BT-Drucksache 17/7343

Bisher unbekannte Vorratsdatenspeicherung der Mobilfunkanbieter

Vom 18. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7343
17. Wahlperiode 18. 10. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann,
Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Bisher unbekannte Vorratsdatenspeicherung der Mobilfunkanbieter

Am 7. September 2011 wurde durch die Berichterstattung der „Berliner Zeitung“
als auch der „Frankfurter Rundschau“ bekannt, dass nahezu alle deutschen
Mobilfunkanbieter die Verkehrsdaten ihrer Kunden deutlich länger und in
wesentlich größerem Umfang, als vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrie-
ben, speichern. Nach § 97 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) haben An-
bieter „für die Abrechnung nicht erforderliche Daten […] unverzüglich zu
löschen“. Aus den Berichterstattungen der Medien, die sich auf einen als „Ver-
schlusssache“ eingestuften „Leitfaden zum Datenzugriff insbesondere für den
Bereich der Telekommunikation“ der Generalstaatsanwaltschaft München vom
Juni 2011 beriefen, ging hervor, dass die großen Mobilfunkanbieter tatsächlich
aber bis zu sechs Monate lang die Daten ihrer Kunden protokollieren und dabei
u. a. speichern von wem ihre Kunden angerufen wurden, obwohl die Anruf-
annahme in aller Regel nicht kostenpflichtig ist.

Dementsprechend kann entgegen den Vorgaben des TKG monatelang eingesehen
werden, welcher Kunde wann aus welcher Funkzelle wie lange mit wem tele-
foniert hat, selbst wenn dies nicht zur Abrechnung erforderlich ist.

So sollen die Mobilfunknetzbetreiber bis zu sechs Monate lang speichern, in
welcher Funkzelle in Deutschland welcher Nutzer mit seinem Handy angerufen
hat, angerufen wurde, SMS versandte oder empfangen hat. Auch werde teil-
weise gespeichert welches Handy oder Smartphone die Kunden nutzen (IMEI-
Nummer). Nur bei Prepaidkarten würden dem Dokument zufolge „bis auf
wenige Ausnahmen keine Verkehrsdaten gespeichert“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Mobilfunkanbieter speichern nach Kenntnis der Bundesregierung
welche Verkehrsdaten zu welchem Zweck und auf welcher Rechtsgrundlage
(bitte nach Netzbetreiber, Speicherfrist, Daten – Art und Umfang und
Rechtsgrundlage aufschlüsseln)?

2. Seit wann nehmen die Mobilfunkanbieter eine bis zu sechsmonatige Spei-
cherung der Daten ihrer Kunden vor?
3. Wann und durch wen hat die Bundesregierung Kenntnis über die Speiche-
rungspraxis der Mobilfunkanbieter erhalten?

Drucksache 17/7343 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Hält die Bundesregierung die Praxis der Mobilfunkanbieter bezüglich der
Speicherung von Daten für gesetzeskonform?

a) Wenn ja, mit welcher Begründung?

b) Wenn nein, mit welcher Begründung?

c) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus bzw. hat sie
bereits daraus gezogen?

5. Ist der Diensteanbieter nach Auffassung der Bundesregierung gemäß § 96
TKG zu einer „sofortigen“ Löschung mit Verbindungsende verpflichtet,
wenn ihm dies bei zumutbarer datenschutzfreundlicher Technikgestaltung
möglich ist, sofern für die Speicherung eines Verkehrsdatums keine
Rechtsgrundlage besteht?

6. Sollte nach Auffassung der Bundesregierung auch im Telekommunika-
tionsgesetz (§§ 96 und 97 TKG) die Löschung abrechnungsirrelevanter
Verkehrsdaten vorgeschrieben werden, „sobald“ sie für die Übertragung der
Nachricht nicht mehr benötigt werden, weil der bisherige Begriff „un-
verzüglich“ zu unbestimmt und nicht europarechtskonform ist (vergleiche
Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2002/58/EG)?

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass § 97 TKG Diensteanbieter
im Rahmen der technischen Möglichkeiten verpflichtet, spätestens bei Be-
endigung einer Verbindung, für jedes einzelne Verkehrsdatum zu überprüfen,
ob dieses im konkreten Fall für die Berechnung des Entgelts erforderlich ist,
und es andernfalls zu löschen?

8. Sollte nach Auffassung der Bundesregierung jeder Teilnehmer das Recht
erhalten, von seinem Anbieter eine sofortige Gebührenabrechnung und
Datenlöschung mit Verbindungsende zu verlangen, wie es bei Prepaidkar-
ten üblich ist?

Wenn nein, warum nicht?

9. Sollte nach Auffassung der Bundesregierung jeder Teilnehmer das Recht
erhalten, von seinem Anbieter eine Verkehrsdatenlöschung mit Rechnungs-
versand zu verlangen, wie es § 7 Absatz 4 der Telekommunikations-Daten-
schutzverordnung vorsah?

Wenn nein, warum nicht?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass aus der datensparsamen
Praxis eines Diensteanbieters zu schließen ist, dass eine längere Daten-
speicherung auch bei anderen Anbietern in vergleichbarer Lage nicht erfor-
derlich ist und sich deshalb die Speicherdauer an der kürzesten orientieren
sollte?

Wenn nein, was spricht aus Sicht der Bundesregierung gegen diese Auf-
fassung?

11. Hatten Behörden und insbesondere Sicherheitsbehörden Zugriff auf die
gespeicherten Daten, und wenn ja, welche waren dies?

12. Wurden seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdaten-
speicherung vom 2. März 2010 richterliche Genehmigungen zur Nutzung
der Kommunikationsdaten beantragt, und wenn ja, in wie vielen Fällen
wurden diese auf welcher Gesetzesgrundlage erteilt?

13. Wurden Anträge auf richterliche Genehmigungen zur Übermittlung der
gespeicherten Daten abgelehnt, wenn ja wie viele, und mit welcher Be-
gründung (bitte nach Datum, Bundesland, Anzahl und Begründung auf-

schlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7343

14. Wie oft haben nach Kenntnis der Bundesregierung welche Länderpolizeien
rückwirkende Verkehrsdaten der Netzbetreiber angefordert (bitte nach be-
troffenen Personen, Art und Umfang der Daten, Gründe der richterlichen
Anordnung aufschlüsseln)?

15. In wie vielen Fällen wurden aus diesen Daten gewonnene Erkenntnisse als
Beweismittel in Gerichtsverfahren verwendet?

16. In wie vielen Fällen führten Gerichtsverfahren, in denen aus Verkehrsdaten
der Netzbetreiber gewonnene Erkenntnisse als Beweismittel verwendet
wurden, zu einer Verurteilung der angeklagten Personen?

17. Wurden die bereits von den Ermittlungsbehörden genutzten Daten ge-
löscht?

Wenn nein, wie wird mit ihnen verfahren?

Berlin, den 17. Oktober 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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