwarz-Weiß-Kopie
ausgeliefert (z. B. Mat.17-21a, Ordner 2 bis 4; Mat.17-44a, Blät-

ter 1-5), andere Akten enthielten Seitenfehler aufgrund von Fehl-

sortierungen.
Drucksache 17/7400 – 368 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Partnerstaaten sehr wohl im Stande, der Öffentlichkeit

Einblick in die Bewertungen der Vorfälle zu gewähren

Trotz der oben aufgelisteten Punkte ist eine differenzierte

und umfassende Aufarbeitung des Untersuchungsgegens-

tandes gelungen. Dies wird im Folgenden dargestellt.

III. Die Bewertung des Luftschlags

In diesem Kapitel werden der Ablauf des Geschehens

dargestellt (1) und seine politischen und militärischen

Rahmenbedingungen skizziert (2). Die Ziele (3) sowie die

Vorbereitung und Durchführung des Luftschlags werden

untersucht unter Einbeziehung von rechtlichen und militä-

rischen Rahmenbedingungen. Eingegangen wird auch auf

die strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verfahren,

die im Zusammenhang mit dem Luftschlag stattfanden

(4). Die Folgen des Luftschlags werden dargestellt (5)

und gefragt wird nach einer möglichen Einflussnahme

von Dritten (6). Das Kapitel schließt mit einer Zusam-

menfassung (7).

1. Die Entführung der Tanklaster und der
Befehl zum Luftschlag am 3. / 4. Septem-
ber 2009

Am Nachmittag des 3. September 2009 entführte eine

Gruppe von Aufständischen auf der Straße von Kunduz

nach Baghlan nahe Angor Boch (ca. 12 bis 15 km südlich

von Kunduz) zwei Tanklaster mit Treibstoff, der für einen

Logistikpartner der ISAF-Truppen bestimmt war.
2416

Die

Entführer planten wahrscheinlich die Tanklastwagen in

den ca. 25 km nordwestlich vom Feldlager Kunduz gele-

genen Ort Gor Tepa zu bringen. Bei dem Versuch den

Fluss Kunduz in Richtung Westen zu überqueren, blieben

die Tanklastwagen auf einer Sandbank stecken.

Die Nachricht von der Entführung der Tanklaster erreich-

te das PRT Kunduz unvorbereitet und erst nachdem eine

Kontaktperson die TF 47 aus eigener Initiative mehrere

Stunden nach dem Vorfall unterrichtet hatte.

Die TF 47 ist eine deutsche Spezialkräfteeinheit, die unter

deutscher Führung im Rahmen des ISAF-Mandats im

Regionalbereich Nord operiert. Sie setzt sich aus Soldaten

des Kommandos Spezialkräfte (KSK) und der Division

Spezielle Operationen (DSO) zusammen und wird durch

Kräfte des Militärischen Nachrichtenwesens sowie durch

Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes unterstützt.
2417

Ihre Aufgaben umfassen die Aufklärung, den Schutz der

eigenen Truppe, die Ausbildung afghanischer Sicher-

heitskräfte und die Ergreifung von Führungskräften der

Taliban. Angehörige der TF 47 sind im Feldlager Kunduz

stationiert und besitzen dort einen eigenen Gefechtsstand

(vgl. unten Kapitel III. 6. a).
2416) Vgl. zur der Entführung der Tanklastwagen, siehe oben: Zweiter

Teil: Feststellungen zum Sachverhalt B. II. (S. 43).
2417) http://www.tagesspiegel.de/politik/geheimtrupp-47-fast-ganz-

normale-soldaten/1902154.html; http://www.stroebele-

online.de/bundestag/anfragen/3834250.html.

Die TF 47 leitete die Meldung gegen 20 Uhr an OTL K.,

Offizier im militärischen Nachrichtenwesen (J2) im PRT

Kunduz, weiter, der wiederum den Kommandeur des PRT

Kunduz, Oberst Klein, hiervon in Kenntnis setzte.
2418

Die

TF 47 hatte bereits am Morgen des 3. September 2009

Hinweise zu einem Hinterhalt in der Nähe von Angor

Boch erhalten. Diese Nachricht, die auch an das PRT

Kunduz weitergeleitet werden sollte
2419

, wurde im PRT-

Kunduz nicht registriert.
2420

Weitere Stellen wurden im Laufe des Tages von der Ent-

führung informiert: Zum einen der Bundesnachrichten-

dienst (BND), der im Feldlager Kunduz für die TF 47

tätig ist und der gegen Abend über den afghanischen

Geheimdienst (NDS) unterrichtet worden war
2421

, zum

anderen das gemeinsam von NATO und afghanischen

Sicherheitskräften betriebene Koordinierungszentrum für

Operationen der Provinz Kunduz (OCC-P), das das PRT-

Kunduz gegen 21 Uhr unterrichtete.
2422

Als das PRT Kunduz die Nachrichten von der Entführung

erhielt, war der Aufenthaltsort der Tanklaster unklar.
2423

Gegen 22 Uhr wurde Oberst Klein in den Gefechtsstand

der TF 47 gerufen.
2424

Als er dort eintraf, waren mehrere

Angehörige der TF 47 anwesend: Der Nachrichtenoffizier

der TF 47, Hptm N., dessen Aufgabe darin bestand, In-

formationen von Kontaktpersonen auszuwerten; die

HUMINT
2425

-Operatoren OFw F. und HFw S., welche die

Gespräche mit dem Kontakt der TF 47 führen, sowie der

Storyboardwriter HFw V.
2426

Anwesend war außerdem

der Fliegerleitoffizier OFw W., der vom Gefechtsstand

der TF 47 aus – mit einer weiteren Operation des PRT
befasst – einen strategischen Langstreckenbomber (B-1B)
als Aufklärungsflugzeug führte.

2427
Es ist davon auszuge-

hen, dass sich während der Operation weitere Personen

im Gefechtsstand der TF 47 aufhielten. So nahm Oberst

Klein neben Hptm N. und OFw W. sechs weitere Soldaten

und zivile Mitarbeiter im Gefechtsstand wahr.
2428

Zeuge

OFw F. gab an, dass zeitweise zwei Geheimdienstmitar-

beiter in der Operationszentrale zugegen waren, die dort

ihren Tätigkeiten nachgingen. Auch HFw V. berichtete

von zwei weiteren Zivilpersonen, die im Laufe des

Abends kurzzeitig aus Neugierde dem Geschehen in der

Operationszentrale zugeschaut hätten. Der Name der

einen Person sei M. gewesen.
2429

Andere Zeugen haben
2418) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 62, 63; Klein, Protokoll-Nr. 6,

Teil II, S. 8.

2419) Anlage 17 zu Anhang G des COM ISAF-Berichtes (Fn. 145,

Dokument 55).
2420) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 62.

2421) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 58, 64.

2422) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-
richtshof (offene Version) vom 16. April 2010 (Dokument 52),

S. 23.

2423) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 63.
2424) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8.

2425) Human Intelligence. Menschliche Quelle zur operativen Aufklä-

rung.
2426) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II,S. 9; N., Protokoll-Nr. 8, Teil II,

S. 7; S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 33, 42.

2427) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.
2428) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9.

2429) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 7; V., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S.

22 f. 25, 33.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 369 – Drucksache 17/7400

dagegen angegeben, es seien insgesamt nur die sechs

genannten Personen in der Operationszentrale zugegen

gewesen.
2430

Nachrichtenoffizier Hptm N. schlug Oberst Klein vor, den

B-1B sowie den von ihm geführten HUMINT-Kontakt

einzusetzen, um nach den entführten Tanklastern zu su-

chen. Der Kontakt habe bereits zuvor über die Entführung

der Tanklaster berichtet und wisse, wo sich die Tanklaster

befinden. Oberst Klein stimmte zu und bat darum, be-

nachrichtigt zu werden, sollten die Tanklaster aufgefun-

den werden. Anschließend verließ er den Gefechtstand

der TF 47.

Gegen Mitternacht ortete der B-1B die festgefahrenen

Tanklaster auf einer Sandbank und meldete, dass ungefähr

100 Menschen anwesend seien. Als Oberst Klein wieder

im TF 47 Gefechtsstand eintraf, konnte er auf einem Bild-

schirm Echtzeitaufnahmen von der Sandbank sehen, die

über die Zielerfassungssysteme des B1-B direkt in den

Gefechtsstand übertragen wurden. Seiner Aussage nach

erkannte er die Tanklaster, weitere kleinere Fahrzeuge

und eine größere Personengruppe, deren Zahl er nicht

benennen konnte. OFw W. schätzte die Personenzahl

anhand der Luftbilder auf ungefähr 70.
2431

OFw W. teilte

Oberst Klein außerdem mit, er habe die Flugzeugbesat-

zung gebeten, eine „eindeutige Identifizierung“ (Positive
Identification, kurz PID) nach Waffen durchzuführen. Die

Zeugen Oberst Klein und Hptm N. haben vor dem Unter-

suchungsausschuss angegeben, die B-1B Besatzung habe

bei den Personen auf der Sandbank Waffen erkannt, dar-

unter Handwaffen und Panzerabwehrwaffen. Allerdings

sei anhand der Videobilder nicht genau zu erkennen ge-

wesen, ob alle Personen auf der Sandbank bewaffnet

seien.
2432

Aus eingestuften (NATO/ISAF-) Unterlagen

ergibt sich allerdings ein gegenteiliges Beweisergebnis.

Hiernach kam die B-1B-Besatzung zu einer anderen Ein-

schätzung der Situation auf der Sandbank. Dieser Wider-

spruch konnte im Untersuchungsausschuss nicht aufgek-

lärt werden, weil er die Dokumentation der Kommunika-

tion zwischen der Besatzung des B1-B und der Operati-

onszentrale der TF 47 nicht einsehen konnte.

Hptm N. übermittelte auch Nachrichten seines Kontaktes

über die Situation vor Ort: dass der Tanklaster auf der

Sandbank festgefahren sei, dass nur Aufständische und

keine Zivilbevölkerung vor Ort seien und dass der Kon-

takt vier lokale Talibanführer mit ihren Gruppen sowie

ausländische Kämpfer identifiziert habe.
2433

Zu diesem Zeitpunkt stand bereits die Frage im Raum, ob

der B-1B die Sandbank bombardieren solle. Zeuge OFw

W. sagte hierzu aus, dass er sich nicht mehr erinnere, ob

er mit Hptm N. über einen Luftschlag durch den B-1B

diskutiert hatte, bevor Oberst Klein in die Operationszent-
2430) N., Protokoll Nr. 37, Teil II, S. 68; W. Protokoll-Nr. 8 Teil II,

S.38.; S. Protokoll-Nr. 33, Teil II,S. 24.

2431) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II S. 10; W. Protokoll-Nr. 8, Teil II,

S. 9.
2432) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II S. 10; N. Protokoll-Nr. 8, Teil II,

S. 64.

2433) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9 ff.

rale kam. Dies sei aber möglich.
2434

Da Oberst Klein zu

diesem Zeitpunkt weitere Informationen über die Lage

vor Ort sammeln wollte, entschied er sich vorerst gegen

einen Luftschlag.
2435

Als der B-1B zum Auftanken abge-

zogen wurde, suchte Oberst Klein nach anderen Wegen,

die Sandbank weiter zu beobachten. Er beantragte gegen

0.50 Uhr über Fliegerleitoffizier OFw W. weitere Luftun-

terstützung bei der Lufteinsatzzentrale (Air Support Ope-

ration Center, kurz ASOC). Dabei gab er wahrheitswidrig

an, es bestehe eine so genannte Troops in Contact Situati-

on (TIC), die Feindberührung oder zumindest eine unmit-

telbare Bedrohung voraussetzt (vgl. hierzu unten Punkt

III. 4.f).

Infolgedessen erreichten gegen 1.08 Uhr zwei Multifunk-

tionskampfflugzeuge (F-15-E) den Luftraum über der

Sandbank. Diese registrierten, wie bereits zuvor die B1-B,

neben den Tanklastern mehrere Kleintransporter auf bei-

den Seiten. Sie nahmen außerdem eine größere Men-

schenansammlung und ein „reges Kommen und Ge-
hen“2436 auf der Sandbank wahr. Es war erkenntlich, dass
die Personen aus den Tanklastern Treibstoff entnahmen

und abtransportierten.
2437

Die später durchgeführten mili-

tärischen Untersuchungen haben bestätigt, dass die Men-

schen aus den umliegenden Dörfern auf Weisung von

Aufständischen zur Sandbank kamen, um den Tanklastern

den Treibstoff zu nehmen. Unklar bleibt, ob der Treibstoff

den Dorfbewohnern zum eigenen Verbrauch zur Verfü-

gung gestellt wurde und ob die Zivilisten unter Zwang

zum Ort des Geschehens gebracht wurden.
2438

Nachdem der HUMINT-Kontakt versichert hatte, dass auf

der Sandbank ausschließlich Aufständische und keine

Zivilisten anwesend seien, ordnete Oberst Klein an, die

Tanklaster zu bombardieren. Die Eingriffsgrundlage (Ru-

les of Engagement, ROE) für den Luftschlag wurde der

Flugbesatzung der F-15-E nicht kommuniziert. Oberst

Klein verzichtete auf eine vorherige Warnung der am

Boden befindlichen Personen durch einen niedrigen Über-

flug über die Sandbank (show of force) (vgl. unten Kapitel

III. 4. e). Er beschränkte sich bei der Zielabgabe auf die

Tanklastzüge und die sie umgebenden Personen und lehn-

te es ab, die Fahrzeuge neben der Sandbank oder flüch-

tende Personen zu bombardieren.
2439

Den Vorschlag der

Flugbesatzung 2 000-Pfund Bomben abzuwerfen, lehnte

Oberst Klein als unverhältnismäßig ab. Er stellte gegenü-

ber dem Fliegerleitoffizier klar, dass der Waffeneinsatz

auf den geringstmöglichen Bereich, auf die Tanklastzüge

und die sie unmittelbar umgebenden Aufständischen,

begrenzt werden müsse.
2440

Um 1.49 Uhr schlugen zwei GBU-38 (Guided Bomb Unit,

gelenkte Bombe mit Laser- oder TV-Steuerung mit je-

weils 500 Pfund/227 Kilo) auf der Sandbank ein.
2434) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 26.

2435) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
2436) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 31.

2437) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15.

2438) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 123, Dokument 52).

2439) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.

2440) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 19.
Drucksache 17/7400 – 370 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Einer der beiden entführten Lastkraftwagenfahrer, der

Zeuge A. M., war Augenzeuge des Luftschlags. Er hat

dem Untersuchungsausschuss die Wirkung des Luft-

schlags folgendermaßen beschrieben:

„Zum ersten Blick habe ich einen sehr starken
Knall gehört, dann habe ich einen riesigen Feuer-

ball gesehen. Dann war die Luft voll von Rauch

und Splitterstücken von Metallen von Lastwagen,

sodass sie in der Luft schwebten, und konnten wir

nicht unterscheiden, sind sie Metallteile von Last-

wagen oder sind sie auch Gewehrsalven, die in der

Luft bzw. in der Umgebung noch schwebten. […]
Ein bis zwei Personen, Verletzte, habe ich gese-

hen. Die zwei Taliban, die uns bewachten, haben

dann diese zwei Verletzten mitgenommen. Sie

waren völlig verbrannt, sodass ich ihre Gesichter

nicht sehen konnte. Also, ich habe nur diese zwei

schwerverletzten Taliban gesehen, die mit-

geschleppt wurden. Mehr habe ich nicht ge-

sehen.“2441

Der Fliegerleitoffizier, OFw W., führte anschließend ge-

meinsam mit der Besatzung der F- 15 E eine Wirkungs-

analyse (Battle Damage Assessment) aus der Luft durch.

Nach Abstimmung mit der Flugbesatzung schätzte er,

dass ungefähr 56 Personen durch die Bomben getötet

worden seien. Grundlage für die Schätzung war die An-

nahme, dass sich zur Zeit des Bombenabwurfs ca. 70

Personen vor Ort befanden und dass die Waffenwirkung

in der Regel 80 Prozent beträgt.
2442

Eine Wirkungsanalyse

am Boden erfolgte nicht, obwohl die Einsatzregeln vorsa-

hen, dass der Angriffsort zeitnah nach einem Luftangriff

mit den bestehenden Möglichkeiten abgeriegelt werden

müsse, um die Auswirkungen des Luftschlags zu begu-

tachten und um zu verhindern, dass der Tatort verändert

wird oder Spuren beseitigt werden.
2443

Oberst Klein gab

vor dem Untersuchungsausschuss an, dass dem PRT

Kunduz nach dem Luftschlag das Personal und Material

für eine Wirkungsanalyse am Boden fehlte. Außerdem

habe er eine Wirkungsanalyse zum dem Zeitpunkt für

nicht erforderlich gehalten, weil er nicht mit zivilen Op-

fern rechnete und davon ausging, dass die Aufständischen

ihre Opfer sehr schnell vom Tatort entfernen und begra-

ben werden
2444

(Vgl. Kapitel III. 4. f).

Der Fliegerleitoffizier OFw W. setzte eine Meldung über

den Luftschlag an das Hauptquartier Nord in Masar-e-

Scharif ab, mit den geschätzten Opferzahlen und mit der

Nachricht, dass nur Aufständische getroffen worden sei-

en. Die Meldung erreichte das Hauptquartier Nord um ca.

3.15 Uhr morgens. Als der Kommandeur des Regional-

kommandos Nord (RC North) und Führer des deutschen

Einsatzkontingents ISAF, Brigadegeneral Vollmer, am

Morgen des 4. Septembers 2009 gegen 7.15 Uhr von dem

Vorfall erfuhr, befahl er Oberst Klein die Wirkungsanaly-

se vor Ort durchzuführen. Der durch das PRT Kunduz
2441) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 14 f.
2442) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.

2443) Feldjägerbericht (Fn. 403, Dokument 67).

2444) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.

zusammengestellte Untersuchungstrupp – das so genannte
Battle Damage Assessment Team (kurz BDA Team)

erreichte die Einschlagstelle gegen 12.34 Uhr und fand,

seinem Bericht zufolge, „nur noch verbrannte / zerstörte
materielle Überreste, einige Tierkadaver und Fahrzeug-

wracks“.2445 Tote oder Verletze fanden die Soldaten nicht
vor. Sie konnten folglich weder die Anzahl noch die Iden-

tität der Opfer feststellen. Das Team hatte den Eindruck,

dass der Ereignisort „offensichtlich deutlich verändert“
und „stark gereinigt“ worden war.2446 Die Soldaten trafen
dort auf zahlreiche Angehörige der afghanischen Polizei

(ANP) und Armee (ANA), die den Luftschlag als Erfolg

begrüßten.

2. Militärische und politische Rahmenbedin-
gungen des Luftschlags

Die Truppen und das Material des PRT waren zu zum

Zeitpunkt der Bombardierung stark beansprucht. Es

herrschte ein hoher Erwartungsdruck, die Aufständischen

aktiver und erfolgreicher zu bekämpfen. Diese Bedingun-

gen mögen mit eine Erklärung dafür sein, dass der Luft-

schlag am 4. September 2009 unter gravierenden Verfah-

rensfehlern angeordnet wurde (vgl. unten Punkt III. 4.)

und das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)

versucht hat, ihn als Erfolg darzustellen. Rechtfertigen

können sie das Verhalten dagegen nicht.

Oberst Klein ordnete den Luftschlag am 4. September

2009 als Angehöriger der durch die NATO geführten

Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afg-

hanistan (International Security Assistance Force, kurz

ISAF) an.
2447

Am 5. April 2009, fünf Monate vor dem

Luftschlag, hatte Oberst Klein das militärische Komman-

do über das PRT Kunduz übernommen. Die Bundeswehr,

die sich seit Dezember 2001 an ISAF beteiligt, übernahm

2003 die Verantwortung für den Norden Afghanistans

und war damit auch für Leitung des PRT Kunduz zustän-

dig. Das PRT besteht sowohl aus militärischen wie aus

zivilen Kräften. Zur Aufgabe der militärischen Kräfte

gehört es, die Sicherheitslage im Norden Afghanistans zu

stabilisieren, um den Aufbau ziviler Strukturen zu ermög-

lichen. Die Truppen des PRT arbeiten mit afghanischen

Sicherheitskräften zum Schutz der Zivilbevölkerung der

Provinzen Kunduz und Takhar zusammen.

Nach eigener Aussage vor dem Untersuchungsausschuss

wurde Oberst Klein in Kunduz mit einer prekären Sicher-

heitslage konfrontiert. Die Aufständischen verwickelten

die deutschen Streitkräfte vermehrt in Gefechte, in denen

diese sowie afghanische Sicherheitskräfte Verluste erlit-

ten. In Folge blieb Oberst Klein wenig Gelegenheit die

eigentlichen Aufgaben des PRTs – die Unterstützung
2445) Feldjägerbericht (Fn. 403, Dokument 67), Bl. 4.

2446) Feldjägerbericht (Fn. 403, Dokument 67), Bl. 6.
2447) Der VN-Sicherheitsrat hatte ISAF im Dezember 2001 nach dem

Sturz der Taliban in Afghanistan ins Leben gerufen, um die neu

gewählte Regierung durch die Herstellung und Aufrechterhaltung
eines sicheren Umfeldes mit militärischen Mitteln zu unterstüt-

zen. Vgl. die VN-Resolution 1386 des Sicherheitsrates vom

20.12.2001 (Dokument 31).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 371 – Drucksache 17/7400

ziviler Aufbaumaßnahmen – wahrzunehmen, sondern er
war hauptsächlich damit beschäftigt, den Schutz der eige-

nen Truppen sowie der afghanischen Sicherheitskräfte

und ziviler Hilfsorganisationen zu gewährleisten.
2448

Ab

Mai 2009 wurden die Truppen des PRT fast täglich in

Feuerkämpfe verwickelt.
2449

Vor den Präsidentschafts-

wahlen in Afghanistan am 20. August 2009 gab es darü-

ber hinaus konkrete Warnhinweise, dass regierungsfeind-

liche Kräfte einen Anschlag auf das PRT Kunduz planten.

Ein Anschlag wurde allerdings nicht verübt. Dringende

Hinweise für Anschläge nach dem 20. August 2009 be-

standen nicht. Trotzdem blieb die Sicherheitslage anges-

pannt. Die Aufständischen setzten vermehrt Sprengfallen

ein und versuchten die Hauptverbindungsstraßen um

Kunduz zu kontrollieren. In den Tagen vor dem 4. Sep-

tember waren bei einem Anschlag mit einem als Auto-

bombe umfunktionierten Tankfahrzeug 39 Personen ge-

storben und 64 Personen verletzt worden.

Oberst Klein hat vor dem Untersuchungsausschuss ausge-

sagt, er habe aufgrund der instabilen Sicherheitslage unter

großem Handlungsdruck gestanden:

„Durch das Hauptquartier ISAF in Kabul, aber
auch durch das Regionalkommando Nord in Ma-

sar–e-Sharif wurde mir ausdrücklich befohlen, un-
verzüglich Maßnahmen zur […] Bekämpfung der
Aufständischen zu ergreifen. Auch mein unmittel-

barer Vorgesetzter, General Vollmer, machte mir

sehr deutlich, dass er einen aktiven Einsatz des

PRTs [sic] in dieser Hinsicht von mir erwarte-

te.“2450

Die Unzufriedenheit des Gouverneurs und der lokalen

Bevölkerung wuchs. Hinzu kam, dass der damalige Gou-

verneur von Kunduz, Mohammad Omar, einige Tage

zuvor bei einem Anschlag der Aufständischen seinen

Bruder verloren hatte. Die afghanischen Offiziellen be-

mängelten das Unvermögen des PRT, die wachsenden

Aktivitäten der Aufständischen einzudämmen. Auch in

der deutschen Medienlandschaft vermehrte sich die Kritik

am Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.
2451

Es wurde

gefragt, ob der Bundeswehreinsatz in Anbetracht der

steigenden Gewalt im Norden Afghanistans überhaupt

noch sinnvoll sei, ob die deutschen Soldaten und Solda-

tinnen mangelhaft ausgerüstet seien und ob ihre Einsatz-

regeln zu restriktiv seien um die sich verschlechternde

Sicherheitslage im Norden Afghanistans zu stabilisie-

ren.
2452

Vor dem Hintergrund dieser öffentlichen Diskus-

sion änderte Verteidigungsminister Dr. Jung am 24. Juli

2009 die so genannte Taschenkarte, in der festgeschrieben
2448) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 2.

2449) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 4, 6; zur Sicherheitslage vgl.

auch Aussagen der Zeugen Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14,
Teil I, S. 6; Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 2.

2450) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 5.

2451) vgl. Abschlussbericht, zweiter Teil: Feststellungen zum Sachver-
halt; Berliner Zeitung vom 22. Mai 2008, „Anschlag auf Bundes-
wehr in Afghanistan vereitelt“, Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14,
Teil I, S. 3 f.

2452) vgl. zum Beispiel

http://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehreinsatz-in-

afghanistan-mehr-befugnisse-fuer-soldaten-1.105716.

ist, nach welchen Regeln die Soldatinnen und Soldaten

des deutschen Kontingents der ISAF militärische Gewalt

anwenden können. Durften die Soldatinnen und Soldaten

ihre Schusswaffen vorher nur zur Abwehr eines unmittel-

baren Angriffs einsetzen, konnten sie nachfolgend unter

bestimmten Bedingungen sowohl präventiv, also im Vor-

feld eines vermuteten Angriffs, als auch nach Beendigung

eines Angriffs auf Personen schießen.

Gleichzeitig hielt die Bundesregierung gegenüber der

Öffentlichkeit an ihrer Einschätzung fest, dass sich die

Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr lediglich in

einem „Stabilisierungseinsatz“ befinden. Noch am 11.
September 2009 betonten Vertreter des BMVg öffentlich,

dass der Einsatz in Afghanistan als Friedensmission zu

werten sei und dass deshalb andere rechtliche Rahmenbe-

dingungen gälten als im Kriegszustand. Dabei war der

rechtliche und militärische Handlungsspielraum der Bun-

deswehr zu diesem Zeitpunkt längst auf einen bewaffne-

ten Konflikt im völkerrechtlichen Sinne zugeschnitten.

Aufgrund der unsicheren Sicherheitslage, verbunden mit

der kritischen Diskussion des ISAF-Einsatzes in Deutsch-

land, standen die Soldaten des PRT Kunduz im Sommer

2009 unter „immenser psychischer und physischer Belas-
tung“.2453

Eine weitere Folge der vermehrten Gefechte war nach

Aussage des Oberst Klein, dass die Truppen und das Ma-

terial des PRT zur Zeit der Entführung der Tanklaster voll

eingebunden gewesen seien. Am 3. September 2009, am

Tag der Tanklasterentführung, hätten die Truppen des

PRT schwere Gefechte ausgetragen, und hätten weitere

Kämpfe für den 4. September 2009 erwartet. Ersatz habe

aufgrund mangelnder Ausrüstungslage und aufgrund der

gebotenen Ruhezeiten für die Soldatinnen und Soldaten

nicht zur Verfügung gestanden.
2454

3. Ziele des Luftschlags

Die öffentliche Berichterstattung in den ersten Wochen

nach dem 4. September 2009 hat den Eindruck erweckt,

alleiniges Ziel des Luftschlages sei die Zerstörung der

zwei Tanklastwagen zum Zwecke der Gefahrenabwehr

gewesen (a).
2455

Erst später verbreitete sich die Informati-

on, dass der Luftschlag auch darauf abzielte, die um die

Tanklastwagen befindlichen Personen zu töten.
2456

Auch
2453) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil II, S. 6; zur Kritik durch die

Medien vgl. ebenda, S. 3 f.
2454) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 7.

2455) vgl. zum Beispiel Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts

beim Bundesgerichtshof vom 16.04.2010 (Fn. 123, Doku-
ment 52), S. 25, Ziffer 6: „Gegen 01.40 Uhr gab Oberst Klein den
Befehl zum Waffeneinsatz, wie er in den nur wenige Kilometer

vor dem PRT befindlichen Tanklastern eine erhebliche Bedro-
hung sah.“

2456) vgl. zum Beispiel Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom

11.12.2009, http://www.sueddeutsche.de/politik/luftschlag-bei-
kundus-bundeswehr-wollte-taliban-toeten-1.149830: „Anders als
bislang behauptet, hatte der Angriff nicht primär zwei Tanklast-

züge zum Ziel, sondern sollte eine große Gruppe von Taliban und
ihre Anführer treffen. Der deutsche Kommandeur Oberst Klein

„wollte die Menschen angreifen, nicht die Fahrzeuge“, heißt es im
Isaf-Untersuchungsbericht.“

Drucksache 17/7400 – 372 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wenn Oberst Klein vor dem Untersuchungsausschuss die

Zerstörung der Tanklaster in den Vordergrund gestellt

hat
2457

, war die Tötung von regierungsfeindlichen Kräften

ein gewichtiger Beweggrund für den Angriff (b).

a) Abwehr einer unmittelbaren Gefahr?

Nach Aussage von Oberst Klein bestand durch die Ent-

führung der Tanklaster eine unmittelbare Bedrohung für

das PRT Kunduz und für die ihm anvertrauten Soldatin-

nen und Soldaten.
2458

Er habe befürchtet, dass die Auf-

ständischen die Tanklastwagen als „Autobombe“ (Suicide
Vehicle-Borne Improvised Explosive Device, SVBIED)

umfunktionieren und für einen „unmittelbaren Ang-
riff“2459 auf das PRT Kunduz verwenden würden. Denn
bereits zuvor hätten Aufständische Fahrzeuge für Selbst-

mordattentate gegen ISAF oder die afghanische Bevölke-

rung eingesetzt. Darüber hinaus habe es aktuelle Warnun-

gen vor einem Angriff auf das Feldlager Kunduz gegeben.
Der PRT-Nachrichtenoffizier OTL K. habe Oberst Klein

davon unterrichtet, dass die entführten Tanklastzüge nach

Westen, in den Rückzugsraum der Aufständischen, ver-

bracht und dort für Angriffe gegen die afghanischen Si-

cherheitskräfte und gegen ISAF vorbereitet werden soll-

ten.
2460

Auch nachdem sich die Tanklastwagen auf der Sandbank

festgefahren hatten, schätzte Oberst Klein nach eigenen

Angaben die Situation als akute Bedrohungslage ein:

„[Es] war […] eine wahrscheinliche Option, wenn
diese Tanklaster freikamen und sich nach Osten in

Bewegung setzen, dass diese, ohne auf großen Wi-

derstand zu stoßen oder vielleicht gar keinen Wi-

derstand anzutreffen, in wenigen Minuten an die-

sem Kontrollpunkt hätten sein können und danach

unmittelbar auch das PRT hätten erreichen kön-

nen.
“2461

Die Aussage von Oberst Klein, es habe eine unmittelbare

Bedrohung für das PRT Kunduz bestanden, ist nicht über-

zeugend. Die dem Untersuchungsausschuss vorliegenden

Dokumente weisen darauf hin, dass die Gefahr für das

PRT nicht akut war. So fehlen Anhaltspunkte dafür, dass

die Tanklaster tatsächlich als Autobombe gegen das PRT

Kunduz eingesetzt werden sollten: Der HUMINT-Kontakt

der TF 47, von dem die Nachricht von der Entführung der

Tanklaster stammte, berichtete am 3. September gegen 20

Uhr, dass die zwei Tanklaster über den Fluss in eine vom

PRT Kunduz wegführende Richtung (in Richtung des

Dorfes Gor Tepa) verbracht werden sollten. Für den Fall,

dass es nicht möglich gewesen wäre, die Laster über den

Fluss zu bringen, sollten die Fahrzeuge „vor Ort ausge-
schlachtet“ werden, um brauchbares Material zu gewin-
2457) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17, 26, 60.
2458) „Klein-Bericht“ an das BMVg 5. September 2009 (Fn. 379,

Dokument 63), Bl. 3, Ziffer 5.

2459) „Klein-Bericht“ an das BMVg 5. September 2009 (Fn. 379,
Dokument 63), Bl. 2, Ziffer 3.

2460) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 8, 49.

2461) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.

nen.
2462

Als die Tanklaster tatsächlich auf der Sandbank

stecken blieben, planten die Aufständischen, laut Nach-

richt des HUMINT-Kontakts, die Fahrzeuge nach Gewin-

nung des Kraftstoffs in Brand zu stecken.
2463

Danach

scheint – spätestens zu diesem Zeitpunkt – kein Anschlag
auf das PRT geplant gewesen zu sein.

Auch andere Zeugen, die zum Zeitpunkt des Luftschlags

im PRT Kunduz anwesend waren, haben ausgesagt, dass

sie am 3. September 2009 die Entführung der Tanklaster

nicht als unmittelbare Bedrohung für das PRT einstuften.

Nach Aussage des Zeugen OTL K. enthielten die Berichte

seines HUMINT-Kontakts, anders als von Oberst Klein

dargestellt, keine Informationen über die mit der Entfüh-

rung der Tanklaster verbundenen Absichten.
2464

Vor dem

Ausschuss hat er erklärt:

„Zu dem Zeitpunkt war über diese beiden Tanklas-
ter die Informationslage so dünn, dass ich da keine

Absichten hineininterpretieren konnte und auch

kein zukünftiges Verhalten da in irgendeiner Art

und Weise sehen konnte.“2465

Auch andere vor Ort tätige Zeugen fühlten sich nach

eigener Aussage durch die Entführung der Tanklaster

nicht unmittelbar bedroht.
2466 Der Zeuge General Ramms,

der 2009 operativer NATO-Befehlshaber war, hat vor

dem Untersuchungsausschuss erklärt in seiner nachträgli-

che Einschätzung der Situation sei von den Lastwagen

keine konkrete Gefahr ausgegangen.
2467

Auch die NATO-

geführte Untersuchung des Vorfalls ist zu diesem Schluss

gekommen. So heißt es zum Beispiel in einem internen

Bericht des BMVg, in dem diese Untersuchung ausgewer-

tet wird:

„Dabei wird durch den Bericht festgestellt, dass
die verfügbaren Informationen vor dem Luftangriff

und die Informationen der HUMINT Quelle keine

konkrete Bedrohung für das PRT KD aufzeig-

ten.“2468

b) Tötung von Aufständischen

Vor diesem Hintergrund rückt die Bekämpfung von Auf-

ständischen als Motiv für die Anordnung des Luftschlags

in den Vordergrund. Oberst Klein hatte aufgrund der

Nachrichten des HUMINT- Kontaktes Grund zu der An-

nahme, dass vier örtliche Talibanführer die Tanklaster

entführt hatten und auf der Sandbank zugegen waren.
2469

Nach Aussage eines Zeugens stand zumindest ein Name

der genannten Personen auf der Joint Priority Effects List,
2462) HUMINT-Meldungen Nr. 2 und 3 vom 3. und 4. September 2009,

Anlage 17 zu Anhang G des COM ISAF-Berichts (Fn. 145, Do-

kument 55).
2463) HUMINT-Meldungen Nr. 2 und 3 vom 3. und 4. September 2009,

Anlage 17 zu Anhang G des COM ISAF-Berichts (Fn.2462, Do-

kument 55).
2464) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 62.

2465) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 63.

2466) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II, S. 6.
2467) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II.

2468) Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 4-11.

2469) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 373 – Drucksache 17/7400

kurz JPEL (die Liste der Namen von Aufständischen, die

von ISAF Spezialkräften, zu denen die TF 47 gehört, mit

höchster Priorität gesucht werden).
2470

Dagegen gab die

Bundesregierung auf eine Frage des Abgeordneten

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) an, dass zum Zeitpunkt des

Luftangriffs keine der vier genannten Personen auf der

JPEL aufgeführt gewesen sei.
2471

Unabhängig davon, ob

die vermeintlich auf der Sandbank befindlichen Taliban-

führer mittels der JPEL gesucht wurden oder nicht, zielte

der Luftschlag darauf ab, sie zu bekämpfen, wie Oberst

Klein vor dem Untersuchungsausschuss angegeben hat:

„Durch die Zerstörung der Tanklastzüge und die
Tötung feindlicher Kämpfer, dabei vermutlich

Führer und die in der Vergangenheit als besonders

gefährlich erkannten ausländischen Kämpfer, wür-

de den Aufständischen ein schwerer Schlag ver-

setzt.“2472

Die ausdrückliche Zielangabe, auch die unmittelbar um

die Fahrzeuge versammelten Personen zu treffen, gab der

Fliegerleitoffizier OFw W. – entgegen seiner Aussage vor
dem Untersuchungsausschuss

2473
an die Piloten des Multi-

funktionskampfflugzeuges (F-15-E) weiter, die die Bom-

ben abwarfen.
2474

In den Transkriptionen der Funksprüche

zwischen JTAC OFw W. und den F-15-E Piloten heißt es

unter anderem:

[F-15-E] „…confirm are your trying to take out the
vehicles or are your trying to take out the pax

[=persons]?”

[JTAC]: „We‟re trying to take out the pax.2475”

Kurze Zeit vor dem Bombenabwurf meldete die Besat-

zung der F-15 E, dass sich eine größere Personengruppe

auf der Sandbank nach Norden bewegte. Daraufhin über-

mittelte der Fliegerleitoffizier den Befehl für einen

schnellen Bombenabwurf, da seiner Ansicht die Zeit nun

drängte.
2476

Allerdings wies OFw W., auf Anordnung von

Oberst Klein, die F-15-E an, nur die Tanklastwagen auf

der Sandbank und nicht die sich um die Sandbank herum

befindenden Fahrzeuge und Personen zu bombardieren.

Oberst Klein hatte zuvor den Abwurf von 2 000-Pfund

Bomben als unverhältnismäßig abgelehnt.
2477

Für die Annahme, dass es bei dem Luftschlag um die

gezielte Tötung der Personen neben den Tanklastwagen

ging, spricht auch, dass Oberst Klein vor dem Bomben-

abwurf, trotz mehrfacher eindringlicher Nachfragen der

Besatzung der F-15, auf eine show of force (ein tiefer

Überflug über dem Zielgebiet, um die dort befindlichen

Personen vor dem geplanten Bombenabwurf zu warnen)

verzichtete. Aus den Funksprüchen geht hervor, dass die
2470) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II, S. 9.

2471) BT-PlPr. 17136 (Fn. 235, Dokument 58), S. 3463.

2472) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17, 18; vgl auch „Klein-
Bericht“(Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2, Ziffer 1, Absatz 1.

2473) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 28, S. 46.

2474) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 7.
2475) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 7.

2476) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 7.

2477) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 7.

Besatzung der F-15 zögerte, die Bomben abzuwerfen,

ohne zuvor einen niedrigen Überflug durchgeführt zu

haben. Sie boten dem JTAC OFw W. mindestens fünf Mal

an, die Personen auf der Sandbank durch eine show of

force auseinanderzutreiben.
2478

Unklar bleibt, inwieweit OFw W. die Anfragen der F-15-

E an Oberst Klein weitergab. OFw W. hat vor dem Unter-

suchungsausschuss ausgesagt, er habe Oberst Klein mehr-

fach hiervon in Kenntnis gesetzt, dieser habe allerdings

nur einmal darauf reagiert und begründet weshalb er eine

show of force ablehne.
2479

Oberst Klein behauptete dage-

gen, seiner Erinnerung nach habe OFw W. ihn nur einmal

gefragt, ob eine show of force durchgeführt werden solle,

nämlich unmittelbar vor dem Abwurf gegen 1.40 Uhr.
2480

Er habe sich dagegen entschieden in der Annahme, die

Personen auf der Sandbank seien bereits durch das mehr-

stündige Kreisen der Flugzeuge über der Sandbank aus-

reichend gewarnt gewesen.
2481

Diese Begründung ist

wenig überzeugend. Sie suggeriert, dass die Warnung der

Personen mit den Interessen von Oberst Klein vereinbar

gewesen wäre. Hätte Oberst Klein die Tötung der Perso-

nen um die Lastwagen um jeden Preis verhindern wollen,

hätte er zumindest die ihm zur Verfügung stehenden

Schutzmaßnahme anordnen müssen, selbst wenn er auf-

grund eigener Erfahrung mit keiner großen Wirkung

rechnete. Die Piloten der F-15-E scheinen die show of
force jedenfalls als wirksames Mittel zur Warnung ange-

sehen zu haben. Darüber hinaus ist unklar, ob die Perso-

nen auf der Sandbank die Flugzeuge tatsächlich die ge-

samte Zeit über hören konnten und die Fluggeräusche als

Vorbereitung zu einem möglichen Luftschlag interpretier-

ten. So gibt der Augenzeuge A. M., Fahrzeugführer eines

der entführten Lastwagen an, dass die Flugzeuge auf der

Sandbank nicht die gesamte Zeit zu hören gewesen seien

und dass er etwa 20 Minuten vor dem Abwurf keine

Fluggeräusche mehr wahrgenommen habe.
2482

Deshalb ist die Annahme gerechtfertigt, dass Oberst Klein

die show of force zumindest auch deswegen unterlassen

hat, weil dies die Tötung von regierungsfeindlichen Kräf-

ten hätte vereiteln können. Zu diesem Schluss ist auch die

Bundesanwaltschaft in ihrer rechtlichen Würdigung ge-

kommen. Ihrer Ansicht nach hätte „eine Warnung das
legitime militärische Ziel der Tötung von Taliban verei-

teln können“.2483 In einem internen vorläufigen Bericht
aus dem BMVg zu der NATO-Untersuchung des Luft-

schlags wird vermutet, dass der JTAC OFw W. die F-15-E

anwies „so hoch wie möglich“ zu bleiben, um den Über-
raschungsmoment für den Angriff zu nutzen.

2484

2478) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 4, 5, 8,

9.
2479) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 6, 40.

2480) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 17.

2481) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 6.
2482) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 7.

2483) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwaltes beim Bundesge-

richtshof (offene Version) vom 16. April 2010 (Dokument 52),
S. 67.

2484) Vorläufiger Bericht für AG 85 (Fn. 321, Dokument 61), Blatt

139, 140.
Drucksache 17/7400 – 374 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Verfahrensverstöße bei der Anordnung

und Durchführung des Luftschlags

Da die Bundesregierung lange Zeit wenig transparent mit

dem Handlungs- und Gewaltanwendungsspielraum der

Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan

umgegangen ist (vgl. hierzu Kapitel III. 2), wird ein kur-

zer allgemeiner Überblick über die rechtlichen Rahmen-

bedingungen gegeben, an die Oberst Klein bei der Anord-

nung des Luftschlags gebunden war. Anschließend folgt

die eigentliche Bewertung des Luftschlags.

a) Rechtliche Rahmenbedingungen für den
Luftschlag

Maßgeblich für die Bewertung des Luftschlags ist, ob und

unter welchen Bedingungen die Soldatinnen und Soldaten

der Bundeswehr im Afghanistaneinsatz gezielt Gewalt

gegen Menschen anwenden dürfen. Maßgeblich ist wei-

terhin, ob und unter welchen Umständen der Tod von

Zivilpersonen bei militärischen Operationen in Kauf ge-

nommen werden darf. Die Rahmenbedingungen hierfür

setzt das Völkerrecht. Auf dieser Basis legen das VN-

Mandat und das Mandat des Deutschen Bundestags die

Grenzen der Gewaltanwendung im Afghanistan-Einsatz

der Bundeswehr fest. Diese werden in Vorschriften der

ISAF und der Bundeswehr weiter ausgeformt. Ein kurzer

Überblick über diese Regelungen soll helfen, um die

nachfolgende Bewertung des Luftschlags besser nachzu-

vollziehen.

aa) Humanitäres Völkerrecht

Obwohl die Bundesregierung den Afghanistaneinsatz zum

Zeitpunkt des Luftschlags offiziell als „Stabilisierungs-
einsatz“ darstellte, war er im Sinne des Völkerrechts be-
reits im September 2009 als nichtinternationaler bewaff-

neter Konflikt zu bewerten.
2485

Insofern sind die am Ein-

satz Beteiligten an die Vorschriften des humanitären Völ-

kerrechts gebunden. Die Regeln des Völkerrechts wurden

auch nicht durch das VN-Mandat oder das Bundestags-

mandat eingeschränkt.
2486

In einem solchen Konflikt

werden Personen – grob gesprochen – in drei Kategorien
unterteilt.

Erstens: Mitglieder einer organisierten bewaffneten

Gruppe sind ein legitimes militärisches Ziel. Sie dürfen

angegriffen und getötet werden, auch wenn sie nicht in

konkrete Kampfhandlungen verwickelt sind oder wenn

keine konkrete Gefahrenlage besteht. Als Mitglieder ge-

lten allerdings nur Personen, die kontinuierlich an den
2485) Einstellungsvermerk, Offene Version, Pressemitteilung 8/2010

des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 19. April

2010 (Dokument 52); Mat.17-74a, GBA, Sachakten Sonderband,

Geschädigtenvertreter Band 2, Bl. 107 ff. m.w.N.
2486) Mat. 17-71, Handakte des GBA, Blatt 280 ff. (285) Schreiben

Abteilung Recht, BMVg an Generalstaatsanwalt Dresden, 21. 10.

2009.

von dieser Gruppe ausgehenden Feindseligkeiten beteiligt

sind.
2487

Zweitens: Andere Personen, die sporadisch oder unorga-

nisiert oder in einer nichtkämpfenden Funktion an Feind-

seligkeiten teilnehmen, dürfen nur dann gezielt angegrif-

fen werden, wenn und solange sie aktiv an Kampfhand-

lungen beteiligt sind.
2488

Hieran sind bestimmte Anforde-

rungen geknüpft. Das bloße Benzinabzapfen von einem

entführten Tanklaster reicht für diese Einstufung zum

Beispiel nicht aus, egal ob dies für den eigenen Nutzen

geschieht, oder um eine bewaffnete Gruppe zu unterstüt-

zen.

Drittens: Zivilpersonen genießen grundsätzlich Schutz vor

den Gefahren, die von Kampfhandlungen ausgehen (nach

Artikel 13 Absatz 1 ZP II). Dies ist ein wesentlicher

Grundsatz im humanitären Völkerrecht, der durch weitere

Bestimmungen konkretisiert wird: Sind Menschen anwe-

send, muss der Befehlshabende bei einem Angriff im

Zweifelsfall davon ausgehen, dass sie (geschützte) Zivil-

personen sind (vgl. Artikel 50 Abs. 1 Satz 2 ZP I).
2489

Er

muss weiter darauf achten, dass Zivilpersonen bei Angrif-

fen weitgehend verschont bleiben (vgl. Artikel 57 Ab-

satz 1 ZP I). Hierfür muss der Befehlshabende bestimmte

Schutzmaßnahmen treffen: er hat alles praktisch Mögliche

zu tun, um sicherzugehen, dass er keine Zivilpersonen

angreift (Artikel 57 Abs. 2 a) i) oder dass der Angriff

unverhältnismäßig im Sinne des Völkerrechts ist (Arti-

kel 57 Abs. 2 a) iii); Artikel 51 Abs. 4 und 5 b) ZP I). Es

besteht eine grundsätzliche Warnpflicht bei Angriffen,

durch welche die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft

gezogen werden kann (vgl. Artikel 57 Abs. 2 Buchst. C

ZP I). Mögliche Warnhandlungen vor Luftschlägen sind

zum Beispiel ein niedriger Überflug.
2490

Diese völkerrechtlichen Bestimmungen stellen die äußers-

ten Grenzen der erlaubten Gewaltanwendung dar. Dane-

ben bestehen weitere (konkretisierende) Vorschriften, die

im Vergleich zu den völkerrechtlichen Bestimmungen

keine weitergehenden Befugnisse enthalten.
2491
2487) Mat.17-74a, GBA, Sachakten-Sonderband, „Antrag Rechtsanwalt

Kalek” Blatt 105 mit Verweis auf IKRK/N. Melzer, Interpretive
Guidance on the Notion of Direct Participation in Hostilities un-

der International Humanitarian Law, Adopted by the Assembly of
the International Committee of the Red Cross on 26 February

2009, S. 36.

2488) Artikel 13 Abs. 3 ZP II; IKRK/N. Melzer, Interpretive Guidance
on the Notion of Direct Participation in Hostilities under Interna-

tional Humanitarian Law, Adopted by the Assembly of the Inter-

national Committee of the Red Cross on 26 February 2009, S. 20.
2489) Einstellungsvermerk, Offene Version, Pressemitteilung 8/2010

des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 19. April

2010 (Dokument 52); Mat.17-74a, GBA, Sachakten Sonderband,
Geschädigtenvertreter Band 2, Bl. 107 ff. m.w.N.

2490) Mat.17-74a, GBA, Sachakten-Sonderband, „Antrag Rechtsanwalt
Kaleck”, Blatt 105 ff.m.w.N.

2491) Peter Dreist, Rules of Engagement in multinationalen Operatio-

nen – ausgewählte Grundsatzfragen, Teil 1, NZWehrR 2007, S.
45 ff. (114).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 375 – Drucksache 17/7400

bb) ISAF Mandat und Einsatzregeln der ISAF

Das VN-Mandat ermächtigt die an ISAF teilnehmenden

Mitgliedstaaten, alle zur Erfüllung des Mandats notwen-

digen Maßnahmen zu ergreifen. Dies schließt auch die

Anwendung militärischer Gewalt mit ein. Grundlage

hierfür ist Kapitel VII der VN-Charta. Im Operationsplan

der NATO (OPLAN) wird dies näher ausgestaltet, unter

anderem in den militärischen Handlungsregelungen, „Ru-
les of Engagement“ (RoE). Diese legen die Vorausset-
zungen fest, unter denen ISAF bei einer Operation Gewalt

anwenden darf. Die RoE stellen einen generellen Hand-

lungs- und Befehlsrahmen dar, der durch den befehlsha-

benden Soldaten für den Einzelfall auszulegen ist. Ein

Soldat der eine RoE verletzt, handelt noch nicht notwen-

digerweise völkerrechtswidrig. Maßstab bleibt allein die

Regelung des Völkerrechts, bzw. die Grenzen des völker-

rechtlichen Mandats. Allerdings begründet die Verletzung

einer RoE den Verdacht, dass im Einzelfall Völkerrecht

verletzt wurde. Eine detaillierte Überprüfung des Einzel-

falls ist daher zwingend geboten.
2492

Als weitere Handlungsrichtlinie für die Soldatinnen und

Soldaten in Afghanistan erließ der oberste militärische

Befehlshaber der ISAF, Stanley McChrystal, am 6. Juli

2009 eine so genannte Tactial Directive, eine Art Hand-

lungsanleitung bei der Umsetzung militärischer Operatio-

nen. Dort räumte er den Schutz von Zivilpersonen bei

militärischen Operationen oberste Priorität ein.
2493

cc) Bundeswehrmandat und Taschenkarte

Die ISAF RoE müssen auf die jeweilige nationale Ebene

umgesetzt werden, damit sie für die nationalen Kontin-

gente gültig sind. Dabei orientieren sie sich am Inhalt der

ISAF RoE, können aber geringe Abweichungen enthalten.

In Deutschland sind die RoE darüber hinaus mit dem

Mandat des Deutschen Bundestages für den Einsatz in

Afghanistan abgestimmt. Dieses stützt sich auf Artikel 24

II Abs. 2 GG. Das im September 2009 gültige Mandat des

Deutschen Bundestag orientierte sich (wie alle nachfol-

genden Mandate des Bundestags) am VN-Mandat und

autorisiert die Bundeswehr, alle erforderlichen Maßnah-

men einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt

zu ergreifen, um das Mandat gemäß Resolution 1833 von

2008 durchzusetzen.
2494

Nationale Einschränkungen (ca-

veats) des VN-Mandats sind im Bundestagsmandat nicht

enthalten.
2495

Die Vorgaben des Mandats sowie die natio-

nalen RoE werden für die Soldatinnen und Soldaten in

einer Taschenkarte zusammengefasst. In der Taschenkar-

te, die am 24. Juli 2009 neu gefasst wurde, wird unter
2492) Zu RoE vgl. im Einzelnen: Wissenschaftlicher Dienst, Felix

Arndt: Zu den Rechtwirkungen von RoE, S. 1; Peter Dreist, Rules
of Engagement in multinationalen Operationen – ausgewählte
Grundsatzfragen, Teil 1, NZWehrR 2007, S. 150.

2493) www.nato.int/isaf/docu/official_texts/Tactical_Directive_090706.pdf
(Dokument 49).

2494) vgl. oben, Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt, A.

2495) Mat. 17-71, Handakten des GBA, Ordner 1 (Dokument 173),
Bl. 201: Brief des Rechtsberaters, des Einsatzführungskomman-

dos der Bundeswehr an Generalstaatsanwaltschaft des Feistaates

Sachsen, 10. September 2009.

anderem beschrieben, wann eine Soldatin oder ein Soldat

militärische Gewalt anwenden darf. Der Inhalt der Ta-

schenkarte wird – soweit er ein bestimmtes Verhalten
anweist – für die Soldatinnen und Soldaten zu einem
verbindlichen Befehl.

2496
b) Verletzung der Aufklärungspflichten zur
Vermeidung ziviler Opfer

Oberst Klein war als befehlshabender Kommandeur ver-

pflichtet, alles praktisch Mögliche tun, um zu verhindern,

dass Zivilpersonen durch seinen Angriff zu Schaden

kommen. Dabei musste er abwägen zwischen dem Grad

der Gefahr, die von dem anzugreifenden Ziel ausgeht und

der Wahrscheinlichkeit, dass zu schützende Zivilpersonen

durch den Angriff zu Schaden kommen. Hierfür sind

Aufklärungsmaßnahmen notwendig. Die Zeit und Sorg-

falt, mit der die Abwägung vorzunehmen ist, hängt unter

anderem von der Einzelsituation, von der Dringlichkeit

und dem Grad der Bedrohung ab.

Oberst Klein hat in seiner Vernehmung erklärt, dass er

seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen sei. Er habe eine

ausreichende Bewertungsgrundlage besessen, um davon

ausgehen zu dürfen, dass „alle Personen, die sich zu die-
sem Zeitpunkt um die Tanklastzüge befanden, Teil der

Operation der Aufständischen waren und deswegen betei-

ligt waren.“2497 Neben den Informationen des HUMINT-
Kontaktes der TF 47 habe er sich auf die durch die Flug-

zeuge gesendeten Aufnahmen sowie auf seine „Erfah-
rungswerte aus fünf Monaten in der Region“2498 stützten
können.

Nach Auswertung des vorliegenden Materials bestehen

allerdings massive Zweifel daran, dass Oberst Klein seine

Aufklärungspflichten zur Vermeidung ziviler Opfer hin-

reichend wahrnahm. Zum einen differenzierte Oberst

Klein bei seiner Aufklärung nicht ausreichend zwischen

den Personen, die er angreifen durfte und zwischen zu

schützenden Zivilpersonen (aa). Zum anderen bot die

Quellenlage kein hinreichendes Lagebild. Hier hätte

Oberst Klein weitere Erkundigungen einziehen müssen.

Alternativ hätte er von einem Luftschlag Abstand nehmen

müssen. Beides wäre angesichts der geringen Gefahrensi-

tuation zumutbar gewesen (bb).

aa) Unpräzise Nachforschungen zu möglichen
Zivilpersonen vor Ort

In einem asymmetrischen Konflikt, wie er in Afghanistan

besteht, ist es schwierig, zwischen feindlichem Kämpfer

und zu schützender Zivilperson zu unterscheiden. Die

Grenzen sind fließend, ein Aufständischer kann jederzeit

seine Waffe verstecken und als Zivilist wieder auftau-
2496) Wissenschaftlicher Dienst, OTL i. G. Dr. U. Hartmann/ORRn

Dr. A. Schubert: Rules of Engagement und die Taschenkarten der
Bundeswehr, 2009 (Dokument 48).

2497) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 31.

2498) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 37.

Drucksache 17/7400 – 376 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chen.

2499
Deshalb hätte Oberst Klein besondere Sorgfalt

darauf verwenden müssen, zu unterscheiden, ob sich auf

der Sandbank ausnahmslos Mitglieder einer organisierten

bewaffneten Gruppe befanden, oder ob möglicherweise

auch Zivilpersonen anwesend waren und, wenn ja, ob

diese aktiv in Kampfhandlungen verstrickt waren oder

nicht (vgl. unter I die verschiedenen völkerrechtlichen

Kategorien).

Allerdings verwendete Oberst Klein bei der Aufklärung

der Personen vor Ort – und später in seinen Berichten
über den Luftschlag – Kategorien, die ungeeignet sind,
um eine solche Unterscheidung vorzunehmen. So hat

Oberst Klein vor dem Untersuchungsausschuss betont,

dass im PRT Kunduz die Unterscheidungskategorien

„Beteiligte“ und „Unbeteiligte“ verwendet würden.2500 Er
schätzte nach seiner Aussage die Lage dahingehend ein,

dass die aufständischen Führer vor Ort Angehörige ande-

rer Gruppen und „Sympathisanten“ herangerufen hätten,
um sie bei der Freisetzung der Lastwagen zu unterstüt-

zen.
2501

Insoweit seien sie Beteiligte. In seinem offiziellen

Bericht vom 5. September an das BMVg zum Luftschlag

schreibt Oberst Klein, er sei davon ausgegangen durch

den Einsatz mit höchster Wahrscheinlichkeit nur Feinde

des Wiederaufbaus Afghanistans zu treffen.
2502

Die Be-

griffe „Beteiligte“, Sympathisanten“ und „Feinde des
Wiederaufbaus“ gehen aber über die oben genannten
völkerrechtlichen Kategorien hinaus. Denn sie erfassen

auch Personen, die weder Mitglieder einer bewaffneten

Gruppe sind, noch aktiv in Kampfhandlungen verwickelt

sind, die aber auf andere Weise Unterstützungsleistungen

durchführen, wie zum Beispiel Personen, die freiwillig

oder unter Zwang dabei halfen die entführten Tanklaster

wieder fahrtüchtig zu machen, bzw. Benzin für die Tali-

ban abzuzapfen. Trotzdem werden solche Personen nicht

zu einem legitimen militärischen Angriffsziel.

Es gab keine systematische und umfassende Kommunika-

tion mit dem HUMINT-Kontakt zur Frage von Zivilper-

sonen vor Ort: Die Angehörigen der TF 47, Hptm N.,

OFw F. und HFw S., haben angegeben, bei der Aufklä-

rung der Situation auf der Sandbank die Begriffe „Zivilis-
ten“ und „Taliban“ bzw. „Insurgenten“ (also Aufständi-
sche) verwendet zu haben.

2503
Nach Aussage des Sprach-

mittlers M. M. hat der HUMINT-Kontakt die Unterschei-

dungskriterien „Taliban“ und „Unschuldiger“ verwen-
det.

2504
Im Antrag des Rechtsanwalts Kaleck an die Gene-

ralstaatsanwaltschaft Dresden auf Fortführung des Ermitt-

lungsverfahrens, wird unter Verweis auf den Feldjägerbe-

richt darauf hingewiesen, dass der Begriff „Taliban“ oder
„Aufständischer“ im Sprachgebrauch der lokalen Bevöl-
kerung und Politiker meist weit ausgelegt wird und oft-
2499) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 25; W, Protokoll-Nr. 8,

Teil II, S. 10.

2500) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 21, 31, 45. Dies hat OTL G., der

stellvertretende Kommandeur PRT Kunduz, bestätigt: G., Proto-
koll-Nr. 39, Teil II, S. 2, 5.

2501) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 16.

2502) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Blatt 3, Punkt 5.
2503) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68; S., Protokoll-Nr. 33, Teil II,

S. 43, 49; F., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 4, 5.

2504) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 8, 9.

mals politische Gegner der lokalen Machthaber umfassen

kann und somit weiter geht als die humanitär-

völkerrechtliche Begrifflichkeit.
2505

So versicherte der

Provinzrats Kunduz gegenüber Angehörigen des NATO

Untersuchungsteams (IAT), dass keine „Unschuldigen“
Opfer des Luftschlags geworden seien. Gleichzeitig gaben

sie an, auch seien Kinder und Heranwachsende unter den

Verletzten gewesen.
2506

Die irreführende Verwendung dieser Begriffe erhöhte das

Risiko, die Situation vor Ort nicht korrekt zu erfassen.

Umso notwendiger wäre es gewesen, dem HUMINT-

Kontakt präzisierende Fragen nach den Personen vor Ort

zu stellen, insbesondere, welche Personengruppen er unter

der Bezeichnung „Taliban“ verstehe. Rückfragen blieben
allerdings weitgehend aus. So hat HUMINT-Operator

HFw S. vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass

es keine Verständigung zwischen ihm und dem Kontakt

darüber gab, wann Menschen als Zivilisten und wann sie

als Kombattanten einzuschätzen seien.
2507

HUMINT-

Operator OFw F. hat berichtet, dass für ihn nicht erkenn-

bar gewesen sei, anhand welcher Erkennungskriterien die

Anwesenheit von Zivilisten ausgeschlossen wurde. Er

habe auch nicht nachgefragt, woran der Kontakt erkannt

habe, dass keine Zivilisten vor Ort seien.
2508

Der Kontakt

habe allerdings auf Nachfrage gemeldet, dass fast alle

Personen bewaffnet gewesen seien.
2509

Widersprüchliche

Angaben bestehen dazu, ob der Kontakt nach Kindern

und Frauen auf der Sandbank gefragt worden ist. Wäh-

rend Hptm N. dies verneint hat
2510

, hat HFw S. angegeben,

auch direkt nach Frauen und Kindern vor Ort gefragt zu

haben. Auch die Tätigkeit der Personen vor Ort gab kei-

nen Anlass dazu, sie als Mitglieder einer bewaffneten

Gruppe oder als Personen, die in Kampfhandlungen ver-

wickelt sind, einzuordnen. Der HUMINT-Kontakt gab

Auskunft darüber, dass die Personen damit beschäftigt

waren, die Tanklastwagen mit Hilfe von Traktoren fahr-

tüchtig zu machen bzw. Benzin abzuzapfen und abzu-

transportieren.

bb) Ungeeignete Quellenlage

Oberst Klein musste vor Abwurf der Bomben klar gewe-

sen sein, dass die Personen auf der Sandbank nicht aktiv

in Kampfhandlungen verwickelt waren, sondern dass sie

sich bemühten, die Tanklaster freizubekommen, bzw. das

Benzin abzuschöpfen. Wie unter Punkt 3 näher ausge-

führt, spricht viel dafür, dass Oberst Klein es vor dem

Bombenabwurf für unwahrscheinlich hielt, dass die Per-

sonen auf der Sandbank die Tanklaster für einen baldigen
2505) Mat. 17-74a, Blatt 69 ff., 108; „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Do-

kument 67), S. 5.

2506) Gesprächsprotokoll des Feldjägerführers: Auswertegepräch IAT
mit Vertretern Provinzrat KDZ und mit Vertretern AFG Ermitt-

lungsteam aus KBL, Anlage 27 zum „Feldjägerbericht“
(Dokument 80), Bl. 63; Bericht des Deputy Chief CJ2 HQ ISAF,
Protokoll Fact Finding Mission Kunduz vom 6. September 2009

(„N.-Bericht“, Dokument 54), Bl. 6.
2507) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 49.
2508) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 4, 12.

2509) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 12.

2510) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 377 – Drucksache 17/7400

Angriff auf das PRT Kunduz vorbereiten würden. Es ging

von den Tanklastern und Personen keine unmittelbare

Gefahr für das PRT Kunduz aus. Denn zum einen schien

es den Aufständischen unmöglich, die seit mehreren

Stunden feststeckenden Tanklaster von der Sandbank in

nächster Zeit befreien zu können; zum anderen besaßen

die Personen in der TF 47 die Information, dass die Auf-

ständischen die Lastwagen Richtung Westen, d. h. vom

PRT Kunduz weg fahren wollten. Abseits einer konkreten

Kampfsituation wären die Personen auf der Sandbank nur

dann ein legitimes militärisches Angriffsziel gewesen,

wenn sie Mitglieder einer organisierten bewaffneten

Gruppe gewesen wären. Aufgrund des völkerrechtlichen

Grundsatzes, dass Personen im Zweifel als zu schützende

Zivilpersonen zu werten sind, hätte Oberst Klein sie posi-

tiv als solche identifizieren müssen. Dies ist ihm aufgrund

der vorliegenden Quellenlage nicht gelungen.

aaa) Informationen zu den Tanklastwagen-
fahrern

Unklar bleibt, welche Informationen die Personen in der

Operationszentrale der TF 47 über die eindeutig als Zivil-

personen einzuschätzenden Fahrer der entführten Tank-

lastwagen besaßen. Die HUMINT-Kollektoren HFw S.

und OFw F. sowie OFw W. und Oberst Klein sagten aus,

dass der Kontakt keine spezifischen Informationen über

den Verbleib der Fahrer der beiden Tanklastwagen gehabt

habe.
2511

Oberst Klein fügte hinzu, dass die Fahrer seiner

Einschätzung nach nicht auf der Sandbank gewesen war-

en. Dabei hatte er sich auf seine Erfahrung in vergleichba-

ren Fällen gestützt und auf die wiederholten Versicherun-

gen des Kontaktes, dass nur Taliban vor Ort seien.
2512

Hptm N. gab dagegen an, dass der Kontakt sie über die

Tötung der Fahrer informiert hatte. Wörtlich sagte er aus,

„dass die LKW Fahrer an dem Abend von dem
Kontakt als nicht mehr im Spiel genannt wurden.

Sie sollten also wohl umgebracht worden sein.“2513

Der Sprachmittler, Zeuge M. M., hat wiederum angege-

ben, Informationen über die Lastwagenfahrer weitergelei-

tet zu haben.
2514

Tatsächlich hatte ein Lastwagenfahrer,

der Zeuge A. M., sowohl die Entführung als auch den

Luftschlag überlebt. Er sagte vor dem Untersuchungsaus-

schuss glaubhaft aus, dass sein Kollege nicht durch die

Taliban, sondern erst durch den Luftschlag getötet worden

war.
2515

Weiterhin hätten sich bei der Entführung ihre

Beifahrer in den Lastwagen befunden, die jedoch vor dem

Luftschlag hätten fliehen können.
2516
2511) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 5; S., Protokoll-Nr. 33, Teil II,

S. 45; Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23; W., Protokoll-Nr. 8,
Teil II, S. 48.

2512) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.

2513) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62.
2514) M. M., Protokoll-Nr. 33 Teil II, S. 23.

2515) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 3-5.

2516) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 13.

bbb) Glaubwürdigkeit des HUMINT-Kontaktes

Eine einzelne Person, die Nachrichten an die TF 47 wei-

tergab, informierte die TF 47 aus eigener Initiative am

Abend des 3. Septembers 2009 über die Entführung der

Tanklastwagen, die geplante Route und den Umstand,

dass die Tanklaster auf der Sandbank festgefahren waren.

Derselbe Kontakt informierte die TF 47 in der Nacht vom

3. September 2009 gegen Mitternacht auch darüber, dass

sich ausschließlich Aufständische auf der Sandbank auf-

hielten.
2517

Auch wenn der Kontakt als grundsätzlich

zuverlässig eingestuft wurde
2518

, wies Hptm N. Oberst

Klein darauf hin, dass es sich um unbestätigte Einzelmel-

dungen handele und dass nicht ausgeschlossen werden

könne, dass der Kontakt sein eigenes Spiel treibe.
2519

Insbesondere die Nachricht, dass keine Zivilpersonen auf

der Sandbank seien, könne man aufgrund der schweren

Unterscheidbarkeit zwischen Zivilpersonen und Aufstän-

dischen „nicht als absolut nehmen.“2520 Dass Hptm N. den
Einsatz seines HUMINT-Kontaktes auch als Gelegenheit

sah, dessen Glaubwürdigkeit bezüglich anderer Informa-

tionen zu prüfen, bestätigt, dass er den Kontakt nicht

einschätzen konnte und seinen Informationen nicht unein-

geschränkt traute.
2521

Bereits bei früheren ISAF Operatio-

nen war es vorgekommen, dass Kontaktpersonen bewusst

Falschinformationen lancierten um Angriffe auf Zivilper-

sonen zu provozieren. Dies alles wies darauf hin, dass den

Aussagen des Kontaktes nicht uneingeschränkt und nicht

ohne weitere Überprüfung geglaubt werden durfte. Trotz-

dem sah Oberst Klein keinen Anlass dazu, die Angaben

des Kontakts zu hinterfragen.
2522

Über die Identität des laut Aussage des HUMINT- Kol-

lektors, Zeuge F. inzwischen verstorbenen
2523

Kontaktes

haben die durch den Untersuchungsausschuss vernomme-

nen Angehörigen der TF 47 sowie der Sprachmittler,

widersprüchliche Aussagen getroffen. Die genannten

Zeugen konnten die ethnische Zugehörigkeit des Kontak-

tes nicht eindeutig festlegen
2524

und wussten nicht in wel-

cher Beziehung er zu den Entführern auf der Sandbank

stand. Selbst der Ort, von dem aus der Kontakt über die

Geschehnisse berichtete – ob er selbst mit auf der Sand-
bank war oder das Geschehnis vom Flussufer aus beo-

bachtete – blieb unklar. Dieser geringe Informationstand
wäre ein weiterer Grund gewesen, Informationen des
2517) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.

2518) Der Untersuchungsausschuss konnte nicht eindeutig feststellen,

wie glaubwürdig der Kontakt offiziell eingestuft worden war. Die
HUMINT-Kollektoren und der Geheimdienstoffizier der TF 47,

Zeugen N., S. und F. haben jedoch ausgesagt, dass sie zuvor posi-

tive Erfahrungen mit dem Zeugen gesammelt haben. N., Proto-
koll-Nr. 8, Teil II, S. 68, 73; F., Protokoll-Nr.35, Teil II, S. 27; S.,

Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 45.

2519) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62, 68, 73.
2520) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68 : „Deswegen habe ich auch dem

Herrn Oberst Klein gesagt, dass der Kontakt uns dies [keine Zi-

vilbevölkerung vor Ort] mitgeteilt hat, ich diese Aussage aber
nicht als absolut annehmen kann.“

2521) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 59.

2522) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.
2523) F., Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 27.

2524) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 10; N. Protokoll-Nr. 10,

Teil II, S. 76; F. Protokoll-Nr. 35, Teil II, S. 22.

Drucksache 17/7400 – 378 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
HUMINT-Kontaktes mit Vorbehalt zu verwenden. Trotz-

dem verließ sich Oberst Klein auf die Informationen, die

ihm von der Quelle zugetragen wurden.
2525

Unabhängig von der Frage nach der Integrität des

HUMINT- Kontaktes erscheint es unwahrscheinlich, dass

eine einzelne Person in der Lage war, mitten in der Nacht

bei schlechten Sichtverhältnissen zu erkennen, ob sich

unter den vielen Menschen auf der Sandbank, die außer-

dem in Bewegung waren, ausschließlich Aufständische

aufhielten. Dies bestätigte der Augenzeuge A. M., der sich

zum Zeitpunkt des Luftschlags auf der Sandbank befand.

Seiner Aussage nach war es zu dunkel, um das Alter aller

anwesenden Personen einschätzen zu können.
2526

ccc) Mittelbare Kommunikation mit dem
HUMINT-Kontakt

Der Aussagegehalt der HUMINT-Nachrichten hätte schon

deshalb kritisch bewertet werden müssen, weil Fragen

und Antworten nicht direkt, sondern nur mittelbar und

durch Übersetzung überbracht wurden. Oberst Klein gab

seine Fragen an Hptm N. weiter. Dieser gab sie an seine

HUMINT-Kollektoren weiter, die wiederum außerhalb

der Operationszentrale mit einem afghanischen Sprach-

mittler kommunizierten, der die Fragen telefonisch dem

HUMINT-Kontakt stellte. Auf dem umgekehrten Wege

übermittelte der Kontakt seine Informationen und beant-

wortete die Fragen.
2527

Der Sprachmittler M. M. hat vor

dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass der

HUMINT-Kontakt unmittelbar auf der Sandbank zugegen

gewesen sei und als Augenzeuge berichtet habe.
2528

Auch

Oberst Klein ging nach eigener Aussage davon aus, dass

er Informationen aus erster Hand erhielt.
2529

Dagegen

haben die Zeugen Hptm. N., und die HUMINT-

Kollektoren HFw S. und OFw F. glaubhaft berichtet, der

HUMINT-Kontakt habe seine Informationen über Telefo-

nate mit einer weitere „Subquelle“ bezogen. Der Zeuge
Hauptmann N. hat diesbezüglich in seiner Vernehmung

erklärt, dass es eine Weile gedauert habe, bis die Kon-

taktperson „damit rausgerückt hatte.“2530

Sollte tatsächlich eine weitere Subquelle eingeschaltet

gewesen sein, hieße das, dass die Informationen über

insgesamt fünf Personen liefen, bis sie zu Oberst Klein

gelangten. Bei einer solchen Informationskette über Tele-

fon, bei der zusätzlich noch Informationen übersetzt wer-

den mussten, scheint es nahezu unvermeidlich, dass In-

formationen verloren gehen oder verfälscht werden. Die

Personen in der Operationszentrale stützen sich auf die

Aussagen einer Person, deren Identität sie nicht kann-

ten.
2531

Sie konnten nicht einschätzen, wie glaubwürdig

sie war und aus welcher Motivation heraus sie den
2525) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 49.

2526) A. M., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 12.
2527) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 11.

2528) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 3, 6.

2529) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 44.
2530) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62; S. Protokoll-Nr. 33, Teil II,

S. 34, 36.

2531) S., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 49.

HUMINT-Kontakt mit Informationen versorgte. Der

Umstand, dass der Sprachmittler nicht sicherheitsüber-

prüft war und nicht in der Operationszentrale der TF 47

anwesend sein durfte, ist ein weiterer Faktor, der den

Nachrichtenwert des HUMINT-Kontaktes schmälert.

Nach eigener Aussage verfügte der Zeuge über keine

Dolmetscherausbildung.
2532

ddd) Luftbilder durch die B-1B bzw. F-15-E

Oberst Klein sah die Aussagen des HUMINT Kontaktes

bestätigt durch die Luftbilder, welche die B-1B Bomber

bzw. F-15-E übermittelten, sowie durch die Aussagen der

Piloten, die ihm über Fliegerleitoffizier OFw W. vermit-

telt wurden.
2533

Die in der Operationszentrale der TF 47 versammelten

Personen konnten allerdings auf den Videoaufnahmen

Aufständische und Zivilisten nicht unterscheiden. Unklar

blieb auch, welche Art von Fahrzeugen sich neben den

Tanklastwagen auf der Sandbank befand, die Anzahl der

Personen an den Tanklastern und die Frage einer even-

tuellen Bewaffnung dieser Personen.
2534

Auch die Aussagen der Piloten ergaben keinen hinrei-

chenden Aufschluss über die Situation vor Ort. So beste-

hen Zweifel, ob die Piloten der B-1B, wie von mehreren

Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss behauptet,
tatsächlich bewaffnete Personen auf der Sandbank aufklä-

ren konnten.
2535

Unbestritten ist, dass die F-15-E-Piloten

aufgrund ihrer Flughöhe keine Waffen identifizieren

konnten.
2536

Aus den Transkriptionen der Funksprüche

der F-15-E-Piloten wird deutlich, dass die Piloten sich

über die Anwesenheit von Zivilpersonen auf der Sand-

bank im Unklaren waren. Um sich abzusichern, schlugen

sie dem JTAC OFw W. vor, Rücksprache mit dem Com-

bined Air Operations Center zu halten. Dies lehnte der

JTAC aber mit dem Hinweis ab, der anwesende Kom-

mandeur PRT besitze den Freigabebefehl.
2537

Auch die

wiederholte Anfrage der F-15-E-Piloten, ob sie einen

Tiefflug durchführen sollten, zeigt, dass sie von der Mög-

lichkeit ausgingen, dass Zivilpersonen vor Ort seien (vgl.

hierzu Kapitel III.1).

eee) Hintergrundwissen

Schließlich berief sich Oberst Klein für die Lagebeurtei-

lung auf sein Erfahrungswissen. Er hielt es für unwahr-

scheinlich, dass sich die Zivilbevölkerung aus Angst vor

Aufständischen in der Nacht außerhalb ihrer Dörfer auf-

hielt, zumal es die Zeit des Ramadan war. Darüber hinaus

war die Sandbank eine „bekannte Übergangsstelle für
2532) M. M., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 10.

2533) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 47.

2534) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10; W., Protokoll-Nr. 8, Teil II,
S. F., Protokoll-Nr. 35, S. 5.

2535) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10, 56; N., Protokoll-Nr. 37,

Teil II, S. 94; W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 5; Mat.17-10/10a,
Anhang F, Anlage 23, Punkt 9, 10, 18, 31, 38, 40, 45, 48, 53.

2536) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 45.

2537) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 379 – Drucksache 17/7400

Aufständische“.2538 Auch die Anzahl der Personen auf der
Sandbank – Oberst Klein ging nach seiner Aussage von
70 Personen aus – widersprach nicht Oberst Kleins An-
nahme, dass keine Zivilpersonen anwesend seien.

2539
Mehrere Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss haben

die Situation im Nachhinein anders bewertet. Sowohl der

damalige Kommandeur des Allied Joint Force Command

in Brunssum, General Ramms, als auch Brigadegeneral

Vollmer, der als Führer des deutschen Einsatzkontingents

ISAF und Kommandeur des Regionalkommandos Nord

Oberst Klein vorgesetzt war, sowie der Leiter des Einsatz-

führungskommandos, Generalleutnant Glatz, haben vor

dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass ihrer Erfah-

rung nach bei einer solchen Anzahl von Personen grund-

sätzlich mit Zivilbevölkerung gerechnet werden müsse.

Auch General Ramms hat dies bestätigt.
2540

cc) Alternative Handlungsmöglichkeiten

Die NATO kam zu dem Schluss, dass Oberst Klein bei

einer derartig komplexen Entscheidungssituation weitere

Quellen hätte heranziehen müssen, bevor er eine Ent-

scheidung traf. Dies wird aus einem internen Bericht des

BMVg deutlich:

„Im Zusammenhang mit der positiven Identifizie-
rung der Taliban (Positive Identification PID) führt

der Bericht aus, dass eine HUMINT Quelle im Zu-

sammenhang mit der Aufklärung aus der Luft ge-

mäß den ISAF Standard Operation Procedures

(SOP) zwar die Minimalanforderungen erfüllt,

aber für ein solch komplexes Szenario durch die

Untersuchungskommission nicht als hinreichend

beurteilt wird.“2541

Wenn Oberst Klein zeitnah keine weiteren Aufklärungs-

möglichkeiten zur Verfügung standen, weil Material und

Personal gebunden waren, bzw. das Personal Ruhezeiten

benötigte
2542

, so hätte er den Luftschlag auf einen späteren

Zeitpunkt verschieben müssen, an dem bessere Sichtver-

hältnisse bzw. bessere Aufklärungsmöglichkeiten – etwa
durch die PRT-eigenen Drohnen – bestanden. Die zeitli-
che Verzögerung wäre zumutbar gewesen, weil erkennbar

keine unmittelbare Bedrohung von den Tanklastern oder

den Personen vor Ort ausging (vgl. Kapitel III. 3.). Zu-

mindest hinsichtlich der Tanklaster war auch nicht damit

zu rechnen, dass sie in nächster Zeit von der Sandbank

wegbewegt würden. Die Gefahr, die auf der Sandbank

vermuteten Mitglieder einer bewaffneten Gruppe zu ei-

nem späteren Zeitpunkt nicht mehr auf der Sandbank

angreifen zu können, hätte Oberst Klein in Kauf nehmen

müssen.
2543

Alternativ hätte er den Luftschlag aufgrund
2538) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10. 11, 37.

2539) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 10.
2540) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 4; vgl. auch ebenda S. 18.

2541) Mat. 17-22a, Ordner 3, Blatt 5, so auch die Einschätzung des

Zeugen Ramms.
2542) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 7, 14.

2543) Mat.17-74a, GBA, Sachakten-Sonderband, „Antrag Rechtsanwalt
Kaleck” Blatt 105 ff. m.w.N.

der verbleibenden Zweifel hinsichtlich des Status der

Personen auf der Sandbank ablehnen müssen.

Festzuhalten ist, dass Oberst Klein seine Aufklärungs-

pflichten vor dem Luftschlag nicht hinreichend wahrge-

nommen hat. Nach Beurteilung der NATO verstieß die

Anordnung des Luftangriffs auf große Personenansamm-

lung und ohne dass die eigenen Truppen unmittelbar

bedroht waren auf der Basis nur einer HUMINT-Quelle,

gegen die Richtlinien des COM ISAF.
2544

Sie steht auch

nicht in Einklang mit der völkerrechtlich verankerten

Pflicht, darauf zu achten, dass Zivilpersonen bei Angrif-

fen weitgehend verschont bleiben (Artikel 57 Absatz 1

ZP I). Die Vernachlässigung der Aufklärungspflichten

führte dazu, dass Oberst Klein das Bedrohungspotential

als unangemessen hoch einschätzte, und ihm gegenüber

die Wahrscheinlichkeit die Zivilbevölkerung zu treffen,

zu gering bemaß.

dd) Flugzeuganforderung trotz mangelndem
TIC

Die ISAF-Einsatzregeln sahen vor, dass Luftnahunterstüt-

zung durch die ISAF Luftleitzentrale kurzfristig gewährt

wird, wenn aufgrund der unmittelbaren Bedrohung („im-
minent threat“) erklärt wird, dass eigene Truppen in
Feindberührung (troops in contact (TIC)) stehen.

Um weitere Luftunterstützung zu erhalten, nachdem die

B-1B abgezogen worden waren, erklärte OFw W. auf

Anweisungen von Oberst Klein gegenüber der Luftleit-

zentrale fälschlicherweise das Vorliegen eines solchen

TIC.

Oberst Klein hat vor dem Untersuchungsausschuss ausge-

sagt, er habe zwar gewusst, dass es keine unmittelbare

Feindberührung (TIC) gegeben habe, allerdings habe eine

unmittelbare Bedrohung (imminent threat) seiner Truppen

bestanden, welche die TIC-Erklärung rechtfertigt habe.

Denn

„durch eine große Gruppe Bewaffneter und Tank-
wagen nur wenige Kilometer entfernt von dem Po-

lizeikontrollposten und dem PRT [lag] eine konk-

rete Bedrohungslage vor, die sich bei erneuter In-

marschsetzung der Tankfahrzeuge oder der Auf-

ständischen in kürzester Zeit dramatisch verschär-

fen könnte.“2545

Diese Aussage steht im Widerspruch zur weiteren Aussa-

ge von Oberst Klein, es sei gängige Praxis gewesen, dass

Bodenkommandeure auch bei bloß „allgemeiner Bedro-
hungslage“2546 einen TIC erklärten, um so schnell wie
möglich Luftunterstützung zu erhalten. Diese würde meist

nur zum Zwecke der Aufklärung verwendet. Er sei auch

davon ausgegangen, dass allen Beteiligten bekannt gewe-

sen sei, dass kein TIC im eigentlichen Sinne vorliege.
2547

Diese Aussage deutet darauf hin, dass Oberst Klein eben
2544) Mat. 17-22a, Ordner 3, Bl. 9.
2545) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.

2546) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.

2547) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 14.

Drucksache 17/7400 – 380 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht, wie zuvor behauptet, sicher von einem unmittelbar

bevorstehenden Angriff ausging, sondern dass er die

Situation auf der Sandbank zunächst einmal ausforschen

wollte.

Auch Fliegerleitoffizier OFw W. scheint daran gezweifelt

zu haben, dass die Situation tatsächlich als ein imminent

threat eingestuft werden konnte. So hat er ausgesagt, dass

ihm Oberst Kleins Erklärung, es handele sich um eine

akute Bedrohung, zunächst nicht einleuchtete.
2548

Den-

noch habe er Oberst Kleins Anweisungen befolgt, weil er

einen entsprechenden Befehl bekommen habe. Außerdem

habe Oberst Klein ihm erklärt, dass kurz zuvor in Kanda-

har gestohlene Lastwagen als von Selbstmordattentätern

gezündete Autobomben eingesetzt worden waren.
2549

Der

Umstand, dass JTAC W. der Anordnung von Oberst Folge

leistete und trotz eingestandener Zweifel eine TIC-

Situation meldete, deutet auf einen mangelhaft reflektier-

ten Umgang mit Befehlen hin. Als Mitglied der Bundes-

wehr war er dem Prinzip der Inneren Führung verpflichtet

und war angehalten, einen Befehl kritisch zu hinterfragen,

der offensichtlich gegen die Einsatzregeln verstieß.

Aus den Funksprüchen ergibt sich, dass die Piloten der F-

15-E zunächst annahmen, dass sie tatsächlich eine unmit-

telbare Bedrohung (imminent threat) abwehren sollten.

Insofern scheint Oberst Kleins Einschätzung falsch gewe-

sen zu sein, dass alle Beteiligten davon ausgingen, ein

TIC im eigentlichen Sinne sei nicht gegeben. Nach einer

ersten Bewertung der Lage zweifelten die F-15-E-Piloten

jedoch daran, dass es sich bei der Situation um einen

imminent threat handelte und berieten, wie sie darauf

reagieren sollten.
2550

Wie unter Kapitel III. 3. a) ausgeführt, ging von den

Tanklastern zu diesem Zeitpunkt tatsächlich keine unmit-

telbare Bedrohung im Sinne der TIC-Erklärung aus. Auch

Zeuge General Ramms hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss bestätigt, dass die von Oberst Klein geschilderte

Gefahrenlage zu allgemein für eine TIC Erklärung

war.
2551

Deshalb hätte Oberst Klein bei Einhaltung der

Regeln keine TIC-Erklärung abgeben dürfen. Die Aussa-

ge von Oberst Klein, dass die Umgehung der TIC-

Voraussetzungen gängige Praxis war, kann keine Ent-

schuldigung für sein Verhalten sein. Sie wirft vielmehr

Fragen nach den Gründen für die mangelnde Durchset-

zungsfähigkeit der RoE auf. Laut Bericht des BMVg ist

die NATO zu dem Schluss gekommen,

„dass COM PRT KDZ die F-15-E […] nur deswe-
gen zugeteilt bekommen habe, weil er ‚troops in
contact„ erklärt habe, obwohl eigene Kräfte nicht
in Nähe der Sandbank waren. […] Es wird emp-
fohlen, Kommandeure stärker in die Verantwor-
2548) Süddeutsche Zeitung vom 26.2.2010, „Ich war nicht im Kopf des

Kommandeurs“.
2549) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 4, 30.

2550) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 8.

2551) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 1, 5, 11.

tung zu nehmen, wenn TIC erklärt wird, ohne dass

die Voraussetzungen dafür vorliegen.“2552

c) Militärische Eingriffsgrundlage

In den Rules of Engagement (RoE) ist geregelt, wann und

unter welchen Voraussetzungen ein Angriff erlaubt ist.

Die Tactical Directives geben vor, dass vor dem Luft-

schlag offengelegt wird, auf Grundlage welcher RoE der

Luftschlag ausgeführt wird. Diese Vorschrift hat unter

anderem eine Kontrollfunktion: alle Beteiligten sollen die

Gelegenheit haben, sich über das Vorliegen der Einsatz-

voraussetzungen zu versichern.

Bei der Anordnung des Luftschlags wurde die RoE nicht

benannt. Dies führte dazu, dass die am Luftschlag betei-

ligten Personen von unterschiedlichen Eingriffsgrundla-

gen ausgingen und keine Möglichkeit besaßen, metho-

disch zu kontrollieren, ob die Voraussetzungen für den

Einsatz tatsächlich gegeben waren. Dieses Versäumnis

wog umso schwerer, als der Luftschlag unter keinen der

angenommenen RoE hätte angeordnet werden dürfen.

General Ramms ließ am 4. September 2009 rechtlich

prüfen, ob der Luftschlag in Einklag mit den RoE gestan-

den habe. Die Überprüfung ergab, dass die Voraussetzung

für keine der in Frage kommenden Ermächtigungsgrund-

lagen vorlag.
2553

Der Zeuge OFw W. hat vor dem Untersuchungsausschuss

ausgesagt, er sei davon ausgegangen, dass der Luftschlag

auf Grundlage der RoE ausgeführt worden sei, die Angrif-

fe gegen Personen in feindlicher Absicht erlaube. Voraus-

setzung dieser ROE ist unter anderem das Bestehen einer

unmittelbaren Bedrohung. Dieser lag allerdings nicht vor.

Der Zeuge Oberst Klein hat dagegen angegeben, er sei im

„Verlauf der weiteren Lageentwicklung“ zu dem Schluss
gekommen, dass eine andere Eingriffsgrundlage ange-

messener für die Situation gewesen sei. Diese setze unter

anderem voraus, dass Angriffe gegen afghanische Sicher-

heitskräfte oder die ISAF vorbereitet oder geplant wür-

den. Seiner Ansicht nach war er dazu ermächtigt, den

Luftschlag ohne Zustimmung seiner Vorgesetzten an-

zuordnen.
2554

Es bestehen allerdings Zweifel, ob Oberst

Klein zur Anordnung eines solchen Luftschlags befugt

war, oder ob er seinen Vorgesetzten hätte unterrichten

müssen. Darüber hinaus versäumten Oberst Klein und

Fliegerleitoffizier OFw. W., eine „Ziel-und Wirkungsana-
lyse“ (dynamische Zielzuweisung) vorzunehmen, die
Voraussetzung gewesen wäre, um nach der von Oberst

Klein im Nachhinein angegebenen RoE zu handeln.

Oberst Klein hat vor dem Untersuchungsausschuss er-

klärt, dass er mit dem erforderlichen Verfahren nicht

vertraut gewesen sei und dass OFw W. ihn auch nicht auf

die Notwendigkeit, ein solches Verfahren durchzuführen,

hingewiesen habe.
2555
2552) Mat. 17-30a, Ordn. Chronologie EinsFüStab, Teil 8, Bl. 7 f.
2553) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 11.

2554) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15, 36.

2555) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 51.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 381 – Drucksache 17/7400

Die Piloten wiederum erhielten von Fliegerleitoffizier

OFw W. widersprüchliche Angaben zum Zweck des Ein-

satzes. Sie gingen aufgrund der falschen TIC-Erklärung

von einer Situation der Selbstverteidigung aufgrund einer

unmittelbaren Bedrohung aus. Im Verlauf ihrer Lagebeo-

bachtung zweifelten sie offensichtlich daran, ob die Situa-

tion auf der Sandbank tatsächlich einen Akt der Selbstver-

teidigung rechtfertige.
2556

Sie fragten wiederholt beim

Fliegerleitoffizier nach der Anwesenheit eigener Kräfte in

der Nähe der Sandbank und nach dem Status der Personen

auf der Sandbank.
2557

Darüber hinaus schlugen sie dem

Fliegerleitoffizier vor, zur Absicherung Rücksprache mit

dem Combined Air Operations Center in Udeid, Katar, zu

halten.
2558

Auf wiederholtes Nachfragen versicherte ihnen

Fliegerleitoffizier OFw W. jedoch fälschlicherweise, dass

von den Personen auf der Sandbank eine unmittelbare

Bedrohung ausgehe. Daraufhin warfen die Piloten die

Bomben ab, ohne sich weiter nach der einschlägigen RoE

zu erkundigen.

Oberst Klein und OFw W. widersprechen sich in ihren

Angaben, ob sie sich über die anzuwendende RoE ausge-

tauscht hatten. Oberst Klein erinnerte sich, dass der Flie-

gerleitoffizier, OFw W. ihm den Wechsel der RoE vorge-

schlagen habe.
2559

Der Zeuge OFw W. erklärte dagegen,

dass es im Laufe des Abends keinen Wechsel der RoE

gegeben und dass er den Oberst auch nicht hinsichtlich

der RoE beraten habe.
2560

Nicht nachzuvollziehen ist, weshalb Oberst Klein in die-

ser wenig eindeutigen Situation und angesichts des komp-

lexen Regelwerks der RoE darauf verzichtete, seinen

Rechtsberater, oder den J3 als „Fachmann für die Anwen-
dung von RoE und SOP“ aus dem PRT Kunduz heranzu-
ziehen.

