BT-Drucksache 17/7188

Der älter werdenden Gesellschaft gerecht werden - Barrieren in Wohnungen und im Wohnumfeld abbauen

Vom 28. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7188
17. Wahlperiode 28. 09. 2011

Antrag
der Abgeordneten Daniela Wagner, Elisabeth Scharfenberg, Tabea Rößner,
Markus Kurth, Bettina Herlitzius, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Dr. Valerie Wilms,
Cornelia Behm, Harald Ebner, Hans-Josef Fell, Kai Gehring, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Der älter werdenden Gesellschaft gerecht werden – Barrieren in Wohnungen
und im Wohnumfeld abbauen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Angebot an barrierefreiem und barrierearmem Wohnraum liegt in Deutsch-
land weit unter dem Bedarf. Ältere Menschen und Menschen mit einer körper-
lichen Beeinträchtigung haben häufig Schwierigkeiten, bedarfsgerechten Wohn-
raum zu finden. Nicht zuletzt der demographische Wandel erfordert weitrei-
chende Anpassungen des deutschen Wohngebäudebestandes. Das Bundes-
ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) geht davon aus,
dass derzeit weniger als 500 000 Wohnungen altersgerecht gestaltet sind. Barri-
erefreiheit bei Neubauten und Barrierereduktion im Gebäudebestand finden im-
mer noch zu wenig Berücksichtigung. Dabei wird kurzfristig ein zusätzlicher
Bedarf von rund 2,5 Millionen barrierefreien bzw. barrierearmen Wohnungs-
angeboten prognostiziert, der bis 2030 auf drei Millionen ansteigen soll. Den
Berechnungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
zufolge ist für diesen umfassenden Umbauprozess ein Investitionsvolumen von
39 Mrd. Euro nötig, wohingegen der spezifische Mehraufwand zur Erreichung
des altersgerechten bzw. barrierefreien Zustands bei rund 18 Mrd. Euro liegen
soll.

Vor diesem Hintergrund muss das Programm „Altersgerecht Umbauen“ der
KfW Bankengruppe dringend fortgeführt werden.

Die Studie „Wohnen im Alter – Marktprozesse und wohnungspolitischer Hand-
lungsbedarf“ (2011) im Auftrag des BMVBS belegt eindrucksvoll, vor welchen
Herausforderungen die regional stark differenzierten Wohnungsmärkte in
Deutschland stehen. Die demographischen Daten basieren auf der „12. koordi-

nierten Bevölkerungsvorausberechnung“ des Statistischen Bundesamtes, die
Wohnraumprognosen auf der BBSR-Wohnungsmarktprognose 2025 vom
BBSR. Demnach wird bis 2030 die Anzahl der über 65-Jährigen auf 22,3 Mil-
lionen steigen. Der gesellschaftliche Alterungsprozess wird darüber hinaus von
den Hochbetagten, also den über 80- Jährigen dominiert. Diese Bevölkerungs-
gruppe wird bis 2030 von derzeit rund 4,1 Millionen auf 6,4 Millionen und bis

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2050 sogar auf zehn Millionen Menschen anwachsen. Auch die Zahl der Men-
schen mit Behinderung steigt seit Jahren an. Neben alten Menschen kommt auch
ihnen ein barrierefreier und rollstuhlgerechter Wohnraum zu Gute.

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass derzeit 93 Prozent der über 65-Jährigen
in einer allgemein üblichen Wohnung, nur 7 Prozent in Sonderwohnformen wie
Heimen (4 Prozent), betreuten Wohnformen (2 Prozent) und sogenannten Alten-
wohnungen (1 Prozent) leben. Obwohl die Bevölkerung seit 2004 schrumpft,
steigt vor allem die Anzahl der Einpersonenhaushalte und somit die Wohnfläche
pro Person signifikant an. Insbesondere Haushalte mit mobilitätseingeschränk-
ten Bewohnerinnen und Bewohnern bedürfen Wohnungsgrößen von mindestens
40 m2 (Einpersonenhaushalte) und 60 m2 (Zweipersonenhaushalte), da diese
häufiger auf Grund ihrer Bewegungshilfen auch größere Bewegungsflächen be-
nötigen.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention wird
die Frage des barrierefreien und rollstuhlgerechten Wohnungsbestandes ver-
stärkt relevant. In der Konvention ist sehr deutlich formuliert, dass behinderte
Menschen nicht gezwungen werden dürfen, in besonderen Wohnformen wie
Behindertenwohneinrichtungen zu leben. Um die freie Wahl des Wohnorts für
Menschen mit einer Beeinträchtigung tatsächlich zu verwirklichen, bedarf es
einer ausreichenden Zahl an Angeboten jenseits von Heimen. Das Vorhan-
densein von barrierefreiem und rollstuhlgerechtem Wohnraum ist für diese Ent-
wicklung grundlegend.

