BT-Drucksache 17/6990

Erfolgloser Feldtest mit Körperscannern in Hamburg

Vom 14. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6990
17. Wahlperiode 14. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann,
Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Erfolgloser Feldtest mit Körperscannern in Hamburg

Am 31. Juli 2011 endete der Feldtest von Körperscannern am Flughafen Ham-
burg. Die ursprünglich für sechs Monate geplante Erprobung wurde am
30. März 2011 um weitere vier Monate verlängert, weil die Geräte unnötig
Alarm schlugen und zu sensibel auf Eigenschaften der Kleidung (wie z. B. Fal-
tenwurf) reagierten. Ende August 2011 verkündete das Bundesministerium des
Innern (BMI), nach Auswertung der Ergebnisse der Erprobungsphase habe der
Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, von der Einführung von
Körperscannern abgesehen, da sie sich nicht als praxistauglich erwiesen hätten.
Sie hätten unnötig Alarme ausgelöst, die laut Pressemitteilung des BMI in der
Regel auf Eigenschaften der Kleidung (wie z. B. Faltenwurf) zurückzuführen
waren. In einem Bericht des „FOCUS“ vom 31. August 2011 wird ein Mitar-
beiter des BMI zitiert, dass außerdem Schweißflecken und Taschentücher
Alarme auslösten. Solche Fehlalarme, zitiert die Zeitung Kreise des BMI, hätte
es bei 49 Prozent der Kontrollen gegeben, in 15 Prozent der Fälle sei der Alarm
berechtigt gewesen, wogegen in 5 Prozent der Fälle nicht geklärt werden
konnte, aus welchem Grund Alarm ausgelöst wurde. Bei 31 Prozent der kon-
trollierten Personen sei kein Alarm ausgelöst worden. Ob die Scanner in diesen
31 Prozent der Fälle richtig lagen, wurde nicht durch Nachkontrollen überprüft
(Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. vom 15. März 2011, Bundestagsdrucksache 17/5025), hierzu liegen
also keine Daten vor. Auch wurde nicht geprüft, ob verschiedene illegale Sub-
stanzen unter Realbedingungen detektiert und anschließend von den Luft-
sicherheitsassistentinnen und -assistenten gefunden worden wären (ebenda).

Kurz vor Beginn der Erprobungsphase der Körperscanner am Flughafen Ham-
burg wurde bekannt, dass die italienische Regierung nach einem sechsmonati-
gen Versuch von der Einführung dieser Technik Abstand nahm. Der Grund für
die damalige Entscheidung war derselbe, aus dem der Bundesminister des
Innern nun von der Einführung von Körperscannern absieht. Die Kontrollen
dauerten zu lange. Nach einer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 17/3789) wurden
die Geräte in Mailand und Rom mit einer „im Vergleich zu den Geräten in
Hamburg älteren Softwarekonfiguration“ betrieben, die erzielten Ergebnisse

würden die „mit der aktuellen Software erreichbare Leistungsfähigkeit der Kör-
perscanner“ nicht repräsentieren. Da sich nun herausgestellt hat, dass auch die
in Hamburg getestete Softwarekonfiguration nicht funktioniert, stellt sich die
Frage, ob das Scheitern des Versuchs in Hamburg nicht vorhersehbar gewesen
ist, ab wann sich dieses Scheitern abgezeichnet hat und ob man die Verschwen-
dung von Mitteln durch die Durchführung bzw. Verlängerung des Versuchs an
dieser Stelle nicht hätte verhindern können. Vor allem, da diese Mittel in ande-

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ren Bereichen wie dem der Frachtkontrollen, die nach Aussagen der Bundesre-
gierung einer „Anpassung an die tatsächliche Bedrohungslage“ bedürften, eher
gebraucht würden, während sich die Luftsicherheitskontrollen in der EU
„grundsätzlich auf einem hohen Standard“ befänden (Bundestagsdrucksache
17/3789).

Zu diversen Einzelfragen der Fraktion DIE LINKE. hat die Bundesregierung in
ihren Antworten auf die Kleinen Anfragen auf Bundestagsdrucksachen 17/3789,
17/5025 und 17/5929 mit Verweis auf die Ergebnisauswertung am Ende des
Feldtests nicht geantwortet. Da der Test nun beendet und ausgewertet worden
ist, müsste die Bundesregierung nun in der Lage sein, auf diese Fragen zu ant-
worten, zumal der Abschlussbericht dem Deutschen Bundestag nicht vorliegt
(Stand 13. September 2011).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Treffen die o. g. Aussagen zur Häufigkeit von unnötigen Alarmen (also
durch z. B. Schweißflecken, Taschentücher, Faltenwurf der Kleidung oder
unruhiges Verhalten der Testpersonen ausgelöste Detektionen), berechtig-
ten Alarmen und Alarmen mit ungeklärter Ursache zu?

