BT-Drucksache 17/7271

Aufklärung über die Zusammenarbeit des BND mit NS-Tätern

Vom 4. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7271
17. Wahlperiode 04. 10. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Steffen Bockhahn, Ulla Jelpke, Petra Pau,
Jens Petermann, Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion
DIE LINKE.

Aufklärung über die Zusammenarbeit des BND mit NS-Tätern

In ihrer Ausgabe vom 26. September 2011 berichtet die „Bild“-Zeitung von der
Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit dem NS-Verbre-
cher Walther Rauff. Walther Rauff, der, als „Erfinder“ der mobilen Gaswagen,
für die Ermordung von mindestens 250 000 Menschen verantwortlich sein soll,
sei vom BND in voller Kenntnis seiner Vorgeschichte von 1958 bis 1962 als
nachrichtendienstlicher Verbindungsmann in Südamerika eingesetzt worden.
Neben dem Honorar von insgesamt ca. 70 000 DM soll der BND auch „Fort-
bildungsveranstaltungen“ für Walther Rauff organisiert haben, während dieser
bereits von der Staatsanwaltschaft Hannover mit Haftbefehl gesucht wurde.
Auch soll vom BND ein Teil der Verteidigerkosten für Walther Rauff übernom-
men worden sein, nachdem dieser 1962 vorübergehend in Chile festgenommen
wurde, um ihm die Auslieferung in die Bundesrepublik Deutschland zu erspa-
ren. Peter Carstens folgert in der „FAZ“ vom 26. September 2011 daraus: „Ein
bundesdeutscher Nachrichtendienst finanziert also den erfolgreichen Versuch
des Beschuldigten, sich der deutschen Gerichtsbarkeit zu entziehen.“

Bemerkenswert im vorliegenden Fall ist auch die Öffentlichkeitspolitik der
Bundesregierung. Nachdem in diesem Jahr schon im Zusammenhang mit den
NS-Verbrechern Adolf Eichmann, Alois Brunner, Klaus Barbie u. a. und ihren
Verbindungen zum BND berichtet wurde, stellt sich die Frage nach der Öffent-
lichkeitsstrategie der Behörde und der Bundesregierung. Journalisten formulie-
ren den Eindruck, hier würde mit einer „sorgsam dosierten Publikationspraxis“
(FAZ, 26. September 2011, S. 4) vorgegangen, die sich nicht immer an den ver-
meintlichen Sperrfristen der Akten orientiert.

Der Abgeordnete Jan Korte hatte am 5. April 2011 Einsicht in die BND-Akten
von Walther Rauff und Alois Brunner beantragt. Drei Tage nach der Veröffent-
lichung von Inhalten der Akte Rauff im Magazin „DER SPIEGEL“ und auf
www.bild.de wurde er in einem Brief des BND, der ihm über das Bundeskanz-
leramt zugestellt wurde, darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Deklassifizie-
rungsvorgang nun abgeschlossen und die Akte in zwei Wochen einsehbar sei.
Das Schreiben ist als „VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ gekenn-

zeichnet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass der BND zwischen 1958
und 1962 den NS-Täter Walther Rauff beschäftigte, wie bewertet sie diese
Tatsache, und in welcher Form und wann hat die Bundesregierung die Öf-
fentlichkeit darüber informiert?

Drucksache 17/7271 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Aus welchem Grund wurden jetzt Akten zur Verbindung von Walther
Rauff zum BND freigegeben, und an wen gingen diese Akten?

Sind die nunmehr veröffentlichten Akten vollständig?

3. Welcher Sperrfrist unterlagen die freigegebenen Akten, war diese zum
Zeitpunkt der Freigabe abgelaufen, oder was hat die Bundesregierung sonst
zur Freigabe bewogen?

4. Wann genau wurde die Deklassifizierung der BND-Akten zu Walther Rauff
abgeschlossen, und wann wurden die Akten an das Bundesarchiv überge-
ben?

5. Wann genau wurden die Akten an die Springer-Verlag GmbH bzw. das Ma-
gazin „DER SPIEGEL“ übergeben, haben diese Printmedien einen Antrag
auf Einsichtnahme gestellt, und wenn ja, wann?

6. Lagen Anträge zur Einsichtnahme auch von anderer Seite vor (wenn ja,
bitte die Namen der Medien, Forschungseinrichtungen und Stiftungen und
das Datum der Antragstellung nennen)?

7. Haben diese Einrichtungen, Medien oder Einzelpersonen zum selben Zeit-
punkt Einsicht in die freigegebenen Akten erhalten wie die Printmedien der
Springer-Verlag GmbH bzw. das Magazin „DER SPIEGEL“?

Wenn nein, warum nicht?

8. Ist die möglicherweise vorliegende Ungleichbehandlung von Medienver-
tretern nach Auffassung der Bundesregierung mit Artikel 5 des Grundge-
setzes sowie dem Zweck der Pressefreiheit vereinbar, eine freie Meinungs-
bildung zu gewährleisten?

9. Gibt es weitere Akten zur Zusammenarbeit des BND mit NS-Kriegsverbre-
chern, die aktuell freigegeben werden sollen, und nach welchen Kriterien
entscheidet die Bundesregierung hier?

10. Sieht die Bundesregierung in der in monatlichen Abständen erfolgenden
exklusiven Berichterstattung in ausgewählten Medien über die frühere Ver-
bindung des BND zu NS-Tätern eine sinnvolle Art der Vergangenheitsauf-
arbeitung, und wie begründet sich nach Auffassung der Bundesregierung
diese scheibchenweise Form der Aufklärung?

11. Wurde das Schreiben an den Abgeordneten Jan Korte, in dem er über die
Aktenfreigabe informiert wurde, vom Bundeskanzleramt oder vom BND
als „VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ klassifiziert, und wel-
cher Nachteil ergäbe sich für die Bundesrepublik Deutschland oder ihre
Länder, wenn bekannt werden würde, ob und wann der Abgeordnete
Einsicht in die Akte Rauff nehmen darf und in welchem Zustand diese sich
befindet?

Berlin, den 4. Oktober 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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