Über die Hälfte der Seniorenhaushalte leben in Gebäuden, die zwischen 1949
und 1980 gebaut wurden. Hälftig verteilt sich auch die Nutzung von Wohnraum
zwischen Mieterinnen und Mietern sowie selbstnutzenden Eigentümern. Die
Wohneigentumsquote ist mit 48 Prozent um 7 Prozent deutlich höher als im
bundesweiten Durchschnitt (ca. 41 Prozent). In homogenen Wohnquartieren,
hinsichtlich ihres Baualters und ihrer Bewohnerstruktur, erreichen viele Be-
wohnerinnen und Bewohner gleichzeitig das Rentenalter bzw. ein hohes Alter.
Problematisch ist außerdem, dass diese Entwicklung oftmals mit einer Konzen-
tration einkommensschwacher Haushalte und einer Zunahme von älteren Be-
darfsgemeinschaften in Teilen solcher Wohnsiedlungen zusammenfällt. Solche
Tendenzen lassen sich bereits heute im Rahmen der Evaluation des Stadtumbau-
programms Ost nachweisen. Diese finden sich vermutlich auch in strukturell
ähnlichen Wohnquartieren der alten Bundesländer.

Ältere Menschen wollen so lange wie möglich unabhängig leben. In der Regel
sind sowohl die Ansprüche als auch die Möglichkeiten der Senioren sehr unter-
schiedlich und stark abhängig vom verfügbaren Haushaltseinkommen. Nach der
aktuellen Befragung des TNS Emnid Medien- und Sozialforschung GmbH unter
anderem im Auftrag des BUNDESVERBANDES FREIER IMMOBILIEN-
UND WOHNUNGSUNTERNEHMEN E. V. und des Deutschen Mieterbundes
e. V. sind es 67 Prozent der Befragten, die im Alter von 70 Jahren eigenständig
und ohne Hilfe wohnen wollen. Mit Betreuungshilfe zu leben, allerdings in einer
„normalen“ Wohnung oder einem „normalen“ Haus, können sich 57 Prozent
vorstellen. Nur 15 Prozent sehen sich mit 70 Jahren in einem Pflegeheim oder
einer Seniorenresidenz. Vor die Wahl gestellt, ob sie lieber altersgerecht um-
bauen oder umziehen wollen, konnten sich 50 Prozent vorstellen, ihren Wohn-
raum altersgerecht umzugestalten. Die hohe Veränderungsbereitschaft lässt sich
auch in der Studie des BMVBS wiederfinden. Hier ist rund ein Viertel der Be-
fragten für den Erhalt ihrer Selbstständigkeit sogar zu einem Umzug bereit.

Neue, veränderte Wohnangebote sollten hinsichtlich Preisgestaltung, Service-
angebot, Ausstattung, zusätzlicher Pflegemöglichkeiten individuell konzipiert
werden. Nur ein kleiner Teil der Seniorenhaushalte ist in der Lage, für eine

altersgerechte und barrierearme Ausstattung zusätzliche Mittel aufzubringen.
Gerade weil nach allen Prognosen Altersarmut und die Zahl der Empfängerin-