2. Worauf wurde dieses Verhalten der Scanner letzten Endes zurückgeführt
(auf die Software, auf Hardwareprobleme, auf die Strahlentechnik, auf Be-
dienerprobleme, auf klimatische und bauliche Bedingungen etc.)?

3. Welche illegalen Gegenstände wurden bei den o. g. 15 Prozent der freiwil-
ligen Testpersonen entdeckt, und in wie vielen Fällen kam es zu strafrecht-
lichen Konsequenzen?

4. Wie wurde in den 5 Prozent der Fälle vorgegangen, in denen nicht geklärt
werden konnte, was den Alarm auslöste (durften die Personen passieren,
wurde eine nachträgliche Problemanalyse veranlasst)?

5. Wie hat sich die Häufigkeit von unnötigen Alarmen im Verlauf des Feld-
versuchs verändert (bitte nach Monaten aufschlüsseln)?

6. Wie lange dauerte die Abfertigung an scannergestützten Flugsicherheits-
kontrollpunkten im Vergleich zu herkömmlichen (vgl. Bundestagsdruck-
sache 17/3789), konnte im Verlauf des Versuchs eine Verbesserung der
Abfertigungszeit erreicht werden, und wie stellt sich die Abfertigungszeit
an den Scannerkontrollpunkten im Verlauf des Versuchs dar (bitte nach
Monaten aufschlüsseln)?

7. Wie lange war die durchschnittliche und die maximale Wartezeit pro Passa-
gier?

8. Wurde der Bundesminister des Innern über den gesamten Verlauf des Feld-
versuchs wie geplant alle vier Wochen informiert (vgl. Bundestagsdruck-
sache 17/3789), und wenn ja, was beinhalteten diese Informationen kon-
kret, wurden sie bearbeitet oder lediglich zur Kenntnis genommen?

9. Zu welchem Zeitpunkt führte der Probebetrieb in Hamburg zu Erkenntnis-
sen über technische Schwachstellen der Geräte, der Software oder über
Probleme im Kontrollablauf (vgl. Bundestagsdrucksache 17/3789)?

10. Trifft es zu, dass im Dezember 2010 der Anteil der Scannerkontrollen, bei
denen der Alarm unnötigerweise – also durch z. B. Schweißflecken,
Taschentücher, Faltenwurf der Kleidung etc. – ausgelöst wurde, bei
75 Prozent lag, wie der „FOCUS“ am 13. Dezember 2010 berichtete?

11. Wenn ja, welche Erkenntnisse standen zu diesem Zeitpunkt noch der

Schlussfolgerung entgegen, dass diese „Technik ein totaler Reinfall“ ist,
wie der „FOCUS“ einen „hochrangigen Sicherheitsbeamten“ am 13. De-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6990

zember 2010 zitierte, und wer ordnete die Fortsetzung der Erprobung kon-
kret an?

12. Zu welchem Zeitpunkt hat die Bundesregierung erkannt, dass die geteste-
ten Körperscanner nicht praxistauglich sind?

13. Wie oft wurde der Hersteller im Verlauf des Versuchs von wem aufgefor-
dert, die Software der Körperscanner zu verbessern oder zu modifizieren,
und wie schlugen sich diese Aufforderungen in den (in Frage 8) genannten
Berichten an den Bundesminister des Innern nieder?

14. Welche Aspekte wurden bei der Erprobung von Körperscannern außer der
Detektionsleistung von wem (Personen, Institutionen, Institute, For-
schungsbereich) besonders untersucht?

15. Welche Erkenntnisse für den Kontrollablauf wurden durch arbeitspsycho-
logische Untersuchungen gewonnen?

16. Wie unterscheidet sich das Verhalten des Luftsicherheitspersonals an scan-
nergestützten Kontrollen von dem an herkömmlichen Kontrollpunkten?

17. Wie hoch sind die Gesamtkosten für den Feldversuch mit Körperscannern
am Flughafen Hamburg einschließlich aller Begleitstudien?

18. Welcher Betrag war mit der Herstellerfirma L-3 Communications für Ge-
räte, Software, Support, etc. zu Beginn des Feldversuchs vertraglich ver-
einbart, und welcher Betrag wurde bzw. wird der Firma ausgezahlt?

19. Hat die Bundesregierung den Betrag wegen mangelhafter Leistungen redu-
ziert?

20. Hat die Bundesregierung Rückzahlungsansprüche oder Schadensersatzan-
sprüche wegen mangelhaft bzw. nicht erbrachter Leistungen geprüft, und
wenn nicht, warum nicht?