2561
Hierdurch vergab er sich eine weitere Mög-

lichkeit, die Richtigkeit seiner Anordnung überprüfen zu

lassen.

d) Show of force

Der Verzicht einer Demonstration von Stärke durch einen

niedrigen Überflug über die Sandbank (show of force) im

vorliegenden Fall kann nicht nachvollzogen werden. Ein

solcher Warnhinweis ist auch in den ISAF Einsatzregeln

vorgesehen.
2562

Diese spiegeln die im Völkerrecht veran-

kerte Warnpflicht gemäß Artikel 57 Abs. 2 c) ZP I wie-

der. Durch die Warnung sich möglicherweise vor Ort

befindender Zivilpersonen soll verhindert werden, dass es

zu unverhältnismäßigen Verlusten in der Zivilbevölke-

rung kommt. Eine Warnung unterbleibt, wenn die gege-

benen Umstände dies nicht erlauben.

Im gegebenen Fall erlaubten – und erforderten – die Um-
stände allerdings die Warnung möglicher Zivilpersonen.
2556) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 4.

2557) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 6 f.
2558) Transkript der Cockpit-Tapes (Fn. 319, Dokument 60), Bl. 6 f.

2559) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 15.

2560) W., Protokoll-Nr. 8, Teil III, S. 30.
2561) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 70.

2562) Mat. 17-54, GBA, Bl. 142, Sonderordner Geheim, Übersicht

verschiedener Einsatzregeln.

Oberst Kleins Erklärung, dass eine show of force über-

flüssig gewesen sei, weil die Personen auf der Sandbank

bereits durch die Motorgeräusche der seit mehreren Stun-

den über der Sandbank kreisenden Flugzeuge gewarnt

worden seien, greift nicht. Oberst Klein hätte jede ihm zur

Verfügung stehende Schutzmaßnahme anordnen müssen,

selbst wenn er mit keiner großen Wirkung rechnete. Dar-

über hinaus scheinen die F-15-E-Piloten, die mehrmals

einen niedrigen Überflug anboten, von der Wirksamkeit

der Maßnahme überzeugt gewesen zu sein. Eine show of

force wäre aus den oben angegebenen Gründen angemes-

sen gewesen und hätte eventuell die Tötung von Zivilisten

vermieden.

Nach Annahme der GBA unterließ Oberst Klein eine

show of force, um das Überraschungsmoment auszunut-

zen, weil er die Personen um die Tanklastwagen treffen

wollte (unter Punkt III. 3. b). Auch in diesem Falle ist die

Unterlassung einer show of force problematisch. Denn

den Angriff auf die Personen um die Lastwagen hätte er

nur dann ausführen dürfen, wenn Oberst Klein sie positiv

als Mitglieder einer bewaffneten Gruppe identifiziert

hätte. Oberst Klein hatte die Situation auf der Sandbank

jedoch nicht hinreichend aufgeklärt. Er musste deshalb

damit rechnen, dass sich auch andere Personen auf der

Sandbank befanden (vgl. unter Punkt 4.b). Oberst Klein

nahm nach eigener Aussage tatsächlich an, dass sich nicht

nur Mitglieder einer bewaffneten Gruppe auf der Sand-

bank befanden, sondern auch deren „Sympathisanten“.
Seine Entscheidung, den Luftschlag nur auf die Personen

um die Tanklaster herum zu beschränken und nicht die

gesamte Sandbank zu bombardieren, bestätigt dies. Aller-

dings gab es keine Hinweise darauf, dass sich gerade um

die Tanklaster herum nur solche Personen befanden, die

er hätte angreifen dürfen. Aus diesen Gründen hätte

Oberst Klein auch dann eine show of force – oder andere
Warnhinweise – anordnen müssen, um zu verhindern,
dass er Zivilpersonen traf.

e) Nichteinbeziehung des PRT-Personals

Oberst Klein verließ sich bei der Entscheidung und

Durchführung des Luftschlags ausschließlich auf die oben

genannten Angehörigen der TF 47, sowie den Fliegerleit-

offizier OFw W. Das Personal des PRT bezog er dagegen

nicht in die Vorbereitung des Luftschlags ein
2563

, weder

seinen Stellvertreter, noch seinen Nachrichtenoffizier oder

seinen Rechtsberater.
2564

Hierdurch isolierte sich Oberst Klein von den ihm zur

Verfügung stehenden Möglichkeiten, seine Entscheidun-

gen zu überdenken und noch einmal zu kontrollieren.

Dies wäre angesichts der komplexen Entscheidungssitua-

tion und aufgrund der Anspannung, die nach eigener

Aussage am Ende eines langen Gefechtstags auf ihm

lastete, eine wichtige Unterstützung gewesen.
2563) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 23.

2564) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 12,15, 62; K., Protokoll-Nr. 33,

Teil II, S. 20.
Drucksache 17/7400 – 382 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Für diese Entscheidung ist er später kritisiert worden. Der

stellvertretende Kommandeur des PRT, OTL G., gab vor

dem Untersuchungsausschuss an, er habe es als „unge-
wöhnlich“ empfunden, dass Oberst Klein ihn nicht hinzu-
gezogen hatte.

2565
Oberst Klein unterließ es darüber hi-

naus, vor oder unmittelbar nach dem Luftschlag seinen

Vorgesetzten, den Kommandeur Regionalkommando

Nord, Brigadegeneral Vollmer, persönlich zu unterrichten.

Stattdessen ließ er durch OFw W. eine schriftliche Nach-

richt absetzen, die das Regionalkommando Nord gegen

3.15 Uhr, d. h. mehr als eine Stunde nach Abwurf der

Bomben, erreichte. Aufgrund von Versäumnissen im Joint

Operation Center (JOC) des Regionalkommandos Nord

erfuhr Brigadegeneral Vollmer erst am Morgen des 4.

Septembers 2009, gegen 7.45 Uhr, dass 56 Aufständische

durch einen Luftschlag getötet worden seien.
2566

Brigade-

general Vollmer hat vor dem Untersuchungsausschuss

deutlich gemacht, dass er erwartet hätte, zumindest unmit-

telbar nach dem Luftschlag angerufen zu werden.
2567

Er

gab darüber hinaus an, dass er sofortige Maßnahmen zur

Erforschung des Vorgangs eingeleitet hätte, wenn er die

Nachricht früher erhalten hätte.
2568

f) Wirkungsanalyse

Die Tactical Directive des COM ISAF sieht vor, dass der

Angriffsort zeitnah nach einem Luftschlag nach den be-

stehenden Möglichkeiten abgeriegelt werden soll, um die

Auswirkungen des Luftschlags zu begutachten und um zu

verhindern, dass der Tatort verändert wird oder Spuren

beseitigt werden.
2569

Eine solche Wirkungsanalyse unter-

ließ Oberst Klein zunächst. Dies hatte gravierende Folgen.

Als Truppen des PRT Kunduz am Mittag des 4. Septem-

ber 2009 auf der Sandbank eintrafen, fanden diese einen

„offensichtlich deutlich gereinigte[n] Ereignisort, der
einen geradezu stark veränderten Eindruck hinterlässt“,
vor, wie im Feldjägerbericht festgehalten wird.

2570
Des-

halb war es unmöglich, die genauen Folgen des Luft-

schlages aufzuklären und die Anzahl und Identität von

Verletzten und Getöteten festzustellen
2571

(vgl. dazu unten

Kapitel III. 5.).

Oberst Klein hat vor dem Untersuchungsausschuss ange-

geben, er habe von einer Wirkungsanalyse am Boden

abgesehen, weil ihm hierfür das Personal und Material

gefehlt habe.
2572

Vor allem hielt er eine Wirkungsanalyse

zu dem Zeitpunkt für nicht dringlich und erforderlich,

weil er nicht mit zivilen Opfern rechnete und weil er

davon ausging, dass die Aufständischen ihre Opfer sehr

schnell vom Tatort entfernen und begraben würden.
2565) G., Protokoll-Nr. 39, Teil II, S. 3, 12.

2566) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 1.
2567) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 19.

2568) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.

2569) Feldjägerbericht (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 3; Glatz, Protokoll-
Nr. 12, Teil II, S. 90; B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 41.

2570) Feldjägerbericht (Fn. 400, Dokument 67), S. 4; B. Protokoll-

Nr. 10, Teil II, S. 4.
2571) Feldjägerbericht (Fn. 400, Dokument 67), S. 4; B. Protokoll-

Nr. 10, Teil II, S. 4.

2572) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 18.

g) Schlussfolgerung und Bewertung der
rechtlichen Reaktion auf den Luftschlag

Bei der Anordnung des Einsatzes wurden völkerrechtliche

Aufklärungs- und Warnpflichten missachtet, die dem

Schutz von Zivilpersonen dienen. Auch gegen ISAF-

Einsatzregeln und -Richtlinien wurde verstoßen. Diese

sollen den Soldatinnen und Soldaten helfen, bei ihren

Einsätzen die völkerrechtlichen Regelungen zum Schutz

von Zivilpersonen zu beachten. Zum Beispiel durch die

Benennung der RoE und durch die Einhaltung bestimmter

Verfahren, die die gemeinsame Kontrolle und Verant-

wortlichkeit bei Operationen garantieren. Ihre Beachtung

ist daher für die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit im

Sinne von Artikel 47 Abs. 2 ZP I ein relevantes Krite-

rium.

Die nachträgliche Bewertung des Luftschlags – unter
Einbeziehung aller vorhandenen Fakten – lässt keinen
Zweifel daran, dass die Bombardierung nicht hätte an-

geordnet werden dürfen. Es spricht viel dafür, dass Oberst

Klein dies bei Einhaltung aller ihm obliegenden Sorg-

faltspflichten im Vorfeld auch hätte erkennen müssen.

Die strafrechtliche Beurteilung des Vorfalls in Kunduz

war nicht Auftrag des Untersuchungsausschusses. Die

zuständige Justiz hat darüber hinaus ihre Bewertung ab-

geschlossen. Mit Verfügung vom 12. März 2010 leitete

die Generalbundesanwaltschaft (GBA) beim Bundesge-

richtshof ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts

einer Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch und

anderer Delikte gegen Oberst Klein und OFw W. ein.
2573

Am 16. April 2010 wurde das Ermittlungsverfahren ge-

mäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.

Die Begründung lautete, dass eine Strafbarkeit nach Völ-

kerstrafrecht nicht in Betracht komme und dass alle in

Frage kommenden Straftatbestände nach dem Strafge-

setzbuch gerechtfertigt seien, da die Regeln des humanitä-

ren Völkerrechts eingehalten worden seien.
2574

Der Ein-

stellungsvermerk der Generalbundesanwaltschaft lässt

allerdings etliche Fragen offen. Dies deutet möglicher-

weise darauf hin, dass hier eine Entscheidung ohne hin-

reichende Beschäftigung mit der Materie getroffen wurde.

Hierfür spricht die kurze Verfahrensdauer von nur einem

Monat, die für die Befassung mit komplexen Fragen sehr

kurz bemessen ist. Bei den von der GBA genannten Er-

kenntnisquellen fehlt zum Beispiel die Vernehmung von

Augenzeugen (z. B. der Lastwagenfahrer A. M.). Auch

scheint die GBA keine unabhängige Militärs als Sachver-

ständige zu der Frage vernommen zu haben, welche Auf-

klärungsmöglichkeiten vor dem Luftschlag zur Verfügung

standen. Die Darstellung des Sachverhalts folgt weitge-

hend den Aussagen des Zeugen Klein. So fehlt zum Bei-

spiel die Beschäftigung mit der Frage, ob weitere Aufklä-

rungsmöglichkeiten bestanden hätten, bzw. ob Oberst

Klein tatsächlich von einer unmittelbaren Bedrohung

ausgehen durfte. Bedauerlich ist, dass sich die GBA bei
2573) vgl. zu den Fakten oben, Erster Teil, Verfahren, A.II.1 (S. 8).
2574) Mat.17-74a, Sonderband Geschädigtenvertreter, Band 2,

Bl. 106 ff.; Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim

Bundesgerichtshof (Dokument 52).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 383 – Drucksache 17/7400

der rechtlichen Würdigung zu wenig mit den strittigen

Fragen auseinandersetzt hat und ihre Auslegung von

Rechtsnormen zu wenig begründet. Dadurch versäumte

sie die Chance, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in

einem Strafrechtsgebiet zu schaffen, in dem noch viel

ungeklärt ist.

Am 19. August 2010 wurde ein disziplinarisches Vorer-

mittlungsverfahren gegen Oberst Klein eingestellt. Die

Begründung lautete, dass Anhaltspunkte für ein Dienst-

vergehen, d. h. die Verletzung nationaler wie internationa-

ler Einsatzregeln, nicht erkennbar waren.
2575

Die Ent-

scheidung wurde nicht näher begründet. Insbesondere

bleibt unklar, wie dieser Schluss trotz der oben beschrie-

benen RoE-Verletzungen zustande kam.
5. Die Folgen des Luftschlags

Aufgrund der verzögerten Wirkungsanalyse war es un-

möglich, vor Ort die Folgen des Luftschlags festzustellen

(vgl. Kapitel III. 4. g.). Später wurde von verschiedener

Seite versucht, die Anzahl und Identität der Opfer indirekt

zu ermitteln. Das Ergebnis bleibt unbefriedigend. Die

Untersuchungen kommen zu verschiedenen Schlüssen

bezüglich der Anzahl der getöteten und verletzten Perso-

nen. Infolgedessen bleiben die exakte Opferzahl und die

Zahl getöteter sowie verletzter Zivilpersonen unklar (a).

Unbestritten ist, dass es zahlreiche zivile Opfer gegeben

hat, insbesondere dass Minderjährige unter den Opfern

sind (b).

a) Die Untersuchungsberichte

Nachforschungen stellten unter anderem an: das PRT-

Kunduz, zwei ISAF-Untersuchungsteams, eine offizielle

afghanische Untersuchungskommission im Auftrag von

Präsident Karzai, die Vereinten Nationen (UNAMA), die

afghanische Menschenrechtsorganisation AIHRC und das

Rote Kreuz.

Das Battle Damage Assessment Team des PRT, das am

Vormittag des 4. September 2009 den Tatort untersucht

hatte, kam zu dem Schluss, dass 12 oder 14 Personen

getötet wurden.
2576

Eine weiterer vom PRT zusammen-

gestellter Untersuchungstrupp, das Tactical Psychological

Operations Team, kurz TPT, befragte am selben Tag

Offizielle eines umliegenden Dorfes und erfuhr, dass 14

Zivilpersonen aus diesem Dorf getötet und vier verletzt

worden seien. Die Dorfbewohner seien gezwungen wor-

den, zur Sandbank zu kommen. Bereits zu diesem Zeit-

punkt erfuhr das Team, dass Kinder getötet worden war-

en, die ihrem Vater auf die Sandbank gefolgt waren.
2577

Die Ergebnisse der beiden Untersuchungsteams sind im

Feldjägerbericht festgehalten.
2578
2575) s. o., Erster Teil, Verfahren, A.II. (S. 8).

2576) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 122, Dokument 52), S. 38.

2577) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24, 27,31.

2578) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), S. 4.

Das Initial Action Team, kurz IAT, das am 4. und 5. Sep-

tember 2009 auf Veranlassung des ISAF-Kommandeur,

General McChrystal, dem Verdacht nachging, dass auch

Zivilpersonen unter den Opfern seien, schätzte, dass rund

125 Personen getötet worden waren. Zur Anzahl der zivi-

len Opfer trafen sie keine Aussage, jedoch stellten sie

fest, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich-
keit“ (‚high degree of certainty„) auch Zivilisten getötet
oder verletzt worden warenwaren.
Das IAT stützte seine

Untersuchung unter anderem auf Nachforschungen im

Krankenhaus Kunduz. Dort waren nach Angaben des

Krankenhauspersonals am 4. September 2009 zwölf Ver-

letzte eingeliefert worden, von denen zwei im Laufe des

Nachmittags starben. Einer der Patienten war ein Junge

von zehn Jahren mit kleineren Schrappnellverletzungen

an den Beinen, der nach Aussagen seines Vaters aus Neu-

gierde zur Sandbank gelaufen war.
2579

Zahlreiche Zivil-

personen aus umliegenden Dörfern hätten sich aufgrund

der Nachricht, es gebe kostenlosen Treibstoff, zum Zeit-

punkt der Bombenexplosion auf dem Weg zur, oder in der

Nähe der Sandbank aufgehalten.
2580

Auf Empfehlung des

IAT fand im September und Oktober 2009 eine formelle

NATO Untersuchung durch ein Joint Investigation Board

(JIB) statt. Diese stellte fest, dass die Anzahl ziviler Opfer

nicht endgültig ermittelt werden konnte und dass die

Quellenangaben zwischen 17 und 142 Getöteten oder

Verwundeten variieren. Es sei allerdings davon auszuge-

hen, dass sich rund 100 Personen zum Zeitpunkt des Luft-

schlags in der Nähe des Flussübergangs aufhielten. Auf-

grund von Berichten und Erzählungen lokaler Führer vor

Ort seien möglicherweise 30 bis 40 Zivilisten verwundet

bzw. getötet worden.
2581

Eine afghanische Untersuchungskommission erstellte am

10. September 2009 einen Bericht für den Präsidenten der

islamischen Republik Afghanistan, Hamid Karzai.
2582

Im

Bericht wird von 69 getöteten und elf verletzten Aufstän-

dischen sowie von 30 getöteten und neun verletzten An-

wohnern ausgegangen.
2583

In einem Bericht der Vereinten Nationen (UNAMA) vom

10. September 2009 werden 109 getötete und 33 verletzte

Personen, also insgesamt 142 geschädigte Personen na-

mentlich und mit Altersangaben aufgeführt.
2584

Nach einem Bericht der afghanischen unabhängigen Men-

schenrechtskommission AIHRC vom Dezember 2009

wurden 102 Personen durch den Luftangriff getötet.
2585

Schließlich besteht ein vertraulicher Bericht des Interna-

tionalen Roten Kreuzes (IKRK) vom 5. November 2009
2579) Mat. 17-11/11a, Anlage 33.

2580) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 7.
2581) Mat. 17 - 29a, Ordn. 8 (Dokument 81), Bl. 118 [119]. Schneider-

han, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.

2582) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53).
2583) „Karzai-Bericht“ (Fn. 122, Dokument 53), Bl. 2; Schneiderhan,

Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 8.

2584) Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof (Fn. 123, Dokument 52), S. 39; Annual report UNAMA

(Fn. 525, Dokument 79),S. 39.

2585) Liste mit Opfern des Luftschlags (Dokument 82).
Drucksache 17/7400 – 384 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
über Anzahl und Identität der Opfer des Luftschlags. Die

Ergebnisse des Berichts sind allerdings eingestuft.

b) Ergebnis

Durch die Untersuchungsberichte wurde deutlich, dass

vor dem Luftschlag Zivilpersonen von den Taliban ge-

zwungen wurden, ihnen bei der Freilegung der Tanklaster

zu helfen, dass aber auch Zivilpersonen aus Neugierde,

bzw. um Benzin für sich abzuschöpfen, freiwillig zur

Sandbank kamen.

Die durch die Untersuchungen festgestellten Opferzahlen

weichen zum Teil erheblich voneinander ab. Mögliche

Ursachen sind die zur Verfügung stehenden Untersu-

chungsmöglichkeiten, der Ermittlungszeitpunkt und ab-

weichende Untersuchungsinteressen sowie die verschie-

denen damit verbundenen Definitionen von „Zivilperson“
und „Aufständischem“. Wählt man die Minderjährigkeit
der ermittelten Opfer als ein Anhaltspunkt dafür, dass sie

Zivilpersonen waren und vergleicht man die Berichte

miteinander, in denen Namen und Alter der Opfer aufge-

führt wurden
2586

, so ergibt sich folgendes Bild:

– Berücksichtigt man lediglich die Namen, die auf
mindestens zwei Listen geführt wurden, so ergibt

sich, dass mindestens 36 Minderjährige verletzt und

sieben getötet wurden.

– Berücksichtigt man nur einmal gelistete Personen,
ergibt sich eine Gesamtzahl von 54 getöteten und 15

verletzten Minderjährigen.

Unterstellt man, dass alle Opfer tatsächlich in zumindest

einer Untersuchung berücksichtigt wurden, dann liegt die

Gesamtzahl der minderjährigen Opfer zwischen 43 und
2586) „Karzai-Bericht“ (Dokument 53); UNAMA-Liste vom 12.09.09

(Dokument 79); IKRK-Bericht vom 05.11.09; AIHRC-Bericht

vom Dezember 2009 (Dokument 82). Berücksichtigt wurden
möglicherweise verschiedene Schreibweise der afghanischen

Namen und Doppelzählungen sowie das Erstellungsdatum der

Berichte (weil einige der verletzten Opfer später verstorben sind).

69 Personen. Es handelt sich dabei ausschließlich um

Jungen. Ihr Alter liegt zwischen acht und 17 Jahren.

6. Mitwirkung Dritter bei der Entscheidung
für den Luftschlag

Angesichts der Zielsetzung und der großen Opferzahl gab

es Vermutungen darüber, ob Dritte Einfluss auf die Ent-

scheidung über den Luftschlag genommen haben.
2587

Insgesamt lassen sich keine endgültigen Schlussfolgerun-

gen bezüglich einer Einmischung Dritter ziehen. Die

genannten Punkte verdeutlichen allerdings noch einmal,

wie wenig transparent die Hintergründe des Luftschlages

sind. Dies erschwert die Bewertung des Luftschlages und

der daraus gezogenen lesson learned.

a) Die Rolle der Task Force 47

Die Rolle der TF 47 bei der Entscheidung über den Luft-

schlag bleibt undurchsichtig. Im Untersuchungsausschuss

konnte nicht eindeutig festgestellt werden, ob die Kräfte

der TF 47 dem Oberst Klein lediglich im Rahmen einer

gewöhnlichen Kooperation ihre – im Vergleich zum PRT

bessere – Ausrüstung und ihr Personal zur Verfügung
stellten

2588
, oder ob sie darüber hinaus Einfluss auf die

Entscheidung für den Luftschlag nahmen und dabei das

eigene Interesse verfolgten, örtliche Talibanführer zu

treffen. Für letztere Vermutung sprechen mehrere Anhalt-

spunkte. Auffällig ist insbesondere die bestehende Disk-

repanz zwischen der Aktenlage, die auf eine starke Invol-

vierung der TF 47 hinweist, und den Aussagen der Zeu-

gen, in denen dies bestritten wird. Dabei sagten viele

Zeugen zum Thema TF 47 nur zögernd und teilweise

widersprüchlich aus. Insbesondere die Aussagen des Flie-

gerleitoffiziers OFw W. und des TF 47 Nachrichtenoffi-

ziers Hptm N., die unmittelbar bei der Durchführung des
2587) vgl. zum Beispiel Der Spiegel, Die dunklen Geheimnisse der

KSK-Krieger, 10. 02. 2010,
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,676923,00.html.

2588) so z. B. Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9 oder W, Protokoll-

Nr. 8, Teil II, S. 6 f.

Verfasser Datum
Gesamtzahl

Opfer
Verletzte Getötete davon Zivilisten

PRT (BDA) 04.09.2009 12-14

IAT 06.09.2009 Keine Angaben Keine Angaben 125 high degree of

certainty

Afghanische

Untersuchung

10.09.2009 119 20 99 30 Tote/

9 Verletzte

UNAMA 12.09.2009 142 33 109 Keine Angaben

JIB 26.10.2009 Zwischen 17-

142

Ca. 100 Perso-

nen vor Ort, zur

Zeit des Luft-

schlags

Keine Angaben Keine Angaben mglw. 30 bis 40

Verletzte/Tote

IKRK 05.11.2009 vertraulich vertraulich vertraulich vertraulich

AIHRC 12.2009 102

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 385 – Drucksache 17/7400

Luftschlages mitwirkten, waren in dieser Hinsicht wenig

glaubhaft. Hinzu kam das Verhalten von Vertretern der

Bundesregierung, die mehrfach versucht haben, Fragen

nach der Beteiligung der TF 47 mit Hinweis auf einen

mangelnden Bezug zum Untersuchungsgegenstand zu

unterbinden. Hptm. N. versicherte vor dem Untersu-

chungsausschuss ungefragt, dass er den an der Operation

beteiligten Angehörigen der TF 47 eingeschärft habe
2589

,

Oberst Klein nicht in seiner Entscheidung zu beeinflussen.

Auch Zeuge OFw W. hat betont, dass er sich in die Ent-

scheidungsfindung von Klein nicht eingemischt habe. Es

sei allerdings möglich, dass er und Hptm N. über einen

Waffeneinsatz durch den B-1B gesprochen hatten, bevor

Oberst Klein in den Gefechtsstand der TF 47 gekommen

sei.
2590

Folgende Anhaltspunkte sprechen in der Summe dafür,

dass die intensive Mitwirkung der TF 47 über eine bloße

Hilfestellung hinausging:

– Oberst Klein nutze den Gefechtsstand der TF 47.
Dieser war grundsätzlich nur für TF 47-Personal zu-

gänglich. Die Nutzung des Gefechtsstandes war für

Angehörige des PRT unüblich und musste eigens ge-

nehmigt werden. Es ist daher naheliegend anzuneh-

men, dass zumindest die Nutzung der HUMINT-

Akten in den Computern der TF 47 maßgeblich für

die Nutzung des Gefechtsstands durch Oberst Klein

war.

– Oberst Klein wurde beim Auffinden der Tanklaster
sowie bei der Vorbereitung und Durchführung des

Luftschlags fast ausschließlich und maßgeblich durch

Angehörige der TF 47 unterstützt. Nachrichtenoffi-

zier Hptm N. stellte seinen HUMINT-Kontakt und

einen Sprachmittler zur Verfügung. Er schlug Oberst

Klein weiterhin vor, den B-1B und den HUMINT

Kontakt einzusetzen, um die Tanklastwagen zu su-

chen.
2591

Über ihn erreichte Oberst Klein auch die

Nachricht, dass sich lokale Talibanführer auf der

Sandbank befanden.
2592

– Die beiden TF-47-HUMINT-Kollektoren OFw F.
und HFw S. führten die Gespräche mit dem Kontakt

der TF 47 (vermittelt über einen Sprachmittler der TF

47) außer Hörweite von Oberst Klein. Beteiligt war

darüber hinaus ein Storyboard Writer der TF 47,

HFw V.
2593

Auch die Flugunterstützung wurde über

einen Luftwaffenverbindungsoffizier der TF 47 (Air

Liaison Officer, ALO), OTL G., beantragt.
2594

– Unklar bleibt, ob OFw W. tatsächlich nur als Flieger-
leitoffizier des PRT Kunduz tätig war, oder ob er

(auch) der Task Force 47 angehörte. Nach eigener
2589) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II.

2590) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 26.

2591) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9, N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S.
59.

2592) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 39.

2593) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 9, 11; N., Protokoll-Nr. 8,
Teil II, S. 59-64; Mat.17-22a, Akten Schneiderhan, Ordn. 4, Bl.

203: Vermerk von P. für Staatssekretär Wolf vom 7. 12. 2009.

2594) W., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 6 f.

Zeugenaussage war OFw W. Angehöriger des PRT

Kunduz. Auffällig ist allerdings, dass viele Zeugen

OFw W. der TF 47 zugeordneten, bzw. sich seines

Status unsicher waren.
2595

So bezeichnete HFw V.,

der als Storyboard Writer bei der Vorbereitung des

Luftschlags mitwirkte, OFw W. als SOTAC. Dieses

Kürzel steht für Special Operations Terminal Attack

Controller und bezeichnet die Fliegerleitoffiziere der

Task Force.
2596

Auch der damalige Bundesminister

der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung ging, in sei-

ner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss davon

aus, dass OFw W. Angehöriger der TF 47 gewesen

sei.
2597

. In einigen dem Untersuchungsausschuss vor-

liegenden Dokumenten wird OFw W. als Angehöri-

ger der TF 47 bezeichnet.
2598

Selbst Oberst Klein hat

OFw. W. in seinem Bericht vom 5. September 2009

als einen ihn „beratenden Kameraden der Verstärker-
kräfte“ tituliert.2599 Allerdings erklärte Oberst Klein
vor dem Untersuchungsausschuss auf Nachfrage, es

müsse sich dabei um ein Versehen gehandelt haben.

Auffällig ist weiterhin, dass OFw W. während der

Vorbereitung des Luftschlags unter einem der TF 47

zugeordneten Codenamen mit dem ALO der TF47,

OTL G., chattete. Der Zeuge OFw W. begründete

dies damit, dass er von einem bereits eingeloggten

Computer aus chattete und gegenüber OTL G. seine

Identität kenntlich machte. Der Grund mag darin lie-

gen, dass OFw W. häufiger bei Task Force Operatio-

nen mitwirkte.
2600

– Auch der Umstand, dass Oberst Klein bei seiner Vor-
bereitung weder seinen Stellvertreter noch seinen

Nachrichtenoffizier oder seinen Rechtsberater zu Ra-

te gezogen, sondern sich weitgehend auf die Arbeit

der TF 47 verlassen hat, ist ungewöhnlich und führte

dazu, dass zunächst kaum Nachrichten aus dem PRT

Kunduz zum Luftschlag abgesetzt wurden. Hingegen

unterrichteten Kräfte der TF 47 ihren Kommandeur

in Masar-e-Sharif ohne Wissen des PRT Komman-

deurs Oberst Klein telefonisch noch in derselben

Nacht vom Luftschlag.
2601

Die maßgebliche Beteiligung von Angehörigen der TF 47

und des Fliegerleitoffiziers an dem Luftschlag ist mögli-

cherweise eine Erklärung dafür, dass der Luftschlag ne-

ben der Vernichtung der Tanklaster auch auf die Tötung

von Aufständischen abzielte.
2595) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 30; V., Protokoll-Nr. 37,

Teil II, S. 41 ; M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil II, S. 75; Jung, Proto-
koll-Nr. 16, Teil II, S. 13.

2596) V., Protokoll-Nr. 37, Teil II, S. 41.

2597) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil II, S. 13
2598) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2; Mat.17-22a,

Akten Schneiderhan, Ordn. 4, S. 203, 289; Mat. 17-37 zu BB 17-

20, S. 32.
2599) „Klein-Bericht“ (Fn. 379, Dokument 63), Bl. 2.
2600) vgl. auch Glatz, Protokoll Nr. 12, Teil II, S. 90.

2601) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 28.

Drucksache 17/7400 – 386 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Rolle des BND

Für Mutmaßungen, dass Mitglieder des Bundesnachrich-

tendienstes (BND) an der Vorbereitung und Durchfüh-

rung des Luftschlags beteiligt waren
2602

, gibt es wenig

Anhaltspunkte.
2603

Allerdings konnte der Untersuchungs-

ausschuss keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen,

ob und wie BND Mitarbeiter vor Ort in den Luftschlag

involviert waren. Dies liegt unter anderem am unkoopera-

tiven Aussageverhalten der Zeugen M. F. und A. R, die

sich als BND-Mitarbeiter zum untersuchungsrelevanten

Zeitpunkt vor Ort aufhielten. Auf viele Fragen gaben sie

keine Antwort mit der wenig glaubhaften Begründung,

dass sie sich nicht mehr an die Geschehnisse erinnern

könnten.
2604

In anderen Fällen verwiesen sie auf einen

mangelnden Bezug zum Untersuchungsgegenstand
2605

oder antworten erst nach Rücksprache mit Vorgesetz-

ten.
2606

Die Aussagen ergaben lediglich, dass der BND über eine

Quelle im Laufe des 3. Septembers 2009 erfuhr, dass die

Tanklaster entführt worden waren. Diese Nachricht hätten

sie an das PRT Kunduz weitergeleitet. Darüber hinaus

seien sie jedoch nicht in die Suche nach den Tanklastern

involviert gewesen. Der Zeuge A. R. sagte weiter aus,

dass er am Abend des 3. September 2009 zusammen mit

seinem Kollegen M. F. in der Operationszentrale der Task

Force zwischen 19 und 21 bzw. 23 Uhr anwesend gewe-

sen sei, um eigenen TF-47-bezogenen Aufgaben nachzu-

gehen.
2607

Dabei habe er die Suche nach den Tanklastern,

die im Nachbarzelt der Zentrale stattfand, nicht mit ver-

folgt.
2608

Der Zeuge M. F. sagte aus, dass sie vom Luft-

schlag erst am Morgen des 4. September 2009 erfuh-

ren.
2609

Darüber hätten sie ihren Vorgesetzten in Masar-e-

Sharif informiert. Während der Zeuge A. R. aussagte, sie

hätten daraufhin die Weisung erhalten, Nachrichten zum

Luftschlag zu sammeln
2610

, bestreitet der Zeuge M. F.,

solche Aufträge erhalten zu haben.
2611

c) Beeinflussung durch afghanische Kräfte

Die Beurteilung, ob Dritte Oberst Kleins Entscheidung

beeinflussten, kann aus einem weiteren Grund nicht ab-

schließend vorgenommen werden. Aufgrund der undurch-

sichtigen Situation in Afghanistan ist es dem Untersu-
2602) vgl. Leipziger Volkszeitung vom 10.12.2009 (Fn. 384, Doku-

ment 64)

2603) Fritsche, Protokoll-Nr. 47, Teil I, S. 27; Vorbeck, Protokoll-

Nr. 47, Teil I, S. 4, 9; Uhrlau, Protokoll-Nr. 43, Teil I.
2604) z. B. A. R., Protokoll-Nr. 43 Teil I S. 4, 6, auf die Frage welcher

Art Nachrichten gesammelt wurden; ebenda S. 10 auf die Frage

nach von der Task Force gesuchten Personen; ebenda S. 42 zu
nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zu der Entführung und zur

möglicher Gefahrenlage für Kundus; ebenda S. 43 zur Frage ob

der Zeuge Oberst Klein im Gefechtsstand gesehen hat; vgl. auch
F. vgl. M. F., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 69, 74.

2605) A. R., Protokoll-Nr. 43 Teil I S. 9, 20; F., Protokoll-Nr. 45, Teil I,

S. 67, 68.
2606) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 9, 40.

2607) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 3.

2608) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 7.
2609) M. F., Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 70.

2610) A. R., Protokoll-Nr. 43, Teil I, S. 23, 25.

2611) M. F., Protokoll-Nr. 45,Teil I, S. 73.

chungsausschuss nicht möglich gewesen, die vielschichti-

gen politischen und ethnischen Interessenlagen in Kunduz

zu durchdringen und festzustellen, ob möglicherweise

eine afghanische Gruppe aus ethnischen oder politischen

Motiven ein eigenes Interesse an der Bombardierung der

Tanklastwagen und der anwesenden Personen besaß.

Möglich ist, dass afghanische Kräfte bewusst Falschin-

formationen lancierten, um den Luftschlag zu provozie-

ren. Anlass hierfür könnte die große Unzufriedenheit des

damaligen Gouverneurs von Kunduz, Mohammad Omar,

mit dem aus seiner Sicht zu passiven Vorgehen der deut-

schen Soldaten gegen Omars politische Gegner gewesen

sein. Ein möglicher Hinweis hierfür findet sich in den

Umständen der Informationsbeschaffung durch den

HUMINT-Kontakt der TF 47. Hptm. N, der als Geheim-

dienstoffizier der Task Force 47 die HUMINT-Kontakte

führte und ihre Nachrichten auswertete, hatte Oberst Klein

vor dem Luftschlag gewarnt, dass der HUMINT-Kontakt,

der als einzige Quelle für die Lagebeurteilung herangezo-

gen wurde, zwar als zuverlässig eingestuft worden sei,

dass man der Quelle aber „eben nur bis zu einem be-
stimmten Grad trauen kann und die Informationen nicht

als absolut anzunehmen sind.“2612 Dieses Misstrauen
erscheint im Nachhinein gerechtfertigt. Zumindest bleibt

unklar, weshalb der HUMINT-Kontakt der TF 47 auf

Nachfrage immer wieder beteuerte, dass ausschließlich

Taliban auf der Sandbank anwesend seien, obwohl sich

später herausstellte, dass auch Dorfbevölkerung, darunter

Kinder, vor Ort waren. Dies scheint auch am Abend vor

dem Luftschlag erkennbar gewesen zu sein. So sagte der

Augenzeuge A. M., der Fahrer einer der entführten Last-

wagen, vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass er vor

dem Luftschlag nicht nur Taliban, sondern Kinder und

alte Leute auf der Sandbank gesehen habe.

Für die Möglichkeit einer versuchten Manipulation durch

afghanische Kräfte könnte sprechen, dass nach Aussage

der HUMINT-Kollektoren und des Hptm N. der Kontakt

seine Informationen über einen weiteren „Subkontakt“
bezog, dessen Identität und Interessen völlig unbekannt

sind. Nach Aussage des Zeugen N. rückte der Kontakt

„erst nach einer Weile damit raus, dass er nicht direkt vor
Ort war, sondern dass er über andere Leute wieder ein

relativ gutes Bild davon hatte.“2613

Ein weiterer möglicher Anhaltspunkt könnte sein, dass die

Provinzräte das PRT Kunduz, im Gegensatz zu früheren

Operationen mit zivilen Toten, für den Luftschlag lobte

und feierte. Die Provinzräte bezeichneten laut Feldjäger-

bericht zunächst alle Opfer aus den umliegenden Dörfern

als Aufständische, einschließlich der getöteten Kinder und

Heranwachsenden.
2614

In einem Aufsatz der Juristen Ka-

leck/Schüller/Steiger zum Luftschlag in Kunduz wird

vermutet, dass die Provinzräte den Luftschlag begrüßten,

weil er Personen in einer oppositionell eingestellten Regi-

on bei Kunduz betraf. Unter Bezugnahme auf den Feldjä-

gerbericht heißt es dort:
2612) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 68.
2613) N., Protokoll-Nr. 8, Teil II, S. 62.

2614) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), S. 5; Klein, Proto-
koll-Nr. 6, Teil II, S. 28, 31.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 387 – Drucksache 17/7400

„Aus ihrer Sicht [der Provinzräte] wurden Perso-
nen aus Gebieten getroffen, die der Zivilverwal-

tung in Kunduz nicht nahestanden. Dies entsprach

auch der bekannten historischen Konfliktlage zwi-

schen Provinzgouverneur und paschtunischer Be-

völkerung. Jeder der vor Ort Anwesenden wurde

als Aufständischer bezeichnet, ohne jegliche Diffe-

renzierung nach Alter oder anderen Merkma-

len.“2615

7. Zusammenfassung

Die große militärische Anspannung und der politische

Druck, dem die Beteiligten Anfang September 2009 aus-

gesetzt waren, kann nicht rechtfertigen, dass und wie der

Luftschlag durchgeführt wurde, oder wie im Nachgang

mit seinen Folgen umgegangen wurde. Zwei Dinge sind

augenfällig: zum einen die Häufung von Fehlentschei-

dungen bei der Anordnung und Durchführung des Luft-

schlags, zum anderen die intransparente und lückenhafte

Informationspraxis, die sich bis in den Untersuchungsaus-

schuss fortgesetzt hat.

Der Luftschlag ist auf eine Reihe unterschiedlich gelager-

ter Fehlentscheidungen und falscher Prioritätensetzung

zurückzuführen. Jede für sich genommen hätte mögli-

cherweise korrigiert werden können, in der Summe erwie-

sen sie sich jedoch als fatal. Trotz Bedenken hinsichtlich

der Gefahreneinschätzung und der Regelverstöße hinter-

fragte keiner der beteiligten Bundeswehrsoldaten die

Befehle. Dies offenbart grundlegende Mängel in der Um-

setzung der Grundsätze der Inneren Führung bei Aus-

landseinsätzen.

Die Entscheidung war falsch, sich auf die Informationen

eines einzigen HUMINT-Kontakts zu stützen, der wahr-

scheinlich nicht aus erster Hand berichtete, sondern ledig-

lich Informationen einer unbekannten Person weiterleitete

und dessen Interesse unklar war. Oberst Klein hätte vor

der endgültigen Beurteilung der Lage weitere Informatio-

nen einholen müssen. War dies – wie von Oberst Klein
vor dem Untersuchungsausschuss angegeben – nicht
möglich, so hätte er den Luftschlag aufgrund der mangel-

haften Quellenlage nicht anordnen dürfen. Über die

Gründe für eine solche Fehleinschätzung kann nur speku-

liert werden: Der Wunsch, endlich einen erfolgreichen

Schlag gegen den militärischen Gegner zu führen, mag

dazu verleitet haben, die Lage nicht mit der gebotenen

Sorgfalt zu beurteilen.

In jedem Fall hatte die vorschnelle Lagebeurteilung und

Fehleinschätzung schwere Folgen. Vor dem Hintergrund

dieser Einschätzung verzichtete Oberst Klein auf eine

show of force, durch die möglicherweise Menschenleben

gerettet worden wären. Aus diesem Grunde verzichtete er

auch auf eine Wirkungsanalyse am Boden unmittelbar

nach dem Luftschlag. Dies hatte zur Folge, dass Anzahl
2615) Wolfgang Kaleck, Andreas Schüller, Dominik Steiger: Tarnen und

Täuschen. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden und der Fall

des Luftangriffs bei Kundus. Kritische Justiz, 2010, Heft 3,

S. 270 ff.; 279.

und Identität der Opfer bis heute nicht vollständig erfasst

werden konnten.

Zahlreiche Verfahrensverletzungen begünstigten die Ent-

scheidung für den Luftschlag. Zum Beispiel führte die

bewusst falsche Erklärung an die Luftleitzentrale, es be-

stehe eine TIC-Situation dazu, dass die Piloten der F-15-E

von einer falschen Lage am Boden ausgingen, nämlich

dass eine unmittelbare Bedrohung für das PRT Kunduz

vorlag. In diesem Eindruck wurden sie durch das unklare

Kommunikationsverhalten des JTAC noch bestärkt. An-

dere Verfahrensfehler beruhen offensichtlich auf mangel-

hafter Kenntnis der Verfahrensregeln, wie zum Beispiel

das Versäumnis einer dynamischen Zielzuweisung.

Mangelndes Informationsverhalten hat dazu geführt, dass

es nicht möglich war, Entscheidungen zu kontrollieren

und gegebenenfalls zu korrigieren. So unterließ es Oberst

Klein regelwidrig, gegenüber OFw W. beziehungsweise

gegenüber den F-15-E-Piloten, die RoE klar zu benennen,

die ihm als Grundlage für den Luftschlag diente. Infolge-

dessen konnten die Beteiligten nicht prüfen, ob die Vor-

aussetzungen der RoE tatsächlich vorlagen. Auch Oberst

Kleins Entscheidung, den Luftschlag eigenmächtig an-

zuordnen und weder seine Vorgesetzten noch sein PRT-

Personal vor oder nach dem Bombenabwurf mit einzube-

ziehen, verhinderte, dass vorgesehene Kontrollmechanis-

men in Gang gesetzt wurden und dass die Wirkungsanaly-

se am Boden früher durchgeführt wurde.

Das mangelnde Informationsverhalten – das sich bis in
den Untersuchungsausschuss fortgesetzt hat – führte dazu,
dass viele Vorgänge in der Operationszentrale der TF 47

intransparent und wenig nachvollziehbar bleiben. Insbe-

sondere deutet die Aktenlage darauf hin, dass Kräfte der

TF 47 die Vorbereitung und Durchführung des Luft-

schlags über das gewöhnliche Maß hinaus unterstützten

und auch eigene Interessen verfolgten. Aufgrund des

Aussageverhaltens einiger Zeugen im Untersuchungsaus-

schuss konnte der Grad ihrer Beteiligung nicht abschlie-

ßend geklärt werden.

IV. Die Bewertung der militärischen Untersu-
chungen zum Luftschlag

Unmittelbar nachdem sie von dem Vorfall erfahren hat-

ten, veranlassten unabhängig voneinander sowohl der

Führer des deutschen ISAF-Kontingents als auch den

Regionalkommandos Nord, Brigadegeneral Vollmer,

sowie der Kommandeur der ISAF-Schutztruppe

(COM ISAF), General McChrystal, die Untersuchung der

Umstände und Folgen des Luftschlags.

Die Ergebnisse dieser militärischen Untersuchungen so-

wie ein reger Informationsaustausch zwischen NATO,

Bundeswehr und BMVg über den Luftschlag bilden eine

wesentliche Bewertungsgrundlage für die politische Auf-

arbeitung des Vorfalls. Sie verdeutlichen, dass die einzel-

nen Untersuchungstrupps – trotz teilweise widersprüchli-
cher Nachrichten – schon ab dem 4. September 2009 ernst
zu nehmende Anhaltspunkte lieferten, die auf zahlreiche

zivile Opfer hindeuteten. Sie verdeutlichen auch, dass

Drucksache 17/7400 – 388 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
spätestens ab dem 6. September 2009 gravierende Zweifel

an der Verfahrensmäßigkeit des Luftschlags auftraten.

Das BMVg wurde über den Verlauf und über die Ergeb-

nisse der einzelnen Untersuchungen stets prompt und

ausführlich informiert. Anstatt aber eine möglichst umfas-

sende Aufklärung zu unterstützen oder sich für eine eige-

ne nationale Untersuchung zu entscheiden, wurden aus

dem BMVg heraus Schritte unternommen, die Aufarbei-

tung gezielt zu beeinflussen. So brachen Generalinspek-

teur Schneiderhan und Staatssekretar Dr. Wichert die

nationale Feldjägeruntersuchung ab. Außerdem gibt es

Hinweise darauf, dass eine durch Staatssekretär Wichert

im BMVg eingerichtete „Gruppe 85“ den Untersuchungs-
verlauf des Joint Investigation Board nicht nur zu beglei-

ten, sondern auch punktuell zu beeinflussen suchte.

Dies wird im Folgenden näher ausgeführt (zu den Tatsa-

chen vgl. Feststellungsteil, Punkt B.IV.). Zunächst wird

auf die Untersuchungen des Battle Damage Assessment

Teams (1) und die Feldjägeruntersuchung (2) eingegan-

gen. Weiterhin wird auf die durch den COM ISAF Gene-

ral McChrystal veranlassten ISAF Untersuchungen des

Initial Action Teams und des Joint Investigation Boards

(3) eingegangen. In diesem Zusammenhang wird auch die

Frage nach einer nationalen Untersuchung behandelt (4).

Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung (5).

1. Erkundungen des BDA-Teams, 4. Septem-
ber 2009

Oberst Klein hatte aus den in Kapitel III.4.g genannten

Gründen eine Wirkungsanalyse vor Ort unterlassen. Erst

am Vormittag des 4. September 2009 stellte er ein Unter-

suchungsteam (Battle Damage Assessment Team, BDA-

Team) zusammen, das durch Kräfte des Regionalkom-

mandos Nord unterstützt wurde.
2616

Aufgrund der starken

zeitlichen Verspätung, mit der Oberst Klein das BDA-

Team entsandte, konnte es vor Ort keine wesentlichen

Erkenntnisse erlangen.
2617

Tote und Verletzte waren be-

reits geborgen, der Ort offensichtlich verändert.
2618

Die Verspätung des BDA verstieß gegen die geltenden

ISAF-Einsatzregeln – entsprechend dieser muss diese
Analyse zeitnah nach einem solchen Ereignis erfolgen –
und wirkte sich tatsächlich negativ auf die Untersu-

chungsergebnisse aus.
2619

Brigadegeneral Vollmer kriti-

sierte dies vor dem Untersuchungsausschuss. Er hätte eine

frühere Untersuchung vor Ort für nötig befunden und sei

verärgert gewesen, nicht früher über den Luftschlag in-
2616) Das BDA-Team bestand aus einem Element in Kompaniestärke

unter Führung des Chefs der Schutzkompanie, Hauptmann S.,

verstärkt durch Feldjäger unter Führung von Feldjägerstabsoffi-

zier Major T., sowie Fachleuten für zivil-militärische Zusammen-
arbeit und psychologische Operationen. Klein, Protokoll-Nr. 6,

Teil II, S. 20; Feldjägerbericht (Dokument 67), Bl. 4.

2617) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35.
2618) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67), Anlage 9, Debriefing

im PRT nach BDA 04. 09. 09.

2619) vgl. z. B. Feldjägerbericht (Fn. 400, Dokument 67), Bl. 3,4.

formiert worden zu sein. Er hätte früher reagieren und

eine Wirkungsanalyse veranlassen können.
2620

Auch der Verlauf der Wirkungsanalyse wurde problema-

tisiert. Stimmen aus dem BDA-Team äußerten sich kri-

tisch zur Transparenz der Untersuchung und den einge-

setzten Untersuchungsmitteln. Der eingesetzte Feldjäger-

führer OTL B. monierte in seinem Bericht, der Chef der

Schutzkompanie habe vor Abfahrt kontrolliert und dafür

gesorgt, dass sich keine Kräfte des Regionalkommandos

Nord (RC N) aus Masar-e-Sharif im Konvoi befanden, die

zu dem Zeitpunkt zur Unterstützung nach Kunduz ent-

sandt worden waren. Laut Befehl von Oberst Klein waren

diese vor Ort nicht erwünscht.
2621

Vor dem Untersu-

chungsausschuss bestritt Oberst Klein diese Version aller-

dings. Die Kontrolle sei eine Schutzmaßnahme seines

Chefs der Schutzkompanie gewesen, weil vor Ort mit

Beschuss durch feindliche Kräfte zu rechnen gewesen

sei.
2622

Weiterhin bemängelte der Leiter des Einsatzkamerateams,

Hptm. G., in seinem Bericht vom 7. September an Briga-

degeneral Vollmer, dass sein Team für die Erkundungen

nicht in Anspruch genommen worden sei. Seiner Ansicht

nach hätte sein Einsatz zu einer schnelleren Informations-

verbreitung beitragen können:

„Im vorliegenden Fall wäre es bei optimaler Zuar-
beit durch das PRT möglich gewesen, bereits am

Abend des 4. September eine erste Dokumentation

nach Deutschland übertragen zu können.“2623

Trotz dieser Fehler bei der Durchführung der Wirkanalyse

lieferten die Untersuchungen im Laufe des 4. September

bereits erste Anhaltspunkte zu zivilen Opfern. Gespräche,

die das eingesetzte Tactical PsyOps Team (TPT) in einem

nahegelegenen Dorf am frühen Nachmittag des 4. Sep-

tember 2009 führte, ergaben, dass aus einem Dorf 14

Zivilpersonen getötet und vier schwer verletzt worden

seien. Diese Personen seien zuvor von Aufständischen zur

Arbeitsleistung am Ort des Luftschlags gezwungen wor-

den.
2624

Eine im TPT-Bericht enthaltene Liste mit den

Namen und Altersangaben der Opfer ergibt, dass sich

unter den Getöteten sieben Minderjährige (Alter zwischen

acht und 16 Jahren) und unter den Verletzten ein zwölf-

jähriger Junge befanden. Nach seiner Rückkehr in das

PRT Kunduz informierte der TPT-Leiter, Stabsfeldwebel

B., Oberst Klein umgehend über seine Untersuchungser-

gebnisse. Der Bericht wurde in den Feldjägerbericht auf-

genommen.
2625

Am Nachmittag des 4. September führten Teile des BDA-

Teams Erkundigungen im Krankenhaus durch, wo sie
2620) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2, 4.
2621) Gesprächsprotokoll Feldjägerführer (Fn. 395, Dokument 65),

Bl. 43.

2622) Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II, S. 20.
2623) EKT-Bericht (Fn. 397, Dokument 66).

2624) Gesprächsprotokoll Feldjägerführer: Auswertegespräch Kom-

mandeur PRT Kunduz mit allen Mitgliedern BDA-Team PRT
Kunduz (Fn. 395, Dokument 65), Bl. 43.

2625) B., Protokoll-Nr. 39, Teil I, S. 24; Mat. 17-11/11a, Feldjägerbe-

richt, Anlage 25, Einsatzbericht TPT 2, Blatt 2.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 389 – Drucksache 17/7400

sechs Verletzte und zwei Tote vorfanden, die laut Feldjä-

gerbericht fast alle typische Brandverletzungen aufwie-

sen. Einige von ihnen seien im Alter zwischen ca. elf und

15 Jahren gewesen.
2626

2. Feldjägeruntersuchung, 4. bis 9. Septem-
ber 2009

Brigadegeneral Vollmer entsandte am 4. September 2009

Kräfte des deutschen Einsatzkontingents unter Leitung

seines Feldjägerführers Oberstleutnant B. aus Masar-e-

Scharif in das PRT Kunduz. Bis zum 6. September zogen

sie Erkundigungen ein, begleiteten die parallel laufende

ISAF-Voruntersuchung durch das Initial Action Team

(IAT) und sammelten Materialien. Die Ergebnisse der

Erkundigungen wurden in einem Bericht festgehalten,

dem so genannten Feldjägerbericht. Nach Aussage des

Feldjägerführers OTL B. schlugen seine Bemühungen

fehl, Oberst Klein und OFw W. zu den Vorfällen am 3./4.

September zu befragen. OFw W. weigerte sich Auskunft

zu geben, weil er – so seine Erklärung vor dem Untersu-
chungsausschuss – den Auftrag des Feldjägerführers nicht
kannte und keine eingestuften Informationen preisgeben

wollte. Ein Gespräch mit Oberst Klein kam nach Ein-

schätzung des Zeugen B. aus Zeitgründen nicht zustan-

de.
2627

Die Funktion der Feldjägeruntersuchung veränderte sich

im Laufe der Zeit. Ihr Zweck war zunächst – entspre-
chend des Auftrages von Brigadegeneral Vollmer –
Oberst Klein bei der Aufklärung des Bombenabwurfs

vom 4. September mit Fachexpertise zu unterstützen und

als unabhängige Kräfte alle vorhandenen Informationen

zu sammeln, um Brigadegeneral Vollmer ein möglichst

vollständiges Bild von den Geschehnissen zu ermögli-

chen.
2628

Nach dem 4. September dienten die Erkundigungen der

Feldjäger auch der Vorbereitung eines möglichen Diszip-

linarverfahrens gegen Oberst Klein. So entschloss sich

Brigadegeneral Vollmer am Abend des 4. September nach

Rücksprache mit seinem Vorgesetzten, dem Leiter des

Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, General-

leutnant Glatz, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, um

auch

„zu seinem [Kleins] Schutz später – disziplinar zu
ermitteln: War das alles rechtens, was er dort ge-

macht hat: Verfahren, Rules of Engagement, Ver-

halten danach und ähnliche Dinge mehr?“2629

Der Anlass für diesen „Funktionswechsel“ war der Erhalt
eines von Oberst Klein unbestätigten INTSUM (Daily

Intelligence Summary, Tagesbericht), der Angaben über

mögliche zivile Opfer enthielt. Dies widersprach den
2626) „Feldjägerbericht“ (Fn. 400, Dokument 67); Klein, Protokoll-Nr.

6, Teil II, S. 21.

2627) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 31; W., Protokoll-Nr. 10, Teil II,

S. 24.
2628) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 2 f.; Vollmer, Protokoll-Nr. 12,

Teil II, S. 7.

2629) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 5.

vorherigen mündlichen Versicherungen von Oberst

Klein.
2630

Einerseits veranlasste Brigadegeneral Vollmer in Rück-

sprache mit Generalleutnant Glatz die Entfernung dieser

Passage zu zivilen Opfern aus dem INTSUM. Im Wider-

spruch zu den Aussagen der Zeugen Glatz und Vollmer

vor dem Untersuchungsausschuss deutet einiges darauf

hin, dass diese eine zu frühe offizielle Bestätigung mögli-

cher ziviler Opfer verhindern wollten. Denn dies hätte –
so die Einschätzung von Generalleutnant Glatz – einen
Verstoß gegen die „Tactical Directive des COM ISAF“
bedeutet.

2631
Der zuständige Nachrichtenoffizier, OTL K.,

hat vor dem Untersuchungsausschuss angegeben, er habe

die Passage eigenmächtig aus dem INTSUM gestrichen,

nachdem sein Vorgesetzter, ein Nachrichtenoffizier aus

dem RC-North, ihm „eindringlich“ nahegelegt hatte, die
politischen Implikationen einer solchen Aussage zu be-

denken, etwa im Lichte der wenige Tage vor dem Luft-

schlag erlassenen Direktiven des COM ISAF zum Schutz

von Zivilpersonen.
2632

Andererseits nahm Brigadegeneral Vollmer den Inhalt des

INTSUM so ernst, dass er eine disziplinarrechtliche Un-

tersuchung gegen Oberst Klein einleitete, ohne den vor

Ort ermittelnden Feldjägerführer OTL B. vom veränder-

ten Charakter der Ermittlungen in Kenntnis zu setzen.
2633

Brigadegeneral Vollmer, für den nach eigener Aussage ab

dem 5. September 2009 feststand, dass der Luftschlag

zivile Opfer gefordert hatte
2634

, konnte das Disziplinarver-

fahren jedoch nicht mehr eröffnen. Am 7. September

veranlasste Generalleutnant Glatz auf Befehl von Gene-

ralinspekteur Schneiderhan die Einstellung der diszipli-

narrechtlichen Ermittlungen durch Brigadegeneral Voll-

mer. Zu diesem Zeitpunkt hatte Brigadegeneral Vollmer

bereits seinen Rechtsstabsoffizier mit der Einleitung des

Disziplinarverfahrens beauftragt; allerdings war Oberst

Klein noch nicht vernommen worden, wodurch das Ver-

fahren offiziell eröffnet worden wäre.
2635

Brigadegeneral Vollmer brach daraufhin die Untersu-

chungen seines Feldjägerführers ab und ließ den von OTL

B. erstellten Bericht als „Nur für Deutsche“ kennzeich-
nen. Vollmer verstand den verfassten Feldjägerbericht als

„Zuarbeit zu Ermittlungen, die anschließend angestanden
2630) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 5.
2631) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2., 49.

2632) K., Protokoll-Nr. 33, Teil II, S. 60, 61, 63 und 68.

2633) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 15, 40; Glatz, Protokoll-
Nr. 12, Teil II, S. 64. Generalleutnant Glatz hat die beabsichtigte

Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Oberst Klein vor

dem Untersuchungsausschuss bestätigt: „Dies [der Inhalt des
INTSUM] war nach meiner Erinnerung auch der Grund, dass Bri-

gadegeneral Vollmer beabsichtigte, disziplinar zu ermitteln und

dieses dem COM ISAF anzuzeigen. Ein entsprechendes Ermittle-
rerheberteam der Feldjäger hatte Brigadegeneral Vollmer bereits

zuvor mit einem anderen Auftrag von Masar-i-Scharif nach Kun-

duz in Marsch gesetzt. Ich möchte hier anmerken: Der Ausfluss
daraus ist der so genannte Feldjägerbericht“.

2634) Der Anlass war, dass er Informationen dazu erhalten hatte, dass

14 Männer aus einer Moschee gezwungen worden seien, beim
Abtransport des Treibstoffes zu helfen Vollmer, Protokoll-Nr. 12,

Teil II, S. 6, 38.

2635) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 7, 8, 25, 26.
Drucksache 17/7400 – 390 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hätten“,2636, die aber auf Befehl seines Vorgesetzten dann
nicht weitergeführt wurden.

Der Feldjägerbericht, der unter anderem einen umfassen-

den Überblick über erste Erkenntnisse zu den Folgen des

Luftschlags, insbesondere Hinweise auf mögliche zivile

Opfer und kritische Fragen zum Verlauf des Luftschlags

enthält, erreichte am 14. September über Generalleutnant

Glatz den Einsatzführungsstab im BMVg. Eine weitere

Verbreitung des Feldjägerberichts wurde von Generalin-

spekteur Schneiderhan am 17. September 2009 gestoppt

mit der Konsequenz, dass der Inhalt des Feldjägerberichts

zunächst geheim blieb.
2637

Erst als der Feldjägerbericht

Ende Oktober 2009 in der Presse auftauchte, wurde sein

Inhalt öffentlich bekannt (vgl. dazu unten Punkt V.).

3. Internationale Ermittlungen durch den
COM ISAF

Der Kommandeur der ISAF (COM ISAF), General Stan-

ley McChrystal, reagierte prompt auf die Nachricht über

den Vorfall in Kunduz. Anders als das BMVg räumte er

einer schnellen transparenten Aufklärung die oberste

Priorität ein. McChrystal – gegen 7.45 Uhr am 4. Septem-
ber benachrichtigt – war besorgt, dass sich aufgrund des
Luftschlags die Spannung zwischen ISAF und der afgha-

nischen Bevölkerung erhöhen werde, insbesondere, nach-

dem der Sender Al-Jazeera am frühen Morgen des 4.

September bereits über zivile Opfer berichtet hatte. Erst

wenige Wochen vorher hatte General McChrystal eine

Weisung erlassen, die dem Schutz der Zivilbevölkerung

bei militärischen Operationen oberste Priorität einräum-

te.
2638

Aufgrund des Verdachts auf zivile Opfer leitete er im

Einklang mit den ISAF-Verfahrensregeln (Standard Ope-

ration Procedure) noch am 4. September ein zweistufiges

Untersuchungsverfahren ein: nach einer ersten Bewertung

des Vorfalls durch eine vorläufige Untersuchungskom-

mission – das Initial Action Team (IAT) – sollte ein inter-
national zusammengesetztes Komitee – das Joint Investi-
gation Board (JIB) – eine formelle Untersuchung durch-
führen.

Wie ernst General McChrystal den Vorfall nahm, wird

unter anderem daran deutlich, dass er persönlich am 5.

September den Ort des Luftschlags auf der Sandbank

besuchte. Während Oberst Klein aufgrund der angespann-

ten Sicherheitslage – er rechnete mit Beschuss durch
Aufständische – von einer Ortsbegehung abriet, bestand
General McChrystal auf der persönlichen Inspizierung der

Sandbank.
2639

General McChrystal war sichtlich darum

bemüht, öffentlich und insbesondere gegenüber der afg-

hanischen Bevölkerung zu demonstrieren, dass er einer

schnellen Aufklärung des Vorfalls die höchste Priorität

einräumte.
2636) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 23.

2637) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 72, 81.
2638) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 15, 53.

2639) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 2; Klein, Protokoll-
Nr. 6, Teil II, S. 68.

a) IAT Bericht, 4./ 5. September 2009

Der Auftrag des IAT, welches das Feldlager Kunduz am

4. September 2009 gegen 17.20 Uhr erreichte, war es,

Fakten und Hintergründe zu ermitteln, die zur Auslösung

eines Luftangriffs führten, und das Lagebild des

COM ISAF zu verbessern. Zweck des Einsatzes war es

auch, der Bevölkerung zu demonstrieren, dass sich ISAF

um eine schnelle Aufklärung bemühe und auf Schäden für

die Zivilbevölkerung reagiere. Schließlich prüfte das IAT,

ob wegen des Verdachts auf Verfahrensverletzungen eine

formale Untersuchung eingeleitet werden müsse.
2640

Das IAT befragte am 5. und 6. September 2009 die am

Luftschlag beteiligten Personen, analysierte das aufge-

zeichnete Filmmaterial der Übertragung aus den Cockpits

der Flugzeuge, zog Erkundigungen im Provinzkranken-

haus in Kunduz ein und führte Gespräche mit afghani-

schen Offiziellen. Das Team kam zu dem Schluss, dass

man von etwa 125 Toten ausgehen müsse, und dass mit

einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit („high
degree of certainty“) auch mit zivilen Opfern zu rechnen
sei. Abschließend befürwortete das IAT die Einleitung

einer formalen Untersuchung, um die Frage zu beantwor-

ten, ob die geltenden RoE und SOP befolgt wurden.
2641

Die Ergebnisse wurden im so genannten IAT-Bericht

festgehalten. Darüber hinaus verfasste Oberst N., Offizier

des Nachrichtenwesens im ISAF Hauptquartier, als

deutsches Mitglied des IAT ein Protokoll über die Unter-

suchung.

Die Untersuchungsergebnisse des IAT waren streng ver-

traulich. Allerdings veröffentlichte ein Journalist der

Washington Post, Rajiv Chandrasekaran, dem

COM ISAF General McChrystal zuvor erlaubt hatte, das

IAT als „embedded journalist“ zu begleiten, am 6. Sep-
tember in der Washington Post einen kritischen Artikel zu

dem Luftschlag, in welchem er auch einige Untersu-

chungsergebnisse des IAT wiedergab. Hierdurch erfuhr

die breite internationale Öffentlichkeit über das Ausmaß

des Luftschlags, über wahrscheinliche zivile Opfer sowie

über die Ungereimtheiten und möglichen Verfahrensfeh-

ler bei der Durchführung des Luftschlags und Behinde-

rungen einer transparenten Aufklärung.
2642

Das BMVg

nahm von diesem Artikel und seinem Inhalt Kenntnis und

kritisierte ihn heftig.
2640) „N.-Bericht“ (Fn. 141, Dokument 54), Bl. 2, Nr. 2; Mat. 17-22a,

Ordn. 2, Seiten 1a-250, Bl. 49.

2641) B., Protokoll-Nr. 10, Teil II, S. 35; Klein, Protokoll-Nr. 6, Teil II,

S. 69.
2642) Washington Post vom 5. September 2009, „NATO Probing

Deathly Airstrike” (Dokument 70); Mat. 17-21a, Presse-/Infostab,
Ordn. 1, Bl. 99 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 391 – Drucksache 17/7400

b) Die Erstellung des COM ISAF-Berichts
durch das Joint Investigation Board und
die Begleitung durch die „Gruppe 85“,
8. September bis 26. Oktober 2009

aa) Die Untersuchung des JIB

Auf Empfehlung des IAT beauftragte COM ISAF General

McChrystal am 8. September 2009 einen Gemeinsamen

Untersuchungsausschuss (Joint Investigation Board, kurz

JIB) mit der formellen Untersuchung des Luftschlags.

Wie sich aus einem Vermerk von Oberst G., dem
Leiter des Einsatzteams Afghanistan im Einsatzführungs-

stab, an den Generalinspekteur Schneiderhan vom 18.

September 2009 ergibt, veranlasste der COM ISAF zum

ersten Mal seit Bestehen der SOP 307 die formelle Unter-

suchung einer ISAF Operation durch ein JIB.
2643

Dies

verdeutlicht, dass General McChrystal nach Abschluss

der IAT-Untersuchung an der Verfahrensmäßigkeit des

Luftschlags zweifelte.

Das JIB sollte auf Grundlage verfügbarer Fakten mög-

lichst viele Einzelheiten zur Ursache von Todesfällen

oder zum Status etwaiger Opfer zusammenzutragen und

die Art und Weise der Operationsführung begutachten.

Wie durch die ISAF-Verfahrensregeln vorgesehen, nahm

das JIB keine Schuldzuweisungen oder disziplinarrechtli-

chen Bewertungen vor, sondern beschränkte sich darauf,

das gesammelte Material zu analysieren und Empfehlun-

gen abzugeben. Darüber hinaus wurde klargestellt, dass

das JIB – wie durch die ISAF-Regeln festgelegt – keine
nationale Untersuchung ersetzt.

2644
Am 26. Oktober 2009 fasste das JIB seine Untersu-

chungsergebnisse in einem Bericht zusammen – dem so
genannten COM ISAF-Bericht. Wie in Kapitel II darges-

tellt, ist der Inhalt des Berichtes GEHEIM und kann des-

halb nicht dargestellt werden.

bb) Begleitung durch die „Gruppe 85“

Von Anfang an begleitete das BMVg die JIB-

Untersuchungen. Hierfür hatte Staatssekretär Dr. Wichert

bereits am 9. September 2009 im BMVg eine Arbeits-

gruppe eingesetzt, die sich aufgrund von Aktennummerie-

rungen „Gruppe 85“ nannte.2645 Anders als nach Darstel-
lung des Zeugen Dr. Jung diente die „Gruppe 85“ aller-
dings nicht vorrangig dazu, die NATO Untersuchungen

zu unterstützen – als Ersatz einer eigenen nationalen Un-
tersuchung

2646
– sondern um allzu kritische Ergebnisse zu

antizipieren und zu entschärfen. So lautete ihr interner

Auftrag, die Untersuchung in Afghanistan zu begleiten

und zu bewerten, damit die Leitung des BMVg auf den

NATO-Abschlussbericht mit einer eigenen Position rea-
2643) Mat.17-22a, Ordner 1, Blatt 94 f.: „Vermerk für Herrn Generalin-

spekteur der Bundeswehr, 18. September 2009.“
2644) Mat.17-22a, Ordn. 1, Blatt 94 f.: „Vermerk für Herrn Generalin-

spekteur der Bundeswehr, 18. September 2009.“
2645) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil I, S. 5.

2646) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 13.

gieren könne.
2647

Dies beinhaltete auch die „Antizipation
der Ergebnisse des Untersuchungsberichts und [die] Vor-

bereitung von Argumentationslinien, um Schwachstellen,

Vorwürfe und Kritikpunkte zu entkräften“.2648 In einer
ersten Besprechung der „Gruppe 85“ am 9. September
2009 wurde festgehalten, dass die grundsätzliche Zielrich-

tung der Arbeitsgruppe darin liegen könne, ein „positives
Bild auch des Erfolges mit möglichen Verfahrensfehlern“
zu zeichnen.

2649
Die Ablaufprotokolle der „Gruppe 85“ zeigen, dass die
Gruppe sich regelmäßig mit dem deutschen Mitglied des

JIB, OTL V., über den Untersuchungsverlauf des JIB und

dessen Einschätzung/Bewertung des Vorfalls austauschte.

OTL V. unterrichtete sie detailliert über die Untersu-

chungsergebnisse und über die kritischen Diskussionen,

die innerhalb des JIB zur Bewertung des Luftschlags

geführt wurden. So telefonierte OTL V. am 14., 16., 18.

und 20. September sowie am 6. und 23. Oktober 2009 mit

einzelnen Angehörigen der Arbeitsgruppe. OTL V. infor-

mierte die Gruppe unter anderem über folgende Punkte:

– Ziel des Luftschlags seien nicht die Tanklaster, son-
dern die Personen vor Ort gewesen;

– die Verhältnismäßigkeit des Luftschlags sei zu hin-
terfragen;

– es sei davon auszugehen, dass keine Bedrohungslage
durch die Tanklaster bestanden habe, und auch kein

imminent threat (unmittelbare Bedrohung) zum Zeit-

punkt des Luftschlags;

– es bestehe der Eindruck, dass die F-15-E-Piloten sich
– anders als nach Oberst Kleins Darstellung – für ein
geringeres Waffenmittel eingesetzt hätten;

– die Befragung der Piloten habe ergeben, dass diese
keine Möglichkeit zu einer positiven Identifikation

von Personen am Boden besaßen und es ihnen also

nicht möglich gewesen sei, ein eigenes ausreichendes

Lagebild zu gewinnen;

– Oberst Klein sei im Gespräch „nicht sicher mit den
Begrifflichkeiten, Prozessabläufen, und RoE umge-

gangen“, zum Beispiel bei der Verwendung der Un-
terscheidung „involved/uninvolved persons“.2650

Im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen V. vor dem

Untersuchungsausschuss
2651

zeigt das Ablaufprotokoll

deutlich, dass die „Gruppe 85“ OTL V. nicht nur in seiner
Funktion als JIB Mitglied unterstützte, sondern darüber

hinaus sogar Anweisungen erteilte, wie er bestimmte

Bewertungen des JIB lenken solle. So heißt es beispiels-

weise im Protokoll vom 6. Oktober 2009, als die Ermitt-

lungen bereits abgeschlossen waren und der Abschlussbe-

richt verfasst wurde:
2647) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 241; Krause,

Protokoll Nr. 22, Teil I, S. 5.

2648) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 241.
2649) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 241.

2650) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 246, 267.

2651) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 22.

Drucksache 17/7400 – 392 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„OTL V. wurde von RDir B. höchstvorsorglich
darauf hingewiesen, dass bei der Frage, ob Zivil-

personen zu regierungsfeindlichen Kräften zu

rechnen sind, das Lebensalter im landestypischen

Kontext zu sehen ist und dass – falls möglich – ein
ermessenfehlerfreies Handeln herausgestellt wer-

den sollte.“2652

Das BMVg hat das JIB nicht in vollem Umfang mit dem

ihm zur Verfügung stehenden Material versorgt. So wurde

der Feldjägerbericht – anders als von Generalinspekteur
Schneiderhan vor dem Untersuchungsausschuss angege-

ben – nicht aus eigener Initiative zugeleitet, sondern erst
nach Anforderung durch das JIB.

2653
Zeuge V. erwies sich

in seinen weiteren Aussagen als insgesamt unglaubwürdi-

ger Zeuge. Zum Beispiel behauptete er vor dem Untersu-

chungsausschuss zunächst, den Begriff „Gruppe 85“ nicht
zu kennen.

2654
Erst nach Vorhalt schriftlicher Dokumente

korrigierte er sich. Fragen, ob und wie häufig er mit dem

Einsatzführungsstab telefonierte, beantwortete der Zeuge

zögerlich und uneinheitlich.
2655

Dieses Aussageveralten

deutet darauf hin, dass V. seine Art der Zusammenarbeit

zunächst verheimlichen wollte, weil ihm klar war, dass

seine Kooperation mit der „Gruppe 85“ mit seinen Pflich-
ten als Angehöriger des JIB, den Vorfall objektiv aufzu-

klären, nicht zu vereinbaren war.

Das BMVg unterließ es, die Einstufung des Berichts als

„Nur für Deutsche“ aufzuheben. Infolgedessen war OTL
V. das einzige Mitglied des JIB, das den Feldjägerbericht

auswerten konnte. OTL V. kam zu dem Schluss, dass der

Bericht keine neuen Erkenntnisse für die NATO-

Untersuchung enthalte und deshalb im Abschlussbericht

keine Berücksichtigung finden müsse. Problematisch ist

dieser Vorgang, weil OTL V., wie oben beschrieben, kein

unabhängiges JIB-Mitglied war, sondern die Interessen

des BMVg in der Untersuchung vertrat und Einfluss auf

die Untersuchungsmaterialien nahm.
2656

Die Öffentlichkeit wurde unzureichend über die „Gruppe
85“ informiert. Zwar wurde auf die Einrichtung der
Gruppe in der Regierungspressekonferenz am 11. Sep-

tember 2009 hingewiesen, allerdings wurde ihr Zweck –
gegebenenfalls auch „gegenzusteuern“ – nicht transparent
gemacht, sondern vorgegeben, der alleinige Zweck sei es,

die Untersuchungen des JIB zu unterstützen. Der damali-

ge Sprecher des Bundesverteidigungsministers Dr. Raabe

beschränkte sich auf den Hinweis, dass es darum gehe,

der NATO Hilfestellung bieten zu können, indem die

Faktenlage zusammengestellt werde.
2657
2652) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 268.
2653) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 6 f.

2654) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 21.

2655) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 25 ff.
2656) V., Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 21 f., 28f.

2657) Regierungspressekonferenz vom 11. September 2009 (Fn. 444,

Dokument 74), Bl. 74.

4. Ablehnung einer nationalen Untersuchung
durch das BMVg

Der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Jung, ent-

schied sich bereits am 8. September 2009 – auf Anraten
von Staatssekretär Dr. Wichert und Generalinspekteur

Schneiderhan – gegen eine nationale, d. h. disziplinar-
rechtliche, Untersuchung des Vorfalls mit dem Hinweis

darauf, erst die Ergebnisse der NATO-Untersuchungen

abwarten zu wollen. Allerdings hatte ihm der Generalin-

spekteur zu diesem Zeitpunkt verschwiegen, dass bereits

Feldjägeruntersuchungen in Vorbereitung eines Diszipli-

narverfahrens durchgeführt worden waren. Insofern traf

der Minister seine Entscheidung, ohne ausreichend über

den Stand der Dinge informiert worden zu sein. Jedoch ist

den Aussagen des Zeugen Dr. Jung vor dem Untersu-

chungsausschusses zu entnehmen, dass er sich auch in

Kenntnis der Feldjägeruntersuchung gegen eine nationale

Untersuchung ausgesprochen hätte, weil er nach eigener

Aussage den Anschein einer „parteilichen“ Untersuchung
vermeiden wollte und es deshalb vorzog, die internationa-

le NATO-Untersuchung zu begleiten.
2658

Das BMVg schlug einen defensiven, passiven Kurs ein,

den es auch in den nachfolgenden Wochen beibehielt.

Vor dem Untersuchungsausschuss gab Staatssekretär

Dr. Wichert an, gegen eine nationale Untersuchung habe

gesprochen, dass ab dem 5. September 2009 die offizielle

NATO-Untersuchung des JIB bereits empfohlen worden

war und der Luftschlag eine Operation der NATO und

nicht der Bundeswehr war.
2659

Allerdings scheinen noch

andere Motive eine Rolle gespielt zu haben, nämlich der

Bundeswehr zu signalisieren, dass das BMVg seiner Für-

sorgepflicht gegenüber Oberst Klein mehr als gerecht

wird. So gab Generalinspekteur Schneiderhan dem Unter-

suchungsausschuss gegenüber an, dass es für die Trup-

penmoral „die Katastrophe geworden wäre“, sofort Dis-
ziplinarermittlungen einzuleiten. „Von hochgestellten
Persönlichkeiten“ sei es Schneiderhan „ans Herz gelegt“
worden, alles zu tun, um Oberst Klein zu schützen, um

nicht die gesamte Einsatzmoral der Truppe zu schädi-

gen.
2660

Aus diesem Grund sah es der Generalinspekteur

auch als gerechtfertigt an, die Feldjägeruntersuchung –
ohne Rücksprache mit Bundesminister Dr. Jung zu stop-

pen und den daraus resultierenden kritischen Feldjägerbe-

richt zunächst unter Verschluss zu halten, auch wenn er

damit wichtige Informationen vorenthielt. Eine solche

Argumentation kann jedoch nicht den Verzicht auf eine

Überprüfung der Vorgänge rechtfertigen, zu der die mili-

tärische Führung verpflichtet gewesen ist.

Nach Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfah-

rens gegen Oberst Klein am 16. April 2010 prüfte der

Inspekteur des Heeres als zuständige Einleitungsbehörde

in einer disziplinarischen Vorermittlung, ob Oberst Klein

die geltenden nationalen wie internationalen Einsatzre-

geln verletzt habe. Am 19. August 2010 wurde das Vor-
2658) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 13, 19.

2659) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 52.

2660) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 20 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 393 – Drucksache 17/7400

ermittlungsverfahren mit der Begründung eingestellt,

Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen seien nicht erkenn-

bar.
2661

5. Zusammenfassung

Aufgrund der militärischen Untersuchungen sowie inter-

nationaler Pressemeldungen bestanden schon ab dem 4.

September 2009 ernstzunehmende Hinweise auf zivile

Opfer. Diese verdichteten sich ab dem 5. September 2009.

Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die Verfahrensmäßigkeit

des Luftschlags in Zweifel gezogen. Im Laufe der ISAF-

Untersuchungen wurde bestätigt, dass der Luftschlag

unter gravierenden Verfahrensfehlern entschieden und

durchgeführt wurde.

Der Prozess der militärischen Untersuchungen verdeut-

licht darüber hinaus, dass NATO und BMVg verschiede-

ne Prioritäten beim Umgang mit dem Luftschlag setzten.

COM ISAF General McChrystal bemühte sich um Scha-

densbegrenzung für das Ansehen der ISAF-Truppen,

indem er die Umstände und Folgen des Luftschlags zügig

und transparent aufzuklären suchte. Dies tat er offensiv

und demonstrativ, zum Beispiel indem er persönlich die

Sandbank besuchte oder bereits am 4. September 2009

auf einer Presseerklärung auf die Möglichkeit ziviler

Opfer hinwies. Hierdurch signalisierte er der Öffentlich-

keit, dass ISAF die Tragweite des Vorfalls erkannt hatte

und für die Folgen einstand.

Bundesminister Dr. Jung, beraten von Generalinspekteur

Schneiderhan und Staatsekretär Dr. Wichert, schlug da-

gegen den entgegengesetzten Weg ein. Statt auf offensive

Aufklärung wurde auf Stillhalten und Abwiegeln gesetzt.

Minister Dr. Jung entschied sich gegen eine eigene natio-

nale Untersuchung der Umstände des Luftschlags. Die

Bemühungen von Brigadegeneral Vollmer, den Vorfall in

Kunduz aufzuklären und ein disziplinarrechtliches Ver-

fahren einzuleiten, wurden seitens des Generalinspekteurs

Schneiderhan nicht nur unterbunden, sondern verheim-

licht. Erst am 5. Oktober 2009, nachdem das JIB den

Bericht aus eigener Initiative angefordert hatte, sah sich

der Generalinspekteur gezwungen, Bundesminister

Dr. Jung über den Feldjägerbericht zu informieren und

ihn an das deutsche Mitglied des JIB zu senden. Dieser

war jedoch nur scheinbar unabhängig und verschwieg

dem restlichen JIB die Erkenntnisse des Feldjägerberichts

mit der Begründung, diese seien irrelevant.

Die „Gruppe 85“, unter Leitung von Staatsekretär
Dr. Wichert, begleitete die NATO-Untersuchungen. Aber

anders als gegenüber der Öffentlichkeit behauptet, zielte

die Begleitung nicht vorrangig darauf ab, die NATO-

Untersuchung zu unterstützen, sondern darauf, kritische

Ergebnisse zu antizipieren und deren Aussagekraft wenn

möglich strategisch herunterzuspielen.

Insbesondere Minister Dr. Jung und Generalinspekteur

Schneiderhan stellten sich schützend vor Oberst Klein
2661) Presseerklärung des Presse- und Informationszentrums des Heeres

vom 19. August 2010 (Dokument 17).

und versuchten, auf eine fälschlich undifferenzierte Weise

ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Soldatinnen und

Soldaten der Bundeswehr demonstrativ gerecht zu wer-

den. Dies war die oberste Handlungspriorität des BMVg

in den ersten Wochen nach dem Luftschlag– und vor der
Bundestagswahl – und wurde auf Kosten von Transparenz
und dem gebotenen Maß an Aufklärung durchgesetzt.

Generalinspekteur Schneiderhan ging dabei so weit, dass

er seinem Minister und dem Führungskreis des BMVg

verschwieg, dass er eine Feldjägeruntersuchung gestoppt

hatte und die hieraus gewonnen Ergebnisse unter Ver-

schluss hielt. Insgesamt versäumte es Bundesminister

Dr. Jung, seinen weiteren Verpflichtungen nachzukom-

men, durch eine offene und transparente Aufklärung des

Vorgangs für das Handeln der deutschen Bundeswehr

einzustehen – insbesondere gegenüber der afghanischen
Bevölkerung; oder durch schnelle Untersuchungen, den

Soldatinnen und Soldaten in zukünftigen Situationen

Handlungssicherheit zu geben. Wichtige Chancen wurden

hierdurch vertan. Die Opferzahl ist bis heute unklar. Erst

mehr als ein Jahr nach dem Vorfall, nachdem Journalisten

bereits eigene Nachforschungen angestellt hatten, ver-

suchte das BMVg, von offizieller Seite die Opferzahl zu

ermitteln. Dabei wäre eine umgehende Untersuchung

schon alleine aus Respekt vor den Opfern geboten gewe-

sen.

Das Ziel, Oberst Klein um jeden Preis zu schützen, auch

auf Kosten von Transparenz und Aufklärungspflichten,

bestimmte die Informationspolitik des BMVg, wie im

nächsten Kapitel dargestellt wird.

V. Die Bewertung der Informationspolitik und
der Reaktion des BMVg unter Bundesmi-
nister der Verteidigung Dr. Jung und Bun-
desminister der Verteidigung zu Gutten-
berg

Die Informationspolitik des BMVg war sowohl unter dem

Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung als auch unter

dem Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg

mangelhaft.

Ab dem 4. September wurde der Einsatzführungsstab im

BMVg über den jeweiligen Erkenntnisstand der einzelnen

militärischen Untersuchungen zum Luftschlag umfassend

unterrichtet. Allerdings verzögerte Generalinspekteur

Schneiderhan, bei dem die wesentlichen Informationen

zusammenliefen, intern die Weitergabe von Erkenntnis-

sen, die negativ für die Beurteilung von Oberst Klein

ausfielen (1). Bundesminister Dr. Jung und der Presse-

und Informationsstab hielten – trotz besseren Wissens –
noch bis zum 6. September 2009 daran fest, dass Zivilper-

sonen bei dem Luftschlag nicht zu Schaden gekommen

seien. Mögliche Verfahrensfehler wurden nicht erwähnt.

Auch spätere Presserklärungen fielen einseitig und be-

schönigend aus (2). Die Informationsweitergabe an den

Bundestag verlief schleppend. (3) Auf Weisung des

Staatssekretärs Dr. Wichert übermittelte das BMVg dem

Bundeskanzleramt und dem Auswärtigen Amt angefor-

derte Informationen verspätet (4). Der Informationsfluss
Drucksache 17/7400 – 394 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
innerhalb des BMVg und gegenüber der Öffentlichkeit

verbesserte sich auch nicht nach dem Regierungswechsel

unter dem neuen Bundesminister der Verteidigung, zu

Guttenberg. General Schneiderhan stellte gegenüber der

Öffentlichkeit die kritischen Ergebnisse der formalen

ISAF-Untersuchung (COM-ISAF-Bericht) einseitig und

unangemessen dar. Der Bundesminister der Verteidigung

zu Guttenberg ließ sich trotz Kenntnis des COM ISAF-

Berichts zunächst dazu hinreißen, den Luftschlag gegenü-

ber der Öffentlichkeit als militärisch angemessen und

trotz Verfahrensfehlern als notwendig und zwingend

darzustellen. Erst nach dem Teile des kritischen Feldjä-

gerberichts durch die Presse in der Öffentlichkeit bekannt

wurden, revidierte er seine Beurteilung des Luftschlags,

ohne seinen Bewertungswechsel glaubhaft begründen zu

können (5). Die personellen Konsequenzen, die der Bun-

desminister der Verteidigung zu Guttenberg zog, nämlich

die Entlassung von Generalinspekteur Schneiderhan und

Staatssekretär Dr. Wichert, sind – zumindest auch – als
Versuch zu werten, die Verantwortung für die Fehlbeur-

teilung des Luftschlags auf andere abzuwälzen (6). Das

Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung (7).

1. Informationsstand von Bundeswehr und
BMVg vor dem Regierungswechsel, Sep-
tember und Oktober 2009

a) Informationsstand, 4. September

Laut Erstinformation, die das BMVg über den Presse-

strang des Ministeriums am Morgen des 4. September

2009 erreichte, waren durch den Luftschlag 56 Aufständi-

sche getötet worden, Zivilpersonen aber nicht zu Schaden

gekommen. Die Analyse beruhte auf der Folgenschät-

zung, welche die F-15-E unmittelbar nach dem Luftschlag

durchgeführt hatten.

Allerdings erhielt die Führungsebene des BMVg schon

bald gegenteilige Informationen, die an dem Wahrheits-

gehalt der Erstinformation zweifeln ließen. Festzuhalten

ist, dass der gesamte Führungskreis des BMVg, ein-

schließlich des Bundesministers der Verteidigung

Dr. Jung, bereits im Laufe des 4. September 2009 über

Hinweise verfügte, dass der Luftschlag möglicherweise

zivile Opfer gefordert hatte:

Der Einsatzführungsstab und Generalinspekteur Schnei-

derhan (bzw. sein Vertreter Generalleutnant Dora) erhiel-

ten über den Leiter des Einsatzführungskommandos,

Generalleutnant Glatz, und über NATO-General Ramms

ausführliche und aktuelle Nachrichten aus Afghanistan

über die Erkenntnisse der militärischen Untersuchungen

vor Ort sowie Einschätzungen über den Luftschlag. Wie

unter III. beschrieben gab es bereits am Nachmittag des 4.

September 2009 ernstzunehmende Hinweise auf zivile

Opfer, die durch Einschätzungen erfahrender Militärs, wie

Brigadegeneral Vollmer, Generalleutnant Glatz, General

McChrystal, NATO-General Ramms gestützt wurden. Der

Leiter des Einsatzführungsstabes, Konteradmiral Krause,

erklärte vor dem Untersuchungsausschuss ausdrücklich,

er habe bereits am 4. September 2009 an der offiziellen

Darstellung gezweifelt, es habe keine zivilen Opfer gege-

ben.
2662

Unter anderem erhielt der Einsatzführungsstab folgende

Informationen zu möglichen zivilen Opfern:

– Um 8 Uhr morgens gab Generalleutnant Glatz in
einer Videokonferenz mit Generalleutnant Dora die

Einschätzung des Brigadegeneral Vollmer weiter,

dass im Gegensatz zum Inhalt der Erstinformation zi-

vile Opfer nicht ausgeschlossen werden könnten. Ge-

neralleutnant Glatz teilte – so seine Aussage vor dem
Untersuchungsausschuss – seine Zweifel an der Erst-
information gegenüber Generalleutnant Dora mit.

2663
– Der Leiter des Einsatzführungskommandos, General-
leutnant Glatz, leitete Telefonprotokolle zwischen

Brigadegeneral Vollmer und Angehörigen der afgha-

nischen Nationalarmee, Polizei und des Geheim-

dienstes weiter, welche – so die Aussage von Briga-
degeneral Vollmer – Hinweise auf zivile Opfer
enthielten.

2664
– Generalleutnant Glatz übermittelte Protokolle von
drei Videokonferenzen, die im Laufe des 4. Septem-

ber 2009 zwischen Generalleutnant Vollmer und dem

ISAF-Hauptquartier in Kabul abgehalten wurden. In

einer Videokonferenz nahmen auch ISAF-

Kommandeur General McChrystal sowie dessen

Vorgesetzter, der NATO-General Ramms, Komman-

deur des Allied Joint Force Command (JFC) in

Brunssum, teil. Aus den Protokollen wird deutlich,

dass alle Beteiligten aufgrund ihrer militärischen Er-

fahrung befürchteten, dass bei einem solchen Vorfall

mit zivilen Opfern gerechnet werden müsse. Dieser

Verdacht erhärtete sich als der Polizeichef der Pro-

vinz Kunduz sie darüber informierte, dass auch Zivi-

listen bei dem Luftschlag ums Leben gekommen sei-

en; unter anderem befinde sich im Krankenhaus von

Kunduz ein zehn Jahre altes Kind.
2665

– NATO-General Ramms informierte den Leiter des
Einsatzführungsstabs, Konteradmiral Krause, sowie

Generalleutnant Dora telefonisch, dass nach Mel-

dungen im Krankenhaus Personen in der Altersgrup-

pe zwischen 10 und 14 Jahren mit bombentypischen

Verletzungen lägen und daher seiner Einschätzung

nach zivile Opfer nicht mehr auszuschließen sei-

en.
2666

Auch den Presse- und Informationsstab des BMVg unter

Leitung von Dr. Raabe erreichte bereits am Morgen des

4. September 2009 gegen 9.13 Uhr die Pressemeldung des

ISAF-Hauptquartiers, nach welcher mit möglichen zivilen
2662) Krause, Protokoll-Nr. 22, Teil II, S. 5.

2663) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 62 f.

2664) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2.
2665) Vollmer, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 2; Glatz, Protokoll-Nr. 12,

Teil II, S. 63 f.

2666) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 395 – Drucksache 17/7400

Opfern als Folge des Luftschlags gerechnet werden müs-

se.
2667

Staatsekretär Dr. Wichert ließ sich am 4. September 2009

vor seiner ersten Obleuteunterrichtung um 12 Uhr durch

den Einsatzführungsstab die Materialien zum Luftschlag

vorlegen, weil er sich nicht allein auf die unbestätigten

Pressemeldungen durch die Bundeswehr stützten wollte.