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nen und Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit
in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird, brauchen wir eine bessere Ab-
sicherung gegen Armut im Alter (siehe dazu Bundestagsdrucksachen 17/2436
und 17/4046). Dies allein wird aber nicht ausreichen. Die Entwicklung eines
preiswerten Segments auf dem Wohnungsmarkt ist ebenso wichtig wie ein
altersgerechtes und barrierearmes Umfeld. Eine nachfrageorientierte, altersge-
rechte und barrierearme Bestandsentwicklung gelingt nur in Kooperation mit
den Grundstücks- und Wohnungseigentümern und muss eng mit den stadtent-
wicklungspolitischen, sozial-infrastrukturellen sowie energetischen Zielen ver-
bunden werden. Lokale Stadtentwicklungs- und Stadtumbaukonzepte sollten
mit Infrastrukturplanungen und der Entwicklung von Gemeindebedarfseinrich-
tungen verzahnt werden.

Angesichts des hohen Finanzierungsbedarfs und der fehlenden 2,5 Millionen
barrierefreien bzw. barrierearmen Wohnungen ist eine staatliche Förderung auf
Bundesebene über einen längeren Zeitraum unverzichtbar. Das Förderpro-
gramm der KfW Bankengruppe „Altersgerecht Umbauen“ ist dabei ein zentrales
Förderinstrument, um Haus- und Wohnungseigentümer bei notwendigen nach-
fragegerechten Umbaumaßnahmen zu unterstützen. Es startete am 1. April 2009
als Komponente des Wohnraummodernisierungsprogrammes und wird erst seit
Juni 2010 eigenständig geführt. Es ermöglicht die Zinsverbilligung eines Dar-
lehens sowie den Erhalt eines Investitionszuschusses. Wenngleich die Nachfrage
hinter dem eigentlichen Bedarf zurückbleibt, ist insbesondere die Zuschussva-
riante eine wichtige finanzielle Stütze für Haushalte mit älteren Bewohnerinnen
und Bewohnern. Im Bundeshaushalt 2010 wurden 100 Mio. Euro für das Pro-
gramm bereitgestellt und im Laufe des Jahres auf 90 Mio. Euro reduziert. Es
wurden insgesamt ca. 32 Mio. Euro abgerufen. Nach Angaben der Bundesregie-
rung wurden zwischen Januar 2010 und Februar 2011 insgesamt 3 580 Kredit-
anträge mit einem Gesamtvolumen von über 242 Mio. Euro für Maßnahmen in
23 000 Wohnungen/Eigenheimen bewilligt. Zwischen Mai 2010 und Februar
2011 wurden 4 000 Zuschüsse mit einem Volumen von 4 Mio. Euro für ca. 5 500
Wohnungen und Eigenheime gezahlt. Die Bundesregierung selbst hatte in der
Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Bundestagsdrucksache 17/1948) darauf verwiesen, dass sie das Kredit- und
Zuschussprogramm „Altersgerecht Umbauen“ der KfW Bankengruppe auch über
das Jahr 2011 verstetigen möchte. Allerdings ist im Entwurf für den Bundeshaus-
halt 2012 davon nichts mehr zu lesen. Das Programm soll abgewickelt werden.

Doch den Umbau allein dem privaten Sektor zu überlassen, wird nicht ausrei-
chen. Hier müssen Bundes- und Landesebene sowie die Kommunen zusam-
menarbeiten. Da nach der Föderalismusreform I die alleinige Gesetzgebungs-
kompetenz zur sozialen Wohnraumförderung an die Bundesländer übertragen
wurde, muss die Bundesregierung in den beratenden Gremien die Ergebnisse
ihrer bundesweiten Untersuchungen einbringen. Den Kommunen kommt beim
barrierefreien bzw. -reduzierenden Umbau darüber hinaus eine besondere Steu-
erungsfunktion zu. Gleichwohl führt deren zunehmende Finanzknappheit dazu,
dass die notwendigen Investitionen in diesem Bereich massiv zurückgefahren
werden. Dabei könnten die Kommunen Kosten durch altersgerechte Um- oder
Neubauten sparen, denn der längere Verbleib in den eigenen vier Wänden redu-
ziert im Alter die teure Heimversorgung, die im Kommunalhaushalt mitunter
deutlich defizitärer zu Buche schlägt. In vielen Städten mangelt es an einer kon-
sequenten Sozialraumplanung, die Entwicklungen, aber auch Kosten und Ein-
sparungen in den verschiedenen Politikbereichen in ihren Wechselwirkungen
betrachtet. Deshalb wird der barrierefreie bzw. barrierearme Umbau allein als
Kostenfaktor angesehen.