21. Welche Personal- und Sachkosten sind in der Forschungs- und Erprobungs-
stelle der Bundespolizei in Lübeck bis heute im Bereich Körperscanner an-
gefallen?

22. Werden die im Rahmen der Erforschung und Erprobung von Körperscan-
nern in der Forschungs- und Erprobungsstelle der Bundespolizei gewonne-
nen Erkenntnisse mit dem Unternehmen L-3 Communications geteilt?

23. Ist das Unternehmen L-3 Communications an den im Rahmen der Erfor-
schung und Erprobung von Körperscannern anfallenden Kosten beteiligt?

24. Trifft es zu, dass die Körperscanner zukünftig in der Forschungs- und Er-
probungsstelle der Bundespolizei in Lübeck weiterentwickelt werden sol-
len, und wenn ja,

a) welche Kosten sind hierfür angesetzt,

b) unter welcher Aufgabenstellung erfolgt die Weiterentwicklung,

c) ist das Erprobungsverfahren ergebnisoffen,

d) für wie lange ist diese Laborphase angesetzt,

e) wie viel Personen arbeiten mit welcher Stundenzahl daran,

f) welche und wie viele nicht zur Bundespolizei gehörenden Personen sind
auf Grund welcher Sachverhalte in diese Arbeit involviert?

25. Wenn die Forschung zu Körperscannern bei der Bundespolizei fortgesetzt
werden soll, ist der Hersteller L-3 Communications daran beteiligt, und
wenn ja, in welcher Art und Weise?

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26. Besteht zum jetzigen Zeitpunkt ein Vertragsverhältnis zwischen der Bun-
desrepublik Deutschland und L-3 Communications, und wenn ja, für
welche Leistungen, für welchen Zeitraum und mit welchem Finanz-
volumen oder ist ein solches in Vorbereitung?

27. An welchen Verträgen, Projekten, Studien, Forschungen und Erprobungen
waren L-3 Communications oder ihre Töchter für die Bundesregierung seit
Januar 2001 tätig, und welche Kosten sind der Bundesregierung dadurch
jeweils entstanden (bitte konkret auflisten)?

28. Hält die Bundesregierung am Vorhaben, auf den Flughäfen der Bundes-
republik Deutschland Körperscanner einzuführen, fest, und zieht sie dabei
auch den Einsatz von Geräten mit nichtionisierender Strahlung mit Fre-
quenzen im Terahertzbereich in Betracht?

29. Zu welchem Zweck und mit welchem Ziel wurden die auf Bundestags-
drucksache 17/3789 benannten Forschungsvorhaben (u. a. zu gentoxischen
Effekten) zur Wirkung von Terahertzstrahlung in Auftrag gegeben, und
kann eine gesundheitliche Gefährdung durch Terahertzstrahlung anhand
der bisher vorliegenden Ergebnisse ausgeschlossen werden?

30. Welche Alternativen zu Körperscannern sieht die Bundesregierung zur
Erhöhung der Sicherheit an den Fluggastkontrollen, und welche alternati-
ven Methoden, Konzepte oder Verfahren haben bundesdeutsche Sicher-
heitsbehörden in den letzten zehn Monaten zur Erhöhung der Sicherheit an
den Fluggastkontrollen erarbeitet?

31. Wie viele Passagiere nahmen an der im Rahmen des Feldversuchs am
Flughafen Hamburg durchgeführten Akzeptanzstudie teil, und über wel-
chen Zeitraum wurden Passagiere für die Studie befragt?

32. Wurde die Akzeptanzbefragung vor der Körperscannerkontrolle inkl. even-
tueller Nachkontrollen des Passagiers oder danach durchgeführt?

33. Entsprach die Durchführung und Auswertung dieser Studie wissenschaft-
lichen Kriterien, und durch wen wurde dieser Standard gewährleistet bzw.
überprüft?

34. War die Teilnahme an der Studie freiwillig?

35. Wenn ja, mit welchen Mitteln und Fragen ermittelt die Studie die Gründe,
aus denen Testpersonen nicht an der Studie teilnehmen wollten?

36. Haben im Rahmen der Erprobung Menschen mit medizinischen oder kos-
metischen Hilfen (wie z. B. künstlichen Darmausgängen, Windeln, Prothe-
sen, Toupets) die scannergestützten Kontrollspuren benutzt?

37. Wurden im Rahmen der durchgeführten Akzeptanzbefragung Menschen
mit medizinischen oder kosmetischen Hilfen (wie z. B. künstlichen Darm-
ausgängen, Windeln, Prothesen, Toupets) nach ihrer Meinung zu und ihren
Erfahrungen mit der Körperscannerkontrolle befragt?

a) Wenn ja, wie haben diese Menschen die Kontrollen beurteilt?

b) Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 13. September 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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