In der Obleuteunterrichtung verzichtete er dann aufgrund

des „nicht gesicherten Meldeaufkommens“ darauf, eine
Zahl der getöteten Personen als Folge des Luftschlags

anzugeben. Er verzichtete „vor allem auch auf die Aussa-
ge, es seien keine Zivilpersonen oder Unbeteiligte zu

Schaden gekommen.“2668 Hieraus ist zu schließen, dass
auch Staatsekretär Dr. Wichert zu diesem Zeitpunkt die

Möglichkeit ziviler Opfer nicht ausschloss.

Der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Jung, erhielt

Informationen zu möglichen zivilen Opfern unter ande-

rem über den Leiter seines Planungsstabs, Dr. Schlie.

Dieser schlug ihm nach eigener Aussage vor, dass Aussa-

gen des BMVg ausschließlich auf der Linie des beigefüg-

ten ISAF-Pressestatements erfolgen sollten. Dort wurde

ausdrücklich von der Möglichkeit ziviler Opfer ausgegan-

gen. Außerdem teilte Dr. Schlie dem Minister seine Zwei-

fel an der offiziellen Meldung zum Luftschlag in einer

SMS mit.
2669

b) Informationsstand des BMVg im Septem-
ber 2009

Im Laufe des September 2009 erreichten den Einsatzfüh-

rungsstab sowie Generalinspekteur Schneiderhan umfang-

reiche und differenzierte Informationen und Berichte über

den Luftschlag, nach denen „mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit“2670 mit zivilen Opfern zu rechnen sei
und die auf Verfahrensfehler bei der Vorbereitung und

Durchführung des Luftschlags aufmerksam machten. So

gingen zum Beispiel ein: der „Klein-Bericht“, der „N.-
Bericht“, der IAT-Bericht, eine Liste der UNAMA mit
möglichen Opfern des Luftschlages, sowie der Feldjäger-

bericht.
2671

Die Berichte liefen im Einsatzführungsstab, d. h. dem

Arbeitsstab des Generalinspekteurs, und beim Generalin-

spekteur Schneiderhan selber zusammen. Ab dort stockte

der Informationsfluss. Die Arbeiten des Untersuchungs-

ausschusses haben ergeben, dass Generalinspekteur

Schneiderhan die für Oberst Klein negativ ausfallenden

Berichte und Informationen aus Kunduz so restriktiv wie

möglich handhabte und sie nur einem möglichst kleinen

Kreis zukommen ließ. Generalinspekteur Schneiderhan

leitete sowohl dem Presse-und Informationsstab als auch
2667) ISAF, Pressemitteilung Nr. 2009-664 (Dokument 85),vgl. Fest-

stellungsteil Punkt II.C. 1. d) cc).

2668) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 68; Jung, Protokoll-Nr. 16,
Teil I, S. 3.

2669) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 18. (vgl. Feststellungsteil Punkt

C.II.1.d)bb), S. 102).
2670) Mat. 17-30, Ordn. 1, Bl. 28 f, Tgb.-Nr. 30/10 - GEHEIM.

2671) vgl. im einzelnen Feststellungsteil C.II.1.d)aa)bbb), S. 101;

Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10.

dem Planungsstab sowie in Einzelfällen Bundesminister

Dr. Jung und Staatssekretär Dr. Wichert relevante Infor-

mationen, wie den IAT-Bericht, den Feldjägerbericht und

den N.-Bericht überhaupt nicht bzw. nur mit Verzögerung

weiter: So wurde der offizielle Bericht von Oberst Klein

zum Luftschlag, den der Generalinspekteur am 5. Sep-

tember 2009 erhielt, zwar Bundesminister Dr. Jung und

Staatssekretär Dr. Wichert zur Kenntnis gegeben, aller-

dings nicht dem Leiter des Planungsstabs Dr. Schlie und

dem Leiter des Presse und Informationsstabs,

Dr. Raabe.
2672

Der „Klein-Bericht“ enthielt zwar keine
Angaben zu möglichen zivilen Opfern, jedoch machte er

deutlich, dass Ziel des Luftschlags auch die Aufständi-

schen waren.

– Den IAT-Bericht, von dem Generalinspekteur
Schneiderhan am 7. September 2009 Kenntnis nahm,

erhielten Staatsekretär Dr. Wichert und Bundesminis-

ter der Verteidigung Dr. Jung erst zwei Tage nach

Eingang in den Einsatzführungsstab, am 8. Septem-

ber 2009, kurz vor der Obleuteunterrichtung, so dass

Minister Dr. Jung – so die Einschätzung des Leiters
des Planungsstabs, Dr. Schlie, – keine Gelegenheit
hatte, den IAT-Bericht vor Obleuteunterrichtung ein-

zusehen. Bundesminister Dr. Jung kritisierte die spä-

te Informationsübermittlung gegenüber Staatsekretär

Dr. Wichert.
2673

– General Schneiderhan unterließ es darüber hinaus
dem Leiter des Planungsstabs, Dr. Schlie, den „N.-
Bericht“ und IAT-Bericht weiterzuleiten, obwohl er
laut Geschäftsordnung verpflichtet war, alle Unterla-

gen an den Minister auch dem Planungsstab zukom-

men zu lassen. Vor dem Untersuchungsausschuss hat

Dr. Schlie die zurückhaltende Informationspolitik des

Generalinspekteurs Schneiderhan kritisiert.
2674

– Ebenso hat der Leiter des Presse-und Informations-
stabes, Dr. Raabe beanstandet, den IAT-Bericht nicht

erhalten zu haben.
2675

– Generalinspekteur Schneiderhan unterrichtete seinen
Minister erst am 5. Oktober 2009 über die Feldjäger-

untersuchung und den existierenden Feldjägerbericht,

nachdem das JIB den Bericht für ihre Untersuchung

angefordert hatte. Dabei wusste Generalinspekteur

Schneiderhan von der Feldjägeruntersuchung bereits

seit dem 7. September 2009 und kannte den Bericht

seit dem 14. September 2009. Nach einer Auswer-

tung durch den Einsatzführungsstab hatte er am 17.

September 2009 gegenüber Generalleutnant Glatz

angeordnet, den Feldjägerbericht unter Verschluss zu

halten. Auch am 5. Oktober 2009 legte Generalin-

spekteur Schneiderhan den Bericht nicht vor, sondern

trug seinem Minister hierzu lediglich vor, dass er
2672) Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 28; Raabe, Protokoll-Nr. 29,

Teil I, S. 6, 42; Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 9.

2673) Vermerk auf Vorlage einer Presseverwertbaren Stellungnahme

(Dokument 137); Schlie, Protokoll-Nr. 27, Teil I, S. 19.
2674) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 32; Schlie, Protokoll-

Nr. 27, Teil I, S. 19, 27.

2675) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 6, 42.

Drucksache 17/7400 – 396 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht positiv für die Bundeswehr sei.

2676
Staatssekre-

tär Dr. Wichert erhielt erst am 25. November 2009

Kenntnis vom Feldjägerbericht.
2677

2. Änderung der Meldungen zum Luftschlag
der Internetseite der Bundeswehr am
4. September

Die Berichterstattung auf der Internetseite der Bundes-

wehr über den Luftschlag am 4. September 2009 zeigt,

dass schon wenige Stunden nach Eintreffen der Erstmel-

dung aus dem PRT-Kunduz Zweifel innerhalb des Ein-

satzführungskommandos bestanden, dass in Folge des

Luftschlag keine Zivilpersonen zu Schaden gekommen

waren:
2678

Die erste Meldung wurde um 00.42 Uhr auf der Internet-

seite www.bundeswehr.de eingestellt, nachdem sie der

Leiter des Einsatzführungsstabes im BMVg, Konteradmi-

ral Krause, gebilligt hatte. Sie lautete:

„Erfolgreicher Einsatz gegen Aufständische im
Raum Kunduz

In der Nacht zum Freitag den 04.09.2009 wurden

durch Aufständische an einem vorgetäuschten

Checkpoint, ungefähr 7 km süd-westlich vom Pro-

vincial Reconstruction Team (PRT) KUNDUZ,

gegen 1.50 Uhr Ortszeit zwei beladene Tanklast-

züge gekapert, um den Treibstoff für eigene Zwe-

cke in den Distrikt Chahar Darah zu verbringen.

Dabei wurden sie aufgeklärt und um 2.30 Uhr

Ortszeit erfolgreich bekämpft. 56 Aufständische

wurden getötet, Zivilpersonen kamen nicht zu

Schaden. Deutsche Kräfte verzeichneten keine

Schäden.“

Um 8.34 Uhr wurde die Meldung dahingehend geändert,

dass der Satz im zweiten Absatz „Zivilpersonen kamen
nicht zu Schaden.“ gestrichen wurde. Bereits um 8.39 Uhr
erfuhr sie eine erneute Änderung: Der zweite Absatz

lautete nunmehr:

„…56 Aufständische wurden getötet. Zivilisten
kamen vermutlich nicht zu Schaden. Deutsche

Kräfte verzeichneten keine Schäden. Der Vorfall

wird derzeit untersucht.“

Zwei Tage später, am 6. September 2009, wurde die Mel-

dung wiederum geändert. Der zweite Absatz lautete nun:

„…Nach derzeitigen Erkenntnissen wurden über
50 Aufständische getötet, Unbeteiligte kamen

vermutlich nicht zu Schaden. Deutsche Kräfte

verzeichneten keine Schäden. Das Headquarter

ISAF hat die Ermittlungen zum Vorfall aufge-

nommen.“
2676) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 22; Schneiderhan, Protokoll-

Nr. 14, Teil I, S. 11.
2677) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 38; Glatz, Protokoll-

Nr. 12, Teil II, S. 72, 81; Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 7.

2678) vgl. Feststellungsteil, S. 95 und S. 101.

Wer die Verantwortung für diese Meldungen trug, war

von den vernommenen Zeugen nicht widerspruchsfrei zu

erfahren. Der formal zuständige Leiter des Presse- und

Informationszentrums des BMVg (PIZ) Dr. Raabe wies

die Verantwortung mit der Begründung von sich, dass er

an diesem Morgen im PIZ nicht physisch präsent war und

auf seinem dienstlichem Mobiltelefon nur Kurzmitteilun-

gen habe empfangen können, jedoch keinen Internetzu-

gang habe. Deshalb habe er die Meldung nicht ge-

kannt.
2679

3. Einseitige Presseberichterstattung durch
das BMVg vor dem Regierungswechsel

Der schleppende Informationsfluss innerhalb des BMVg –
der auf ein Organisations- und Führungsproblem hindeu-

tet – erklärt allerdings nicht die schleppende und fehler-
hafte Informationspolitik des Ministeriums gegenüber der

Öffentlichkeit. Die Pressemeldungen des BMVg zwischen

dem 4. und 7. September 2009 entsprachen nicht dem

aktuellen Informationsstand von Bundesminister Dr. Jung

und seinem Presse- und Informationsstab. Daraus ist zu

schließen, dass die verbreiteten Informationen bewusst

einseitig dargestellt wurden.

a) Presseerklärung des BMVg am 4. Septem-
ber 2009

Am 4. September 2009 gegen 11.30 Uhr teilte der Spre-

cher des Presse- und Informationsstabes des BMVg, Ka-

pitän zur See Dienst, der Presse mit, dass durch den Luft-

schlag „Unbeteiligte […] nach derzeitigem Kenntnisstand
nicht zu Schaden gekommen“ seien.2680 Diese Pressemel-
dung basierte auf der Erstinformation zum Luftschlag, die

der Sprecher vom Dienst des Presse- und Informations-

stabes vom Sprecher vom Dienst des Einsatzführungs-

kommandos der Bundeswehr (EinsFüKdoBw) gegen 6.42

Uhr erhalten hatte.
2681

Für die Pressemeldung gab es nach

Aussage des Zeugen Dr. Raabe keine offizielle Sprachre-

gelung; sie beruhte vielmehr auf einer Besprechung unter

anderem mit dem Leiter des Einsatzführungsstabes und

dem stellvertretenden Leiter des Presse- und Informati-

onsstabes, in dem „grob eine Linie besprochen wur-
de“.2682 Diese Pressemeldung scheint mit den weiteren
Führungspersonen des BMVg nicht abgesprochen worden

zu sein und wurde innerhalb des Führungskreises des

BMVg als vorschnell kritisiert.

Der Presse- und Informationsstaab erhielt offensichtlich

insgesamt unzureichende Informationen über den aktuel-

len Stand der Dinge.
2683

Dies deutet auf eine mangelnde
2679) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 17.
2680) Pressekonferenz vom 4. September 2009 (Fn. 720, Doku-

ment 115), Bl. 30.

2681) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 3.
2682) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7.

2683) Während Dr. Raabe vor dem Untersuchungsausschuss angegeben

hat, dass er trotz Bitte vor seiner ersten Presseerklärung am 4.
September 2009 keine Sprachregelung durch das Büro Wichert

erhalten habe, obwohl dies Usus gewesen sei, haben Dr. Wichert

und Schneiderhan dagegen angemerkt, dass die Pressearbeit im

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 397 – Drucksache 17/7400

Bereitschaft zu einer transparenten und offenen Kommu-

nikation innerhalb des BMVg hin. Trotzdem erklärt dies

nicht, weshalb der Pressestab als sichere Erkenntnis an-

gab, dass bei dem Luftschlag keine Zivilpersonen zu

Schaden gekommen seien, obwohl er zu diesem Zeitpunkt

bereits die erste Presseerklärung aus dem ISAF Haupt-

quartier kannte, nach der als Folgen des Luftschlags mit

Verletzten und Toten unter der Zivilbevölkerung zu rech-

nen sei. Auch Bundesminister Dr. Jung, der nach Aussage

des Zeugen Dr. Raabe regelmäßig über die jeweilige

Presselinie unterrichtet wurde, wusste bereits zu diesem

Zeitpunkt, dass es Zweifel an der Erstmeldung gegeben

hatte, unternahm jedoch nichts, um sie zu korrigieren.
2684

b) Bundespressekonferenz, 7. September
2009

Auch in der Bundespressekonferenz vom 7. September

2009 blieben die Informationen hinter dem damaligen

Kenntnisstand des BMVg zurück. So äußerte der Sprecher

Dr. Raabe, dass „bis zum jetzigen Zeitpunkt keine konso-
lidierten Erkenntnisse über getötete zivile Personen“
vorlägen.

2685
Dabei besaß das BMVg zu diesem Zeitpunkt

schon die Erkenntnisse der IAT-Untersuchung, nach der

der Luftschlag „mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-
lichkeit“ zivile Opfer gefordert habe. Zwar konnte
Dr. Raabe nach eigener Aussage erst nach der Pressekon-

ferenz Einsicht in den IAT-Bericht nehmen.
2686

Allerdings

ging ihm ca. 10 Minuten vor der Pressekonferenz eine

presseverwertbare Stellungnahme aus dem Büro des

Staatssekretärs zu, in welcher der IAT-Bericht erwähnt

und die wesentlichen Erkenntnisse eingearbeitet wur-

den.
2687

Unter anderem heißt es dort:

„Im Laufe des 4. September 2009 wurden 12
männliche Verletzte, darunter ein zehnjähriger

Junge, in das Krankenhaus in der Stadt Kunduz

zumeist mit Brandverletzungen eingeliefert.“2688

In der Stellungnahme wird weiter erwähnt, dass ein ISAF-

Team Voruntersuchungen in Kunduz durchgeführt und

einen Bericht gefertigt habe. Demnach gehe das Team

davon aus, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahr-
scheinlichkeit“ (‚high degree of certainty„) auch Zivilisten
getötet oder verletzt worden seien.

2689
Unklar bleibt, ob

Dr. Raabe es versäumte, von dieser Stellungnahme Kenn-

tnis zu nehmen, oder ob er sich bewusst für eine andere

Version entschied.
BMVg direkt beim Minister angesiedelt gewesen sei. Raabe, Pro-

tokoll-Nr. 29, Teil I, S. 7; Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 72.

2684) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil I, S. 21.
2685) Mat. 17-30a, Teil 3, Bl. 37 f.

2686) Raabe, Protokoll-Nr. 29, Teil II, S. 63.

2687) Wichert, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 76; Mat.17-22a, Ordn. 1, Bl.
20.

2688) Mat. 17,30, Ordn. 1, Bl. 28.

2689) Mat. 17-30, Ordn. 1, Bl. 28.

c) Öffentliche Äußerungen des damaligen
Bundesministers der Verteidigung,
Dr. Jung

Auch Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung hielt

öffentlich noch bis zum 6. September 2009 an der durch

die Erstmeldung vorgegebenen Linie fest, dass mit zivilen

Opfern nicht zu rechnen sei, bzw. dass der Luftschlag als

Erfolg zu werten sei. Anstatt das Ende der Untersuchun-

gen vor Ort abzuwarten, verteidigte er bereits am Abend

des 4. September 2009 in einem Interview der ARD den

Luftangriff und begründete diesen damit, dass durch den

Raub der Tanklastzüge eine „sehr konkrete Gefahrenlage“
für die deutschen Soldatinnen und Soldaten in Kunduz

vorgelegen habe.
2690

Am 5. September 2009 gab Bundes-

minister Dr. Jung der Bild am Sonntag ein Interview, das

im wesentlichen der Sprecher des BMVg Dr. Raabe vor-

bereitet hatte. Dieses wurde in der Ausgabe am 6. Sep-

tember 2009 veröffentlicht. In dem Interview erklärte

Bundesminister Jung unter anderem:

„Nach allen mir zurzeit vorliegenden Informatio-
nen sind bei dem durch ein US-Flugzeug durchge-

führten Einsatz ausschließlich terroristische Tali-

ban getötet worden.“2691

Im Widerspruch zu seiner Erklärung vor dem Untersu-

chungsausschuss, die Aussage habe seinem Kenntnisstand

am 5. September 2009 entsprochen, wusste Bundesminis-

ter Dr. Jung zu diesem Zeitpunkt bereits von der Mög-

lichkeit, dass es zivile Opfer gegeben hatte, und war von

seinem Leiter des Planungsstabs ausdrücklich hierauf

hingewiesen worden.
2692

Trotz dieser Informationen hielt

Minister Dr. Jung an den Aussagen von Oberst Klein

bzw. dem Bericht der zehn afghanische Offiziellen aus

Region Kunduz fest, die zivile Opfer ausschlossen.

Bundesminister Dr. Jung räumte öffentlich die Möglich-

keit ziviler Opfer erst ab dem 6. September 2009 ein.

Zuvor hatte General McChrystal am 6. September 2009

dem Verteidigungsminister Dr. Jung telefonisch noch

einmal eindringlich dargestellt, weshalb er die offizielle

Linie des BMVg für falsch halte.
2693

Jedoch blieben die

öffentlichen Äußerungen des Bundesministers Dr. Jung

auch anschließend verhalten.

4. Unzureichende Berichterstattung ge-
genüber dem Bundestag

Das BMVg kam seiner Informationspflicht gegenüber

dem Verteidigungsausschuss und dem Auswärtigen Aus-

schuss nur zögerlich und unvollständig nach. Am 4. Sep-

tember 2009 gegen 12.17 Uhr erhielten die Obleute des

Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Aus-

schusses schriftlich eine Erstinformation über den Luft-
2690) Feststellungsteil; Spiegel Online vom 5. September 2009, 20:14

Uhr, „Tanklastzug-Attacke zwingt Minister Jung in die Defensi-
ve“ (Dokument 3).

2691) Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift, wird
bekämpft“ (Dokument 4).

2692) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 37.

2693) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 4.

Drucksache 17/7400 – 398 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schlag. Auf die Möglichkeit ziviler Opfer wurde nicht

eingegangen, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits öf-

fentliche Berichterstattungen hierzu gab, z. B. die Pres-

semitteilung des NATO-Hauptquartiers. Darüber hinaus

hatte der Einsatzführungsstab bereits erste Einschätzun-

gen und Informationen zu möglichen zivilen Opfern über

das Einsatzführungskommando erhalten. Diese hätten den

Obleuten kommuniziert werden müssen.

In der schriftlichen Obleuteunterrichtung vom 5. Septem-

ber 2009 unterrichtete Staatssekretär Dr. Wichert zwar

über die eingeleitete ISAF-Untersuchung, nicht aber über

den bereits vorliegenden Bericht des PsyOps-Teams vom

Nachmittag des 4. September 2009 oder über bestehende

Hinweise auf die Verletzten im Krankenhaus von Kun-

duz. Er wies auch nicht auf Erkenntnisse zu möglichen

Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit dem Luftang-

riff hin.

Erst am 7. September 2009 informierte Dr. Wichert die

Obleute über Details zum Luftschlag und über das Vor-

liegen konkreter Anhaltspunkte, dass Zivilpersonen bei

dem Luftschlag zu Schaden gekommen seien. Obwohl der

IAT-Bericht zu diesem Zeitpunkt dem BMVg vorlag,

erwähnte Dr. Wichert nur, dass ISAF Voruntersuchungen

eingeleitet habe, nicht aber, dass sie bereits abgeschlossen

und die Ergebnisse in einem Bericht festgehalten wurden.

Auch der Inhalt des IAT-Berichtes wurde nicht ausdrück-

lich kenntlich gemacht: so wurde nicht erwähnt, dass im

Bericht Verfahrensmängel aufgezeigt wurden.
2694

Erst in

den Unterrichtungen am 11. September 2009 – nachdem
der Inhalt des IAT-Berichts durch mehrere Presseberichte

einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden

war – erhielten die Obleute detaillierte Kenntnisse über
den Inhalt des IAT-Berichts. Einsicht durften sie jedoch

nicht nehmen.

Dem Verteidigungsausschuss wurde am 8. September

2009 – unmittelbar vor der Regierungserklärung der Bun-
deskanzlerin – Bericht erstattet.2695 Generalinspekteur
Schneiderhan und Bundesminister Dr. Jung erwähnten

den IAT-Bericht und gaben seinen Inhalt teilweise wie-

der.
2696

Auf die im Bericht erwähnten möglichen Verfah-

rensfehler wurde nicht eingegangen. Dagegen nahmen

sowohl Bundesminister Dr. Jung als auch Generalinspek-

teur Schneiderhan das Verhalten von Oberst Klein in

Schutz, unter Bezugnahme auf einseitige und zweifelhafte

Informationen. So merkte Dr. Jung u. a. an, dass die Vi-

deoaufnahmen der Flugzeuge am 4. September 2009 im

Gefechtsstand der TF 47 eindeutig bewaffnete Personen

gezeigt hätten. Dies kann allerdings als widerlegt betrach-

tet werden (vgl. Punkt Kapitel III). Weiterhin zitierte

Dr. Jung einseitig, Gespräche mit Dorfbewohnern und

Augenzeugen hätten ergeben, dass alle Getöteten zu den
2694) Obleuteunterrichtung (Fn. 996, Dokument 139), Bl. 10 ff.; Wi-

chert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 71; Jung, Protokoll-Nr. 16,
Teil I, S. 6.

2695) Jung, Protokoll-Nr. 16, Teil I, S. 5; Schneiderhan, Protokoll-

Nr. 14, Teil I, S. 8, 10.
2696) Kurzprotokoll Unterrichtung des Verteidigungsausschusses

(Fn. 520, Dokument 77), Bl. 8 ff. Vgl. auch die Zeugenaussage:

Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 10 f.

Taliban und ihren Verbündeten gehören würden. Er unter-

ließ es, von den Gesprächen zu berichten, nach denen sich

zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs auf der Sandbank

auch Zivilpersonen befunden hatten.
2697

5. Verzögerte Informationsweitergabe an das
Bundeskanzleramt und das Auswärtige
Amt

a) Bundeskanzleramt

Der Informationsfluss aus dem BMVg in das Bundes-

kanzleramt in den ersten Tagen nach dem Luftschlag war

mangelhaft. Auf Anweisungen des Staatssekretärs

Dr. Wichert hielt das BMVg wesentliche Dokumente,

nämlich den IAT-Bericht und den „Klein-Bericht“, zu-
nächst zurück. Erst auf wiederholte Anfrage und nach

Druck aus dem Bundeskanzleramt leitete es die Doku-

mente am 10. September 2009 zu.
2698

Dies führte unter

anderem dazu, dass Bundeskanzlerin Dr. Merkel vor ihrer

Pressekonferenz am 8. September 2009 weder der IAT-

Bericht, noch der „Klein-Bericht“ zur Verfügung standen.
Auch andere Dokumente, wie den „N.-Bericht“2699 und
den Bericht afghanischer Offizieller an Präsident Kar-

zai
2700

stellte das BMVg nicht zur Verfügung. Das Bun-

deskanzleramt musste sich diese Dokumente über das

NATO-Hauptquartier in Brunssum beschaffen.
2701

Darüber hinaus konnten sich das BMVg und das Bundes-

kanzleramt in den ersten Tagen nach dem Luftschlag auf

keine gemeinsame Sprachregelung bezüglich der Folgen

des Luftschlags einigen. Nach Aussage der Zeugen

Dr. Vad und Dr. Heusgen teilten sie die offizielle Darstel-

lung des BMVg zum Luftschlag nicht, dass zivile Tote

auszuschließen seien. Ihrer Aussage nach wiesen sie das

BMVg, darunter den Sprecher des Verteidigungsministe-

riums Dr. Raabe, auch auf diese Diskrepanz hin. Darüber

hinausgehende Versuche, eine einheitliche und vorsichti-

ge Presselinie zu erarbeiten, scheint es jedoch nicht gege-

ben zu haben.

Dass die Bundeskanzlerin in solch einem schwerwiegen-

den Fall ein derartig unzureichendes Informationsverhal-

ten zuließ und nicht dafür sorgte, einen vollständigen

Überblick zu erhalten, offenbart ihre fehlende Führungs-

kompetenz in einer kritischen Situation. Damit hat sie ihre

Richtlinienkompetenz sträflich vernachlässigt

b) Auswärtiges Amt

Auch dem Auswärtigen Amt übermittelte das BMVg die

relevanten Informationen mit erheblicher Verspätung.

Zum Beispiel erhielt das Auswärtige Amt den IAT-
2697) Feststellungsteil C. III. 4 (S. 133).

2698) E-Mail Vad an Baumann und Beemelmans vom 21. 9. 2009
(Dokument 130), Bl. 140; Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30 f.;

E-Mail von Heusgen vom 7. September 2009 (Dokument 131),

Bl. 24.
2699) Mat. 17-29a, Ordn 6, Bl. 51 ff.

2700) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 30.

2701) Vermerk für AL 2 (Fn. 919, Dokument 126).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 399 – Drucksache 17/7400

Bericht erst am 11. September 2009.
2702

Stimmen aus dem

Auswärtigen Amt kritisierten darüber hinaus die Informa-

tionspolitik des BMVg gegenüber Bundestag und Öffent-

lichkeit.

6. Intransparente Informationspolitik nach
dem Regierungswechsel, Oktober bis De-
zember 2009

a) Pressestatement des Generalinspekteurs
Schneiderhan zum COM ISAF Bericht,
29. Oktober 2009

Der am 26. Oktober 2009 fertiggestellte NATO-Bericht

(COM ISAF-Bericht) erreichte das BMVg am 28. Okto-

ber 2009 (vgl. oben IV.3.b). Damit lagen der Bundesre-

gierung die wesentlichen Fakten vor, um das gegenüber

der Öffentlichkeit gegebene Versprechen einzulösen, den

Vorfall in Kunduz lückenlos aufzuklären und die Ver-

säumnisse und Fehler „schonungslos und rückhaltlos
aufzuarbeiten“.2703 Anstatt aber nun die ungeklärten Fra-
gen im Zusammenhang mit dem Luftschlag gegenüber

der Öffentlichkeit zu beantworten, hielt das BMVg an

seiner intransparenten Informationspolitik fest.

In seiner Presseerklärung am 29. Oktober 2009, in der

keine Fragen durch Journalisten zugelassen waren, stellte

Generalinspekteur Schneiderhan die Untersuchungser-

gebnisse verkürzt dar. Die wesentlichen Aussagen waren:

– Der Bericht enthalte Empfehlungen, um Verfahren
und Vorschriften zu verbessern. Nicht erwähnt wur-

den die im COM ISAF-Bericht aufgeführten Verfah-

rensfehler.

– In Kenntnis der Untersuchungsergebnisse gebe es
keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Luftangriff

zum damaligen Zeitpunkt militärisch angemessen

war.

– Schließlich ergebe der Bericht, dass die Anzahl der
getöteten und verletzten Personen nicht mehr ermit-

telbar sei und bestätige daher nicht, dass durch den

Luftschlag unbeteiligte Personen getötet wurden.

– Für Generalinspekteur Schneiderhan sei insgesamt
nachvollziehbar, dass Oberst Klein in der Nacht zum

4. September 2009 annehmen konnte, dass keine Zi-

vilisten vor Ort waren.
2704

Generalinspekteur Schneiderhan vermied es, auf heikle

Fragen einzugehen, die zuvor in der Presse aufgeworfen

worden waren, obwohl diese im COM ISAF-Bericht

behandelt wurden. Weder erwähnte er, dass durch den

Luftangriff gegen ISAF-Regeln verstoßen wurde, noch

äußerte er sich dazu, ob Oberst Klein tatsächlich aufgrund

einer „unmittelbaren Bedrohungslage“ gehandelt hatte,
bzw. aufgrund welcher Quellenlage er agierte und wes-

halb Oberst Klein keine weiteren Aufklärungsmittel, z. B.
2702) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 27.

2703) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 38.

2704) Pressestatement Generalinspekteur (Fn. 119, Dokument 51).

die ihm grundsätzlich zur Verfügung stehende Drohne

verwendet hatte. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf,

dass die Presseerklärung nicht dazu diente, über die Er-

kenntnisse der NATO zu berichten, sondern dazu, der

Generalstaatsanwaltschaft kein weiteres Material zu lie-

fern, um gegen Oberst Klein zu ermitteln.

Die NATO bewerte die Presseberichterstattung durch das

BMVg kritisch. Der zuständige NATO-Befehlshaber des

JFC Brunssum, General Ramms, hat vor dem Untersu-

chungsausschuss deutlich gemacht, dass der Bericht „wei-
taus kritischer“ gewesen sei und dass Generalinspekteur
Schneiderhan „den Inhalt des Berichtes nicht richtig wie-
dergegeben“ habe.2705 Denn nach General Ramms Auffas-
sung war aus dem Bericht der Schluss zu ziehen, dass der

Luftschlag militärisch nicht angemessen war. Seiner An-

sicht nach müsse man sogar in Erwägung ziehen, dass das

Kriegsvölkerrecht verletzt worden sei.
2706

Vor dem Untersuchungsausschuss hat General Ramms

darüber hinaus angegeben, dass der COM ISAF-Bericht

nicht, wie es der Dienstweg verlangt hätte, über das

NATO-Hauptquartier in Brunssum nach Berlin weiterge-

leitet worden sei. Vielmehr sei der Bericht unmittelbar

von Kunduz nach Berlin gelangt. Deshalb habe er keine

Gelegenheit gehabt, gegenüber dem BMVg zum Bericht

Stellung zu nehmen. Diese hätte gelautet, dass auf Grund-

lage der Erkenntnisse des COM ISAF-Berichts „eine
gerichtliche und disziplinare Untersuchung dieses Vor-

falls“ durchzuführen sei.2707

b) Unterschiedliche Bewertung des Luft-
schlags durch Bundesminister zu Gutten-
berg

Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg stellte

trotz Kenntnis des COM ISAF-Berichts den Luftschlag

gegenüber den Obleuten der Fraktionen und anschließend

in einem Pressestatement am 6. November 2009 als mili-

tärisch angemessen und trotz Verfahrensfehlern notwen-

dig und zwingend dar. Erst nachdem Teile des kritischen

Feldjägerberichts durch die Presse bekannt wurden, revi-

dierte er am 3. Dezember 2009 seine Beurteilung und

bewertete den Luftschlag als „militärisch nicht angemes-
sen“. Seinen Meinungsumschwung begründete er damit,
dass ihm Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekre-

tär Dr. Wichert wesentliche Informationen vorenthalten

hätten, ohne die er nicht in der Lage gewesen sei, den

Luftschlag korrekt einzuordnen.

Im Folgenden wird dargestellt, dass diese Begründung

nicht plausibel ist. Minister zu Guttenberg verantwortete

seine Fehleinschätzung am 6. November 2009 selber.

Zwar wurde Minister zu Guttenberg tatsächlich unzurei-

chend beraten. Aber ihm lagen bis zum 6. November

2009 ausreichende Materialien vor, aufgrund derer er
2705) vgl. Feststellungsteil Punkt D.II.3.c), S. 142: „Überraschung“ auf

Seiten der NATO; Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 5.

2706) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 22, 27.

2707) Ramms, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 15.
Drucksache 17/7400 – 400 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
erkennen musste, dass er den Luftschlag nicht ohne weite-

res als militärisch angemessen hätte bewerten können.
2708

aa) Gegenüberstellung der Äußerungen am
6. November und am 3. Dezember 2009

Am 6. November 2009 bewertete zu Guttenberg öffent-

lich den Luftschlag in Kunduz. Nach Einschätzung des

Zeugen Dr. Wichert wäre eine öffentliche Äußerung des

neuen Bundesministers so kurze Zeit nach der Presserklä-

rung des Generalinspekteurs nicht notwendig gewesen.
2709

In seinem Pressestatement
2710

äußerte sich Minister zu

Guttenberg dahingehend, dass der COM ISAF-Bericht im

Zusammenhang mit dem Luftschlag „Verfahrensfehler
und Ausbildungsmängel“ zu Tage gefördert habe. Zu
Guttenberg gehe davon aus, dass dem Luftschlag Unbe-

teiligte zum Opfer gefallen seien. Dies werde insbesonde-

re durch den ihm vorliegenden IKRK-Bericht verdeut-

licht. Dennoch teile er die Einschätzung seines Generalin-

spekteurs, „dass die Militärschläge und die Luftschläge
vor dem Gesamtbedrohungshintergrund als militärisch

angemessen zu sehen sind.“ Anschließend ging Minister
zu Guttenberg noch einen Schritt weiter, indem er fest-

stellte: „Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben
hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müssen.“

Vor dem Untersuchungsausschuss erklärte der Zeuge zu

Guttenberg, dass er mit dieser Formulierung zum Aus-

druck bringen wollte,

„dass bei der Anordnung des Luftschlages zwar
Verfahrensfehler erfolgten, diese aber für den

Luftschlag nicht zwingend ursächlich gewesen

sind. Anders gesagt: Auch wenn Oberst Klein alle

Regularien beachtet hätte, wäre er unter militäri-

schen Gesichtspunkten zur gleichen Entscheidung

gekommen.“2711

Er habe sich eigeninitiativ zu dieser Bewertung entschlos-

sen, allerdings sei sie zuvor telefonisch mit Generalin-

spekteur Schneiderhan abgestimmt gewesen. Dem hat der

Zeuge Schneiderhan widersprochen. Auch der Zeuge Dr.

Wichert hat angegeben, diese weitergehende Aussage vor

dem Pressestatement nicht gekannt zu haben, ansonsten

hätte er sie in dieser Form nicht gebilligt.
2712

Am 3. Dezember 2009 revidierte Bundesminister zu Gut-

tenberg vor dem Deutschen Bundestag seine Äußerung:

Nach Auswertung weiterer Materialien, die ihm vor seiner

Presseerklärung am 6. November 2009 nicht zur Verfü-

gung gestanden hätten, sei er zu dem Schluss gekommen,

dass der Luftschlag militärisch nicht angemessen gewesen

sei. Denn die neuen Dokumente und Bewertungen wiesen

„im Gesamtbild gegenüber dem gerade benannten
COM ISAF-Bericht deutlicher auf die Erheblichkeit von
2708) siehe hierzu auch Feststellungsteil D. (S. 138 ff.).
2709) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 74 f., Protokoll-Nr. 33, Teil I,

S. 61 f.

2710) Pressestatement zu Guttenberg (Fn. 1146, Dokument 155),
Bl. 62 ff.

2711) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8.

2712) Wichert, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 75.

Fehlern und insbesondere von Alternativen hin.“2713 Vor
dem Untersuchungsausschuss hat er ausgeführt:

„Die pauschale Aussage, dass der Luftangriff
gleichwohl angemessen gewesen sei bzw. in jedem

Fall hätte erfolgen müssen, konnte ich so nicht auf-

rechterhalten. Es steht außer Frage, dass der Ang-

riff nicht hätte erfolgen müssen. Ja, er hätte nicht

erfolgen dürfen, wenn von Anfang an klar gewe-

sen wäre, dass er mit an Sicherheit grenzender

Wahrscheinlichkeit in einem größeren Umfang

Unbeteiligte töte oder verletze.“2714

Dennoch blieb der Bundesminister der Verteidigung da-

bei, dass „Oberst Klein aus seiner Sicht nach bestem Wis-
sen und Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten

gehandelt hat“.2715

Der Zeuge zu Guttenberg hat betont, dass Generalinspek-

teur Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Wichert maß-

geblich verantwortlich für seine Fehlbewertung vom 6.

November 2009 waren. Diese hätten ihm unter Vorhalt

wesentlicher Dokumente vorgespiegelt, der Luftschlag sei

ohne Zweifel als militärisch angemessen zu bewerten.

Erst nachdem Minister zu Guttenberg am 25. November

2009 – aufgeschreckt durch die Ankündigung der BILD-
Zeitung ein bis dahin vertrauliches und kritisches Doku-

ment zu veröffentlichen – weitere Materialien zu dem
Luftschlag anforderte, seien ihm diese zur Verfügung

gestellt worden. Erst anschließend sei ihm ein umfassen-

des und differenziertes Gesamtbild des Luftschlages mög-

lich gewesen.

Ein Blick auf die Informationen, die dem Zeugen zu Gut-

tenberg jeweils vor dem 6. November 2009 und nach dem

25. November 2009 zur Verfügung standen, zeigt aller-

dings, dass die Begründung des Zeugen zu Guttenberg

nicht standhält.

bb) Informationsstand vor dem 6. November
2009

Nach eigener Aussage stützte sich Minister zu Guttenberg

maßgeblich auf die Bewertungen des Luftschlags durch

sein Haus, die sich im Nachhinein als einseitig und un-

vollständig herausstellten. Andererseits standen ihm der

COM ISAF-Bericht nebst Anlagen und der IKRK-Bericht

zur Verfügung, in denen alle die für die Bewertung rele-

vanten Informationen enthalten waren. Diese hatte Minis-

ter zu Guttenberg nach eigenen Angaben mehrfach und

intensiv gelesen.

aaa) Beratung durch den Führungskreis des
BMVg

Tatsächlich wurde Bundesminister zu Guttenberg von

seinem Ministerium unzureichend beraten. So unterrichte-
2713) zu Guttenberg, BT-PlPr. 17/9 (Dokument 166) S. 682.
2714) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.

2715) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 8; zu Guttenberg, BT-

PlPr. 17/9 (Dokument 166), S. 682.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 401 – Drucksache 17/7400

ten Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär

Dr. Wichert den neuen Bundesminister der Verteidigung

während einer kurzen Besprechung am 29. Oktober 2009

einseitig und unvollständig über den Luftschlag und den

am Vortag eingetroffenen COM ISAF-Bericht. In Anwe-

senheit des Leiters des Planungsstabs, Dr. Schlie, versi-

cherten Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekre-

tär Dr. Wichert, dass der Luftschlag insgesamt – auch
nach Bewertung des COM ISAF-Berichts – als militärisch
angemessen zu bewerten sei.

2716
Zu diesem Ergebnis kam

auch die Kurzauswertung des am Vortag eingetroffenen

COM ISAF-Berichts durch den Einsatzführungsstab und

die Rechtsabteilung.
2717

Auch in der anschließenden

Presserklärung ließ Generalinspekteur Schneiderhan

keinen Zweifel daran, dass nach den Ergebnissen des

COM ISAF-Berichts der Luftschlag als angemessen zu

beurteilen sei. Schließlich riet Ministerialdirektor

Dr. Schlie dem Bundesminister am 2. November 2009

davon ab, sich von Schneiderhans Presselinie zu distan-

zieren. Weil „jedes Abrücken von der bisherigen Linie –
‚militärisch angemessen„ – erhebliche Probleme bereiten
würde.“2718

bbb) Auswertungsbericht des Ein-
satzführungsstabs

Minister zu Guttenberg lag darüber hinaus auch die Aus-

wertung des COM ISAF-Berichts durch den Einsatzfüh-

rungsstab vor. Im Auswertungsbericht wird folgendes

Fazit gezogen:

„[T]rotz einiger Verfahrensfehler ist festzuhalten,
dass der Kommandeur PRT Kunduz auf der

Grundlage der ihm zum damaligen Zeitpunkt zur

Verfügung stehenden Informationen und vor dem

vorliegenden Bedrohungshintergrund militärisch

angemessen gehandelt hat.“2719

Allerdings ist der Auswertungsbericht des Einsatzfüh-

rungsstabs an einigen Stellen unstimmig, unvollständig

und wirft gravierende Fragen auf. Diese hätte Minister zu

Guttenberg klären und weitere Nachforschungen anstellen

müssen, bevor er sich die Meinung des Auswertungsbe-

richtes zu eigen machte.

So wird in dem Auswertungsbericht nicht plausibel darge-

legt, wie der Einsatzführungsstab auf Grundlage des kriti-

schen COM ISAF-Berichts zu einer derart positiven Ge-

samtbewertung gelangen konnte. Vielmehr wird den Ein-

zelbewertungen des COM ISAF ohne Begründung wider-

sprochen.

Zum Beispiel wird festgestellt, dass laut COM ISAF-

Bericht „die verfügbaren Informationen vor dem Luftang-
riff und die Informationen der HUMINT-Quelle keine
2716) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 31, Teil I, S. 31.

2717) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 4f.

2718) Ministervorlage (Fn. 1127, Dokument 153) Bl. 82 f.
2719) Mat. 17-30a, Ordn. Chronologie EinsFüStab, Teil 8, Bl. 3, Aus-

wertung ISAF Untersuchungsbericht zum Luftangriff am 4. Sep-

tember 2009.

konkrete Bedrohung für das PRT KDZ aufzeigten.“2720
Darüber hinaus seien zum Zeitpunkt der Entscheidung

verfügbaren INTEL-Informationen „unzureichend für ein
solch komplexes Szenario“ gewesen. Diesen Erkenntnis-
sen wird die Behauptung gegenübergestellt, es stehe

gleichwohl „außer Frage, dass das Verhalten des COM
PRT KDZ auf Grundlage seines Gesamtlagebildes militä-

risch angemessen war“. Eine Begründung folgt nicht. Es
wird nicht erklärt, auf welcher Basis der Schluss zulässig

ist, dass Oberst Klein ex ante nicht zu erkennen vermocht

hätte, dass ihm zu wenige Informationen für ein solch

komplexes Szenario zur Verfügung standen.

ccc) COM ISAF Bericht und Anlagen

Minister zu Guttenberg befasste sich, so seine Angaben

vor dem Untersuchungsausschuss, während eines Kurzur-

laubs zwischen dem 30. Oktober und dem 3. November

2009 „sehr intensiv“2721 mit dem COM ISAF-Bericht, der
das Ergebnis der ausführlichsten Untersuchung der Ge-

schehnisse in Kunduz ist und der ein umfassendes Bild

der Geschehnisse in Kunduz vermittelt. In diesem Bericht

sind die Kenntnisse des IAT und weiterer militärischer

Voruntersuchungen eingeflossen. Zusätzlich beschäftigte

er sich auch mit den Anlagen des COM ISAF-Berichts

„zwischen dem 03. und 06. [November] sehr, sehr inten-
siv“.2722 Diese enthalten, unter anderem, ausführliche
Vernehmungsprotokolle aller am Luftschlag Beteiligten

und erlauben somit ein differenziertes Gesamtbild der

Geschehnisse.

Der Inhalt des Berichts samt seiner Anlagen hätte Minis-

ter zu Guttenberg Anlass geben müssen, an der Richtig-

keit der Bewertung durch das BMVg „militärisch ange-
messen“ zu zweifeln. In Folge hätte er eine detailliertere
Begründung bzw. weitere Materialien anfordern müssen,

bzw. Beratung Dritter – zum Beispiel bei Generalleutnant
Glatz – einholen können, bevor er öffentlich Stellung
bezog, so wie er es auch tatsächlich nach dem 25. No-

vember tat.

ddd) IKRK-Bericht

Zusätzlich konnte sich zu Guttenberg auf den IKRK-

Bericht stützen. Dieser Bericht, der differenzierte Aussa-

gen zu zivilen Opfern trifft, ergänzte den COM ISAF-

Bericht.

Insofern besaß Minister zu Guttenberg auch vor dem 6.

November 2009 – trotz einseitiger Beratung durch sein
Haus – ausreichend kritische Informationen über den
Luftschlag, auf Grund derer er hätte erkennen müssen,

dass die Bewertung „militärisch angemessen“ grundle-
gend zu hinterfragen war. Vor einer öffentlichen Positio-

nierung hätte er weitere Informationen und Bewertungen

einholen müssen.
2720) Mat. 17-30a, Ordn. Chronologie EinsFüStab, Teil 8, Bl. 3.

2721) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 6.

2722) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 32.
Drucksache 17/7400 – 402 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
cc) Informationsstand nach dem 25. November

2009

Im Gegensatz dazu drängt sich der Eindruck auf, dass

Minister zu Guttenbergs Neubewertung am 3. Dezember

2009, der Luftschlag sei militärisch nicht angemessen, vor

allem eine Reaktion auf mediale Berichterstattung und

den (einseitig und irreführend geschriebenen) BILD-

Zeitungsartikel zum Feldjägerbericht war. Denn die Do-

kumente zum Luftschlag, die Minister zu Guttenberg nach

dem 25. November 2009 zur Verfügung gestellt wurden,

besitzen so gut wie keinen neuen Erkenntniswert im Ver-

gleich zum COM ISAF-Bericht und zum IKRK-Bericht.

Sie hätten Minister zu Guttenberg höchstens dazu veran-

lassen können, seine Bewertung hinsichtlich des Verhal-

tens von Oberst Klein noch einmal zu überdenken.

Folgende Berichte erhielt Minister zu Guttenberg nach

dem 25. November 2009: Den Feldjägerbericht samt

Anlagen und Bewertung durch den Einsatzführungsstab,

nach welcher der Feldjägerbericht ohne weitere Kommen-

tierung möglicherweise negative Auswirkungen auch in

rechtlicher Hinsicht haben könnte, den „Klein-Bericht“,
den „N.-Bericht“, den IAT-Bericht, die Liste von
UNAMA über zivile Opfer sowie Protokolle über Obleu-

teunterrichtungen und Ähnliches.
2723

Die Berichte wurden

in den Tagen nach dem Luftschlag verfasst und flossen in

die Untersuchungsergebnisse des COM ISAF mit ein.

Die Dokumente enthielten – im Gegensatz zur Aussage
des Zeugen zu Guttenberg

2724
– kaum zusätzliche Erkenn-

tnisse:

– Zeuge zu Guttenberg hat erklärt, dass der IAT-
Bericht und der Feldjägerbericht – anders als der
COM ISAF-Bericht, der sich bei der Anzahl ziviler

Opfer nicht festlege – die Schlussfolgerung nahe leg-
ten, dass von Anfang an in größerem Umfang von zi-

vilen Opfern ausgegangen wurde. Diese Einschät-

zung des Zeugen zu Guttenberg ist korrekt. Aller-

dings hätte er eine ähnliche Schlussfolgerung auch

auf Grundlage des ihm bereits vor dem 6. November

2009 vorliegenden IKRK-Berichts ziehen können.

Insofern lieferten diese beiden vorläufigen Berichte

keine wesentlich neuen Erkenntnisse hinsichtlich der

höheren Zahl ziviler Opfer.

– Aus den Anlagen des Feldjägerberichts ergäben sich
neue Einzelheiten, „wie etwa Hinweise auf ein mög-
licherweise beabsichtigtes Ausschlachten der Tank-

lastwagen durch die OMF, welches die von ihnen

ausgehende Gefährdung hätte reduzieren können und

den Luftschlag damit gegebenenfalls hätte obsolet

machen können, mit Blick auf Alternativen.“2725 Die-
se Information, dass die Aufständischen vorhatten,

die stecken gebliebenen Tanklaster „auszuschlach-
ten“ ist auch im COM ISAF-Bericht enthalten, der zu
2723) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 11.

2724) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.

2725) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.

Guttenberg vor dem 6. November 2009 nach eigener

Aussage bekannt war.
2726

– Der Zeuge zu Guttenberg hat angegeben, dass für ihn
folgendes Zitat aus dem Feldjägerbericht für die

Neubewertung von Bedeutung gewesen ist: „Die Klä-
rung der offenen Punkte bzw. möglichen Versäum-

nisse hat besondere Bedeutung, da aufgrund der im

PRT Kunduz vorhandenen Aufklärungsergebnisse of-

fensichtlich war, dass der Bombenabwurf zu zahlrei-

chen Toten und Verletzten führen wird bzw. geführt

hat, ohne dass unmittelbar vor und nach dem Vorfall

adäquat gehandelt wurde.“2727 Allerdings enthält auch
der COM ISAF-Bericht das deutliche Fazit, dass vor

und nach dem Luftschlag inadäquat gehandelt wur-

de.
2728

– Die Information, nach der der Leiter des Einsatzfüh-
rungskommandos, Generalleutnant Glatz, den Luft-

schlag bereits ab dem 4. September 2009 als einen

„Riesenfehler“ des Oberst Klein“2729 gehalten hatte,
mag tatsächlich neu für Minister zu Guttenberg ge-

wesen sein. Allerdings war diese Aussage vor allen

Dingen geeignet, die Bewertung, dass Oberst Klein

„nach bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt habe,
neu zu überdenken. Genau diese Bewertung änderte

Minister zu Guttenberg in seiner Erklärung am 3. De-

zember 2009 nicht und kam selber zu dem Schluss,

dass die Informationen „im Ergebnis gar keine Fak-
ten enthielten, die für die Rekonstruktion der Ent-

scheidungsabläufe und für das Handeln von Oberst

Klein an jenem 4. September 2009 von entscheidend-

er Bedeutung sind.“2730

Es hat sich gezeigt, dass Minister zu Guttenberg auf

Grundlage dieser neuen Dokumente keineswegs besser

bewerten konnte, ob der Luftschlag „militärisch angemes-
sen“ war. Diesen Begriff, der weder ein juristischer noch
ein militärischer Fachbegriff ist, erläuterte der Zeuge zu

Guttenberg vor dem Untersuchungsausschuss folgender-

maßen: Im Gegensatz zur rein militärisch-operativen

Betrachtung gehe es um die „ganzheitliche Betrachtung
im Nachgang zu einem Einsatz”. Diese sei für die politi-
sche Führung von Bedeutung. Folgende Faktoren spielten

eine Rolle:

„Dazu zählt die Angemessenheit von Handlungen
im Verhältnis zur politischen Zielsetzung des Ge-

samtauftrags; die Vorgaben des Bundestags und

des einschlägigen UN-Mandats; die NATO-/ISAF-

internen Vorgaben und Regularien unter Einbezie-

hung der Absicht COM ISAF; die konkreten Aus-

wirkungen des Einsatzes, ob beabsichtigt oder un-

beabsichtigt, für das deutsche – nicht nur militäri-
sche – Engagement in Afghanistan; die allgemei-
nen politischen und diplomatischen Folgen, nicht
2726) Mat.17-10/10a, GEHEIM.

2727) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 12.

2728) Mat.17-10/10a, GEHEIM.
2729) Glatz, Protokoll-Nr. 12, Teil II, S. 67; zu Guttenberg, Protokoll-

Nr. 18, Teil I, S. 12.

2730) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 7, 11.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 403 – Drucksache 17/7400

zuletzt die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit,

wie die Bundeswehr bei ihren Einsätzen vor-

geht.“2731

Zu allen diesen Bewertungsmaßstäben lagen Minister zu

Guttenberg aber bereits vor dem 6. November 2009 die

entscheidenden Informationen vor. Durch den

COM ISAF- und IKRK-Bericht kannte er auch die kriti-

schen Punkte des Luftschlags, nämlich, dass er unter

Verfahrensfehlern angeordnet worden war und dass es zu

zivilen Opfern gekommen war. Insofern hätte er bereits

zu diesem Zeitpunkt eine Abwägung vornehmen können,

zwischen dem Grad der „Verfahrensfehler“ und der „zivi-
len Opfer“ einerseits und den politischen Zielsetzungen
von ISAF, militärischen und juristischen Vorgaben sowie

politischen Konsequenzen im weiteren Sinne andererseits.

7. Trennung von Generalinspekteur Schnei-
derhan und Staatsekretär Dr. Wichert

Im Lichte dieser Analyse ist Generalinspekteur Schnei-

derhan und Staatssekretär Dr. Wichert zwar vorzuwerfen,

ihren Minister einseitig und unvollständig beraten zu

haben. Trotz dieses Fehlverhaltens hatte Minister zu Gut-

tenberg seine Fehleinschätzung im Wesentlichen selber

zu verantworten. Minister zu Guttenberg positionierte

sich zwei Wochen nach Amtsantritt öffentlich, ohne die

Materie durchdrungen zu haben. Seinen unvollständigen

Wissenstand hätte er erkennen können und müssen. Den-

noch sprach er sich in markigen Worten für die Notwen-

digkeit des Luftschlags aus und ging dabei aus eigner

Initiative über die bis dahin offizielle Position des BMVg

hinaus. Dabei hätten die politischen Umstände es keines-

wegs erfordert, dass er sich als Bundesminister zu diesem

Zeitpunkt überhaupt äußerte.

Der Umstand, dass Minister zu Guttenberg sich von sei-

nem Staatssekretär und seinem Generalinspekteur auf-

grund eines gestörten Vertrauensverhältnisses getrennt

hat, soll und kann hier nicht beurteilt werden. Dies ist eine

Entscheidung, die der Bundesminister der Verteidigung

ohne Begründung treffen kann. Die Art und Weise je-

doch, wie die Trennung (öffentlich) inszeniert wurde,

deutet darauf hin, dass Minister zu Guttenberg sie dazu

nutzte, um die alleinige Verantwortung für seine anfängli-

che Fehleinschätzung auf Generalinspekteur Schneider-

han und Staatssekretär Dr. Wichert abzuwälzen. Der

Bundesminister hätte seine Mitverantwortung für die

anfängliche Fehleinschätzung transparent machen und

sich hierzu bekennen müssen.

8. Zusammenfassung

Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr infor-

mierte den Einsatzführungsstab des BMVg und General-

inspekteur Schneiderhan ausführlich über den jeweiligen

Kenntnisstand der ISAF zum Luftschlag in Kunduz. So

erhielt das BMVg bereits am 4. September 2009 ernstzu-

nehmende Hinweise auf zivile Opfer, die sich im Verlauf
2731) zu Guttenberg, Protokoll-Nr. 18, Teil I, S. 14.

des 5. und 6. September 2009 verdichteten. Spätestens ab

dem 6. September 2009, mit Erhalt des IAT-Berichts,

erreichten das BMVg Anhaltspunkte, dass Oberst Klein

den Luftschlag regelwidrig durchgeführt hatte. Ranghohe

und fachkundige Militärs von Bundeswehr, NATO und

ISAF – namentlich Brigadegeneral Vollmer, General
McChrystal, Generalleutnant Glatz und General Ramms –
wiesen darüber hinaus gegenüber dem BMVg nachdrück-

lich darauf hin, dass sie aufgrund ihrer militärischen Er-

fahrung und aufgrund der konkreten Fallumstände zivile

Opfer für wahrscheinlich hielten.

Auch wenn Generalinspekteur Schneiderhan bewusst

wichtige Informationen zurückhielt, so lagen doch dem

gesamten Führungskreis des BMVg, einschließlich des

Bundesministers der Verteidigung Dr. Jung, im Laufe des

4. September 2009 Hinweise darauf vor, dass der Luft-

schlag möglicherweise zivile Opfer gefordert hatte.

Anstatt aber eine schnelle und transparente Aufklärung

des Vorfalls im Vorfeld einer Bewertung zu veranlassen –
Bundesminister Dr. Jung entschied sich auf Anraten von

Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär

Dr. Wichert gegen eine nationale Untersuchung des Vor-

falls – stellte das BMVg den Luftschlag der Öffentlichkeit
zunächst als militärischen Erfolg gegen Aufständische

dar, bei dem keine Zivilpersonen zu Schaden gekommen

seien. Erst als diese Bewertung nach zahlreichen Medien-

berichten über zivile Opfer und verstärktem parlamentari-

schen Druck politisch nicht mehr tragbar war, veränderte

das BMVg am 6. September 2009 reaktiv seine Informa-

tionslinie. Noch bis zum 3. Dezember 2009 hielt das

BMVg allerdings daran fest, dass der Luftschlag militä-

risch angemessen war.

Über die Gründe, weshalb der Führungskreis, insbesonde-

re Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär

Dr. Wichert, innerhalb der Regierung und gegenüber der

Öffentlichkeit Informationen verzögerte und unterdrückte,

können nur Vermutungen angestellt werden. Ein Grund

mag die Befürchtung gewesen sein, dass ein transparenter

Umgang mit dem Vorfall den zu dieser Zeit ohnehin

schon unpopulären Afghanistaneinsatz vollends hätte

diskreditieren können. Desweiteren diente die verschlep-

pende Informationspolitik des BMVg dem Schutz von

Oberst Klein, dem eine strafrechtliche Ermittlung drohte

und dessen ganzes Handeln auf der Annahme basiert

hatte, dass es keine zivilen Opfer geben würde. Außerdem

wurde befürchtet, dass die Soldatinnen und Soldaten der

Bundeswehr ein offensives Vorgehen als Illoyalität sei-

tens des BMVg auslegen würden und dass dies sich nega-

tiv auf ihre „Einsatzmoral“ in Afghanistan auswirken
könnte. Schließlich ist davon auszugehen, dass auch der

Ruf des BMVg und damit der damaligen Bundesregie-

rung geschützt werden sollte, insbesondere angesichts der

bevorstehenden Wahlen.

Auch Minister zu Guttenberg hat seine Informationspoli-

tik nicht transparenter gestaltet. Aufgrund seines Kenn-

tnisstandes vor dem 6. November 2009 hätte er – trotz der
unzureichenden und unverantwortlichen Beratung durch

sein Haus – erkennen müssen, dass die Darstellung des

Drucksache 17/7400 – 404 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Luftschlags als „militärisch angemessen“ nach Eingang
des COM ISAF-Berichts problematisch wurde. Dennoch

stellte er öffentlich fest, dass es auch ohne Verfahrensfeh-

ler zum Luftschlag hätte kommen müssen. Schwerer

wiegt allerdings, dass Minister zu Guttenberg seine Mit-

verantwortung nicht offen darlegte und anschließend

versuchte, die alleinige Verantwortung für seine anfängli-

che Fehleinschätzung auf Generalinspekteur Schneider-

han und Staatssekretär Dr. Wichert abzuwälzen.

Die Bilanz ist katastrophal: Das BMVg begab sich durch

seine Informationspolitik der Möglichkeit, transparent mit

dem Vorfall umzugehen und den Sachverhalt aufzuklären.

Damit schadete es neben Öffentlichkeit und Parlament

aus falsch verstandener Fürsorgepflicht letztendlich genau

den Personen, die sie schützen wollte: Die intransparente

Informationspolitik – die im Gegensatz zu den Ermitt-
lungsergebnissen und Bewertungen von NATO und ISAF

standen – führte unweigerlich zu Spekulationen und Ver-
schwörungstheorien bezüglich des Vorfalls in Kunduz,

was den Truppen der Bundeswehr in Afghanistan weitere

Kritik einbrachte. Der Luftschlag wurde in der Presse

immer hochprominent diskutiert, sobald die vom BMVg

zurückgehaltenen Informationen auf anderem Wege in die

Öffentlichkeit gelangten. Hierdurch geriet das BMVg

zunehmend in die Kritik und Oberst Klein wiederholt in

den Blick der Öffentlichkeit.

Für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hätte

eine offene Aufklärung des Vorfalls und die klare Benen-

nung der Fehler es ermöglicht, für die Zukunft Hand-

lungssicherheit zu gewinnen. Dies ist in Anbetracht der

schwierigen Situation, in denen sich Soldatinnen und

Soldaten der Bundeswehr in Auslandseinsätzen und in-

sbesondere in Afghanistan befinden, dringend geboten.

Generalinspekteur Schneiderhan, Staatsekretär

Dr. Wichert und Bundesminister Dr. Jung, der zwischen-

zeitlich die Position des Ministers für Arbeit und Soziales

innehatte, traten als Konsequenz der Informationspolitik

des BMVg im November 2009 von ihren Posten zurück.

VI. Die Bewertung der Informationspolitik und
der Reaktion des Auswärtigen Amtes und
des Bundesministers des Auswärtigen
Dr. Steinmeier

Das Auswärtige Amt, unter Leitung des damaligen Au-

ßenministers Dr. Steinmeier, war aufgrund seiner politi-

schen Federführung für den Afghanistaneinsatz auf be-

sondere Weise mit den Folgen des Luftschlags befasst. Es

besaß über die Botschaft in Kabul und den zivilen Leiter

des PRT Kunduz, Legationsrat D., einen unmittelbaren

Zugang zu dem Geschehen vor Ort.
2732

Legationsrat D.

war allerdings minimal in die Aufklärungsarbeit vor Ort

eingebunden und konnte dem Auswärtigen Amt deshalb

nur wenige Erkenntnisse aus erster Hand übermitteln.

Infolgedessen blieb das Auswärtige Amt auf Informatio-

nen durch Medien und durch das BMVg angewiesen (1).

Die Informationslage reichte insgesamt dazu aus, dass im
2732) siehe zu den Fakten Feststellungsteil C.II.2. (S. 115 ff.).

Auswärtigen Amt bereits am 4. September 2009 von der

Möglichkeit ziviler Opfer durch den Luftschlag ausge-

gangen wurde (2). Dementsprechend äußerte sich Au-

ßenminister Dr. Steinmeier in seinen öffentlichen Stel-

lungnahmen vorsichtiger als Verteidigungsminister

Dr. Jung und räumte die Möglichkeit ziviler Opfer zu

diesem Zeitpunkt ein. Insgesamt blieb das Auswärtige

Amt allerdings zu passiv. So hielt sich Außenminister

Dr. Steinmeier in seinen Reaktionen auf den Luftschlag

zurück und überließ den Dingen weitgehend seinen Lauf.

Obwohl im Auswärtigen Amt interne Kritik gegenüber

der Presselinie des BMVg geübt wurde, bemühte sich der

Außenminister nicht, Verteidigungsminister Dr. Jung

davon zu überzeugen, diese zu korrigieren. Auch mit dem

Bundeskanzleramt gab es keine gemeinsamen Bemühun-

gen, sich für ein transparentes Vorgehen im Falle Kunduz

einzusetzen (3).

1. Informationsfluss in das Auswärtige Amt

a) Ziviler Strang PRT Kunduz

Legationsrat D., der Leiter des zivilen Strangs des PRT

Kunduz, war im Feldlager anwesend, als Oberst Klein den

Luftschlag anordnete. Auch während der militärischen

Untersuchungen befand er sich vor Ort. Trotzdem war es

Legationsrat D. nicht möglich, Informationen aus erster

Hand an seine Dienststelle, das Auswärtige Amt, weiter-

zuleiten.

Legationsrat D. war auf die Informationen des militäri-

schen Strangs angewiesen. Zum einen fehlten dem zivilen

Strang die Ressourcen, um eigene Aufklärungen zu be-

treiben: Ihm gehörten zu diesem Zeitpunkt neben Legati-

onsrat D. lediglich zwei weitere Mitarbeiter an.
2733

Zum

anderen fehlten Legationsrat D. aufgrund der angespann-

ten Sicherheitslage die notwendigen Verbindungen in die

Region, um Informationen von außerhalb des Feldlagers

zu beziehen.
2734

Der militärische Strang des PRT unterrichtete Legations-

rat D. nur mangelhaft über den Luftschlag. So erfuhr

dieser erst am Morgen des 4. September 2009 aus einem

Ticker im Internet von dem Vorfall. Auf Nachfrage bestä-

tigte Oberst Klein ihm zwar diese Nachricht, allerdings

wurde er in die nachfolgenden Untersuchungen des PRT

nicht mit einbezogen.
2735

So durfte er an der ersten Orts-

begehung des PRT Kunduz am 4. September 2009 nicht

teilnehmen, aus Platzmangel wie es hieß. Vor dem Unter-

suchungsausschuss gab Zeuge D. an:

„Aber ich hatte längst kein umfassendes Bild und
bin auch selber nicht rausgekommen aus dem

PRT, habe mir also auch vor Ort keinen eigenen

Eindruck verschaffen können. Insofern habe ich
2733) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 10.

2734) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 15.

2735) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 14.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 405 – Drucksache 17/7400

keine Möglichkeit gehabt, dort zu einer umfassen-

den Einschätzung zu kommen.“2736

[…]

„Ich habe nur stückweise hier und da von Dingen
Kenntnis bekommen. Ich wurde in alle Bespre-

chungen, die rein militärisch ausgerichtet waren,

nicht mit einbezogen.“2737

Nach Angaben des Zeugen Dr. Steinmeier wäre eine

„dichtere Kommunikation zwischen dem militärischen
und zivilen Teil des PRT“ wünschenswert gewesen „weil
von der Spitze des PRTs die jeweilig zuständigen Minis-

terien informiert werden.“2738

Auch wenn die Aufgaben zwischen militärischem und

zivilem Strang streng getrennt sind, ist es nicht nachvoll-

ziehbar, weshalb der Kommandeur des PRT Kunduz,

Oberst Klein, seinen zivilen Kollegen, Legationsrat D.,

der ihm formal gleichgestellt ist, am 4. September 2009

nicht früher und umfassender über den Luftschlag infor-

mierte. Insgesamt ist die Nichteinbeziehung des Leiters

des zivilen Strangs ein weiterer Aspekt des intransparen-

ten Informationsverhaltens des PRT Kunduz. Es steht in

einer Reihe mit der unterlassenen mündlichen Meldungen

der Vorgesetzten unmittelbar nach dem Luftschlag sowie

mit den Versuchen des Untersuchungstrupps des PRT

Kunduz Personen von außerhalb von den ersten Aufklä-

rungen fernzuhalten (vgl. oben Punkt III, IV).

Aus diesen Gründen bezog Legationsrat D. am 4. Sep-

tember 2009 seine Informationen hauptsächlich aus dem

Internet. Dort erfuhr er – nach eigenen Angaben – in einer
lokalen Pressemitteilung, dass Aufständische angegeben

hatten, durch den Luftschlag seien auch Zivilpersonen

getroffen worden, die sich zu diesem Zeitpunkt auf der

Sandbank aufhielten, um Benzin abzuzapfen. Den Inhalt

dieser Nachricht leitete Legationsrat D. an das zuständige

Referat 343 im Auswärtigen Amt weiter, das die Nach-

richt gegen 6 Uhr MEZ erhielt. Gegen Mittag nahm er

Kenntnis von dem TPT-Bericht des belgischen Aufklärers

(vgl. oben Punkt IV.). Dort fand er erste Hinweise darauf,

dass die Aufständischen Zivilpersonen zu Unterstützung

auf der Sandbank gezwungen hätten und dass unter den

Opfern des Luftschlages auch 14 Zivilpersonen seien.

Nach Angabe des Zeugen D. ging diese Nachricht dem

Auswärtige Amt gegen 14 Uhr MEZ zu.
2739

Am 12. September 2009 erhielt Legationsrat D. darüber

hinaus auch die von UNAMA erstellte Liste mit zivilen

Opfern und leitete diese dem Auswärtigen Amt weiter.

b) Weitere Informationsquellen

Aus dem E-Mail-Verkehr des zuständigen Referats 343

am 4. September 2009 und an den nachfolgenden Tagen

wird ersichtlich, dass das Auswärtige Amt auch aus wei-
2736) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 10.
2737) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 14.

2738) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, S. 21.

2739) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I S. 5.

teren Quellen Informationen und Einschätzungen zu den

Umständen und Folgen des Luftschlags, insbesondere zu

möglichen zivilen Opfern, erhielt: unter anderem von

Mitarbeitern des Auswärtigen Amts in Masar-e-Sharif

und Faizabad, über die Botschaft in Kabul, über den US-

Botschafter bei der NATO, der die Angehörigen des

Auswärtigen Amts bereits am 4. September 2009 davor

warnte, sich die Presselinie des BMVg, zivile Opfer seien

auszuschließen, zu eigen zu machen.
2740

Unter der Hand

erhielt er auch Informationen aus dem Militär: das Ge-

sprächsprotokoll mit Vertretern der afghanischen Sicher-

heitsbehörden unter General Yarmand, in dem über einen

zehnjährigen verletzten Jungen als Opfer des Luftschlages

gesprochen wurde.
2741

Informationen aus dem BMVg, wie

der IAT-Bericht, erreichten das Auswärtige Amt nach

Aussage des Zeugen Dr. Steinmeier dagegen erst auf

Anforderung und mit Verzögerung.

2. Kenntnisstand des Auswärtigen Amtes
und des Bundesministers des Auswärti-
gen, Dr. Steinmeier

Vor dem Hintergrund dieser Informationslage wurde im

Auswärtigen Amt ab dem 4. September 2009 mit zivilen

Opfern gerechnet. Es wurde diskutiert welche Auswir-

kungen dieses Ereignis haben könnte, zum Beispiel für

den bevorstehenden Wahlkampf. So heißt es in einer E-

Mail zwischen Mitarbeitern des Auswärtigen Amts vom

4. September 2009: „Hier Sorge, dass diese Welle in
deutscher Öffentlichkeit „Tsunami-Qualität“ im Wahl-
kampf erreichen könnte.“2742

Aus einem Sachstandsbericht der Referate 343, 201 vom

4. September 2009 für das Pressereferat 013 ergibt sich

weiterhin, dass bereits am 4. September 2009 an der vom

BMVg verbreiteten Version einer unmittelbaren Bedro-

hungslage für das PRT gezweifelt wurde. Dort heißt es

unter anderem:

„Äußerungen von BMVg ParlStS. K., mit den
Tanklastzügen seien Anschläge geplant gewesen

(Luftschlag somit Notwehr), können nicht betätigt

werden. Die entführten Tanklastzüge hatten sich

bereits vom PRT weg bewegt.
2743

In einer internen E-Mail wird davon ausgegangen, dass es

„dem BMVg auf die Füße fallen“ werde, die Inkaufnahme
ziviler Opfer nun durch eine vermeintliche Anschlagspla-

nung erklären zu wollen, für die es bislang in der Kom-

munikation keine Hinweise gab.
2744

Der Minister des Auswärtigen Dr. Steinmeier erhielt ab

dem 4. September 2009 Informationen zum Luftschlag.

Unter anderem wurde er darüber informiert, dass die
2740) Mat. 17-25a, Referat 343, Bl. 1 ff.

2741) D., Protokoll-Nr. 33, Teil I, S. 12; Mat.17-25 a, Referat 343,
Bl. 160 f. Gespräch mit Vertretern der afghanischen Sicherheits-

behörden unter General Yarmand, u. a. über einen zehnjährigen

verletzten Jungen, der angeblich Opfer dieses Luftschlages wurde.
2742) Mat. 17-25a, Referat 343, Bl. 9; Mat. 17-25a, Referat 343, Bl. 43.

2743) Mat 17-25a, Refereat 343, Bl. 49.

2744) E-Mail Referatsleiter 011 (Dokument 122), Bl. 5.
Drucksache 17/7400 – 406 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Opferzahl noch unklar sei und dass das Auswärtige Amt

noch nicht wisse ob „auch unschuldige Zivilisten“ betrof-
fen waren. Laut seiner Aussage vor dem Untersuchungs-

ausschuss war die Informationslage in den ersten Tagen

nach dem 4. September 2009 unklar, diffus und teilweise

widersprüchlich. Es sei ihm aber bewusst gewesen, dass

nach Informationen aus Afghanistan und auch aus

NATO-Kreisen mögliche zivile Opfer erwähnten.

3. Öffentliche Stellungnahme aus dem Aus-
wärtigem Amt und von Minister
Dr. Steinmeier

Außenminister Dr. Steinmeier äußerte sich gegenüber der

Presse bereits am 4. September 2009 vorsichtig hinsich-

tlich der Folgen des Luftschlags. Gegenüber der Ostsee-

zeitung am 4. September 2009 und gegenüber Bild am

Sonntag am 6. September schloss er zivile Opfer nicht

aus. Auch am 8. September 2009 äußerte er sich anläss-

lich der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zu

möglichen zivilen Opfern. Ansonsten lag der Schwer-

punkt von Dr. Steinmeiers Aktivitäten darin, sich gegenü-

ber seinen europäischen Kollegen vor „Vorverurteilun-
gen“ zu verwahren.2745

Insgesamt verhielten sich Außenminister und Kanzler-

kandidat der SPD Dr. Steinmeier und sein Pressereferat

allzu zurückhaltend, sowohl in seinen öffentlichen Äuße-

rungen als auch intern. Abgesehen von dem Bemühen

sich den kritischen Stimmen aus dem Ausland zum Luft-

schlag zu erwehren, die ab dem 4. September 2009 laut

wurden, ging von dem Auswärtigen Amt keinerlei Initia-

tive aus, um die Folgen und Umstände des Luftschlags

aufzuklären. Besonders schwer wiegt, dass er nichts un-

ternahm, um die falsche Presselinie zu korrigieren, die das

BMVg noch bis zum 6. September 2009 beibehielt. Er

suchte weder das Gespräch mit Verteidigungsminister

Dr. Jung, noch veranlasste er seine Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter etwas zu unternehmen, um das BMVg davon

zu überzeugen, seine unangemessene Presselinie zu än-

dern. Minister Dr. Steinmeier unterließ es auch, sich in

der Öffentlichkeit von der Linie des BMVg zu distanzie-

ren. Ebenso wenig bemühte er sich um ein Gespräch mit

dem Bundeskanzleramt oder der Bundeskanzlerin, um

eine gemeinsame Presselinie abzustimmen und dem

BMVg zu unterbreiten.

Dabei wurde das Auswärtige Amt bereits am 4. Septem-

ber 2009 von der NATO darauf hingewiesen, dass die

Linie des BMVg problematisch sei.
2746

Auch innerhalb

des Auswärtigen Amtes wurde die Argumentationslinie

des BMVg als „verworren“ kritisiert, und Unmut über die
unterbliebene Obleuteunterrichtung und das Stillschwei-

gen von Minister Dr. Jung geäußert.

Zeuge Dr. Steinmeier räumte darüber hinaus vor dem

Unter-suchungsausschuss ein, dass:
2745) vgl. Feststellungsteil C.II.2. (S. 115 f.).

2746) E-Mail (Dokument 119), Bl. 2.

„es sehr gewagt ist, in diesem Zeitpunkt davon
auszugehen, dass es bei der Größenordnung an

Opferzahlen klug ist, vorauszusagen, dass darunter

keine zivilen sind. Insofern ja, es war, wenn Sie so

wollen, ein von Erfahrung geprägter Umgang mit

einer unklaren Informationssituation.“2747

Der Eindruck entsteht, dass Außenminister Dr. Steinmeier

darum bemüht war, mit der Aufarbeitung des Vorfalls in

Kunduz so wenig wie möglich in Kontakt zu kommen.

VII. Die Bewertung der Informationspolitik und
der Reaktion von Bundeskanzlerin
Dr. Merkel

Bundeskanzlerin Dr. Merkel schätzte den Luftschlag

bereits ab dem 4. September 2009 als „einen der schwer-
wiegendsten Vorfälle seit Bestehen der Bundeswehr“
ein.

2748
In ihrer Regierungserklärung vom 8. September

2009 versprach sie eine „lückenlose Aufklärung“ der
Luftschläge in Kunduz. Wörtlich sagte sie:

„Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls vom letz-
ten Freitag und seiner Folgen ist für mich und die

ganze Bundesregierung ein Gebot der Selbstver-

ständlichkeit. Die Bundeswehr wird mit allen zur

Verfügung stehenden Kräften genau dazu beitra-

gen.“2749

Die Bundeskanzlerin hat sich darüber hinaus für „eine
schonungslose und rückhaltlose Aufarbeitung von Ver-

säumnissen und möglichen Fehlern, auch schweren Feh-

lern“, sowie für „öffentliche Bewertungen“ ausgespro-
chen. Diese blieben unverzichtbar, im Interesse aller Be-

troffenen, um auch für die Zukunft ähnliche Zwischenfäl-

le nach bestem Wissen und Gewissen vermeiden zu kön-

nen.
2750

Im Gegensatz zu dieser klaren Ankündigung steht das

passive Verhalten der Bundeskanzlerin in den Monaten

nach dem Luftangriff. Weder das Bemühen um eine

transparente Aufklärung noch der Versuch Lehren aus

dem Vorfall zu ziehen, waren handlungsleitend für die

Entscheidungen der Bundeskanzlerin im Falle Kunduz.

Vielmehr hielt sie sich weitgehend aus dem Geschehen

heraus und ließ dabei das BMVg mit seiner intransparen-

ten Informationspolitik gewähren:

Das Bundeskanzleramt und die Bundeskanzlerin waren ab

dem 4. September 2009 ausreichend informiert, um die

Tragweite der Folgen des Luftschlags, insbesondere die

Möglichkeit ziviler Opfer zu erkennen. Dennoch unter-

nahm die Bundeskanzlerin zu wenig, um die ungenügende

Unterrichtung der Öffentlichkeit und des Bundestags

durch das BMVg in den ersten Tagen nach dem Luft-

schlag zu unterbinden (1). Eine Regierungserklärung zum

Luftschlag gab Bundeskanzlerin Dr. Merkel erst am

8. September 2009, vier Tage nach dem Luftschlag, auf
2747) Steinmeier, Protokoll-Nr. 49, S. 9,10.
2748) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.

2749) Merkel, BT-PlPr. 16/233 (Dokument 6), S. 26298.

2750) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 38.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 407 – Drucksache 17/7400

Bitten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (2).

Anschließend hielt sich die Bundeskanzlerin weitgehend

aus dem Geschehen heraus. Sie vermied es Position zu

beziehen, als das BMVg das Versprechen einer lückenlo-

sen Aufklärung missachtete und im November 2009 die

Ergebnisse des COM ISAF-Berichts gegenüber der Öf-

fentlichkeit beschönigend darstellte sowie wesentliche

Erkenntnisse aussparte (3). Durch dieses Verhalten ver-

säumte es die Bundeskanzlerin ihre politische Verant-

wortlichkeit innerhalb der Regierung und gegenüber dem

Parlament wahrzunehmen. In der Konsequenz schadete

sie nicht nur dem Ansehen der eigenen Regierung. Sie

ließ vor allen Dingen die von ihr selber proklamierte

Chance verstreichen, Luftschlags für eine offene Diskus-

sion über Probleme des Afghanistaneinsatzes zu nutzen

um für die Zukunft ähnliche Zwischenfälle zu vermeiden

(4).

1. Reaktion auf die Informationspolitik des
BMVg, 4. bis 8. September 2009

Im Bundeskanzleramt sammelte die zuständige Gruppe 22

in der Abteilung 2 ab dem 4. September 2009 Informatio-

nen über den Luftschlag und leitete sie umgehend an die

Leitung des Bundeskanzleramts weiter.
2751

Der Leiter der

Abteilung 2, Dr. Heusgen, war sich seiner Aussage nach

von Anfang an der Tragweite des Zwischenfalls be-

wusst.
2752

Für den Leiter der Gruppe 22, Dr. Vad, stand

am 4. September 2009 fest, dass mit zivilen Opfern zu

rechnen sei.
2753

Auf Grundlage dieser Einschätzung stellte

die Gruppe 22 in den folgenden Tagen alle zugänglichen

Informationen zusammen, um die Bundeskanzlerin auf

eine öffentliche Stellungnahme vorzubereiten
2754

(vgl. im

einzelnen Feststellungsteil C.II.3.b und c.). Die angefor-

derten Dokumente aus dem BMVg trafen dabei gar nicht

bzw. mit erheblicher Verzögerung ein (vgl. oben IV.).

Innerhalb des Bundeskanzleramts wurde dieses Verhalten

des BMVg massiv kritisiert. Kritisch gesehen wurde auch

die offizielle Linie des BMVg gegenüber Bundestag und

Öffentlichkeit, mit zivilen Opfern sei nicht zu rechnen.

Zum Beispiel bewertete Zeuge Dr. Vad vor dem Untersu-

chungsausschuss die Obleuteunterrichtung durch das

BMVg, die ihm am 5. September 2009 zugeleitet wurde,

kritisch:

„Genaue Angaben zu eventuellen zivilen Opfern
enthielt diese Unterrichtung nicht. Mögliche Ver-

luste unter der Zivilbevölkerung wurden in dieser

Obleuteunterrichtung noch in das Feld der – Zitat
– „Spekulationen“ verwiesen. Den Medien – so-
weit ich mich erinnere – war hingegen bereits zu
entnehmen, dass General McChrystal während des
2751) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 3.

2752) Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 3.

2753) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 8, 29.
2754) Unter anderem erhielt das Bundeskanzleramt am 7. September

2009 aus dem NATO-Hauptquartier in Brunssum den „N.-
Bericht“ sowie den Bericht afghanischer Offizieller an Präsident
Karzai: Mat. 17-29a, Ordn 6, Bl. 51 ff., Bl. 209; Vad, Protokoll-

Nr. 41, Teil II, S. 30.; Heusgen, Protokoll-Nr. 45, Teil I, S. 3;

Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37.

Besuchs in Kunduz sich dahin gehend äußerte, für

ihn sei es klar, dass es einige zivile Opfer gegeben

habe.“2755

In einer E-Mail vom 8. September 2009 an den Büroleiter

des Kanzleramtschef fasste Dr. Vad seine Kritik am

BMVg folgendermaßen zusammen: „nicht nur die Infor-
mationspolitik des BMVg nach außen ist verbesserungs-

fähig, sondern auch zu uns.“2756

Auch Bundeskanzlerin Dr. Merkel, die nach eigener Aus-

sage ab dem Morgen des 4. September 2009 die Entwick-

lungen zum Luftschlag durch ihr Haus und über die Me-

dien verfolgt hatte, kannte die einseitige Informationspoli-

tik des BMVg. Sie war sich insbesondere im Klaren darü-

ber, dass die offizielle Linie des BMVg, zivile Opfer

könnten ausgeschlossen werden, bereits seit dem 4. Sep-

tember 2009 nicht mehr haltbar war.
2757

Dennoch unternahm die Bundeskanzlerin nicht die nöti-

gen Schritte, um das BMVg schnellstmöglich zu einer

differenzierten Berichterstattung zu bewegen. Zwar nah-

men Bundeskanzleramt
2758

und Bundeskanzlerin

Dr. Merkel mehrmals Kontakt mit dem Verteidigungsmi-

nisterium und Minister Dr. Jung auf. Allerdings blieb es

bis zum 6. September 2009 bei Telefonaten und Gesprä-

chen, die sich als unzureichend erwiesen.

So telefonierte die Bundeskanzlerin – nach ihrer Erinne-
rung –am 4. und am 5. September 2009 mit Dr. Jung. Sie
bat ihn in seinen offiziellen Äußerungen hinsichtlich der

Möglichkeit ziviler Opfer zurückhaltender zu sein und

„alle Informationen, insbesondere auch die über den Be-
such von General McChrystal“ in einem Interview gege-
nüber der Presse einzubeziehen.

2759
Dessen ungeachtet

erschien am 6. September 2009 in der Presse ein Inter-

view mit Minister Dr. Jung, in welchem er angab, dass

nach allen ihm zurzeit vorliegenden Informationen aus-

schließlich terroristische Taliban getötet worden seien.
2760

Erst anschließend – am 6. September 2009 – bewegte die
Bundeskanzlerin ihren Verteidigungsminister dazu, sich

vorsichtiger in der Presse zu äußern (vgl. oben IV).
2761

Insgesamt behielt das BMVg seine unzureichende Infor-

mationspolitik dennoch bei. So entsprach das Pressesta-

tement des BMVg auf der Bundespressekonferenz vom 7.

September 2009 nicht dem Informationsstand des BMVg

zu möglichen zivilen Opfern
2762

(vgl. dazu oben IV).
2755) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil II, S. 29.

2756) Mat. 17-29a, Ordn.6, Bl. 76.
2757) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 34.

2758) Vad, Protokoll-Nr. 41, Teil I, S. 15; Heusgen, Protokoll-Nr. 45,

Teil I, S. 8 f.: So bemühte sich die Abteilung 2 des Bundeskanz-
leramts am 6. September 2009 vergeblich mit dem Leiter des

Presse- und Informationsstrang Dr. Raabe eine einheitliche

Sprachregelung zu finden, insbesondere in Bezug auf die Frage
ziviler Opfer. Dieser beharrte auf seine Presselinie, weil es keine

Beweise für zivile Opfer gebe. Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I,

S. 35: Auch der Pressesprecher des Bundeskanzleramt telefonierte
mit dem Presseprecher des BMVg Dr. Raabe.

2759) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.

2760) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.
2761) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 35.

2762) unter anderem sagte Herr Dr. Raabe aus: „Bezüglich der zivilen
Opfer gilt weiterhin das, was wir auch am Wochenende gesagt

Drucksache 17/7400 – 408 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Auch die Obleute wurden nicht umfassend unterrichtet

(vgl. dazu oben IV). Hier hätte es in der Verantwortung

der Bundeskanzlerin gelegen, früher und effektiver einzu-

schreiten.

2. Öffentliche Stellungnahmen der Bundes-
kanzlerin, 4. bis 8. September 2009

In ihrer ersten offiziellen Stellungnahme zu dem Luft-

schlag in Kunduz am 6. September 2009 ließ Bundes-

kanzlerin Dr. Merkel die Möglichkeit ziviler Opfer weit-

gehend offen. Während einer Pressekonferenz im An-

schluss an den Empfang des britischen Premierministers

Gordon Brown im Bundeskanzleramt äußerte sie: „Wenn
es zivile Opfer gegeben hat, dann werde ich das natürlich

zutiefst bedauern.“2763 In ihrer Regierungserklärung am 7.
September 2009 räumte sie indirekt die Möglichkeit zivi-

ler Opfer ein. Wie eingangs beschrieben, kündigte sie

darüber hinaus eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls

an.

3. Reaktion auf die Ergebnisse des
COM ISAF-Berichts und die Informations-
politik des BMVg, November und Dezem-
ber 2009

Vor dem Untersuchungsausschuss hat Zeugin Dr. Merkel

erklärt, mit Abschluss der NATO-Untersuchung und

Vorlage des COM ISAF-Berichts sei die von ihr ange-

kündigte lückenlose Aufklärung des Luftschlags er-

folgt.
2764

Die Tatsache, dass der Bericht geheim eingestuft

ist und deshalb die Ergebnisse der Untersuchung der

Öffentlichkeit vorenthalten werden, stehe ihrer Auffas-

sung nicht entgegen. Denn was an Bewertung darüber zu

erfolgen hatte, sei in der Öffentlichkeit diskutiert wor-

den.
2765

Unberücksichtigt bleibt dabei, dass die NATO sich darauf

beschränkte, die Umstände und Folgen des Luftschlags zu

untersuchen, gegebenenfalls Verstöße gegen ISAF-interne

Regelungen festzustellen. Wie durch die NATO-Regeln

vorgeschrieben, ersetzte sie keine Untersuchung von

nationaler Seite. Konsequenterweise enthält der

COM ISAF-Bericht keine Gesamtbewertung des Vorfalls

und auch keine Verantwortungszurechnung. Diese Bewer-

tungen muss – auf politischer Ebene – die Bundesregie-
rung leisten.

2766
Ebendiese Bewertung nahm die Bundesregierung jedoch

zunächst fehlerhaft und intransparent vor und blieb damit

die versprochene „lückenlose Aufklärung“ schuldig. So
gaben Generalinspekteur Schneiderhan und Verteidi-

gungsminister zu Guttenberg in ihren Pressestatements
haben: Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt keine konsolidierten

Erkenntnisse über getötete zivile Personen.“ Pressekonferenz 7.
September (Dokument 57).

2763) Mitschrift Pressekonferenz (Dokument 132), Bl. 17; Merkel,

Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 36.
2764) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 37, 49.

2765) Merkel, Protokoll- Nr. 49, Teil I, S. 49.

2766) Zur rechtlichen Bewertung siehe Punkt VII.

am 29. Oktober bzw. 6. November 2009 vor, der

COM ISAF-Bericht lasse keinen Zweifel daran, dass der

Luftschlag „militärisch angemessen“ zu bewerten sei.
Dabei unterließen sie es unter anderem, darüber aufzuklä-

ren, dass der COM ISAF-Bericht kritische Einschätzun-

gen enthält, insbesondere, dass ausdrücklich Kritik am

Verhalten von Oberst Klein und dem unterstützenden

Personal geübt wird.
2767

Eine solche Darstellung wäre in

allgemeiner Form möglich gewesen, ohne die militärisch

notwendige Geheimhaltungspflicht zu verletzen. Später –
am 3. Dezember – musste der Bundesminister zu Gutten-
berg zugeben, dass die vorherige Einschätzung des

BMVg fehlerhaft gewesen war. Wiederum klärte er unzu-

reichend darüber auf, wie seine neuerliche Bewertung

zustande gekommen war. Er ließ auch offen, ob diese

Neubewertung irgendwelche Konsequenzen nach sich

ziehen würde. (vgl. dazu ausführlich oben IV)

Bundeskanzlerin Dr. Merkel erhielt am 30. Oktober 2009

eine präzise Kurzauswertung des COM ISAF-Berichts, in

dem die wesentlichen kritischen Erkenntnisse zusammen-

gefasst sind. Unter anderem heißt es dort: Der Bericht

„äußert jedoch Kritik am PRT Kdz und – abgestuft – auch
an dem ihn unterstützenden Personal sowie den Luftfahrt-

besatzungen.“2768 Weiter wird in der Kurzauswertung
dargestellt, dass der Bericht die Anforderung der Luftun-

terstützung, die Frage „show of force“, die Quellenlage
und die komplexe Situation am Boden und auf der Sand-

bank kritisch thematisiert.
2769

Vor dem Hintergrund dieser Informationen hätte Bundes-

kanzlerin Dr. Merkel erkennen müssen, dass die offizielle

Bewertung des COM ISAF-Berichts durch das BMVg

beschönigend und unzureichend war. Aufgrund ihrer

Position als Bundeskanzlerin und aufgrund ihres Verspre-

chens, eine lückenlose Aufklärung zu gewährleisten, hätte

sie darauf dringen müssen, dass das BMVg eine ausge-

wogenere und vollständige Darstellung und Bewertung

auf Grundlage dieses Berichts vornimmt.

Die Bundeskanzlerin versäumte es auf das Informations-

verhalten des BMVg einzuwirken. Auch in ihren öffentli-

chen Äußerungen blieb Bundeskanzlerin Dr. Merkel un-

konkret. So wies sie in einer Pressekonferenz am 1. De-

zember 2009 eine Frage nach Bewertung des Luftschlags

lediglich darauf hin, „dass wir jetzt durch den Bundesver-
teidigungsminister eine Phase haben, in der noch einmal

eine Neubewertung erfolgt.“ Ansonsten verwies sie auf
ihre Regierungserklärung vom 8. September 2009.

2770
Auch nachdem Minister zu Guttenberg am 3. Dezember

2009 den Luftschlag neu bewertete, vermied es Bundes-

kanzlerin Dr. Merkel Position zu beziehen.
2767) Zusammenfassende Auswertung des COM ISAF-Berichts für die

Bundeskanzlerin, 30. Oktober 2009 (Fn. 1104, Dokument 152),

Bl. 183.
2768) Zusammenfassende Auswertung des COM ISAF-Berichts für die

Bundeskanzlerin, 30. Oktober 2009 (Fn. 2763, Dokument 152).