Drucksache 17/7188 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ an die prognostizierten An-
forderungen anzupassen, indem

a) es auch nach 2011 auf hohem Niveau fortgeführt und bedarfsgerecht ver-
stetigt wird,

b) die Zuschussvariante gegenüber der Kreditvariante gestärkt wird,

c) die Kombinationsmöglichkeiten mit der energetischen Gebäudemoder-
nisierung weiter ausgebaut und attraktiver gemacht werden, z. B. durch
einen niedrigeren Zinssatz oder einen höheren Zuschuss,

d) die Modalitäten der Antragstellung stärker an den Bedürfnissen der vor-
wiegend älteren Antragsteller ausgerichtet und über verschiedene Medien
die Zielgruppen erreicht werden,

e) es regelmäßig evaluiert und die Handhabbarkeit für die Zielgruppen
überprüft sowie die Hintergründe für unterdurchschnittliche Inanspruch-
nahme eruiert werden;

2. weitere zusätzliche und ergänzende Investitionsanreize zu setzen, um den
barrierefreien Umbau zu fördern sowie diese zielgruppengerecht über ver-
schiedene Medien zu informieren;

3. das Informations- und Beratungsangebot zum barrierearmen bzw. barriere-
freien Wohnen deutlich auszubauen, indem

a) eine gezielte Informationskampagne initiiert wird, in der über die gesund-
heitliche sowie gesellschaftliche Bedeutung von barrierearmem bzw. bar-
rierefreiem Wohnraum hingewiesen wird,

b) die Öffentlichkeit, insbesondere private Eigentümer, Bauherrengemein-
schaften und kommerzielle Immobilienunternehmen, direkter über den
Zugang zu staatlichen Fördermitteln auf Bundes- und Landesebene infor-
miert werden,

c) das akteurs- und ressortübergreifende Informationsangebot stärker in die
Beratungs- und Informationsaktivitäten der einzelnen Programmlinien
der Städtebauförderung integriert wird,

d) Handlungsempfehlungen für kostengünstige Umbaumaßnahmen gegeben
werden,

e) Pflegeberaterinnen und Pflegeberater, die eine Beratung gemäß § 7a des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) vornehmen, über die aktuellen
Fördermöglichkeiten, die über das SGB XI hinausgehen unterrichtet und
bei Bedarf geschult werden;

4. in der länderübergreifenden Fachkommission „Recht des Wohnungswesens“,
an der auch das BMVBS beteiligt ist, darauf hinzuwirken, dass

a) die soziale Wohnraumförderung durch die Länder an die Erstellung von
barrierefreiem Wohnraum geknüpft wird,

b) die barrierearme bzw. barrierefreie Bauweise beim Neubau verpflichtend
in die Landesbauordnungen aufgenommen wird,

c) bei der Überarbeitung der Musterbauordnung die neuen Anforderungen
an Barrierefreiheit bei Neubau und Umbau und deren Umsetzung effek-
tiver kontrolliert werden,

d) Wohngebäude mit mehr als einer Wohnung in allen Bundesländern von
der Möglichkeit einer „Genehmigungsfreistellung“ oder einem „verein-

fachten Baugenehmigungsverfahren“ ausgeschlossen werden,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7188

e) die Anforderungen und Grundsätze von barrierefreiem Planen und Bauen
in die Architektenausbildung und in die Gesellen- und Meisterausbildung
von Handwerksberufen aus dem Baugewerbe aufgenommen und entspre-
chende Weiterbildungsangebote geschaffen werden,

f) die Kommunen Unterstützung finden, wenn sie freiwillig auf Basis einer
intensiven Beobachtung der relevanten Stadtentwicklungsindikatoren
(Monitoring), eines integrierten Stadtentwicklungskonzepts (INSEK) und
einer gegebenenfalls zielgruppengenauen und gesamtstädtisch ausgerich-
teten Wohnbedarfsanalyse eine priorisierende Steuerungsfunktion für den
Wohnungsmarkt übernehmen, damit sie verstärkt instrumentelle, plane-
rische und wohnumfeldbezogene Rahmenbedingungen für einen barriere-
freien und barrierearmen Umbau von Stadtquartieren schaffen können;