2769) Feststellungsteil Punkt D.II.5.a) (S. 144).
2770) Mitschrift Pressekonferenz; Pressestatements der Bundeskanzle-

rin und des pakistanischen Premierministers Syed Yousuf Raza

Gilani, Di, 01.12.2009, http://www.bundesregierung.de.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 409 – Drucksache 17/7400

Die Gründe, die die Zeugin Dr. Merkel dem Untersu-

chungsausschuss für ihr passives Verhalten genannt hat,

überzeugen nicht. Zum einen hat sie sich auf das Ressort-

prinzip berufen: Dem Fachressort und nicht dem Bundes-

kanzleramt obliege es die Bewertung des COM ISAF-

Berichtes vorzunehmen.
2771

Zum anderen hat Zeugin

Dr. Merkel angegeben, aufgrund der ihr vorgelegten

Kurzauswertung habe man sowohl zu dem Schluss „mili-
tärisch angemessen“ als auch „militärisch unangemessen“
kommen können.

2772
Wörtlich sagte die Zeugin:

„Das heißt, durch das, was vom Kanzleramt als
Möglichkeit der Bewertung genannt wurde, ohne

eine eigene vorzulegen, weil das wirklich dem

Fachressort obliegt, ist das abgedeckt gewesen,

was der Generalinspekteur gesagt hat und der

Bundesverteidigungsminister. Und im Übrigen ist

dann auch die spätere Revidierung der Bewertung

genauso abgedeckt.“2773

Das Ressortprinzip, d. h. die selbstständige Leitung der

Geschäftsbereiche durch die Minister, stößt allerdings

dann an seine Grenze, wenn ein Ministerium seine Auf-

gaben unzureichend wahrnimmt. Wie unter Punkt IV.

ausgeführt, vernachlässigte das BMVg bis in den Dezem-

ber 2009 hinein seine Verpflichtung, den Luftschlag aus-

gewogen zu bewerten und offene Fragen zu beantworten.

Dies tat es unter anderem aufgrund einer falsch verstan-

denen Fürsorgepflicht gegenüber Oberst Klein. Das ent-

scheidende Problem ist, dass das BMVg die Untersu-

chungsergebnisse aus dem COM ISAF-Bericht und ande-

ren Berichten zu den Verfahrensfehlern (und ihrer Ver-

meidbarkeit) und zur Anzahl ziviler Opfer bewusst herun-

terspielte. Aus diesem Grund hätte Bundeskanzlerin

Dr. Merkel ihre Richtlinienkompetenz, insbesondere ihre

politische Verantwortlichkeit innerhalb der Regierung

und gegenüber dem Parlament, wahrnehmen müssen, um

die Informationspolitik des BMVg zu korrigieren.

4. Zusammenfassung

Bei der Aufarbeitung des Luftschlags in Kunduz nahm

Bundeskanzlerin Dr. Merkel ihre Richtlinienkompetenz

nicht wahr. Trotz ausreichender Kenntnis der Sachlage,

duldete sie weitgehend die intransparente Informationspo-

litik durch Vertreter des BMVg. Dies stellt ihre Füh-

rungskompetenz in Frage. Trotz ausreichender Kenntnis

der Sachlage, duldete sie weitgehend die intransparente

Informationspolitik durch Vertreter des BMVg. Dadurch

brach sie ihr Versprechen einer lückenlosen Aufklärung.

Schwerer wiegt allerdings, dass Bundeskanzlerin

Dr. Merkel die Chance einer öffentlichen Auseinanderset-

zung mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan auf-

grund der Wahlkampfsituation verstreichen ließ. Durch

die intransparente Informationspolitik der Regierung sind

viele Fragen zu den rechtlichen Grenzen und Möglichkei-

ten der Bundeswehr in Afghanistan, die anlässlich des
2771) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 57, 61.
2772) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 39.

2773) Merkel, Protokoll-Nr. 49, Teil I, S. 57.

Luftschlags in der Öffentlichkeit auftraten, unbeantwortet

geblieben. Schließlich schadete sie dem Ansehen der

eigenen Regierung: zwei hohe Staatsbeamte und ein Mi-

nister traten infolge des intransparenten Informationsver-

haltens des BMVg zurück. In der Öffentlichkeit wurde

der Zustand des Verteidigungsministeriums sowie der

Bundeswehr kritisch bewertet.

VIII. Schlussbetrachtungen

Auf Grundlage der obigen Ausführungen können die im

Untersuchungsauftrag formulierten Fragen beantwortet

werden. Diese werden der Bewertung der Untersuchung-

sausschussmehrheit gegenübergestellt.

1. Punkte 1 und 2 des Untersuchungsauftra-
ges: Kenntnisstand und Informationsfluss
zum Luftschlag

Der Untersuchungsausschuss hat sich mit dem Kenntnis-

stand und Informationsfluss innerhalb der zuständigen

Stellen der Bundeswehr und der Bundesregierung be-

schäftigt.
2774

a) Defizitäres Meldeverhalten durch Oberst
Klein

Das Meldeverhalten der Bundeswehr im PRT Kunduz

war anfangs defizitär: Die Erstmeldung über den Luft-

schlag erreichte das Einsatzführungskommando der Bun-

deswehr sowie die Bundesregierung mit mehreren Stun-

den Verspätung. Denn Oberst Klein hatte es unterlassen

seinen Vorgesetzten, Brigadegeneral Vollmer, unmittelbar

nach dem Luftschlag (1.49 Uhr Ortszeit) telefonisch zu

unterrichten, so dass dieser die schriftlich abgesetzte

Meldung aufgrund von Verfahrensfehlern über den Luft-

schlag erst am 4. September 2009 um 7.45 Uhr erhielt.

Infolgedessen war es Brigadegeneral Vollmer unmöglich

eine zügige Wirkungsanalyse vor Ort zu veranlassen, um

weitere relevante Informationen zum Luftschlag zu sam-

meln und diese nach Deutschland weiterzuleiten.

Hierdurch erhielten auch Einsatzführungskommando der

Bundeswehr und die Bundesregierung die Erstmeldung

über den Luftschlag zu einem Zeitpunkt, als bereits die

ersten Pressemeldungen über den Vorfall existierten, die

inhaltlich von der Erstmeldung des PRT Kunduz abwi-

chen. Diese wichen inhaltlich von der Erstmeldung des

PRT Kunduz ab und sprachen die Wahrscheinlichkeit von

zivilen Opfern an.
2774) Nr. 1: Wer im Verantwortungsbereich der Bundeswehr und der

Bundesregierung hatte zu welchem Zeitpunkt von wem welche

Kenntnisse über die Aufklärung, Beweggründe und Durchführung

sowie über die Folgen des Luftangriffs? / Nr. 2: Welche dieser In-
formationen wurden wann und durch wen auf welchen Meldewe-

gen und mithilfe welcher Meldeverfahren an das Bundesministe-

rium der Verteidigung, seine militärische Führung und seine poli-
tische Leitung oder an sonstige Stellen im Verantwortungsbereich

der Bundesregierung sowie an inländische und ausländische dritte

Stellen weitergegeben?

Drucksache 17/7400 – 410 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Insofern ist die Bewertung der Mehrheit nicht nachvoll-

ziehbar, dass Oberst Kleins Meldeverhalten „völlig kor-
rekt“ gewesen sei, weil eine mündliche und unmittelbare
Unterrichtung seines Vorgesetzten nicht vorgesehen ge-

wesen sei.
2775

Wie der Zeuge Vollmer vor dem Untersu-

chungsausschuss betont hat, hätte Oberst Klein erkennen

müssen, dass es nach einer so folgeschweren militärischen

Operation notwendig war, den Vorgesetzen zu benach-

richtigen und für eine schnelle Abschätzung der Folgen

einzubinden. Auch unter dem Aspekt der gemeinsamen

Verantwortlichkeit und zum eigenen Schutz wäre eine

persönliche Meldung sinnvoll gewesen (Vgl. im einzelnen

Kapitel III).

b) Informationsfluss innerhalb des BMVg

Auch der Einsatzführungsstab des BMVg bzw. General-

inspekteur Schneiderhan erhielt die aktuellen Informatio-

nen ohne Verzögerung über das Einsatzführungskom-

mando der Bundeswehr. Wie in Kapitel IV ausführlich

dargestellt, lagen dem gesamten Führungskreis des

BMVg, einschließlich des Bundesministers der Verteidi-

gung Dr. Jung, im Laufe des 4. September 2009 Hinweise

darauf vor, dass der Luftschlag möglicherweise zivile

Opfer gefordert hatte. Die Hinweise verdichteten sich im

Verlauf des 5. und 6. September 2009. Spätestens ab dem

6. September 2009, mit Erhalt des IAT-Berichts, erreich-

ten das BMVg Anhaltspunkte, dass Oberst Klein den

Luftschlag unter Verstoß von Verfahrensregeln durchge-

führt hatte (Vgl. im einzelnen Kapitel IV. und V. 1.).

Der Informationsfluss innerhalb des BMVg und gegenü-

ber den anderen Häusern verlief schleppend und chaotisch

und war insgesamt unzureichend. Insbesondere Staatsek-

retär Dr. Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan

hielten Informationen und Berichte aus Kunduz über den

Luftschlag gegenüber Pressestelle und Leitungsstab zu-

rück (vgl. Kapitel V.1.).

In den ersten Tagen nach dem Regierungswechsel erhielt

der neue Bundesminister der Verteidigung, zu Gutten-

berg, von seinem Stab eine falsche Einschätzung über die

Angemessenheit des Luftschlags. Allerdings besaß Minis-

ter zu Guttenberg, der nach seiner Aussage den

COM ISAF-Bericht samt seiner Anlagen sowie den

IKRK-Bericht studiert hatte, eine ausreichende Informati-

onsgrundlage, um die Umstände und Folgen des Luft-

schlags differenziert und korrekt bewerten zu können.

(vgl. Kapitel IV, Punkt 5 b)

2. Punkte 3 bis 5 des Untersuchungsauftra-
ges: Die Bewertung des Luftschlag durch
die Bundesregierung, sowohl intern als
auch gegenüber Öffentlichkeit und dem
Bundestag

Der Untersuchungssausschuss hat sich mit der Frage

beschäftigt, aufgrund welcher Berichte und weiterer Er-

kenntnisse die Bundesregierung den Luftschlag bewertet
2775) Bewertung der Mehrheit, Punkt B.II.1. (S. 179)

hat und ob die Bewertung fachlich und sachlich angemes-

sen (lege Artis) war.
2776

Im Zusammenhang hiermit ste-

hen die Fragen, ob die Bundesregierung den Bundestag

und die Öffentlichkeit angemessen über den Luftschlag

aufgeklärt hat und gegebenenfalls worin die Motive für

eine unvollständige oder falsche öffentliche Berichterstat-

tung liegen?
2777

a) BMVg

Vertreter des BMVg bewerteten den Luftschlag unsach-

gemäß und unangemessen. Sowohl in internen Berichten

als auch gegenüber der Öffentlichkeit wurden die Um-

stände des Luftschlags zu nicht vollständig dargestellt und

seine verheerenden Folgen verharmlost.

In den ersten Tagen nach dem Luftschlag dienten der

Bundesregierung verschiedene Untersuchungsberichte

und weitere Informationen als politische Bewertungs-

grundlage. Die Mehrzahl dieser Informationsquellen

enthielt Anhaltspunkte, dass es zivile Opfer als Folge des

Luftschlags gegeben hatte. Der IAT-Bericht erwähnte

auch die Möglichkeit, dass der Luftschlag unter Verfah-

rensverletzungen angeordnet worden war. Eine solche

Bewertungsgrundlage hätte verlangt, dass der Bundesmi-

nister der Verteidigung schnelle Aufklärungsschritte ein-

leitet und nach außen hin die Umstände und Folgen des

Luftschlags transparent kommuniziert. Dagegen stellten

Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung, sowie weitere

Vertreter des BMVg den Luftschlag zunächst als militäri-

schen Erfolg gegen Aufständische dar, bei dem keine

Zivilpersonen zu Schaden gekommen seien. Erst als diese

Bewertung politisch nicht mehr tragbar war, veränderte

das BMVg am 6. September 2009 seine Informationslinie.

Noch bis zum 3. Dezember 2009 hielt das BMVg aller-

dings daran fest, dass der Luftschlag militärisch angemes-

sen gewesen sei. (Vgl. im einzelnen Kapitel IV.1.)

Der Eingang des COM ISAF-Berichts am 28.Oktober

2009, in dem die Problematik des Vorfalls ausführlich

und differenziert dargestellt wird, führte zu keiner ange-

messenen Bewertung des Luftschlags. In einem internen

Memorandum verharmloste der Einsatzführungsstab des

BMVg die im COM ISAF-Bericht aufgeführten Kritik-

punkte (vgl. Kapitel V. 5 b). Gegenüber der Öffentlichkeit
2776) 3. Welche Berichte, Informationen und Erkenntnisse waren zu

welchem Zeitpunkt Grundlage für die tatsächliche, rechtliche und

politische Bewertung dieses Luftangriffs durch Mitglieder und

Mitarbeiter der damaligen sowie der heutigen Bundesregierung
und wurden diese Bewertungen jeweils auf bestmöglicher Infor-

mationsgrundlage sowie fachlich und sachlich angemessen (lege

artis) vorgenommen?
2777) 4. Welche der im Bereich der Bundeswehr bzw. der Bundesregie-

rung vorliegenden Informationen zum Luftangriff haben Mitglie-

der oder Mitarbeiter der Bundesregierung wann an den Deutschen
Bundestag und seine Fachausschüsse, an inländische oder auslän-

dische dritte Stellen sowie an die Öffentlichkeit weitergegeben?

5. Für den Fall, dass Informationen falsch, unvollständig oder
überhaupt nicht weitergegeben worden sind: Welche der beteilig-

ten Personen hat innerhalb des Bereichs der Bundesregierung, ge-

genüber Dritten wie, warum, auf wessen Veranlassung, mit wes-
sen Hilfe und mit wessen Kenntnis falsch, unvollständig oder

überhaupt nicht informiert und welche Vereinbarungen und Be-

weggründe lagen dem gegebenenfalls zugrunde?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 411 – Drucksache 17/7400

gab Generalinspekteur Schneiderhan vor, die Aussagen

des COM ISAF-Berichts ließen keinen Zweifel daran dass

der Luftschlag „militärisch angemessen“ gewesen sei
(Vgl. Kapitel IV.3.b, V. 5 a).

Auch Minister zu Guttenberg hat nicht transparent über

den Fall informiert. Am 6. November 2009 hielt er öffent-

lich an der offiziellen Linie des BMVg fest, dass „die
Militärschläge und die Luftschläge vor dem Gesamtbe-

drohungshintergrund als militärisch angemessen zu sehen

sind.“ Er ging noch einen Schritt weiter, indem er fest-
stellte: „Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben
hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müssen.“ Erst am
3. Dezember 2009 revidierte Minister zu Guttenberg seine

Bewertung und kam zu dem Schluss, der Luftschlag sei

„militärisch nicht angemessen“ gewesen. Allerdings hielt
er daran fest, dass Oberst Klein nach bestem Wissen und

Gewissen gehandelt habe, ohne dies zu begründen. An-

zumerken ist, dass die Umschreibung „militärisch ange-
messen / unangemessen“ kein militärischer oder juristi-
scher Fachbegriff ist. Sie stellt eine rein politische Bewer-

tung dar, von der unklar ist, ob sie überhaupt praktische

Konsequenzen hat.

Die Behauptung der Ausschussmehrheit, dass die Ver-

antwortung für Minister zu Guttenbergs Fehlbewertung

allein Staatssekretär Dr. Wichert und Generalinspekteur

Schneiderhan anzulasten sei, ist nicht haltbar.
2778

Auf-

grund der Kenntnis des COM ISAF-Berichts hätte Minis-

ter zu Guttenberg bereits vor seiner öffentlichen Erklä-

rung erkennen müssen, dass die Darstellung des Luft-

schlags als „militärisch angemessen“ nicht haltbar war.
Auch wenn Minister zu Guttenberg später seine öffentli-

che Bewertung revidierte, bleibt sein Verhalten wenig

nachvollziehbar. Denn er versuchte, die alleinige Verant-

wortung für seine anfängliche Fehleinschätzung auf Ge-

neralinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär

Dr. Wichert abzuwälzen und legte seine Mitverantwor-

tung nicht offen dar (Vgl. im einzelnen Kapitel 5. b).

Über die Gründe, weshalb der Führungskreis, insbesonde-

re Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär

Dr. Wichert, innerhalb der Regierung und gegenüber der

Öffentlichkeit Informationen verzögerte und unterdrückte,

können nur Vermutungen angestellt werden. Ein Grund

mag die Befürchtung gewesen sein, dass ein transparenter

Umgang mit dem Vorfall den zu dieser Zeit ohnehin

schon unpopulären Afghanistaneinsatz vollends diskredi-

tieren könnte. Der Schutz des Oberst Klein könnte ein

zweites Motiv gewesen sein: Ihm drohte in Folge seiner

Handlungen, die auf der Annahme beruht hatten, es werde

keine zivilen Opfer geben, eine strafrechtliche Ermittlung.

Zudem stand die Vermutung im Raum, dass die Soldatin-

nen und Soldaten der Bundeswehr eine offensivere In-

formationspolitik als Verletzung der Illoyalität seitens des

BMVg auslegen würden und dass dies sich negativ auf

ihre „Einsatzmoral“ in Afghanistan auswirken könnte.
Schließlich ist davon auszugehen, dass auch der Ruf des

BMVg und damit der damaligen Bundesregierung ge-
2778) siehe Mehrheitsbewertung, Punkt III.2. (S. 187).

schützt werden sollte, insbesondere angesichts der bevors-

tehenden Wahlen.

b) Bundeskanzleramt und Bundeskanzlerin
Dr. Merkel

Anders als im Bewertungsteil der Mehrheit behauptet
2779

,

hat Bundeskanzlerin Dr. Merkel gravierende Bewertungs-

fehler begangen. Insbesondere hat sie ihre Richtlinien-

kompetenz nicht wahrgenommen. In ihrer Regierungser-

klärung vom 8. September 2009 versprach sie öffentlich,

dass die Bundesregierung den Luftschlag lückenlos auf-

klären werde. Allerdings stand sie für dieses Versprechen

nicht ein. Sie unternahm nichts, damit die lückenlose

Aufklärung – worunter auch ein transparenter Umgang
mit dem Luftangriff gehörte – auch tatsächlich erfolgte.
Bundeskanzlerin Dr. Merkel hätte das unangemessene

Informationsverhalten des BMVg korrigieren müssen.

Hierzu wäre sie aufgrund ihrer Richtlinienkompetenz

verpflichtet gewesen. Dies hat die Bundeskanzlerin ver-

säumt. In Hinblick auf die anstehenden Wahlen zog Bun-

deskanzlerin Dr. Merkel es vor, nicht mit dem für die

Bundesregierung unvorteilhaften Themen „Afghanistan-
einsatz“ und „Fehlentscheidungen durch die Bundeswehr“
in Verbindung gebracht zu werden (Vgl. im einzelnen

Kapitel VII).

c) Auswärtiges Amt

Das Auswärtige Amt, unter Leitung des damaligen Au-

ßenministers Dr. Steinmeier, war als federführendes Mi-

nisterium für den Afghanistaneinsatz auf besondere Weise

mit den Folgen des Luftschlags befasst. Es besaß über die

Botschaft in Kabul und den zivilen Leiter des PRT Kun-

duz, Legationsrat D., einen unmittelbaren Zugang zu dem

Geschehen vor Ort. Legationsrat D. war allerdings mini-

mal in die Aufklärungsarbeit vor Ort eingebunden und

konnte dem Auswärtigen Amt deshalb nur wenige Er-

kenntnisse aus erster Hand übermitteln. Infolgedessen

blieb das Auswärtige Amt auf Informationen durch Me-

dien und durch das BMVg angewiesen. Die Informations-

lage reichte insgesamt dazu aus, dass im Auswärtige Amt

bereits am 4. September 2009 von der Möglichkeit ziviler

Opfer durch den Luftschlag ausgegangen wurde.

Insgesamt blieb Außenminister und damaliger Kanzler-

kandidat der SPD, Dr. Steinmeier, zu passiv und nahm

seine Verpflichtungen als Minister des Auswärtigen nur

ungenügend wahr. Obwohl im Auswärtigen Amt interne

Kritik gegenüber der Presselinie des BMVg geübt wurde,

bemühte sich der Außenminister nicht, Verteidigungsmi-

nister Dr. Jung davon zu überzeugen, diese zu korrigie-

ren.
2779) vgl. Mehrheitsbewertung, Punkt IV.3.b. (S. 200).

Drucksache 17/7400 – 412 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Die Informationsweitergabe an den Bun-

destag

Wie in Kapitel V.3. ausführlich dargestellt wird, unter-

richteten Vertreter des BMVg den Auswärtigen Aus-

schuss und den Verteidigungsausschuss sowie deren Ob-

leute unangemessen über die Umstände und Folgen des

Luftschlags. Relevante Informationen wurden verspätet

oder gar nicht weitergegeben.

3. Punkt 6 des Untersuchungsauftrags: Ein-
flussnahme durch die Regierung?

Der Ausschuss hat untersucht, ob die Bundesregierung

versucht hat, auf Berichte oder Dokumente, die im Zu-

sammenhang mit dem Luftschlag in Kunduz erstellt wur-

den, Einfluss zu nehmen.
2780

Anders als in der Bewertung

der Mehrheit des Untersuchungsausschusses darges-

tellt
2781

, haben Vertreter von Bundeswehr und Bundesre-

gierung in mehreren Fällen Schritte unternommen, um

den Inhalt von Berichten zu verändern.

a) INTSUM

Der Leiter des Regionalkommandos Nord, Brigadegeneral

Vollmer, wirkte darauf hin, dass eine Passage aus einem

Daily Intelligence Summary des PRT Kunduz (INTSUM,

Tagesbericht) vom 4. September 2009 gestrichen wurde.

Dies geschah in Rücksprache mit dem Leiter des Einsatz-

führungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant

Glatz. Die Passage enthielt Angaben darüber, dass in

Folge des Luftschlags Zivilpersonen zu Schaden gekom-

men seien.

Im Widerspruch zu den Aussagen der Zeugen Glatz und

Vollmer vor dem Untersuchungsausschuss, sie hätten die

Passage nur vorläufig entfernen lassen, bis diese durch

Oberst Klein genehmigt worden sei, deutet einiges darauf

hin, dass Brigadegeneral Vollmer und Generalleutnant

Glatz – angesichts der unklaren Informationslage zu die-
sem Zeitpunkt – eine zu frühe offizielle Bestätigung mög-
licher ziviler Opfer verhindern wollten. So hat der zustän-

dige Nachrichtenoffizier, OTL K., vor dem Untersu-

chungsausschuss glaubhaft angegeben, er habe die Passa-

ge eigenmächtig wieder aus dem INTSUM gestrichen,

weil sein Vorgesetzter, ein Nachrichtenoffizier aus dem

HQ North, ihm „eindringlich“ nahegelegt hatte, die politi-
schen Komplikationen einer solchen Aussage zu beden-

ken, etwa im Lichte der wenige Tage vor dem Luftschlag

erlassenen Direktiven des COM ISAF zum Schutz von

Zivilpersonen (vgl. Kapitel IV. 2).
2780) 6. Gab es – und falls ja: wann, wie, durch wen, auf wessen Veran-

lassung und mit wessen Kenntnis – aus dem Bereich der Bundes-
regierung Bemühungen, Einfluss zu nehmen auf die Erstellung

von Verlautbarungen, Berichten oder sonstigen Dokumenten in-

nerhalb oder außerhalb der Bundesregierung, die die Ereignisse
vom 3./4. September 2009 selbst oder den nachträglichen Um-

gang mit diesen zum Gegenstand hatten oder hätten haben sollen?

2781) vgl. Mehrheitsbewertung V. (S. 202).

b) Feldjägerbericht

Generalinspekteur Schneiderhan nahm – ohne vorherige
Abstimmung mit Bundesminister Dr. Jung – Einfluss auf
die Feldjägeruntersuchungen in Kunduz und verhinderte

die von Brigadegeneral Vollmer geplante Eröffnung eines

Disziplinarverfahrens gegen Oberst Klein. Das Ergebnis

der Feldjägeruntersuchung hielt der Generalinspekteur

unter Verschluss, weil es die Verfahrensmäßigkeit des

Luftschlags bezweifelte. Aus den Aussagen des Zeugen

Schneiderhan wird deutlich, dass er ein Disziplinarverfah-

ren gegen Oberst Klein zu diesem Zeitpunkt um jeden

Preis verhindern wollte, weil dies für die Truppenmoral

„die Katastrophe geworden wäre“, sofort Disziplinarer-
mittlungen einzuleiten. „Von hochgestellten Persönlich-
keiten“ sei es Schneiderhan „ans Herz gelegt“ worden,
alles zu tun, um Oberst Klein zu schützen, um nicht die

gesamte Einsatzmoral der Truppe zu schädigen.
2782

Aus

diesem Grund sah es der Generalinspekteur als gerech-

tfertigt an, die Feldjägeruntersuchung – ohne Rückspra-
che mit Bundesminister Dr. Jung oder mit Staatsekretär

Dr. Wichert – zu stoppen und den daraus resultierenden
kritischen Feldjägerbericht zunächst unter Verschluss zu

halten, auch wenn er damit wichtige Informationen unter-

schlug (Vgl. Kapitel IV. 2, 4).

c) COM ISAF-Bericht

Staatsekretär Dr. Wichert setzte im September 2009 einen

inoffiziellen Arbeitskreis im BMVg ein: Die „Gruppe
85“. Gegenüber der Öffentlichkeit wurde vorgegeben, die
Gruppe solle die Untersuchungen des JIB unterstützen.

Ihr interner Auftrag lautete allerdings, die NATO-

Untersuchung durch das Joint Investigation Board (JIB)

in Kunduz zu begleiten, damit die Leitung des BMVg auf

den NATO-Abschlussbericht mit einer eigenen Position

reagieren könne. Dies beinhaltete auch die „Antizipation
der Ergebnisse des Untersuchungsberichts und [die] Vor-

bereitung von Argumentationslinien, um Schwachstellen,

Vorwürfe und Kritikpunkte zu entkräften“.2783 In einer
ersten Besprechung der „Gruppe 85“ am 9. September
2009 wurde festgehalten, dass die grundsätzliche Zielrich-

tung der Arbeitsgruppe darin liegen könne, ein „positives
Bild auch des Erfolges mit möglichen Verfahrensfehlern“
zu zeichnen. Die Ablaufprotokolle der „Gruppe 85“ zei-
gen, dass die Gruppe sich regelmäßig mit dem deutschen

Mitglied des JIB, OTL V., über den Untersuchungsverlauf

des JIB und deren Einschätzung des Vorfalls austauschte.

OTL V. unterrichtete sie detailliert über die Untersu-

chungsergebnisse und über die Kritik, die innerhalb des

JIB zum Luftschlag geäußert wurde. Dabei haben die

Gesprächsprotokolle ergeben, dass Vertreter der „Gruppe
85“ OTL V. anwiesen, bestimmte Bewertungen des JIB zu
lenken (Vgl. Kapitel VII. 3 b) bb).
2782) Schneiderhan, Protokoll-Nr. 14, Teil I, S. 20f.

2783) Mat. 17-22a, Ablaufprotokoll BMVg Gruppe 85, Bl. 241.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 413 – Drucksache 17/7400

4. Punkt 7 des Untersuchungsauftrags:
Rechtmäßigkeit des Luftschlags?

Schließlich hat der Untersuchungsausschuss bewertet, ob

der Einsatzes des PRT Kunduz im Einklang mit den poli-

tischen Mandaten, der operativen Planung sowie den

Befehlen und Einsatzrichtlinien des COM ISAF und der

Bundeswehr durchgeführt worden ist.
2784

Die Bewertung der Untersuchungsausschussmehrheit in

diesem Punkt ist ungenügend. Anders als dort festgehal-

ten, bestehen Zweifel daran, dass Oberst Klein auf Grund-

lage der ihm damals zu Verfügung stehenden Informatio-

nen nach Einhaltung der ihm obliegenden Sorgfaltspflich-

ten handelte, als er den Luftschlag anordnete.
2785

Denn bei der Anordnung des Einsatzes hat Oberst Klein

völkerrechtliche Aufklärungs- und Warnpflichten mis-

sachtet, die dem Schutz von Zivilpersonen dienen. Auch

gegen ISAF-Einsatzregeln und Richtlinien wurde versto-

ßen. Diese stellen zwar kein geltendes Recht dar, sie sol-

len den Soldatinnen und Soldaten jedoch helfen, bei ihren

Einsätzen die völkerrechtlichen Regelungen zum Schutz

von Zivilpersonen zu beachten. Zum einen differenzierte

Oberst Klein bei der militärischen Aufklärung nicht aus-

reichend zwischen zu schützenden Zivilpersonen und den

Personen, die er angreifen durfte. Zum anderen bot die

Quellenlage kein hinreichendes Lagebild. Hier hätte

Oberst Klein weitere Erkundigungen einziehen müssen,

was aufgrund der geringen Gefahr zumutbar gewesen

wäre. Alternativ hätte er von einem Luftschlag Abstand

nehmen müssen, auch wenn dies bedeutet hätte, die Tali-

ban-Anführer auf der Sandbank aus den Augen zu verlie-

ren. Es ist anzunehmen, dass Oberst Klein als den Angriff

befehlender Soldat durch die Regelverstöße das im Völ-

kerrecht verankerte Verhältnismäßigkeitsgebot verletzte.

Dass trotz Bedenken hinsichtlich der Gefahreneinschät-

zung und Verfahrensmäßigkeit Befehle nicht hinterfragt

wurden, offenbart grundlegende Mängel in der Umset-

zung der Grundsätze der Inneren Führung bei Auslands-

einsätzen. Zudem hätte bei einer so schwerwiegenden

Entscheidung vor dem Luftschlag eine Rücksprache mit

den Vorgesetzten und eine Rechtsberatung stattfinden

sollen.

Die nachträgliche Bewertung des Luftschlags – unter
Einbeziehung aller vorhandenen Fakten – lässt keinen
Zweifel daran, dass die Bombardierung nicht hätte an-

geordnet werden dürfen. Die Frage bleibt, ob auch Oberst

Klein dies bei Einhaltung aller ihm obliegenden Sorg-

faltspflichten im Vorfeld hätte erkennen müssen, dass der

Luftschlag keinen unmittelbaren militärischen Vorteil

bringen würde, dass aber mit einer Vielzahl von zivilen

Opfern zu rechnen war. Diese strafrechtliche Bewertung

soll und kann im Rahmen dieses Sondervotums nicht
2784) 7. Wurde der Einsatz in Übereinstimmung mit den politischen

Mandaten, der operativen Planung sowie den Befehlen und Ein-

satzrichtlinien des COM ISAF und der Bundeswehr durchge-
führt? Hat die Bundesregierung diese Einsatzrichtlinien in Ein-

satzbefehle umgesetzt – und wenn ja: wann?
2785) Vgl. Mehrheitsbewertung Punkt VI. (S. 204).

vorgenommen werden. Es ist Aufgabe der zuständigen

Justiz, dies zu bewerten. Die Generalbundesanwaltschaft,

die sich für die Ermittlung zuständig erklärt hat, hat in

ihrem Einstellungsvermerk etliche Fragen offengelassen.

Eine ausführlichere und gründlichere Beschäftigung mit

der Materie wäre wünschenswert gewesen, nicht zuletzt

für die Soldatinnen und Soldaten um Handlungssicherheit

im Hinblick auf zukünftige, ähnlich gelagerte Entschei-

dungssituationen zu schaffen.

IX. Handlungsempfehlungen (lessons learned)

Der Untersuchungsausschuss soll feststellen, welche

Nachsteuerungen vorgenommen werden müssen, damit

die Bundeswehr in Zukunft ähnlich gelagerte Fehlent-

scheidungen vermeidet.
2786

Die Mehrheit des Untersu-

chungsausschusses hat sich weitgehend darauf be-

schränkt, eine verbesserte technische Ausrüstung der

Bundeswehr zu fordern. Dies ist ein Aspekt, reicht jedoch

nicht aus.
2787

Gleichwohl dürfen die technischen Defizite, die der Un-

tersuchungsausschuss festgestellt hat, nicht ungenannt

bleiben. Die Einschätzung der Lage auf der Sandbank

wurde aufgrund einer mangelhaften Ausrüstung des PRT

Kunduz erschwert. Folgende Ausrüstungsverbesserungen

sind demnach zu empfehlen:

– Die Verbesserung der technischen Ausstattung des
PRT- Gefechtsstandes, so dass der Befehlshabende

vor Ort von seinem eigenen Gefechtsstand operati-

onsfähig ist, und nicht auf den Gefechtsstand der

Spezialkräfte zurückgreifen muss.

– Die Verbesserung von Aufklärungsmitteln, unter
anderem besser ausgebildete Übersetzer und verläss-

lichere Kommunikationswege.

– Die Aufstockung von Bedienern der unbemannten
Luftfahrzeuge (UVA), um ihre Schichtfähigkeit zu

garantieren.

– Die Verbesserung von Kommunikationsmitteln, z. B.
die Bereitstellung von Mobiltelefonen mit Internet-

zugang, das gilt vor allem auch für die Mitarbeiter

des Presse- und Informationsstabes des BMVg.

Die Untersuchung hat ergeben, dass die Einsatzregeln

teilweise veraltet und unklar formuliert waren. Diese

sollten – wenn nicht bereits vorgenommen – optimiert
werden. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die Angabe

der RoE in die Meldewege aufgenommen wird.

Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Soldaten der

Bundeswehr, die bei der Vorbereitung des Luftschlags

beteiligt waren, ungenügende Kenntnis über die ISAF-

Einsatzregeln besaßen. Deshalb ist eine Verbesserung von

Ausbildung und Training anzustreben, um die Soldatin-

nen und Soldaten der Bundeswehr auf schwierige Ent-
2786) Welche Nachsteuerungen wurden gegebenenfalls in nationaler

Verantwortung mit Blick auf die Zukunft vorgenommen oder

müssen noch vorgenommen werden?

2787) Mehrheitsbewertung, Punkt VII. (S. 210).

Drucksache 17/7400 – 414 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
scheidungssituationen im Einsatz vorzubereiten. Dazu

gehört unter anderem:

– Die Verbesserung der Kenntnis der rechtlichen Rah-
menbedingungen des Einsatzes, insbesondere der

ISAF-Einsatzregeln, die zum Schutze der Zivilbevöl-

kerung zu beachten sind.

– Die Schulung im Umgang mit HUMINT-Quellen.

– Die Schulung um die Fähigkeit der Lagebeurteilung
in komplexen Situationen zu optimieren.

Die Ereignisse um das Bombardement machten auch

deutlich, dass die Prinzipien der Inneren Führung im

Kontext von Auslandseinsätzen der Bundeswehr und im

Rahmen von multilateralen Operationen weit stärker bei

den Soldatinnen und Soldaten verankert werden müssen.

Dabei muss der Schutz der Menschenrechte im Vorder-

grund stehen. Das bedeutet, dass in einem bewaffneten

Konflikt alle Möglichkeiten, Leben zu schonen, insbeson-

dere das von Zivilisten, auszuschöpfen sind. Offensich-

tlich bestehen Mängel bei der Fähigkeit, die Prinzipien in

einer unüberschaubaren Stresssituation erheblichen Aus-

maßes zur Anwendung zu bringen. Es besteht daher gro-

ßer Handlungsbedarf, die Grundsätze der „Inneren Füh-
rung“ in Hinblick auf die besonderen Bedingungen im
Auslandseinsatz weiterzuentwickeln:

– Die Ausbildungsinhalte zur „Inneren Führung“ müs-
sen hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Praxistaug-

lichkeit unter den Bedingungen von Auslandseinsät-

zen hinterfragt und gegebenenfalls überarbeitet wer-

den.

– Es bedarf eines speziellen Trainingsangebotes, bei
dem vermittelt wird, was mitdenkender Gehorsam

bedeutet, wie Soldatinnen und Soldaten von ihrem

Recht, Befehle infrage zu stellen, Gebrauch machen

können und wie die Grundsätze der Inneren Führung

in kritischen Situationen umgesetzt werden.

Die dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Akten

haben Hinweise ergeben, dass Kräfte der TF 47 die Vor-

bereitung und Durchführung des Luftschlags über das

gewöhnliche Maß hinaus unterstützten und dabei eigene

Interessen verfolgten. Als Konsequenz wird eine Verbes-

serung der parlamentarischen Kontrolle von Spezialkräf-

ten gefordert (vgl. zu den einzelnen Schritten: Bundes-

tagsdrucksache 17/5099 Antrag Bündnis 90/ die Grünen:

„Prüfkriterien für Auslandseinsätze der Bundeswehr ent-
wickeln – Unterrichtung und Evaluation verbessern.“).

Auch auf politischer Ebene besteht Handlungsbedarf:

– Es bedarf einer transparentere Informationspolitik zu
Auslandseinsätzen der Bundeswehr: Die Öffentlich-

keit muss darüber unterrichtet werden, was die Auf-

gaben der Soldatinnen und Soldaten sind und wo ihre

rechtlichen und militärischen Handlungsgrenzen lie-

gen. Nur dann besteht die Möglichkeit, dass sich die

Bevölkerung adäquat mit der Fragen und Problemen

von Auslandseinsätzen auseinandersetzen kann.

– Das BMVg ist verpflichtet, auf militärische Opera-
tionen der Bundeswehr mit Todesfolge angemessen

zu reagieren: Sie muss transparent aufklären und

Verantwortung benennen. Nur so kann sie den Solda-

tinnen und Soldaten der Bundeswehr klare Orientie-

rungshilfen für ihr Verhalten in Auslandseinsätzen

geben. Es darf nicht sein, dass zivile Opfer im Zwei-

felsfalle ausgeschlossen werden. Hier muss, zumin-

dest so lange eine Untersuchung läuft, eine „in dubios
silens“-Politik eingeführt werden.

– Dies kann nur gelingen, wenn die Kommunikation
zwischen Bundeswehr und dem BMVg bzw. die

Kommunikation innerhalb des BMVg und gegenüber

den weiteren Ministerien reibungslos verläuft. Dies

muss durch strukturelle Verbesserung und Versteti-

gung der Kommunikationswege verhindert werden.

– Auch die Bundeskanzlerin muss im Rahmen ihrer
Richtlinienkompetenz für Auslandseinsätze Verant-

wortung wahrnehmen.

– Das Auswärtige Amt hat die Aufarbeitung des Vor-
falls vom 4. September 2009 trotz seiner Position als

federführendes Ministerium dem BMVg überlassen.

Dies lag auch an dem unausgewogenen Verhältnis

zwischen der zivilen und militärischen Präsenz vor

Ort. Obwohl der zivile Leiter eines PRT formal

gleichberechtigt mit dem militärischen Leiter ist,

wird er nur von wenigen Personen unterstützt. (So

besaß der zivile Leiter des PRT Kunduz im Septem-

ber lediglich zwei Mitarbeiter). Das Auswärtige Amt

muss deshalb den Anspruch, bei Auslandseinsätzen

der Bundeswehr federführend zu sein, mit Leben, al-

so auch mit ausreichend Personal vor Ort, füllen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 415 – Drucksache 17/7400

Fünfter Teil:
Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs

A. Stellungnahmen der betroffenen Personen

Der Untersuchungsausschuss hat Personen, die durch die

Veröffentlichung des Abschlussberichtes in ihren Rechten

erheblich beeinträchtigt werden können, Gelegenheit

gegeben, zu den sie betreffenden Ausführungen im Ent-

wurf des Abschlussberichtes Stellung zunehmen, soweit

diese Ausführungen nicht mit ihnen in einer Sitzung zur

Beweisaufnahme erörtert worden sind (siehe oben: Ver-

fahrensteil, B.VI.1.c), S. 26).

Folgende Stellungnahmen sind abgegeben worden:

I. Oberst Klein

1. Zum Feststellungsteil

1. Zum Punkt B.III.7.b)cc)ccc) – Interne Bedenken der
Flugzeugbesatzungen

2788
Ich unterstreiche nochmals, dass an mich zu keinem

Zeitpunkt Bedenken der Luftfahrzeugbesatzungen

herangetragen wurden. Im Gegenteil ließen mich die

Vorschläge der F-15 Besatzungen zu einem wesent-

lich massiveren Waffeneinsatz (Anzahl/Größe einge-

setzter Wirkmittel, Radius, Einsatz gegen Umste-

hende und Fliehende) sowie deren Nachfragen zum

Ziel und der Präsenz eigener Kräfte vor Ort in der

Gewissheit, dass die Piloten unser Lagebild uneinge-

schränkt teilten. Es entsprach zudem meiner Erfah-

rung, dass Piloten, wenn sie tatsächlich Bedenken

hatten, einen Waffeneinsatz ablehnten.

2. Zum Punkt B.III.7.b)dd) – Begründung der Ent-
scheidung

2789
Ich habe die Beweggründe und Entscheidungspro-

zesse in meiner Aussage am 10.02.2010 ausführlich

und umfassend dargestellt. Diese werden in den mir

übersandten Seiten 181/182 in kurzen Auszügen

wiedergegeben. Ich habe hierzu keine Ergänzungen.

Hinsichtlich der Anwendung der ROE möchte ich

ergänzend darauf hinweisen, dass ich als „Task For-
ce Commander“ im Dienstgrad Oberst sowohl nach
ROE 421 wie auch 429 befugt war, den Waffenein-

satz in dieser Situation freizugeben; entsprechend bin

ich auch ausgebildet worden. Die Einhaltung der

zum Einsatzpunkt gültigen nationalen und interna-

tionalen Einsatzregeln war ferner Gegenstand der

disziplinaren Prüfung, deren Ergebnis Ihnen mitge-

teilt wurde.
2788) S. 65.

2789) S. 65.

3. Zum Punkt B.III.7.c) – Ablehnung eines Überfluges
im Rahmen der „Show of Force“2790

Ich habe auch hierzu in meiner Aussage am

10.02.2010 umfangreich Stellung genommen. Ob

diese Aufnahme in den Abschlussbericht gefunden

hat, vermag ich aus den mir übermittelten Unterlagen

nicht nachzuvollziehen.

Ich halte daher erneut fest:

Grundlage meiner Entscheidung war das Lagebild

und die darauf begründete feste Überzeugung, dass

zum Zeitpunkt des Waffeneinsatzes ausschließlich

Aufständische und keine Zivilisten vor Ort waren.

Wie bereits im Ausschuss dargestellt, hatten wir zu-

dem im PRT KUNDUZ die Erfahrung gemacht –
und der JTAC hat dies in seiner Anhörung durch das

ISAF JIB bestätigt – dass die Aufständischen im
Norden bei einer Vielzahl von Situationen trotz tie-

fem Überflug und Einsatz von Täuschkörpern/ „Fla-
res“ keine bis wenige Reaktionen gezeigt hatten. Ich
verweise hier erneut auf die dem Ausschuss geschil-

derten Gefechte des PRT am 07.05.2009, der QRF

im Juni 2009 und der US-Kräfte am 27.08.2009. Ich

ging zudem von einer ausreichenden Warnung der

aufständischen Kämpfer durch den mehr als einein-

halbstündigen Überflug aus.

4. Zum Punkt C.II1.a)aa)iii) – Veränderung des Daily
Intelligence Summary vom 04.09.2009

2791
Ich habe mich im Laufe des 04.09.2009 mehrfach

mit meinem J2 ausgetauscht. Dabei gab ich ihm so-

wohl Erkenntnisse aus den vielfältigen Telefonaten

mit den afghanischen Sicherheitskräften wie auch

Meldungen der eigenen Kräfte (Schutzkompanie

PRT KUNDUZ ab 12:30 Uhr vor Ort) weiter. Der

INTSUM wurde durch die J2 Abteilung erstellt, rou-

tinemäßig durch den Abteilungsleiter gebilligt und

an den Stab RC North versandt. Sowohl von der

Endfassung des Berichtes als auch von einem Hin-

weis auf Veränderungen habe ich erst später – nach
meiner Erinnerung durch den Chef des Stabes oder

den J2 am 05.09.2009 – Kenntnis erhalten.

Zur gesamten Nachbereitung des Luftwaffeneinsatzes

möchte ich noch einmal unterstreichen, dass ich diese

vollumfänglich unterstützt habe. Die im so genannten

„Feldjägerbericht“ enthaltenen Behauptungen, ich hätte
Ermittlungen behindert, weise ich erneut nachdrücklich

zurück.
2790) S. 66.

2791) S. 91.

Drucksache 17/7400 – 416 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Zu den Sondervoten

1. Militärisches Lagebild
2792

Ein solches Missverständnis scheint mir hinsichtlich

der Qualität und der Faktoren einer militärischen La-

gebeurteilung in einer Entscheidungssituation vorzu-

liegen. Eine militärische Lagebeurteilung beinhaltet

im Kern die komplexe Ermittlung, Gewichtung und

Abwägung verschiedener Handlungsoptionen des

Gegners und der eigenen Kräfte in einer aktuellen Si-

tuation. Passagen der mir übersandten Auszüge der

Sondervoten
2793

konstruieren daraus das nachträgli-

che Nachschieben scheinbar in sich widersprüchli-

cher Rechtfertigungsszenarien für zuvor angewende-

te militärische Gewalt. Militärische Lagebeurteilung

erfolgt jedoch regelmäßig unter Zeitdruck in einer

sich fortentwickelnden Entscheidungssituation und

damit immer in einer – bis zu einem gewissen Grad
hinzunehmenden – Ungewissheit; ein maßgeblicher
Bestandteil der Lagebeurteilung ist daher die (Be-

rufs- und Einsatz-) Erfahrung des militärischen Füh-

rers.

a) Meine Entscheidung in der Nacht des 04. Sep-

tember 2009 war – wie mir bewusst war – ein
schwerwiegender Entschluss mit weitreichen-

den Folgen als Ergebnis einer mehr als 90-

minütigen militärischen Lagebeurteilung.

Grundlage der Lagebeurteilung waren zum ei-

nen die Kamerabilder der Luftfahrzeuge – ob-
jektive Beweismittel, die auch heute noch zur

Verfügung stehen – und die damit deckungs-
gleichen aktuellen Informationen einer Quelle,

die mit der für örtliche Quellen höchsten Quali-

fizierung („Bravo“) eingestuft worden war und
deren Zuverlässigkeit sich erst jüngst zuvor in

einem mir bekannten Einsatz bestätigt hatte.

Nach den Luftbildern befanden sich in der

Nacht zum 4. September 2009 – nach einem
Tag der bisher heftigsten Gefechte überhaupt –
auf der Sandbank fernab von den Dörfern ca. 70

Personen, die nach den Informationen der Quel-

le von vier namentlich bekannten lokalen auf-

ständischen Führern vor Ort befehligt wurden.

Struktur und Umfang der Gruppe vor Ort ent-

sprachen unserer Erfahrung.

Basis meiner Entscheidung war damit ein für al-

le Beteiligten im Gefechtsstand schlüssiges und

unstrittiges Lagebild, nach dem zunächst eine

Gruppe von Aufständischen zwei Tanklastzüge

entführt hatte, um diese für ihre Operationen

nutzen zu können. Nach Festfahren der Tank-

lastzüge auf einer im Einflussbereich der Auf-

ständischen gelegenen Sandbank im KUNDUZ

– Fluss im Unruhedistrikt CHARA DARREH
wurde nun gemeinsam von vier lokalen Führern

mit ihren Gruppen – insgesamt ca. 70 Kämpfer
2792) Sondervotum (SV) SPD, S. 241 f.; SV B90/GRÜNE, S. 379 ff.

2793) SV SPD, S. 241 ff.

– versucht, diese durch Schleppfahrzeuge sowie
Entladung wieder beweglich zu machen. Dazu

befanden sich nach unserer Erkenntnis überwie-

gende Teile der Kämpfer auf der Sandbank, an-

dere luden Treibstoff um, während durch weite-

re Aufständische unter Nutzung der herange-

führten Kleinfahrzeuge ein Sicherungsring ge-

bildet wurde.

Mit fortschreitender Entladung mussten wir da-

von ausgehen, dass das Ziel der Operation – die
Mobilität der Tanklastzüge entweder schon er-

reicht worden war oder zeitnah erreicht werden

würde. Damit war die Situation in unserer Be-

wertung eindeutig zeitkritisch („hasty“).

b) Für die aufständischen Kämpfer bestanden nach

diesem Lagebild objektiv verschiedene Hand-

lungsoptionen, die je nach aktueller Wahr-

scheinlichkeit und Gefährlichkeit zu gewichten

und bewerten waren. Eine wahrscheinliche

Möglichkeit
.
des Handelns der Aufständischen

war die Weiterfahrt in das westliche CHARA

DARREH um die Tanklastzüge wie auch den

Treibstoff für Folgeoperationen – einschließlich
der Möglichkeit eines späteren Selbstmordan-

schlages auf das PRT, vor dem noch wenige

Wochen zuvor eindeutig und belastbar gewarnt

worden war – zu nutzen. Eine weitere wahr-
scheinliche und aktuell gefährlichere Option

war ein unmittelbarer nächtlicher Angriff auf

das PRT oder die afghanischen Sicherheitskräf-

te mit Hilfe der Tanklastzüge bzw. unter Nut-

zung der erkannten Pick-Up Fahrzeuge. Ich un-

terstreiche nochmals, dass niemand der an der

Entscheidung Beteiligten daran zweifelte, dass

hier – d. h. in ca. 6,5 km Luftlinie zum deut-
schen Feldlager und in unmittelbarer Nähe zu

den afghanischen Sicherheitskräften – aus-
schließlich aufständische Kämpfer operierten.

Alle anderen Auslegungen entbehren jeder

Grundlage.

c) Vor diesem Lagebild war die Frage einer zu-

sätzlichen Warnung durch tiefen Überflug/

„Show Of Force“ keine der rechtlichen. Ver-
pflichtung, sondern eine der Effektivität; diese

hatte sich aber in der Vergangenheit als nutzlos

erwiesen.

d) Nach langer Abwägung standen verantwortbare

Alternativen zum Luftwaffeneinsatz nicht zur

Verfügung. Eigene Kräfte des PRT waren mit

Masse in der Operation ARAGORN gebunden

und daher in KUNDUZ nicht in taktisch ausrei-

chendem Umfang vorhanden, um eine erfolg-

versprechende und verantwortbare Operation

mit Bodentruppen durchzuführen. An weitrei-

chenden Wirkmitteln standen außer Mörsern

120 mm (keine Präzisionswirkung und hohes

Risiko von Kollateralschäden) nur hierfür ge-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 417 – Drucksache 17/7400

sondert anzufordernde ISAF-Luftfahrzeuge zur

Verfügung.

Die alleinige Alternative zum erfolgten Waffen-

einsatz war Nichthandeln mit der Konsequenz

des Verlusts des Lagebildes nach Abzug der

Luftfahrzeuge und eines nach meiner Bewer-

tung untragbaren Risikos für meine Soldaten

und die afghanischen Sicherheitskräfte.

In den Sondervoten wird bezweifelt
2794

, dass

von den Tanklastzügen eine Gefahr ausging,

Selbstmordanschläge mit Nutzfahrzeugen

(Lastwagen/Tankfahrzeuge) gegen Einrichtun-

gen der ISAF und der afghanischen Sicherheits-

kräfte waren jedoch ab 2008 regelmäßig eine

übliche Art der Angriffsführung durch die Auf-

ständischen. Der letzte Anschlag dieser Art vor

dem 4. September 2009 ereignete sich ca. 10

Tage vorher am 25. August. 2009 im Zentrum

der Stadt KANDAHAR, bei dem 47 Menschen

getötet und 70 verletzt worden
.
waren. Der mir

zuletzt bekannt gewordene Anschlag erfolgte

am 11. September 2011 in der Provinz

WARDAK mit zwei Toten und mehr als hun-

dert Verletzten.

2. Ziel des Waffeneinsatzes
2795

Der Abwurf erfolgte in tiefer Nacht, unter ausdrück-

lich angeordnetem reduziertem bzw. begrenztem

Waffeneinsatz bei gleichfalls angeordneter Be-

schränkung auf die Tanklastzüge und die sie unmit-

telbar umgebenden Personen. Weitergehenden Emp-

fehlungen der Piloten bin ich sehr bewusst nicht ge-

folgt. Der Zweck dieses Angriffs – auf ein legitimes
militärisches Ziel – war die Ausschaltung der von
den Tanklastzügen sowie den aufständischen Kämp-

fern ausgehenden unmittelbaren und dauerhaften Ge-

fahr einschließlich der Folge einer Schwächung der

Strukturen und damit der Handlungsfähigkeit der

Aufständischen. Alle Spekulationen, es sei dabei um

eine gezielte Operation zur Tötung einzelner nament-

lich erkannter Führer der Aufständischen – ohne
Rücksicht auf zivile Opfer gegangen, entbehren jeder

Grundlage.

3. Folgenabschätzung und Feststellung der durch den

Angriff Betroffenen
2796

Auch nach den Vorgaben der TACTICAL

DIRECTIVE bestand keine Notwendigkeit zur

Durchführung eines zusätzlichen BDA am Boden,

weil nach unserem Lagebild weder zivile Opfer an-

genommen wurden noch bewohnte Strukturen ge-

schädigt worden waren. Auf Grundlage des durch die

F-15 aus der Luft nach dem Einsatz, durchgeführten

BDA ergab sich, dass ca. 50 bis 60 Personen durch

den Einsatz getroffen – d.h. verletzt oder getötet –
2794) SV DIE LINKE, S. 334.

2795) SV SPD, S. 241 ff., SV B90/Grüne, S. 372 f.

2796) SV DIE LINKE, S. 335 f., SV B90/GRÜNE, S. 382 f.

worden waren. Diese Zahl korreliert mit den Aus-

wertungen der Luftbilder durch ISAF und den Gene-

ralbundesanwalt, die beide jeweils von einer wahr-

scheinlichen Geschädigtenzahl von ca. 50 Personen

ausgehen. Bei diesen Luftbildern handelt es sich um

die einzigen objektiven und belastbaren Beweismit-

tel, an denen sich schließlich alle abweichenden Be-

richte und Zahlen zu Betroffenen des Angriffs mes-

sen lassen müssen. Auf Grundlage dieser Aufzeich-

nungen aus der Luft ist belegt, dass sich nach dem

Einsatz sowohl Personen von der Sandbank entfer-

nen konnten als auch die an den Ufern befindlichen

Personen und Fahrzeuge, wie im Rahmen der CDE

beabsichtigt, nicht durch die Waffenwirkung betrof-

fen waren. Aufgrund der eng begrenzten Waffenwir-

kung wurden zudem keine Gebäude beschädigt.

Auch der COM ISAF-Bericht bestätigt, dass für ein

– hier nicht erforderliches – BDA am Boden zudem
nicht ausreichend Bodentruppen zur Verfügung ge-

standen hätten.

Auch ein Einsatz von Drohnen durch das PRT hätte

hier keine anderen Ergebnisse gebracht, jedoch die

Verfügbarkeit der Drohnen am Folgetag erheblich

eingeschränkt. In meiner Gesamtbewertung war es

wichtiger, durch den Einsatz von Drohnen am Folge-

tag die Sicherheit meiner Soldaten in der Operation

ARAGORN zu gewährleisten.

4. Auftrag des PRT
2797

Es wird in den Sondervoten bezweifelt, ob das aktive

Vorgehen gegen Aufständische Teil des Auftrages

war. Neben den hierzu eindeutigen Befehlen von

ISAF und meiner nationalen Kommandeure verweise

ich auf die für mich grundlegende Weisung
2798

des

BMVg wonach der Schutz eigener Kräfte unverän-

dert Priorität hatte. Dabei käme es neben Maßnah-

men zum passiven Schutz besonders darauf an, Be-

drohungen frühzeitig erkennen und aktiv gegen die-

sen vorzugehen. Auch habe ich mich unmittelbar vor

dem Befehl zum Waffeneinsatz noch einmal der

Vorgaben der nationalen Taschenkarte ISAF
2799

ver-

gewissert. Nach dieser durfte ich insbesondere Maß-

nahmen zur Verhinderung und Abwehr von Angrif-

fen ergreifen. Nach Taschenkarte konnten Angriffe

zum Beispiel dadurch verhindert werden, dass gegen

Personen vorgegangen wird, die Angriffe planen,

vorbereiten, unterstützen oder ein sonstiges feindse-

liges Verhalten zeigen. Militärische Gewalt zur Ver-

hinderung von Angriffen dürfe jedoch nur auf Befehl

des militärischen Führers vor Ort erfolgen.

Zur Erläuterung meiner Befugnisse
2800

sei allerdings

nochmals ergänzt, dass es sich bei einem Komman-
2797) SV SPD, S. 262 ff.; SV DIE LINKE, S. 334.

2798) BMVg – LtrEinsFüStab – Az. 31-70-00 vom 08.05.2009 „Jah-
resweisung 2009 zur Ausplanung und für den Einsatz DEU Kräfte
im Rahmen der Beteiligung an der NATO Operation ISAF“.

2799) Taschenkarte ISAF, Stand: Juni 2009, S. 3.

2800) SV SPD S. 247 ff.; SV DIE LINKE, S. 331 ff.

Drucksache 17/7400 – 418 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
deur einer „Task Force“ um den Führer eines Ge-
fechtsverbandes

2801
handelt. Dies sind in der Regel

Stabsoffiziere, also ab Major aufwärts. Als Oberst

und Führer eines Verbandes auf der Regimentsebene

trifft dies für mich zu. Die im Operationsplan ISAF

angelegte Trennung in „Task Force“ und PRT galt
2009 vor allem im RC (E) und (S) und wurde im

deutschen Verantwortungsbereich RC (N) erst 2010

durch Schaffung der „Ausbildungs- und Schutzba-
taillone“ (ASB, z. B. „Task Force KUNDUZ“) voll-
zogen.

5. Einsatzregeln
2802

Hinsichtlich der Anwendung der zum Zeitpunkt der

Ereignisse gültigen nationalen und internationalen

Einsatzregeln kann ich nur – mangels Einblick in den
Feststellungsteil – auf das eindeutige Ergebnis der
disziplinaren Prüfungen des Inspekteurs des Heeres

verweisen. Ich unterstreiche zudem, dass ich zu kei-

ner Zeit falsche Lagedarstellungen an die Flugzeug-

besatzungen getätigt, angewiesen oder gebilligt habe.

Es war und ist für mich eindeutig, dass zum Zeit-

punkt des Waffeneinsatzes eine TIC-Erklärung auf-

grund einer unmittelbaren Bedrohung („imminent
threat“) – die nach unserer Lagebeurteilung vorlag –
ein zulässiges und übliches Verfahren war, um Luft-

unterstützung insbesondere zunächst zur Aufklärung

der Lage zu erhalten.

6. Keine Behinderung der Ermittlungen
2803

Zur gesamten Nachbereitung des Luftwaffeneinsat-

zes möchte ich noch einmal unterstreichen, dass ich

diese vollumfänglich unterstützt habe. Alle Behaup-

tungen, ich hätte Ermittlungen behindert, kann ich

hier – wiederum mangels Einblick in den
.
Feststellungsteil – nur pauschal nachdrücklich zu-
rückweisen.

Abschließend möchte ich auch auf die eindeutigen Be-

wertungen und Berichte afghanischer Amtsträger (Pro-

vinzregierung, Sicherheitskräfte, Provinzrat, Distriktma-

nager), der Vertreter der Ethnien und der afghanischen

Untersuchungskommission hinweisen. Da mir der Fest-

stellungsteil des Abschlussberichtes in Gänze nicht be-

kannt ist, unterstelle ich, dass diese dort eingeflossen sind.

Das Urteil der unmittelbaren Repräsentanten der afghani-

schen Bevölkerung, die wir nach unserem Auftrag zu

unterstützen und zu schützen hatten, gehört zu den unver-

zichtbaren Bestandteilen einer wahrhaftigen Auseinander-

setzung mit der Lageentwicklung im Jahr 2009, den

Ereignissen des 03./04.09.2009 sowie deren Nachwirkun-

gen.
2801) Heeresdienstvorschrift (HDv) 100/1900 Führungsbegriffe Ge-

fechtsverband: Aus Teilen verschiedener Truppengattungen meist
im Umfang eines verstärkten Bataillons gebildeter Truppenteil,

der einen Auftrag selbstständig ausführt. Seine Bezeichnung rich-

tet sich nach seiner Zweckbestimmung.
2802) SV SPD, S. 244 ff.; SV DIE LINKE, S. 331 ff.; SV B90/GRÜNE,

S. 374 ff.

2803) SV SPD, S. 279 f.

Gleichwohl und auch mit Blick auf unseren Schutzauftrag

habe ich mit tiefer Betroffenheit im Nachhinein zur Kenn-

tnis nehmen müssen, dass durch meine Entscheidung zum

Waffeneinsatz Zivilisten getötet und verletzt wurden. Ich

hielt dies zum Zeitpunkt der Entscheidung für sicher

ausgeschlossen. Ich habe den Entschluss damals nach

langem Ringen im Wissen um die Konsequenz des Todes

von Menschen getroffen; vor dem Hintergrund der heuti-

gen Kenntnisse muss ich die Folgen meiner Entscheidung

als verhängnisvoll bezeichnen. Ich handelte jedoch in der

festen Überzeugung, nur so Gefahren von den mir zum

Schutz Anvertrauten abwenden zu können. Ich habe be-

reits im Ausschuss erklärt, dass ich die alleinige Verant-

wortung hierfür trage. Ich wiederhole hier noch einmal:

Die zivilen Opfer meines Entschlusses zum Waffenein-

satz bedauere ich zutiefst. Ihnen gilt unverändert meine

Anteilnahme.

II. General Vollmer

1. Zum Sondervotum der Fraktion der SPD

Den Vorwurf, „noch im Ausschuss die wahren Fakten zu
verschleiern“ versucht zu haben (S. 282) weise ich zu-
rück. Ebenso die Vorwürfe „Desinformation“ und „Mani-
pulation“ (S. 280).

Vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung vorn Luftschlag in

Kunduz bis zur Beendigung meiner Verantwortung als

COM RC NORTH hat es meinerseits keine Veranlassung

gegeben, Informationen und Sachstände nicht sofort um-

gehend über den Dienstweg nach Potsdam bzw. nach

Kabul zu melden.

In drei Videokonferenzen im Verlauf des ersten Tages

wurde der jeweils bekannte Zwischenstand an das ISAF

FIQ in Kabul gemeldet und besprochen. Die Videokonfe-

renzen wurden seitens ISAF protokolliert und durch das

RC NORTH jeweils unmittelbar im Anschluss nach Pots-

dam übersandt. Sie lagen jeweils noch am selben Tag dort

vor.

Der noch am Vormittag nach Kunduz entsandte Provost

Marshall des RC NORTH, der deutsche Feldjägerführer

im Einsatz, hatte von mir den Auftrag erhalten, die eige-

nen Ermittlungen zu unterstützen und zur Aufklärung des

Sachverhalts in Kunduz beizutragen. Noch am selben Tag

ist ein unabhängiges Team aus dem ISAF HQ in Kunduz

eingetroffen. Parallel hat das afghanische Innenministe-

rium seine Ermittlungen aufgenommen. Jeder jeweils

bekannte Zwischenstand wurde – sowie er dem RC
NORTH bekannt war – umgehend nach Deutschland
gemeldet.

Der Auftrag des Feldjägerführers endete mit der Einset-

zung des Untersuchungsausschusses ISAF. Durch meinen

deutschen Vorgesetzten wurde ich angewiesen die Unter-

suchung einzustellen, da das Ergebnis des ISAF Untersu-

chungsberichts zunächst abgewartet werden sollte. Der

bis zu diesem Zeitpunkt ermittelte Sachstand des Feldjä-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 419 – Drucksache 17/7400

gerführers wurde an das Einsatzführungskommando

übergeben.

Der verantwortliche PRT Kommandeur hat die Möglich-

keit ausgeschlossen, dass es zivile Opfer gegeben haben

könnte. Dies war durch das RC NORTH zunächst nicht

anzuzweifeln und ist so als Grundlage der eigenen Mel-

dungen akzeptiert worden.

Das INTSUM wurde auf Grund meiner persönlichen

Entscheidung zunächst aus dem Netz herausgenommen

und zur Billigung an den PRT Kommandeur zurück über-

geben. Diese Entscheidung habe ich im Anschluss dem

Befehlshaber Einsatzführungskommando unmittelbar

gemeldet.

Der Bericht war durch einen Untergebenen im Stab des

Kommandeurs PRT Kunduz erstellt worden. Er stand im

Widerspruch zu dessen persönlichen Aussagen und war

nicht durch ihn gebilligt worden. Die Rückgabe erfolgte,

damit der PRT Kommandeur diese Meldung aus seinem

Verantwortungsbereich zur Kenntnis bekam und ab-

schließend billigen konnte.

Von Beginn an wurde jede Lageentwicklung nach Kenn-

tniserlangung vom Luftschlag sofort an das Einsatzfüh-

rungskommando in Potsdam und das SAF HQ in Kabul

übermittelt. In diese Kommunikation waren alle Verant-

wortlichen im Regionalkommando Nord mit eingeschlos-

sen.

Die Vorwürfe der Verschleierung, Desinformation und

Manipulation weise ich zurück. Dazu gab es weder in der

Zeit meiner Verantwortung als COM RC NORTH noch

danach jegliche Veranlassung.

2. Zum Sondervotum der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es trifft nicht zu, dass „eine zu frühe offizielle Bestäti-
gung möglicher ziviler Opfer verhindert“ werden sollte
(S. 412).

Vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Luftschlag in

Kunduz bis zur Beendigung meiner Verantwortung als

COM RC NORTH hat es meinerseits keine Veranlassung

gegeben, Informationen und Sachstände nicht sofort um-

gehend über den Dienstweg nach Potsdam bzw. nach

Kabul zu melden. Vorrangiges Ziel war es, so rasch wie

möglich, die tatsächlichen Folgen des Luftschlags zu

ermitteln und wahrheitsgemäß zu melden.

Das INTSUM wurde auf Grund meiner persönlichen

Entscheidung zunächst aus dem Netz herausgenommen

und zur Billigung an den PRT Kommandeur zurück über-

geben. Diese Entscheidung habe ich im Anschluss dem

Befehlshaber Einsatzführungskommando unmittelbar

gemeldet.

Der Bericht war durch einen Untergebenen im Stab des

Kommandeurs PRT Kunduz erstellt worden. Er stand im

Widerspruch zu dessen persönlichen Aussagen und war

nicht durch ihn gebilligt worden. Die Rückgabe erfolgte,

damit der PRT Kommandeur diese Meldung aus seinem

Verantwortungsbereich zur Kenntnis bekam und ab-

schließend billigen konnte.

Die Rückgabe an den PRT Kommandeur war ausschließ-

lich meine eigene Entscheidung. Eine Einflussnahme des

Befehlshabers Einsatzführungskommando, Generalleut-

nant Glatz, hat es nicht gegeben.

In drei Videokonferenzen im Verlauf des ersten Tages

wurde der jeweils bekannte Zwischenstand an das ISAF

FIQ in Kabul gemeldet und besprochen. Die Videokonfe-

renzen wurden seitens ISAF protokolliert und durch das

RC NORTH jeweils unmittelbar im Anschluss nach Pots-

dam übersandt. Sie lagen jeweils noch am selben Tag dort

vor.

Der noch am Vormittag nach Kunduz entsandte Provost

Marshall des RC NORTH, der deutsche Feldjägerführer

im Einsatz, hatte von mir den Auftrag erhalten, die eige-

nen Ermittlungen zu unterstützen und zur Aufklärung des

Sachverhalts in Kunduz beizutragen. Noch am selben Tag

ist ein unabhängiges Team aus dem ISAF LIQ in Kunduz

eingetroffen. Parallel hat das afghanische Innenministe-

rium seine Ermittlungen aufgenommen. Jeder jeweils

bekannte Zwischenstand wurde - sowie er dem RC

NORTH bekannt war - umgehend nach Deutschland ge-

meldet.

Alle Maßnahmen dienten ausschließlich einer möglichst

raschen und objektiven Sachstandfeststellung.

III. General Glatz

Zu den Sondervoten der SPD-Fraktion und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Die Behauptung im Sondervotum der Fraktion der SPD

(S. 280 ff.) hinsichtlich „gezieltester Desinformation“
durch „Manipulation“ eines Tagesberichts des PRT Kun-
duz (INTSUM) beruht lediglich auf der Wiedergabe

von Meldungen des Nachrichtenmagazins DER

SPIEGEL vom 4./5. März.2010.

Der Behauptung und den damit einhergehenden Bewertun-

gen bin ich bei meiner zeugenschaftlichen Einvernahme

durch den Untersuchungsausschuss am 15.03.2010 mit

Nachdruck entgegengetreten. In gleicher Weise habe ich

die damit verbundene Unterstellung, alles daran gesetzt zu

haben, keine disziplinaren Ermittlungen aufnehmen zu müs-

sen, zurückgewiesen.

Die nunmehr erneut getätigten Ausführungen der Fraktion

der SPD, die bereits damals durch die im Untersuchungsaus-

schuss getätigten Zeugenaussagen und die vorgelegten,

aktenkundigen Meldungen widerlegt wurden, sind nach

Abschluss der Untersuchungen des Ausschusses erst recht

nicht nachvollziehbar und daher abwegig.

Dies gilt ebenso für die Behauptung im Sondervotum der

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass Brigadegeneral

Vollmer und ich eine zu frühe offizielle Bestätigung mög-

licher ziviler Opfer hätten verhindern wollen, die ebenfalls so

aus der Berichterstattung des Nachrichtenmagazins DER

SPIEGEL übernommen wurde.

Drucksache 17/7400 – 420 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
IV. Kapitän zur See Dienst

Zum Feststellungsteil zu

– Punkt B.III.3.e) – Existenz einer möglichen weiteren,
„dritten“ Quelle – Seiten 52 bis 52 – sowie

– Punkt C.II.1.d)cc)eee) – Eigene Nachforschungen des
Presse- und Informationsstabes – Seiten 105 bis 106
–:

Die Passagen vermitteln den Eindruck, dass das Einführen

einer „dritten Quelle“ einzig auf meine ganz persönliche
Wahrnehmung zurückzuführen sei, weil sich OTL G.

nicht im Geringsten daran erinnern könne
2804

.

Des Weiteren wird Dr. Raabe mit der Aussage zitiert,

dass OTL G. in dem besagten Telefonat mit mir die „drit-
te Quelle“ im Zusammenhang mit der Anwesenheit von
vier hochrangigen Taliban erwähnt habe

2805
Zu dem Telefonat vom 04.09.2009 verweise ich nach-

drücklich auf den genauen Wortlaut meines Vermerkes,

der sich bei den Unterlagen des 1. Untersuchungs-

ausschusses befindet. Auf diesen Vermerk wird hier im

Entwurf des Berichtes aber nur oberflächlich
2806

und in

einem nicht korrekten Kontext eingegangen.

Ich hatte das besagte Telefonat mit OTL G. vornehmlich

mit dem Ziel geführt, Auskunft darüber zu erhalten, ob

vor Ort ausgeschlossen werden könne, dass es zivile Op-

fer bzw. Opfer unter Unbeteiligten gegeben habe.

Auf die Antwort, dass die Entscheidungsgrundlage für

Oberst Klein zum Zeitpunkt des Abwurfbefehls war, dass

sich auf der Sandbank ausschließlich Taliban bzw. Tali-

banunterstützer aufgehalten haben sollen, fragte ich nach

der Identifizierungsgrundlage.

Diese erläuterte mir OTL G. entsprechend meinem Ver-

merk über das Telefonat. Daraus geht hervor, dass die

Identifizierungsgrundlage aus drei Anteilen bestand. Der

dritte Anteil (Afghanischer Geheimdienst NDS) wurde

durch Dr. Raabe der Presse gegenüber als „dritte Quelle“
eingeführt und anschließend durch die Medien mystifi-

ziert.

Zu keiner Zeit wurde in dem Telefonat eine Verbindung

zwischen 4 hohen Taliban und einer „dritten Quelle“
hergestellt. In dem Telefonat wurde der dritte Anteil der

ldentifizierungsgrundlage auch nicht expressis verbis als

„dritte Quelle“ beschrieben.

Ich bitte, die mich betreffenden Textpassagen entspre-

chend meiner Darlegung zu präzisieren.
2804) Seite 297, Zeilen 24 bis 28.

2805) Seite 141, Zeilen 17 bis 20.

2806) Seite 141, Zeilen 21 bis 24 (GEHEIM).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 421 – Drucksache 17/7400

B. Gegenäußerungen der Fraktionen

I. Fraktion der SPD

Der Untersuchungsausschuss hat in Erfüllung seiner Ver-

pflichtung aus § 32 Abs. 1 PUAG bestimmten Personen

die Gelegenheit gegeben, zu den sie betreffenden Ausfüh-

rungen im Entwurf des Abschlussberichts Stellung zu

nehmen. Einige dieser Personen haben von dieser Mög-

lichkeit Gebrauch gemacht.

Sowohl das durch die Mehrheit im Ausschuss erzwunge-

ne zweifelhafte Verfahren der Gewährung rechtlichen

Gehörs (1.) als auch die eingegangenen Antwortschreiben

(2.) bedürfen jeweils einer kurzen Stellungnahme.

1. Zum Verfahren der Gewährung rechtlichen
Gehörs

Gegen die ausdrückliche Aufforderung der Oppositions-

fraktionen hat es die Mehrheit abgelehnt, den betroffenen

Personen – insbesondere dem durch den Ausschussbericht
in besonderem Maße betroffenen Zeugen Oberst Klein –
sämtliche Passagen des Berichtsentwurfs, die ihre jewei-

lige Person betreffen, vor der Veröffentlichung zur Ver-

fügung zu stellen.

Nach unklaren Kriterien wurden Oberst Klein beispiels-

weise nur einige wenige Abschnitte des Feststellungsteils,

kein einziges Wort der Mehrheitsbewertung, dafür aber

mehr oder weniger große Auszüge aus den Sondervoten

der Minderheit zur Stellungnahme übermittelt, obwohl

der Zeuge mehrfach persönlich und durch seinen Rechts-

beistand darum gebeten hatte, dass ihm sämtliche ihn

betreffenden Teile des Berichtsentwurfs zur Kenntnis

gegeben werden.

Die Minderheit hat sich im Ausschuss vehement dafür

ausgesprochen, der Bitte von Oberst Klein vollumfänglich

zu entsprechen, um diesem vor einer möglichen Stellung-

nahme einen umfassenden Überblick über die Inhalte des

Ausschussberichts zu verschaffen. CDU/CSU und FDP

haben dieses gemeinsam von allen Oppositionsfraktionen

im Ausschuss vorgetragene Anliegen mit ihrer Verfah-

rensmehrheit hingegen einfach ignoriert.

Die von Oberst Klein in seiner schriftlichen Stellungnah-

me vom 20. September 2011 geäußerte Kritik an dieser

Vorgehensweise ist sehr nachvollziehbar und wird von

Seiten der SPD-Bundestagsfraktion im Ausschuss geteilt.

Weiterhin ist die offenkundige Willkürlichkeit zu kritisie-

ren, mit der die Mehrheit im Ausschuss die Auswahl der

Personen, denen rechtliches Gehör gewährt werden sollte,

vorgenommen hat:

Nach den gesetzlichen Vorgaben des § 32 Abs. 1 PUAG

wäre es zwingend erforderlich gewesen, General a. D.

Schneiderhan und Staatssekretär a. D. Dr. Wichert eben-

falls Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, weil die

Vorwürfe, die gegen diese beiden Personen durch die

Koalition im Rahmen der Mehrheitsbewertung erhoben

worden sind, weit über das hinausgehen, was mit den

Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmungen im Ausschuss

besprochen worden war. Insbesondere wurden durch die

Mehrheit neue Vorwürfe erhoben, die in dieser Form auch

öffentlich zuvor noch nicht kommuniziert worden waren.

Damit wurden beide Personen durch die Mehrheit in

ihrem verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Per-

sönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 1

Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt.

Ein entsprechender förmlicher Antrag auf Gewährung

rechtlichen Gehörs auch gegenüber diesen beiden Perso-

nen wurde durch die Mehrheit im Ausschuss sachwidrig

niedergestimmt.

Einmal mehr hat sich hier gezeigt, dass sich die Mehrheit

in diesem Untersuchungsausschuss sich allein von takti-

schen Erwägungen treiben lässt, indem sie ausschließlich

solchen Personen, die durch die Sondervoten der Minder-

heit betroffen sein könnten, die Möglichkeit zur Stellung-

nahme einräumte, aber bei ihrem eigenen Text willkürlich

einen völlig anderen Maßstab anlegte.

2. Zu den einzelnen Stellungnahmen

Schriftliche Stellungnahmen zu den ihnen vorab übermit-

telten Teilen des Abschlussberichts wurden letztlich von

den Zeugen Oberst Klein, Generalleutnant Glatz, Briga-

degeneral Vollmer und Kapitän zur See Dienst einge-

reicht, die im vorangegangenen Abschnitt auch vollum-

fänglich abgedruckt worden sind.

Nach intensiver Prüfung dieser Stellungnahmen kann

festgestellt werden, dass es keinerlei Änderungen des

Sondervotums der SPD-Bundestagsfraktion bedarf, weil

sämtliche der von den Zeugen übermittelten Informatio-

nen bereits umfassend im Sondervotum Berücksichtigung

gefunden haben.

Die einzig neue, zusätzliche Information, die im Sonder-

votum nur erschlossen, aber noch nicht mit Sicherheit

festgestellt werden konnte, war der Hinweis von Oberst

Klein, dass er persönlich von der Manipulation des

INTSUM vom 4. September 2009 im Auftrag von Briga-

degeneral Vollmer
2807

erst im Nachhinein am

5. September 2009 erfahren haben will.
2808

Damit konnte

er die Veränderung des INTSUM am 4. September 2009

sachlogisch auch nicht im Sinne der Aussage des Zeugen

Vollmer gebilligt haben.

Die Aussagen der beiden Zeugen widersprechen sich

damit. Eine abschließende Klärung konnte im Ausschuss

nicht herbeigeführt werden. Es liegt allerdings die An-

nahme nahe, dass es sich bei der Aussage des Zeugen

Vollmer um eine Schutzbehauptung gehandelt hat, um zu
2807) Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt VI.3.b) des Sondervotums der

SPD-Bundestagsfraktion, oben ab S. 280.

2808) Vgl. Schreiben von Oberst Klein vom 5. August 2011, Nr. 4

(S. 415).

Drucksache 17/7400 – 422 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
erklären, warum er selbst darauf verzichtet hatte, diszipli-

narische Ermittlungen einzuleiten.

Dass der Zeuge Vollmer vor diesem Hintergrund noch in

seiner schriftlichen Stellungnahme vom 20. September

2011 gegenüber dem Ausschuss behauptet hat, das

INTSUM sei „zur Billigung an den PRT-Kommandeur
zurück übergeben“ worden, erfüllt mit Sorge.

Im Hinblick auf die sonstigen Ausführungen von Oberst

Klein in seinen schriftlichen Stellungnahmen vom 5.

August und 20. September 2011 ist festzustellen, dass

keinerlei Tatsachen oder Fakten vorgetragen wurden, die

nicht bereits umfassend im Rahmen des Sondervotums

der SPD-Bundestagsfraktion berücksichtigt worden sind.

Insofern bedarf es keiner Änderungen oder Ergänzungen

dieses Sondervotums.

Es soll aber an dieser Stelle die Gelegenheit genutzt wer-

den, Oberst Klein noch einmal für seine Bereitschaft zur

Kooperation mit dem Untersuchungsausschuss zu danken.

Er hat sowohl in seiner Aussage vor dem Ausschuss als

auch in seinen schriftlichen Stellungnahmen die beson-

ders schwierige Entscheidungssituation, in der er sich in

jener Nacht befand, deutlich gemacht.

Es ist zudem in keiner Weise zu bestreiten, dass Oberst

Klein aus seiner persönlichen subjektiven Sicht vor allem

gehandelt haben mag, um in seinen Augen bestehende

Gefahren für die ihm anvertrauten Soldatinnen und Solda-

ten abzuwenden. Dass Oberst Klein an dem Tag vor dem

Bombeneinsatz unter höchster Anspannung stand, steht

fest. Weiterhin verspürte Oberst Klein augenscheinlich

einen gewissen Druck von Seiten seiner Vorgesetzten und

von Seiten der regionalen Repräsentanten, die von ihm

nach seiner Wahrnehmung einen „aktiveren Einsatz“
erwarteten.

Es ist in der Beweisaufnahme des Ausschusses auch deut-

lich geworden, dass sich Oberst Klein seine folgenschwe-

re Entscheidung in dieser Nacht nicht leicht gemacht hat,

sondern im Wissen um die Konsequenz des Todes einer

Vielzahl von Menschen als Folge seiner Entscheidung

zum Waffeneinsatz lange mit sich gerungen hat.

Oberst Klein hat zu Recht darauf hingewiesen, dass mili-

tärische Lagebeurteilungen in solchen Situationen unter

enormem Zeitdruck und in sich ständig fortentwickelnden

und sich verändernden Entscheidungssituationen erfolgen

müssen. Es ist Oberst Klein auch ohne weiteres darin

zuzustimmen, dass es niemals ein umfassendes Lagebild

gibt und dass sich der militärische Führer immer mehr

Informationen wünscht, es aber immer einen Punkt gibt,

an dem entschieden werden muss.

Insofern ist es durchaus zutreffend, dass militärische

Führer häufig ins Ungewisse hinein entscheiden müssen

und dass Unterlassen und Versäumnis Soldatinnen und

Soldaten häufig auch stärker belasten können als Fehler

im Handeln.
2809
2809) Vgl. Klein, Protokoll Nr. 6, Teil II, S. 3.

All dies kann jedoch letztlich nicht dazu führen, die Au-

gen davor zu verschließen, dass die von Oberst Klein

getroffene Entscheidung zum Waffeneinsatz nicht nur aus

heutiger Sicht im Lichte der sicheren Erkenntnis über die

Vielzahl ziviler Opfer, sondern leider auch aus ex-ante-

Sicht der damaligen objektiv vorhandenen Entschei-

dungssituation nur als schwerer Fehler bezeichnet werden

kann.

In der vorliegenden Situation wäre ein Unterlassen des

Waffeneinsatzes, zumindest aber die Durchführung einer

effektiven „show of force“ und ein stärkeres Bemühen um
Erlangung eines belastbareren Lagebildes, eben doch die

einzig richtige Entscheidung gewesen. Die fehlerhafte

Annahme von Oberst Klein, dass sich Personen allein

durch ihre körperliche Anwesenheit in unmittelbarer Nähe

der Tanklaster als legitime militärische Ziele im Sinne des

Konfliktvölkerrechts qualifizieren würden, ist dabei als

der zentrale Bewertungsfehler anzusehen, der letztlich zu

diesem fatalen Bombenabwurf geführt hat.

In Erwiderung auf dieses eigentlich unbestreitbare Ergeb-

nis der Beweisaufnahme des Ausschusses wird von der

Ausschussmehrheit immer wieder vorgebracht, dass die

Kommunikation einer solchen Feststellung bei den Solda-

tinnen und Soldaten im Einsatz Hemmnisse aufbauen

könnte, in kritischen Situationen überhaupt notwendige

Entscheidungen zu treffen, wenn diese erkennbar

schwerwiegende Folgen nach sich ziehen und später „am
grünen Tisch“ von „Sofa-Experten“ seziert würden.

Eine solche Gefahr ist in der Tat nicht völlig von der

Hand zu weisen, aber der Versuch der Mehrheit, die un-

bestreitbaren Fehler und Versäumnisse deshalb nach wie

vor zu verschleiern, um sich diesem möglichen Vorwurf

nicht aussetzen zu müssen, kann nicht der richtige Weg

sein.

Soldatinnen und Soldaten dürfen aus dem hier untersuch-

ten Vorfall keinesfalls die Lehre ziehen, in Zukunft mög-

lichst keine folgenreichen Entscheidungen mehr zu tref-

fen. Die richtige Erkenntnis für alle militärischen Führer

muss vielmehr sein, dass auch der Verzicht auf einen

Waffeneinsatz eine richtige Entscheidung in einer konkre-

ten Situation sein kann, wenn das Lagebild keine ausrei-

chende Sicherheit gibt und nationale und internationale

Einsatzregeln eine bestimmte Vorgehensweise vorgeben,

die mit dem geplanten Waffeneinsatz nicht in Einklang zu

bringen sind.

Anzuerkennen ist, dass Oberst Klein selbst ausdrücklich

eingeräumt hat, dass es zu diesem Fehler nicht gekommen

wäre, wenn er ein vollständiges Lagebild gehabt, also

gewusst hätte, dass seine Entscheidung zum Waffenein-

satz den Tod einer Vielzahl von Zivilisten zur Folge ha-

ben würde. Er selbst bezeichnet die Folgen seiner Ent-

scheidung vor diesem Hintergrund zu Recht als „ver-
hängnisvoll“.

Die konsequente und für die beteiligten Soldaten viel-

leicht an einigen Stellen schmerzliche Aufarbeitung des

Vorgangs von Kunduz in der Nacht vom 3. auf den 4.

September 2009 im Sondervotum der SPD-Bundestags-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 423 – Drucksache 17/7400

fraktion zielte keineswegs darauf ab, Oberst Klein oder

die anderen beteiligten Soldaten nachträglich bloßzustel-

len, anzuprangern oder öffentlich zu verurteilen, sondern

es ging allein darum, den Vorgang so, wie er sich nach

der intensiven Beweisaufnahme des Ausschusses darstellt,

offen zu beschreiben.

Es durften keine zur Beurteilung des Sachverhalts wesent-

lichen Aspekte verschwiegen werden. Nur durch exakte

Benennung der Fakten konnten wirklich Lehren aus die-

sem Vorfall gezogen werden, die sich nicht nur in

Scheinmaßnahmen oder reiner Symbolpolitik erschöpfen.

Die Oppositionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die

Grünen haben hierzu einen gemeinsamen Forderungskata-

log vorgelegt und darauf gedrängt, dass über diese „les-
sons learned“ im Untersuchungsausschuss - unter Beteili-
gung des Generalinspekteurs der Bundeswehr - verhandelt

wird.
2810

Hierbei hat sich gezeigt, dass die Bundesregierung sach-

widrig nach wie vor die alleinige Ursache des Vorfalls am

Kunduz-Fluss in angeblichen Unklarheiten von NATO-

Einsatzregeln und Ausstattungsdefiziten sieht und auch

die Ausschussmehrheit bis heute nicht die Kraft findet,

die in der Beweisaufnahme des Ausschusses offenkundig

gewordenen eklatanten Defizite in Bundeswehr und Bun-

desregierung anzuerkennen.

Es bedarf daher keiner hellseherischen Fähigkeiten, um zu

erkennen, dass die notwendigen Reformen in den Berei-

chen des militärischen Nachrichtenwesens, der „Inneren
Führung“ der Bundeswehr, der Aus- und Fortbildung der
Soldatinnen und Soldaten im Hinblick auf die völkerrech-

tlichen Vorgaben, die Klarstellung und Verbesserung der

rechtlichen Rahmenbedingung soldatischen Handelns und

die Verbesserung der Kontrollrechte des Parlaments in

diesem Bereich erst mit einem überfälligen Regierungs-

wechsel umgesetzt werden können.

II. Fraktion DIE LINKE.

Der Untersuchungsausschuss hat mehreren Zeugen recht-

liches Gehör gemäß § 32 PUAG gewährt. Die in diesem

Zusammenhang eingegangenen, im vorangegangenen

Abschnitt A. dokumentierten Stellungnahmen geben

keinen Anlass, das Sondervotum der Fraktion

DIE LINKE. zu korrigieren oder zu überarbeiten.

Die Zeugen, die zum Feststellungsteil der Ausschuss-

mehrheit sowie zu den Sondervoten Stellung genommen

haben, haben ein weiteres Mal Teile ihrer in der Beweis-

aufnahme des Untersuchungsausschusses abgegebenen

und bei der Abfassung des Sondervotums der Fraktion

DIE LINKE. bereits berücksichtigten Erklärungen wie-

derholt. Die im Zuge der Beweisaufnahme getätigten

Angaben der Zeugen zu würdigen, an anderen Beweismit-

teln zu messen und sie diesen entgegen zu setzen, blieb

dem Untersuchungsausschuss und insbesondere auch den

Fraktionen, die Sondervoten zum Abschlussbericht der
2810) Dokumentiert im nachfolgenden Sechsten Teil dieses Abschluss-

berichts.

Ausschussmehrheit vorgelegt haben, vorbehalten. Die

Fraktion DIE LINKE. hat diese Möglichkeit daher bereits

im Sondervotum genutzt.

Von den Zeugen, denen rechtliches Gehör gewährt wurde,

äußert sich lediglich der Zeuge Oberst Klein zur Bewer-

tung der Linksfraktion. Wurden dem Zeugen – aufgrund
eines Beschlusses der Ausschussmehrheit – vom Feststel-
lungsteil der Ausschussmehrheit nur wenige Seiten und

von der Bewertung der Mehrheit überhaupt nichts zur

Kenntnis gebracht, so hat er das Sondervotum der Frakti-

on DIE LINKE., soweit es die Vorfälle vor Ort, in Kun-

dus, betraf, vollständig erhalten. Dennoch lässt seine

Stellungnahme bedauerlicherweise keine inhaltliche Aus-

einandersetzung mit den im Sondervotum der Linksfrak-

tion dargestellten Erkenntnissen des Untersuchungsaus-

schusses und der auf diesen basierenden Bewertung der

Fraktion DIE LINKE. erkennen. Angesichts dessen über-

rascht es wenig, dass sich sämtliche von diesem Zeugen

im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs monierten

Punkte auf Aspekte beziehen, die bereits im Sondervotum

dezidiert und differenziert aufgearbeitet wurden.

Soweit Darlegungen von Oberst Klein in seiner Stellung-

nahme vom 20.09.2011 im Widerspruch zu seiner Aussa-

ge im Untersuchungsausschuss stehen,
2811

wird hier zu-

gunsten von Oberst Klein unterstellt, dass er insoweit

nicht einräumen wollte, im Untersuchungsausschuss fal-

sche Angaben gemacht zu haben, sondern dass in sein

Schreiben vom 20.09.2011 versehentlich unpräzise For-

mulierungen Eingang gefunden haben.

Auf die Stellungnahme von Oberst Klein ist aus den ge-

nannten Gründen nur zu einzelnen Punkten und in aller

Kürze zu entgegnen:

1. Dass Oberst Klein sogar die von ihm selbst ange-

nommene Situation auf der Sandbank im Kundus-

Fluss – wer hielt sich dort zu welchem Zweck auf2812
– in der Nacht des 03./04.09.2009 unter Außeracht-
lassung der Regeln des humanitären Völkerrechts

und damit rechtlich untragbar interpretierte und be-

wertete, wurde im Sondervotum der Fraktion DIE

LINKE. ausführlich erläutert.
2813

Oberst Klein wie-

derholt in seiner Stellungnahme vom 20.09.2011 in-

soweit lediglich das, was er als Zeuge im Untersu-

chungsausschuss dargelegt hatte. Diese Angaben

wurden der rechtlichen und tatsächlichen Bewertung

im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE. bereits

zugrunde gelegt.
2814

Das Gleiche gilt für die Frage,
2811) Vgl. Punkt 1.a) in der Stellungnahme vom 20.09.2011 zu ver-

meintlichen Aufständischen jenseits der Sandbank und Punkt 1.b)
dieser Stellungnahme zur vermeintlich geplanten Nutzung der

Pick-Up Fahrzeuge.

2812) Vgl. insoweit in der Stellungnahme von Oberst Klein vom
20.09.2011 Punkt 1.a), 1.b) und 1.c).

2813) Vgl. z.B. S. 349 - 352 (Teil 4, B.II.2.b)bb)).

2814) Vgl. S. 349 - 352 (Teil 4, B.II.2.b)bb)).

Drucksache 17/7400 – 424 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
weshalb die Durchführung einer sog. show of force

geboten war.
2815

Die Personen auf der Sandbank waren gerade kein

legitimes militärisches Ziel,
2816

denn unter ihnen be-

fanden sich vom humanitären Völkerrecht geschützte

Zivilisten – und dies sogar nach der Vorstellung von
Oberst Klein dazu, wer sich auf der Sandbank aufge-

halten habe; Oberst Klein wertete seine Erkenntnisse

zu diesem Aspekt rechtlich unzutreffend.
2817

2. Ebenfalls im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.

dargelegt wurde, dass es keinerlei Hinweis auf das

Vorliegen einer von Oberst Klein in seiner Stellung-

nahme vom 20.09.2011
2818

unterstellten konkreten

und gegenwärtigen Bedrohungslage gab, die es er-

laubt hätte, die auf der Sandbank um die Tanklaster

herum befindlichen Menschen als Angriffsziele zu

behandeln, anstatt – allenfalls – ausschließlich gegen
die Tanklaster vorzugehen.

2819
3. Wenn Oberst Klein sich bemüht, den Eindruck zu

erwecken, nach den ISAF-Regeln sei es nicht not-

wendig gewesen, rechtzeitig ein sog. Battle Damage

Assessment (BDA) durchzuführen,
2820

und auch

sonstige ISAF-Einsatzregeln habe er nicht ver-

letzt,
2821

so kann an dieser Stelle – angesichts der
Tatsache, dass aus dem COM ISAF-Bericht nicht zi-

tiert werden darf, weil dieser weiterhin als Ver-

schlusssache eingestuft ist – nur nachdrücklich dar-
auf hingewiesen werden, dass dies unzutreffend ist.

Ergänzend wird auf die ausführlicheren Darlegungen

im Sondervotum der Linksfraktion
2822

verwiesen, die

Oberst Klein als Gegenstand seiner Stellungnahme

vorlagen.

4. Schließlich bleibt festzuhalten, dass Oberst Klein

nach den ISAF-Regularien nicht legitimiert war, oh-

ne Konsultation von (u.a.) ranghöheren ISAF-

Kommandeuren den Luftangriff vom 04.09.2009 an-

zuordnen. Im Sondervotum der Fraktion DIE

LINKE. wurde dies bereits ausführlich begründet.
2823

Die von Oberst Klein in der Stellungnahme vom

20.09.2011
2824

in Bezug genommene Heeresdienst-

vorschrift 100/900 gibt nichts her für die von Oberst

Klein aufgestellte Behauptung, als Kommandeur des

PRT und Führer eines Gefechtsverbandes sei er den

Kommandeuren von ISAF-Task Forces deshalb

gleichgestellt gewesen, weil diese ebenfalls Führer
2815) S. 333 f., 349 - 352 (Teil 4, B.II.1.b) und B.II.2.b)bb)); vgl.

insoweit in der Stellungnahme von Oberst Klein vom 20.09.2011
Punkt 1.c).

2816) Dies entgegen der Darstellung von Oberst Klein unter Punkt 2.

seiner Stellungnahme vom 20.09.2011.
2817) S. 349 - 352 (Teil 4, B.II.2.b)bb)).

2818) Dort Punkt 1.d).

2819) Vgl. S. 312 - 314 (Teil 4, B.I.3.b)), S 333, 334 (Teil 4, B.II.1.a),
c)) und S. 350 f. (Teil 4, B.II.2.b)bb)aaa)(1)).

2820) Punkt 3. der Stellungnahme vom 20.09.2009.

2821) Punkt 5. der Stellungnahme vom 20.09.2009.
2822) S. 331 - 335 (Teil 4, B.II.1.).

2823) S. 331 f. (Teil 4, B.II.1.a)).

2824) Punkt 4. der Stellungnahme vom 20.09.2009.

von Gefechtsverbänden seien. Und die von Oberst

Klein behauptete
2825

regional spezifische Anwen-

dung des ISAF-Operationsplans steht in klarem Wi-

derspruch zu den ausdrücklichen Vorgaben dieses

Operationsplans und auch, wie im Sondervotum
2826

bereits festgestellt, zur Auslegung der ISAF-Regeln

durch NATO-Untersuchungskommissionen.

Auch dass die Bundeswehr in Afghanistan statt zum

Brückenbau zur aktiven Aufstandsbekämpfung ein-

gesetzt wurde
2827

, wirkte sich auf die (fehlende)

Kompetenz von Oberst Klein zur Anordnung des

Luftangriffs von Kundus aufgrund der entgegenste-

henden ISAF-Vorgaben zur spezifischen Befehlshie-

rarchie bei sog. Close Air Support nicht aus.

Oberst Klein ist aber dafür zu danken, dass er nochmals

betont,
2828

dass die Bundeswehr in Afghanistan auf

Grundlage eines offensiven Einsatzauftrags agierte. Das

bislang von allen Bundesregierungen seit Beginn des

Afghanistaneinsatzes im Jahr 2001 vorgespiegelte „defen-
sive Mandat“ der Bundeswehr in Afghanistan gab es
nicht. Tatsächlich ist und war die Bundeswehr in der

Provinz Kundus mit einem Auftrag eingesetzt, der nicht

weniger offensiv ausgerichtet war und ist, als der aller

anderen ISAF-Kräfte.
2829

III. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kritisch anzumerken ist, dass die Mehrheit des Untersu-

chungsausschusses das Bestreben der Ausschussminder-

heit unterbunden hat, weiteres rechtliches Gehörs zu ge-

währen. Insbesondere hat sie verhindert, dass die Zeugen

Schneiderhan und Dr. Wichert rechtliches Gehör erhal-

ten.
2830

Auch wenn der Untersuchungsausschuss hierzu

rechtlich nicht verpflichtet war, wäre es in diesem Fall aus

Gründen des Anstands und der Transparenz wünschens-

wert gewesen.

1. Erwiderung zur Stellungnahme des Zeu-
gen Oberst Klein im Rahmen seines recht-
lichen Gehörs

Oberst i. G. Klein bezieht sich in seiner Stellungnahme im

Rahmen seines rechtlichen Gehörs weitgehend nicht auf

das Sondervotum von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die

Ausführungen und Schlussfolgerungen im Sondervotum

erhalten damit eine weitere indirekte Bestätigung.

Eine gesonderte Anmerkung verlangt lediglich der fol-

gende Abschnitt aus Oberst i. G. Kleins Stellungnahme:

„Auch der COM ISAF-Bericht bestätigt, dass für
ein – hier nicht erforderliches – BDA [Wirkungs-
analyse, Anm.d.Verf.] am Boden zudem nicht aus-
2825) Punkt 4. der Stellungnahme vom 20.09.2009.

2826) S. 331 f. (Teil 4, B.II.1.a)).

2827) Punkt 4. der Stellungnahme vom 20.09.2011.
2828) Punkt 4. der Stellungnahme vom 20.09.2011.

2829) Vgl. S. 324 f. (Teil 4, B.I.3.e)).

2830) UA-Beratungssitzung, Protokoll-Nr. 56, S. 8 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 425 – Drucksache 17/7400

reichend Bodentruppen zur Verfügung gestanden

hätten.“2831

Diese Darstellung ist inkorrekt. Mit dem Einschub „hier
nicht erforderliches – BDA“ entsteht der Eindruck, dass
die zur Untersuchung des Luftschlags in Kunduz einberu-

fene NATO-Untersuchungskommission zu dem Schluss

gekommen sei, eine Wirkungsanalyse vor Ort sei nicht

notwendig gewesen. Das Gegenteil ist der Fall. Im

COM ISAF-Bericht wird das Unterlassen der – verpflich-
tend vorgeschriebenen – zeitnahen Wirkungsanalyse am
Boden höchst kritisch bewertet. Es wird als Ursache dafür

gesehen, dass Personen den Ort des Geschehens ungese-

hen betreten und verändern konnten und dass u. a. auch

deshalb die genaue Anzahl der Opfer des Luftschlages

nicht mehr ermittelt werden konnte. Zwar wird festges-

tellt, dass Oberst i. G. Klein über keine ausreichenden

Bodentruppen für eine unmittelbare Wirkungsanalyse vor

Ort verfügte. Allerdings wird beanstandet, dass Oberst

i. G. Klein die Möglichkeit ungenutzt ließ, die ihm zur

Verfügung stehenden unbemannten Drohnen einzusetzen,

um den Angriffsort mit Bewegtbildvideos überwachen zu

lassen, bis Bodentruppen bei Tageslicht eintrafen (vgl. im

Einzelnen Sondervotum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

Kapitel III.4.b), S. 379 und f., S. 382).

2. Erwiderung zu den Stellungnahmen der
Zeugen Generalleutnant Glatz und Briga-
degeneral Vollmer

Die Zeugen Generalleutnant Glatz und Brigadegeneral

Vollmer haben Stellung genommen zu dem Thema: Ver-

änderung des Tagesberichts (Daily Intelligence Summary,

INTSUM) vom 4. September 2009 aus dem PRT Kunduz,

der Angaben über mögliche zivile Opfer enthielt.
2832

Die Zeugen Generalleutnant Glatz und Brigadegeneral

Vollmer beschränken sich auf ihre Äußerungen vor dem

Untersuchungsausschuss vom 12. März 2010 zu diesem

Thema, nach denen sie das INTSUM zunächst aus dem

Netz herausgenommen und es zur Billigung an den PRT

Kommandeur zurückgesandt hätten.
2833

Diese Aussagen

sind im Sondervotum von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

durchaus berücksichtigt worden und enthalten keine In-

formationen, die Anlass zu einer Neubewertung gäben.

Die Ausführungen und Schlussfolgerungen im Sondervo-

tum behalten somit ihre volle Gültigkeit.

Die Behauptung von Generalleutnant Glatz, dass die

Bewertung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „so aus der
Berichterstattung des Nachrichtenmagazins DER

SPIEGEL“ übernommen worden sei, ist schlicht unwahr.
Wie aus dem Sondervotum ersichtlich wird, wurden der

Bewertung weitere Quellen zugrundegelegt, wie die Aus-

sage des Zeugen OTL K., der für die Verfassung des
2831) Stellungnahme Punkt 3 (S. 417).
2832) Sondervotum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kapitel IV.2. S. 389.

2833) vgl. z. B. Vollmer, Protokoll-Nr. 12, S. 2 ff., 11 ff.; 34 ff.; Glatz,

Protokoll-Nr. 12, S. 63 ff.

INTSUM zuständig war.
2834

Hinzuweisen ist auch darauf,

dass Oberst i. G. Klein in seiner Stellungnahme vom

5. August 2011 beschreibt, dass er das INTSUM erst nach

Veränderung am 5. September 2009 erhalten habe.
2835

Dies stützt die im Sondervotum von BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN enthaltene Bewertung.
2834) Sondervotum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kapitel IV.2.,

S. 389, Fn. 2632.

2835) 17-293, Stellungnahme Oberst i. G. Klein zum Feststellungsteil

5.08.2011, Punkt 4 (S. 415).

Drucksache 17/7400 – 426 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
C. Anmerkungen der Koalition zu Gegenäußerungen der Opposition in Sachen Gewährung recht-

lichen Gehörs

Die Ausschussmehrheit ist bei der Gewährung rechtlichen

Gehörs dem Vorschlag der Ausschussvorsitzenden, Frau

Dr. h. c. Susanne Kastner, MdB (SPD), sowie dem Aus-

schusssekretariat auf Beratungsunterlage 17-305 gefolgt.

Insofern nehmen wir die Vorwürfe der SPD mit Verwun-

derung zur Kenntnis und weisen sie als unzutreffend

zurück. Die Richtigkeit der durch CDU/CSU und FDP

gewählten Vorgehensweise wurde sowohl durch Entwurf

der Ausschussvorsitzenden auf Beratungsunterlage 17-

305 als auch durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen

Dienstes (Beratungsunterlage 17-306)
2836

bestätigt. Ent-

gegen dem von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in

ihren Gegenäußerungen vertretenen Standpunkten (vgl.

B.I.1. und B.III.) ließ sich die Ausschussmehrheit in der

Entscheidung über rechtliches Gehör ausschließlich von

der Frage leiten, ob ein solches rechtlich geboten ist.

Bezüglich der dabei einzuhaltenden Kriterien verweisen

die Koalitionsfraktionen auf die Ausarbeitung des Wis-

senschaftlichen Dienstes auf Beratungsunterlage 17-306.

Die einseitige Argumentation der Oppositionsfraktionen,

die auch die Vorsitzende des Ausschusses Kastner (SPD)

explizit nicht teilt, entlarvt, dass die Oppositionsfraktio-

nen nicht rechtliche, sondern parteipolitische Motive zur

Grundlage ihrer Entscheidung macht.
2836) Dokument 20 Giesecke, Umfang und Grenzen des rechtlichen

Gehörs gemäß § 32 PUAG, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen

Dienste des Deutschen Bundestages vom 31. August 2011, WD 3

– 3000 – 271/11..

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 427 – Drucksache 17/7400

D. Erwiderung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Anmerkungen der Aus-
schussmehrheit unter Punkt C

In ihrer Anmerkung lässt die Ausschussmehrheit eine

sachliche Auseinandersetzung mit der Stellungnahme von

SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vermissen.

Sie beschränkt sich auf pauschale Vorwürfe, ohne inhalt-

lich auf den Wunsch von SPD und von BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN nach einem anständigen und transpa-

renten Umgang mit Zeugen einzugehen. Das ist bedauer-

lich, passt allerdings zur sonstigen Vorgehensweise der

Ausschussmehrheit im Untersuchungsausschuss.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 429 – Drucksache 17/7400

Sechster Teil:
„Lessons Learned“

A. Lessons Learned der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP im Verteidigungsaus-
schuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 GG

I. Allgemein

Die Untersuchungen haben deutlich gemacht, dass im

Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Luft-Boden-

Einsatzes am 4. November 2009 in Kunduz den Mitglie-

dern der Bundesregierung kein Vorwurf gemacht werden

kann. Insbesondere Bundeskanzlerin Dr. Merkel sowie

die Bundesminister Dr. Jung und Frhr. zu Guttenberg

haben sachgerecht gehandelt und Parlament und Öffent-

lichkeit entsprechend ihres jeweiligen Informationsstan-

des umfassend informiert. Die von der Opposition erho-

benen Vorwürfe haben sich allesamt als haltlos erwiesen.

Insbesondere hat die Beweisaufnahme eindeutig ergeben,

dass der Luftangriff keine Operation der Task Force 47

und der BND in keiner Form an dem Vorfall beteiligt

war. Somit ist festzustellen, dass das Parlament von der

Regierung zu jeder Zeit in den entsprechenden Gremien

vollumfänglich und korrekt über den Einsatz des KSK

und des BND informiert wurde. Die Informationsverfah-

ren haben sich hier bewährt und es besteht aus Sicht der

Regierungskoalition kein Nachsteuerungsbedarf. Das

zweifelsohne vorhandene Problem der unklaren ministe-

riellen Zuständigkeit ist durch die Aufhebung der redun-

danten Strukturen im BMVg im Zuge der Bundeswehrre-

form inzwischen behoben.

Die Kommandolinie wird zukünftig stringent aus dem

Einsatz auf den Generalinspekteur zulaufen, der gegenü-

ber dem Minister verantwortlich ist. Durch die Eingliede-

rung des Einsatzführungsstabes in die reguläre Ministeri-

alstruktur wurde auch im Bereich der Führung die Redun-

danz zum Einsatzführungskommando (EFK) aufgehoben.

Das EFK ist dadurch in seiner Bedeutung klar aufgewertet

und näher an die politischen Entscheidungsträger heran-

gerückt. Dem wird durch die Teilnahme des Befehlsha-

bers EFK an den Sitzungen des VgA offenkundig auch

optisch Rechnung getragen.

II. Im Einsatz

Im Hinblick auf den Luftangriff kann festgestellt werden,

dass der Luftangriff „militärisch nicht angemessen“ war,
aber zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen erfolg-

te. Oberst i. G. Klein hätte nach eigenem Bekunden bei

einem umfassenderen Wissen um die tatsächliche Situati-

on auf der Sandbank einen anderen Entschluss getroffen.

Im Zusammenhang mit dieser Feststellung muss der Blick

auf die Führungs-, Aufklärungs- und Wirkmittel gelenkt

werden.

1. Führungsmittel

Oberst i. G. Klein führte seine Operation aus dem beeng-

ten Gefechtsstand der TF 47, weil dieser über eine mo-

dernere Gefechtsstandtechnik verfügte als der originäre

PRT Gefechtsstand. Dies hatte zur Folge, dass der Kom-

mandeur nicht über den vollen Beraterstab verfügte (die-

ser führte die Operation des PRT aus dem PRT-

Gefechtsstand), sondern ihm lediglich einige Angehörige

seines Stabes zur Verfügung standen. Die erprobten und

eingespielten Verfahren des PRT Stabes, insbesondere die

Beratung des Kommandeurs durch seine Stabsoffiziere,

konnten unter diesen Umständen nicht ablaufen. Die

schlechtere technische Ausstattung des PRT Gefechts-

standes hat den militärischen Führer vor Ort somit in

seiner Führungsfähigkeit entscheidend eingeschränkt.

Künftig ist deshalb aus Sicht der Regierungskoalition

darauf zu achten, dass der für einen Einsatzraum verant-

wortliche Kommandeur in seinem Gefechtsstand über

mindestens die gleichen technischen Fähigkeiten verfügt

wie die dort eingesetzten Spezialkräfte, da er die folgen-

reicheren Entscheidungen trifft.

2. Aufklärungsmittel

Zur Herstellung eines umfassenden Lagebildes bedarf es

des Rückgriffs auf unterschiedliche Aufklärungsmittel. Im

Fall des Luftangriffs war die Nutzung der HUMINT Kräf-

te die wesentliche Informationsquelle des Kommandeurs.

Zwar hätte die Informationsübermittlung von der

HUMINT Quelle vor Ort über den Operator bis hin zum

Kommandeur technisch noch besser gestaltet werden

können, jedoch hat sich das Verfahren insgesamt bewährt

und wurde optimal genutzt.

Bemängelt werden muss jedoch, dass Oberst i. G. Klein

nach eigenem Bekunden nicht auf ausreichend redundante

Aufklärungsmittel zurückgreifen konnte. So benötigte er

für den eigenen visuellen Eindruck die Aufklärungsleis-

tung der ISAF Luftfahrzeuge und war gezwungen, diese

vor Ort zu halten, um ggf. bei einer sich verschärfenden

Lage einen Entschluss treffen zu können.

Durch die unmittelbare Abhängigkeit von nicht nationalen

Aufklärungsmitteln in einer für das PRT bedrohlichen

Lage musste der Kommandeur aus der operativen Not-

wendigkeit heraus die ständige Verfügbarkeit der ISAF

Aufklärungsmittel (Strahlflugzeuge) sicherstellen, was

auch zu seinem Entschluss beitrug, einen TIC zu erklären.

Nationale Aufklärungsmittel standen nicht zur Verfügung

oder waren für einen (Nacht-)Einsatz ungeeignet. Die im

PRT vorhandenen Drohnen hatten entweder keine ausrei-

Drucksache 17/7400 – 430 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chende Reichweite (LUNA, ALADIN) oder konnten nicht

schnell genug in den Einsatz gebracht werden, bzw. ver-

fügten nicht über die notwendige Stehzeit im Einsatzge-

biet (KZO).

Das Verbringen von eigenen Soldaten verbat sich auf-

grund der angespannten Lage des PRT und war aufgrund

der fehlenden Lufttransportfähigkeit nicht möglich. Dies

verdeutlicht, warum Oberst i. G. Klein zwingend auf die

Luftfahrzeuge angewiesen war.

Das BMVg hat aus Sicht der Regierungskoalition die

richtigen Schlüsse aus den Ereignissen gezogen und an-

gemessen gehandelt. Mit Einführung des Unbemannten

Aufklärungssystems HERON-1 ab März 2010 verfügt das

Deutsche Einsatzkontingent nun endlich über eine deut-

lich gesteigerte nationale Aufklärungsfähigkeit bei Tag

und Nacht, welche zusätzlich mit der entsprechenden

Verweildauer über einem Einsatzgebiet versehen ist.

3. Wirkmittel

Bei der Ausstattung mit Wirk- und Aufklärungsmitteln

sind gewisse Parallelen zu erkennen. Wie bei den Aufklä-

rungsmitteln verfügte Oberst i. G. Klein nicht über adä-

quate nationale Wirkmittel. Er war auch unter diesem

Aspekt gezwungen, die ISAF Flugzeuge vor Ort zu hal-

ten, um bei Lageverschärfung einen entsprechenden Ent-

schluss zum Waffeneinsatz fassen. Die mangelnde Aus-

stattung mit geeigneten nationalen Wirkmitteln verwehrte

dem Kommandeur zudem eine differenzierte Reaktion auf

aktuelle Lageentwicklungen.

Oberst i. G. Klein hatte lediglich die Alternative zwischen

Untätigkeit und Luftangriff (wenn auch mit den kleinsten

zur Verfügung stehenden Bomben). Eine frühzeitige Ein-

flussnahme und ggf. deeskalierende Wirkung auf die Lage

durch mildereMittel (Einsatz der Artillerie, Einsatz

Kampfhubschrauber) war ihm verwehrt. Um zukünftig

ähnliche Situationen zu vermeiden, sollten die Einsatz-

kontingente aus Sicht der Regierungskoalition über alle

für den Einsatz erforderlichen Wirkmittel vor Ort verfü-

gen. Dies beinhaltet natürlich auch weiterhin den Close

Air Support Einsatz. Nur durch ein breites Repertoire an

Wirkmitteln ist der militärische Führer vor Ort in der

Lage, angemessen und lagegerecht mit dem mildesten

Mittel zu reagieren.

Der bewusste Verzicht der militärischen Führung auf

Eskalationspotential führte nicht zu einer Entspannung

der Lage, sondern zu einer sich ständig zuspitzenden

Bedrohung des Kontingents und der Feldlager. Durch den

Einsatz der Panzerhaubitze 2000 und des Schützenpanzers

Marder ab Frühjahr 2010 konnte das Eskalationspotenzial

des deutschen Einsatzkontingents gesteigert und der ope-

rative Handlungsspielraum zurückgewonnen werden. Der

vom BMVg beschrittene Weg wird von der Regierungs-

koalition begrüßt.

III. Ausbildung

Es konnte festgestellt werden, dass im Nachgang des

Luftangriffs von Kunduz bereits einige Maßnahmen zur

Verbesserung der Ausbildung veranlasst wurden. So ent-

sandte das BMVg bereits unmittelbar nach dem Luftang-

riff im September 2009 ein Ausbildungsteam nach Afg-

hanistan, um erkannte Mängel im Bereich der Zusam-

menarbeit mit Luftfahrzeugen zu beheben. Die Ausbil-

dung umfasste auch die nochmalige intensive Einweisung

in die einschlägigen RoE .

Gleichzeitig wurde überprüft, wie Verfahren und RoE an

die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort angepasst wer-

den können. Diese Vorschläge fanden Eingang in die

ISAF Verfahren. Einhergehend mit der Ausbildungsinten-

sivierung in Afghanistan, hat die Bundeswehr die Ausbil-

dung der JTAC in Deutschland verbessert. Damit wird

deutlich, dass der Wissens- und Erfahrungsfluss aus dem

Einsatz in die unmittelbare Ausbildung des Nachfolge-

kontingents sichergestellt sein muss. Dieses Handlungs-

prinzip hat für alle Bereiche Gültigkeit.

IV. Themenkomplex Informationsarbeit

Gegenstand des Untersuchungsauftrages war auch die

Informationspolitik des BMVg. Seit September 2009 hat

das BMVg aus Sicht der Regierungskoalition entschei-

dende Schritte in Richtung einer umfassenden und trans-

parenten Informationspolitik gemacht. Dabei wurde ein

gutes Gleichgewicht zwischen den bestimmenden Größen

„Belastbarkeit der bereitgestellten Informationen“ und
„größtmögliche Schnelligkeit“ erlangt.

V. Information des Parlaments

Die Information des Parlaments wurde in den letzten

Monaten deutlich verbessert. Neben regelmäßigen Infor-

mationen wird das Parlament auch anlassbezogen unter-

richtet. Als Beispiel seien hier die wöchentlichen Unter-

richtungen des Parlaments, die Obleuteunterrichtungen,

die Unterrichtungen des Verteidigungsausschusses und

die Berichte der Bundesregierung in den Einsatzgebieten

genannt.

Hinzu treten weitere Verbesserungen. So wurde z.B. die

Zuständigkeit für die Herausgabe der schriftlichen Obleu-

teunterrichtung über Ereignisse in den Einsatzgebieten

vom BMVg an das EFK delegiert. Seitdem ist festzustel-

len, dass die Schnelligkeit der Informationsbereitstellung,

aber auch der Detaillierungsgrad der Informationen, deut-

lich verbessert wurde. Weiterhin wirkt sich positiv aus,

dass der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos

wie bereits erwähnt an den Sitzungen des Verteidigungs-

ausschusses sowie an den mündlichen Obleuteunterrich-

tungen teilnimmt. Dadurch werden der Informationsgehalt

und die Detailschärfe gesteigert.

Mit diesem nun weiterentwickelten, flexibleren Informa-

tionssystem wird das Parlament aus Sicht der Regie-

rungskoalition besser unterrichtet.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 431 – Drucksache 17/7400

VI. Information der Öffentlichkeit

Die Bundeswehr informiert seit einiger Zeit in einschlägi-

gen zeitgemäßen Medien (www.bundeswehr.de,

www.bmvg.de, www.youtube.combundeswehr,

www.flickr.com) über die Geschehnisse in den Einsatz-

gebieten. Seit Anfang 2011 wird auch die auf der Unter-

richtung für das Parlament aufbauende Unterrichtung der

Öffentlichkeit wöchentlich bereit gestellt. Somit werden

die Ereignisse in den Einsatzgebieten im Gesamtkontext

dargestellt und bewertet.

Die Bereitstellung der Informationen über besondere

bundeswehrrelevante Ereignisse in den Einsatzgebieten

erfolgt über ein Online-Meldeformat. Dadurch kann die

Bundeswehr nun grundsätzlich Informationen schneller

übermitteln und bereitstellen als internationale Nachrich-

tenagenturen. Insgesamt hat sich das Informationsangebot

für die Öffentlichkeit und die Transparenz der Arbeit des

BMVg aus Sicht der Regierungskoalition signifikant

verbessert.

VII. Zusammenfassung

Festzuhalten ist, dass aus den Ereignissen in Kunduz im

Wesentlichen richtige Schlüsse gezogen wurden. Sinnvol-

le Maßnahmen wurden insbesondere im Bereich der

Strukturen, Zuständigkeiten und Kommunikation getrof-

fen.

Hinsichtlich der Ausstattung und Ausrüstung der Truppe

im Einsatz bleibt festzuhalten: Der militärische Ratschlag

an die politische Leitung hat sich an den Einsatzrealitäten

auszurichten und nicht an dem, was aus Sicht der Berater

politisch angebracht scheint. Nur auf diesen Grundlagen

lassen sich poltische Schlussfolgerungen korrekt ableiten

und Verantwortungen klar verorten. Für die Truppe im

Einsatz sind die erforderlichen Mittel in jeder Hinsicht

bereit zu stellen. Alles, was nicht unmittelbar dem Einsatz

dient, hat zurückzustehen. So lässt sich der erforderliche

finanzielle Spielraum schaffen.

Drucksache 17/7400 – 432 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
B. Gemeinsames Positionspapier „lessons learned“ der SPD-Bundestagsfraktion und der Frakti-

on Bündnis 90/Die Grünen vom 23. September 2011.

Auf der Grundlage der in der Beweisaufnahme gewonne-

nen Erkenntnisse sind Schlussfolgerungen für die Zukunft

zu ziehen („lessons learned“). Hier bestehen zum einen
Nachsteuerungsnotwendigkeiten auf Seiten der Bundesre-

gierung (I.), zum anderen aber auch möglicher gesetzge-

berischer Handlungsbedarf (II.).

I. Handlungsbedarf auf der Ebene der Bun-
desregierung

1. Im Bereich der nationalen Einsatzvorgaben
des ISAF-Mandats

Die Bundesregierung wird aufgefordert zu erklären, ob

die von ihr immer wieder betonte Geltung des Grundsat-

zes der Verhältnismäßigkeit bei der militärischen Gewalt-

anwendung durch deutsche Soldatinnen und Soldaten und

das dadurch bedingte nationale Verbot „gezielter Tötun-
gen“ weiterhin Geltung hat oder ob die Bundesregierung
das ISAF-Mandat des Bundestages inzwischen so ver-

steht, dass sich die Bundeswehr auch verstärkt an geziel-

ten offensiven Vernichtungsangriffen gegenüber vermute-

ten Taliban außerhalb konkreter Selbstverteidigungs- oder

Nothilfesituationen im Sinne einer präventiven „Liquidie-
rung“ beteiligen soll.

2. Im Bereich der „Task Force 47“

Die Beweisaufnahme hat eine problematische Vermen-

gung der Aufgaben von Task Force 47 und PRT erkenn-

bar werden lassen. Die Bundesregierung wird deshalb

aufgefordert,

– Maßnahmen zu ergreifen, um eine klare Trennung
zwischen den Aktivitäten der Task Force 47 und den

Aufgaben der PRTs zu bewirken und eine den Vor-

gaben des NATO-Operationsplans widersprechende

Vermengung der Aufgaben und Befugnisse der Task

Force mit denen des PRT zukünftig zu vermeiden.

Dabei ist der neuen PRT-Struktur Rechnung zu tra-

gen.

– dauerhaft sicherzustellen, dass die PRTs über eine
aufgabengerechte technische Ausstattung verfügen,

so dass keinesfalls mehr ein Rückgriff auf Gefechts-

stände und Personal der Task Force für PRT-Einsätze

erfolgt.

3. Im Bereich der technischen Ausstattung
der Bundeswehr in Auslandseinsätzen

Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, das Perso-

nal für die Bedienung der unbemannten Luftfahrzeuge

(UVA) aufzustocken, um deren Schichtfähigkeit zu ga-

rantieren.

4. Im Bereich des Militärischen Nachrichten-
wesens der Bundeswehr

Die Beweisaufnahme hat eine Vielzahl von Defiziten im

Umgang der beteiligten Soldaten mit der zentralen men-

schlichen „Kontaktperson“ erkennbar werden lassen.

Die Bundesregierung wird deshalb – unabhängig von der
aktuellen Debatte über die mögliche Auflösung des MAD

– aufgefordert,

– Maßnahmen zu ergreifen, um die bestehenden Ver-
fahren der Führung menschlicher Kontakte im Be-

reich des Militärischen Nachrichtenwesens der Bun-

deswehr grundlegend zu überprüfen.

– Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbildung und
Kontrolle der Feldnachrichtenkräfte im Bereich der

Führung von HUMINT-Kontakten, insbesondere in

Bezug auf die Verfahren der Informationsübermitt-

lung an den militärischen Entscheider im Rahmen

operativer Unterstützungshandlungen, die Verfahren

der zielgerichteten Gesprächsführung und die Vorga-

ben zur Analyse und Bewertung von Informationen

von HUMINT-Quellen zu verbessern. Hierzu gehört

auch die Bereitstellung ausreichend qualifizierter und

zuverlässiger Sprachmittler.

– Maßnahmen zu ergreifen, um die Koordinierung
innerhalb des Militärischen Nachrichtenwesens sowie

seine fachaufsichtliche Kontrolle einer umfassenden

Überprüfung durch das Bundesministerium der Ver-

teidigung und – soweit der BND betroffen ist – das
Bundeskanzleramt zu unterziehen.

– Vorschläge zu erarbeiten, wie die parlamentarische
Kontrolle des Militärischen Nachrichtenwesens der

Bundeswehr zukünftig ohne Beeinträchtigung der

Einsatzfähigkeit der Bundeswehr verbessert werden

kann.

5. Im Bereich der Aus- und Fortbildung

Die Beweisaufnahme hat eine Vielzahl von Verstößen

gegen die ISAF-Einsatzregeln und gegen nationale Vor-

gaben im Zusammenhang mit dem konkreten Waffenein-

satz sowie hinsichtlich der richtigen völkerrechtlichen

Bewertung von Konfliktlagen im Einsatz erkennbar wer-

den lassen. Die Bundesregierung wird deshalb aufgefor-

dert,

– Maßnahmen zu ergreifen, um im Rahmen des
Rechtsunterrichts eine nachhaltige Verbesserung von

Aus- und Fortbildung der Soldatinnen und Soldaten

hinsichtlich des Verstehens und der korrekten An-

wendung der bindenden Rules of Engagement der

NATO sowie der nationalen Einsatzvorgaben zu er-

wirken.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 433 – Drucksache 17/7400

– Maßnahmen zu ergreifen, um den Soldatinnen und
Soldaten die wichtigsten verfassungs- und völker-

rechtlichen Rahmenbedingungen so verständlich zu

machen, dass sie sich mühelos im täglichen Einsatz

daran orientieren können.

– Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass
alle an einer militärischen Operation beteiligten Sol-

datinnen und Soldaten in Kenntnis der zur Anwen-

dung kommenden Einsatzregeln handeln.

– Maßnahmen zu ergreifen, um die zwingende Not-
wendigkeit der Einbeziehung des Rechtsberaters in

Fällen des geplanten Einsatzes militärischer Gewalt

wirksam zu vermitteln.

– sicherzustellen, dass ein solcher ausgebildeter
Rechtsberater jederzeit als Ansprechpartner verfüg-

bar ist.

6. Im Bereich der „Inneren Führung“

Die Beweisaufnahme hat verdeutlicht, dass die Prinzipien

der „Inneren Führung“ im Kontext von Auslandseinsätzen
der Bundeswehr und im Rahmen von multilateralen Ope-

rationen der Nachbesserung bedürfen. Die Bundesregie-

rung wird deshalb aufgefordert,

– Maßnahmen zu ergreifen, um den Prinzipien der
„Inneren Führung“ wieder mehr Geltung zu verschaf-
fen und „Zivilcourage“ im Umgang mit Vorgesetzten
zu befördern.

– die Grundsätze der „Inneren Führung“ in Hinblick
auf die besonderen Bedingungen im Auslandseinsatz

weiterzuentwickeln: Die Ausbildungsinhalte zur „In-
neren Führung“ müssen hinsichtlich ihres Umfangs
und ihrer Praxistauglichkeit unter den Bedingungen

von Auslandseinsätzen hinterfragt und gegebenen-

falls überarbeitet werden.

– sicherzustellen, dass den Soldatinnen und Soldaten
der Bundeswehr im Rahmen eines speziellen Trai-

ningsangebotes vermittelt wird, was mitdenkender

Gehorsam bedeutet, wie Soldatinnen und Soldaten

von ihrem Recht, Befehle infrage zu stellen, Ge-

brauch machen können, und wie die Grundsätze der

Inneren Führung in kritischen Situationen umgesetzt

werden.

7. Im Bereich der Zusammenarbeit zwischen
militärischem und zivilem Teil der PRTs

Die Beweisaufnahme hat erhebliche Defizite in der Zu-

sammenarbeit zwischen zivilem und militärischem Teil

der PRTs erkennbar werden lassen. Ein Grund ist das

unausgewogene Verhältnis zwischen der zivilen und

militärischen Präsenz vor Ort. Obwohl der zivile Leiter

eines PRT formal gleichberechtigt mit dem militärischen

Leiter ist, wird er nur von wenigen Personen unterstützt.

Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert,

– den zivilen Strang personell zu stärken.

– sicherzustellen, dass der Informationsaustausch zwi-
schen ziviler und militärischer Leitung der PRTs zu-

künftig so verbessert wird, dass der zivile Leiter nicht

mehr auf Informationserlangung aus öffentlichen

Quellen angewiesen ist, um von wesentlichen militä-

rischen Vorgängen im PRT Kenntnis zu erlangen.

8. Im Bereich der Verwaltung des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

– die Koordinierung und die Kommunikationswege im
Rahmen des Krisenmanagements im Bundesverteidi-

gungsministerium im Hinblick auf die hohe Belas-

tung der Bundeswehr durch Auslandseinsätze zu ver-

bessern.

– sicherzustellen, dass Pressestab und militärischen
Fachabteilungen zukünftig nicht weiter planlos nebe-

neinander agieren, sondern koordiniert und abge-

stimmt die Öffentlichkeit zeitnah und wahrheitsge-

treu informieren.

– sicherzustellen, dass den Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern des Presse- und Informationsstabes des

BMVg ausreichende Kommunikationsmittel zur Ver-

fügung gestellt werden, wie zum Beispiel Mobiltele-

fone mit Internetzugang.

– einen verbesserten, ehrlicheren Umgang des Bun-
desministeriums der Verteidigung bei Unterrichtun-

gen des Parlaments - nicht nur in Bezug auf Quanti-

tät, sondern vor allem auch bezüglich der Qualität der

Informationen - sicherzustellen und dabei insbeson-

dere auch die Unterrichtung über die Einsätze von

Spezialkräften zu verbessern.

– sicherzustellen, dass schwere Verstöße gegen natio-
nale und internationale Einsatzvorgaben durch Solda-

tinnen und Soldaten angemessen disziplinarisch un-

tersucht werden und vergleichbare dienstrechtliche

Konsequenzen nach sich ziehen wie andere Dienst-

pflichtverstöße.

9. Im Bereich des Bundesministeriums der
Justiz

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Bundesminis-

terium der Justiz zu prüfen, inwiefern die im Untersu-

chungsausschuss gewonnenen Erkenntnisse es notwendig

machen, beim Generalbundesanwalt darauf hinzuwirken,

dass dessen Verfahren gerade in Fällen mit derartig offen-

sichtlicher Präzedenzwirkung zukünftig den Ansprüchen

an gründliche, wirksame und effektive Ermittlungen bes-

ser entsprechen als es die Einstellungsverfügung des Ge-

neralbundesanwalts im vorliegenden Fall erkennen lässt.

10. Im Bereich des Bundeskanzleramtes

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Mängel in der

Koordination zwischen der für Außen- und Sicherheitspo-

Drucksache 17/7400 – 434 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
litik zuständigen Abteilung 2 und der für die Aufsicht

über die Nachrichtendienste zuständigen Abteilung 6 des

Bundeskanzleramtes aufzuarbeiten und zu beseitigen.

Die Bundeskanzlerin wird aufgefordert, zukünftig ihrer

Führungsverantwortung als Regierungschefin bei derart

schwerwiegenden und folgenreichen Vorfällen von inter-

nationaler Bedeutung besser gerecht zu werden und den

von ihr öffentlich in Aussicht gestellten Maßnahmen zur

Aufklärung und zur Übernahme von Verantwortung für

deutsche Fehler auch Taten folgen zu lassen.

II. Handlungsbedarf auf der Ebene des Ge-
setzgebers

Neben den Nachsteuerungsnotwendigkeiten bei Bundes-

wehr und Bundesregierung hat sich im Rahmen der Be-

weisaufnahme auch Handlungsbedarf auf der Ebene des

Gesetzgebers gezeigt:

– Die erkannte Lücke im System der parlamentarischen
Kontrolle des Bereichs des Militärischen Nachrich-

tenwesens der Bundeswehr muss geschlossen wer-

den.

– In diesem Zusammenhang sollte durch den Gesetz-
geber erwogen werden, das Militärische Nachrich-

tenwesen unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicher-

heit auf eine eigene gesetzliche Grundlage zu stellen.

– Auch im Bereich der Strafverfolgung von Bundes-
wehrangehörigen im Zusammenhang mit Auslands-

einsätzen der Bundeswehr besteht gesetzgeberischer

Diskussionsbedarf: Aus Gründen der Rechtssicher-

heit sollte die Frage der Verfolgungszuständigkeit

des Generalbundesanwalts auch für die Verfolgung

von Straftaten nach allgemeinem Strafrecht im Zu-

sammenhang mit völkerstrafrechtlichen Sachverhal-

ten einer gesetzlichen Klärung zugeführt werden.

– Zudem sollte – auch zur Klarstellung für die Solda-
tinnen und Soldaten der Bundeswehr – geprüft wer-
den, wie das militärische Handeln deutscher Solda-

tinnen und Soldaten, insbesondere auch im Rahmen

von Auslandseinsätzen, auf eine klarere rechtliche

Grundlage, eventuell auch im Rahmen eines Bun-

deswehraufgaben- bzw. Streitkräfteeinsatzgesetzes,

gestellt werden kann.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 435 – Drucksache 17/7400

C. „Lessons Learned“ der Fraktion DIE LINKE.

Die Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen der

Fraktion DIE LINKE. sind Teil ihres Sondervotums (sie-

he oben S. 358 ff.).

Drucksache 17/7400 – 436 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
D. Protokoll über die 57. Sitzung des Untersuchungsausschusses

Auszug aus dem Kurzprotokoll der 57. Sitzung des Ver-

teidigungsausschusses als 1. Unterdsuchungsausschuss

gem. Art. 45a Abs. 2 GG – zugleich 100. Sitzung des
Verteidigungsausschusses – am Mittwoch, dem
28. September 2011, Punkt 1 der Tagesordnung „Lessons
Learned“:

Die Vorsitzende erinnert daran, dass in der Sitzung am

6. Juli 2011 beschlossen worden sei, die gewonnenen

Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der umfangrei-

chen Untersuchungsarbeit in den vergangenen fast zwei

Jahren zusammenzutragen und deren Umsetzungsmög-

lichkeiten zu evaluieren. In der heutigen Beratung solle

herausgearbeitet werden, wie das Ergebnis der Untersu-

chung in die weitere Arbeit des Verteidigungsausschusses

einfließen bzw. umgesetzt werden könne.

Hierzu lägen die Bewertungen der Mehrheit sowie die

Sondervoten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Für die heutige Sit-

zung sei den Mitgliedern des Ausschusses ein gemeinsa-

mes „Diskussionspapier“ der Fraktionen der SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Beratungsunterlage 17-

315 zugegangen. Ein entsprechendes Papier der Koaliti-

onsfraktionen liege als Tischvorlage (Beratungsunterlage

17-316) vor. Weiter stehe der Generalinspekteur der Bun-

deswehr, General Wieker, zur Verfügung. Dieser sei heute

nicht als Zeuge oder Sachverständige geladen, sondern als

Vertreter der Bundesregierung anwesend. Sie habe ihn

gebeten, aus seiner Sicht darzustellen, was seitens des

Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundes-

wehr aus dem Luftangriff von Kunduz am 4. September

2009 für Schlüsse gezogen worden seien, welche Miss-

stände identifiziert und welche davon gegebenenfalls

bereits abgestellt worden seien. Schließlich sei Abg.

Siegfried Kauder eingeladen, seine Vorschläge zu einem

zielführenden Umgang mit Geheimnissen in Untersu-

chungsausschüssen vorzustellen.

Die Vorsitzende stellt Einvernehmen her, dass zunächst

die Fraktionen der Stärke nach darstellen, welche Lehren

aus ihrer Sicht aus den Untersuchungen zu ziehen seien

und dann der Generalinspekteur der Bundeswehr das

Wort erhalte. Anschließend werde der Umgang mit Ge-

heimnissen behandelt.

Die Vorsitzende stellt des weiteren Einvernehmen her,

das Kurzprotokoll über die heutige Sitzung auszugsweise

dem Bericht als Anhang beizufügen.

I. Bericht der Fraktionen

Abg. Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU) erklärt, dass im

Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Luft-Boden-

Einsatzes am 4. September 2009 in Kunduz den Mitglie-

dern der Bundesregierung kein Vorwurf gemacht werden

könne. Insbesondere Bundeskanzlerin Dr. Merkel sowie

die Bundesminister Dr. Jung und Freiherr zu Guttenberg

hätten sachgerecht gehandelt und Parlament und Öffent-

lichkeit entsprechend ihres jeweiligen Informations-

standes umfassend informiert. Die von der Opposition

erhobenen Vorwürfe hätten sich allesamt als haltlos er-

wiesen. Auch etwaige Verschwörungstheorien im Zu-

sammenhang mit einer vermeintlichen Beteiligung der

Task Force 47, des Bundesnachrichtendienstes oder ande-

rer Geheimdienste hätten sich nicht bestätigt. Der Bun-

desnachrichtendienst habe nicht gegen geltendes Recht

verstoßen.

Unklarheiten bei ministeriellen Zuständigkeiten seien

durch Aufhebung redundanter Strukturen im Bundesmi-

nisterium der Verteidigung im Zuge der Bundeswehrre-

form beseitigt worden. Künftig werde die Kommandolinie

aus dem Einsatz stringent auf den Generalinspekteur der

Bundeswehr zulaufen, der gegenüber dem Minister ver-

antwortlich sei. Durch die Eingliederung des Einsatzfüh-

rungsstabes in die reguläre Ministerialstruktur sei auch im

Bereich der Führung die Redundanz zum Einsatzfüh-

rungskommando aufgehoben worden.

Der Luftangriff vom 4. September 2009 sei militärisch

nicht angemessen gewesen, was dem Wissensstand des

Kommandeurs über das Geschehen auf der Sandbank

geschuldet sei. Den Einsatzes habe Oberst Klein aus dem

beengten Gefechtsstand der Task Force 47 geführt, weil

dieser über eine modernere Gefechtstechnik verfügte als

der originäre PRT-Gefechtsstand. Dies habe zur Folge

gehabt, dass der Kommandeur nicht über den vollen Bera-

terstab verfügt habe, sondern ihm lediglich einige Ange-

hörige seines Stabes zur Verfügung gestanden hätten. Die

erprobten und eingespielten Verfahren des PRT-Stabs,

insbesondere die Beratung des Kommandeurs durch seine

Stabsoffiziere, hätten unter diesen Umständen nicht ab-

laufen können. Die schlechtere technische Ausstattung

des PRT-Gefechtstandes habe den militärischen Führer

vor Ort somit in seiner Führungsfähigkeit entscheidend

eingeschränkt. Künftig sei deshalb aus Sicht der Regie-

rungskoalition darauf zu achten, dass der für einen Ein-

satzraum verantwortliche Kommandeur in seinem Ge-

fechtstand über mindestens die gleichen technischen Fä-

higkeiten verfügt, wie die eingesetzten Spezialkräfte.

Zur Herstellung eines umfassenden Lagebildes bedürfe es

des Rückgriffs auf unterschiedliche Aufklärungsmittel. Im

Fall des Luftangriffs sei die Nutzung der HUMINT-

Kräfte die wesentliche Informationsquelle des Komman-

deurs gewesen. Zwar hätte die Informationsübermittlung

von der HUMINT-Quelle vor Ort über den Operator bis

hin zum Kommandeur technisch besser gestaltet werden

können, jedoch habe sich das Verfahren insgesamt be-

währt und auf menschliche Quellen könne nicht verzichtet

werden. Die Bundeswehr sei abhängig von nicht-

nationalen Aufklärungsmitteln vor Ort. Nationale Ausklä-

rungsmittel hätten nicht zur Verfügung gestanden oder

seien für einen Nachteinsatz ungeeignet gewesen. Das

Bundesministerium der Verteidigung habe inzwischen mit

der Einführung des unbemannten Ausklärungssystems

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 437 – Drucksache 17/7400

HERON-1 diese Fähigkeitslücke geschlossen und somit

das deutsche Einsatzkontingent mit einer deutlich gestei-

gerten nationalen Ausklärungsfähigkeit bei Tag und

Nacht versehen.

Oberst Klein habe nicht über adäquate nationale Wirkmit-

tel verfügt. Er sei gezwungen gewesen, die ISAF-

Flugzeuge vor Ort zu halten, um bei Lageverschärfung

einen Waffeneinsatz befehlen zu können. Eine frühzeitige

Einflussnahme oder eine Deeskalation durch mildere

Mittel, z.B. Einsatz von Artillerie oder Kampfhubschrau-

bern, sei ihm verwehrt gewesen. Er habe lediglich die

Alternative zwischen Untätigkeit und Luftangriff gehabt.

Der Mangel an Eskalationspotential habe nicht zu einer

Entspannung der Lage, sondern zu einer sich ständig

zuspitzenden Bedrohung des Kontingents und des Feldla-

gers geführt. Durch den Einsatz der Panzerhaubitze 2000

und des Schützenpanzers MARDER ab Frühjahr 2010

habe das Eskalationspotenzial des deutschen Einsatzkon-

tingents gesteigert und der operative Handlungsspielraum

zurückgewonnen werden können.

Insgesamt sei die Ausbildung zu verbessern. Die Bun-

deswehr habe bereits die Ausbildung der JTAC in

Deutschland umgestaltet.

Pannen habe es im Bundesministerium der Verteidigung

bei der Informationsarbeit gegeben. Auch hier seien die

notwendigen Schlussfolgerungen gezogen worden. Erfor-

derlich sei jeweils die richtige Mischung aus „Belastbar-
keit der bereitgestellten Informationen“ und „größtmögli-
cher Schnelligkeit“. Die Information des Parlaments sei in
den letzen Monaten deutlich verbessert worden. Zukünf-

tig vorstellbar sei, dass die Obleute über Operationen der

KSK nach deren Beendigung unterrichtet werden. Die

Information der Öffentlichkeit sei im konkreten Fall ver-

besserungswürdig gewesen.

Zum Papier der Oppositionsfraktionen sei anzumerken,

dass Begriffe, wie „präventive Liquidierung“ oder „offen-
sive Vernichtungswaffen“ in aller Schärfe zurückzuwei-
sen seien. Es stelle sich die Frage, welchen Charakter die

Oppositionsfraktionen dem Einsatz zuzubilligen gedäch-

ten. Wer sich zu dem Einsatz bekenne, könne nicht so tun,

als handle es sich um einen Hilfseinsatz eines grünangest-

richenen technischen Hilfswerks.

Auf der anderen Seite gebe es eine Reihe gemeinsamer

Forderungen von Koalition und Opposition. Seine Frakti-

on strebe an, diese Gemeinsamkeiten in einem Lessons

Learned-Papier zusammenzufassen.

Unterstützenswert sei die Forderung der Oppositionsfrak-

tionen sicherzustellen, dass die PRTs über eine aufgaben-

gerechte technische Ausstattung verfügen, sodass ein

Rückgriff auf Gefechtsstände und Personal der Task For-

ce für PRT-Einsätze nicht mehr erfolge. Dies gelte unab-

hängig von dem Umstand, dass eine Vermischung der

Aufgaben von PRT und Task Force 47 im konkreten Fall

nicht stattgefunden habe. Auch die Forderung, das Perso-

nal für die Bedienung der unbemannten Luftfahrzeuge

aufzustocken, um deren Schichtfähigkeit zu gewährleis-

ten, werde von seiner Fraktion unterstützt.

Im Bereich des militärischen Nachrichtenwesens der

Bundeswehr teile seine Fraktion die Auffassung, dass die

Bereitstellung ausreichend qualifizierter und zuverlässiger

Sprachmittler sichergestellt sein müsse.

Zum Abschnitt Aus- und Fortbildung im Oppositionspa-

pier sei anzumerken, dass die Verstöße gegen die Einsatz-

regeln bereits im COM ISAF-Bericht aufgeführt gewesen

seien und die militärische Führung daraufhin entspre-

chende Maßnahmen getroffen habe. Der Forderung, die

Aus- und Fortbildung der Soldaten hinsichtlich des Ver-

stehens und der korrekten Anwendung der bindenden

Rules of Engagement der NATO sowie der nationalen

Einsatzregeln zu verbessern, stehe man ebenfalls aufge-

schlossen gegenüber. Insbesondere der Rechtskundeunter-

richt und die Staatsbürgerkunde seien zu intensivieren.

Allerdings verallgemeinere die Opposition zu sehr, ent-

sprechende Schulungen seien auch in der Vergangenheit

durchgeführt worden.

Das gelte im Prinzip auch für den Bereich der Inneren

Führung. Es sei immer zu begrüßen, den Prinzipien der

Inneren Führung Geltung zu verschaffen, den mitdenken-

den Gehorsam und die Zivilcourage im Umgang mit Vor-

gesetzten zu befördern. Eine Überprüfung der Grundsätze

der Inneren Führung am konkreten Fall, hier: des Luft-

schlages von Kunduz, sei allerdings wenig hilfreich. Letz-

tlich müsse für eine Überprüfung ein positiver Ansatz

gefunden werden.

Die Forderung im Oppositionspapier nach einer verbes-

serten Zusammenarbeit zwischen dem militärischen und

dem zivilen Teil der PRTs sei zuzustimmen. Mit dem

Bundesministeriums der Verteidigung sei eine gemeinsa-

me Position zur Verbesserung der Kommunikationswege

möglich.

Überflüssig sei der Tadel an der Bundesanwaltschaft.

Fragwürdig hingegen sei der mangelnde Ermittlungswil-

len der Staatsanwaltschaft in Bezug auf den begangenen

Geheimnisverrat.

Falsch sei die Aufforderung an die Bundeskanzlerin, ihrer

Führungsverantwortung als Regierungschefin gerecht zu

werden. Sie nehme ihre Führungsverantwortung wahr.

In Bezug auf die parlamentarische Kontrolle sei gesetzge-

berischer Handlungsbedarf nicht erkennbar. Handlungs-

bedarf gebe es für den Gesetzgeber jedoch bei der Set-

zung des rechtlichen Rahmens für die Einsätze, insbeson-

dere für die Strafverfolgung. Die Handlungs- und Rechts-

sicherheit der Soldaten im Einsatz müsse gestärkt werden.

Abg. Rainer Arnold (SPD) plädiert dafür, die für die

heutige Sitzung erstellten Positionspapiere von Koalition

und Opposition in ihrer derzeitigen Fassung gemeinsam

mit dem Protokoll über diese Sitzung zu veröffentlichen.

Ungeachtet dessen gebe es eine Reihe von Punkten, bei

denen seine Fraktion mit den Koalitionsfraktionen über-

einstimme.

Den Ausführungen des Abg. Ernst-Reinhard Beck zur

Task Force 47 und den entsprechenden Verschwörungs-

theorien sei zuzustimmen. Schon das Ausräumen dieser

Drucksache 17/7400 – 438 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Vorwürfe hätten dem Untersuchungsausschuss seine

Berechtigung gegeben.

Unschlüssig sei die Behauptung, Bundesminister Dr.

Jung und Freiherr zu Guttenberg hätten sachgerecht ge-

handelt. Wäre dem so, stellte sich die Frage, warum die

Bundeskanzlerin intervenieren musste, damit Dr. Jungs

öffentliche Äußerungen korrigiert wurden, und warum zu

Guttenberg seine Bewertung des Luftschlages änderte

ohne dies begründen zu können.

Die Feststellung der Koalitionsfraktionen, die entspre-

chenden Gremien seien voll umfänglich und korrekt in-

formiert worden, treffe nicht zu. Auch habe sich die Pra-

xis zur Unterrichtung des Parlaments nicht verbessert,

weder zum Positiven noch zum Negativen. Zutreffend sei,

dass es bei der Unterrichtung des Parlaments einen Ziel-

konflikt zwischen der Schnelligkeit der Unterrichtung und

der Belastbarkeit der übermittelten Informationen gebe.

Inzwischen erhalte der Ausschuss zwar unmittelbar E-

Mails aus dem Einsatzführungskommando. Dafür sei jetzt

der Staatssekretär nicht mehr eingebunden. Wichtig sei

seiner Fraktion, dass spätestens nach Abschluss einer

Operation der Spezialkräfte der gesamte Verteidigungs-

ausschuss über das Wesentliche unterrichtet werde.

Die Nutzung einer fremden Operationszentrale durch

Oberst Klein sei kein hinreichender Grund gewesen, auf

die Beteiligung seiner gesamten Berater zu verzichten.

Jedenfalls der Rechtsberater hätte hinzugezogen werden

müssen. Erfreulich sei die Verbesserung der Zuständig-

keiten im Bundesministerium der Verteidigung und die

klare Trennung der Verantwortlichkeiten der Task Force

47 einerseits und der PRT-Führung andererseits. Damit

entfalle auch ein Bedürfnis für eine gemeinsame Operati-

onszentrale. Schon aus mentalen Gründen sei es zweck-

mäßig, wenn jemand, dessen Auftrag der Wiederaufbau

sei, nicht auch gleichzeitig Gefechte führen müsse.

Nicht richtig sei, dass Oberst Klein keine Aufklärungsmit-

tel zur Verfügung gestanden hätten. Vielmehr sei dieser

der Auffassung gewesen, dass das Bedienpersonal über-

nächtigt gewesen sei und er dieses nicht habe wecken

wollen. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Mast, von

dem aus der Luftschlag aufgenommen wurde, nicht auch

als Aufklärungsmittel genutzt worden sei.

HUMINT-Quellen seien unverzichtbar. Allerdings bewe-

ge sich die Führung menschlicher Quellen durch die Bun-

dewehr in einer „Grauzone“. Im Gegensatz zu den Mitar-
beitern des Bundesnachrichtendienstes seien Bundes-

wehrsoldaten nicht entsprechend ausgebildet, es fehle

eine rechtliche Grundlage und die parlamentarische Kont-

rolle sei nicht gewährleistet.

Zum Thema Innere Führung: Als Ergebnis des Luftschla-

ges von Kunduz müsse untersucht werden, was der „ro-
buste“ Einsatz in Afghanistan in den Köpfen der Soldaten
verändere. Von jungen Soldaten könne nicht erwartet

werden, dass sie sich ohne Probleme zurecht finden in

dem Spannungsverhältnis zwischen Wut auf den angrei-

fenden Gegner und dem Erfordernis, Einsatzregeln, inter-

nationales Recht und das Gebot der Verhältnismäßigkeit

einzuhalten. Politisch geklärt werden müsse, wie offensiv

die Bundeswehr in Afghanistan auftreten solle, etwa ob

die Bundewehr Gegner nur gefangen nehmen oder auch

töten solle. Was die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan

erlebten, passe kaum zusammen mit der Art und Weise,

wie der Einsatz im parlamentarischen Raum in Deutsch-

land diskutiert werde. Vor dieser Frage dürfe sich die

Politik nicht drücken.

Abg. Joachim Spatz (FDP) bestätigt das vom Abg. Rai-

ner Arnold angesprochene Spannungsfeld für die Bun-

deswehrsoldaten. Daraus ergebe sich Handlungsbedarf für

den Umgang mit Soldaten und Veteranen, insbesondere in

Bezug auf Posttraumatische Belastungsstörungen und

andere körperliche und geistige Schädigungen durch den

Einsatz. Der „Kriegseinsatz“ verändere aber auch das
innere Gefüge der Bundeswehr. Inzwischen müsse die

Frage gestellt werden, ob man sich zu Beginn des Einsat-

zes in Bezug auf die formulierte Zielstellung des Einsat-

zes nicht erheblich übernommen habe. Auch dies erkläre

die jetzt zutage getretenen Defizite.

Zu loben seien SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

dafür, dass sie in ihrem Papier die „Auftragstaktik“ nicht
in Frage gestellt haben. Im Nachhinein bei Vorliegen aller

Informationen wüssten stets viele sehr genau, was und

wie alles hätte richtig gemacht werden müssen. Im Falle

Kunduz habe daher die Versuchung bestanden, mehr

Fernsteuerung und Kontrolle zu fordern. Dieser Versu-

chung sei der Ausschuss nicht erlegen. Die „Auftragstak-
tik“ habe sich bewährt.

Anders als von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

unterstellt, habe die Beweisaufnahme keine Anhaltspunk-

te dafür ergeben, dass sich deutsche Soldaten an geplan-

ten, gezielten Tötungsoperationen beteiligten.

Im Übrigen verweist der Abg. Joachim Spatz (FDP)

bezüglich der getroffenen Feststellungen sowohl auf den

gemeinsamen Bewertungsteil von CDU/CSU und FDP als

auch auf die dazu getätigten Ausführungen des Obmanns

der CDU/CSU-Fraktion, Abg. Ernst-Reinhard Beck.

Abg. Paul Schäfer (DIE LINKE.) begründet, warum sich

seine Fraktion dem Papier der anderen Oppositionsfrak-

tionen nicht angeschlossen habe. Seine Fraktion wolle die

Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht optimieren, son-

dern beenden. Die Schlussfolgerungen der Fraktion

DIE LINKE. aus dem Luftschlag seien in ihrem Sonder-

votum nachzulesen.

Nach Lektüre des Papiers der Koalitionsfraktionen frage

er sich, was die Umstrukturierung des Einsatzführungs-

kommandos und des Einsatzführungsstabes mit den Vor-

gängen in Kunduz zu tun habe. Der Einsatzführungsstab

habe seinerzeit eine sehr oberflächliche Bewertung des

COM ISAF-Berichts vorgenommen. Ursächlich hierfür

seien keine strukturellen Gründe, sondern politische ge-

wesen. Wenn man zum Ergebnis komme, dass der Minis-

ter falsch beraten worden sei, bedeutet das auf der ande-

ren Seite aber auch, dass er sich habe falsch beraten las-

sen. Nach seiner eigenen Aussage habe er den gesamten

COM ISAF-Bericht gelesen; er hätte also die Möglichkeit

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 439 – Drucksache 17/7400

gehabt, entsprechende Defizite in der Beratung zu erken-

nen. Auch eine Verbesserung der Organisationsstrukturen

würde grundsätzliche Defizite nicht beseitigen.

Wichtig sei, inwieweit es eine rechtliche Aufarbeitung

gegeben habe. Beim Luftschlag von Kunduz habe es

eklatante Verstöße gegen das Völkerrecht gegeben. Die

Bundesanwaltschaft sei ihrer Pflicht zur Aufklärung nur

unzureichend nachgekommen. Gleiches gelte für die

disziplinarrechtliche Aufarbeitung durch die Bundeswehr.

Wichtig sei seiner Fraktion der Bereich der Inneren Füh-

rung. Diese sei ein wesentliches Instrument, um in derar-

tigen Szenarien die Einhaltung rechtlicher Vorschriften zu

gewährleisten. Interessant sei, dass die US-

Amerikanischen Piloten vor dem Bombenabwurf Skrupel

gehabt und mehrfach nachgefragt hätten, ob sie eine

Show-Of-Force fliegen sollten, um Opfer unter der Zivil-

bevölkerung zu vermeiden. Dies hätte auch der Maßstab

für die Soldaten der Bundeswehr sein müssen. Die Hal-

tung von Oberst Klein, auf einen Rechtsberater verzichten

zu können, lasse Defizite erkennen.

Die Untersuchung habe gezeigt, dass das militärische

Nachrichtenwesen intensiver parlamentarisch kontrolliert

werden müsse. Die Informationspolitik der Bundeswehr

habe sich strukturell nicht verbessert. Über die Operatio-

nen von Spezialkräften werde das Parlament weiterhin

nur ungenügend unterrichtet; selbst im Nachhinein werde

nur bruchstückhaft informiert.

Nicht entscheidend gewesen sei für die Information der

Öffentlichkeit, ob das Auswärtige Amt oder das Bundes-

verteidigungsministerium für den Afghanistaneinsatz

federführend gewesen sei oder ob es einen Konflikt zwi-

schen dem Kanzlerprinzip und dem Ressortprinzip gege-

ben habe. Ursache für die verfehlte Unterrichtung der

Öffentlichkeit sei vielmehr der Bundestagswahlkampf

gewesen. Gewisse Informationen habe man damals nicht

bekannt werden lassen wollen.

Für die Fraktion DIE LINKE. stehe fest, dass Oberst

Klein einen Riesenfehler begangen habe. Aber die Haupt-

lehre von Kunduz sei es, dass dieser Fehler der gesamten

Einsatzsituation geschuldet sei: Wer Soldaten zur Auf-

standsbekämpfung entsende, müsse mit derartigen Folgen

rechnen. Die Lösung könne daher nur die Beendigung der

Auslandseinsätze und Abzug der Bundeswehr aus Afgha-

nistan sein.

Abg. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

erklärt, unter der Fragestellung „Lessons learned“ gehe es
nicht um die Bewertung der persönlichen Schuld von

Oberst Klein. Entscheidend sei, welcher Handlungsbedarf

sich aus dem Untersuchten ableite. Darauf hätten sich

SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Papier

konzentriert.

Unverständlich sei, dass die Koalition den Verzicht von

Oberst Klein auf Beteiligung seines Beraterstabes mit der

Enge in der Operationszentrale erkläre. Das habe Oberst

Klein selbst anders dargestellt. Dieser habe bekundet, er

habe seinen Stab nicht wecken wollen. Beim Thema

Wirkmittel und Deeskalation gehe die Koalition nicht auf

die unterlassene „show of force“ ein. Unschlüssig sei,
dass die Koalition einerseits behaupte, die Bundeskanzle-

rin und Bundesminister Dr. Jung hätten das Parlament

stets entsprechen ihres jeweiligen Informationsstandes

umfassend informiert, andererseits werde behauptet, die

Information des Parlaments sei in den letzten Monaten

deutlich verbessert worden.

Er freue sich, dass es gelungen sei, mit der SPD-Fraktion

ein gemeinsames „Lessons Learned“-Papier zu verfassen.
Unterschiedlicher Auffassung seien diese beiden Fraktio-

nen lediglich in Bezug auf die Task Force 47. Wün-

schenswert wäre es, wenn dieses auch mit den übrigen

Fraktionen gelänge. Das Herausstreichen von Gemein-

samkeiten durch Abg. Ernst-Reinhard Beck lasse Eini-

gungsmöglichkeiten erhoffen. So könnten gemeinsame

Forderungen zur Inneren Führung und zur Ausstattung

der PRTs formuliert werden.

Besonders wichtig seien aus seiner Sicht die vier Punkte

im Papier von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zum gesetzgeberischen Handlungsbedarf, insbesondere

zur Kontrolle des militärischen Nachrichtenwesens und

der Prüfung eines Bundeswehraufgaben- bzw. Streitkräf-

teeinsatzgesetzes.

Abg. Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU) erwidert auf die

Bemerkung von Abg. Omid Nouripour zu der Anführung

des beengten Gefechtsstandes im Koalitionspapier, es sei

ein Unterschied, ob in einem vertrauten Umfeld mit ei-

nem eingespielten Team oder in einem Provisorium gear-

beitet werde. Es sei gegenüber Oberst Klein unfair, diesen

Umstand abzutun. Von Abg. Rainer Arnold erwarte er ein

größeres Verständnis für die Bundeswehrsoldaten in einer

Kriegssituation. Für diese dürfe der Waffeneinsatz nicht

auf Selbstverteidigung oder Nothilfe beschränkt werden.

Das Mandat für die Bundeswehr sei hier sehr eindeutig:

Militärische Gewalt dürfe eingesetzt werden zur Durch-

setzung des Auftrages. Die SPD verfahre nach dem Mot-

to: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Zu
Abg. Paul Schäfer erwidert er, der Generalbundesanwalt

habe für die Bewertung des Verhaltens von Oberst Klein

das Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten

Konflikts angenommen. Auf dieser Grundlage habe er

geprüft, ob ein Kriegsverbrechen in Betracht komme.

Ergebnis sei gewesen, es bestehe kein Anfangsverdacht

für ein Kriegsverbrechen. Damit seien Ermittlungen nicht

erforderlich gewesen. Das sei hinzunehmen. Zu der

Schaffung klarer Verantwortungs- und Zuständigkeitsbe-

reiche erklärt er, für die Unterrichtung der politischen

Ebene sei es von Bedeutung, dass eindeutig sei, ob die

politische Führung über das Einsatzführungskommando

oder über den Einsatzführungsstab unterrichtet werde.

Zum Vorschlag des Abg. Omid Nouripour eines gemein-

samen „lessons learned“-Papiers erklärt er, er sei bereit,
an der Erstellung eines gemeinsamen Forderungskatalo-

ges aller Fraktionen mitzuarbeiten. Hierzu solle sich die

Arbeitsebene ein weiteres Mal zusammensetzen.

Abg. Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) erwidert zu Abg.

Ernst-Reinhard Beck, der Deutsche Bundestag habe kein

Drucksache 17/7400 – 440 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Mandat zu Kriegsführung erteilt, sondern zur Hilfe in

einer besonderen Situation, in der die Bundeswehr weder

Kriegs- noch Bürgerkriegspartei sei. Der Formulierung

einer gemeinsamen abschließenden Bewertung gegenüber

sei er skeptisch, solange die Koalition an der Position

festhalte: Der Bombenabwurf war falsch, aber alles was

dazu geführt hat, war richtig. Dieses Fazit funktioniere

nicht.

Der Nutzen dieses Untersuchungsausschusses sei daran zu

messen, ob auch in der Bundeswehr gesehen werde, dass

man durch die Untersuchung klüger geworden ist. Oberst

Klein habe mit seiner Aussage erheblich dazu beigetra-

gen, aus dem Vorfall lernen zu können. Beruhigend sei,

dass auch er der Auffassung sei, im Ergebnis sei der Luft-

angriff ein Fehler gewesen. Dass die militärische Rationa-

lität und die politische Bewertung am Ende nicht ausei-

nanderfielen, sei die notwendige Voraussetzung dafür,

dass die Erfahrungen aus dem Luftschlag für die Zukunft

handlungsleitend werden könnten.

Klar müsse sein, dass jedes militärische Handeln Gegens-

tand einer parlamentarischen Kontrolle sein könne und

einer Bewertung zugänglich sei. Vermieden werden

müssten im Ergebnis jedoch zwei Signale: Weder dürfe

der Eindruck entstehen, dass die Politik der Bundeswehr

den Rücken freihielte, ganz gleich was diese in Afghanis-

tan tue, noch dass sich am Ende keiner mehr traue, militä-

rische Entscheidungen zu treffen.

Abg. Paul Schäfer (DIE LINKE.) bedauert rückblickend,

dass die Ausschussmehrheit die Zulassung der Öffent-

lichkeit bei den Vernehmungen weitgehend verhindert

und damit die größtmögliche Transparenz konterkariert

habe. Es sei anzustreben, die Minderheitsrechte in parla-

mentarischen Untersuchungsausschüssen insgesamt zu

erweitern.

II. Bericht des Generalinspekteurs der Bun-
deswehr

Die Vorsitzende bittet den Generalinspekteur der Bun-

deswehr darzustellen, welche Mängel das Bundesministe-

rium der Verteidigung anlässlich des Luftangriffs von

Kunduz erkannt und gegebenenfalls bereits abgestellt hat.

General Volker Wieker erklärt vorab, er selbst habe sich

zur Zeit des Luftangriffs nicht in Afghanistan befunden.

Den Posten des Chefs des Stabes der ISAF habe er im

Oktober 2009 übernommen. Mit der Begleitung des Un-

tersuchungsausschusses und der Erstellung des Berichtes

sei er nicht befasst gewesen. Der Bericht sei ihm zur

Vermeidung einer Rollenverquickung nicht vorgelegt

worden.

Im Juni 2009 habe General McChrystal das Kommando in

Afghanistan übernommen. Dieser habe eine gründliche

Lagefeststellung veranlasst, die in das „Initial Assess-
ment“ gemündet sei. Dieses „Initial Assessment“ habe
eine Fülle von Unzulänglichkeiten in Struktur und Orga-

nisation sowie in der strategischen Aufstellung von ISAF

zu Tage befördert und Handlungsempfehlungen beinhal-

tet. Der Vorfall in Kunduz habe diesen Prozess seinem

Eindruck nach beschleunigt. Eine wichtige Erkenntnis sei

gewesen, dass das Hauptquartier der ISAF in seiner be-

stehenden Konfiguration überfordert gewesen sei mit der

Führung des täglichen taktisch-operativen Geschäfts.

Daraufhin sei das taktisch-operative ISAF Joint Com-

mand eingeführt worden. Das Combined Strategic Transi-

tion Command unter der Führung der Amerikaner sei in

die NATO-Führung unter der Bezeichnung Nato Training

Mission Afghanistan (NTM-A) eingegliedert worden;

zusätzlich seien unter dem ISAF Headquarter ein Special

Operations Command sowie die so genannte Task Force

435 eingerichtet worden. Letztere habe sich mit der Straf-

verfolgung und dem Strafvollzug in Afghanistan zu be-

schäftigen.

Am 14. November 2009 habe COM ISAF McChrystal die

Überarbeitung der kompletten ISAF-Verfahren und Vor-

schriften angeordnet, um eine verbesserte Handlungssi-

cherheit bei der Anforderung, der Genehmigung und dem

Einsatz von Wirkmitteln aus der Luft zu geben. In diesem

Zusammenhang seien auch Übersetzungsungenauigkeiten

vom Englischen ins Deutsche geprüft worden. Daraufhin

seien in erster Linie die Standard Operating Procedures

(SOP) mit dem Ziel von mehr Eindeutigkeit neu gestaltet

und formuliert worden. Die neuen Vorschriften seien

noch im Dezember 2009 in Kraft getreten. Die im Fall

Kunduz relevanten Einsatzregeln, insbesondere die ROE

421 bis 424 und 429 seien nicht geändert worden. Jedoch

seien die Regelungen zur Anwendung dieser ROE in den

entsprechenden Handlungsrichtlinien (SOP) so angepasst

worden, dass die Vermeidung von Kollateralschäden in

den Vordergrund gestellt worden sei.

Entsprechendes sei in der Region Nord erfolgt. Dort sei

eine unübersichtliche, nicht den militärischen Anforde-

rungen genügende Führungsstruktur, die nicht vorhandene

24/7-Fähigkeit im taktisch-operativen Sinne des Regio-

nalkommandos Nord, die Vermengung operativer Aufga-

ben mit den originären Aufgaben der PRTs im Gesamtan-

satz der Kräfte festgestellt worden. Daraufhin seien die

operativen Kräfte komplett dem Regionalkommando

Nord unterstellt worden. Der gesamte Stab des Regional-

kommandos sei so ausgestattet worden, dass eine voll-

ständige 24/7-Fähigkeit mit redundanten Fernmeldever-

bindungen sichergestellt worden sei. Die PRTs seien auf

ihre originären Aufgaben zurückgeführt worden mit un-

terstellten Sicherungskräften, die nur noch der Eigensi-

cherung dienen. Im Rahmen dieser Neuausrichtung sei es

zur Umsetzung des Konzeptes Joint Fires gekommen,

welches neue Ansätze zur Führung und Leitung von indi-

rektem Feuer und Luftnahunterstützung auf taktischer

Ebene vorsehe.

Die Ausstattung mit Führungsmitteln des Gefechtsstandes

der Task Force 47 sei im September 2009 deutlich besser

gewesen als die des Gefechtsstandes des PRT. Dies habe

sich mittlerweile grundlegend geändert. Inzwischen ver-

fügten alle taktischen Gefechtsstände des deutschen Ein-

satzkontingentes ISAF ab Verbandsebene über eine annä-

hernd gleiche Ausstattung. Eine Anbindung dieser Ge-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 441 – Drucksache 17/7400

fechtsstände sei an alle notwendigen Führungsmittel mög-

lich (z. B. full motion video über ROVER). Die Ausstat-

tung mit zusätzlichen Funkgeräten habe sich verbessert.

Inzwischen seien in Afghanistan acht Tactical Air Control

Parties (mobile Elemente zur taktischen Feuerunter-

stützung) personell und materiell einsatzbereit.

Das deutsche Einsatzkontingent habe im September 2009

über taktische luftgestützte Aufklärungsmittel verfügt, die

in Reichweite und Stehzeit deutlich beschränkt gewesen

seien. Das habe insbesondere für die Auflösungs- und

Diskriminierungsfähigkeit sowie für den Einsatz bei

Nacht gegolten. Eine 24/7-Aufklärungsfähigkeit sei da-

mals mit Mitteln des deutschen Einsatzkontingentes nicht

gegeben gewesen. Seit März 2010 sei HERON 1 im Ein-

satzgeschwader stationiert, mit dem eine großflächige

Auflösungsfähigkeit und Aufklärungsfähigkeit bei Tag

und Nacht gegeben sei.

Im September 2009 hätten dem deutschen Kontingent nur

vier Schützenpanzer Marder und drei Mörser als durch-

setzungsfähige Wirkmittel und Mittel zur Feuerunterstüt-

zung zur Verfügung gestanden. Diese seien in den Quick

Reaction Forces gebunden gewesen und hätten dem PRT

Kunduz nicht zur Verfügung gestanden. Inzwischen sei

die Anzahl der Schützenpanzer auf 34 erhöht worden und

es seien fünf Panzerhaubitzen 2000 nach Afghanistan

verlegt worden. Zwei kampfkräftige Ausbildungs- und

Schutzbataillone würden mittlerweise im Raum Kunduz-

Baghlan eingesetzt und stünden auch für operative Hand-

lungen zum Schutze der PRTs – allerdings im operativen
Chain of Command – zur Verfügung.

Bereits nach Auswertung des COM ISAF-Unter-

suchungsberichtes sei als kurzfristige Maßnahme ein

Ausbildungsteam in das Einsatzgebiet entsandt worden.

Auftrag sei die Weiterbildung der betroffenen Führer im

Regionalkommando Nord sowie der ihnen zugeteilten

JTACs in den relevanten Einsatzregeln und Verfahrens-

vorschriften gewesen. Die Ausbildung im Targeting Pro-

cess und die Ausbildung Joint Fire Support sei fester

Bestandteil der einsatzvorbereitenden Ausbildung. Die

entsprechenden ISAF-Dokumente, die den Einsatz von

direktem und indirektem Feuer regelten, seien schon

damals allen Großverbänden zur Verfügung gestellt wor-

den und könnten auch für die allgemeine Truppenausbil-

dung genutzt werden. Um Luftwaffenexpertise sicherzus-

tellen, sei ein so genannter ALO-Pool mit erfahrenen

Stabsoffizieren eingerichtet worden. Diese Stabsoffiziere

stellten als Berater Luftwaffe bei den beiden Manöver-

elementen die fachliche Beratung des Führungspersonals

im Einsatzland sicher. Zum 1. August 2010 sei eine Än-

derung des Tactical Combat Training Programms erfolgt.

Zielsetzung sei die Verbesserung von Verfahren und

Abläufen zur Sicherstellung einer soliden Einsatzausbil-

dung sowie für die Fliegerleitfeldwebel.

Eine Schlussfolgerung aus den Ereignissen des 4. Sep-

tember 2009 sei, dass der parlamentarische Bereich bei

allen bedeutsamen lagerelevanten Ereignissen in den

Einsatzgebieten verzuglos und umfassend zu informieren

sei. Hier habe es eine qualitative Verbesserung gegeben.

Durch die Delegation der Informationsaufgabe an das

Einsatzführungskommando in Potsdam hätte erreicht

werden können, dass die Daten und Fakten zu einem

solchen Ereignis unverzüglich an den Verteidigungsaus-

schuss weitergeben würden. Früher sei eine so genannte

vorläufige Bewertung vorgenommen worden. Ihre Erstel-

lung hätte Zeit in Anspruch genommen und zu Verzöge-

rungen geführt. Eine solche vorläufige Bewertung sei

nach seiner Einschätzung grundsätzlich zweifelhaft, weil

es bei komplexen Gefechtshandlungen außerordentlich

schwierig sei, bereits wenige Stunden oder Tage nach

dem Ereignis ein geschlossenes Bild, das eine vorläufige

Bewertung erlaube, zu erhalten. Daher beschränke sich

das BMVg inzwischen darauf, zunächst ohne eigene

Interpretation Daten und Fakten eines Ereignisses so

verzuglos wie möglich zur Verfügung zu stellen, um

anschließend auf der Grundlage aller Erkenntnisse, die in

der Zeit aufwüchsen, eine eigene Bewertung nachzurei-

chen. Dies erfolge in Form von schriftlichen Unterrich-

tungen.

Bei der Medienarbeit sei auf die Angehörigen besonders

Rücksicht zu nehmen. Versucht worden sei, alle Redun-

danzen und parallelen „Kriechströme“ in der Medienar-
beit, etwa zwischen BMVg und Einsatzführungskomman-

do bzw. innerhalb des BMVg zwischen Leitung und Ge-

neralinspekteur, zu beseitigen.

Auf die Nachfrage des Abg. Ernst-Reinhard Beck nach

Konsequenzen für die Bundeswehrreform erklärt General

Wieker, Deutschland sei im Norden Afghanistans „Rah-
mennation“, die eine Fülle von Verpflichtungen sowohl
für kleinere Truppensteller wie auch für die Amerikaner

übernähme, welche diese nicht wahrnehmen könnten.

Dies reiche von der Bereitstellung eines Hospitals bis zu

der kompletten Führungsorganisation eines Hauptquar-

tiers, die auch zukünftig vorzuhalten sei. Dies erfordere

ein erhebliches Maß an Gefechtsstandinfrastruktur und

die Fähigkeit, internationale Großverbände aufzunehmen,

sowie die Fähigkeit des Stabes zur Aufnahme anderer

Stabselemente.

Abg. Rainer Arnold (SPD) fragt, was mit den Forderun-

gen der Koalition und denen der Opposition aus dem

Ausschuss heraus geschehe. Er erwarte, dass sich die

Bundesregierung mit diesen Punkten auseinandersetze.

Der Ausschuss bittet die Arbeitsebene, bis zur nächsten

Sitzung die von allen Fraktionen erhobenen Forderungen

in einem gemeinsamen Papier zusammenzutragen.
2837
2837) Gesamter Tagesordnungspunkt 1 des Protokolls über die 57.

Sitzung siehe: Dokument 196.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 443 – Drucksache 17/7400

Anhang:
Übersichten und Verzeichnisse

I. Abkürzungsverzeichnis

AA Auswärtiges Amt.

a.a.O. am angegebenen Ort.

ACCE Air Component Coordination Element.

a. D. außer Dienst.

Adm Admiral. Dienstgradgruppe der Bundeswehr.

AFB Air Force Base.

AFCENT U.S. Air Forces Central.

AFG Afghanistan.

AFP Agence France-Presse. Französische Nachrichtenagentur.

ai amnesty international.

AIHRC Afghanistan Independent Human Rights Commission.

AIRMEDEVAC Rettungssystem der Bundeswehr, mit dem verletzte Personen durch Luftfahrzeuge abtranspor-

tiert und medizinisch betreut werden können.

AK-47 Awtomat Kalaschnikowa, obrasza 47. Sturmgewehr.

AL Abteilungsleiter.

ALO Air Liaison Officer. Luftwaffenverbindungsoffizier.

AMC Allied Military Command.

AMIB Allied Military Intelligence Bataillon. Nachrichtendienstliche Einheit der NATO.

ANA Afghan National Army.

ANBw Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (Vorläuferorganisation des Zentrums für Nachrich-

tenwesen der Bundeswehr – ZNBw).

ANP Afghan National Police.

ANSF Afghan National Security Forces.

Anso Afghan NGO Safety Office. Sicherheitsagentur afghanischer und internationaler Nichtregie-

rungsorganisationen in Kabul.

AOI Area of Interest. Über den eigenen Verantwortungsbereich hinausgehender Raum, in dem Infor-

mationen für die eigenen laufenden und künftigen Operationen von Bedeutung sind oder in dem

Ereignisse den Ausgang der laufenden oder künftigen Operationen beeinflussen können.

AOO Area of Operations. Von einem NATO-Commander festgelegter geographischer Raum

(Land/See), der einem (Component) Commander zur Durchführung seines Auftrages zugewiesen

wurde. Die Area of Operations ist ein Teilbereich der Joint Operations Area (JOA) bzw. der

Area of Responsibility (AOR).

AOR Area of Responsibility. Der geographische Raum, der jedem Strategic Command der NATO und

jedem Regional Command des Strategic Command Europe zur Durchführung der Aufgaben zu-

gewiesen ist. Allen anderen NATO Befehlshabern werden für den Einsatz entweder eine Joint

Operations Area oder eine Area of Operations zugewiesen.

ARAGON ISAF-Operation im Raum Kunduz v. September 2009.

ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutsch-

Drucksache 17/7400 – 444 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
land. Verbund öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Deutschland.

ARP Allgemeines Register für politische Sachen. Aktenzeichen der Justiz.

ASOC Air Support Operations Center, Lufteinsatzzentrale. Leitstelle des Red Baron.

Az. Aktenzeichen.

B-1B Lancer Strategic Bomber. Schwerer strategischer Langstreckenbomber. Reichweite: 6,478 nm.

BBC British Broadcasting Corporation. Britische Rundfunkanstalt.

BDA Battle Damage Assessment. Wirkungsanalyse (z. B. Ziel getroffen, Kollateralschäden).

BE22 Bone 22. B1B-Besatzung.

Befh Befehlshaber.

BG Brigadegeneral. Dienstgrad der Bundeswehr (B6, OF-6).

BGBl. Bundesgesetzblatt.

BK Bundeskanzleramt.

BKA Bundeskriminalamt.

BM Bundesminister.

BMVg Bundesministerium der Verteidigung.

BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

BND Bundesnachrichtendienst.

BNDG Bundesnachrichtendienstgesetz. Gesetz über den Bundesnachrichtendienst.

BReg Bundesregierung.

BT Deutscher Bundestag.

BT-Drs. Bundestagsdrucksache.

BT-PlPr. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht.

BVerfSchG Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfas-

sungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Bw Bundeswehr.

CAS Close Air Support. Luftnahunterstützung. Taktischer Einsatz eines Kampfflugzeuges zur direk-

ten Unterstützung eigener oder verbündeter Bodenstreitkräfte.

CAOC Combined Air Operations Centre at Al Udeid (IATA: XJD, ICAO: OTBH).

CCIR Commander‟s Critical Information Requirements.

CDE Collateral Damage Estimate.

CENTCOM US Central Command. Einsatzführungskommando der US Streitkräfte für die Regionen Naher

und Mittlerer Osten, Ostafrika und Zentralasien. Hauptsitz auf der McDill AFB nahe Tampa,

Florida.

CENTCOM/FWD Außenstelle des CENTCOM im Camp As Sayliyah bei Doha, Qatar.

CFC-A Combined Forces Command – Afghanistan. Hauptquartier für die OEF in Afghanistan seit 2003.
Frühere Bezeichnung: CTJF-180.

CHBK Chef des Bundeskanzleramtes. Diese Abkürzung wird auch für das Bundeskanzleramt verwen-

det.

ChdSt Chef des Stabes.

civ. civil.

CIVCAS Civilian Casualties. zivile Opfer.

CJ2X Geheimdienstoffizier der Task Force 47 in Kunduz, Hptm. N.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 445 – Drucksache 17/7400

CJOC Coalition Joint Operations Command.

CJTF Combined Joint Task Force. Bezeichnung für multinationale Kräfte, die teilstreitkraftübergrei-

fend für festumrissene oder auch zeitlich begrenzte Aufgaben zusammengestellt werden, z. B.

„Operation Enduring Freedom”.

CNN Cable News Network. US-amerikanischer Fernsehsender.

COE Course of Action Approval.

COM ISAF Kommandeur der ISAF. 2009: Gen Stanley McChrystal.

COM JFC B Kommandeur Allied Joint Force Command Brunssum. Operativer NATO-Befehlshaber. 2009:

Gen Egon Ramms.

COM RC-N Kommandeur des Regional Kommandos Nord.

COM PRT KDZ Kommandeur des Provincial Reconstruction Team Kunduz, im September 2009: Oberst Klein.

DAND Deutscher Auslandsnachrichtendienst. Bundesnachrichtendienst.

DB Drahtbericht. Schriftlicher Bericht einer deutschen Auslandsvertretung an das Auswärtige Amt,

der verschlüsselt übermittelt wird.

DCG Deputy Commanding General.

DEU Deutschland/deutsch.

Dir Director.

DMPI Designated mean point of impact.

DoD Department of Defence. US-Verteidigungsministerium.

DT Dynamic Targeting.

dt. deutsch.

ECOLOG Militärdienstleister zw. Truppenversorgung in Afghanistian.

EinsFüKdoBw Einsatzführungskommando der Bundeswehr

EFS Einsatzführungsstab.

EKT Einsatzkamerateam.

EMRK Europäische Menschenrechtskonvention.

EOD Explosive Ordnance Disposal. Kampfmittelbeseitigung.

EU Europäische Union.

F-15E McDonnell Douglas F-15E Strike Eagle. Zweisitziges Multifunktionskampfflugzeug.

FAC Forward Air Controller. Fliegerleitoffizier.

FFT Fact Finding Team. Untersuchung unter der Leitung von RAdm Smith 5. und 6. September

2009.

FHT Field HUMINT Team. Feldnachrichtentrupp.

FJg Feldjäger.

FL210 Flight level 21 000 ft. Flugfläche ca. 6 400 m.

FmElo Fernmelde- und Elektronik Aufklärung.

Fm/EloAufkl Fernmelde- und Elektronik Aufklärung.

Fn. Fußnote.

FOB Forward Operating Base.

FODU For Official Use Only. Nur für den Dienstgebrauch.

FOSK Kommando Führung Operationen von Spezialkräften

Drucksache 17/7400 – 446 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
FüS Führungsstab der Streitkräfte.

G 10 Artikel 10-Gesetz.

G/Gen General. Dienstgradgruppe der Bundeswehr.

GBA Generalbundesanwalt/Generalbundesanwaltschaft.

GBU Guided Bomb Unit. Gelenkte Bombe mit Laser- oder TV-Steuerung.

GENIC German National Intelligence Cell.

GG Grundgesetz

GI/GenInsp Generalinspekteur der Bundeswehr

GIRoA Government of the Islamic Republic of Afghanistan.

GK Generalkonsulat.

GMT Greenich Mean Time. Mittlere Sonnenzeit am Nullmeridian. Siehe auch UTC.

GO Geschäftsordnung.

GSB Geheimschutzbeauftragter.

GStA Generalstaatsanwalt/Generalstaatsanwaltschaft.

HNS Host Nation Support. Umfasst alle zivilen und militärischen Unterstützungsleistungen, die ein

Gastgeberstaat (host nation) verbündeten/befreundeten Streitkräften, der NATO, WEU/EU und

ggf. anderen supranationalen oder Non-Governmental-Organisationen (NGO) in Frieden, Krise

und Krieg zur Verfügung stellt, wenn sich diese auf dem Hoheitsgebiet des Gastgeberstaates

aufhalten oder sich im Transit durch diesen befinden. HNS-Leistungen basieren auf NATO-

Bündnisverpflichtungen oder auf bi- bzw. multinationalen Vereinbarungen zwischen Aufnahme-

staat (Gastgeberstaat), Entsendestaat und betroffenen Organisationen.

HQ Headquarter. Hauptquartier.

Hptm Hauptmann. Dienstgrad der Bundeswehr (A11/A12, OF-2).

HptFw Hauptfeldwebel.

HUMINT Human Intelligence. Operative Aufklärung eines Nachrichtendienstes mit menschlichen Quellen.

IAT Initial Action Team (auch: Incident Action Team). Vorgesehen nach SOP 307. Eingesetzt vom

COM ISAF zur Aufklärung des Luftschlags vom 4. September 2009.

IBuK Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt

i.E. im Einsatzland.

IED Improvised Explosive Device.

i. G. im Generalstabsdienst. (Zusatz zu der Dienstgradbezeichnung von Stabsoffizieren in bestimmten

Verwendungen.)

IKRK Internationales Komitee des Roten Kreuzes.

imminent threat unmittelbare Bedrohung.

INCSPOTREP Incident Spot Report.

Ines Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen. Sondereinheit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden.

INF Informant (BND).

INFIL Einschleusen.

INS Insurgents. Aufständische.

IntCom Intelligence Community. Zusammenschluss der 16 Nachrichtendienste der USA.