5. den für barrierefreien Wohnungsbau und Stadtentwicklung maßgeblichen
DIN-Normen (DIN 18040-2, DIN 32975 und DIN 32984) in Planung und
Bau mehr Geltung zu verleihen, indem

a) die Städtebaufördermittel auch an die barrierearme Anpassung der
Städte, Quartiere und Wohngebäude geknüpft werden,

b) die Einhaltung der DIN 18025 für „Betreutes Wohnen“ als maßgebliches
Qualitätskriterium vorauszusetzen ist;

6. im Gespräch mit den Bundesländern weitere Konzepte für den barrierefreien
bzw. barrierearmen sowie rollstuhlgerechten Umbau in denkmalgeschützten
Gebäuden zu erarbeiten;

7. dem Deutschen Bundestag einen regelmäßigen Bericht über den Stand des
barrierearmen bzw. barrierefreien Umbaus des Gebäudebestandes vorzu-
legen und diesen mit den demographischen Entwicklungen in den Regionen
abzugleichen, damit die staatlichen Förderprogramme entsprechend ange-
passt werden können.

Berlin, den 28. September 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 2

Zu Buchstabe e

Damit die bestehenden Förderprogramme auf ihre Wirksamkeit und Verbrei-
tung sowie Bekanntheit untersucht werden, muss eine eingehende Analyse er-
folgen. Ziel ist, die Ursachen für Investitionshemmnisse zu finden und zu be-
seitigen. Mit den Ergebnissen können die Förderprogramme verbessert werden.
Möglicherweise sind sie zu wenig bekannt, das Interesse an barrierefreiem Um-
oder Neubau bei privaten Bauherren zu wenig ausgeprägt oder der verblei-
bende Eigenanteil für selbige in Kombination mit der fehlenden gesetzlichen
Verpflichtung zum barrierefreien oder -reduzierenden Um- oder Neubau Grund
für die zurückhaltende Inanspruchnahme. Sollte dies den Tatsachen entspre-
chen, müssen Anreizformen und geltende gesetzliche Regelungen überdacht
werden. Orientierung bei der Anpassung von Anreizstrukturen und gesetz-
lichen Rahmenbedingungen könnte der Bereich der energetischen Gebäudesa-

nierung bieten. Gegebenenfalls müssen auch die Zielgruppen differenzierter
adressiert werden. Neben den Älteren sollten vor allem jüngere Menschen an-

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gesprochen werden, die mögliche spätere Bedürfnisse an Barrierefreiheit jetzt
noch nicht bedenken.

Zu Nummer 3

Zu Buchstabe a

Neben dem KfW-Programm muss begleitend das Thema „Wohnen im Alter“ in
der Öffentlichkeit angesprochen werden. Es muss verdeutlicht werden, dass ein
barrierearmer Wohnraum vor Unfällen schützt und somit auch einen präventi-
ven Charakter hat.

Zu Buchstabe e

Im Pflegeweiterentwicklungsgesetz wurde 2009 festgeschrieben, dass alle Pfle-
geversicherten einen Anspruch auf eine kostenfreie und unabhängige Pflegebe-
ratung haben. Diese Beratung wird von den entsprechenden Pflegekassen wahr-
genommen. Kassenübergreifende Beratungsangebote und auch die Übertra-
gung dieser Aufgabe an Dritte sind möglich. Im Rahmen der Beratung erfasst
der Pflegeberater, die Pflegeberaterin systematisch den Hilfebedarf und erstellt
einen individuellen Versorgungsplan mit allen erforderlichen Leistungen. Nach
Aussage des Verbandes der Privaten Krankenversicherung sind die am häufigs-
ten gestellten Fragen während des Erstkontakts Fragen zum Umbau der Wohn-
umgebung sowie zur Finanzierung der Pflege. Somit sind die Pflegeberaterin-
nen und Pflegeberater wesentliche Schlüsselfiguren und Türöffner. Es ist we-
sentlich, dass diese Beratungspersonen auch Kenntnisse über weitere Förder-
programme haben, damit sie dem individuellen Beratungsanspruch gerecht
werden können.