INTEL Intelligence.

INTSUM Intelligence Summary.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 447 – Drucksache 17/7400

IP-Stab Informations- und Pressestab im Bundesministerium der Verteidigung

IR Infrared Radiation.

IRF Immediate Reaction Force.

ISAF International Security Assistance Force (Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in Afg-

hanistan). Militäreinsatz in Afghanistan zur Unterstützung der gewählten Regierung Afghanis-

tans und zu Herstellung und Aufrechterhaltung eines sicheren Umfeldes in Afghanistan entspre-

chend der Resolution 1386 des Sicherheitsrates vom 20. Dezember 2001 unter Führung der

NATO.

ISAF TOC ISAF Target Operations Cell. Einheit im JOC.

ISR Intelligence, surveillance and reconnaissance. Koordinierte Aktivitäten der US-Streitkräfte im

Bereich Nachrichtendienst, Überwachung und Aufklärung.

ISSN International Standard Serial Number.

i. V. m. in Verbindung mit.

J2 Abteilung für das Militärische Nachrichtenwesen.

J2X Geheimdienstoffizier der Task Force 47 in Kunduz.

J3-Personal Personal zur Führung, Organisation und Ausbildung. Fachleute für die Operationsführung.

JCHAT Joint CHAT.

JFC Brunssum Allied Joint Force Command Brunssum. Eines der drei operativen Hauptkommandos des Allied

Command Operations der NATO mit Sitz in Brunssum, NL. Kommandeur im September 2009:

Egon Ramms.

JIB Joint Investigation Board. NATO-Untersuchungsteam auf der Grundlage von ISAF SOP 302

vom 13. 12. 2008.

JIB-K JIB-Kunduz unter der Leitung von Major-General C. S. „Duff“ Sullivan, das auf Anordnung von
COM ISAF McChrystal vom 8. 9. 2009 bis zum 20. 10. 2009 den NATO-Luftangriff in der Nä-

he der Stadt Kunduz am 4. September 2009 untersuchte.

JOA Joint Operations Area. Definierter geographischer Raum, der einem Joint Force Commander zur

Durchführung des Verbundenen Einsatzes der Streitkräfte zugewiesen wird. Er ist zeitlich be-

grenzt, wird für einen bestimmten Auftrag von einem NATO SC oder RC festgelegt und ist mit

den Nationen und mit dem Nordatlantikrat (NAC) oder dem Militärausschuss (MC) abgestimmt.

Die JOA kann Land-, Luft- oder Seeräume umfassen. In der JOA trägt ein militärischer Führer

die Verantwortung für die Planung und Durchführung eines Einsatzes auf operativer Ebene.

JOC Joint Operations Center. (Kommunikationszentrale des CENTCOM für den Irakkrieg im Camp

As Sayliyah bei Doha, Qatar.) (Synonym für TOC/OpZ).

JPEL Joint Priority Effects List.

JTAC Joint Technical Air Controller. Fliegerleitoffizier. Im PRT KDZ war das OFw W. („Red Baron
20“). Auch: Joint Terminal Attack Controller.

JTAR Joint Tactical Air Strike Requests.

JTF Joint Task Force. Militärische Einheit der US-Streitkräfte.

JTM Joint Targeting Message.

KBL IATA-Code für den Internationalen Flughafen Kabul, Afghanistan.

KDZ Kunduz.

KdoStratAufkl Kommando Strategische Aufklärung (Nachfolgeeinrichtung des Zentrums für Nachrichtenwesen

der Bundeswehr, ZNBw). Dienstelle des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), gehört

zum Streitkräfteunterstützungskommando der Streitkräftebasis (SKB). Zentrale, streitkräftege-

meinsame Kommandobehörde für das Militärische Nachrichtenwesen.

Kdr Kommandeur.

Drucksache 17/7400 – 448 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Kfz Kraftfahrzeug.

KIA Killed in Action. Status eines Soldaten, der für tot erklärt worden ist.

Kp Kompanie.

KRZ Krisenreaktionszentrum Auswärtiges Amt.

KSK Kommando Spezialkräfte. Truppenteil des Heeres für die Durchführung militärischer Operatio-

nen im Rahmen der Krisenvorbeugung und -bewältigung sowie im Rahmen der Landes- und

Bündnisverteidigung. Am 20. 9. 1996 in Dienst gestellt.

KtgtFhr Kontingentführer.

KZO Kleinfluggerät Zielortung. Mit einem Propeller angetriebene unbemannte Aufklärungsdrohne,

welche die Artillerie- und Heeresaufklärungstruppe des Deutschen Heeres zur zeitnahen Zielor-

tung unterstützt.

LEGAD Legal Advisor.

lfd. laufende/n.

Lfg. Lieferung.

LFz Luftfahrzeug.

LKW Lastkraftwagen.

LoC Line of Communication. Hauptverbindungsstraße.

LOStA Leitender Oberstaatsanwalt.

LRB Leitenden Rechtsberater.

MAD Militärischer Abschirmdienst.

MD Ministerialdirektor (B9).

MDg Ministerialdirigent (B6).

Metar Meteorological Aviation Routine Weather Report.

MEZ Mitteleuropäische Zeit.

Mgl. Mitglied.

MGRS Military Grid Reference System.

MilNWBw Militärisches Nachrichtenwesen der Bundeswehr.

MiS Masar-i-Scharif.

MN Meldungsnummer (BND).

MoD Ministry of Defence.

MP Military Police.

MSR Main Security Route.

Mtng Meeting.

NAA National Approval Authority.

NATO North Atlantic Treaty Organization.

NBC National Broadcasting Company. US-Rundfunk- und Fernsehsender.

ND-Lage Nachrichtendienstliche Lage. Wöchentlich stattfindendes Treffen vor der Pr-Runde. Regelmäßi-

ge Teilnehmer: CHBK, StS von AA, BMI, BMJ u BMVg, Präs von BND, MAD, BfV und BKA,

teilweise GBA sowie Beamte aus dem BK.

NDS Afghanischer Geheimdienst.

NGO Non Governmental Organization. Nichtregierungsorganisation.

Nr. Nummer.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 449 – Drucksache 17/7400

NSTR Nothing significant to report.

NVG Night vision goggles. Nachtsichtbrille.

O Oberst. Dienstgrad der Bundeswehr, Stabsoffizier, hD (A16/B3, OF-5).

OCC-P Operations Coordination Centre Provincial. Operationszentrum der Sicherheitsbehörden von

NATO und Afghanen, Kunduz.

OCC-R Operations Coordination Center-Region.

OEF Operation Enduring Freedom. Die Operation hat zum Ziel, Führungs- und Ausbildungseinrich-

tungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor

Gericht zu stellen sowie Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abzu-

halten.

OF-5 NATO Rangcode. Entspricht: Oberst (DEU), Colonel (BE, FRA, UK, USA).

OFw Oberfeldwebel. Dienstgrad der Bundeswehr, Unteroffizier (A7, OR-6).

o. g. oben genannt.

OMF Opposing Military Force.

Op Operation.

OpCen Operationszentrale.

OPCON Operational Control.

Ops Operations.

Opz/OPZ Operationszentrale (Synonym zu JOC/TOC).

Ordn. Ordner.

ORF Operational Reserve Force. Bataillon der operativen Reserve der NATO.

OrgStab Organisationsstab.

OTL Oberstleutnant. Dienstgrad der Bundeswehr, Stabsoffizier, hD (A14/A15, OF-4).

OTS Office of Technical Services.

PAX „persons approximately“ – ungefähre Personenanzahl.

PID Positive Identification.

PIDROF Positive Identification of ROE defined opposing forces.

PKGr Parlamentarisches Kontrollgremium.

PKGrG Parlamentarisches Kontrollgremium Gesetz. Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nach-

richtendienstlicher Tätigkeit des Bundes.

PKW Personenkraftwagen.

PoL Pattern of Life. Lebensgewohnheiten.

PRO COY Protection coy.

Präs Präsident.

PRT Provincial Reconstruction Team. Feldlager.

PRT KDZ Provinzielles Wiederaufbauteam Kunduz. Deutsches Feldlager am Flughafen Kunduz

(OAUZ/UND).

PSt Parlamentarischer Staatssekretär.

PsyOps Psychological Operations.

QRF Quick Reaction Force. Eingreifverband, die taktische Reserve des Kommandeurs einer regiona-

len Verantwortungszone (Regional Area Command, RAC) der ISAF in Afghanistan.

QTR Qatar.

Drucksache 17/7400 – 450 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
RAdm Rear Admiral. Konteradmiral.

RAOCC Regional Air Operation and Coordination Center.

RBStOffz Rechtsberaterstabsoffizier.

RC North Regionalkommando Nord unter der Führung von BG Vollmer, Sitz in Masar-i-Scharif.

RL Referatsleiter.

Rn. Randnummer.

ROE Rules of Engagement. Einsatzregeln. National, multinational oder international für einen be-

stimmten Einsatz festgelegte und zwischen den beteiligten Nationen abgestimmte Richtlinien

und Vorgaben, die das Verhalten der Truppe und die Anwendung von Gewalt sowie von

Zwangsmaßnahmen einschließlich des Waffengebrauchs im Einsatzgebiet regeln. Im gleichen

Einsatzgebiet können Streitkräfte unterschiedlicher Nationen unterschiedlichen ROE unterliegen.

Diese Unterschiedlichkeiten leiten sich aus teils deutlich voneinander abweichenden Rechtsver-

ständnissen ab, die sich in nationalen Vorbehalten niederschlagen können. ROE bezeichnen kei-

ne Aufgaben und geben keine taktischen Anweisungen.

ROVR Remotely Operated Video Enhanced Receiver.

ROZ Restricted Operating Zone. Gefechtszone. Ein großer zylindrischer Luftraum, der von der Erd-

oberfläche bis deutlich über das operierende Luftfahrzeug reicht, von dem alle anderen Luftfahr-

zeuge ausgeschlossen werden.

RPG-7 Rutschnoi Protiwotankowy Granatomjot. Panzerabwehrwaffe.

RTB Return to base.

S. Seite.

SACEUR Supreme Allied Commander Europe. Oberkommandierender des NATO-Hauptquartiers Europa

(SHAPE), gleichzeitig der Kommandeur des US European Command (USEUCOM) und damit

immer ein US-amerikanischer General.

SBU Sensitive But Unclassified Information.

SHAPE Supreme Headquarters Allied Powers Europe. Das Oberstes Hauptquartier der Alliierten Streit-

kräfte in Europa ist eines der beiden militärischen strategischen Hauptquartiere der NATO, wel-

ches als Allied Command Operations (ACO) für alle Einsätze bzw. Operationen der NATO-

Streitkräfte zuständig ist. Geführt wird das Hauptquartier vom Supreme Allied Commander Eu-

rope (SACEUR).

SIAC Single Intelligence Analysis Capacity.

Sigact Significant activities.

SIGINT Signal Intelligence. Nachrichtendienstliche Bezeichnung für Aufklärung mit modernen elektro-

nischen Anlagen zur Erfassung des Fernmeldeverkehrs im Ausland.

SIT-Center Situation-Center (SitCenter), Lagezentrum Joint Force Command Brunssum.

SITCEN Joint Situation Center der EU. Zentrum in Brüssel mit 130 Mitarbeitern zur Unterstützung des

EU-Außenbeauftragten.

SOCOM Special Operations Command. A.k.a. USSOCOM. Teilstreitkräfteübergreifendes Kommando

sämtlicher US-Spezialeinheiten. Hat sein Hauptquartier auf der MacDill Air Force Base nahe

Tampa, Florida (IATA: MCF, ICAO: KMCF).

SOF Show of Force. Demonstration von Stärke (z. B. durch niedrigen Überflug).

sog. so genannt.

SOP Show of Presence. Demonstration militärischer Präsenz.

SOP Standard Operating Procedures. Standard-Einsatzverfahren.

SOP 307 Verfahren und Maßnahmen für den Fall von CIVCAS durch ISAF oder OMF.

SOTAC Special Operations Terminal Attack Controller.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 451 – Drucksache 17/7400

StGB Strafgesetzbuch.

StM Staatsminister.

StPO Strafprozessordnung.

Sts Staatssekretär.

stv stellvertretend.

SVBIED Suicide Vehicle-Borne Improvised Explosive Device. Autobombe.

TB Taliban.

TB Tagesbericht.

TEA Target Engagement Authority.

TF Task Force.

TIC Troops in contact. Feindberührung.

TOC Tactical Operations Center. Taktische Operationszentrale.

TPT Tactical PsyOps Team.

TSK Teilstreitkräfte.

TST Time-sensitive targeting.

u. a. unter anderem.

UN United Nations. Vereinte Nationen.

UNAMA United Nations Assistance Mission in Afghanistan.

US/U.S. United States. Vereinigte Staaten von Amerika.

USCENTCOM US Central Command. Einsatzführungskommando der US Streitkräfte für die Regionen Naher

und Mittlerer Osten, Ostafrika und Zentralasien. Hauptsitz auf der MacDill AFB nahe Tampa,

Florida. Außenstelle im Camp As Sayliyah bei Doha, Qatar.

USEUCOM United States European Command.

UTC Universal Time Coordinated. Koordinierte Weltzeit. Siehe auch GMT.

u. U. unter Umständen.

VerstKr Verstärkerkräfte. Militärjargon für die Task Force 47.

vgl. vergleiche.

VLR I Vortragender Legationsrat Erster Klasse. Dienstgrad im AA (A16/B3).

VN Vereinte Nationen.

Vors Vorsitzende/r.

VS-NfD Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch.

VStGB Völkerstrafgesetzbuch

VTC Video Tele Conference

WDO Wehrdisziplinarordnung.

WIA Wounded in Action.

WSV Weapon System Video.

z. B. zum Beispiel.

ZDF Zweites Deutsches Fernsehen. Öffentlich-rechtliche Sendeanstalt.

ZDv Dienstvorschrift der Bundeswehr.

ZINA Zelle für Informations- und Nachrichtenaufklärung.

Drucksache 17/7400 – 452 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ZNBw Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (Nachfolgeeinrichtung des Amtes für Nachrich-

tenwesen der Bundeswehr – ANBw). Dienststelle des Bundesministeriums der Verteidigung
(BMVg), gehört zur Streitkräftebasis (SKB) der Bundeswehr, deren Inspekteur das ZNBw un-

mittelbar führt, und dient der Zusammenfassung der Aufklärungskapazitäten aller Teilstreitkräfte

der Bundeswehr. Zum 31. 12. 2007 außer Dienst gestellt. Die bis dahin beim ZNBw konzentrier-

ten Aufgaben werden seitdem durch mehrere Dienststellen innerhalb der Streitkräfte weiterge-

führt. Zentrale, streitkräftegemeinsame Kommandobehörde für das Militärische Nachrichtenwe-

sen ist seitdem das Kommando Strategische Aufklärung (KdoStratAufkl).

ZP I Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer

internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II S. 1551).

ZP II Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer

nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II) vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II

S. 1637).

zw zwischen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 453 – Drucksache 17/7400

II. Personenverzeichnis
2838

Amanullah Taliban-Subkommandant von Abdul Rahman.

Antoni, Hans-Erich Generalmajor Bw. Stellv. Chef des Stabs ISAF HQ in Kabul

(DCoS Logistic) vom Oktober 2008 bis zum Dezember 2009.

Atrafi, Mohammed Ka-

rim

Vizechef des NDS im Raum Kunduz.

Bastek, Sabine BMVg. Leiterin Ministerbüro zur Zeit von Bundesminister zu Guttenberg.

Batash, Dr. Mohammadu Vertreter der unabhängigen Behörde für Örtliche Organe, Mitglied der

AFG-Untersuchungskommission.

Baumann, Beate BK. Leiterin Kanzlerbüro.

Bechtold Oberst US. Mitglied des Initial Action Team von BG Teakle.

Beemelmans, Stéphane BK. BüroL ChBK.

B., F. Stabsfeldwebel, Leiter des belgischen Tactical PsyOps Teams (TPT) 2.

Bone 22 Besatzungsmitglieder des am 3. September 2009 durch den JTAC W.

angeforderten B1-Bombers.

Bornemann, Jürgen Generalleutnant, Militärischer Vertreter (DMV) bei der NATO.

Brandenburg, Ulrich Botschafter Bundesrepublik Deutschland bei der NATO.

B., G. Oberst Bw. Kommandeur Kommandoführung Operationen von Spezial-

kräften.

Braunstein, Peter Brigadegeneral. Vormaliger Leiter der Adjutantur BMVg.

B., G. OTL Bw, Feldjägerführer i.E. des 20. Deutschen Einsatzkontingentes,

Militärpolizei in Masar-i-Scharif.

Erstellte am 9. 9. 2009 den sog. Feldjägerbericht.

Buck, Dr. Christian Botschaftsrat, Geschäftsträger a.i. der Botschaft der Bundesrepublik

Deutschland in Afghanistan.

Bühler, Erhard Generalmajor Bw, ehemaliger Leiter Einsatzführungsstab BMVg.

B., L. OTL US. Kommandeur des 335. Kampfgeschwaders.
2838) Die Dienstbezeichnungen und Funktionen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben ist, auf den Zeitraum des Untersuchungsgegenstandes.

Drucksache 17/7400 – 454 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B., W. BMVg, R II 2.

Chandrasekaran, Rajiv Mitherausgeber der Washington Post.

C., A. BMVg, Referat R II 3.

Dienst, Christan KzS Bw. Stellv. Leiter Presse- und Informationsstab BMVg und stellv.

Sprecher BMVg.

Dora, Johann-Georg Generalleutnant Bw. Stv. GI.

D., B. Vortragender Legationsrat. Ziviler Leiter des PRT KDZ.

Dude 15 US F-15-Pilot bei der 335. Jagdfliegerstaffel in Bagram AB.

Dude 16 US F-15-Pilot bei der 335. Jagdfliegerstaffel in Bagram AB.

Erfan, Dr. Habibe Mitglied im Provinzrat (Schura) von Kunduz.

Ernst, Thomas KzS, vormaliger Leiter des Sts a. D. Dr. Wichert BMVg

F., S. OFw, HUMINT Operator TF 47.

F., M. HFw BND.

Fritsche, Klaus-Dieter Staatssekretär BMI, davor AL 6 im BK („Bundesnachrichtendienst, Koor-
dinierung der Nachrichtendienste des Bundes“). 1996 bis 2005 VizePräs
BfV.

G., H. Oberst i. G., Leiter Einsatzteam Afghanistan im Einsatzführungsstab des

BMVg.

G., D. OTL, ALO der TF 47, Sitz in Masar-i-Scharif.

G., T. OTL Bw. In Nebenfunktion Rechtsberater des PRT.

Glatz, Rainer Generalleutnant Bw. Leiter Einsatzführungskommando Geltow (bei Pots-

dam).

Gloser, Günter Staatsminister AA bis Oktober 2009.

G., R. OTL Bw. stellv. Kommandeur PRT Kunduz (z. Z. des Luftangriffs

3./4. 9. 2009).

G., M. Oberst i. G., Leiter Referat 222 BK

Guttenberg, Karl-

Theodor Freiherr zu

Bundesminister der Verteidigung von 29. Oktober 2009 bis 3. März 2011.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 455 – Drucksache 17/7400

Hannemann, Andreas

Helmut

BMVg, Planungsstab, Abteilung 4.

Hanning, Dr. August Staatssekretär im BMI von Dezember 2005 bis zum 10. November 2009.

Hartmann, Manfred Flottillenadmiral, Chef des Stabes im Einsatzführungskommando der

Bundeswehr

Heusgen, Christoph Ministerialdirektor. AL 2, BK.

H., A. vormaliger Rechtsberater-Stabsoffizier i.E. 20. DEU EinsKtgt ISAF

J2 PRT Kunduz siehe U. K.

J3 PRT Kunduz siehe K. U.

J2 TF47 siehe T. N.

Jung, Dr. Franz Josef Von 2005 bis 28. 10. 2009 Bundesminister der Verteidigung, danach bis

zum 30. 11. 2009 Bundesminister für Arbeit und Soziales.

Klein, Georg Oberst i. G. Bw.

Kossendey, Thomas Parlamentarischer Staatssekretär BMVg.

K., U. OTL Bw. Abteilungsleiter J2.

Krause, Andreas Konteradmiral. Leiter Einsatzführungsstab im BMVg.

Krause, Malte Leiter des Leitungsstabes und Ministerbüros BMVg.

Kühn, Wofram Vizeadmiral, Stellv. Generalinspekteur und Inspekteur Streitkräftebasis.

Kujat, Harald Ehemaliger Generalinspekteur der Bw.

Lather, Karl-Heinz General, Chef des Stabes SHAPE.

Lauk, Werner Hans Damaliger Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Afghanistan.

McChrystal, Stanley US General. Kommandeur der ISAF (COM ISAF) vom 15. Juni 2009 bis

zum 23. Juni 2010.

M., A. Lastwagenfahrer der Fa. Mir Bacha Kot. Wird am 3. September 2009 auf

der Fahrt von Tadschikistan nach Kabul bei Angor Bagh von Taliban ent-

führt.

de Maizière, Dr. Thomas Bundesminister. Von November 2005 bis 28. Oktober 2009 Chef des

Bundeskanzleramtes. Vom 28. Oktober 2009 bis 3. März 2011 Bundesmi-

nister des Innern, seither Bundesminister der Verteidigung.

Drucksache 17/7400 – 456 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Merkel, Dr. Angela Bundeskanzlerin seit Oktober 2005.

M., M. Sprachermittler, der in der Nacht vom 3./4. September 2009 in der bzw.

für die Operationszentrale der Task Force 47 eingesetzt wurde.

Moritz, Steffen Leiter Presse- und Informationsstab BMVg und Sprecher des BMVg.

Mullen, Michael Glenn

„Mike“
US-Admiral. Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs (JCS) seit Oktober

2007.

Nabi, Qari Gefährder. Plante einen VBIED-Anschlag auf das PRT KDZ im Ju-

li/August 2009.

Naibi, Gul Aqa Generalmajor, Vertreter des AFG MoD, Mitglied der AFG-

Untersuchungskommission.

Naim, Maulawi Mullah. Talibankommandeur.

Naqshbad, Ghulam Brigadegeneral des AFG Geheimdienstes NDS, Mitglied der AFG-

Untersuchungskommission.

Nasruddin Mullah. Talibankommandeur.

Nasser Taliban-Subkommandant von Abdul Rahman.

N., T. für Operationen zuständiger Offizier des PRT Kunduz.

N., L. Oberst Bw. Mitglied des Initial Action Team von BG Teakle (Air Cdre).

Verfasser des „N.-Berichts“.

Nielson, Manfred Konteradmiral. Chef des Stabes Führungsstabes der Streitkräfte.

Nikel, Rolf Leiter Gruppe 21 BK.

N., O. Hptm Bw. Geheimdienstoffizier der Task Force 47 in Kunduz (CJ2X).

Omar, Mohammed Gouverneur von Kunduz.

Petraeus, David Howell US General. Kommandeur aller US-Streitkräfte im Nahen und Mittleren

Osten (CENTCOM) seit 31. Oktober 2008. Seit 25. Juni 2010 Komman-

deur der ISAF.

Pofalla, Ronald Chef Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben.

Popal, Karim Opferanwalt.

P., T. Oberst i. G., BMVg, Einsatzführungsstab 5.

Q OTL. Dolmetscher von O Klein.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 457 – Drucksache 17/7400

Qadir, Qari Sog. Gefährder.

Raabe, Dr. Thomas BMVg. Sprecher des BMVg im September 2009.

Rahman, Abdul Mullah. Wohnhaft in Omar Kehl. Taliban-Kommandeur von Aliabad, hat

30 bis 50 Leute unter seinem Befehl.

R., A. HFw BND. Benannt unter Mat. 17-28, Ziffer 82.

Ramms, Egon Deutscher NATO-General. Kommandeur des Allied Joint Force Command

(JFC) in Brunssum.

Razeq, Abdul Taliban-Kommandeur der Provinz Badakhshan. Am 7. Mai 2009 von dem

KSK in Badakhshan (District Vardouj) festgenommen und an afghanische

Behörden in Kabul übergeben.

Red Baron 20 OFw M. W. Deutscher Fliegerleitoffizier (JTAC). Sitz: PRT Kunduz.

R., H. Oberst Bw. Adjutant des G Schneiderhan.

Sahidi Taliban-Subkommandant von Abdul Rahman.

Salam, Mullah Abdul Sog. Gefährder.

Samar, Samia Vorsitzende der Afghanistan Independent Human Rights Commission

(AIHRC).

S., C. HFw, HUMINT Operator TF 47.

Sch., Dr. J. Rechtsberater.

Schlie, Dr. Ulrich Leiter Planungsstab BMVg.

Schmidt, Christian Seit 2005 Parlamentarischer Staatssekretär im BMVg.

Schneiderhan, Wolfgang General Bw. Von 2002 bis 26. November 2009 Generalinspekteur der

Bundeswehr.

Schnell, Eric Persönlicher Referent von Bundesminister Dr. Jung.

Sch., A. Mitarbeiter im Büro des Staatssekretärs Dr. Walther Otremba BMVg.

Setzer, Jürgen Ehemaliger Kommandeur HQ RC North.

Shamsuddin Mullah. Taliban-Kommandeur. Vorgesetzter von Abdul Rahman. War

offenbar auf der so genannten JPEL-Liste aufgeführt.

Siah Mullah. Taliban-Kommandeur. Soll nach Angaben der Quelle bei den

Tanklastern gestanden haben.

Drucksache 17/7400 – 458 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Silberberg, Reinhard Staatssekretär a. D. AA.

Smith, Gregory Konteradmiral, stv. ChdSt Kommunikation ISAF. Mitglied des Teakle-

Teams („Smith-Bericht“).

Spanta, Rangin Dadfar Afghanischer Außenminister.

Sprachermittler TF 47 siehe M.-A. M.

Stather, Erich Staatssekretär a. D. BMZ.

Stavridis, James G. Admiral. Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) der NATO

sowie kommandierender General des US European Command.

Steinmeier, Dr. Frank

Walter

Bundesminister des Auswärtigen (Oktober 2005 bis 28. Oktober 2009).

1999 bis 2005 CHBK und 1998 bis 2005 Beauftragter für die Nachrich-

tendienste.

S. Htm. Bw. Chef der Schutzkompanie PRT KDZ.

Sullivan, Charles S.

„Duff“
Generalmajor CAN. Leiter des von McChrystal zusammengestellten Un-

tersuchungsteams JIB. Dazu 2 US-Offiziere und deutscher OTL B. V.

Teakle, Paddy Air Cdre UK. Stv. Chefkoordinator der ISAF-Luftoperationen. Leiter des

NATO-Untersuchungsteams Kunduz („Initial Action Team“).

T. Mj Bw. Feldjägerstabsoffizier.

Uhrlau, Ernst BND-Präsident (seit Dezember 2005).

U., K. Major, Vormaliger J3 PRT Kunduz.

Vad, Dr. Erich Oberst i. G., Leiter der Gruppe 22 BK.

V., R. HFw, Storyboard ISR/TF 47.

V., B. OTL Bw. Rechtsberater. Mitglied des Untersuchungsteams (JIB) von GM

Sullivan.

V., C. AA, Referat 312, Sonderstab Afghanistan.

Vollmer, Jörg Brigadegeneral Bw. Kommandeur des Regionalkommandos Nord (RC

North) und Führer des deutschen Einsatzkontingents ISAF.

Vorbeck, Hans-Josef Ministerialdirigent. BK, Leiter der Gruppe 62 (Lageinformation und Auf-

tragssteuerung, Controlling; Außenbeziehungen).

Wardak, Mohamadullah Vorsitzender des Provinzrates in Kunduz.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 459 – Drucksache 17/7400

Weingärtner, Dr. Dieter Ministerialdirektor BMVg. AL Recht .

Westerwelle, Dr. Guido Bundesminister des Auswärtigen.

Wichert, Dr. Peter Staatssekretär a. D. BMVg.

Wieker, Volker General Bw. Ab 9. Oktober 2009 Chef des Stabes ISAF HQ in Kabul. Seit

Januar 2010 Generalinspekteur der Bundeswehr.

W., M. OFw. Rufzeichen: Red Baron 20. Deutscher Fliegerleitoffizier (JTAC-

Bediener/Auswerte-FW)

Wilhelm, Ulrich Chef des Presse- und Informationsamtes der BReg.

Wolf, Rüdiger Staatssekretär BMVg.

Yarmand, Mirza Mo-

hammad

Generalleutnant, Vertreter des AFG MoD, Leiter der AFG-

Untersuchungskommission.

Zaka, Korshid Mitglied im Provinzrat (Schura) in Kunduz.

Drucksache 17/7400 – 460 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

III. Dokumentenverzeichnis

Die nachstehenden Dokumente befinden sich auch im Internet. Sie werden durch Anklicken der Zeilen im Verzeichnis

oder der jeweiligen Dokumentangabe in den Fußnoten geöffnet.

Dokument 1 Spiegel Online vom 5. September 2009, „US-Talibanjäger rücken in Bun-
deswehr-Sektor ein“.

Dokument 2 Bild-Zeitung vom 5. September 2009, „Bundeswehr befiehlt Luftangriff auf
Taliban – bis zu 90 Tote“.

Dokument 3 Spiegel Online vom 5. September 2009, „Tanklastzug-Attacke zwingt Minis-
ter Jung in die Defensive“.

Dokument 4 Bild am Sonntag vom 6. September 2009, „Wer uns angreift, wird be-
kämpft“.

Dokument 5 Spiegel Online vom 7. September 2009, „Jung relativiert Aussage zu zivilen
Opfern“.

Dokument 6 Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin zu den aktuellen Ereig-

nissen in Afghanistan, Plenarprotokoll 16/233 vom 8. September 2009,

S. 26297 f.

Dokument 7 Financial Times Deutschland vom 18. September 2009, „Neue Vorwürfe
gegen deutschen Kommandeur“.

Dokument 8 Der Spiegel vom 21. September 2009, „Schießbefehl vom Roten Baron“.

Dokument 9 Süddeutsche Zeitung vom 30. Oktober 2009, „Gegen Einsatzregeln versto-
ßen“.

Dokument 10 Der Tagesspiegel vom 4. November 2009, „Regelverstöße bei Angriff in
Kunduz“.

Dokument 11 Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009, „Wir brauchen Rechtssicher-
heit für unsere Soldaten“.

Dokument 12 Bildzeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime Bomben-Video
der Bundeswehr“ und „Hat Minister Jung die Wahrheit verschwiegen?“.

Dokument 13 zu Guttenberg, Plenarprotokoll 17/7 vom 26. November 2009, S. 388 ff.

Dokument 14 Tagesbefehl des Ministers zu Guttenberg vom 26. November 2009.

Dokument 15 Spiegel Online vom 27. November 2009, „Opposition jubelt, Regierung zollt
Respekt“.

Dokument 16 Pressemitteilung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 19.

April 2010.

Dokument 17 Pressemitteilung des Heeres vom 19. August 2010.

Dokument 18 Georgii/Mäde, Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als Untersuchungs-

ausschuss, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bun-

destages vom 15. Januar 2010, WD 3 – 464/09.

Dokument 18a Borowy, Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständi-

gen gemäß § 17 Abs. 3 PUAG, Vermerk PD 2 – 5023-44 vom 28. Januar
2010.

Dokument 19 BGH, Beschluss vom 17. August 2010 – 3 ARs 23/10.

Dokument 20 Giesecke, Umfang und Grenzen des rechtlichen Gehörs gemäß § 32 PUAG,
Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages

vom 31. August 2011, WD 3 – 3000 – 271/11.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 461 – Drucksache 17/7400

Dokument 21 Bilanzierender Gesamtbericht der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter

deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf

terroristische Angriffe gegen die USA, Unterrichtung des Bundestages vom

8. Mai 2002, BT-Drs. 14/8990.

Dokument 22 Resolution des Sicherheitsrates 1368 (2001) vom 12. September 2001.

Dokument 23 Resolution des Sicherheitsrates 1373 (2001) vom 28. September 2001.

Dokument 24 Presseerklärung des Generalsekretärs der NATO, Lord Robertson, vom 4.

Oktober 2001.

Dokument 25 Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte

bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe

gegen die USA vom 7. November 2001, BT-Drs. 14/7296.

Dokument 26 Plenarprotokoll 14/202 vom 16. November 2001, S. 19893.

Dokument 27 Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter

deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf

terroristische Angriffe gegen die USA vom 29. Oktober 2008, BT-Drs.

16/10720.

Dokument 28 Unterrichtung des Sicherheitsrats durch den Sonderbeauftragten des General-

sekretärs für Afghanistan vom 13. November 2001.

Dokument 29 Agreement on Provisional Arrangements in Afghanistan pending the re-

establishment of Permanent Government Institutions.

Dokument 30 Resolution 1383 (2001) vom 6. Dezember 2001.

Dokument 31 Resolution 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001.

Dokument 32 Frisch, Inhaltliche Schwerpunkte der Beschlüsse des Deutschen Bundestages

zu ISAF, Infobrief der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages vom

23. April 2010, WD 2 – 3010 – 077/10.

Dokument 33 Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streit-

kräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe

in Afghanistan vom 21. Dezember 2001, BT-Drs. 14/7930.

Dokument 34 Plenarprotokoll 14/210 vom 22. Dezember 2001.

Dokument 35 Resolution 1413 (2002) vom 23. Mai 2002.

Dokument 36 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter

deutscher Streitkräfte an ISAF vom 5. Juni 2002, BT-Drs. 14/9246.

Dokument 37 Plenarprotokoll 14/243 vom 14. Juni 2002.

Dokument 38 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter

deutscher Streitkräfte an ISAF vom 3. Dezember 2002, BT-Drs. 15/128.

Dokument 39 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung und Erweiterung der Beteili-

gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF vom 15. Oktober 2003, BT-

Drs. 15/1700.

Dokument 40 Antwort der Bundesregierung bezüglich des Bundeswehreinsatzes in Kunduz

und Faisabad vom 12. Oktober 2004, BT-Drs. 15/3908.

Dokument 41 Resolution 1563 (2004) vom 17. September 2004.

Dokument 42 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter

deutscher Streitkräfte an ISAF vom 22. September 2004, BT-Drs. 15/3710.

Dokument 43 Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter

deutscher Streitkräfte an ISAF vom 21. September 2005, BT-Drs. 15/5996.

Dokument 44 Resolution 1776 (2007) vom 19. September 2007.

Dokument 45 Resolution 1833 (2008) vom 22. September 2008.


Drucksache 17/7400 – 462 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dokument 46 Antrag der Bundesregierung vom 7. Oktober 2008, BT-Drs. 16/10473.

Dokument 47 Entwurf einer Stellungnahme des BMVg zu den Rechtlichen Rahmenbedin-

gungen des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr.

Dokument 48 Hartmann/Schubert, „Rules of Engagement“ und die Taschenkarte der Bun-
deswehr, Aktueller Begriff Nr. 100/09, Wissenschaftliche Dienste des Deut-

schen Bundestages vom 19. November 2009.

Dokument 49 Nato/ISAF HQ, Kabul, Tactical Directive vom 6. Juli 2009 (Auszüge).

Dokument 50 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 22. Juni 2008, „Erst lesen,
dann warnen, dann schießen“.

Dokument 51 Pressestatement Generalinspekteur zum COM ISAF-Untersuchungsbericht

am 29. Oktober 2009.

Dokument 52 Einstellungsvermerk des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof

vom 16. April 2010.

Dokument 53 Untersuchungsbericht der Afghanischen Regierung im Fall der Bombardie-

rung der Tanklastzüge der Transportfirma Mirbacha Kot im Distrikt Char

Darah der Provinz Kunduz vom 10. September 2009 („Karzai-Bericht“).

Dokument 54 Bericht des Deputy Chief CJ2 HQ ISAF, Protokoll Fact Finding Mission

Kunduz vom 6. September 2009 („N.-Bericht“).

Dokument 55 HUMINT-Meldungen Nr. 2 und 3 vom 3. und 4. September 2009.

Dokument 56 Vorfall-Sofortmeldung des PRT KDZ vom 4. September 2009.

Dokument 57 Bundespressekonferenz vom 7. September 2009.

Dokument 58 Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Abg. Dr. Bartels, Plenar-

protokoll 17/36 vom 21. April 2010.

Dokument 59 Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Abg. Ströbele, Plenarproto-

koll 17/45 vom 9. Juni 2010.

Dokument 60 Redigiertes Transkript der Cockpit-Tapes der F-15E Kampfflugzeuge.

Dokument 61 Vorläufiger Bericht für AG 85.

Dokument 62 Antwort der Bundesregierung vom 8. September 2010, Drs. 17/2884, zu

Frage 12.

Dokument 63 Bericht von Oberst Klein für GI vom 5. September 2009 („Klein-Bericht“).

Dokument 64 Leipziger Volkszeitung vom 10. Dezember 2009, „BND-Experte und KSK-
Kräfte stimmten Bombardierung bei Kunduz mit Oberst Klein ab“.

Dokument 65 Gesprächsprotokoll Feldjägerführer: Auswertegespräch Kommandeur PRT

Kunduz mit allen Mitgliedern BDA-Team PRT Kunduz vom 4. September

2009 .

Dokument 66 Bericht des Einsatzkamerateams vom 4. September 2009.

Dokument 67 „Feldjäger-Bericht“ vom 9. September 2009.

Dokument 68 Vermerk des Einsatzführungsstabes vom 18. September 2009 für den Gene-

ralinspekteur.

Dokument 69 Sprechempfehlung für den Generalinspekteur für die Obleuteunterrichtung

am 10. September 2009.

Dokument 70 Rajiv Chandrasekaran, Washington Post vom 5. September 2009, „NATO
Probing Deathly Airstrike“.

Dokument 71 COM ISAF, Appointment of Joint Investigation Board (J.I.B.), Weisung zur

Einberufung des gemeinsamen Untersuchungsausschusses vom 8. September

2009.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 463 – Drucksache 17/7400

Dokument 72 Deutsche Übersetzung (BMVg) der Weisung zur Einberufung des gemein-

samen Untersuchungsausschusses.

Dokument 73 Schreiben HQ ISAF an Leiter Einsatzführungsstab BMVg vom 4. November

2009.

Dokument 74 Regierungspressekonferenz vom 11. September 2009.

Dokument 75 Schreiben Befehlshaber Einsatzführungskomando an Generalinspekteur vom

25. November 2009.

Dokument 76 EinsFüKdo, Rechtliche Bewertung des FJg-Einsatzes, Vermerk vom

5.10.2009

Dokument 77 BTags-Verteidigungsausschuss, Kurzprotokoll über die Sitzung vom 8. Sep-

tember 2009.

Dokument 78 E-Mail des zivilen Leiters PRT KDZ an AA-Referat 343 vom 12. September

2009 mit UNAMA-Bericht über die Folgen des Angriffs.

Dokument 79 UNAMA, Human Rights Kabul, Annual report on Protection of Civilians in

armed conflict, 2009 aus dem Januar 2010.

Dokument 80 Gesprächsprotokoll des Feldjägerführers: Auswertegepräch IAT mit Vertre-

tern Provinzrat KDZ und mit Vertretern AFG Ermittlungsteam aus KBL.

Dokument 81 Regierungspressekonferenz vom 30. Oktober 2009.

Dokument 82 AIHRC-Liste mit Opfern des Luftschlages.

Dokument 83 Amnesty International, „Document – Afghanistan: Background to the Kun-
duz airstrike of 4 september 2009” vom 30. Oktober 2009.

Dokument 84 BK-interne E-Mail G. an H. einschließlich BBC-Meldung vom 4. September

2009.

Dokument 85 ISAF HQ, Pressemitteilung vom 4. September 2009.

Dokument 86 BBC News vom 5. September 2009, „US general sees strike aftermath“.

Dokument 87 New York Times vom 5. September 2009, „NATO Strike Magnifies Divide
on Afghan War“.

Dokument 88 Der Spiegel vom 4. September 2009, „Uno fordert Ermittlungen zu Luftang-
riff auf Tanklaster“.

Dokument 89 Frankfurter Rundschau vom 5. September 2009, „Viele Tote, viele Fragen“.

Dokument 90 Süddeutsche Zeitung vom 5. September 2009, „Bundeswehr befiehlt Luftang-
riff – viele Tote“.

Dokument 91 The Guardian vom 4. September 2009, 13.47 Uhr BST, „Nato air strike in
Afghanistan kills scores“.

Dokument 92 Der Tagesspiegel vom 5. September 2009, „Unklare Lage“.

Dokument 93 BBC News vom 4. September 2009, 20 Uhr (GMT), „Nato pledges Afghan
strike probe“.

Dokument 94 The Independent vom 4. September 2009, „Nato airstrike kills 90 in Afgha-
nistan“.

Dokument 95 E-Mail vom 7. September 2009 mit Weisung zur Demarche.

Dokument 96 Gesprächsprotokoll COM PRT KDZ/Dep Chief Police KDZ.

Dokument 97 Schreiben CJ2 MeS an Kdr RC North vom 4. September 2009.

Dokument 98 Deckblatt für die Übertragung von Dateien via Scotty vom 4. September

2009.

Dokument 99 Information JOCWatch, RC N CAS.


Drucksache 17/7400 – 464 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dokument 100 www.bundeswehr.de, Meldungen 4./6. September 2009

Dokument 101 www.bundeswehr.de; 2. Änderung Online-Auftritt 15:47 Uhr

Dokument 102 Vermerk Glatz vom 4. September 2009.

Dokument 103 DEU EinsKtgt ISAF, Erste rechtliche Bewertung Vorfall KDZ.

Dokument 104 DEU EinsKtgt ISAF, Erste Stellungnahme COM RC N.

Dokument 105 Gesprächsprotokoll PRT KDZ.

Dokument 106 Übersendung Gesprächsprotokolle PRT KDZ an GI und Leiter EFS am 7.

September 2009

Dokument 107 Pressestatement ISAF vom 4. September 2009.

Dokument 108 Vorlage einer Presseverwertbaren Stellungnahme zum Luftangriff vom Ein-

satzführungsstab an Sts Dr. Wichert vom 7. September 2009.

Dokument 109 EinsFüStab, Kurzauswertung Vorläufiger Feldjägerbericht für Gespräch mit

GI.

Dokument 110 Ministerweisung zur Aufklärung des Sachverhalts.

Dokument 111 Vermerk Dr. Wichert auf Ministerweisung.

Dokument 112 Verteidigungsministerium, Aufbau und Funktion: Der Leitungsbe-

reich/Presse- und Informationsstab.

Dokument 113 Presseerklärung HQ ISAF.

Dokument 114 SMS von Krause an Dienst.

Dokument 115 Pressekonferenz vom 4. September 2009.

Dokument 116 Rajiv Chandrasekaran, Washington Post vom 6. September 2009, „Sole
Informant Guided Decision On Afghan Strike“.

Dokument 117 EinsFüStab, Darstellung des Sachstandes zum Luftangriff auf Opposing

Militant Forces (OMF) am 4. September 2009.

Dokument 118 AA, Email 1 vom 4. September 2009.

Dokument 119 AA, Email 2 vom 4. September 2009.

Dokument 120 AA, Email 3 vom 4. September 2009.

Dokument 121 AA, Email 4 vom 4. September 2009.

Dokument 122 AA, E-Mail Referatsleiter 011.

Dokument 123 Organisationsplan Bundeskanzleramt.

Dokument 124 Obleuteunterrichtung durch StS Dr. Wichert vom 4. September 2009.

Dokument 125 E-Mail AA an BK.

Dokument 126 Vermerk für AL 2, BK, vom 26. November 2009.

Dokument 127 Vermerk für Bundeskanzerin vom 10. September 2009.

Dokument 128 E-Mail Referat 222, BK an BMVg vom 9. Dezember 2009.

Dokument 129 E-Mail Vad an Bemelmanns vom 8. September 2009.

Dokument 130 E-Mail Vad an Baumann und Beemelmans vom 21. September 2009.

Dokument 131 E-Mail von Heusgen vom 7. September 2009.

Dokument 132 Pressestatements von Bundeskanzlerin Dr. Merkel und vom britischen Pre-

mierminister Gordon Brown am 6. September 2009 in Berlin.

Dokument 133 E-Mail BK an Büro Sts Dr. Wichert vom 10. September 2009.

Dokument 134 E-Mail Heusgen an Baumann.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 465 – Drucksache 17/7400

Dokument 135 Obleuteunterrichtung StS Dr. Wichert vom 7. September 2009

Dokument 136 Frankfurter Allgemeine vom 8. September 2009, „Isaf-Einsatzregeln offenbar
nicht eingehalten“.

Dokument 137 Vermerk BM Dr. Jung auf Volage einer Presseverwertbaren Stellungnahme.

Dokument 138 Der Tagesspiegel vom 9. September 2009, „Es gab zivile Opfer“.

Dokument 139 Obleuteunterrichtung Sts Dr. Wichert vom 9. September 2009.

Dokument 140 Süddeutsche Zeitung vom 10. September 2009, „Deutscher Oberst durfte
Angriff nicht befehlen“.

Dokument 141 Frankfurter Rundschau vom 10. September 2009, „Gegen alle Regeln“.

Dokument 142 Der Tagesspiegel vom 7. September 2009, „Afghanistan wird zum Wahl-
kampfthema“.

Dokument 143 AA, 2 E-Mails.

Dokument 144 Vermerk Glatz vom 2. Dezember 2009.

Dokument 145 Süddeutsche Zeitung vom 6. November 2009, „Piloten schlugen Drohgeste
vor“.

Dokument 146 Neue Züricher Zeitung vom 6. November 2009, „Guttenberg hält Angriff in
Kunduz für angemessen“.

Dokument 147 Berliner Zeitung vom 7. November 2009, „Entlastungsschlag für Oberst
Klein“.

Dokument 148 Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2009, „Luftschlag war in jedem Fall
angemessen”.

Dokument 149 Focus vom 6. November 2009, „US-Piloten zögerten mit Bombardierung“.

Dokument 150 Frankfurter Allgemeine vom 7. November 2009, „Guttenberg: Luftschlag bei
Kunduz war militärisch angemessen“.

Dokument 151 Der Tagesspiegel vom 7. November 2009, „Eine Prüfung für alle“.

Dokument 152 Vorlage für die Bundeskanzlerin zum COM ISAF-Untersuchungsbericht vom

29. Oktober 2009.

Dokument 153 Ministervorlage vom 2. November 2009 zum COM ISAF-Bericht.

Dokument 154 EinsFüSt: Vorlage für GI vom 16. Dezember 2009, Chronologie über die

Informationsbereitstellung BMVg im Zusammenhang mit dem Luftangriff

vom 4. September 2009 in Kunduz.

Dokument 155 Pressestatement des Bundesministers zu Guttenberg zum COM ISAF-Bericht

vom 6. November 2009.

Dokument 156 Bild-Zeitung vom 26. November 2009, „Das streng geheime Bomben-
Video der Bundeswehr“.

Dokument 157 Frankfurter Allgemeine vom 14. Dezember 2009, „Was sagten Schneiderhan
und Wichert dem Minister wirklich?“.

Dokument 158 Die Zeit vom 17. Dezember 2009, „Da sagt er die Unwahrheit“.

Dokument 159 Der Spiegel vom 1. Februar 2010, „Ein deutsches Verbrechen“.

Dokument 160 Der Spiegel vom 30. November 2009, „Die Schweigespirale“.

Dokument 161 Handschriftliche Notizen der Büroleiterin von Bundesminister zu Guttenberg.

Dokument 162 Pressestatement von Bundesminister Dr. Franz Josef Jung vom 27. Novem-

ber 2009.

Dokument 163 Verteidigungsausschuss vom 27. November 2009, Protokoll-Nr. 3.

Dokument 164 E-Mail Braunstein vom 30. November 2009.


Drucksache 17/7400 – 466 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dokument 165 Rede Bundesminister zu Guttenberg vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

vom 1. Dezember 2009.

Dokument 166 Bundesminister zu Guttenberg, Plenarprotokoll 17/9 vom 3. Dezember 2009.

Dokument 167 Schreiben des GStA des Landes Brandenburg an mehrere Staatsanwaltschaf-

ten vom 2. Januar 2002.

Dokument 168 Vermerk BMVg vom 7. September 2009 zu Gespräch mit StA Potsdam.

Dokument 169 EinsFüKdo, Schreiben an StA Potsdam vom 7. September 2009.

Dokument 170 Vermerk BMVg vom 8. September 2009 zu Telefonat mit LOStA Dresden.

Dokument 171 GStA Dresden, Telefonvermerk vom 9. September 2009.

Dokument 172 E-Mail Bw an BMVg vom 9. September 2009 über Telefonat mit GStA

Dresden.

Dokument 173 EinsFüKdo Bw an GStA Dresden vom 10. September 2009.

Dokument 174 EinsFüKdo Bw, Vermerk über Gespräch mit an GStA Dresden am 18. Sep-

tember 2009.

Dokument 175 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP im Ausschuss vom 9. Juni

2011 zur Abänderung des Verfahrensbeschlusses Nr. 8 (Öffentliche Verneh-

mung von Mitgliedern der politischen Leitungsebene).

Dokument 176 Untersuchungsausschuss, Beratungssitzung vom 17. Juni 2010, Protokoll-Nr.

23.

Dokument 177 E-Mail BMZ vom 7. September 2009.

Dokument 178 BMVg, Unterrichtung des Parlaments 37/09 vom 9. September 2009.

Dokument 179 BMVg, Unterrichtung des Parlaments 39/09 vom 23. September 2009.

Dokument 180 Übersicht über den Informationsfluss hinsichlich der Berichte zum Kunduz-

Vorfall.

Dokument 181 E-Mail BK an Büro Wichert vom 7. September 2009.

Dokument 182 E-Mail Büro Wichert an GI vom 3. November 2009: Anfrage an die NATO

wegen einer offenen Version des COM ISAF-Berichts.

Dokument 183 BMVg Fü H I 3: Bericht über Dienstreise nach Masar-e-Sharif und Kunduz

vom 18. November 2009.

Dokument 184 Stuttgarter Zeitung vom 5. Juli 2011: „Ein Persilschein soll Guttenberg Türen
offen halten“.

Dokument 185 Frankfurter Allgemeine vom 4. Juli 2011, „Koalition entlastet Guttenberg in
der Kunduz-Affäre“.

Dokument 186 dpa vom 5. Juli 2011: „Struck attackiert Kundus-Bericht“.

Dokument 187 Universität Bayreuth, Bericht aus Anlass der Untersuchung des Verdachts

wissenschaftlichen Fehlverhaltens von Herrn Karl-Theodor Freiherr zu Gut-

tenberg vom 5. Mai 2011.

Dokument 188 Süddeutsche Zeitung vom 2. Juli 2011: „Persilschein für Guttenberg“.

Dokument 189 Financial Times Deutschland vom 4. Juli 2011, „Koalition erklärt Kundus-
Affäre für ungeschehen“.

Dokument 190 Regierungserklärung zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, Plenar-

protokoll 17/37 vom 22. April 2010.

Dokument 191 Schreiben Dr. Wichert an Bundesminister zu Guttenberg vom 30. November

2009

Dokument 192 Schreiben Bundesminister zu Guttenberg an Dr. Wichert vom 2. Dezember

2009.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 467 – Drucksache 17/7400

Dokument 193 Schreiben Bundesminister zu Guttenberg an Dr. Wichert vom 18. Dezember

2009.

Dokument 194 Erklärungen der Bundesregierung zu der Übertragung der Befehlgewalt auf

die ISAF (Transfer of Authority, Clarifying Remarks), konkretisierende An-

merkungen zum ISAF-Operationsplan.

Dokument 195 GBA, Handaktenvermerk vom 3. März 2010.

Dokument 196 Untersuchungsausschuss, Beratungssitzung vom 28. September 2011, Proto-

koll-Nr. 57, Tagesordnungspunkt 1 „Lessons Learned“.

Drucksache 17/7400 – 468 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

IV. Verzeichnis Stenographische Protokolle

Die nachstehenden Stenographischen Protokolle befinden sich auch im Internet. Sie werden durch Anklicken der Zeilen

im Verzeichnis geöffnet.

Protokoll Nr. 6, Teil II Vernehmung des Zeugen Oberst i. G. Klein am 10. Februar 2010.

Protokoll Nr. 14,Teil I Öffentliche Vernehmung der Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert

und General a. D. Schneiderhan am 18. März 2010.

Protokoll Nr. 14,Teil II Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen Staatssekretär a. D.

Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan am 18. März 2010.

Protokoll Nr. 16, Teil I Öffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister a. D. Dr. Jung

am 25. März 2010.

Protokoll Nr. 16, Teil II Nichtöffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister a. D.

Dr. Jung am 25. März 2010.

Protokoll Nr. 18, Teil I Öffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister zu Guttenberg

am 22. April 2010.

Protokoll Nr. 18, Teil II Nichtöffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister zu Gutten-

berg am 22. April 2010.

Protokoll Nr. 31 Öffentliche Vernehmung der Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert

und General a. D. Schneiderhan am 29. September 2010.

Protokoll Nr. 49 Öffentliche Vernehmung der Zeugin Bundeskanzlerin Dr. Merkel und

des Zeugen Bundesminister a. D. Dr. Steinmeier am 10. Februar 2011.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 469 – Drucksache 17/7400

V. Beratungsunterlagen

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

1 Untersuchungsauftrag der Fraktionen

CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE.. und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

16.12.2009 16.12.2009 -

2 Beschlussvorschlag

Zutritt von Fraktionsmitarbeitern

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 1

zum Verfahren

3 Beschlussvorschlag

Einsetzung eines interfraktionellen Gremiums

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 2

zum Verfahren

4 Beschlussvorschlag

Protokollierung der Ausschusssitzungen

16.12.2009 21.01.2010 Beschluss 3

zum Verfahren

5 Beschlussvorschlag

Behandlung der Ausschussprotokolle

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 4

zum Verfahren

6 Beschlussvorschlag

Verteilung von Beratungs-unterlagen, Beweis-

beschlüssen und Ausschussmaterialien

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 5

zum Verfahren

7 Beschlussvorschlag

Verteilung von Verschlusssachen

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 6

zum Verfahren

8 Beschlussvorschlag

Behandlung von Beweisanträgen

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 7 zu

Verfahren

9 Beschlussvorschlag

Öffentlichkeit der Sitzungen

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 8

zum Verfahren

10 Beschlussvorschlag

Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 9

zum Verfahren

11 Beschlussvorschlag

Verpflichtung zur Geheimhaltung

16.12.2009 21.01.2010 Beschluss 10

zum Verfahren

12 Beschlussvorschlag

Fragerecht bei der Beweiserhebung

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 11

zum Verfahren

13 Beschlussvorschlag

Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen

16.12.2009 16.12.2009 Beschluss 12

zum Verfahren

14 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des COMISAF-Berichts der NATO

vom 28.10.09 zum Vorfall vom 4. September

2009 im Original und in deutscher Übersetzung

nebst allen Anlagen beim Bundesministerium

der Verteidigung

16.12.2009 16.12.2009 1

15 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung desUntersuchungsbericht zum

„Close Air Support KUNDUZ“ des Feldjäger-
führers im Einsatz vom 09.09.09 nebst allen

Anlagen beim Bundesministerium der Verteidi-

gung

16.12.2009 16.12.2009 2

16 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des Berichts des „Incident Action

16.12.2009 16.12.2009 3

Drucksache 17/7400 – 470 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Team“ (IAT) / NATO HQ ISAF zum Vorfall
vom 4. September 2009 („Smith-Bericht“) im
Original und in deutscher Übersetzung nebst

allen Anlagen beim Bundesministerium der

Verteidigung

17 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des ISAF-Berichts einer „Fact Fin-
ding Mission“ vom 6. September 2009 zum
Vorfall vom 4. September 2009 im Original und

ggf. in deutscher Übersetzung nebst allen Anla-

gen beim Bundesministerium der Verteidigung.

16.12.2009 16.12.2009 4

18 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des Berichts von Oberstleutnant N.

zum Vorfall vom 4. September 2009 nebst allen

Anlagen beim Bundesministerium der Verteidi-

gung

16.12.2009 16.12.2009 5

19 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des „ISAF Appointment“-
Protokolls vom 8. September 2009 zum Vorfall

vom 4. September 2009, im Original und ggf. in

deutscher Übersetzung nebst allen Anlagen

beim Bundesministerium der Verteidigung

16.12.2009 16.12.2009 6

20 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des Untersuchungsberichts für Prä-

sident Karsai vom 10. September 2009 zum

Vorfall vom 4. September 2009 im Original und

ggf. in deutscher Übersetzung, nebst allen An-

lagen beim Bundesministerium der Verteidi-

gung

16.12.2009 16.12.2009 7

21 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des „Berichts über die möglichen
Folgen des Angriffs“ für das Auswärtige Amt
zum Vorfall vom 4. September 2009 nebst allen

Anlagen beim Bundesministerium der Verteidi-

gung und beim Auswärtigen Amt

16.12.2009 16.12.2009 8

22 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des Berichts von Oberst Georg

Klein (COM PRT KDZ) vom 5. September

2009 nebst allen Anlagen beim Bundesministe-

16.12.2009 16.12.2009 9

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 471 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

rium der Verteidigung

23 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung der vorhandenen Berichte des Inter-

nationalen Roten Kreuzes zum Vorfall vom

4. September 2009 im Original und ggf. in

deutscher Übersetzung nebst allen Anlagen

beim Bundesministerium der Verteidigung.

16.12.2009 16.12.2009 10

24 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des Berichts für die UN-Mission

UNAMA vom 14. September 2009 zum Vorfall

vom 4. September 2009 im Original und ggf. in

deutscher Übersetzung nebst allen Anlagen

beim Bundesministerium der Verteidigung

16.12.2009 16.12.2009 11

25 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung des Berichts des damaligen Kom-

mandeurs des Regional Command North (RC

North) in Mazar-e-Sharif, Brigadegeneral Jür-

gen Setzer vom 6. November 2009 nebst allen

Anlagen beim Bundesministerium der Verteidi-

gung

16.12.2009 16.12.2009 12

26 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Organigramme über

Befehls- und Meldewege innerhalb der NATO

für ISAF sowie zwischen dem deutschen Kon-

tingent in Afghanistan und weiteren Dienststel-

len der Bundeswehr beim Bundesministerium

der Verteidigung

16.12.2009 16.12.2009 13

27 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherte

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen, und die

sich befinden im Bereich des 20. DEUEinsKtgt

ISAF – PRT in Kunduz, beim Bundesministe-
rium der Verteidigung.

16.12.2009 16.12.2009 14

28 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

16.12.2009 16.12.2009 15

Drucksache 17/7400 – 472 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen, und die

sich befinden im Bereich des HQ RC North in

Mazar-e-Sharif, beim Bundesministerium der

Verteidigung

29 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich des COMISAF HQ in

Kabul, beim Bundesministerium der Verteidi-

gung

16.12.2009 16.12.2009 16

30 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich des Einsatzführungs-

kommandos der Bundeswehr (EinsFüKdoBw)

und des Kommandos Führung Operationen von

Spezialkräften (Kdo FOSK), beim Bundesmi-

nisterium der Verteidigung

16.12.2009 16.12.2009 17

31 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich des Einsatzführungs-

stabes im Bundesministerium der Verteidigung,

beim Bundesministerium der Verteidigung

16.12.2009 16.12.2009 18

32 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden in den Büros des Generalinspek-

teurs der Bundeswehr sowie seiner Stellvertre-

ter, insbesondere eventuelle schriftliche Unter-

lagen („Sprechzettel“ o. ä.) für die Einweisung

16.12.2009 16.12.2009 19

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 473 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

von Bundesminister Freiherr zu Guttenberg in

sein neues Amt, beim Bundesministerium der

Verteidigung

33 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im gesamten Bereich des Füh-

rungsstabes der Streitkräfte mit Ausnahme der

Büros des Generalinspekteurs sowie seiner

Stellvertreter, beim Bundesministerium der

Verteidigung

16.12.2009 16.12.2009 20

34 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich der Abteilung Recht

des BMVg, beim Bundesministerium der Ver-

teidigung

16.12.2009 16.12.2009 21

35 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich des Presse- und In-

formationsstabes des BMVg, insbesondere

eventuelle schriftliche Unterlagen („Sprechzet-
tel“ o. ä.) zur Vorbereitung der Äußerungen der
Pressesprecher des BMVg zum Untersuchungs-

gegenstand, beim Bundesministerium der Ver-

teidigung

16.12.2009 16.12.2009 22

36 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden in den Büros der Staatssekretäre

im BMVg, insbesondere eventuelle schriftliche

Unterlagen („Sprechzettel“ o. ä.) für die Ein-

16.12.2009 16.12.2009 23

Drucksache 17/7400 – 474 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

weisung von Bundesminister Freiherr zu Gut-

tenberg in sein neues Amt, beim Bundesminis-

terium der Verteidigung

37 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden in den Büros der Parlamentari-

schen Staatssekretäre beim BMVg, beim Bun-

desministerium der Verteidigung

16.12.2009 16.12.2009 24

38 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich des Leitungsstabes des

BMVg, beim Bundesministerium der Verteidi-

gung.

16.12.2009 16.12.2009 25

39 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE.und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich des Planungsstabes

des BMVg, beim Bundesministerium der Ver-

teidigung

16.12.2009 16.12.2009 26

40 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Büro des Bundesministers der

Verteidigung, beim Bundesministerium der

Verteidigung.

16.12.2009 16.12.2009 27

41 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

16.12.2009 16.12.2009 28

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 475 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich des Bundesministe-

riums der Verteidigung und diesem nachgeord-

neten Stellen, soweit durch die Beweisanträge

Nrn. 13 bis 27 nicht bereits abgedeckt, insbe-

sondere auch eventuelle Protokolle zur Amts-

übergabe von BM a.D. Dr. Jung an BM Freiherr

zu Guttenberg und eventuelle Unterlagen zur

Beteiligung des Bundeskanzleramts an der

Entlassung von GI General Schneiderhahn und

von Sts Dr. Wichert, beim Bundesministerium

der Verteidigung

42 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich der Gruppe 21 des

Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzleramt

16.12.2009 16.12.2009 29

43 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich der Gruppe 22 des

Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzleramt

16.12.2009 16.12.2009 30

44 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Büro des Abteilungsleiters 2

des Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzler-

amt

16.12.2009 16.12.2009 31

45 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

16.12.2009 16.12.2009 32

Drucksache 17/7400 – 476 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich der Gruppe 61 des

Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzleramt

46 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich der Gruppe 62 des

Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzleramt

16.12.2009 16.12.2009 33

47 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Büro des Abteilungsleiters 6

des Bundeskanzleramtes, beim Bundeskanzler-

amt

16.12.2009 16.12.2009 34

48 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Büro des Chefs des Bundes-

kanzleramtes, beim Bundeskanzleramt

16.12.2009 16.12.2009 35

49 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Kanzlerbüro beim Bundes-

kanzleramt

16.12.2009 16.12.2009 36

50 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

16.12.2009 16.12.2009 37

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 477 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

sich befinden im gesamten Bereich des Bundes-

nachrichtendienstes, beim Bundeskanzleramt

51 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im gesamten Bereich des Presse-

und Informationsamtes der Bundesregierung,

insbesondere eventuelle schriftliche Unterlagen

(„Sprechzettel“ o. ä.) zur Vorbereitung von
Äußerungen der Regierungssprecher zum Un-

tersuchungsgegenstand beim Bundeskanzleramt

16.12.2009 16.12.2009 38

52 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen und die

sich befinden im Bereich des Bundeskanzleram-

tes und diesem nachgeordneten Stellen, soweit

durch die Beweisanträge Nrn. 29 bis 38 noch

nicht abgedeckt, insbesondere auch eventuelle

Unterlagen zur Beteiligung des Bundeskanzler-

amtes an der Entlassung von Generalinspekteur

General Schneiderhan und von Staatssekretär

Dr. Wichert beim Bundesministerium der Ver-

teidigung

16.12.2009 16.12.2009 39

53 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand direkt, indi-

rekt, konkret oder abstrakt betreffen, und die

sich befinden im Bereich des Auswärtigen Am-

tes, insbesondere auch die Aufgabenbeschrei-

bung des Vertreters des AA in Kundus, beim

Auswärtigen Amt

16.12.2009 16.12.2009 40

54 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung der Terminkalender der Bundes-

kanzlerin Dr. Angela Merkel, des ehemaligen

Chefs des Bundeskanzleramtes, Bundesminister

16.12.2009 - -

Drucksache 17/7400 – 478 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Dr. Thomas de Maizière, des Chefs des Bun-

deskanzleramtes, Bundesminister Ronald Pofal-

la, des Abteilungsleiters 2 im Bundeskanzler-

amt, MD Dr. Christoph Heusgen, des damaligen

Abteilungsleiters 6 im Bundeskanzleramt, Sts

Klaus-Dieter Fritsche und des Leiters der Grup-

pe 62 im Bundeskanzleramt, MDgt Hans-Josef

Vorbeck, soweit diese Termine (persönlich,

telefonisch oder in sonstiger Form) betreffen,

die in direktem o. indirektem, konkreten o.

abstrakten Zusammenhang mit dem Untersu-

chungsauftrag standen, beim Bundeskanzleramt

54 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Beiziehung der Terminkalender der Bundes-

kanzlerin Dr. Angela Merkel, des ehemaligen

Chefs des Bundeskanzleramtes, Bundesminister

Dr. Thomas de Maizière, des Chefs des Bun-

deskanzleramtes, Bundesminister Ronald Pofal-

la, des Abteilungsleiters 2 im Bundeskanzler-

amt, MD Dr. Christoph Heusgen, des damaligen

Abteilungsleiters 6 im Bundeskanzleramt, Sts

Klaus-Dieter Fritsche und des Leiters der Grup-

pe 62 im Bundeskanzleramt, MDgt Hans-Josef

Vorbeck, soweit diese Termine (persönlich,

telefonisch oder in sonstiger Form) betreffen,

die in direktem o. indirektem, konkreten o.

abstrakten Zusammenhang mit dem Untersu-

chungsauftrag, insbesondere mit den Ziffern 1

bis 4 des Auftrags, standen, beim Bundeskanz-

leramt

26.01.2010 28.01.2010 113

55 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung der Terminkalender des Bundesmi-

nisters a. D. Dr. Franz Josef Jung, des Bundes-

ministers Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,

des Parlamentarischen Staatssekretärs beim

BMVg Thomas Kossendey, des Parlamentari-

schen Staatssekretärs beim BMVg Christian

Schmidt, des Staatssekretärs a. D. Dr. Peter

Wichert und des Generalinspekteurs der Bun-

deswehr a. D. General Wolfgang Schneiderhan,

soweit diese Termine (persönlich, telefonisch

oder in sonstiger Form) betreffen, die in direk-

tem o. indirektem, konkreten o. abstrakten Zu-

sammenhang mit dem Untersuchungsauftrag

standen, beim Bundesministerium der Verteidi-

gung

21.12.2009 - -

55 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Beiziehung der Terminkalender des Bundesmi-

26.01.2010 28.01.2010 114

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 479 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

nisters a. D. Dr. Franz Josef Jung, des Bundes-

ministers Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,

des Parlamentarischen Staatssekretärs beim

BMVg Thomas Kossendey, des Parlamentari-

schen Staatssekretärs beim BMVg Christian

Schmidt, des Staatssekretärs a. D. Dr. Peter

Wichert, und des Generalinspekteurs der Bun-

deswehr a. D. General Wolfgang Schneiderhan,

soweit diese Termine (persönlich, telefonisch

oder in sonstiger Form) betreffen, die in direk-

tem o. indirektem, konkreten o. abstrakten Zu-

sammenhang mit dem Untersuchungsauftrag,

insbesondere mit den Ziffern 1 bis 4 des Auf-

trags, standen, beim Bundesministerium der

Verteidigung

56 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten in den Verfahren

bzw. Prüfvorgängen der Generalstaatsanwalt-

schaft Dresden, die in direktem oder indirektem,

konkreten oder abstrakten Zusammenhang mit

den Untersuchungsauftrag bezeichneten Sach-

verhalten und Fragestellungen stehen, bei der

Generalstaatsanwaltschaft Dresden

21.12.2009 -

56 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Es soll im gestuften Verfahren, die General-

staatsanwaltschaft Dresden zunächst darum

ersucht werden mitzuteilen, welche Verfahren

oder Prüfvorgänge in ihrem Verantwortungsbe-

reich in direktem oder indirektem, konkreten

oder abstrakten Zusammenhang mit den im

Untersuchungsauftrag bezeichneten Sachverhal-

ten und Fragestellungen – anknüpfend an den
untersuchten Vorgang am 3./4. September 2009

in Kunduz – stehen, und im Anschluss daran
sämtliche Akten in den konkret bezeichneten

Verfahren, soweit sie den Untersuchungsge-

genstand betreffen und ohne Gefährdung der

Ermittlungen vorgelegt werden können, beige-

zogen werden bei der Generalstaatsanwaltschaft

Dresden

26.01.2010 28.01.2010 115

57 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung sämtlicher Akten in dem oder den

Verfahren bzw. Prüfvorgängen der Bundesan-

waltschaft, die in direktem oder indirektem,

konkreten oder abstrakten Zusammenhang mit

den im Untersuchungsauftrag bezeichneten

Sachverhalten und Fragestellungen stehen, beim

Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof

21.12.2009 - -

Drucksache 17/7400 – 480 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

57 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Es soll im gestuften Verfahren der Generalbun-

desanwalt beim Bundesgerichtshof zunächst

darum ersucht werden mitzuteilen, welche Ver-

fahren oder Prüfvorgänge in seinem Verantwor-

tungsbereich in direktem oder indirektem, konk-

reten oder abstrakten Zusammenhang mit den

im Untersuchungsauftrag bezeichneten Sach-

verhalten und Fragestellungen – anknüpfend an
den untersuchten Vorgang am 3./4. September

2009 in Kunduz – stehen, und im Anschluss
daran sämtliche Akten in den konkret bezeich-

neten Verfahren, soweit sie den Untersuchungs-

gegenstand betreffen und ohne Gefährdung der

Ermittlungen vorgelegt werden können, beige-

zogen werden beim Generalbundesanwalt beim

Bundesgerichtshof

26.01.2010 28.01.2010 116

58 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung der Bundeskanzlerin Dr. Angela

Merkel als Zeugin

16.12.2009 16.12.2009 45

59 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Chefs des Bundeskanzleram-

tes Bundesminister Ronald Pofalla als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 46

60 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des ehemaligen, bis zum 27. Ok-

tober 2009 amtierenden, Chefs des Bundeskanz-

leramtes und heutigen Bundesminister des In-

nern, Dr. Thomas de Maizière als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 47

61 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des ehemaligen Leiters der Abtei-

lung 6 im Bundeskanzleramt und heutigen

Staatssekretärs im Bundesministerium des In-

nern, Klaus-Dieter Fritsche als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 48

62 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Leiters der Gruppe 62 im

Bundeskanzleramt, Ministerialdirigent Hans-

Josef Vorbeck als Zeugen

16.12.2009 - -

62 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

26.01.2010 28.01.2010 117

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 481 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Zeugenvernehmung des Leiters der Gruppe 62

im Bundeskanzleramt, Ministerialdirigent Hans-

Josef Vorbeck als Zeugen

63 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Leiters der Abteilung 2 im

Bundeskanzleramt Ministerialdirektor, Dr.

Christoph Heusgen als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 50

64 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Leiters der Gruppe 21 im

Bundeskanzleramt, Ministerialdirigent Nikel als

Zeugen

16.12.2009 - -

64 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Zeugenvernehmung des Leiters der Gruppe 21

im Bundeskanzleramt, Ministerialdirigent Nikel

als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 118

65 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Leiters der Gruppe 22 im

Bundeskanzleramt, O. i. G. Dr. Erich Vad als

Zeugen

16.12.2009 - -

65 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des Leiters der Gruppe 22 im

Bundeskanzleramt, O. i. G. Dr. Erich Vad als

Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 118

66 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Leiters des Referats 222 im

Bundeskanzleramt, O. i. G. G. als Zeugen
16.12.2009 - -

66 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des Leiters des Referats 222 im

Bundeskanzleramt, O. i. G. G. als Zeugen
26.01.2010 28.01.2010 120

67 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der 16.12.2009 16.12.2009 54

Drucksache 17/7400 – 482 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Chefs des Presse- und Infor-

mationsamtes der Bundesregierung und Regie-

rungssprechers, Ulrich Wilhelm als Zeugen

68 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Bundesministers des Auswär-

tigen, Dr. Guido Westerwelle als Zeugen.

16.12.2009 16.12.2009 55

69 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Bundesministers des Auswär-

tigen a. D., Dr. Frank-Walter Steinmeier als

Zeugen.

16.12.2009 16.12.2009 56

70 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Staatssekretärs a. D. im Bun-

desministerium des Äußeren, Reinhard Silber-

berg als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 57

71 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Bundesministers der Verteidi-

gung a. D., Dr. Franz Josef Jung als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 58

72 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Bundesministers der Verteidi-

gung, Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg als

Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 59

73 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Parlamentarischen Staatssek-

retärs beim Bundesministerium der Verteidi-

gung, Thomas Kossendey, MdB, als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 60

74 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Parlamentarischen Staatssek-

retärs beim Bundesministerium der Verteidi-

gung, Christian Schmidt, MdB, als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 61

75 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

16.12.2009 16.12.2009 62

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 483 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des seit dem 1. Januar 2008 amtie-

renden Staatssekretärs im Bundesministerium

der Verteidigung, Rüdiger Wolf als Zeugen

76 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des bis zum 26. November 2009

amtierenden Staatssekretärs a. D. im Bundes-

ministerium der Verteidigung, Dr. Peter Wi-

chert als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 63

77 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des ehemaligen Leiters des Lei-

tungsstabes und Ministerbüros im Bundesminis-

terium der Verteidigung, Ministerialdirigent

Malte Krause, als Zeugen

16.12.2009 - -

77 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des ehemaligen Leiters des Lei-

tungsstabes und Ministerbüros im Bundesminis-

terium der Verteidigung Ministerialdirigent,

Malte Krause als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 121

78 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des damaligen Leiters des Pla-

nungsstabs im Bundesministerium der Verteidi-

gung, Ministerialdirektor Dr. Ulrich Schlie als

Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 65

79 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des ehemaligen Persönlichen

Referenten von Bundesminister a. D. Dr. Jung,

Ministerialrat Eric Schnell als Zeugen

16.12.2009 - -

79 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des ehemaligen Persönlichen

Referenten von Bundesminister a. D. Dr. Jung,

Ministerialrat Eric Schnell als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 122

80 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des damaligen Leiters des Büros

des Staatssekretärs a. D. Dr. Wichert im Bun-

16.12.2009 - -

Drucksache 17/7400 – 484 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

desministerium der Verteidigung, Kapitän zur

See Thomas Ernst, als Zeugen

80 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des damaligen Leiters des Büros

des Staatssekretärs a. D. Dr. Wichert im Bun-

desministerium der Verteidigung, Kapitän zur

See Thomas Ernst, als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 123

81 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Leiters der Adjutantur im

Bundesministerium der Verteidigung, Oberst i.

G. Braunstein, als Zeugen

16.12.2009 - -

81 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des Leiters der Adjutantur im

Bundesministerium der Verteidigung, Oberst i.

G. Braunstein als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 124

82 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009 Verneh-

mung des Leiters der Adjutantur des Generalin-

spekteurs der Bundeswehr im Bundesministe-

rium der Verteidigung, Oberst i. G. Hartmut

Renk als Zeugen

16.12.2009 - -

82 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des Leiters der Adjutantur des

Generalinspekteurs der Bundeswehr im Bun-

desministerium der Verteidigung, Oberst i. G.

Hartmut Renk als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 125

83 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Leiters des Presse- und Infor-

mationsstabs des Bundesministeriums der Ver-

teidigung und Sprecher des Verteidigungsminis-

teriums, Steffen Moritz als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 70

84 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des ehemaligen Leiters des Pres-

se- und Informationsstabs des Bundesministe-

riums der Verteidigung und Sprecher des Ver-

teidigungsministeriums, Dr. Thomas Raabe als

16.12.2009 16.12.2009 71

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 485 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Zeugen

85 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Stellvertretenden Leiters des

Presse- und Informationsstabs des Bundesmi-

nisteriums der Verteidigung und Stellvertreten-

den Sprechers des Verteidigungsministeriums,

Kapitän zur See Christian Dienst als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 72

86 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des bis zum 26. November 2009

amtierenden, ehemaligen Generalinspekteurs

der Bundeswehr General a. D. Wolfgang

Schneiderhan als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 73

87 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Stellvertreters des Generalin-

spekteurs der Bundeswehr, Generalleutnant

Johann-Georg Dora,als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 74

88 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Leiters des Einsatzführungs-

stabs im Bundesministerium der Verteidigung,

Konteradmiral Andreas Krause als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 75

89 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Befehlshabers des Einsatzfüh-

rungskommandos der Bundeswehr, General-

leutnant Rainer Glatz als Zeugen

16.12.2009 - -

89 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des Befehlshabers des Einsatzfüh-

rungskommandos der Bundeswehr, General-

leutnant Rainer Glatz als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 126

90 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Kommandeurs des Allied

Joint Force Command in Brunssum, General

Egon Ramms als Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 77

91 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

16.12.2009 16.12.2009 78

Drucksache 17/7400 – 486 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Vernehmung des damals ranghöchsten deut-

schen Offiziers im ISAF HQ in Kabul, des

Stellvertretenden Chefs des Stabes Unterstüt-

zung, Generalmajor Hans-Erich Antoni als

Zeugen

92 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des seit dem 9. Oktober 2009

amtierenden Chef des Stabes im ISAF HQ in

Kabul, Generalleutnant Volker Wieker, als

Zeugen

16.12.2009 16.12.2009 79

93 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des ehemaligen Kommandeurs des

HQ RC North, Brigadegeneral Jürgen Setzer als

Zeugen

16.12.2009 - -

93 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des ehemaligen Kommandeurs des

HQ RC North, Brigadegeneral Jürgen Setzer als

Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 127

94 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des bis zum 3. Oktober 2009 am-

tierenden Kommandeurs des 20. DEU EinsKtgt

ISAF, Brigadegeneral Jörg Vollmer als Zeugen

16.12.2009 - -

94 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des bis zum 3. Oktober 2009 am-

tierenden Kommandeurs des 20. DEU EinsKtgt

ISAF, Brigadegeneral Jörg Vollmer als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 128

95 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des damaligen Kommandeurs

PRT KDZ, Oberst Georg Klein als Zeugen

16.12.2009 - -

95 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des damaligen Kommandeurs

PRT KDZ, Oberst Georg Klein als Zeugen

26.01.201 28.01.2010 109

96 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

16.12.2009 - -

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 487 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung von Oberfeldwebel W. (JTAC-

Bediener/Auswerte-Fw) als Zeugen

96 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung von Oberfeldwebel W. (JTAC-

Bediener/Auswerte-Fw) als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 129

97 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung von Hauptfeldwebel V. (Story-

board ISR / TF47) als Zeugen

16.12.2009 - -

97 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung von Hauptfeldwebel V. (Story-

board ISR / TF47) als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 130

98 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung von Hauptmann N. (J2X /HCO

TF47) als Zeugen

16.12.2009 - -

98 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung von Hauptmann N. (J2X /HCO

TF47) als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 131

99 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung von Hauptfeldwebel Sch.

(HUMINT Operator TF47) als Zeugen

21.12.2009 - -

99 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung von Hauptfeldwebel Sch.

(HUMINT Operator TF47) als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 132

100 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung von Oberfeldwebel F. (HUMINT

Operator TF47) als Zeugen

16.12.2009 - -

100 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

26.01.2010 28.01.2010 133

Drucksache 17/7400 – 488 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Vernehmung von Oberfeldwebel F. (HUMINT

Operator TF47) als Zeugen

101 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung von Oberstleutnant H. (Rechtsbe-

rater-Stabsoffizier i.E. 20. DEU EinsKtgt ISAF)

als Zeugen

16.12.2009 - -

101 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung von H. (Rechtsberater-

Stabsoffizier i.E. 20. DEU EinsKtgt ISAF) als

Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 134

102 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung des Verfassers des Untersu-

chungsberichts vom 9. September 2009, Oberst-

leutnant B. (FJgFhr i. E. DEU EinsKtgt ISAF)

als Zeugen

16.12.2009 - -

102 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des Verfassers des Untersu-

chungsberichts vom 9. September 2009, Oberst-

leutnant B. (FJgFhr i. E. DEU EinsKtgt ISAF)

als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 112

103 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Vernehmung von Oberstleutnant N. (IAT) als

Zeugen

16.12.2009 - -

103 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung von Oberstleutnant N. (IAT) als

Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 135

103 (neu-1) Korrektur des Antrags der Mitglieder der Frak-

tion der SPD, der Fraktion DIE LINKE. und der

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im

1.UA gem. Art. 45a Abs. 2 GG vom 07.07.2010

Namensverwechslung - Vernehmung von

Oberst i. G. K. N. (IAT) als Zeugen

07.07.2010 08.07.2010 135 (neu)

104 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Im gestuften Verfahren 1. Das Bundesministe-

rium der Verteidigung wird zunächst darum

16.12.2009 - -

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 489 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

gebeten, die Namen nebst Dienstgraden, Funk-

tionsbezeichnungen, Einsatzorten, Aufgaben

und Berührungspunkten mit dem Untersu-

chungsauftrag derjenigen Personen aus dem

Geschäftsbereich des BMVg und der ihm nach-

geordneten Dienststellen zu benennen, die über

Tatsachen, die in Zusammenhang mit den im

Untersuchungsauftrag bezeichneten Sachverhal-

ten und Fragestellungen stehen, Auskunft geben

können oder von ihrer Stellung/Funktion her

können sollten und sodann 2. Diese Personen

als Zeugen beschlossen warden.

104 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Das Bundesministerium der Verteidigung wird

darum gebeten, die Namen nebst Dienstgraden,

Funktionsbezeichnungen, Einsatzorten, Aufga-

ben und Berührungspunkten mit dem Untersu-

chungsauftrag derjenigen Personen aus dem

Geschäftsbereich des BMVg und der ihm nach-

geordneten Dienststellen zu benennen, die über

Tatsachen, die in Zusammenhang mit den im

Untersuchungsauftrag bezeichneten Sachverhal-

ten und Fragestellungen stehen, Auskunft geben

können oder von ihrer Stellung/Funktion her

können sollten.

26.01.2010 - -

104 (neu-1) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.02.2010

Das Bundesministerium der Verteidigung wird

darum gebeten, die Namen nebst Dienstgraden,

Funktionsbezeichnungen, Einsatzorten, Aufga-

ben und Berührungspunkten mit dem Untersu-

chungsauftrag derjenigen Personen aus dem

Geschäftsbereich des BMVg und der ihm nach-

geordneten Dienststellen zu benennen, die über

Tatsachen, die in Zusammenhang mit den im

Untersuchungsauftrag bezeichneten Sachverhal-

ten und Fragestellungen stehen, Auskunft geben

können oder von ihrer Stellung/Funktion her

können sollten.

04.02.2010 10.02.2010 140

105 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Im gestuften Verfahren 1. Das Bundeskanzler-

amt wird zunächst darum gebeten, die Namen

nebst Dienstgraden, Funktionsbezeichnungen,

Einsatzorten, Aufgaben und Berührungspunkten

mit dem Untersuchungsauftrag derjenigen Per-

sonen aus dem Geschäftsbereich des BK und

der ihm nachgeordneten Dienststellen, ein-

schließlich des BND und des Presse- und In-

formationsamtes des Bundesregierung zu be-

21.12.2009 - -

Drucksache 17/7400 – 490 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

nennen, die über Tatsachen, die in Zusammen-

hang mit den im Untersuchungsauftrag be-

zeichneten Sachverhalten und Fragestellungen

stehen, Auskunft geben können oder von ihrer

Stellung/Funktion her können sollten und so-

dann 2. Diese Personen als Zeugen beschlossen

werden.

105 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Das Bundeskanzleramt wird darum gebeten, die

Namen nebst Dienstgraden, Funktionsbezeich-

nungen, Einsatzorten, Aufgaben und Berüh-

rungspunkten mit dem Untersuchungsauftrag

derjenigen Personen aus dem Geschäftsbereich

des BK und der ihm nachgeordneten Dienststel-

len, einschließlich des BND und des Presse-

und Informationsamtes des Bundesregierung zu

benennen, die über Tatsachen, die in Zusam-

menhang mit den im Untersuchungsauftrag

bezeichneten Sachverhalten und Fragestellun-

gen stehen, Auskunft geben können oder von

ihrer Stellung/Funktion her können sollten.

26.01.2010 - -

105 (neu-1) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.02.2010

Das Bundeskanzleramt wird darum gebeten, die

Namen nebst Dienstgraden, Funktionsbezeich-

nungen, Einsatzorten, Aufgaben und Berüh-

rungspunkten mit dem Untersuchungsauftrag

derjenigen Personen aus dem Geschäftsbereich

des BK und der ihm nachgeordneten Dienststel-

len, einschließlich des BND und des Presse-

und Informationsamtes des Bundesregierung zu

benennen, die über Tatsachen, die in Zusam-

menhang mit den im Untersuchungsauftrag

bezeichneten Sachverhalten und Fragestellun-

gen stehen, Auskunft geben können oder von

ihrer Stellung/Funktion her können sollten.

04.02.2010 10.02.2010 141

106 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Im gestuften Verfahren 1. Das Auswärtige Amt

wird zunächst darum gebeten, die Namen nebst

Dienstgraden, Funktionsbezeichnungen, Ein-

satzorten, Aufgaben und Berührungspunkten

mit dem Untersuchungsauftrag derjenigen Per-

sonen aus dem Geschäftsbereich des AA zu

benennen, die über Tatsachen, die in Zusam-

menhang mit den im Untersuchungsauftrag

bezeichneten Sachverhalten und Fragestellun-

gen stehen, Auskunft geben können oder von

ihrer Stellung/Funktion her können sollten und

sodann 2. Diese Personen als Zeugen beschlos-

16.12.2009 - -

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 491 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

sen werden.

106 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Das Auswärtige Amt wird darum gebeten, die

Namen nebst Dienstgraden, Funktionsbezeich-

nungen, Einsatzorten, Aufgaben und Berüh-

rungspunkten mit dem Untersuchungsauftrag

derjenigen Personen aus dem Geschäftsbereich

des AA zu benennen, die über Tatsachen, die in

Zusammenhang mit den im Untersuchungsauf-

trag bezeichneten Sachverhalten und Fragestel-

lungen stehen, Auskunft geben können oder von

ihrer Stellung/Funktion her können sollten.

26.01.2010 - -

106 (neu-1) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.02.2010

Das Auswärtige Amt wird darum gebeten, die

Namen nebst Dienstgraden, Funktionsbezeich-

nungen, Einsatzorten, Aufgaben und Berüh-

rungspunkten mit dem Untersuchungsauftrag

derjenigen Personen aus dem Geschäftsbereich

des AA zu benennen, die über Tatsachen, die in

Zusammenhang mit den im Untersuchungsauf-

trag bezeichneten Sachverhalten und Fragestel-

lungen stehen, Auskunft geben können oder von

ihrer Stellung/Funktion her können sollten.

04.02.2010 10.02.2010 142

107 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung von Unterlagen des Bundesministe-

riums der Verteidigung und der nachgeordneten

Dienststellen

16.12.2009 16.12.2009 94

108 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung von Unterlagen des Auswärtigen

Amtes und der nachgeordneten Dienststellen

16.12.2009 16.12.2009 95

109 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung von Unterlagen des Bundesministe-

riums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und

Entwicklung und der nachgeordneten Dienst-

stellen

16.12.2009 16.12.2009 96

110 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 14.12.2009

Beiziehung der Ausschussprotokolle des Ver-

teidigungsausschusses des Deutschen Bundes-

tages mit Bezug zum Luftschlag am 04. Sep-

tember 2009.

16.12.2009 16.12.2009 97

111 Beschlussvorschlag

Behandlung der Ausschussprotokolle

14.01.10 21.01.2010 Beschluss 4

zum Verfahren

112 Antrag der Mitglieder der Fraktion der 14.01.2010 21.01.2010 98

Drucksache 17/7400 – 492 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des Deutschen Militärischen Ver-

treters (DMV) bei der NATO Generalleutnant

Jürgen Bornemann als Zeugen

113 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des Leiters der Rechtabteilung im

BMVg Ministerialdirektor Dieter Weingärtner

als Zeugen

14.01.2010 21.01.2010 99

114 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des Chef des Stabes des Füh-

rungsstabes der Streitkräfte Konteradmiral

Manfred Nielson als Zeugen

14.01.2010 21.01.2010 100

115 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des Kommandeurs 10. Panzerdivi-

sion in seiner Funktion als ehemaliger Leiter

Einsatzführungsstab im Bundesministerium der

Verteidigung Generalmajor Erhard Bühler als

Zeugen

14.01.2010 21.01.2010 101

116 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des Botschafters der Bundesre-

publik Deutschland in Afghanistan Botschafter

Werner Hans Lauk als Zeugen

14.01.2010 vertagt

117 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des Ständigen Vertreters der Bun-

desrepublik Deutschlands bei der NATO Bot-

schafter Ulrich Brandenburg als Zeugen

14.01.2010 21.01.2010 102

118 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des zum Untersuchungszeitraums

verantwortlichen zivilen Leiters des PRT (Pro-

vincial Reconstruction Team) Kunduz B. D. als

Zeugen

14.01.2010 21.01.2010 103

119 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Im gestuften Verfahren 1. Die Bundesregierung

gebeten wird, den Leiter Lagezentrum im Aus-

wärtigen Amt im Untersuchungszeitraum zu

benennen und sodann 2. diese Person als Zeuge

vernommen wird.

14.01.2010 21.01.2010 104

120 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Im gestuften Verfahren 1. Die Bundesregierung

gebeten wird, den Leiter Planungsstab im Aus-

14.01.2010 21.01.2010 105

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 493 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

wärtigen Amt im Untersuchungszeitraum zu

benennen und sodann 2. diese Person als Zeuge

vernommen wird.

121 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des zum Untersuchungszeitraum

im Amt befindlichen Staatssekretär im BMZ

Erich Stather als Zeugen

14.01.2010 21.01.2010 107

122 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des Chef des Stabes bei SHAPE

General Karl-Heinz Lather als Zeugen

14.01.2010

21.01.2010 108

123 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 13.01.2010

Vernehmung des Chef des Stabes im Einsatz-

führungskommando Bundeswehr Flottillenad-

miral Manfred Hartmann als Zeugen

14.01.2010 21.01.2010 106

124 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 18.01.2010

Vernehmung des zum Untersuchungszeitraum

im Amt befindlichen Staatssekretär im BMZ

Erich Stather als Zeugen

19.01.2010 21.01.2010 107

125 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 18.01.2010

Vernehmung des Chef des Stabes bei SHAPE

General Karl-Heinz Lather als Zeugen

19.01.2010 21.01.2010 108

126 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 18.01.2010

Thematische Vorgehensweise im

1. Untersuchungsausschuss „Kunduz“ nach
Themenblöcken

19.01.2010

127 Beschlussvorschlag

Behandlung der Ausschussprotokolle (überar-

beitete Fassung)

19.01.2010 21.01.2010 Beschluss 4

zum Verfahren

128 Fachbereich WD 3

Stellungnahme zur rechtlichen Zulässigkeit des

Verfahrensbeschlusses 8

19.01.2010 -- -

129 nicht vergeben

130 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 21.01.2010

Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-

ten J 3 des PRT RC North als Zeugen

22.01.2010 - -

130 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-

ten J 3 des PRT RC North als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 110

131 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der 22.01.2010 - -

Drucksache 17/7400 – 494 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 21.01.2010

Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-

ten J 2 des PRT RC North als Zeugen

131 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-

ten J 2 des PRT RC North als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 136

132 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 21.01.2010

Vernehmung von OTL G. als Zeugen

22.01.2010 - -

132 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Zeugenvernehmung OTL G. als Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 137

133 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.01.2010

Vernehmung des Geschäftsträger a.i. der Bot-

schaft der Bundesrepublik Deutschland in Afg-

hanistan Botschaftsrat Dr. Christian Buck als

Zeugen

26.01.2010 28.01.2010 138

134 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 26.01.2010

Vernehmung des am 03./04.09.2009 eingesetz-

ten J 2 des PRT Kunduz als Zeugen

27.01.2010 28.01.2010 111

135 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 03.02.2010

Vernehmung des Kommandeurs Kommando

Führung Operationen von Spezialkräften (Kdo

FOSK) Oberst i. G. G. B. als Zeugen

04.02.2010 10.02.2010 139

136

Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.02.2010

Vernehmung des Kommandeurs Kommando

Führung Operationen von Spezialkräften

(FOSK) Oberst i. G. G. B. als Zeugen.

04.02.2010 10.02.2010 139

137 Fachbereich Parlamentsrecht PD2 mit Schrei-

ben v. 04.02.2010

Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und

Sachverständigen gemäß § 17 Abs. 3 PUAG

08.02.2010

138 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof

Luftangriff vom 4. September 2009 auf von

Taliban entführte Tanklastzüge; Zeugenschaft-

liche Vernehmung von Oberst Klein durch den

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungs-

17.02.2010 - -

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 495 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

ausschuss gem. Art. 45 a Abs. 2 GG mit Schrei-

ben des BMJ vom 16. Februar 2010

139 Rechtsanwalt Prof. Dr. Müssig

Anwesenheit des rechtlichen Beistands von

Oberst Klein im Untersuchungsausschuss mit

Schreiben des RA Dr. Müssig v. 22. Februar

2011

23.02.2010 - -

140 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 23.02.2010

Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen zum

Themenblock 3 am 18. und 25. März 2010

23.02.2010 - -

141 Internationales Komitee vom Roten Kreuz

Schreiben IKRK vom 15. Februar 2010 mit

Schreiben des AA vom 22. Februar 2010

23.02.2010 - -

142 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der Fraktion der FDP im 1.UA

gem. Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.02.2010

Vorschlag zur Reihenfolge der Zeugenverneh-

mung am 18. März 2010

25.02.2010 - -

143 Widerspruch der Mitglieder der Fraktion der

SPD, der Fraktion DIE LINKE. und der Frakti-

on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 02.03.2010

Widerspruch gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG

gegen den gefassten Beschluss der Beratungs-

unterlage 17-142

03.03.2010 - -

144 Referat ZR 4 – Geheimschutz, datenschutz
Individuelle Kennzeichnung aller Seiten der im

Auftrag des VA als 1. UA hergestellten Ausfer-

tigungen von VS-Material

03.03.2010 - -

145 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof

Schreiben des Generalbundesanwalts vom 1.

März 2010; Bitte um Einsichtnahme in das

Protokoll der Ausschusssitzung vom 25. Fe-

bruar 2010 mit Schreiben des BMJ vom 3. März

2010

03.03.2010 - -

146 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.03.2010

Es wird festgestellt, dass nach Widerspruch der

Fraktionen von SPD, DIE LINKE.. und

BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN gegen den von

der Mehrheit auf Grundlage der Beratungsun-

terlage Nr. 17-142 gegen die Stimmen der Min-

derheit in der 7. Sitzung des VA als 1. UA am

25.02.2010 beschlossenen Reihenfolge der

Zeugen die Rechtsfolge der gesetzlichen Rege-

lung des § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG zur Anwen-

dung kommt, wonach bei Widerspruch eines

Viertels der Mitglieder des UA die Vorschriften

der Geschäftsordnung des Deutschen Bundesta-

ges zur Reihenfolge der Reden entsprechend

gelten, so dass die Vorsitzende verpflichtet ist,

die Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen in

03.03.2010 - -

Drucksache 17/7400 – 496 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

diesem Sinne festzulegen.

147 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 04.03.2010

Widerspruch der Einsetzungsminderheit (BU

17-143) wird zur Kenntnis genommen, Antrag

der Einsetzungsminderheit (BU 17-146) wird

zurückgewiesen, Zeugen sind in der Reihenfol-

ge und zu dem Datum zu laden, wie gemäß BU

17-142 in der Sitzung vom 25.02.2010 be-

schlossen.

04.03.2010 - -

148 Bundesministerium der Verteidigung

Schreiben des Bundesministers der Verteidi-

gung Karl-Theodor zu Guttenberg an den Präsi-

denten des Deutschen Bundestages Prof. Dr.

Norbert Lammert vom 02. März 2010

05.03.2010 - -

149 Dr. h. c. Susanne Kastner, Vorsitzende des Ver-

teidigungsausschusses als 1.UA

Schreiben Vorsitzenden an den Präsidenten des

Deutschen Bundestages vom 5. März 2010;

hier: Veröffentlichter Spiegel-Online Bericht

mit Zitaten aus einer als VS-GEHEIM einges-

tuften Unterlage

09.03.2010 - -

150 Ersuchen der Mitglieder der Fraktion der SPD,

der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 09.03.2010

Eiliges Ersuchen der Oppositionsfraktionen um

Herabstufung eingestufter Dokumente

11.03.2010

151 Bundesministerium der Verteidigung

Schreiben des Bundesministers der Verteidi-

gung zur Übersendung der noch ausstehenden

Unterlagen für den 1. Untersuchungsausschuss

vom 11. März 2010

15.03.2010

152 Bundesministerium der Verteidigung

Schreiben des Bundesministeriums der Vertei-

digung über die Herabstufung von Unterlagen

vom 15. März 2010

15.03.2010 - -

153 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 15.03.2010

Eilige Beiziehung sämtlicher Schreiben von

General a. D. Schneiderhan, Brigadegeneral a.

D. Henning Hars und Staatssekretär a. D. Dr.

Wichert an den Bundesminister der Verteidi-

gung beim Bundesministerium der Verteidigung

15.03.2010 - -

154 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof

Die Bundesanwaltschaft unterrichtet, dass sie

mit Verfügung vom 12.3.2010 ein Ermittlungs-

verfahren gegen den damaligen Kommandeur

des PRT Kunduz, Oberst Klein und gegen den

am Luftangriff beteiligten Flugleitoffizier,

Hauptfeldwebel W. wegen des Verdachts eines

Verbrechens nach dem Völkerstrafgesetzbuch

16.03.2010 - -

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 497 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

bzw. einer Beteiligung daran im Zusammen-

hang mit dem Luftangriff vom 4. September

2009 eingeleitet hat, mit Schreiben des Bun-

desministeriums der Justiz vom 16. März 2010

155 Bundesministerium der Verteidigung

Herabstufung von Unterlagen

17.03.2010 - -

156 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU sowie der FDP im 1.UA gem. Art.

45a Abs. 2 GG vom 18.03.2010

Antrag zur Verfahrensordnung in den nach

Beschluss 8 zum Verfahren in öffentlicher Sit-

zung durchzuführenden Zeugeneinvernahmen

18.03.2010 - -

157 Bundesministerium der Justiz

Mitteilung, dass die Vorlage der Akten zu BB

116 erst nach Abschluss des Ermittlungsverfah-

rens übersandt werden können, mit Schreiben

vom 31. März 2010

01.04.2010

158 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.04.2010

Beiziehung

1. des gesamten mit dem untersuchten Vorgang

vom 03.104.09.2009 in Zusammenhang

stehenden Schriftverkehrs zwischen dem

Bundesministerium der Verteidigung, dem

Ministerium der Justiz des Landes Sachsen,

dem Generalbundesanwalt beim

Bundesgerichtshof, der Generalstaats-

anwaltschaft Dresden einschließlich aller

Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten im

Bezirk des Oberlandesgerichts Dresden und der

Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen (INES),

der Staatsanwaltschaft Potsdam, 2. aller in

diesem Zusammenhang bei den genannten

Stellen entstandenen Vermerke und

Verfügungen, insbesondere der Verfügung, mit

der die Ermittlungszuständigkeit zunächst auf

die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen

(INES) übertragen worden war, bei den

genannten Stellen

15.04.2010 - -

159 Schreiben der Mitglieder der Fraktion der SPD,

der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 16.04.2010

Antwortschreiben zum Schreiben des BMJ v.

31.03.2010 (BU 157), Bezug: Verweigerung der

Überlassung von Beweismitteln für den Vertei-

digungsausschuss als 1. Untersuchung-

sausschuss (BB 116)

19.04.2010 - -

160 Bundesministerium der Justiz

Pressemitteilung des GBA: Einstellung des

Ermittlungsverfahrens gegen Oberst Klein und

Hauptfeldwebel W.

19.04.2010 - -

161 Bundesministerium der Verteidigung

Zuordnung eines Dokuments zum Kernbereich

exekutiver Eigenverantwortung mit Schreiben

21.04.2010 - -

Drucksache 17/7400 – 498 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

vom 20. April 2010

162 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-

suchungsauftrag durch Anhörung des F 15

Echo-Piloten, „Dude 15“

28.04.2010 20.05.2010 abgelehnt

163 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-

suchungsauftrag durch Anhörung des F 15

Echo-Piloten, „Dude 16“

28.04.2010 06.05.2010 143

164 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-

suchungsauftrag durch Anhörung des Supreme

Allied Commander Europe der NATO sowie

kommandierenden Generals des US European

Command, Admiral James G. Stavridis.

28.04.2010 06.05.2010 144

165 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-

suchungsauftrag durch Anhörung des Kom-

mandeurs der Internationalen Sicherheitsunter-

stützungstruppe (ISAF), General Stanley A.

McChrystal.

28.04.2010 06.05.2010 145

166 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Es wird Beweis erhoben zum gesamten Unter-

suchungsauftrag durch Anhörung des Mithe-

rausgebers der Washington Post, Rajiv Chand-

rasekaran.

28.04.2010 06.05.2010 146

167 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung des Staatssekretärs im Bundesin-

nenministerium a. D. Dr. August Hanning als

Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 147

168 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung des OTL Björn Voigt, Rechtsbera-

ter, Einsatzführungskommando der Bundes-

wehr, als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 148

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 499 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

169 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung des Leiters des Einsatzführungs-

stabes Einsatzteam Afghanistan im Bundesmi-

nisterium der Verteidigung, O.i.G. H. G. 
28.04.2010 06.05.2010 149

170 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung von A. C., Bundesministerium
der Verteidigung, Abteilung R II 3,

als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 150

171 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung von A. S., Mitarbeiter
im Büro des Staatssekretärs Dr. Walther Ot-

remba im Bundesministerium der Verteidigung,

als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 151

172 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung des O.i.G. T. P.,
Bundesministerium der Verteidigung, Einsatz-

führungsstab 5, als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 152

173 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung von Dr. J. S., Bundesministerium
der Verteidigung, Abteilung R II 3,

als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 153

174 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung von A. H. H.  ,
Bundesministerium der Verteidigung,

Planungsstab, Abteilung 4, als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 154

175 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung des RDir W. B., Bundesministerium
der Verteidigung, Einsatzführungsstab 2,
als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 155

176 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-

ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-

28.04.2010 06.05.2010 erledigt

als Zeugen

Drucksache 17/7400 – 500 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen

dem Bundesministerium der Verteidigung so-

wie dem Bundesministerium der Justiz, dem

Ministerium der Justiz des Landes Sachsen,

dem Generalsbundesanwalt beim Bundesge-

richtshof, der Generalbundesanwaltschaft Dres-

den einschließlich aller Staatsanwaltschaften bei

den Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-

richts Dresden und der Integrierten Ermitt-

lungseinheit Sachsen (INES), der Staatsanwalt-

schaft Potsdam und 2. aller in diesem Zusam-

menhang entstandenen oder dem BMVg über-

lassenen Vermerke u. Verfügungen , insbes.

Der Verfügung, mit der die Ermittlungszustän-

digkeit zunächst auf die INES übertragen wor-

den war, beim Bundesministerium der Verteidi-

gung.

177 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung der Besatzungsmitglieder des am

03.09.2009 von dem JTAC M. W. angeforder-

ten B1-Bombers „Bone 22“ als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 156

178 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung des Vorsitzenden des ISAF Joint

Investigation Board zum Luftangriff vom

03./04.09.2009 in der Provinz Kundus, Major

General C.S. „Duff“ Sullivan, als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 157

179 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung des Kommandeurs der Task Force

47 (zum Stichtag 03./04.09.2009) als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 158

180 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung des in der Nacht vom

03./04.09.2009 in der bzw. für die Operations-

zentrale der Task Force 47 eingesetzten

Sprachmittlers (N.N.) als Zeugen

28.04.2010 06.05.2010 159

181 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Im gestuften Verfahren 1. zunächst das Bun-

desministerium der Verteidigung ersucht wird,

die in der Nacht vom 03./04.2009 für die Task

Force 47 tätig gewordene HUMINT-Quelle zu

benennen, 2. und im Anschluss daran diese

Person zeugenschaftlich vernommen wird.

28.04.2010 06.05.2010 zurückge-

zogen

182 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der 28.04.2010 06.05.2010 zurückge-stellt

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 501 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Im gestuften Verfahren 1. a) das Bundesminis-

terium der Verteidigung sowie b) der Bundes-

nachrichtendienst ersucht werden, die in der

Nacht vom 03./04.09.2009 zweitweise oder

durchgängig in der Operationszentrale der Task

Force 47 anwesenden und für den BND ver-

pflichteten oder tätigen Personen zu benennen

2. und im Anschluss daran diese Personen als

Zeugen vernommen werden.

182 (neu) Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 11.05.2010

Vernehmung der Angehörigen des Bundesnach-

richtendienstes HFw M.F. und HFw A.R. als

Zeugen

11.05.2010 20.05.2010 175

183 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung von Herrn A. M.

28.04.2010 06.05.2010 160

184 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Vernehmung der beiden Mitglieder im Provinz-

rat (Schura) von Kundus 1. Dr. Habibe Erfan

und 2. K. Z. als Zeuginnen

28.04.2010 06.05.2010 161

185 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-

ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-

menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen

dem Bundesministerium der Justiz sowie dem

Bundesministerium der Verteidigung, dem

Ministerium der Justiz des Landes Sachsen,

dem Generalsbundesanwalt beim Bundesge-

richtshof, der Generalbundesanwaltschaft Dres-

den einschließlich aller Staatsanwaltschaften bei

den Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-

richts Dresden und der Integrierten Ermitt-

lungseinheit Sachsen (INES), der Staatsanwalt-

schaft Potsdam und 2. aller in diesem Zusam-

menhang entstandenen oder dem BMJ überlas-

senen Vermerke u. Verfügungen , insbes. der

Verfügung, mit der die Ermittlungszuständig-

keit zunächst auf die INES übertragen worden

war, beim Bundesministerium der Justiz.

28.04.2010 06.05.2010 162

186 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

28.04.2010 06.05.2010 163

Drucksache 17/7400 – 502 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-

ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-

menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen

dem Ministerium der Justiz des Landes Sachsen

sowie dem Bundesministerium der Verteidi-

gung, dem Generalsbundesanwalt beim Bun-

desgerichtshof, der Generalbundesanwaltschaft

Dresden einschließlich aller Staatsanwaltschaf-

ten bei den Landgerichten im Bezirk des Ober-

landesgerichts Dresden und der Integrierten

Ermittlungseinheit Sachsen (INES), der Staats-

anwaltschaft Potsdam und 2. aller in diesem

Zusammenhang entstandenen oder dem Justiz-

ministerium des Landes Sachsen überlassenen

Vermerke u. Verfügungen , insbes. der Verfü-

gung, mit der die Ermittlungszuständigkeit

zunächst auf die INES übertragen worden war,

beim Ministerium der Justiz des Landes Sach-

sen.

187 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-

ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-

menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen

dem Generalbundesanwalt beim Bundesge-

richtshof sowie dem Bundesministerium der

Verteidigung, dem Bundesministerium der

Justiz, dem Ministerium der Justiz des Landes

Sachsen, der Generalbundesanwaltschaft Dres-

den einschließlich aller Staatsanwaltschaften bei

den Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-

richts Dresden und der Integrierten Ermitt-

lungseinheit Sachsen (INES), der Staatsanwalt-

schaft Potsdam und 2. aller in diesem Zusam-

menhang entstandenen oder dem GBA überlas-

senen Vermerke u. Verfügungen , insbes. der

Verfügung, mit der die Ermittlungszuständig-

keit zunächst auf die INES übertragen worden

war, bei der Bundesanwaltschaft.

28.04.2010 06.05.2010 164

188 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-

ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-

menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen

der Generalbundesanwaltschaft Dresden ein-

schließlich aller Staatsanwaltschaften bei den

Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-

richts Dresden und der Integrierten Ermitt-

lungseinheit Sachsen (INES) sowie dem Bun-

desministerium der Verteidigung, dem Ministe-

rium der Justiz des Landes Sachsen, dem Gene-

ralsbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, der

28.04.2010 06.05.2010 165

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 503 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Staatsanwaltschaft Potsdam und 2. aller in die-

sem Zusammenhang entstandenen oder der

Generalbundesanwaltschaft Dresden einschließ-

lich aller Staatsanwaltschaften bei den Landge-

richten im Bezirk des Oberlandesgerichts Dres-

den und der Integrierten Ermittlungseinheit

Sachsen (INES) überlassenen Vermerke u.

Verfügungen , insbes. der Verfügung, mit der

die Ermittlungszuständigkeit zunächst auf die

INES übertragen worden war, bei der General-

bundesanwaltschaft Dresden einschließlich aller

Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten im

Bezirk des Oberlandesgerichts Dresden und der

Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen (INES).

189 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung 1. des gesamten mit dem untersuch-

ten Vorgang vom 03./04.09.2009 in Zusam-

menhang stehenden Schriftverkehrs zwischen

der Staatsanwaltschaft Potsdam sowie dem

Bundesministerium der Verteidigung, dem

Ministerium der Justiz des Landes Sachsen,

dem Generalsbundesanwalt beim Bundesge-

richtshof, Generalbundesanwaltschaft Dresden

einschließlich aller Staatsanwaltschaften bei den

Landgerichten im Bezirk des Oberlandesge-

richts Dresden und der Integrierten Ermitt-

lungseinheit Sachsen (INES) und 2. aller in

diesem Zusammenhang entstandenen oder der

Staatsanwaltschaft Potsdam überlassenen Ver-

merke u. Verfügungen , insbes. der Verfügung,

mit der die Ermittlungszuständigkeit zunächst

auf die INES übertragen worden war, bei der

Staatsanwaltschaft Potsdam.

28.04.2010 06.05.2010 166

190 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung der beim Einsatz vom

03./04.09.2009 entstandenen Cockpit tapes der

bei und vor dem Luftangriff in Kundus einge-

setzten F 15 Echo und des B1-Bombers sowie

der erstellten Transkripte dieser Cockpit tapes

28.04.2010 06.05.2010 167

191 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung der dem deutschen Einsatzkontin-

gent im Rahmen des ISAF-Mandates mitgege-

benen Taschenkarten mit dem Veröffentli-

chungsstand 01.01.2008 bis 31.12.2009 beim

Bundesministerium der Verteidigung.

28.04.2010 06.05.2010 168

192 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

28.04.2010 06.05.2010 169

Drucksache 17/7400 – 504 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung der folgenden Einsatzregeln:

-OPLAN 10302 (Rev. 1)

- OPLAN 10303 (Änderung 2 zur überarbeite-

ten Fassung 1)

- Tac Directive (TD) COM ISAF vom

02.09.2008 beim Verteidigungsausschuss des

Deutschen Bundestages

193 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung aller für das ISAF-Mandat formu-

lierter Rules of Engagement sowie hierzu vor-

liegender Kommentierungen /Erläuterungen /

Handreichungen und aller Vorbehalte zu den

Rules of Engagement beim Bundesministerium

der Verteidigung

28.04.2010 06.05.2010 170

194 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beziehung sämtlicher Einsatzkonzeptionen zum

ISAF-Mandat seit Beginn des Mandates im Jahr

2002 beim Bundesministerium der Verteidigung

, hilfsweise über das Bundesministerium der

Verteidigung bei ISAF.

28.04.2010 06.05.2010 zurückge-

zogen

195 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung der ständigen Dienstanweisung

ISAF SOP 302, Operational Reports an Return

vom 13.12.2009 beim Bundesministerium der

Verteidigung

28.04.2010 06.05.2010 171

196 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Das BMVg wird gebeten dem UA ein Organig-

ramm über die Organisationseinheiten von der

Ebene PRT-Kunduz über ISAF – Regional
Command North bis ISAF-Hauptquartier in

Kabul, aus den Dienststellen, ihre Kompeten-

zen, Aufgaben und Funktionsbezeichnungen

sowie ein ebenso aufgebautes Organigramm

über die Organisationseinheiten der TF 47 bis

hin zur Ebene Special Operations Forces ISAF

Kabul zur Verfügung zu stellen.

28.04.2010 06.05.2010 zurückge-

zogen

197 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung aller seit dem 01.07.2009 vom BND

herausgegebenen, mit Bundeswehreinsätzen in

der Region Kunduz zusammenhängenden, Mit-

teilungen und Bedrohungswarnungen beim

28.04.2010 06.05.2010 172

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 505 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Bundesministerium der Verteidigung sowie

beim Bundesnachrichtendienst

198 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung aller zwischen der Bundeswehr,

dem BMVg oder der Bundesregierung und der

afghanischen Regierung bzw. deren Sicher-

heitsdiensten - ANSF, ANP, ANA und ggf.

weiteren - getroffenen Vereinbarungen und

Verfahrensregelungen im Raum Kundus bei der

Bundesregierung und dem Bundesministerium

der Verteidigung

28.04.2010 06.05.2010 zurückge-

zogen

199 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung sämtlicher im Bereich der Bundes-

wehr, des BMVg und des multinationalen HQ

ISAF seit dem 07.10.2008 erstellter Unterlagen,

die maßgeblich waren für die Operationspla-

nung und Operationsführung der TF 47 im

Zeitraum September 2009 beim Bundesministe-

rium der Verteidigung bzw. über das Bundes-

ministerium der Verteidigung bei ISAF

28.04.2010 06.05.2010 zurückge-

zogen

200 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung sämtlicher im Bereich der Bundes-

wehr, des BMVg und des multinationalen HQ

ISAF seit dem 07.10.2008 erstellter Unterlagen,

die maßgeblich waren für die Operationspla-

nung und Operationsführung des deutschen

Einsatzkontingents PRT KDZ im Zeitraum

September 2009 beim Bundesministerium der

Verteidigung bzw. über das Bundesministerium

der Verteidigung bei ISAF

28.04.2010 06.05.2010 zurückge-

zogen

201 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof

Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein und

Hauptfeldwebel W. wegen des Verdachts einer

Strafbarkeit nach dem VStGB und anderer

Delikte; hier: Einstellung des Verfahrens gem. §

170 Abs. 2 Satz 1 StPO, mit Schreiben des

GBA vom 16. April 2010

30.04.2010 - -

202 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.05.2010

Anhörung des Leiters des belgischen Tactical

PsyOps Teams (TPT) 2, Stabsfeldwebel F. B.

03.05.2010 06.05.2010 173

203 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.05.2010

Vernehmung des Stellvertreters des Generalin-

04.05.2010 06.05.2010 174

Drucksache 17/7400 – 506 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

spekteurs und Inspekteurs Streitkräftebasis,

Vizeadmiral Wolfram Kühn als Zeugen.

204 Bundesministerium der Justiz

Schreiben der Ministerin: Aktenvorlage der

vom Beweisbeschluss erfassten Vorgänge wird

der Generalbundesanwalt dem VA als 1. UA

zeitnah über das BMJ vorlegen.

05.05.2010

205 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 07.05.2010

Anhörung des F 15 Echo-Piloten, Dude 15

07.05.2010 20.05.2010 abgelehnt

206 Sekretariat des Verteidigungsausschusses

Schreiben zum BB 17-169 (Beiziehung OPLAN

10302 und OPLAN 10303)

11.05.2010 - -

207 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 17.05.2010

Beiziehung der folgenden Einsatzregeln:

- OPLAN 10302 (rev. 1)

- OPLAN 10303

- Tac Directive (TD) COM ISAF vom

02.09.2008 beim Bundesministerium der Ver-

teidigung bzw. Über das Bundesministerium der

Verteidigung bei ISAF

17.05.2010 09.06.2010 176

208 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 18.05.2010

Beiziehung aller von RC North, HQ Kabul und

der NATO geschlossenen Vereinbarungen

- zum Informationsaustausch über Notfälle und

Gefahrenlagen und

- zu Maßnahmen zur Sicherung von Transpor-

ten im Raum Kunduz, die Gültigkeit besaßen

für Transporte der Firma Mir Bacha Kot im

Zeitraum Juli bis September 2009 beim Bun-

desministerium der Verteidigung bzw. über das

Bundesministerium der Verteidigung bei ISAF

sowie der NATO

18.05.2010 09.06.2010 177

209 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 17.05.2010

Vernehmungsgegenüberstellung der Zeugen

General a. D. Wolfgang Schneiderhan, Sts a. D.

Dr. Peter Wichert und Bundesminister Karl-

Theodor Freiherr zu Guttenberg, MdB, zur

Klärung der in Teil III der Begründung in Ein-

zelnen dargestellten Widersprüche in den Aus-

sagen dieser Zeugen vor dem Ausschuss

18.05.2010 09.06.2010 zurückge-stellt

210 Bundesministerium der Verteidigung

Benennung des als Zeugen benannten Sprach-

mittlers Feldwebel der Reserve M.-A. M.

20.05.2010 - -

211 Ersuchen der Mitglieder der Fraktion der SPD,

der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

25.05.2010 - -

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 507 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 21.05.2010

Ersuchen der Oppositionsfraktionen um Erstel-

lung weiterer Organigramme beim Bundesmi-

nisterium der Verteidigung

212 Staatsministerium der Justiz und für Europa des

Freistaates Sachsen

Rechts- und Amtshilfeersuchen an das Sächsi-

sche Staatsministerium der Justiz und für Euro-

pa; hier: zu BB 163 und 165

26.05.2010 - -

213 Bundesministerium der Verteidigung

Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-

kolle

27.05.2010 09.06.2010 -

214 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.06.2010

Anhörung des F 15 Echo-Piloten, Dude 15

03.06.2010 09.06.2010 178

215 Ministerium der Justiz Brandenburg

Mitteilung über Weiterleitung unseres Schrei-

bens an den Leitenden Oberstaatsanwalt in

Potsdam, zwecks Weiterleitung der beweiser-

heblichen Unterlagen mit Schreiben vom 31.

Mai 2010

08.06.2010 - -

216 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Änderung des Antrages zur BU 17-209 - Ver-

nehmungsgegenüberstellung

08.06.2010 09.06.2010 zurückge-stellt

217 Schreiben der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 09.06.2010

Ablehnung der Vernehmungsgegenüberstellung

(BU 209) durch die Koalition

09.06.2010

218 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 09.06.2010

Abänderung des Beschlusses zum Verfahren

Nr. 8

10.06.2010 17.06.2010 abgelehnt

219 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Ablehnung des Antrages zur Abänderung des

Beschlusses zum Verfahren Nr. 8 (BU 218)

15.06.2010 17.06.2010 abgelehnt

220 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 14.06.2010

Vernehmungsgegenüberstellung am 8. Juli 2010

der Zeugen General a.D. Wolfgang Schneider-

han, Sts a. D. Dr. Peter Wichert, und Bundes-

minister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,

MdB zur Klärung der in Teil III der Begrün-

dung im Einzelnen dargestellten Widersprüche

in den Aussagen dieser Zeugen vor dem Aus-

15.06.2010 17.06.2010 abgelehnt

Drucksache 17/7400 – 508 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

schuss durchzuführen

221 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 15.06.2010

Beiziehung handschriftlicher Notizen sowie des

Notizblockes, Heftes oder Gebindes, dessen

Bestandteil die eingescannt übermittelten Seiten

sind in seiner Gesamtheit, jeweils im Original

beim Bundesministerium der Verteidigung

15.06.2010 01.07.2010 179

222 Bundesministerium der Verteidigung

Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-

kolle der 10., 12. und 14. Sitzung mit Schreiben

vom 10. Juni 2010

16.06.2010 01.07.2010 -

223 Bundesministerium der Verteidigung

Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-

kolle der 10., 12. und 14. Sitzung mit Anlagen

mit Schreiben vom 10. Juni 2010

18.06.2010 01.07.2010 -

224 NATO (General Egon Ramms)

Entlassungsersuchen für die am 01.07.2010

stattfindende Vernehmung vor dem 1. Untersu-

chungsausschuss

29.06.2010 01.07.2010 -

225 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 30.06.2010

zur Vernehmung des Zeugen Staatssekretär

Wolf in Einzelfallentscheidung gemäß § 69

Abs. 1 Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter

Berücksichtigung von § 14 PUAG zuzulassen

30.06.2010 01.07.2010 abgelehnt

226 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 30.06.2010

zur Vernehmung des Zeugen Dr. Thomas Raabe

in Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1

Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter Berück-

sichtigung von § 14 PUAG zuzulassen

30.06.2010 01.07.2010 abgelehnt

227 Bundesministerium der Verteidigung

Mitteilung, dass die im Original angeforderten

Notizen der Leiterin des Ministerbüros zur

Sitzung des 1.UA zum Zwecke der Inaugen-

scheinnahme zur Verfügung gestellt werden,

mit Schreiben vom 6. Juli 2010

06.07.2010 - -

228 Bundesministerium der Verteidigung

Antwort zu BB 17-177: weder im BMVg noch

bei ISAF und/oder der NATO sind Vereinba-

rungen bekannt, die Fragen des Informations-

austausches über Notfälle und Gefahrenlagen

und/oder Maßnahmen zur Sicherung von

Transporten betreffen und die auf Transporte

der Firma Mir Bacha Kot im Zeitraum Juli bis

September 2009 anzuwenden gewesen wären.

07.07.2010 - -

229 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.06.2010

08.07.2010 08.07.2010 abgelehnt

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 509 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

zur Vernehmung des Zeugen Rajiv Chandrase-

karan, in einer Einzelfallentscheidung gemäß

§ 69 Abs. 1 Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit

unter strikter Berücksichtigung von § 14 PUAG

zuzulassen

230 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.07.2010

Zur Vernehmung des Zeugen Dr. Habibe Erfan,

in einer Einzelfallentscheidung gemäß § 69

Abs. 1 Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter

strikter Berücksichtigung von § 14 PUAG zuzu-

lassen

08.07.2010 08.07.2010 abgelehnt

231 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.07.2010

zur Vernehmung des Zeugen Korshid Zaka, in

einer Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1

Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter strikter

Berücksichtigung von § 14 PUAG zuzulassen

08.07.2010 16.09.2010 zurückge-

zogen

232 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.07.2010

zur Vernehmung des Zeugen A. M., in einer

Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1 Satz

2 GO-BT die Öffentlichkeit unter strikter Be-

rücksichtigung von § 14 PUAG zuzulassen

08.07.2010 16.09.2010 abgelehnt

233 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.07.2010.2010

Benennung des Prozessbevollmächtigten Prof.

Dr. Christian Waldhoff, für den anstehenden

Rechtsstreit der Ausschussminderheit gegen den

Ausschuss, wegen der Frage einer Gegenübers-

tellung von Zeugen

08.07.2010 08.07.2010 -

234 Bundesministerium der Verteidigung

Bitte der Oppositionsfraktionen vom 9. März

2010 auf Beratungsunterlage 17-150

14.07.2010 - -

235 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 29.06.2010

Schreiben an das BMVg betreffend die Vorlage

von Beweismitteln

29.07.2010 - -

236 Botschaft der Bundesrepublik Deutschland

Washington

Weiterleitung des Antwortschreibens der Un-

der-secretary of Defense Michele A. Flournoy

zur Anhörung von Admiral Stavridis

02.08.2010 - -

237 Bundesministerium der Verteidigung

Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-

kolle Nr. 16 und 18

03.08.2010 16.09.2010 -

238 Antrag der Mitglieder der Fraktion der 03.08.2010 - -

Drucksache 17/7400 – 510 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

CDU/CSU und der Fraktion FDP im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 03.08.2010

Nochmalige Vernehmung der Zeugen Sts. a. D.

Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan

239 Bundesministerium der Verteidigung

Schreiben zur Vorlage von Beweismitteln zu

BB 235 mit Schreiben vom 7. September 2010

08.09.210 16.09.2010 zurückge-stellt

240 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 08.09.2010

Beiziehung der Verfahrensakten des Landge-

richts Bonn – insbesondere der Klageschrift
sowie der Klageerwiderung - in der Zivilsache

A. M../. Bundeswehr (Az.1 O 334/10) beim

Landgericht Bonn

09.09.2010 16.09.2010 180

241 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 28.04.2010

Beiziehung des vom Bundesminister der Ver-

teidigung im November 2009 in Auftrag gege-

benen, im Zeitraum zwischen dem 30. Novem-

ber 2009 und dem 25. Februar 2010 erarbeiteten

und dem Bundesminister am 30. März 2010

vorgestellten Untersuchungsberichts, beim

Bundesministerium der Verteidigung

09.09.2010 16.09.2010 181

242 Bundesministerium der Verteidigung

Herabstufung eingestufter Vernehmungsproto-

kolle der 22. Sitzung

20.09.2010 29.09.2010 -

243 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 22.09.2010

Vernehmung des zur Zeit des Luftangriffs am

03./04. September 2009 stellvertretenden

Kommandeurs des PRT Kunduz, Oberstleutnant

G. als Zeugen

22.09.2010 29.09.2010 182

244 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 22.09.2010

Beiziehung des sog. Non-Paper des BMVg

(Befugnis- und Rechtfertigungsnorm für die

Anwendung militärischer Gewalt in Auslands-

einsätzen der Bundeswehr) und der in diesem

Zusammenhang am 20.11.2009 zwischen dem

BMJ und der Bundesanwaltschaft ausgetausch-

ten E-Mails beim Bundesministerium der Justiz

23.09.2010 29.09.2010 abgelehnt

245 Schreiben der Mitglieder der Fraktion der SPD,

der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 22.09.2010

Schreiben an das Bundesministerium der Justiz

zur Unvollständigkeit der Aktenlieferung

27.09.2010 - -

246 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der 21.10.2010 28.10.2010 zurückge-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 511 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 20.10.2010

Beiziehung sämtlicher – dem deutschen ISAF-
Kontingent sowie der Task Force 47 zugängli-

cher – im Kontext einer Erhebung, Protokollie-
rung oder Auswertung durch deutsche Stellen,

afghanische Stellen oder ISAF-Kräfte entstan-

dener, durch Einsatz technischer Mittel, elekt-

ronisch oder in Papierform dokumentierter

Erkenntnisse aus einer möglichen „Dritten
Quelle“ (vgl. Bundespressekonferenz vom
07.09.2009),

- die mit dem Luftangriff von 04.09.2009 in

Zusammenhang stehen und

- vor diesem Luftangriff (ab dem Morgen des

03.9.2009) entstanden sind, beim Bundesminis-

terium der Verteidigung

zogen

247 Bundesministerium der Verteidigung

Schreiben zu BB 130 und 136, hier: Verfah-

rensvorschlag zum Umgang mit der Identität

der Zeugen bzw. Verwendung von Tarnnamen

während der Vernehmung, mit Schreiben vom

20. Oktober 2010

20.10.2010 - -

248 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 27.10.2010

Beiziehung einer lesbaren Ausfertigung der

dem zivilen Leiter des PRT Kunduz, B. D., 
am 12.09.2009 von der UNAMA
überlassenen Opferliste, welche zuletzt am

10.09.2009 aktualisiert worden war beim Bun-

desministerium der Verteidigung und beim

Auswärtigen Amt

27.10.2010 28.10.2010 vertagt

249 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 27.10.2010

Vernehmung des Präsidenten des Bundesnach-

richtendienstes (BND), Ernst Uhrlau als Zeugen

27.10.2010 11.11.2010 184

250 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 27.10.2010

Beiziehung der Opferliste des Luftschlags vom

03./04.09.2009 bei Kunduz vom August 2010

beim Bundesministerium der Verteidigung

27.10.2010 11.11.2010 185

251 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 11.11.2010

Beiziehung der Meldung des Luftwaffenverbin-

dungsoffiziers (ALO) der Task Force 47, OTL

G., vom 5. Januar 2010 einschließlich der Ver-

bindungsprotokolle über Datenkommunikation

im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur

11.11.2010 25.11.2010 186

Drucksache 17/7400 – 512 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Koordinierung des Luftraums sowie der hierauf

bezogenen Meldungen des Kdr Kdo FOSK vom

08./06. Januar 2010 und des Chefs des Stabes

EinsFüKdo der Bundeswehr vom 07. Januar

2010 beim Bundesministerium der Verteidigung

252 Bundesministerium der Verteidigung

Antwort zu BU 246 (Beweisvorbereitungsbe-

schluss 183) vom 28.10.2010 mit Schreiben

vom 24. November 2010

24.11.2010 25.11.2010 -

253 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.11.2010

zur Vernehmung des Zeugen Dr. Erich Vad,

Leiter der Gruppe 22 im Bundeskanzleramt, in

einer Einzelfallentscheidung gemäß § 69 Abs. 1

Satz 2 GO-BT die Öffentlichkeit unter strikter

Berücksichtigung von § 14 PUAG zuzulassen.

25.11.2010 25.11.2010 vertagt

254 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.11.2010

zur Vernehmung des Zeugen Dr. Christoph

Heusgen, Leiter der Abteilung 2 im Bundes-

kanzleramt, in einer Einzelfallentscheidung

gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 GO-BT die Öffent-

lichkeit unter strikter Berücksichtigung von

§ 14 PUAG zuzulassen

25.11.2010 25.11.2010 vertagt

255 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 25.11.2010

zur Vernehmung des Zeugen General a. D.

Egon Ramms, Kommandeur des Joint Force

Command Hauptquartier, in einer Einzelfallent-

scheidung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 GO-BT die

Öffentlichkeit unter strikter Berücksichtigung

von § 14 PUAG zuzulassen

25.11.2010 25.11.2010 vertagt

256 Bundesministerium der Verteidigung

Schreiben mit Bezug zum TAZ-Artikel vom

11.11.2010 - Prüfung zur eventuellen Strafver-

folgung wegen Verletzung der Geheimhal-

tungspflicht

26.11.2010 02.12.2010 -

257 Auswärtiges Amt

Herabstufung Vernehmungsprotokoll vom 7.

Oktober 2010, 33. Sitzung.

13.12.2010 16.12.2010 -

258 Bundesministerium der Verteidigung

Herabstufung Vernehmungsprotokoll vom 16.

September 2010, 29. Sitzung

13.12.2010 16.12.2010 -

259 Bundesministerium der Justiz

Weiterleitung der Bitte um Abschriften von

Vernehmungsprotokollen des 1. UA durch den

GBA

04.01.2011 20.01.2010 116

260 National Defence Headquarters

Absage des Zeugen Major-General a. D. Sulli-

van zur Aussage vor dem Untersuchungsaus-

schuss.

10.01.2011 - -

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 513 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

261 Bundesministerium der Verteidigung

Schreiben betreffend der Einstellung des Versu-

ches der Öffnung der ZIP-Dateien aufgrund

einer vollständigen Beschädigung des Datenpa-

ketes vom 26. Januar 2011

26.01.2011 - -

262 Bundesministerium der Verteidigung

Herabstufung Vernehmungsprotokolle der 33.,

35., 37., 39. und 41. Sitzung

07.02.2011 15.03.2010 -

263 Bundeskanzleramt

Herabstufung Vernehmungsprotokoll der 41.

Sitzung

16.02.2011 15.03.2010 -

264 Beschlussvorschlag

Ende der Beweisaufnahme und Abschluss von

Zeugenvernehmungen

17.02.2011 - -

264 neu Beschlussvorschlag

Ende der Beweisaufnahme und Abschluss von

Zeugenvernehmungen

22.02.2011 24.02.2011 Beschluss 13

zum Verfahren

265 Beschlussvorschlag

Abfassung von Berichtsteilen/ Aufhebung von

Einstufungen

17.02.2011 - -

265 neu Beschlussvorschlag

Abfassung von Berichtsteilen/ Aufhebung von

Einstufungen

22.02.2011 24.02.2011 Beschluss 14

zum Verfahren

266 Bundesministerium der Justiz

Schreiben von Frau Generalbundesanwältin

beim Bundesgerichtshof vom 17. Februar 2011,

hier: Ermittlungsverfahren gegen Oberst i. G:

Klein - Übersendung der Sachakten mit Schrei-

ben des BMJ vom 22. Februar 2011

22.02.2011 - -

267 Sekretariat des 1. UA

Entwurf eines Zeitplanes für die Erstellung und

Verabschiedung des Abschlussberichts

24.02.2011 24.02.2011 -

268 Antrag der Mitglieder der Fraktion der Fraktion

DIE LINKE. und der Fraktion BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem. Art. 45a Abs.

2 GG vom 24.02.2011

Entwurf eines Zeitplanes für die Erstellung und

Verabschiedung des Abschlussberichts

24.02.2011 24.02.2011 -

269 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU im 1.UA gem. Art. 45a Abs. 2 GG

vom 24.02.2011

Entwurf eines Zeitplanes für die Erstellung und

Verabschiedung des Abschlussberichts

24.02.2011 24.02.2011 -

270 Schreiben Abg. Siegfried Kauder

Geheimnisverrat, hier: Bitte an den Rechtsaus-

schuss um Lösungsvorschläge die Preisgabe

von Dienstgeheimnissen zu ahnden

24.02.2011 - -

271 Bundeskanzleramt

Herabstufungsvorschläge zu Vernehmungs-

protokollen der 43., 45. und 47. Sitzung

25.03.2011

272 Bundeskanzleramt

Nicht-Herabstufung der 45 Sitzung; hier Proto-

kollteil Heusgen

28.03.2011

273 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

31.03.2011 13.04.2011 187

Drucksache 17/7400 – 514 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 30.03.2011

Beiziehung der Verfahrensakte in dem Rechts-

streit Dr. Peter Wichert ./. Spiegel-Verlag Ru-

dolph Augstein GmbH & Co. KG u.a. (Az. 9 O

396/10) beim Landgericht Bonn

274 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD, der

Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 30.03.2011

Beiziehung der Verfahrensakte in dem Verwal-

tungsrechtstreit A. M. ./. Bundesrepublik

Deutschland (Az. Vermutlich: 25 K 5534/10;

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt

Goldbach, Berlin) beim Verwaltungsgericht

Köln

31.03.2011 13.04.2011 188

275 Schreiben des Abg. Nouripour

Geheimnisverrat, hier: Antwort auf das Schrei-

ben des Abg. Kauder (BU 270)

13.04.2011

276 Bundesministerium des Innern

Nicht-Herabstufung eingestufter Vernehmungs-

protokolle, hier: Sts Klaus-Dieter Fritsche

11.05.2011

277 Ersuchen der Mitglieder der Fraktion der SPD,

der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 18.04.2011

Ersuchen um Herabstufung von Beweismitteln

für den Abschlussbericht des Verteidigungsaus-

schusses als 1.UA gem. Art. 45a Abs. 2 GG der

17. WP des Deutschen Bundestages an die

Bundesministerien der Verteidigung, des Bun-

deskanzleramts, der Justiz und des Auswärtigen

19.04.2011 11.05.2011

278 Schreiben der Mitglieder der Fraktion der SPD,

der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 1.UA gem.

Art. 45a Abs. 2 GG vom 18.04.2011

Schreiben zum Schreiben des BMI (BU 276) –
Nicht-Herabstufung eingestufter Vernehmungs-

protokolle, hier: Sts Klaus-Dieter Fritsche

20.04.2011 11.05.2011

279 Schreiben des Obmanns Beck, Antwort auf BU

17-277,Vorschlag zur Beantragung eines Be-

schlusses

29.04.11 11.05.2011

280 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 19.05.2011

Erstellung der Beschlussempfehlung und des

Berichts (Zeitplan)

19.05.2011 25.05.2011

281 Schreiben des Präsidenten v. 3. Juni 2011, hier:

Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen

Unbekannt wegen Verdachts der Verletzung des

Dienstgeheimnisses und einer besonderen Ge-

heimhaltungspflicht (Geschäftszeichen ZR

4/GS-54-PA 12-1.UA-17,WP) mit Schreiben

des Leitenden Oberstaatsanwalts in Berlin (Ge-

schäftszeichen 74 Js 183/10) v. 18. März 2011

08.06.2011 29.06.2011

282 Entwurf eines Abschlussberichts (Verfahrens- 16.06.2011 29.05.2011

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 515 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

und Feststellungsteil) der Berichterstatter;

Stand: 16.06.2011

283 Antwortschreiben des Vorsitzenden des Rechts-

ausschusses zur BU 270; hier: Geheimnisverrat

bei Untersuchungsausschüssen vom 28. Juni

2011

30.06.2011 06.07.2011

284 Antrag der Mitglieder der Fraktion der

CDU/CSU und FDP im 1.UA gem. Art. 45a

Abs. 2 GG vom 30.06.2011

Zeitplan

01.07.2011 06.07.2011

285 Bewertungsteil der Mehrheitsfraktionen, Stand:

30.06.2011

01.07.2011 06.07.2011

286 Ergebnis der Herabstufungsprüfung durch das

BK des Verfahrens- und Feststellungsteils

19.07.2011 05.09.2011

287 Aufhebung der Einstufungen durch BMVg des

Verfahrens- und Feststellungsteils

19.07.2011 05.09.2011

288 Empfehlung einer Aufhebung der Einstufung

eines Dokumentes des Verteidigungsausschus-

ses durch BMVg

22.07.2011 05.09.2011

289 Ergebnis der Herabstufungsprüfung durch BMJ

des Verfahrens- und Feststellungsteils

22.07.2011 05.09.2011

290 Herabstufung von NATO-Dokumenten durch

BMVg

26.07.2011 05.09.2011

291 Schreiben des RA Müssig Antrag auf Gewäh-

rung umfassenden rechtl. Gehörs und Stellung-

nahmerecht

27.07.2011 05.09.2011

292 Eingangsbestätigung der Schreiben und Bitte

Terminverlängerung bezügl. Gewährung rech-

tlichen Gehörs für Kapitän zur See Christian

Dienst und Frau Sabine Bastek

09.08.2011

293 Antwortschreiben von Oberst i.G. Klein zum

rechtlichen Gehör vom 5. August 2011

09.08.2011 05.09.2011

294 Schreiben des RA Müssig – Zeugenverneh-
mung von Herrn Oberst i.G. Klein, hier: rechtli-

ches Gehör und Stellungnahmerecht vom

10. August 2011

12.08.2011

295 Antwortschreiben des Kapitäns zur See Chris-

tan Dienst zur Gewährung rechtlichen Gehörs

vom 10. August 2011

15.08.2011 05.09.2011

296 Sondervotum der SPD-Fraktion; Stand: 11.

August 2011

15.08.2011 20.10.2011

297 Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.; Stand:

11. August 2011

15.08.2011 20.10.2011

298 Sondervotum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN; Stand: 11. August 2011

15.08.2011 20.10.2011

299 Ergebnis der Herabstufungsprüfung durch

BMVg des Sondervotums der SPD-Bundestags-

fraktion

26.08.2011 05.09.2011

300 Ergebnis der Herabstufungsprüfung des Son-

dervotums der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN durch BMVg

26.08.2011 05.09.2011

301 Ergebnis der Herabstufungsprüfung des Son-

dervotums der Fraktion DIE LINKE. durch

BMVg

26.08.2011 05.09.2011

302 Einstufung der Entwürfe der Sondervoten der

SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE

29.08.2011 05.09.2011

Drucksache 17/7400 – 516 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

LINKE.

303 Aufhebung der Einstufung in Sondervoten

durch AA

29.08.2011 20.10.2011

304 Einstufung der Sondervoten der Fraktionen

SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE

LINKE. durch BK

30.08.2011 20.10.2011

305 Beschlussvorschlag

Gewährung rechtlichen Gehörs zum Abschluss-

bericht gemäß § 32 PUAG

02.09.2011 05.09.2011 Beschluss 16

zum Verfahren

306 Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes

– Umfang und Grenzen des rechtlichen Gehörs
gemäß § 32 PUAG -

02.09.2011 05.09.2011

307 Antrag der Mitglieder der Fraktion der SPD im

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungs-

ausschuss gem. Art. 45a Abs. 2 GG vom

5. September 2011 Gewährung

rechtlichen Gehörs für die Zeugen Schneider-

hahn und Dr. Wichert

05.09.2011 05.09.2011

308 Schreiben der Fraktion DIE LINKE. vom

1. September 2011 m. d. B., die in dem Schrei-

ben benannten Dokumente als Anlagen dem

Bericht beizufügen

06.09.2011 28.09.2011

309 Schreiben der Fraktion DIE LINKE. vom

5. September 2011 zur Herabstufung der Anla-

gen des Sondervotums durch die Bundesregie-

rung

06.09.2011 28.09.2011

310 Schreiben der Fraktionen SPD und BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN vom 6. September 2011 zur

Aufnahme von Anlagen im Sondervotum der

Fraktion DIE LINKE.

06.09.2011 28.09.2011

311 Schreiben BMJ vom 6. September 2011; Ein-

stufung des Abschlussberichts

06.09.2011 28.09.2011

312 Antwortschreiben von Generalleutnant Rainer

Glatz: Gewährung rechtlichen Gehörs zu den

Sondervoten; hier: Stellungnahme vom 8. Sep-

tember 2011

09.09.2011 28.09.2011

313 Antwortschreiben von Oberst i. G. Klein: Ge-

währung rechtlichen Gehörs zu den Sondervo-

ten; hier: Stellungnahme vom 20. September

2011

20.09.2011 28.09.2011

314 Antwortschreiben von Brigadegeneral Vollmer:

Gewährung rechtlichen Gehörs zu den Sonder-

voten; hier: Stellungnahme vom 22. September

2011

22.09.2011 28.09.2011

315 Gemeinsames Diskussionspapier der Fraktionen

SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 23. Sep-

tember 2011

23.09.2011 28.09.2011

316 Gemeinsames Diskussionspapier der Fraktionen

CDU/CSU und FDP vom 28. September 2011

28.09.2011 28.09.2011

317 Bericht des Untersuchungsausschusses, komp-

lett, Stand: 11.10.2011

11.10.2011 20.10.2011

318 Beschlussvorschlag

Herabstufung Protokolle und Anfügung an den

14.10.2011 20.11.2011 Beschluss 17

zum Verfahren

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 517 – Drucksache 17/7400

Beratungs-

unterlage

17/…
Art, Datum, Inhalt

verteilt

am:

beschlossen/

behandelt am

Verfahrens-/

Beweis-

beschluss 17-

Bericht gem. § 33 PUAG

319 Beschlussvorschlag

Feststellung der Teile des Berichts nach § 33

PUAG undVorlage an den Bundestag

14.10.2011 20.10.2011 Beschuss 18

zum Verfahren

320 Bechlussvorschlag

Rückgabe von Beweismaterialien und Mehraus-

fertigungen von Protokollen

14.10.2011 20.10.2011 Beschluss 19

zum Verfahren

321 Beschlussvorschlag

Behandlung der Protokolle und Materialien

nach Kenntnisnahme des Abschlussberichtes

durch den Deutschen Bundestag

14.10.2011 20.10.2011 Beschluss 20

zum Verfahren

322 Anmerkungen des Koalition zu Gegenäußerun-

gen der Opposition in Sachen Gewährung rech-

tlichen Gehörs

19.10.2011 20.10.2011

323 Ergänzungen zum Bericht des Untersuchungs-

ausschusses, Stand: 18.10.2011

19.10.2011 20.10.2011

324 Schreiben des BMVg zur Vernichtung nicht

mehr benötigter Beweismaterialien, Protokolle

und Berichtsteile vom 14. Oktober 2011

19.10.2011 20.10.2011

325 Erwiderung der Opposition zu den Anmerkun-

gen der Koalition zum Abschlussbericht unter

Punkt C

19.10.2011 20.10.2011

Drucksache 17/7400 – 518 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

VI. Beschlüsse zu Beweisanträgen

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

1 14 Beiziehung des

COMISAF-Bereich der

NATO vom 28.10.2009

beim Bundesministerium

der Verteidigung

(BMVg).

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 10/10a

BMVg

09.02.2010

MAT 17

2 15 Beiziehung des Untersu-

chungsberichts zum „Clo-
se AIR Support

KUNDUZ“ vom 9.9.2009
beim BMVg

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 2

BMVg

19.01.2010

MAT 11/11a

3 16 Beiziehung des Berichts

des „Incident Action
Team“ (IAT)/ NATO HQ
ISAF („Smith-Bericht“)
beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 12/12a

4 17 Beiziehung des ISAF-

Berichts einer „Fact Fin-
ding Mission vom

6.9.2009 beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 13/13a

5 18 Beiziehung des Berichts

von Oberstleutnant N.

beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 3

6 19 Beiziehung des „ISAF
Appointment“ des Proto-
kolls vom 8.9.2009 beim

BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 4/4a

7 20 Beiziehung des Untersu-

chungsberichts für Präsi-

dent Karsai vom

10.09.2009 beim BMVg

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 5/5a

8 21 Beiziehung des „Berichts
über die möglichen Fol-

gen des Angriffs“ für das
Auswärtige Amt (AA)

beim BMVg und AA.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 6

AA

10.3.2010

MAT 25/25a

9 22 Beiziehung des Berichts

von Oberst Georg Klein

(COM PRT KDZ) vom

05.09.2009 beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 7

10 23 Beiziehung der vorhan-

denen Berichte des Inter-

nationalen Roten Kreuzes

beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 14/14a

11 24 Beiziehung des Berichts

für die UN-Mission

UNAMA vom 14.9.2009

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 8

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 519 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

beim BMVg.

12 25 Beiziehung des Berichts

des damaligen Komman-

deurs des Regional

Command North (RC

North) in Mazar-e-Sharif,

Brigadegeneral Jürgen

Setzer vom 6.11.2009

beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.01.2010

MAT 9

13 26 Beiziehung sämtlicher

Organigramme über Be-

fehls- und Meldewege

innerhalb der NATO für

ISAF sowie zwischen

dem deutschen Kontin-

gent in Afghanistan und

weiterer Dienststellen der

Bundeswehr beim

BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.3.2010

MAT 30/30a

BMZ

23.03.2010

MAT 31a

14 27 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich des 20.

DEUEinsKtgt ISAF –
PRT in Kunduz beim

BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

27.5.2010

MAT 48/48a

BMVg

27.10.2010

MAT 63

BMVg

24.11.2010

MAT 67

15 28 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sachli-

cher Beweismittel im

Bereich des HQ RC

North in Mazar-e-Sharif

beim BMVg

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

21.5.2010

MAT 47/47a

BMVg

14.6.2010

MAT 51

BMVg

11.10.2010

MAT 61

BMVg

11.04.2011

MAT 61a

BMVg

13.12.10

MAT 69

BMVg

14.12.10

MAT 72

16 29 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich des COM ISAF

HQ in Kabul beim

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

21.5.2010

MAT 47/47a

Drucksache 17/7400 – 520 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

BMVg.

17 30 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich des Einsatzfüh-

rungskom-mandos der

Bundeswehr (EinsFüK-

doBw) und des Kom-

mandos Führung Opera-

tionen von Spezialkräften

(Kdo FOSK) beim

BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

11.03.2010

MAT 26

18 31 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich des Einsatzfüh-

rungsstabes im Bundes-

ministerium der Verteidi-

gung beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.3.2010

MAT 30/30a

19 32 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten u. sonstiger sächlicher

Beweismittel in den Bü-

ros des GIs der Bundes-

wehr sowie seiner Stell-

vertreter, insbes. even-

tuelle schriftliche Unter-

lagen („Sprechzettel“
o.ä.) für die Einweisung

von BM Freiherr zu Gut-

tenberg in sein neues Amt

beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

25.2.2010

MAT 22/22a

BMVg

01.04.2010

MAT 36/36a

20 33 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

gesamten Bereich des

Führungsstabs der Streit-

kräfte mit Ausnahme des

Büros des GIs sowie

seiner Stellvertreter beim

BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

01.04.2010

MAT 36/36a

BMVg

09.04.2010

MAT 37/37a

BMVg

14.04.2010

MAT 39/39a

BMVg

28.04.2010

MAT 44/44a

BMVg

07.05.2010

MAT 45

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 521 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

BMVg

12.05.2010

MAT 46/46a

21 34 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich der Abteilung

Recht des Bundesministe-

riums der Verteidigung

beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

26.3.2010

MAT 35/35a

22 35 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich im Bereich des

Presse- und Informations-

stabes des BMVg, insbe-

sondere eventl. schriftli-

che Unterlagen („Sprech-
zettel“ o. Ä) z. Vorberei-
tung der Äußerungen der

Pressesprecher des

BMVg zum Untersu-

chungsgegenstand beim

BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

18.02.2010

MAT 21/21a

23 36 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel in den

Büros der Staatssekretäre

im BMVg, insbesondere

eventuelle schriftliche

Unterlagen („Sprechzet-
tel“ o. ä) für die Einwei-
sung von Bundesminister

Freiherr zu Guttenberg in

sein neues Amt beim

BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

25.2.2010

MAT 22/22a

BMVg

22.04.2010

MAT 42/42a

24 37 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel, in den

Büros der Parlamentari-

schen Staatssekretäre

beim Bundesministerium

der Verteidigung, beim

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

18.2.2010

MAT 21/21a

Drucksache 17/7400 – 522 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

BMVg.

25 38 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich des Leitungssta-

bes des Bundesministe-

rium der Verteidigung

beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

17.3.2010

MAT

27/27a/27b

26 39 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich des Planungssta-

bes des Bundesministe-

rium der Verteidigung

beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

24.3.2010

MAT 32/32a

27 40 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Büro des Bundesministers

der Verteidigung beim

BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

17.3.2010

MAT 27/27a/

27b

28 41 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich im Bereich des

BMVgs und diesem

nachgeordneten Stellen,

soweit durch die Beweis-

beschlüsse Nrn. 13 bis 27

nicht bereits abgedeckt

beim BMVg.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

19.02.2010

MAT 21/21a

BMVg

01.04.2010

MAT 36/36a

BMVg

28.04.2010

MAT 44/44a

BMVg

07.05.2010

MAT 45

BMVg

12.05.2010

MAT 46/46a

29 42 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

16.12.2009 18.12.2009 BK

18.3.2010

MAT 29/29a

BK

23.02.2011

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 523 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

Bereich der Gruppe 21

des Bundeskanzleramts

(BK) beim BK.

MAT 73

30 43 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich der Gruppe 22

des BKs beim BK.

16.12.2009 18.12.2009 BK

18.3.2010

MAT 29/29a

BK

23.02.2011

MAT 73

31 44 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Büro des Abteilungslei-

ters 2 des BKs beim BK.

16.12.2009 18.12.2009 BK

18.3.2010

MAT 29/29a

BK

23.02.2011

MAT 73

32 45 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich der Gruppe 61

des BKs beim BK.

16.12.2009 18.12.2009 BK

18.3.2010

MAT 29/29a

BK

23.02.2011

MAT 73

33 46 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich der Gruppe 62

des BKs beim BK.

16.12.2009 18.12.2009 BK

18.3.2010

MAT 29/29a

BK

23.02.2011

MAT 73

34 47 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Büro des Abteilungslei-

ters 6 des BKs beim BK.

16.12.2009 18.12.2009 BK

18.3.2010

MAT 29/29a

BK

23.02.2011

MAT 73

35 48 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Büro des Chefs des BKs

beim BK.

16.12.2009 18.12.2009 BK

18.3.2010

MAT 29a

BK

23.02.2011

MAT 73

36 49 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

16.12.2009 18.12.2009 BK

23.02.2011

MAT 73

Drucksache 17/7400 – 524 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Kanzlerbüro beim BK.

37 50 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

gesamten Bereich des

BND beim BK.

16.12.2009 18.12.2009 BK

24.3.2010

MAT 34/34a

BK

23.02.2011

MAT 73

38 51 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

gesamten Bereich des

Presse- und Informations-

amtes der Bundesregie-

rung, insbesondere even-

tuelle schriftliche Unter-

lagen („Sprechzettel“
o. ä.) zur Vorbereitung

von Äußerungen der

Regierungssprecher zum

Untersuchungsgegen-

standbeim BK.

16.12.2009 18.12.2009 BK

18.3.2010

MAT 29a

BK

23.02.2011

MAT 73

39 52 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich des BKs und

diesen nachgeordneten

Stellen, soweit durch die

Beweisbeschlüsse Nrn.

29 bis 38 noch nicht ab-

gedeckt, insbesondere

auch eventuelle Unterla-

gen zur Beteiligung des

BKs an der Entlassung

von GI General Schnei-

derhan und von Sts Dr.

Wichert beim BMVg und

BK.

16.12.2009 18.12.2009

(BMVg)

13.01.2010

(BK)

BK

18.3.2010

MAT 29/29a

BK

23.02.2011

MAT 73

40 53 Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächli-

cher Beweismittel im

Bereich des Auswärtigen

Amtes, insbesondere auch

16.12.2009 18.12.2009 AA

10.3.2010

MAT 25/25a

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 525 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

die Aufgabenbeschrei-

bung des Vertreters des

AA in Kundus beim AA

41 nicht vergeben

42 nicht vergeben

43 nicht vergeben

44 nicht vergeben

45 58 Vernehmung der Bundes-

kanzlerin Dr. Angela

Merkel als Zeugin.

16.12.2009 17.12.2010 10.02.2011

46 59 Vernehmung des Chefs

des BKs, BM Ronald

Pofalla, als Zeugen.

16.12.2009

47 60 Vernehmung des ehema-

ligen, bis zum 27. Okto-

ber 2009 amtierenden,

Chefs des BKs und heuti-

gen Bundesministers des

Innern, Dr. Thomas de

Maiziére, als Zeugen.

16.12.2009

48 61 Vernehmung des ehema-

ligen Leiters der Abtei-

lung 6 im BK und heuti-

gen Sts im BMI, Klaus-

Dieter Fritsche, als Zeu-

gen.

16.12.2009

15.11.2010

29.11.2010

21.12.2010

27.01.2011

49 nicht vergeben

50 63 Vernehmung des Leiters

der Abteilung 2 im BK

Ministerialdirektor Dr.

Chrisoph Heusgen als

Zeugen.

16.12.2009

12.11.2010

21.12.2010

20.01.2011

51 nicht vergeben

52 nicht vergeben

53 nicht vergeben

54 67 Vernehmung des Chefs

des Presse- und Informa-

tionsamtes der Bundesre-

gierung und Regierungs-

sprechers, Ulrich Wil-

helm, als Zeugen

16.12.2009

55 68 Vernehmung des Bun-

desministers des Auswär-

tigen, Dr. Guido Wester-

welle, als Zeugen.

16.12.2009

56 69 Vernehmung des Bun-

desministers des Auswär-

tigen a.D., Dr. Frank-

Walter Steinmeier, als

Zeugen.

16.12.2009 17.12.2010 10.02.2011

57 70 Vernehmung damaligen

Sts a. D. im AA, Rein-

hard Silberberg, als Zeu-

gen.

16.12.2009

58 71 Vernehmung des Bun- 16.12.2009 05.03.2010 25.03.2010

Drucksache 17/7400 – 526 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

desministers der Vertei-

digung a. D., Dr. Franz

Josef Jung, als Zeugen.

59 72 Vernehmung des Bun-

desministers der Vertei-

digung, Karl-Theodor

Freiherr zu Guttenberg,

als Zeugen.

16.12.2009 5.3.2010 22.04.2010

60 73 Vernehmung des PSts

beim BMVg, Thomas

Kossendey, MdB, als

Zeugen.

16.12.2009

61 74 Vernehmung des PSts

beim BMVg, Christian

Schmidt, MdB, als Zeu-

gen.

16.12.2009

62 75 Vernehmung des seit dem

1. Januar 2008 amtieren-

den Sts im BMVg, Rüdi-

ger Wolf, als Zeugen.

16.12.2009

21.05.2010

18.06.2010

08.07.2010

63 76 Vernehmung des bis zum

26. November 2009 am-

tierenden Sts a. D. im

BMVg, Dr. Peter Wi-

chert, als Zeugen.

16.12.2009 02.03.2010

17.09.2010

18.03.2010

29.09.2010

64 nicht vergeben

65 78 Vernehmung des damali-

gen Leiters des Planungs-

stabs im BMVg, MD Dr.

Ulrich Schlie, als Zeugen.

16.12.2009

21.05.2010

18.06.2010

8. 7. 2010

66 nicht vergeben

67 nicht vergeben

68 nicht vergeben

69 nicht vergeben

70 83 Vernehmung des Leiters

des Presse- und Informa-

tionsstabs des BMVg und

Sprecher des Verteidi-

gungsministeriums, Stef-

fen Moritz als Zeugen

16.12.2009

71 84 Vernehmung des ehema-

ligen Leiters des Presse-

und Informationsstabs des

BMVg und Sprecher des

Verteidigungsministe-

riums, Dr. Thomas Raa-

be, als Zeugen.

16.12.2009

21.05.2010

18.06.2010

13.07.2010

16.09.2010

72 85 Vernehmung des Stell-

vertretenden Leiters des

Presse- und Informations-

stabs des BMVg und

Stellvertretenden Spre-

chers des Verteidigungs-

ministeriums, Kapitän zur

See Christian Dienst, als

16.12.2009

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 527 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

Zeugen.

73 86 Vernehmung des bis zum

26. November 2009 am-

tierenden, ehemaligen GIs

der Bundeswehr, General

A. D. Wolfgang Schnei-

derhan als

Zeugen.

16.12.2009 02.03.2010

17.09.2010

18.03.2010

29.09.2010

74 87 Vernehmung des Stell-

vertreters des GIs der

Bundeswehr, General-

leutnant Johann-Georg

Dora, als Zeugen.

16.12.2009

75 88 Vernehmung des Leiters

des Einsatzführungsstabs

im BMVg, Konteradmiral

Andreas Krause, als Zeu-

gen.

16.12.2009

07.05.2010

21.05.2010

09.06.2010

76 nicht vergeben

77 90 Vernehmung des Kom-

mandeurs des Allied Joint

Force Command in

Brunssum, General Egon

Ramms, als Zeugen.

16.12.2009 28.01.2010

21.05.2010

18.06.2010

29.10.2010

12.11.2010

02.12.2010

78 91 Vernehmung des damals

ranghöchsten deutschen

Offiziers im ISAF HQ in

Kabul, des Stellvertreten-

den Chefs des Stabes

Unterstützung, General-

major Hans-Erich Antoni,

als Zeugen.

16.12.2009

79 92 Vernehmung des seit dem

9. Oktober 2009 amtie-

renden Chef des Stabes

im ISAF HQ in Kabul,

Generalleutnant Volker

Wieker, als Zeugen.

16.12.2009

80 nicht vergeben

81 nicht vergeben

82 nicht vergeben

83 nicht vergeben

84 nicht vergeben

85 nicht vergeben

86 nicht vergeben

87 nicht vergeben

88 nicht vergeben

89 nicht vergeben

90 nicht vergeben

91 nicht vergeben

92 nicht vergeben

93 nicht vergeben

94 107 Beiziehung folgender

Unterlagen des BMVg

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

17.3.2010

Drucksache 17/7400 – 528 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

und der nachgeordneten

Dienststellen, zu den

Nummern 1 bis 5 des

Untersuchungsauftrages.

MAT 27/27a/

27b

BMVg

19.3.2010

MAT 30/30a

BMVg

25.3.2010

MAT 22/22a

BMVg

19.2.2010

MAT 21/21a

BMVg

12.05.2010

MAT 46/46a

BMVg

27.5.2010

MAT 48/48a

95 108 Beiziehung folgender

Unterlagen des AA und

der nachgeordneten

Dienststellen.

16.12.2009 18.12.2009 BMVg

10.03.2010

MAT 25/25a

96 109 Beiziehung folgender

Unterlagen des Bundes-

ministeriums für Wirt-

schaftliche Zusammenar-

beit und Entwicklung

(BMZ) und der nach-

geordneten Dienststellen,

zu den Nr. 1 bis 6 des

Untersuchungsauftrages.

16.12.2009 18.12.2009 BMZ

23.3.2010

MAT 31a

BMZ

24.3.2020

MAT 33

97 110 Beiziehung der Aus-

schussprotokolle des

Verteidigungsausschusses

des Deutschen Bundesta-

ges mit Bezug zum Luft-

schlag am 04. September

2009, zu den Nr. 1 bis 6

des Untersuchungsauf-

trages.

16.12.2009 18.12.2009 PA 12

14.01.2010

MAT 1

PA 12

25.01.2010

MAT 15

98 112 Vernehmung des Deut-

schen Militärischen Ver-

treters (DMV) bei der

NATO Generalleutnant

Jürgen Bornemann als

Zeugen.

21.01.2010

99 113 Vernehmung des Leiters

der Rechtsabteilung im

BMVg MD Dieter Wein-

gärtner als Zeugen.

21.01.2010

100 114 Vernehmung des Chef 21.01.2010

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 529 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

des Stabes des Führungs-

stabes der Streitkräfte

Konteradmiral Manfred

Nielson als Zeugen.

101 115 Vernehmung des Kom-

mandeurs 10. Panzerdivi-

sion in seiner Funktion

als ehemaliger Leiter

Einsatzführungsstab im

BMVg Generalmajor

Erhard Bühler als Zeu-

gen.

21.01.2010

102 117 Vernehmung des Ständi-

gen Vertreters der Bun-

desrepublik Deutschlands

bei der NATO Botschaf-

ter Ulrich Brandenburg

als Zeugen.

21.01.2010

103 118 Vernehmung des zum

Untersuchungs-zeitraums

verantwortlichen zivilen

Leiters des PRT (Provin-

cial Reconstruction

Team) Kunduz B. D. als

Zeugen.

21.01.2010

30.09.2010 07.10.2010

104 119 Es soll Beweis erhoben

werden zum gesamten

Untersuchungsauftrag,

indem gestuft

1. die Bundesregierung

gebeten wird, den Leiter

Lagezentrum im AA im

Untersuchungszeitraum

zu benennen und sodann

2. diese Person als Zeuge

vernommen wird.

21.1.2010 26.01.2010 AA

02.02.2010

MAT 16

105 120 Es soll Beweis erhoben

werden zum gesamten

Untersuchungsauftrag,

indem gestuft

1. die Bundesregierung

gebeten wird, den Leiter

Planungsstab im AA im

Untersuchungszeitraum

zu benennen und sodann

2. diese Person als Zeuge

vernommen wird.

21.01.2010 26.1.2010 AA

02.02.2010

MAT 16

106 123 Vernehmung des Chef

des Stabes im Einsatzfüh-

rungskommando Bun-

deswehr Flottillenadmiral

Manfred Hartmann als

Zeugen.

21.01.2010

107 121

124

Vernehmung des zum

Untersuchungs-zeitraum

21.01.2010

Drucksache 17/7400 – 530 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

im Amt befindlichen Sts

im BMZ Erich Stather als

Zeugen.

108 122

125

Es soll Beweis erhoben

werden zum gesamten

Untersuchungsauftrag

durch Vernehmung des

Chef des Stabes bei

SHAPE General Karl-

Heinz Lather als Zeugen.

21.01.2010

109 95 Vernehmung des damali-

gen Kommandeurs PRT

KDZ, Oberst Georg

Klein, als Zeugen.

28.01.2010 28.01.2010 10.02.2010

110 130 Vernehmung des am

03./04.09.2009 eingesetz-

ten J 3 PRT Kunduz als

Zeugen.

28.01.2010

111 134 Vernehmung des am

03./04.09.2009 eingesetz-

ten J 2 des PRT Kunduz

als Zeugen.

28.01.2010

28.01.2010

17.09.2010

07.10.2010

112 102 Vernehmung des Verfas-

sers des Untersuchungsbe-

richts vom 9. September

2009, Oberstleutnant G. B.

(FJgFhr i.E. DEU EinsKtgt

ISAF), als Zeugen.

28.1.2010 28.1.2010

11.2.2010

26.2.2010

04.03.2010

113 54 Beiziehung der Termin-

kalender der Bundeskanz-

lerin Dr. Angela Merkel,

des ehemaligen Chefs des

BKs, BM Dr. Thomas de

Maiziere, des Chefs des

BKs, BM Ronald Pofalla,

des Abteilungsleiters 2 im

BK, MD Dr. Christoph

Heusgen, des damaligen

Abteilungsleiters 6 im

BK, Sts Klaus-Dieter

Fritzsche, und des Leiters

der Gruppe 62 im BK,

MDgt Hans-Josef Vor-

beck beim BK.

28.1.2010: 17.12.2010 BK

15.04.2010

MAT 40

BK

21.04.2010

MAT 41

BK

23.02.2011

MAT 73

114 55 Beiziehung der Termin-

kalender des BM a. D.

Dr. Franz Josef Jung, des

BM Karl-Theodor Frei-

herr zu Guttenberg, des

PSts beim BMVg Tho-

mas Kossendey, des PST

beim BMVg Christian

Schmidt, des Sts a.D. Dr.

Peter Wichert, des Gene-

ralleutnants Rainer Glatz

28.1.2010 29.1.2010 BMVg

17.03.2010

MAT 27/27a

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 531 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

und des GIs der Bundes-

wehr a.D. General Wolf-

gang Schneiderhan.

115 56 Es wird Beweis erhoben

zum gesamten Untersu-

chungsauftrag dadurch,

dass im gestuften Verfah-

ren, die Generalstaatsan-

waltschaft Dresden zu-

nächst darum ersucht

wird mitzuteilen, welche

Verfahren oder Prüfvor-

gänge in ihrem Verant-

wortungsbereich in direk-

tem oder indirektem,

konkreten oder abstrakten

Zusammenhang mit den

im Untersuchungsauftrag

bezeichneten Sachverhal-

ten u. Fragestellungen –
anknüpfend an den unter-

suchten Vorgang am 3./4.

September 2009 in Kun-

duz – stehen, und im
Anschluss daran sämtli-

che Akten in den konkret

bezeichneten Verfahren,

soweit sie den Untersu-

chungs-gegenstand be-

treffen und ohne Gefähr-

dung der Ermittlungen

vorgelegt werden können,

beigezogen werden bei

der Generalstaatsanwalt-

schaft Dresden.

28.01.2010 29.01.2010 General-

staatsanwalt

Sachsen

18.02.2010

MAT 19

116 57 Es wird Beweis erhoben

zum gesamten Untersuchungs-

auftrag dadurch,

dass im gestuften Ver-

fahren, der GBA

beim Bundesgerichtshof

zunächst darum ersucht

wird mitzuteilen, welche Vor-

gänge in ihrem Ver-

antwortungsbereich im

Zusammenhang mit den

im Untersuchungsauftrag be-

zeichneten Sachver-

halten und Fragestell-

ungen – anknüpfend an
den untersuchten Vor-

gang am 3./4. September

2009 in Kunduz – stehen, und im
Anschluss daran sämtliche Akten

in den

28.1.2010 28.1.2010 GBA

29.04.2010

MAT 43

BMJ

30.06.2010

MAT 54/54

BMJ

28.10.2010

MAT 64

BMJ

23.11.2010

MAT 66

BMJ

14.03.2011

MAT 74/74a

Drucksache 17/7400 – 532 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

konkret bezeichneten

Verfahren, soweit sie

den Untersuchungs-

gegenstand betreffen und

ohne Gefährdung der
Ermittlungen vorgelegt

werden können, beige-

zogen werden beim GBA

beim Bundesgerichtshof.

117 62 Vernehmung des

Leiters der Gruppe 62 im

BK, Ministerialdirigent

Hans-Josef Vorbeck, als

Zeugen.

28.1.2010

15.11.2010

21.12.2010

27.12.2010

27.1.2011

118 64 Vernehmung des Leiters
der Gruppe 21 im BK,

MDg Rolf Nikel, als

Zeugen.

28.1.2010

119 65 Vernehmung des

Leiters der Gruppe 21 im

BK, O. i. G. Dr. Erich

Vad als Zeugen.

28.1.2010

12.11.2010

21.12.2010

02.12.2010

20.1.2011

120 66 Vernehmung des Leiters

der Gruppe 21 im BK, i-
O. i. G. M. G. als Zeugen.

28.1.2010

121 77 Vernehmung des

ehemaligen Leiters des

Leitungsstabes und

Ministerbüros im BMVg,

MDg Malte Krause, als

Zeugen.

28.01.2010

122 79 Vernehmung des ehe-

maligen persönlichen

Referenten von Bundes-

minister a. D. Dr. Jung,

Ministerialrat E. S.
als Zeugen.

28.01.2010

123 80 Vernehmung des

damaligen Leiters des

Büros des Sts a. D. Dr.

Wichert, im BMVg,

Kapitän zur See T. E.,
als Zeugen.

28.01.2010

124 81 Vernehmung des Leiters

der Adjutantur im BMVg, i-

Brigadegeneral Peter
Braunstein, als Zeugen.

28.1.2010

07.05.2010

21.05.2010

09.06.2010

125 82 Vernehmung des

Leiters der Adjutantur

des GIs der Bundeswehr

im BMVg, Oberst i. G.

H. R., als Zeugen.
28.01.2010

126 89 Vernehmung des

Befehlshabers des

28.01.2010

28.01.2010

05.03.2010

15.03.2010

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 533 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

Einsatzführungskom-

mandos der Bundeswehr,

Generalleutnant Rainer

Glatz, als Zeugen.

127 93 Vernehmung des

ehemaligen Komman-

deurs des HQ RC North

Brigadegeneral Jürgen

Setzer, als Zeugen.

28.1.2010

128 94 Vernehmung des bis

zum 3. Oktober 2009

amtierenden Komman-

deurs des 20. DEU

EinsKtgt ISAF, Brigade-

general Jörg Vollmer, als

Zeugen.

28.01.2010 28.01.2010

26.02.2010

05.03.2010

15.03.2010

129 96 Vernehmung von, Oberfeldwe-

bel W. (JTAC-

Bediener/Auswerte-Fw)

als Zeugen.

28.01.2010 28.01.2010 25.02.2010

130 97 Vernehmung von,

Hauptfeldwebel V. (Sto-

ryboard ISR/ TF47) als

Zeugen.

28.01.2010

28.01.2010

08.10.2010

11.11.2010

131 98 Vernehmung von

Hauptmann N. (J2X /

HCO TF47) als Zeugen.

28.01.2010 28.01.2010

08.10.2010

25.02.2010

11.11.2010

132 99 Vernehmung von

Hauptfeldwebel Sch.

(HUMINT Operator

TF47) als Zeugen.

28.01.2010 17.09.2010 07.10.2010

133 100 Vernehmung von

Oberfeldwebel F.

(HUMINT Operator

TF47)als Zeugen.

28.01.2010 17.09.2010

30.09.2010

28.10.2010

134 101 Vernehmung von

ORR A. H. (Oberstleut-

nant und Rechtsberater-

Stabsoffizier i. E. 20.

DEU EinsKtgt ISAF) als

Zeugen.

28.01.2010

135 103 Vernehmung von

Oberstleutnant N. (IAT)

als Zeugen.

in BU 103 (neu): Korrek-

tur von Vornamen und

Rang – richtig muss hei-
ßen Oberst i. G. K. N.

28.01.2010

136 131 Vernehmung des am

03./04.09.2009 eingesetz-

ten J 2 des PRT RC North

als Zeugen.

28.01.2010

28.01.2010

08.10.2010

11.11.2010

137 132 Vernehmung von OTL G.

als Zeugen.

28.01.2010 28.01.2010

08.10.2010

11.11.2010

138 133 Vernehmung des Ge- 28.01.2010

Drucksache 17/7400 – 534 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

schäftsträger a.i. der Bot-

schaft der Bundes- Re-

publik Deutschland in

Afghanistan Botschaftsrat

Dr. Christian Buck

139 135

136

Vernehmung des Kom-

mandeurs Kommando

Führung Operation des

Spezialkräften (Kdo

FOSK) Oberst i. G. G. B.
als Zeugen.

10.02.2010 11.02.2010 04.03.2010

140 104 Zur Vorbereitung der

Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungs-

auftrag wird das BMVg

gebeten, die Namen nebst

Dienstgraden, Funktions-

bezeichnungen, Einsatz-

orten, Aufgaben u. Berüh-

rungspunkten mit dem

Untersuchungsauftrag

derjenigen Personen aus

dem Geschäftsbereich des

BMVg und der ihm nach-

geordneten Dienststellen,

einschließlich des Militä-

rischen Abschirmdienstes

(MAD) zu benennen.

10.02.2010 11.02.2010 BMVg

13.04.2010

MAT 38

141 105 Zur Vorbereitung der

Beweise zum gesamten

Untersuchungsauftrag

wird das BK gebeten, die

Namen nebst Dienstgra-

den, Funktionsbezeich-

nungen, Einsatzorten,

Aufgaben und Berüh-

rungspunkten mit dem

Untersuchungsauftrag

derjenigen Personen aus

dem Geschäftsbereich des

BKs und der ihm nach-

geordneten Dienststellen,

einschließlich des BND

und des Presse- und In-

formationsamtes Bundes-

regierung zu benennen.

10.02.2010 11.02.2010 BK

18.03.2010

MAT 28/28a

BK

23.02.2011

MAT 73

142 106 Zur Vorbereitung der

Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungs-

auftrag wird das AA

gebeten, die Namen nebst

Dienstgraden, Funktions-

bezeichnungen, Einsatz-

orten, Aufgaben und

10.02.2010 11.02.2010 AA

01.03.2010

MAT 23

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 535 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

Berührungspunkten mit

dem Untersuchungsauf-

trag derjenigen Personen

aus dem Geschäftsbereich

des AA zu benennen.

143 163 Anhörung des F15 Echo-

Piloten, „Dude 16“.
06.05.2010

21.09.2010 abgesagt

144 164 Anhörung des Supreme

Allied Commander Euro-

pe der NATO sowie

kommandierenden Gene-

rals des US European

Command, Admiral Ja-

mes G. Stavridis.

06.05.2010 25.05.2010

01.07.2010

01.10.2010

abgesagt

145 165 Anhörung des Komman-

deurs der Internationalen

Sicherheitsunterstüt-

zungs-truppe (ISAF),

General Stanley A.

McChrystal.

06.05.2010 01.10.2010 abgesagt

146 166 Anhörung des Mitheraus-

gebers der Washington

Post, Rajiv Chandraseka-

ran.

06.05.2010 13.07.2010 abgesagt

147 167 Vernehmung des Sts im

Bundesministerium des

Innern (BMI) a. D., Dr.

August Hanning, als

Zeugen

06.05.2010

148 168 Vernehmung des OTL

B. V., Rechtsbera-
ter, Einsatzführungs-

kommando der Bundes-

wehr, als Zeugen.

06.05.2010 07.05.2010

21.05.2010

09.06.2010

149 169 Vernehmung des Leiters

des Einsatzführungssta-

bes Einsatzteam Afgha-

nistan im BMVg, O. i. G.

H. G., als Zeugen.

06.05.2010 07.05.2010

21.05.2010

09.06.2010

150 170 Vernehmung von MR

A. C., BMVg,
Abt. R II 3, als Zeugen

06.05.2010

151 171 Vernehmung von RDir

A. S., Mitarbeiter
im Büro des Sts Dr.

Walther Otremba im

BMVg, als Zeugen

06.05.2010

152 172 Vernehmung des O. i. G.

T. P.,
BMVg, Einsatzführungs-

stab als Zeugen

06.05.2010

153 173 Vernehmung von Dr. J. S.,
BMVg,

Abt. R II 3, als Zeugen.

06.05.2010

154 174 Vernehmung von 06.05.2010

Drucksache 17/7400 – 536 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

A. H. H.,
BMVg, Planungsstab,

Abt. 4, als Zeugen.

155 175 Vernehmung des RDir

W. B., BMVg,
Einsatzführungsstab 2, als

Zeugen

06.05.2010

156 177 Vernehmung der Besat-

zungsmitglieder des am

03.09.2009 von dem

JTAC M.W.
angeforderten B1-

Bombers „Bone 22“ als
Zeugen

06.05.2010

21.09.2010 abgesagt

157 178 Vernehmung des Vorsit-

zenden des ISAF Joint

Investigation Board zum

Luftangriff vom

03./04.09.2009 in der

Provinz Kundus, Major

General C.S. „Duff“
Sullivan, als Zeugen

06.05.2010 1.11.2010 abgesagt

BU 260

158 179 Vernehmung des Kom-

mandeurs der Task Force

47 (zum Stichtag

03./04.09.2009) als Zeu-

gen

06.05.2010

159 180 Vernehmung des in der

Nacht vom

03./04.09.2009 in der

bzw. für die Operations-

zentrale der Task Force

47 eingesetzten Sprach-

mittlers als Zeugen

06.05.2010 17.09.2010 07.10.2010 BMVg

20.05.2010

BU 210

160 183 Vernehmung von Herrn

A. M.

06.05.2010 14.10.2010

29.10.2010

25.11.2010

161 184 Vernehmung der beiden

Mitglieder im Provinzrat

(Schura) von Kundus

1. Dr. Habibe Erfan

2. K. Z.

als Zeugen

06.05.2010 30.09.2010 28.10.2010

162 185 Beiziehung

1. des gesamten mit dem

untersuchten Vorgang

vom 03./04.09.2009 in

Zusammenhang stehen-

den Schriftverkehrs zwi-

schen den BMJ sowie

dem BMVg, dem Min.

der Justiz des Landes

Sachsen usw. beim BMJ.

06.05.2010 10.05.2010 BMJ

30.06.2010

MAT 54/54a

BMJ

14.03.2011

MAT 74/74a

163 186 Beiziehung

1. des gesamten mit dem

untersuchten Vorgang

06.05.2010 10.05.2010 SMJ Sachsen

24.06.2010

MAT 52

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 537 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

vom 03./04.09.2009 in

Zusammenhang stehen-

den Schriftverkehrs zwi-

schen dem Ministerium

der Justiz des Landes

Sachsen sowie dem

BMVg, dem GBA beim

Bundesgerichtshof, der

Generalstaatsanwaltschaft

Dresden usw. beim Mi-

nisterium der Justiz des

Landes Sachsen.

164 187 Beiziehung

1. des gesamten mit dem

untersuchten Vorgang

vom 03./04.09.2009 in

Zusammenhang stehen-

den Schriftverkehrs zwi-

schen dem GBA beim

Bundesgerichtshof sowie

dem BMVg, dem BMJ

usw. bei der Bundesan-

waltschaft

06.05.2010 10.05.2010 BMJ

30.06.2010

MAT 54/54a

BMJ

23.11.2010

MAT 66

BMJ

14.03.2011

MAT 74/74a

165 188 Beiziehung

1. des gesamten mit dem

untersuchten Vorgang

vom 03./04.09.2009 in

Zusammenhang stehen-

den Schriftverkehrs zwi-

schen der Generalstaats-

anwaltschaft Dresden

sowie dem BMVg, dem

Ministerium der Justiz

des Landes Sachsen usw.

bei der Generalstaatsan-

waltschaft Dresden

06.05.2010 10.05.2010 SMJ Sachsen

24.06.2010

MAT 52

166 189 Beiziehung

1. des gesamten mit dem

untersuchten Vorgang

vom 03./04.09.2009 in

Zusammenhang stehen-

den Schriftverkehrs zwi-

schen der Staatsanwalt-

schaft Potsdam sowie

dem BMVg, dem Minis-

terium der Justiz des

Landes Sachsen usw. bei

der Staatsanwaltschaft

Potsdam

06.05.2010 10.05.2010 Ministerium

der Justiz

Land Bran-

denburg

05.07.2010

MAT 55

167 190 Es wird Beweis erhoben

zum gesamten Untersu-

chungsauftrag durch 1.

Beiziehung der beim

Einsatz vom

03./04.09.2009 entstan-

06.05.2010 07.05.2010 BMVg

08.10.2010

MAT 60

Drucksache 17/7400 – 538 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

denen Cockpit tapes der

bei und vor dem Luftang-

riff in Kundus eingesetz-

ten F15 Echo und des B1-

Bombers sowie

2. der erstellten Trans-

kripte dieser Cockpit

tapes beim BMVg.

168 191 Beiziehung der dem deut-

schen Einsatzkontingent

im Rahmen des ISAF-

Mandates mitgegebenen

Taschenkarten mit dem

Veröffentlichungsstand

01.01.2008 bis

31.12.2009 beim BMVg

06.05.2010 07.05.2010 BMVG

04.06.2010

MAT 49/49a

169 192 Es wird Beweis erhoben

zu Punkt 7 des Untersu-

chungsauftrages durch

Beiziehung der folgenden

Einsatzregeln:

- OPLAN 10302 (Rev.1)

- OPLAN 10303 (Ände-

rung 2 zur überarbeiteten

Fassung 1)

- Tac Directive (TD)

COM ISAF vom

02.09.2008 beim Vertei-

digungsausschuss des

Deutschen Bundestages.

06.05.2010 07.05.2010 PA 12

11.05.2010

BU 206

170 193 Es wird Beweis erhoben

zu Punkt 7 des Untersu-

chungsauftrages durch

Beiziehung aller für das

ISAF-Mandat formulier-

ter Rules of Engagement

sowie hierzu vorliegender

Kommentierun-

gen/Erläuterungen/Handr

eichungen und aller Vor-

behalte zu den Rules of

Engagement beim

BMVg.

06.05.2010 07.05.2010 BMVg

04.06.2010

MAT 49/49a

171 195 Es wird Beweis erhoben

zu Punkt 7 des Untersu-

chungsauftrages durch

Beiziehung der ständigen

Dienstanweisung ISAF

SOP 302, Operational

Reports and Return vom

13.12.2008 beim BMVg

06.05.2010 07.05.2010 BMVg

14.06.2010

MAT 51

172 197 Beiziehung aller seit dem

01.07.2009 vom BND

herausgegebenen, mit

Bundeswehreinsätzen in

06.05.2010 10.05.2010 BK

07.07.2010

MAT 56

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 539 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

der Region Kunduz zu-

sammenhängenden, Mit-

teilungen und Bedro-

hungswarnungen, beim

BMVg sowie beim BND

BMVg

12.07.2010

MAT 57

173 202 Anhörung des Leiters des

belgischen Tactical

PsyOps Teams (TPT) 2,

Stabsfeldwebel F. B. als

Zeugen

06.05.2010

01.11.2010 25.11.2010

174 203 Vernehmung des Stell-

vertreters des GIs und

Inspekteurs Streitkräfte-

basis Vizeadmiral Wolf-

ram Kühn, als Zeugen

06.05.2010

21.05.2010 01.07.2010

175 182 Es wird Beweis erhoben

zum gesamten Untersu-

chungsauftrag, indem im

gestuften Verfahren

1. a) das BMVG sowie

b) der BND ersucht

werden, die in der Nacht

vom 03./04.09.2009 zeit-

weise oder durchgängig

in der Operationszentrale

der Task Force 47 (auf

dem Gelände des PRT

Kundus) anwesenden und

für den BND verpflichte-

ten oder tätigen Personen

zu benennen,

2. und im Anschluss

daran diese Personen als

Zeugen vernommen wer-

den.

BU 182 (neu): Verneh-

mung der Angehörigen

des BND

- HFw Maik F.

- HFw Alexander R.

als Zeugen.