Zusätzlich kann das Einsparpotential für die Pflegeversicherung je nach Miete
zwischen 1 600 Euro und 1 900 Euro pro Monat liegen, wenn anstatt einer sta-
tionären Pflege die Unterbringung in einer barrierearmen Wohnung kombiniert
mit einer ambulanten Pflege erfolgt.

Zu Nummer 4

Um die bundesweiten Untersuchungsergebnisse und deren Schlussfolgerungen
an die Bundesländer weiterzugeben, ist die länderübergreifende Fachkommis-
sion „Recht des Wohnungswesens“ eine geeignete Plattform, da hier die Bun-
desregierung beteiligt ist.

Zu Buchstabe a

Seit der Förderalimusreform I erhielten die Bundesländer die alleinige Gesetz-
gebungskompetenz zur sozialen Wohnraumförderung. Der Bund zahlt jährlich
Kompensationsmittel in Höhe von 518 Mio. Euro bis mindestens 2013. Danach
muss geprüft werden, ob diese Höhe bis 2019 weiterhin erforderlich und ange-
messen ist (Artikel 143c des Grundgesetzes). Nach der Studie „Fortführung der
Kompensationsmittel für die Wohnraumförderung“ im Auftrag des BMVBS
wächst insbesondere die Zahl der Haushalte mit älteren und behinderten Men-
schen, die Hilfe auf dem Wohnungsmarkt benötigen. Somit bildet die Bereit-
stellung von barrierefreiem bzw. barrierereduzierem Wohnraum gerade in die-
sem Wohnraumsegment ein zentraler Förderbereich.

Zu Buchstabe d

In mehreren Bundesländern können Wohngebäude von der regulären Bauge-

nehmigung ausgenommen werden. Bei einer „Genehmigungsfreistellung“ oder
einem „vereinfachten Baugenehmigungsverfahren“ müssen die Antragsteller

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lediglich nachweisen, dass sie die Voraussetzungen nach § 62 der Musterbau-
ordnung erfüllen sowie den kommunalen Bebauungsplan einhalten. Es findet
nur eine eingeschränkte Überprüfung des Bauvorhabens statt.

Zu Buchstabe e

Die Ausbildung für barrierefreies sowie barrierearmes Bauen sollte nicht nur in
den akademischen Disziplinen, sondern auch in den Handwerksberufen stärker
verankert werden, weil sich die Bauherren häufig direkt an die Handwerker
wenden.

Zu Nummer 5

Zu Buchstabe b

Das betreute Seniorenwohnen ist eine besondere Wohnform zwischen der pri-
vaten Häuslichkeit und einer stationären Wohn- und Unterbringungsform. Be-
gründet auf der weitgehend fehlenden rechtlichen Grundlage im Bereich des
Betreuten Wohnens für ältere Menschen gibt es bis heute keine klaren Anforde-
rungen an dieses Konzept. Es existieren unterschiedliche Qualitätssiegel und
mitunter länderspezifische Vorstöße, die keinerlei Rechtsverbindlichkeit auf-
weisen. Es sollte darauf hingewirkt werden, dass die Barrierefreiheit und Roll-
stuhlfähigkeit des Wohnraums eine Grundvoraussetzung für die Bezeichnung
„Betreutes Wohnen“ sind.

Zu Nummer 5

Zudem müssen dringend weitergehende Konzepte zum barrierefreien und roll-
stuhlgerechten Umbau in denkmalgeschützten Wohneinheiten entwickelt wer-
den. Diese sind vielfach aufwendiger und teurer als Umbaumaßnahmen im
nicht denkmalgeschützten Gebäudebestand oder Neubau und stoßen hinsicht-
lich der Rechtsvorschriften im Bereich des Denkmalschutzes an ihre Machbar-
keitsgrenzen.

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