20.05.2010

21.12.2010

29.11.2010

20.01.2011

16.12.2010

176 207 Es wird Beweis erhoben

zu Punkt 7 des Untersu-

chungsauftrags durch

Beiziehung der folgenden

Einsatzregeln:

- OPLAN 10302

(Rev.1))OPLAN 10303

(Änderung 2 zur überar-

beiteten Fassung 1) – Tac
Directive (TD) COM

ISAF vom 02.09.2008

beim BMVg

siehe BB 169

09.06.2010 10.06.2010 BMVg

28.06.2010

MAT 53/53a

Drucksache 17/7400 – 540 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

177 208 Beiziehung aller von RC

North, HQ Kabul und der

NATO geschlossenen

Vereinbarungen zum

Infoaustausch über Not-

fälle und Gefahrenanla-

gen und zur Maßnahmen

zur Sicherung von Trans-

porten im Raum Kundus

siehe BU 228

09.06.2010

178 214 Anhörung des F15 Echo-

Piloten, „Dude 15“. Es
wird gebeten, den Piloten

mit dem Rufnamen „Du-
de 15“ höflichst einzula-
den, dem Untersuchungs-

ausschuss Auskunft über

seine Erkenntnisse zu den

Umständen des Vorfalls

vom 04.09.2009 zu ertei-

len.

09.06.2010 21.09.2010 abgesagt

179 221 Beiziehung der dem UA

in faksimilierter Fassung

übermittelten, als MAT

50a in den UA eingeführ-

ten, der Leiterin Minis-

terbüro, Frau Sabine

Bastek zugeschriebenen

handschriftlichen Notizen

sowie des Notizblockes,

Heftes oder Gebindes,

dessen Bestandteil die

eingescannt übermittelten

Seiten sind, in seiner

Gesamtheit jeweils im

Original bei BMVg zum

Zwecke der Inaugen-

scheinnahme (§ 19

PUAG) dieser Notizen

sowie der unmittelbar

vorangehenden und fol-

genden Seiten.

01.07.2010 02.07.2010

180 240 Beiziehung der Verfah-

rensakten des Landge-

richts Bonn – insbesonde-
re der Klageschrift sowie

der Klageerwiderung – in
de Zivilsache A. M. ./.

Bundeswehr (Az. 1 0

334/10) beim Landgericht

Bonn.

16.09.2010 JM NRW

12.10.2010

MAT 62

JM NRW

29.03.2011

MAT 62a

181 241 Beiziehung des vom

Bundesminister der Ver-

teidigung Freiherr zu

Guttenberg, nach Anga-

16.09.2010 08.10.2010 BMVg

04.11.2010

MAT 65

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 541 – Drucksache 17/7400

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

ben des Zeugen Wolf im

November 2009 in Auf-

trag gegebenen, im Zeit-

raum zwischen dem

30.11.2009 und dem

25.2.2010 erarbeiteten

und dem Bundesminister

am 30.3.2010 vorgestell-

ten Untersuchungsbericht

beim BMVg

182 243 Vernehmung des zur Zeit

des Luftangriffs am

03./04. September 2009

stellvertretenden Kom-

mandeurs des PRT Kun-

duz, Oberstleutnant G. als

Zeugen.

29.09.2010 12.11.2010 25.11.2010

183 nicht vergeben

184 249 Vernehmung des Präsi-

denten des BND als Zeu-

gen.

11.11.2010 15.11.2010 16.12.2010

185 250 Beiziehung der Opferliste

des Luftschlages vom

03./04.09.2009 bei Kun-

duz vom August 2010

beim BMVg.

11.11.2010 12.11.2010 BMVg

07.12.2010

MAT 68

186 251 Umgehende Beiziehung

der Meldung des Luftwaf-

fenverbindungsoffiziers

(ALO) der Task Force 47,

OTL G., vom 5.1.2010

einschließlich der Ver-

bindungsprotokolle über

die Datenkommunikation

im Zusammenhang mit

den Maßnahmen zur

Koordinierung des Luft-

raums sowie der hierauf

bezogenen Meldungen

des Kdr Kdo FOSK vom

8./06. 1.2010 und des

Chefs des Stabes Ein-

sFüKdo der Bundeswehr

vom 07.1.2010 beim

BMVg.

25.11.2010 26.11.2010

BMVg

14.12.2010

MAT 70/70a

187 273 Beiziehung der Verfah-

rensakte in dem Rechts-

streit Dr. Peter Wichert

gegen den Spiegel-Verlag

Rudolph Augstein GmbH

& Co. KG u.a. (Az 9 O

396/10).

13.04.2011 18.04.2011 Ministerium

der Justiz

NRW

10.05.2011

MAT 75

Ministerium

der Justiz

NRW

17.05.2011

Drucksache 17/7400 – 542 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB

17-

zu

BU

17/

Inhalt beschlossen

Anhörungen Zeugen Akten/Berichte

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung/

Anhörung

Anforderung
Eingang/

MAT-Nr. 17-

MAT 75b

188 274 Beiziehung der Verfah-

rensakte in dem Verwal-

tungsstreit A. M. gegen

die Bundesrepublik

Deutschlang (Az vermut-

lich 25 K 5534/10; Ver-

fahrensteil: Rechtsanwalt

Goldbach, Berlin)

13.04.2011 18.04.2011 Ministerium

der Justiz

NRW

10.05.2011

MAT 75

Ministerium

der Justiz

NRW

16.05.2011

MAT 75a

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 543 – Drucksache 17/7400

VII. Verzeichnis der Materialien

MAT-

Nr.

zu BB

Nr. 17-
Inhalt

Eingang

Sekretariat
Umfang

1 97

Übersendung der Ausschussprotokolle des VA mit Bezug zum Luft-

schlag am 4. September 2009 durch VA mit Schreiben vom 25.

Januar 2010

14.1.2010 129 Seiten

2 2
Übersendung des Untersuchungsbericht zum Close Air Support

Kunduz des Feldjägerführers („Feldjägerbericht“) durch BMVg
19.1.2010 1 Ordner

3 5
Übersendung des Berichts OTL N. zum Vorfall vom 4. September

2009 durch BMVg
19.1.2010 6 Seiten

4 6
Übersendung des ISAF-Appointment-Protokolls vom 8. September

2009 (engl.) durch BMVg
19.1.2010 5 Seiten

4a 6
Übersendung des ISAF-Appointment-Protokolls vom 8. September

2009 (dt.) durch BMVg
19.1.2010 5 Seiten

5 7
Übersendung des Untersuchungsberichts für Präsident Karzai vom

10. September 2009 (pashtu) durch BMVg
19.1.2010 10 Seiten

5a 7
Übersendung des Untersuchungsberichts für Präsident Karzai vom

10. September 2009 (dt.) durch BMVg
19.1.2010 13 Seiten

6 8

Übersendung des Bericht über die möglichen Folgen des Angriffs

für das Auswärtige Amt zum Vorfall vom 4. September 2009 durch

BMVg

19.1.2010 7 Seiten

7 9
Übersendung des Berichts von Oberst Klein an des GI der Bundes-

wehr General Schneiderhan vom 5.9.2009 durch BMVg
19.1.2010 3 Seiten

8 11
Übersendung des Berichts für die UN-Mission UNAMA vom

BMVg
19.1.2010 7 Seiten

9 12

Übersendung eines Schreibens des damaligen Kommandeurs des

COM RC North in Masar-i-Scharif, Brigadegeneral Setzer vom

6.11.2009 zum ICRC-Bericht durch BMVg

19.1.2010 3 Seiten

10 1
Übersendung des COMISAF-Bericht der NATO vom 28.10.2009

(engl.) durch BMVg (Tgb.-Nr. 08/10 Geheim)
19.1.2010 2 Ordner

10a 1
Übersendung des COMISAF-Bericht der NATO vom 28.10.2009

(dt.) durch BMVg (Tgb.-Nr. 08/10 Geheim)
19.1.2010 2 Ordner

11 2

Übersendung des Untersuchungsbericht zum Close Air Support

Kunduz des Feldjägerführers („Feldjägerbericht“) nebst allen Anla-
gen (engl.) durch BMVg (Tgb.-Nr. 09/10 Geheim)

19.1.2010 1 Ordner

11a 2

Übersendung des Untersuchungsberichts zum Close Air Support

Kunduz des Feldjägerführers („Feldjägerbericht“) nebst allen Anla-
gen (dt.) durch BMVg (Tgb.-Nr. 09/10 Geheim)

19.1.2010 1 Ordner

12 3
Übersendung des Berichts des Incident Action Teams (engl.) durch

BMVg (Tgb.-Nr. 10/10 Geheim)
19.1.2010 1 Hefter

12a 3
Übersendung des Berichts des Incident Action Teams (dt.) durch

BMVg (Tgb.-Nr. 10/10 Geheim)
19.1.2010 1 Hefter

13 4
Übersendung des ISAF-Berichts einer Fact Finding Mission (engl.)

durch BMVg (Tgb.-Nr. 11/10 Geheim)
19.1.2010 1 Hefter

13a 4
Übersendung des ISAF-Berichts einer Fact Finding Mission (dt.)

durch BMVg (Tgb.-Nr. 11/10 Geheim)
19.1.2010 1 Hefter

14 10
Übersendung des Berichts des ICRC (engl.) durch BMVg (Tgb.-Nr.

01/10 VS-Vertraulich)
19.1.2010 1 Hefter

14a 10
Übersendung des Berichts des IKRK (dt.) durch BMVg (Tgb.-Nr.

01/10 VS-Vertraulich)
19.1.2010 1 Hefter

15 97

Übersendung des Ausschussprotokolls Nr. 6 des VA mit Bezug zum

Luftschlag am 4. September 2009 durch VA mit Schreiben vom 25.

Januar 2010

25.1.2010 55 Seiten

16
104

105

Benennung des Leiters des Planungsstab (PlStab) und Leiter LZ im

Auswärtigen Amt durch das AA mit Schreiben vom 2. Februar 2010
02.2.2010 1 Seite

Drucksache 17/7400 – 544 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
MAT-

Nr.

zu BB

Nr. 17-
Inhalt

Eingang

Sekretariat
Umfang

17 1

Übersendung der fehlenden Seite COMISAF-Bericht (dt.) durch

BMVg mit Schreiben des BMVg vom 9. Februar 2010 (Tgb.-Nr.

08/10 Geheim)

09.2.2010 2 Seiten

18 -
„Stern“ Artikel vom 11.2.2010: „Geheimkrieg“ über Deutscher
Bundestag, Pressdokumentation

11.2.2010 5 Seiten

19 115

Übersendung von Sachakten des Generalstaatsanwalts Dresden, die

im Zusammenhang mit den im Untersuchungsauftrag bezeichneten

Sachverhalten stehen, mit Schreiben vom 12. Februar 2010

18.2.2010 1 Band

20 -

Übersendung eines Vorgangs des Generalbundesanwalt beim Bun-

desgerichtshof (Az. 9003/I-geh.) durch das BMJ mit Schreiben vom

12. Februar 2010 (Tgb.-Nr. 15/10 Geheim)

19.2.2010 1 Hefter

21

22

24

28

94

Übersendung von Akten der Büros PSt Schmidt, PSt Kossendey, der

Stellvertreter des Inspekteurs und Chef des Stabes des Führungssta-

bes des Sanitätsdienstes durch das BMVg mit Schreiben vom 18.

Februar 2010 (Tgb.-Nr. 03/10 VS-Vertraulich, Tgb.-Nr. 16/10 und

17/10 Geheim)

19.2.2010
4 Ordner /

1 Hefter

21a

22

24

28

94

Übersendung von Akten der Büros ParlStS Schmidt / Kossendey PSt

Schmidt, PSt Kossendey, der Stellvertreter des Inspekteurs und Chef

des Stabes des Führungsstabes des Sanitätsdienstes, Presse-/Infostab

und eines Organigramms BMVg sowie einer Übersicht der Aufga-

benverteilung im BMVg durch das BMVg mit Schreiben vom

18. Februar 2010

19.2.2010 9 Ordner

22

19

23

94

Übersendung von Akten der Büros StS a. D. Wichert und GI a. D.

Schneiderhan durch das BMVg mit Schreiben vom 25. Februar 2010

(Tgb.-Nr. 19/10 und 20/10 Geheim)

25.2.2010 11 Ordner

22a

19

23

94

Herabstufung von Unterlagen innerhalb der Akten von MAT 22

durch das BMVg mit Schreiben vom 26. März 2010
06.04.2010 3 Blätter

23 142

Ausführung des BB: Benennung von Personen des Auswärtigen

Amtes, die über Tatsachen im Zusammenhang mit dem Untersu-

chungsauftrag Auskunft geben können, mit Schreiben des AA vom

1. März 2010

01.3.2010 4 Seiten

24 -
„Spiegel“-Artikel vom 4.3.2010: „Offiziere änderten Meldungen
über zivile Opfer“

04.3.2010 1 Seite

25

40

95

8

Übersendung von Akten der Deutschen NATO-Vertretung Brüssel,

des Leitungsstabs Referat 040: Berichterstattung des BND, des Re-

ferates 201: Drahtbericht, IAT-Bericht, JIB-Bericht mit Schreiben

des AA vom 10. März 2010

(Tgb.-Nr. 24/10 Geheim)

10.3.2010 1 Ordner

25a

40

95

8

Übersendung von Akten der Botschaft Kabul, der Botschaft Was-

hington, der St. Vertretung bei der NATO, des Referates 200 (zu-

ständiges Länderreferat für die USA, des Referates 201 (zuständig

für Grundsatzfragen der internationalen Verteidigungs- und Sicher-

heitspolitik, NATO), des Referates 343 (zuständiges Länderreferat

für Afghanistan), des Referates 500 (zuständig für Allgemeines

Völkerrecht), des Leitungsstabs (Referates 010, 011, 013, 030), des

Büros von StM a. D. Erler, von 2-MB (Militärischer Berater) sowie

ein Organigramm des AA (Stand: 16.10.1008) und die Aufgabenbe-

schreibung des Vertreters des AA im PRT Kunduz mit Schreiben

des AA vom 10. März 2010.

10.3.2010 10 Ordner

26 17

Übersendung von Akten des Einsatzführungskommandos der Bun-

deswehr (EinsFüKdoBW) und des Kommandos Führung Operatio-

nen von Spezialkräften (Kdo FOSK) mit Schreiben des BMVg vom

10. März 2010 (Tgb.-Nr. 26/10 Geheim)

11.3.2010 3 Ordner

27

25

27

94

114

Übersendung von Akten des Leitungsstab des BMVg und des Minis-

terbüros (u. a. Terminkalender) mit Schreiben des BMVg vom 17.

März 2010

(Tgb.-Nr. 27/10 Geheim)

17.3.2010 2 Ordner

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 545 – Drucksache 17/7400

MAT-

Nr.

zu BB

Nr. 17-
Inhalt

Eingang

Sekretariat
Umfang

27a

25

27

94

114

Übersendung von Akten des Leitungsstab des BMVg und des Minis-

terbüros mit Schreiben des BMVg vom 17. März 2010
17.3.2010 5 Ordner

27b

25

27

94

Nachlieferung von Akten: Entlassungsgesuche Dr. Wichert /

Schneiderhan mit Schreiben des BMVg vom 17. März 2010
17.3.2010 15 Seiten

28 141

Übersendung der Personenliste des Bundesnachrichtendienstes im

Rahmen des BB mit Schreiben des BK vom 17. März 2010

(Tgb.-Nr. 04/10 VS-Vertraulich)

18.3.2010 1 Hefter

28a 141
Übersendung der Personenliste des Bundeskanzleramts im Rahmen

des BB mit Schreiben des BK vom 17. März 2010
18.3.2010 2 Seiten

29

29 bis

34

39

Übersendung von Akten der Gruppe 21, 22, des Büros des Abtei-

lungsleiters 2, Gruppe 61 (Referat 612), 62 (Referat 621, 622 und

623) inkl. Unterlagen aus dem Büro des Abteilungsleiters 6 des

Bundeskanzleramts mit Schreiben des BK vom 18. März 2010.

(Tgb.-Nr. 29/10 Geheim)

18.3.2010 1 Ordner

29a

29 bis

35

38

39

Übersendung von Akten der Gruppe 21, 22, des Büros des Abtei-

lungsleiters 2, Gruppe 61, 62, des Büros des Abteilungsleiters 6,

dem Büro Chef des Bundeskanzleramts, Presse- und Informations-

amt der Bundesregierung und Sammelbeschluss des Bundeskanzler-

amts mit Schreiben des BK vom 17. März 2010

18.3.2010 9 Ordner

30

13

18

94

Übersendung von Akten des Einsatzführungsstabes im Bundesmi-

nisterium der Verteidigung (EinsFüStab) mit Schreiben des BMVg

vom 19. März 2010

(Tgb.-Nr. 30/10 Geheim)

19.3.2010 3 Ordner

30a

13

18

94

Übersendung von Akten des EinsFüStab mit Schreiben des BMVg

vom 19. März 2010
19.3.2010 17 Ordner

31a 96

Übersendung eines Organigramms, der Aufgabenbeschreibung des

Vertreters des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenar-

beit und Entwicklung im PRT Kunduz und Unterlagen des Referates

204, des Referates 210, des Büro Unterabteilungsleitung 20, der

Abteilungsleitung 2, des Referates 01: Ministerbüro, des persönli-

chen Referenten des Parlamentarischen Staatssekretärs, des Refera-

tes 02: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und des Referates 03: Par-

laments- und Kabinettsangelegenheiten mit Schreiben des BMZ vom

22. März 2010

23.3.2010 1 Ordner

32 26

Übersendung von Akten des Planungsstabes im BMVg (PlStab) mit

Schreiben des BMVg vom 24. März 2010

(Tgb.-Nr. 34/10 Geheim)

24.3.2010 1 Ordner

32a 26
Übersendung von Akten des Planungsstabes im BMVg (PlStab) mit

Schreiben des BMVg vom 24. März 2010
24.3.2010 15 Ordner

33 96

Übersendung von Akten des Referates 102 mit Schreiben des BMZ

vom 23. März 2010

(Tgb.-Nr. 35/10 Geheim)

24.3.2010 1 Hefter

34 37

Übersendung von Akten des Bundesnachrichtendienstes mit Schrei-

ben des BK vom 24. März 2010

(Tgb.-Nr. 36/10 Geheim)

24.3.2010 1 Ordner

34a 37
Übersendung von Akten und 2 Datenträgern mit Videodateien mit

Schreiben des BK vom 24. März 2010
24.3.2010

1 Ordner +

2 CDs

35 21

Übersendung von Akten der Abteilung Recht mit Schreiben des

BMVg vom 26. März 2010

(Tgb.-Nr. 37/10 Geheim)

26.3.2010 1 Ordner

35a 21
Übersendung von Akten der Abteilung Recht mit Schreiben des

BMVg vom 26. März 2010
26.3.2010

16 Ordner

+ 2 Hefter

Drucksache 17/7400 – 546 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
MAT-

Nr.

zu BB

Nr. 17-
Inhalt

Eingang

Sekretariat
Umfang

36

19

20

28

Übersendung von Akten des Stellvertretenden Generalinspekteurs

der Bundeswehr (StvGenInsp), des Inspekteurs der Streitkräftebasis

(InspSKB), des Führungsstabs der Streitkräfte (FüS) mit Schreiben

vom 1. April 2010

(Tgb.-Nr. 39/10 Geheim)

01.4.2010 2 Ordner

36a

19

20

28

Übersendung von Akten des Stellvertretenden Generalinspekteurs

der Bundeswehr (StvGenInsp), des Inspekteurs der Streitkräftebasis

(InspSKB), des Führungsstabs der Streitkräfte (FüS) mit Schreiben

vom 1. April 2010

01.4.2010 41 Ordner

37 20

Übersendung von Akten des FüS, der Streitkräftebasis (SKA);

Streitkräfteunterstützungskommando (SKUKdo) mit Schreiben des

BMVg vom 8. April 2010

(Tgb.-Nr. 40/10 Geheim)

09.4.2010 1 Ordner

37a 20

Übersendung von Akten des FüS, der Streitkräftebasis (SKA);

Streitkräfteunterstützungskommando (SKUKdo) mit Schreiben des

BMVg vom 8. April 2010

09.4.2010 8 Ordner

38 140

Übersendung einer Liste mit 179 aufgeführten Personen aus dem

BMVg sowie dem Geschäftsbereich des BMVg mit Schreiben des

BMVg vom 12. April 2010

13.4.2010 12 Seiten

39 20

Übersendung von Akten des FüS mit Schreiben des BMVg vom 14.

April 2010

(Tgb.-Nr. 41/10 Geheim)

14.4.2010 1 Ordner

39a 20
Übersendung von Akten des FüS II 3 mit Schreiben des BMVg vom

14. April 2010
14.4.2010 8 Ordner

40 113

Übersendung von Terminkalenderauszügen der Bundeskanzlerin,

des Chef BK und des ehemaligen Chef BK mit Schreiben des BK

vom 15. April 2010

15.4.2010 5 Seiten

41 113

Übersendung von Terminkalenderauszügen des Abteilungsleiter 2,

des Leiters Gruppe 62 und des damaligen Abteilungsleiters 6 mit

Schreiben des BK vom 20. April 2010

21.04.2010 5 Seiten

42 23

Übersendung von Akten aus dem Büro Staatssekretärs Wolf mit

Schreiben des BMVg vom 22. April 2010

(Tgb.-Nr. 44/10 Geheim)

22.04.2010 1 Ordner

42a 23
Übersendung von Akten aus dem Büro Staatssekretärs Wolf mit

Schreiben des BMVg vom 22. April 2010
22.04.2010 12 Ordner

43 116

Vermerk des Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof vom

16.4.2010 betreffend die Einstellung des Verfahrens gegen Oberst

Klein und Hauptfeldwebel W.

(Tgb.-Nr. 46/10 Geheim)

29.04.2010 75 Seiten

44
20

28

Übersendung von Akten des FüS, des Führungsstabs Luftwaffe

(FüL), des Führungsstabs Marine (FüM) und des Führungsstab des

Heeres (FüH) mit Schreiben des BMVg vom 28. April 2010

(Tgb.-Nr. 47/10 Geheim)

04.05.2010 1 Ordner

44a
20

28

Übersendung von Akten des FüS, des Führungsstabs Luftwaffe

(FüL), des Führungsstabs Marine (FüM) und des Führungsstab des

Heeres (FüH) mit Schreiben des BMVg vom 28. April 2010

30.04.2010 26 Ordner

45
20

28

Nachlieferung von Unterlagen des FüL III 3 mit Schreiben des

BMVg vom 7. Mai 2010

(Tgb.-Nr. 49/10 Geheim)

07.05.2010 13 Seiten

46

20

28

94

Übersendung von Akten des Kommando Strategische Aufklärung,

des Fernmeldebereichs 93 und des Einsatzführungsstabs mit Schrei-

ben des BMVg vom 12. Mai 2010

(Tgb.-Nr. 50/10 Geheim)

12.05.2010 7 Ordner

46a

20

28

94

Übersendung von Akten des Kommando Strategische Aufklärung,

des Fernmeldebereichs 93 und des Einsatzführungsstabs mit Schrei-

ben des BMVg vom 12. Mai 2010

12.05.2010 3 Ordner

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 547 – Drucksache 17/7400

MAT-

Nr.

zu BB

Nr. 17-
Inhalt

Eingang

Sekretariat
Umfang

47
15

16

Übersendung von Akten zu Masar-i-Scharif und COMISAF

KABUL mit Schreiben des BMVg vom 21. Mai 2010

(Tgb.-Nr. 51/10 Geheim)

21.05.2010 17 Ordner

47a
15

16

Übersendung von Akten zu Masar-i-Scharif und COMISAF

KABUL mit Schreiben des BMVg vom 21. Mai 2010
21.05.210 17 Ordner

48
14

94

Übersendung von Akten des Einsatzführungsstabs mit Schreiben des

BMVg vom 27. Mai 2010 (Tgb.-Nr. 52/10 Geheim)
27.05.2010 14 Ordner

48a
14

94

Übersendung von Akten des Einsatzführungsstabs mit Schreiben des

BMVg vom 27. Mai 2010
27.05.2010 16 Ordner

49
168

170

Übersendung von Akten, hier: Transfer of Authority (Kommandoü-

bergabeprotokoll), Rules of Engagement. (Einsatzregeln - ROEs)

und ROE Matrix mit Schreiben des BMVg vom 4. Juni 2010

(Tgb.-Nr. 53/10 Geheim)
04.06.2010 1 Ordner

49a
168

170

Übersendung von Akten, hier: 2 Taschenkarten (2006/2009), Be-

schlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zum

Afghanistan-Einsatz mit Schreiben des BMVg vom 4. Juni 2010

04.06.2010 2 Ordner

50a -

Übersendung der Handschriftlichen Aufzeichnungen der Büroleite-

rin des Ministerbüros Sabine Bastek vom 25.11.2009 mit Schreiben

des BMVg vom 9. Juni 2010

09.06.2010 4 Blatt

51
171

15

Übersendung von Akten des Einsatzführungsstabs, hier: Vermerke

von Rechtsberatern und SAG Kunduz mit Schreiben des BMVg vom

14. Juni 2010

14.06.2010 2 Ordner

52
163

165

Übersendung von Akten zum Vorgang 4110E-III2-3201/09 des

Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa und Aus-

züge aus verschiedenen Hand- und Berichtsakten mit Schreiben des

SMJ vom 21. Juni 2010

24.6.2010 1 Ordner

53 176

Beiziehung der Einsatzregeln zu OPLAN 10302 (Rev. 1),

J5PLANS/7340-001/06-106635 zu OPLAN, Tac Directive (TD)

COM ISAF und OPLAN 10302 (Amendment 2 to Rev.1) mit

Schreiben des BMVg vom 28. Juni 2010

(Tgb.-Nr. 60/10 Geheim)

28.06.2010 1 Ordner

53a 176
Beiziehung der Einsatzregeln zu Strategic Assessment for OPLAN

10302 (Rev. 1) mit Schreiben des BMVg vom 28. Juni 2010
28.06.2010 1 Ordner

54

116

162

164

Übersendung von Unterlagen des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof und des Bundesministeriums der Justiz; hier: 23

Anzeigenvorgänge mit Schreiben des BMJ vom 29. Juni 2010 (Tgb.-

Nr. 61/10 Geheim)

30.06.2010 2 Ordner

54a

116,

162,

164

Übersendung von Unterlagen des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshof und des Bundesministeriums der Justiz; hier: 23

Anzeigenvorgänge mit Schreiben des BMJ vom 29. Juni 2010

30.06.2010 5 Ordner

55 166

Übersendung von Unterlagen des Leitenden Oberstaatsanwaltes in

Potsdam (Meldungen und Berichte, die der Staatsanwaltschaft Pots-

dam durch den Leitenden Rechtsberater im EFK der Bundeswehr bis

zur Abgabe des Prüfvorgangs an die Staatsanwaltschaft Leipzig am

7.9.2009 übergeben worden sind.) mit Schreiben des Ministeriums

der Justiz vom 29. Juni 2010

05.07.2010 24 Seiten

56 172

Übersendung von vom BND seit dem 1. Juli 2009 herausgegebene

Unterlagen, die mit Bundeswehreinsätzen in der Region Kunduz

zusammenhängen mit Schreiben des BK vom 7. Juli 2010 (Tgb.-Nr.

62/10 Geheim)

07.7.2010 1 Ordner

57 172

Übersendung von Akten mit den vom BND im Zeitraum vom 1. Juli

bis 4. September 2009 herausgegebenen und den Bundeswehreinsät-

zen in der Region Kunduz zusammenhängenden Mitteilungen und

Bedrohungswarnungen mit Schreiben des BMVg vom 9. Juli 2010

(Tgb.-Nr. 63/10 Geheim)

12.07.2010 2 Ordner

Drucksache 17/7400 – 548 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
MAT-

Nr.

zu BB

Nr. 17-
Inhalt

Eingang

Sekretariat
Umfang

58 -

Übersendung weiterer Organigramme über die Organisationseinhei-

ten von der Ebene PRT-Kunduz über ISAF-Regional Command

North bis ISAF-Hauptquartier in Kabul vom 21. Mai 2010 mit

Schreiben des BMVg vom 7. Juli 2010

12.07.2010 5 Seiten

59 -

Mitteilung des BMVg: unter Bezugnahme auf die disziplinären

Vorermittlungen gegen Oberst Klein haben sich keine Anhaltspunk-

te für ein Dienstvergehen ergeben, mit Schreiben des BMVg vom

19. August 2010

19.08.2010 2 Seiten

60 167
Übersendung der Cockpit-Tapes und des redigierten Transkripts mit

Schreiben des BMVg vom 8. Oktober 2010
08.10.2010

1 CD

1 Hefter

61 15

Übersendung von aus geschützten ZIP-Dateien gewonnenen Unter-

lagen mit Schreiben des BMVg vom 11. Oktober 2010

(Tgb.-Nr. 72/10 Geheim)

11.10.2010 1 Ordner

61a 15

Mitteilung des BMVg, dass keine weiteren Unterlagen geschickt

werden können, da die Bemühungen um die Entschlüsselung der

ZIP-Dateien keine weiteren Ergebnisse hervorgebracht haben, mit

Schreiben des BMVg vom 11. April 2011.

11.04.2011 1 Seite

62 180

Übersendung der Verfahrensakte des Landgerichts Bonn (AZ: 1 O

334/10) Zivilsache A. M. ./. Bundesrepublik Deutschland mit

Schreiben des JM des Landes NRW vom 5. Oktober 2010

(teilw. Geheim - Tgb.-Nr. 73/10)

12.10.2010 1 Hefter

62a 180

Übersendung eines weiteren Teils der Verfahrensakte des Landge-

richts Bonn (AZ: 1 O 334/10) Zivilsache A. M:./. Bundesrepublik

Deutschland mit Schreiben des JM des Landes NRW vom 23. März

2010

29.03.2010 1 Hefter

63 14

Nachlieferung zur Aktenübersendung vom 26. Mai 2010 zu BB 14

(MAT 48) mit Schreiben des BMVg vom 27. Oktober 2010

(Tgb.-Nr. 75/10 Geheim)

27.10.2010 1 Seite

64 116

Übersendung der Offenen Fassung des Einstellungsvermerks des

Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof im Ermittlungsver-

fahren gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. mit Schreiben

des BMJ vom 27. Oktober 2010

28.10.2010 1 Hefter

65 181

Übersendung des Untersuchungsberichts zur Frage der Informati-

onspraxis und der Informationsflüsse im BMVg von StS Rüdiger

Wolf mit Schreiben des BMVg vom 3. November 2010

(Tgb.-Nr. 12/10 Geheim)

4.11.2010 1 Ordner

66
116

164

Übersendung von Niederschriften der Vernehmungen der zwei Zeu-

gen sowie Oberst Klein und HFw W. durch die Bundesanwaltschaft
mit Schreiben des BMJ vom 22. November 2010

(Tgb.-Nr. 80/10 Geheim)

23.11.2010 1 Hefter

67 14

Übersendung von Erläuterungen der Videosequenzen der nachgelie-

ferten Festplatte vom 27.10.2010 zu BB 14

(Nachlieferung zu Tgb.-Nr. 75/10 Geheim – hier Tgb.-Nr. 81/10)
24.11.2010 1 Hefter

68 185

Beiziehung der Opferliste des Luftschlags vom 3./4. September

2009 zu BB 185 mit Schreiben des BMVg vom 7. Dezember 2010

(Tgb.-Nr. 68/10 Geheim)

7.12.2010

69 15

Nachlieferung zur Aktenübersendung vom 11.10 2010 zu BB 15

(MAT 61), weitere aus geschützten ZIP-Dateien gewonnene Unter-

lagen mit Schreiben des BMVg vom13. Dezember 2010

(Tgb.-Nr. 85/10 Geheim)

13.12.2010 1 Ordner

70a 186

Übersendung der Meldungen des Kommandeurs Kommando Füh-

rung Operationen von Spezialkräften und des Chefs des Stabes des

Einsatzführungskommandos der Bundeswehr mit Schreiben des

BMVg vom 14. Dezember 2010

14.12.2010 1 Hefter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 549 – Drucksache 17/7400

MAT-

Nr.

zu BB

Nr. 17-
Inhalt

Eingang

Sekretariat
Umfang

70 186

Übersendung der Meldungen des Kommandeurs Kommando Füh-

rung Operationen von Spezialkräften, des Chefs des Stabes des Ein-

satzführungskommandos der Bundeswehr und des Luftwaffenver-

bindungsoffiziers der Task Force 47 mit Schreiben des BMVg vom

14. Dezember 2010

(Tgb.-Nr. 86/10 Geheim)

14.12.2010 1 Hefter

71
BU

245

Übersendung der Handakten des Generalbundesanwalts beim Bun-

desgerichtshofs (zu BU 245 - Unvollständigkeit der Aktenlieferung)

mit Schreiben des BMJ vom 27. Dezember 2010

30.12.2010 3 Ordner

72 15

Nachlieferung zur Aktenübersendung vom 11.10 2010 zu BB 15

(MAT 61), weitere aus geschützten ZIP-Dateien gewonnene Unter-

lagen mit Schreiben des BMVg vom 25. Januar 2011

25.01.2011 3 Seiten

73

29 – 39
113

141

Vollständigkeitserklärung zu angeforderten Unterlagen mit Schrei-

ben des BK vom 22. Februar 2011
23.02.2011 1 Seite

74

116

162

164

Ergänzende Vorlage von Akten der Bundesanwaltschaft mit Schrei-

ben des BMJ vom 14. März 2010

(Tgb.-Nr. 96/10 Geheim)

14.03.2011
14 Ordner

2 Hefte

74a

116

162

164

Ergänzende Vorlage von Akten der Bundesanwaltschaft mit Schrei-

ben des BMJ vom 14. März 2010
14.03.2011

11 Ordner

1

Festplatte

75
187

188

Eingangsbestätigung des Schreibens der Vorsitzenden zur Aktenan-

forderung bezüglich der BB 187 und 188 mit Schreiben des Bun-

desministeriums der Justiz NRW vom 2. Mai 2011

10.05.2011 1 Blatt

75a 188

Übersendung der Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts Köln in

dem Verwaltungsrechtsstreit A. M. gegen die Bundesrepublik

Deutschland (Az. 26 (25) K 5534/10), mit Schreiben des Justizmi-

nisteriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2011.

16.05.2011 1 Hefter

75b 187

Übersendung der Verfahrensakten des Landgerichts Bonn in dem

Zivilverfahren Dr. Peter Wichert gegen den Spiegel-Verlag Rudolph

Augstein GmbH & Co. KG u.a. (9 O 396/10), mit Schreiben des

Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom ?. Mai

2011

17.05.2011 1 Hefter

Drucksache 17/7400 – 550 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

VIII. Verzeichnis der Sitzungen

Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer

(in Minuten)

Protokoll-

umfang

1 16.12.09 nichtöffentlich Konstituierung 30 9

2 16.12.09 nichtöffentlich Beratungssitzung 120 21

3 21.01.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 294 34

4 28.01.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 145 35

5 10.02.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 55 28

6 10.02.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

- Oberst i. G. Georg Klein

308 83

7 25.02.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 70 20

8 25.02.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

gem. der Beweisbeschlüsse 17-129 und 17-

131

364 88

9 04.03.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 96 28

10 04.03.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

gem. der Beweisbeschlüsse 17-112 und 17-

139

401 99

11 15.03.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 31 16

12 15.03.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

- General Rainer Glatz

- Brigadegeneral Jörg Vollmer

398 99

13 18.03.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 54 21

14 18.03.10 öffentlich/ Ge-

heim
Zeugenvernehmung

- General a.D. Wolfgang Schneiderhan

- Staatssekretär a.D. Dr. Peter Wichert

655 157

15 25.03.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 56 19

16 25.03.10 öffentlich/ Ge-

heim
Zeugenvernehmung

- Bundesminister a. D. Dr. Franz Josef Jung,

MdB

288 73

17 22.04.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 52 18

18 22.04.10 öffentlich/ Ge-

heim
Zeugenvernehmung

- Bundesminister Frh. Karl-Theodor zu Gut-

tenberg, MdB

476 104

19 06.05.10 nichtöffentlich Beratungssitzung

179 31

20 20.05.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 27 13

21 09.06.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 66 22

22 09.06.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

gem. den Beweisbeschlüssen 17-148, 17-149

sowie

- Brigadegeneral Peter Braunstein

- Konteradmiral Andreas Krause

330 84

23 17.06.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 114 26

24 01.07.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 64 23

25 01.07.10 nichtöffentlich Zeugenvernehmung
- Vizeadmiral Wolfram Kühn

135 27

26 08.07.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 106 24

27 08.07.10 nichtöffentlich Zeugenvernehmung
- Staatssekretär Rüdiger Wolf

- Dr. Ulrich Schlie

302 70

28 16.09.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 83 21

29 16.09.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

- Dr. Thomas Raabe

184 55

30 29.9.10 nichtöffentlich Beratungssitzung 27 12

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 551 – Drucksache 17/7400

Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer

(in Minuten)

Protokoll-

umfang

31 29.9.10 öffentlich Zeugenvernehmung
- General a. D. Wolfgang Schneiderhan

- Staatssekretär a. D. Dr. Wichert

346 84

32 7.10.10 nichtöffentlich/

VS-Vertraulich

Beratungssitzung* 44 18

33 7.10.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

gem. der Beweisbeschlüsse 17-159, 17-132,

17-103 und 17-111

323 90

34 28.10.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 94 26

35 28.10.10 nichtöffentlich Zeugenvernehmung
gem. Beweisbeschluss 17-161 und 17-133

363 50

36 11.11.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 30 15

37 11.11.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

gem. der Beweisbeschlüsse 17-136, 17-130,

17-137, 17-131

320 94

38 25.11.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 53 20

39 25.11.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

gem. der Beweisbeschlüsse 17-160, 17-173

und 17-182

259 51

40 02.12.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 55 18

41 02.12.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

- General Egon Ramms

- Oberst i. G. Dr. Erich Vad

212 59

42 16.12.10 nichtöffentlich Beratungssitzung* 51 19

43 16.12.10 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

gem. des Beweisbeschlusses 17-175 und

- Präsident des BND Ernst Uhrlau

339 73

44 20.01.11 nichtöffentlich Beratungssitzung* 39 16

45 20.01.11 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

gem. des Beweisbeschlusses 17-175 sowie

- Dr. Christoph Heusgen

- Oberst i. G. Dr. Erich Vad

346 85

46 27.01.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 6 8

47 27.01.11 nichtöffentlich/

Geheim
Zeugenvernehmung

- Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche

- Hans Josef Vorbeck

240 59

48 10.02.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 7 1

49 10.02.11 öffentlich Zeugenvernehmung
- Bundesaußenminister a. D. Dr. Frank-

Walter Steinmeier, MdB

- Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, MdB

356 89

50 24.02.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 82 19

51 13.04.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 27 14

52 11.05.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 12 10

53 25.05.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 23 12

54 29.06.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 73 18

55 06.07.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 10 12

56 05.09.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 123 28

57 28.09.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 123 29

58 20.10.11 nichtöffentlich Beratungssitzung 39 18

* beinhaltet auch den Beratungsteil, der während der Zeugenvernehmung stattgefunden hat.

Beschlussempfehlung und Bericht
Beschlussempfehlung
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil: Einsetzung des Untersuchungsausschusses und Verlauf des Untersuchungsverfahrens
Einsetzung, Auftrag und Konstituierung des Untersuchungsausschusses
Konstituierung des Untersuchungsausschusses und Untersuchungsauftrag
Untersuchungsauftrag
Mitglieder des Untersuchungsausschusses
Vorsitz, stellvertretender Vorsitz sowie Sprecher, Berichterstatter und Vertreter im Interfraktionellen Gremium
Benannte und ermächtigte Mitarbeiter der Fraktionen

Fraktion der CDU/CSU:
Fraktion der SPD:
Fraktion der FDP:
Fraktion DIE LINKE.:
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages
Beauftragte der Bundesregierung

Bundeskanzleramt:
Bundesministerium der Verteidigung:
Auswärtiges Amt:
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung:
Bundesministerium der Justiz:
Sekretariat des Untersuchungsausschusses
Verfahren und Untersuchungen mit sachlichem Bezug zum Untersuchungsauftrag
Strafrechtliche Ermittlungen
Disziplinarrechtliche Ermittlungen
Untersuchung der Dokumentenflüsse im Bundesministerium der Verteidigung zum Close Air Support am 4. September 2009 bei Kunduz durch Staatssekretär Rüdiger Wolf
Zivilrechtliches Entschädigungsverfahren

Gang der Untersuchung
Rechtsgrundlagen für die Arbeit des Untersuchungsausschusses
Beschlüsse und Absprachen zum Verfahren
Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen
Einsetzung eines interfraktionellen Gremiums
Protokollierung der Ausschusssitzungen
Behandlung der Ausschussprotokolle
Änderung des Beschlusses 4 zum Verfahren vor dem Hintergrund einer möglichen öffentlichen Zeugenvereinnahmung
Einstufung der Sitzungsprotokolle und Beweisbeschlüsse als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD)
Aufhebung der Einstufung „VS-NfD“ bei Protokollen von öffentlichen Sitzungen

Verteilung von Beratungsunterlagen, Beweisbeschlüssen und Ausschussmaterialien
Verteilung von Verschlusssachen
Behandlung von Beweisanträgen
Nichtöffentlichkeit der Sitzungen
Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zur Frage der „Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss“
Änderung des Beschlusses 8 zum Verfahren

Verzicht auf Verlesung von Schriftstücken
Verpflichtung zur Geheimhaltung
Fragerecht bei der Beweiserhebung
Mitteilung aus nichtöffentlichen Sitzungen

Vorbereitung der Beweiserhebung
Beratungen des interfraktionellen Gremiums
Obleutebesprechungen
Strukturierung der Untersuchung
Terminierung

Beweiserhebung durch Beiziehung von Akten, Berichten, Protokollen und sonstiger Unterlagen
Art, Herkunft und Umfang des Beweismaterials
Anforderung von Beweismaterialien über die Bundesregierung bei internationalen Dienststellen
Bitten um Aktenvorlage und Vollständigkeitserklärung gemäß § 18 Abs. 2 PUAG
Vorlage von Originalmaterialien
Verwendung von Unterlagen ohne formelle Beiziehung
Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht

Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen
Behandlung von Beweisanträgen
Entscheidung über die Beweisanträge
Reihenfolge der Vernehmungen

Durchführung der Zeugenvernehmungen
Anzahl der Zeugenvernehmungen
Ort der Zeugenvernehmungen

Einstufung der Vernehmungen in öffentliche und nichtöffentliche Sitzungen
Vernehmungen in öffentlicher Sitzung
Ablehnung weiterer Vernehmungen in öffentlicher Sitzung
Keine Live-Übertragung öffentlicher Sitzungen

Gegenüberstellung von Zeugen
Antrag der Oppositionsfraktionen auf Durchführung einer Vernehmungsgegenüberstellung der Zeugen General a. D. Schneiderhan, Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und Bundesminister der Verteidigung Freiherr zu Guttenberg
Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Aussagegenehmigungen
Rechtsbeistand von Zeugen
Vernehmung von ausländischen Zeugen
Beschlossene, aber nicht terminierte Zeugen
Formeller Abschluss der Vernehmungen

Abschlussbericht
Erstellung des Abschlussberichts
Zeitplan
Abfassung von Berichtsteilen und Aufhebung von Einstufungen
Gewährung rechtlichen Gehörs zum Abschlussbericht

Feststellung des Abschlussberichtes
Gang des Verfahrens und ermittelte Tatsachen
Ergebnis der Untersuchung
Sondervoten
Geheimnisse im Abschlussbericht
Feststellung der Teile des Berichts und Vorlage an den Bundestag
„Lessons Learned“
Umgang mit Akten nach Abschluss der Untersuchung
Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt
Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE
OPERATION ENDURING FREEDOM in Abgrenzung zur INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE
INTERNATIONAL SECURITY ASSISTANCE FORCE
Das Afghanistanmandat der Vereinten Nationen
Petersberger Konferenz
Rechtsgrundlage: Kapitel VII der UN-Charta
Zielsetzung
Zeitliche Begrenzung

Beschluss des Deutschen Bundestages zu ISAF

Verlängerung und Ausweitung von ISAF
UN-Mandatsverlängerungen
Ausdehnung des Bundeswehreinsatzes über Kabul hinaus
Ausbau der Provincial Reconstruction Teams
Abschluss des „Bonner-Prozesses“
Übernahme der Verantwortung für die gesamte Nordregion
NATO-Gipfel in Bukarest und Pariser Afghanistan-Konferenz

Befugnis zur Anwendung militärischer Gewalt im Rahmen des ISAF-Mandats (Rules of Engagement, Standard Operating Procedures, Tactical Directives)

Der Luftschlag am 4. September 2009
Lageentwicklung im Raum Kunduz bis zum 4. September 2009
Militärische Lage zum Zeitpunkt der Übernahme des Kommandos über das Provincial Reconstruction Team Kunduz durch Oberst Georg Klein
Änderung der militärischen Vorgehensweise der regierungsfeindlichen Kräfte
Änderung der taktischen Richtlinien durch den Kommandeur der ISAF
Änderung der ISAF-Taschenkarte
Die Lage zwischen den Wahlen am 20. August 2009 und dem 4. September 2009
Konkrete Anschlagswarnungen für den Bereich des PRT Kunduz
Schwere Gefechte am Vorabend des Luftangriffs

Entführung zweier Tanklastwagen am 3. September 2009
Überfall auf die Lastwagenfahrer
Das Geschehen auf der Sandbank
Personen auf der Sandbank nach Aussage des Zeugen A. M.

Vorbereitung und Durchführung militärischer Maßnahmen als Reaktion auf die Entführung der Tanklastwagen
Kenntniserlangung von der Entführung
Hinweise durch einen Informanten der Task Force 47
Unterrichtung des Kommandeurs des PRT Kunduz, Oberst Klein
Information:
Information:
Unterrichtung durch afghanische Stellen
Suche nach den Tanklastzügen
Ursprünglicher Auftrag: Suche nach einem ausgefallenen deutschen Fahrzeug zwecks Zerstörung
Änderung des Suchauftrages für den B-1B Lancer Strategic Bomber
Hilfe bei der Suche durch Hinweise eines Informanten
Die Tanklaster wurden gefunden

Der Informant
Zuverlässigkeit des Informanten
Frage der „Bezahlung“ des Informanten
Kommunikation mit dem Informanten über einen Sprachmittler
Standort der Kontaktperson
Existenz einer möglichen weiteren, „dritten“ Quelle

Das Geschehen auf der Sandbank aus Sicht von Oberst Klein
Anzahl der Personen auf der Sandbank
Einschätzung des JTAC anhand der Video-Bilder
Einschätzung des Informanten

Anwesenheit von Taliban-Führern
Zur Frage der Anwesenheit von Zivilpersonen auf der Sandbank
Informationsstand in der Operationszentrale der Task Force 47
Anwesenheit weiterer Zivilpersonen
Problem der Unterscheidbarkeit zwischen Aufständischen und Zivilpersonen
Das Tragen von Waffen als mögliches Kriterium zur Unterscheidung von Aufständischen und Zivilisten
Darstellung der Zahl der Bewaffneten durch die HUMINT-Kontaktperson
Aufklärung von Handwaffen und Panzerabwehrwaffen durch das B-1B Luftfahrzeug

Mehrfache Nachfrage beim Informanten, ob Zivilpersonen anwesend sind
Lagebild des Oberst Klein über das Geschehen auf der Sandbank und Schlussfolgerungen
Schlussfolgerung über das weitere Vorgehen der Aufständischen
Annahme, dass sich keine Zivilisten auf der Sandbank befanden
Prüfung verschiedener Handlungsoptionen seitens des PRT Kunduz
Durchführung des Weaponeering und Targeting durch die Flugzeugbesatzung
Von der Besatzung des Luftfahrzeuges vom Typ B-1B vorgeschlagenes Wirkmittel
Beschränkung eines etwaigen Luftangriffs auf die beiden Tanklastwagen?
Ablehnung eines Luftangriff in dieser Phase

Einsatz von Bodentruppen
Einsatz von Drohnen

Abdrehen des B-1B und Anforderung zweier F-15 Luftfahrzeuge
Anforderung von Close Air Support
Meldung von „Truppen mit Feindberührung“ durch das PRT Kunduz
Begründung mit dem Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr
Zur Frage der unmittelbaren Feindberührung
Bestätigung des TIC durch den Air Liaison Officer in Masar-i-Scharif

Erscheinen zweier F-15 Luftfahrzeuge im Luftraum

Der Luftschlag
Durchführung des Weaponeering und Targeting
Entschlussfassung zur Durchführung eines Luftschlages
Lagebild zu diesem Zeitpunkt in der Operationszentrale
Mehrfaches Nachfragen beim Informanten hinsichtlich der Anwesenheit etwaiger Zivilisten auf der Sandbank
Entschlussfassung
Wahl des Wirkmittels
Ziel des Luftschlages
Interne Bedenken der Luftfahrzeugbesatzungen

Begründung des Entschlusses

Ablehnung eines Überfluges im Rahmen der „show of force“
Mehrfaches Nachfragen durch die Luftfahrzeugbesatzungen
Begründung der Ablehnung eines „show of force“

Der Luftschlag
Durchführung einer Wirkungsanalyse

Prüfung einer Beteiligung der TF 47
Die Task Force 47 und ihr Verhältnis zum PRT Kunduz
Operation des PRT Kunduz
Gründe für die Nutzung der OPZ der TF 47
Kein Unterstellungsverhältnis zwischen der Task Force 47 und dem Kommandeur des PRT Kunduz
Abwesenheit großer Teile der Task Force 47
Keine Kommunikation zwischen Oberst Klein und dem Kommando FOSK in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009
Frage der Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an der Vorbereitung und Durchführung des Luftangriffs
Erkenntnisse des Ausschusses zu einer etwaigen Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes
Keine eigenen Quellen des BND?

Bemühungen um Aufklärung zur Erlangung von Erkenntnissen über den Luftangriff
Untersuchungen seitens des PRT Kunduz
Battle Damage Assessment, 4. September 2009
Untersuchung des Tactical Psycological Operations Teams PRT Kunduz, 4. September 2009

Untersuchungen seitens ISAF
Untersuchung des Initial Action Teams, 4./5. September 2009
Anlass und Einleitung der Untersuchung
Eintreffen des Teams in Kunduz
Besuch von COM ISAF McChrystal in Kunduz
Abschlussbericht des IAT
„N.-Bericht“
Begleitung des IAT durch einen Journalisten der Washington Post

Untersuchung Joint Investigation Board, 8. September bis 20. Oktober 2009
Begleitung der ISAF-Untersuchung durch das Bundesministerium der Verteidigung, 9. September bis 26. Oktober 2009

Untersuchungsbericht zum „Close Air Support Kunduz“ des Feldjägerführers, 4. bis 9. September 2009
Einleitung einer nationalen Untersuchung
Verlegung des Feldjägerführers durch den Kommandeur RC North
Kenntnis des INTSUM-Berichtes durch den Kommandeur RC North
Absicht des Kommandeurs RC North, disziplinarrechtliche Ermittlungen einzuleiten
Einstellung der Ermittlungen
Befehl aus dem Bundesministerium der Verteidigung
Dissens im Ministerium
Begründung des Einstellungsbefehls seitens des Bundesministeriums der Verteidigung
Keine Kenntnis des Befehls seitens des Feldjägerführers
Abweichende Ansicht des Befehlshabers Einsatzführungskommando der Bundeswehr

Unterscheidung zwischen Ermittlungen des Feldjägerführers und nationaler Untersuchung

Sonstige Untersuchungen
Untersuchung der afghanischen Regierung, 4. September 2009
Untersuchung der Vereinten Nationen, 10. September 2009
Untersuchung des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes
Unmittelbare Folgen des Luftangriffs
Erkenntnisse des PRT Kunduz
Battle Damage Assessment Team
Tactical Psychological Operations Team des PRT Kunduz

Erkenntnisse ISAF
Initial Action Team
Erkenntnisse des Joint Investigation Board

Erkenntnisse der afghanischen Untersuchungskommission
Erkenntnisse der Vereinten Nationen
Erkenntnisse der afghanischen unabhängigen Menschenrechtskommission AIHRC
Erkenntnisse des Internationalen Roten Kreuzes
Sonstige Erkenntnisse
HUMINT-Kontakt
Zeugin Dr. Habibe Erfan
Amnesty International
Darstellung des Lastwagenfahrers
Erste Entwicklungen und Reaktionen bis zur Regierungsbildung am 27. Oktober 2009
Erste Reaktionen der internationalen Öffentlichkeit
Presse und Rundfunk
ISAF-Hauptquartier und NATO-Generalsekretär
Äußerungen am Rande des Außenminister-Treffens

Kenntniserlangung durch die Bundesregierung und interne Berichterstattung
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
Regionalkommando Nord in Masar-i-Scharif
Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009
Erstmeldung über den Luftschlag gegen 3 Uhr
Unterrichtung von Brigadegeneral Vollmer um 7.45 Uhr
Telefonat von Brigadegeneral Vollmer mit Oberst Klein
Zusammenstellung eines Ermittlungsteams
Videokonferenzen mit dem Hauptquartier ISAF
Telefonate mit afghanischen Dienststellen
Gespräch mit dem Deputy Chief of Police Kunduz
Meldung über den Verbleib der beiden Tanklastwagenfahrer
Veränderung des Daily Intelligence Summary vom 4. September 2009

Meldungen und Informationserlangung am 5. September 2009
Meldung über einen ins Krankenhaus Kunduz eingelieferten verletzten Jungen
Pressekonferenz des Kommandeurs der ISAF

Fertigstellung und Übergabe des so genannten Feldjägerberichtes am 9. September 2009

Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Schwielowsee bei Potsdam
Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009
Meldung an die Operationszentrale des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
Informationsweitergabe auf dem Fachstrang Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Um 6.42 Uhr eingestellte Meldung
Erste um 8.34 Uhr vorgenommene Änderung der Meldung
Zweite um 8.39 Uhr vorgenommene Änderung der Meldung
Meldung am 6. September 2009, 15.47 Uhr

Unterrichtung des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr über den Luftschlag
Telefonat mit dem Leiter des Einsatzführungsstabes
Morgendliche Videokonferenz mit dem Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr
„Erste rechtliche Bewertung“
Mögliche zivile Opfer laut einer ISAF-Presseerklärung
Unterschiedliche Einschätzung von Oberst Klein und Brigadegeneral Vollmer bezüglich möglicher ziviler Opfer
Eingang eines Protokolls einer Videokonferenz mit weiteren Hinweisen auf mögliche zivile Opfer
Erste Stellungnahme aus Sicht des Kommandeurs des Regionalkommandos Nord

Meldungen und Informationserlangung bis zum 13. September 2009
Eintreffen des Berichts von Oberst Klein am 5. September 2009
Eintreffen des Protokolls Fact Finding Mission („N.-Bericht“) am 6. September 2009
Eintreffen des Berichts des Initial Action Teams
Gespräch des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr am 7. September 2009
Eintreffen von Gesprächsprotokollen aus dem PRT Kunduz am 7. September 2009
Videokonferenz am 11. September 2009
Eintreffen des so genannten Feldjägerberichtes am 13. September 2009
Untersuchungsbericht der afghanischen Untersuchungskommission
Kommando Führung Operationen von Spezialkräften
Unterrichtung des Kommandeurs des Kommandos FOSK
Gespräch zwischen dem Kommandeur des Kommandos FOSK und dem Kommandeur der Task Force 47

Meldungen in das Bundesministerium der Verteidigung
Einsatzführungsstab
Meldungen und Informationserlangung am 4. September 2009
Erstinformation über den Luftschlag
Freigabe des Inhaltes der ersten Pressemeldung
Erste Zweifel in der morgendlichen Videokonferenz
Änderung der Online-Meldung auf der Internetseite www.bundeswehr.de
Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul mit möglichen zivilen Opfern
Telefonat mit General Ramms am 4. September 2009

Meldungen und Informationserlangung bis zum 30. September 2009
Eintreffen weiterer Berichte und Meldungen bis zum 30. September 2009
Vorlage einer „presseverwertbaren Stellungnahme“ des Einsatzführungsstabes am 7. September 2009
Kurzauswertung des so genannten Feldjägerberichts durch den Einsatzführungsstab
Planungsstab
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
Zweifel an der Darstellung, dass Opfer unter der Zivilbevölkerung ausgeschlossen werden können
Vorschlag einer Untersuchung des Vorfalls durch eine Bundeswehrkommission

Presse- und Informationsstab
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
Pressemeldung des ISAF-Hauptquartiers in Kabul mit möglichen zivilen Opfern
Keine Sprachregelung durch Staatssekretär Dr. Wichert
Bundespressekonferenz am 4. September 2009
Eigene Nachforschungen des Presse- und Informationsstabes
Bundespressekonferenz am 7. September 2009
Informationsweitergabe innerhalb des BMVg

Generalinspekteur der Bundeswehr
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
„Frühe Festlegungen“ des BMVg in der ersten Pressekonferenz am 4. September 2009
Eintreffen des Berichts von Oberst Klein am 5. September 2009
Erste Telefonate mit dem Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung
Eintreffen weiterer Berichte am 6. September 2009
Vorlage an das Bundeskanzleramt am 7. September 2009
Einrichtung des Joint Investigation Teams durch den COM ISAF
Kritik an der Zurückhaltung des Generalinspekteurs der Bundeswehr mit öffentlichen Äußerungen
Afghanistan-Reise des Generalinspekteurs der Bundeswehr
Bewertung und Behandlung des so genannten Feldjägerberichtes

Staatsekretär Dr. Peter Wichert
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
Online-Meldung auf www.bundeswehr.de
Unklares Lagebild bezüglich möglicher ziviler Opfer am 4. September 2009
Eintreffen des Berichts von Oberst Klein sowie weiterer Berichte

Bundesminister der Verteidigung
Erstunterrichtung über den Luftschlag am 4. September 2009
Erste öffentliche Äußerung
Interview in der Bild am Sonntag
Gespräch mit der Bundeskanzlerin am 5. September 2009
Telefonat mit Oberst Klein am 5. September 2009
Presseerklärung am 6. September 2009, dass zivile Opfer nicht mehr auszuschließen sind
Telefonat mit General McChrystal am 6. September 2009
Eingang weiterer Berichte
Rede des Bundesministers der Verteidigung im Deutschen Bundestag am 8. September 2009

Auswärtiges Amt
Erste öffentliche Äußerungen des Bundesaußenministers
Gegenüber der Presse
Rede vor dem Deutschen Bundestag

Informationslage des Auswärtigen Amtes in den ersten Tagen
Informationsgewinnung seitens des Auswärtigen Amtes
Informationserlangung durch die zivile Leitung des PRT Kunduz
Erste Hinweise auf zivile Opfer
Die Liste der Vereinten Nationen
Kritik an der Kommunikation innerhalb des PRT

Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung
Informationserlangung auf Arbeitsebene
Abstimmung auf Ministerebene

Bundeskanzleramt sowie Bundesnachrichtendienst
Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes und Bundesnachrichtendienst
Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes vor Ort
Zur Frage eigener Aufklärungsmaßnahmen des BND
Erkenntnisaufkommen des BND
Eigene Einschätzung des BND-Präsidenten
Meldeaufkommen des Bundesnachrichtendienstes

Informationsweg innerhalb des BND und Unterrichtung des BND-Präsidenten Uhrlau
Koordination des Aufkommens nachrichtendienstlicher Informationen innerhalb der Bundesregierung
Weitergabe von Informationen des BND an die Abteilung 6 im Bundeskanzleramt
Zur Frage von Einzelmeldungen an das Bundeskanzleramt
Überprüfung der Rolle des BND
Weitere Befassung der Abteilung 6 mit dem Luftangriff
Kommunikation zwischen den Abteilungen 6 und 2
Unterrichtung des Chefs des Bundeskanzleramtes durch die Abteilung 6
ND-Lage am 8. September 2009

Abteilung 2 des Bundeskanzleramtes
Erste Kenntniserlangung der Abteilung 2 von dem Luftangriff
Kommunikation zwischen der Abteilung 2 im Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium der Verteidigung
Weitergabe von Berichten durch das BMVg an die Abteilung 2
Kritik der Gruppe 22 an der Informationsweitergabe des BMVg
Bestreben der Abteilung 2 nach gemeinsamer Sprachregelung mit dem BMVg
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Kenntniserlangung der Bundeskanzlerin über den Luftangriff und erste Kommunikation mit anderen Ressorts
Erste öffentliche Äußerungen der Bundeskanzlerin zum Luftangriff
Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am 8. September 2009
Zustandekommen und Inhalt
Unterrichtung der Bundeskanzlerin vor der Regierungserklärung

Weiteres Vorgehen der Bundeskanzlerin
Keine Bewertung des Luftangriffs durch das Bundeskanzleramt

Unterrichtung des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses
Erstunterrichtung der Obleute am Freitag, dem 4. September 2009
Obleuteunterrichtung am 5. September 2009: Untersuchungsteam der NATO
Obleuteunterrichtung am 7. September 2009: Zivile Opfer möglich
Ausschussunterrichtung am Dienstag, dem 8. September 2009
Obleuteunterrichtung am Mittwoch, dem 9. September 2009: Eingang des IAT-Berichts
Obleuteunterrichtung am Freitag, dem 11. September 2009
Obleuteunterrichtung durch Generalinspekteur nach Rückkehr aus Kunduz

Der Luftangriff im Bundestagswahlkampf
Zur Frage der Einflussnahme auf die Aufklärung
Unterrichtung der Politik durch die Bundeswehr
„Militärisch angemessen“
Regierungswechsel, Amtsübernahme durch Bundesminister zu Guttenberg
Eingang und Bewertung des COM ISAF-Berichts durch Bedienstete des Bundesministeriums der Verteidigung
Übermittlung des Berichts von ISAF an Deutschland
Eingang des COM ISAF-Berichts im Bundesministerium der Verteidigung
Öffentliche Stellungnahme von General Wolfgang Schneiderhan
Der Wortlaut der Erklärung
Erläuterung der Stellungnahme vor dem Ausschuss
„Überraschung“ über die Erklärung des Generalinspekteurs auf Seiten der NATO

Gespräch des Bundesministers mit General Schneiderhan
Weitergabe des COM ISAF-Berichts
Bundeskanzleramt
Obleuteunterrichtung am 29. Oktober 2009

Auswertung des COM ISAF-Berichts durch den Einsatzführungsstab

EMPFEHLUNG ISAF:
Öffentliche Festlegung des Ministers am 6. November 2009
Empfehlung zur Presselinie
Telefonat mit Generalinspekteur Schneiderhan
Vorbereitung des Ministers
Öffentliche Stellungnahme des Ministers

Bekanntwerden des „Feldjägerberichts“ und Neubewertung des Luftangriffs
Bekanntwerden des „Feldjägerberichts”
Personelle Konsequenzen
Gespräch im Ministerbüro am 25. November 2009
Darstellung General a. D. Schneiderhan
Aufzeichnungen der Leiterin Ministerbüro
BM
Pause
St W
GI
BM
Gibt es einen nationalen U-Bericht?
St W
BM
St W
BM
Gab es keine mündl. od. schriftl. Berichte?
GI
BM
GI
BM
Wer hat Kenntnis vom Feldjägerbericht?
GI
BM
GI
GI
BM
Darstellung Staatssekretär a. D. Dr. Wichert
Darstellung Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg
Darstellung Brigadegeneral Braunstein
Berichterstattung über das Gespräch im Ministerbüro
Unterrichtung des Deutschen Bundestages über Entlassung und Ankündigung einer Neubewertung
Rücktritt Bundesminister für Arbeit und Soziales Dr. Jung
Neue Erkenntnisse aus der Dokumentenlage nach dem 25. November 2009
Erkenntnisse aus dem IAT-Bericht
Erkenntnisse aus dem „Feldjägerbericht“
Erkenntnisse seitens des Befehlshabers Einsatzführungskommando
Erkenntnisse aus dem Bericht von Oberst Klein

Militärischer Ratschlag für die politische Leitung zur Vorbereitung einer Neubewertung
Untersuchung des Informationsflusses innerhalb des Ministeriums
Neubewertung als „militärisch nicht angemessen“
Neubewertung gegenüber dem Deutschen Bundestag
Weitergabe von Erkenntnissen an weitere Stellen (auch unter Berücksichtigung von Punkt 4 des Untersuchungsauftrages)
Staatsanwaltschaft Potsdam
Generalstaatsanwaltschaft Dresden
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Dritter Teil: Bewertungen des Untersuchungsausschusses
Verfahren
Verfahrensbeschlüsse
Gegenüberstellung/Rechtsstreit BGH
Die Reihenfolge von Zeugen (§ 17 PUAG i. V. m. § 28 GO-BT) Exkurs: zur Misslichkeit des Begriffs vom so genannten „Reißverschluss“
Zum Umgang mit Zeugen und mit Vorhalten aus Akten

Bewertungen der Untersuchungsergebnisse
Allgemeine Feststellungen
Zusammenfassung
Verlauf der Ausschussarbeit
Unsichere Sicherheitslage im PRT Kunduz vor dem 4. September 2009
Ablauf des Luftangriffs
Entführung der Tanklastzüge
Volle Kontrolle durch PRT Kunduz – technische Unterstützung der Task Force 47 im gebotenen Rahmen
Keinerlei Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes
Der Luftschlag
Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 1 und 2 des Untersuchungsauftrages
Völlig korrektes Meldeverhalten innerhalb der Bundeswehr
Unterrichtung des Bundesministeriums der Verteidigung
Meldungen von außerhalb in das Bundesministerium der Verteidigung
Informationsfluss innerhalb des Bundesministeriums der Verteidigung
Ordnungsgemäßer Informationsfluss bis zur Ebene von Generalinspekteur und Staatsekretär Dr. Wichert
Weitergabe relevanter Informationen durch Generalinspekteur und Staatssekretär
Keine Weitergabe von Informationen an den Presse-/Informationsstab
Unterrichtung des Planungsstabes
Defizite bei der Unterrichtung des Verteidigungsministers nach dem Luftschlag
Information nach Bildung der Koalition aus CDU/CSU und FDP

Unterrichtung des Auswärtigen Amtes
Unterrichtung durch das Bundeskanzleramt
Nicht belastbare, „unverbindliche Erstmeldung“ des BND
Keine eigenen Erkenntnisse des Bundekanzleramtes durch den Bundesnachrichtendienst
Zurückhalten von Nachrichtenübermittlung an BK, AA und BMZ durch Staatssekretär BMVg
Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 3 des Untersuchungsauftrages
Einseitige Bewertung des damaligen Generals Schneiderhan
Bewertung durch Verteidigungsminister zu Guttenberg
Erste Bewertung des Ministers vom 6. November 2009 auf Grundlage der Beratung durch den Generalinspekteur
Hintergrund der zusätzlichen Formulierung des Ministers, es hätte zum Luftschlag „kommen müssen“
Beratung durch Generalinspekteur und Staatssekretär
Einweisung des Ministers zum Amtsantritt am 29. Oktober 2009
Informationsweitergabe auf dem Flug nach Nörvenich

Nicht vorgelegte Berichte und Unterlagen

Neubewertung am 3. Dezember 2009
Bekanntwerden des Feldjägerberichts erst durch Presse
Minister-Gespräch zu nicht vorgelegten Dokumenten am 25. November 2009
Anzahl der anwesenden Personen am 25. November 2009
Mehrfaches Nachfragen des Ministers am 25. November 2009 zur Vorlage der Berichte

Personelle Konsequenzen durch den Minister

Sichtung der vollständigen Aktenlage und Überprüfung
Erörterung sämtlicher Fakten vor der Neubewertung
Lagebild nach erstmals vollständiger Dokumentenlage
Neubewertung nach umfassender militärfachlicher Beratung
Bewertung der Feststellungen zu den Nr. 4 und 5 des Untersuchungsauftrages
Unterrichtung des Parlamentes
Unterrichtung des Parlamentes vom 9. September 2009
Unterrichtung des Parlamentes vom 23. September 2009

Unterrichtung der Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses
Obleuteunterrichtung vom 4. September 2009
Obleuteunterrichtung vom 7. September 2009
Falsche Angabe in der Obleuteunterrichtung vom 9. September 2009

Unterrichtung der Öffentlichkeit
Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das BMVg
Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Bundeskanzleramt
Pressestatement am 6. September 2009
Regierungserklärung am 8. September 2009
Umfassendes Lagebild der Bundeskanzlerin
Lückenlose Aufklärung
Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Auswärtige Amt

Unterrichtungen nach dem Koalitionswechsel
Offene transparente Unterrichtungspraxis
Öffentliche Berichterstattung über das Gespräch am 25. November 2009
Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 6 des Untersuchungsauftrages
Keine Einflussnahme auf die Erstellung des COM ISAF-Berichtes
Einflussnahme auf die Untersuchung des Feldjägers durch Generalinspekteur Schneiderhan
Keine unzulässige Einflussnahme auf den Daily Intelligence Summary des PRT Kunduz vom 4. September 2009 (INTSUM)

Bewertung der Feststellungen zu der Nr. 7 des Untersuchungsauftrages
Verfahrensfehler durch Oberst Klein
Erklären eines TIC (Troops in Contact)
Ablehnung von „show of force“
Battle Damage Assessment (BDA)

Vermeiden ziviler Opfer
Keine genaue Feststellung über die Personen vor Ort möglich
Mögliche Anzahl der Personen auf der Sandbank
Mögliche Anzahl der Geschädigten

Lagebild von Oberst Klein – ausschließlich Taliban vor Ort
Problem der Unterscheidbarkeit zwischen Aufständischen und Zivilisten
Bestehende Zuverlässigkeit des Informanten
Grundsätzliche Zuverlässigkeit des Informanten
Keine Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit durch Art der Kommunikation
Zuverlässigkeit durch Standort des Informanten
Aufständische als legitimes Ziel
Mangelnde Handlungsalternativen
Kein Einsatz von Bodentruppen möglich
Kein Einsatz von Drohnen möglich
Unterlassen als mögliche Alternative

Im Nachgang zum Luftschlag ergriffene Maßnahmen

Ergebnis der Beweisaufnahme
Führungsmittel
Aufklärungsmittel
Wirkmittel
Ausbildung
Themenkomplex Informationsarbeit
Information des Parlaments
Information der Öffentlichkeit
Vierter Teil Sondervoten
Sondervotum der Fraktion der SPD
Der Untersuchungsausschuss war notwendig und erfolgreich
Erforderlichkeit eines Sondervotums
Der Luft-Boden-Angriff von Kunduz: Was ist wirklich geschehen?
Kein Zweifel an zivilen Opfern des Luftangriffs
Politisch-taktisches Mäandern der Bundesregierung und der Mehrheit im Ausschuss
Unzureichendes „Battle Damage Assessment“ durch die Bundeswehr
Erkenntnisse der verschiedenen Untersuchungskommissionen
Ergebnis zu den zivilen Opfern

Die Fehler und Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Luft-Boden-Angriff von Kunduz in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009
Ort des Geschehens und handelnde Personen
Sorgloser Umgang mit der Warnmeldung im Vorfeld
Die problematische Agenda des Hauptmann N. – „Der Schwanz wedelt mit dem Hund“
Drängen auf schnellen Bombenabwurf durch Hauptmann N. und Hauptfeldwebel W.
Keine Bestätigung durch die Aufklärungsmittel des B1-Bombers
Fehlerhafter Umgang mit dem afghanischen HUMINT-Kontakt
Der militärische Führer verfügte nicht über sämtliche Informationen der Quelle
Informationen zum „Ausschlachten“ und „In-Brand-Setzen“ der Tanklaster durch die Taliban erreichten Oberst Klein nicht
Informationen zu den zivilen Fahrern erreichten Oberst Klein nicht
Standort der Quelle wurde gegenüber Oberst Klein verschwiegen
Zwischenergebnis

Problem der mittelbaren Kommunikation („Stille-Post-Routine“)
Probleme beim Inhalt der Kommunikation: Unzureichende Gesprächsführung
Probleme bei der Bewertung der Informationen
Strukturelle Probleme im Zusammenhang mit dem Militärischen Nachrichtenwesen der Bundeswehr
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen zum fehlerhaften Umgang mit dem HUMINT-Kontakt

Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten Durchführung des Waffeneinsatzes
Vorfrage: Was war das Ziel des Waffeneinsatzes?
Regelwidriger Einsatz des B1-Bombers zur Suche nach den Tanklastern
Regelwidrige Erklärung eines „TIC“: Die F15-Bomber hätten nicht angefordert werden dürfen
Unzureichende Abklärung der Anwesenheit befreundeter Kräfte
Unklarheiten zwischen Oberst Klein, dem JTAC und den Piloten über die angewandte Einsatzregel („Rule of Engangement“)
Vorgaben der dem Waffeneinsatz zu Grunde gelegten ROE 429 wurden sämtlich nicht erfüllt
RC North hätte bei Waffenfreigabe nach ROE 429 beteiligt werden müssen
Keine Einbindung des vorhandenen Rechtsberaters in den Prozess der Waffenfreigabe
Unzureichende Durchführung der PID anhand einer einzigen HUMINT-Information ohne sonstige Bestätigung
Fehlende Anwendung der für offensiven Waffeneinsatz zwingenden Zielzuweisungsverfahren

Regelwidrige Untersagung der Durchführung einer „Show of Force“
Regelwidriger Verzicht auf die Durchführung eines angemessenen „Battle Damage Assessment“
Keine Warnung des vermeintlich an der Sandbank befindlichen Informanten durch Oberst Klein
Zusammenfassung der Verfahrensfehler im Rahmen der konkreten Durchführung des Waffeneinsatzes

Zur straf- und dienstrechtlichen Verantwortlichkeit von Oberst Klein
Kritik an der Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts
Kein Verstoß gegen Bestimmungen des Völkerstrafrechts
Strafbarkeit nach allgemeinem deutschem Strafrecht
Zuständigkeit des GBA: Klarstellungsbedarf
Rechtfertigung auf Grundlage des UN-Mandats?
Bedarf es einer eigenen gesetzlichen Regelung?
Völkerrechtliche Rechtfertigung des Handelns von Oberst Klein?
Legitimes militärisches Ziel?
Beachtung des völkerrechtlichen „Exzessverbots“?
Konkreter und unmittelbarer militärischer Vorteil?
Richtiger Blickwinkel für die Beurteilung?
Praktikable Aufklärungs- und Vorsichtsmaßnahmen („feasible precautions“)?
Die Abwägungsentscheidung
Mögliche Bedeutung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

Kritik am Verzicht auf die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens
Eklatante Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln
Verletzung nationaler Einsatzvorgaben durch gezielte Tötung außerhalb einer Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituation
Zusammenfassende Gesamtbewertung zum Luft-Boden-Angriff von Kunduz
Fehler und Versäumnisse in der Amtszeit des Verteidigungsministers Dr. Jung
Strukturelle Defizite im BMVg beim Umgang mit derartigen Vorfällen
Öffentlichkeitsarbeit im Blindflug: Alleingang des Pressestabes ohne jede Koordinierung
Mängel im Bereich der „Unternehmenskultur“
Strukturelle Mängel beim Umgang mit den entscheidenden Informationen im Ministerium

Persönliches Fehlverhalten des damaligen Bundesministers der Verteidigung Dr. Jung
Der Wahlkampf hatte Priorität
Bedenken innerhalb des Ministeriums und von der Bundeskanzlerin wurden ignoriert
Abweichende öffentliche Stellungnahme des damaligen Bundesministers des Äußeren
Mögliche Beweggründe für die Haltung von Bundesminister Dr. Jung
Unverantwortlicher „Tunnelblick“ des Ministers
Desinformation der Öffentlichkeit durch einen Pressestab im Verfolgungswahn
Eigenmächtiges Abwiegeln durch den Pressestab in den ersten Stellungnahmen ohne Beteiligung der Fachabteilungen
Falsche Darstellung der zeitlichen Abläufe („Chronologie“)
Angebliche unmittelbare Bedrohung für das PRT Kunduz durch „rollende Bomben“
Erfinden einer „dritten Quelle“
Diffamierung des IAT-Berichts
Ergebnis zum Pressestab

Gesamtbewertung des Handelns von Dr. Jung

Verschleierungsaktivitäten auf allen Ebenen
Verschleierung vor Ort im PRT Kunduz selbst
Verschleierung in Masar-e Sharif und im Einsatzführungskommando in Potsdam: Manipulation des INTSUM
Verschleierung im Pressestab gegenüber der Öffentlichkeit
Sonstige Verschleierungsaktivitäten im Ministerium
Einflussnahme auf die NATO-Untersuchung
Verschleierung der Beteiligung von Personen der „Task Force 47“
Verweigerung einer nationalen Untersuchung nach Eingang des COM ISAF-Berichts

Verschleierung gegenüber dem Parlament
Freiherr zu Guttenberg: Illusion und Inszenierung
Zur Bewertung des Luftangriffs als „zwingend“
Die angeblich „vorenthaltenen“ wichtigen Dokumente
Die angebliche „Neubewertung“ vom 3. Dezember 2009

Bundeskanzlerin Dr. Merkel: Fehlende politische Führung
Informationsquellen des BND bleiben ungenutzt
Bundeskanzlerin lässt Verteidigungsminister „dahindilettieren“
Zusage vollständiger Aufklärung bleibt Lippenbekenntnis
Verständnis für jede Bewertung des Luftangriffs
Mitspielerin beim „Bauernopfer“
Einsatz für Entschädigung: Fehlanzeige
Koordinierungsprobleme im Bundeskanzleramt
Ergebnis

Zum Verfahren im Untersuchungsausschuss
Ausschluss der Öffentlichkeit durch die Mehrheit
Die Verweigerung der Durchführung einer Gegenüberstellung
Zur Reihenfolge der Zeugenvernehmungen: das Reißverschlussverfahren
„Mehrheit bleibt Mehrheit“

Lehren aus den festgestellten Fehlern und Defiziten: Handlungsbedarf
Klare Aussagen der Bundesregierung zu den nationalen Einsatzvorgaben des ISAF-Mandats sind zwingend erforderlich
Folgerungen aus den Defiziten auf der Ebene des PRT
Folgerungen aus den festgestellten Defiziten auf der Ebene der Bundesregierung
Gesetzgeberischer Handlungsbedarf
Sondervotum der Fraktion DIE LINKE.
„Lückenlose Aufklärung … ein Gebot der Selbstverständlichkeit“
Behinderung der Arbeit des Untersuchungsausschusses
Eindimensionalität der Bewertung der Mehrheitsfraktionen
Mangelndes Aufklärungsinteresse
Umdeutung der Beweisergebnisse des Untersuchungsausschusses
Einseitige Schuldzuweisung für Vertuschungsbemühungen

Vertuschung der Folgen und näheren Umstände des Luftangriffs durch die Bundesregierung
Vertuschung der Tötung einer großen Zahl von Zivilpersonen
Erkenntnisse zur Zahl ziviler Opfer nach der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss
Der Bundesregierung im September 2009 zugängliche Erkenntnisse und Anhaltspunkte zu zivilen Opfern des Luftangriffs
Öffentliche Darstellungen der Bundesregierung zur Frage ziviler Opfer

Vortäuschen einer unmittelbaren Bedrohung für das PRT Kundus
Hinweise auf eine Bedrohungswarnung
Kein Vorliegen des behaupteten Warnhinweises
Keinerlei Hinweis auf eine direkte Gefährdung des PRT Kundus

Vertuschung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board
Gruppe 85 im Bundesverteidigungsministerium
Kontakt zum ISAF-Joint Investigation Board
Kontakt zu den Ermittlungsbehörden

Verhinderung einer Bewertung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board durch die NATO
Umdeutung der Erkenntnisse des ISAF-Joint Investigation Board gegenüber der Öffentlichkeit
Bundesverteidigungsministerium
Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt

Verhinderung einer Herabstufung des COM ISAF-Berichts

Angemessenheit – Unangemessenheit des Luftangriffs
„Militärisch angemessen“ und „selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müssen“
„… militärisch nicht angemessen“

Täuschung der Bevölkerung über die Art der deutschen Kriegsbeteiligung
ISAF-Mandat der Bundeswehr
Spezifische nationale Beschränkungen des ISAF-Mandats (national caveats)
Taschenkarten

Ziel der Vertuschung
Bundestagswahlkampf und Kriegsbeteiligung
Counterinsurgency – Teilnahme an offensiver Kriegsführung

„Das … Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel W. … ist … einzustellen.“
Verstöße gegen ISAF-Einsatzregeln
Fehlende Befugnis zur Anordnung eines Luftangriffs
Unterlassen einer show of force
Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens
Verstoß gegen geltende Rules of Engagement (ROE)
Vorspiegeln einer Gefechtssituation (troops in contact, TIC) bzw. einer akuten Bedrohungslage (imminent threat)
Unzureichende Aufklärung vor dem Luftangriff als Verstoß gegen spezifische Vorgaben des COM ISAF
Verzicht auf Battle Damage Assessment (BDA)

Verstoß gegen grundlegende völkerrechtliche Schutzvorschriften
Völkerrechtliche Verpflichtung, festzustellen, ob sich am Angriffsort Zivilpersonen aufhalten
Ignorieren der Anhaltspunkte für die Anwesenheit von Zivilisten am Angriffsort
Nächtliche Aktivitäten während des Ramadan
Kommen und Gehen auf der Sandbank
Vermutete Anwesenheit mehrerer Gruppen und deren Anführer
Verbleib der Fahrer
Angriff allein aufgrund der Angaben eines Informanten
Widersprüche der Lagebewertung durch Oberst Klein

Völkerrechtlich gebotene Aktivitäten zur Aufklärung, ob sich Zivilpersonen am Angriffsort befanden
Differenzierte Fragen an den Informanten
Erkennbarkeit von Zivilpersonen
Standort des Informanten
Identität der Kontaktpersonen des Informanten
Tragen von Waffen
Schicksal der Fahrer
Anwesenheit von Kindern
Unzulängliche Erkundigungen beim Informanten

Nutzung weiterer erreichbarer Erkenntnismöglichkeiten
Weitere Informanten
Weitere Mittel der Luftaufklärung
Drohne
ISR
Geringere Flughöhe

Unzulängliche Aufklärung

Völkerrechtliche Verpflichtung zur wirksamen Warnung vor einem geplanten Angriff
Offensive Aufstandsbekämpfung als Grund für den Verzicht auf eine show of force
Rechtspflicht zur effektiven Vorwarnung
Unzulässiger Überraschungsangriff
Rückfahrt nach Osten und Angriff auf das PRT Kundus
Weiterfahrt und Verbringung der Tanklaster nach Westen

Völkerrechtswidrigkeit des Verzichts auf eine wirksame Vorwarnung
Nachweis der Völkerrechtswidrigkeit des Vorgehens von Oberst Klein

Keine adäquate rechtliche Aufarbeitung des Luftangriffs durch deutsche Behörden
Durchreichen eines unwillkommenen Verfahrens
Befassung der Staatsanwaltschaften Potsdam und Leipzig sowie der Generalstaatsanwaltschaft Dresden
Grundlegende Ermittlungsdefizite
Verteidigungsaktivitäten des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
Zügige Verfahrensabwicklung durch die Generalbundesanwaltschaft

Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes
Materiellrechtliche Fehlbewertung als Grundlage der Verfahrenseinstellung durch die Bundesanwaltschaft
Einflussnahme der Bundesregierung
„Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode gekommene Mensch … einer zu viel“
Kein effektiver Schutz der Zivilbevölkerung im bewaffneten Konflikt
Keine Wiedergutmachung für die Opfer
Das Gesicht des Krieges
lessons learned
Sondervotum der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Einleitung
Verfahren
Die Öffentlichkeit der Sitzungen
Die Reihenfolge der Zeugen
Die Begrenzung der Sitzungszeiten
Der Versuch einer vorschnellen Beendigung der Beweiserhebung
Die zeitlichen Rahmenbedingungen für das Verfassen des Abschlussberichts
Das Verhalten der Bundesregierung
Das Nichterscheinen von Zeugen
Die Geheimhaltung des COM ISAF-Berichts

Die Bewertung des Luftschlags
Die Entführung der Tanklaster und der Befehl zum Luftschlag am 3. / 4. September 2009
Militärische und politische Rahmenbedingungen des Luftschlags
Ziele des Luftschlags
Abwehr einer unmittelbaren Gefahr?
Tötung von Aufständischen

Verfahrensverstöße bei der Anordnung und Durchführung des Luftschlags
Rechtliche Rahmenbedingungen für den Luftschlag
Humanitäres Völkerrecht
ISAF Mandat und Einsatzregeln der ISAF
Bundeswehrmandat und Taschenkarte

Verletzung der Aufklärungspflichten zur Vermeidung ziviler Opfer
Unpräzise Nachforschungen zu möglichen Zivilpersonen vor Ort
Ungeeignete Quellenlage
Informationen zu den Tanklastwagenfahrern
Glaubwürdigkeit des HUMINT-Kontaktes
Mittelbare Kommunikation mit dem HUMINT-Kontakt
Luftbilder durch die B-1B bzw. F-15-E
Hintergrundwissen

Alternative Handlungsmöglichkeiten
Flugzeuganforderung trotz mangelndem TIC

Militärische Eingriffsgrundlage
Show of force
Nichteinbeziehung des PRT-Personals
Wirkungsanalyse
Schlussfolgerung und Bewertung der rechtlichen Reaktion auf den Luftschlag

Die Folgen des Luftschlags
Die Untersuchungsberichte
Ergebnis

Mitwirkung Dritter bei der Entscheidung für den Luftschlag
Die Rolle der Task Force 47
Rolle des BND
Beeinflussung durch afghanische Kräfte

Zusammenfassung

Die Bewertung der militärischen Untersuchungen zum Luftschlag
Erkundungen des BDA-Teams, 4. September 2009
Feldjägeruntersuchung, 4. bis 9. September 2009
Internationale Ermittlungen durch den COM ISAF
IAT Bericht, 4./ 5. September 2009
Die Erstellung des COM ISAF-Berichts durch das Joint Investigation Board und die Begleitung durch die „Gruppe 85“, 8. September bis 26. Oktober 2009
Die Untersuchung des JIB
Begleitung durch die „Gruppe 85“
Ablehnung einer nationalen Untersuchung durch das BMVg
Zusammenfassung

Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion des BMVg unter Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung und Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg
Informationsstand von Bundeswehr und BMVg vor dem Regierungswechsel, September und Oktober 2009
Informationsstand, 4. September
Informationsstand des BMVg im September 2009

Änderung der Meldungen zum Luftschlag der Internetseite der Bundeswehr am 4. September
Einseitige Presseberichterstattung durch das BMVg vor dem Regierungswechsel
Presseerklärung des BMVg am 4. September 2009
Bundespressekonferenz, 7. September 2009
Öffentliche Äußerungen des damaligen Bundesministers der Verteidigung, Dr. Jung

Unzureichende Berichterstattung gegenüber dem Bundestag
Verzögerte Informationsweitergabe an das Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt
Bundeskanzleramt
Auswärtiges Amt

Intransparente Informationspolitik nach dem Regierungswechsel, Oktober bis Dezember 2009
Pressestatement des Generalinspekteurs Schneiderhan zum COM ISAF Bericht, 29. Oktober 2009
Unterschiedliche Bewertung des Luftschlags durch Bundesminister zu Guttenberg
Gegenüberstellung der Äußerungen am 6. November und am 3. Dezember 2009
Informationsstand vor dem 6. November 2009
Beratung durch den Führungskreis des BMVg
Auswertungsbericht des Einsatzführungsstabs
COM ISAF Bericht und Anlagen
IKRK-Bericht

Informationsstand nach dem 25. November 2009
Trennung von Generalinspekteur Schneiderhan und Staatsekretär Dr. Wichert
Zusammenfassung

Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion des Auswärtigen Amtes und des Bundesministers des Auswärtigen Dr. Steinmeier
Informationsfluss in das Auswärtige Amt
Ziviler Strang PRT Kunduz
Weitere Informationsquellen

Kenntnisstand des Auswärtigen Amtes und des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Steinmeier
Öffentliche Stellungnahme aus dem Auswärtigem Amt und von Minister Dr. Steinmeier

Die Bewertung der Informationspolitik und der Reaktion von Bundeskanzlerin Dr. Merkel
Reaktion auf die Informationspolitik des BMVg, 4. bis 8. September 2009
Öffentliche Stellungnahmen der Bundeskanzlerin, 4. bis 8. September 2009
Reaktion auf die Ergebnisse des COM ISAF-Berichts und die Informationspolitik des BMVg, November und Dezember 2009
Zusammenfassung

Schlussbetrachtungen
Punkte 1 und 2 des Untersuchungsauftrages: Kenntnisstand und Informationsfluss zum Luftschlag
Defizitäres Meldeverhalten durch Oberst Klein
Informationsfluss innerhalb des BMVg

Punkte 3 bis 5 des Untersuchungsauftrages: Die Bewertung des Luftschlag durch die Bundesregierung, sowohl intern als auch gegenüber Öffentlichkeit und dem Bundestag
BMVg
Bundeskanzleramt und Bundeskanzlerin Dr. Merkel
Auswärtiges Amt
Die Informationsweitergabe an den Bundestag

Punkt 6 des Untersuchungsauftrags: Einflussnahme durch die Regierung?
INTSUM
Feldjägerbericht
COM ISAF-Bericht

Punkt 7 des Untersuchungsauftrags: Rechtmäßigkeit des Luftschlags?

Handlungsempfehlungen (lessons learned)
Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs
Stellungnahmen der betroffenen Personen
Oberst Klein
Zum Feststellungsteil
Zu den Sondervoten

General Vollmer
Zum Sondervotum der Fraktion der SPD
Zum Sondervotum der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

General Glatz
Kapitän zur See Dienst

Gegenäußerungen der Fraktionen
Fraktion der SPD
Zum Verfahren der Gewährung rechtlichen Gehörs
Zu den einzelnen Stellungnahmen

Fraktion DIE LINKE.
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Erwiderung zur Stellungnahme des Zeugen Oberst Klein im Rahmen seines rechtlichen Gehörs
Erwiderung zu den Stellungnahmen der Zeugen Generalleutnant Glatz und Brigadegeneral Vollmer
Anmerkungen der Koalition zu Gegenäußerungen der Opposition in Sachen Gewährung rechtlichen Gehörs
Erwiderung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Anmerkungen der Ausschussmehrheit unter Punkt C

Sechster Teil: „Lessons Learned“
Lessons Learned der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP im Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 GG
Allgemein
Im Einsatz
Führungsmittel
Aufklärungsmittel
Wirkmittel

Ausbildung
Themenkomplex Informationsarbeit
Information des Parlaments
Information der Öffentlichkeit
Zusammenfassung

Gemeinsames Positionspapier „lessons learned“ der SPD-Bundestagsfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23. September 2011.
Handlungsbedarf auf der Ebene der Bundesregierung
Im Bereich der nationalen Einsatzvorgaben des ISAF-Mandats
Im Bereich der „Task Force 47“
Im Bereich der technischen Ausstattung der Bundeswehr in Auslandseinsätzen
Im Bereich des Militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr
Im Bereich der Aus- und Fortbildung
Im Bereich der „Inneren Führung“
Im Bereich der Zusammenarbeit zwischen militärischem und zivilem Teil der PRTs
Im Bereich der Verwaltung des Bundesministeriums der Verteidigung
Im Bereich des Bundesministeriums der Justiz
Im Bereich des Bundeskanzleramtes

Handlungsbedarf auf der Ebene des Gesetzgebers

„Lessons Learned“ der Fraktion DIE LINKE.
Protokoll über die 57. Sitzung des Untersuchungsausschusses
Bericht der Fraktionen
Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr
Anhang: Übersichten und Verzeichnisse
Abkürzungsverzeichnis
Personenverzeichnis
Dokumentenverzeichnis
Verzeichnis Stenographische Protokolle
Beratungsunterlagen
Beschlüsse zu Beweisanträgen
Verzeichnis der Materialien
Verzeichnis der Sitzungen

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