BT-Drucksache 17/6942

Flughafen Berlin Brandenburg: Flugrouten, Lärmauswirkungen

Vom 7. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6942
17. Wahlperiode 07. 09. 2011

Große Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Sabine Leidig, Herbert Behrens,
Dr. Dietmar Bartsch, Eva Bulling-Schröter, Dr. Dagmar Enkelmann, Diana Golze,
Stefan Liebich, Thomas Lutze, Petra Pau, Sabine Stüber, Halina Wawzyniak und
der Fraktion DIE LINKE.

Flughafen Berlin Brandenburg: Flugrouten, Lärmauswirkungen

Der Flugverkehr ist unter den motorisierten Verkehrsarten diejenige mit den
höchsten Wachstumsraten. Weltweit gab es zwischen 1990 und 2010 eine Stei-
gerung des Flugverkehrs um das Zweieinhalbfache. Rund 40 Prozent dieses
Weltflugverkehrs erfolgt über kurze und mittlere Distanzen (regionaler Flugver-
kehr, womit Flugverkehre innerhalb der USA, innerhalb Europas usw. gemeint
sind). Auf deutschem Boden gab es 1975 (Bundesrepublik Deutschland und
DDR) 30 Millionen Fluggäste. 2008 waren es mit 130 Millionen Fluggästen gut
viermal mehr.

Auch der reine Inlandsflugverkehr weist hohe Wachstumsraten auf. 1980 wur-
den in (West-)Deutschland 8,7 Millionen Inlandsflüge (mit vier Milliarden Per-
sonenkilometern) zurückgelegt. 2008 waren es in der Bundesrepublik Deutsch-
land mit 18,2 Millionen Flügen gut doppelt so viele Flüge mit einer fast dreimal
größeren Leistung. Dies steht in deutlichem Kontrast zum Schienenpersonen-
fernverkehr, der in Deutschland seit 1993 stagniert. Die Folge ist ein schnell stei-
gender Anteil des Flugverkehrs an der gesamten (inländischen) Personenver-
kehrsleistung. 1991 lag der Anteil des Flugverkehrs an der Binnenverkehrsleis-
tung bei 2,6 Prozent, 2008 waren es bereits 5,6 Prozent.

Die meisten Prognosen – so diejenigen der Flugzeugindustrie – gehen von einer
weiteren Verdopplung des Flugverkehrs im Zeitraum 2010 bis 2025 aus. Dabei
soll das Wachstum des regionalen Flugverkehrs überproportional sein. Für diese
Perspektive werden neue Flughäfen und neue Start- und Landebahnen gebaut.

Die Steigerung des Flugverkehrs hängt in erheblichem Maß mit den niedrigen
und im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte deutlich gesunkenen Ticketpreisen
zusammen. Diese wiederum ist das Ergebnis einer umfassenden Subventionie-
rung des Flugverkehrs (in Form von staatlich getragenen Verlusten vieler Air-
ports, der staatlich finanzierten Infrastruktur, der Steuerfreiheit bei Kerosin, der
hohen staatlichen Zuschüsse für die Flugzeugbauer Boeing, EADS/Airbus).

Der Flugverkehr entwickelt sich zunehmend zu einem Faktor, der die gesetzten

Klimaziele torpediert. So konnten in der EU im Zeitraum 1990 bis 2008 die Ge-
samtemissionen der Treibhausgase bei Ausklammerung des Transportsektors
weitgehend stabil gehalten werden. Deutlich angestiegen sind in diesem Zeit-
raum jedoch die Treibhausgasemissionen des Transportsektors. Dabei stiegen
innerhalb des Transportsektors die dem Flugverkehr zugeschriebenen Emissio-
nen um 80 Prozent, diejenigen des Straßenverkehrs um 25 Prozent. Die Treib-

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hausgasemissionen des Schienenverkehrs hingegen konnten im gleichen Zeit-
raum um 50 Prozent reduziert werden.

Der Flugverkehr hat erhebliche negative Folgen für das Wohlbefinden und die
Gesundheit vieler Menschen. In Deutschland klagen bereits vier Millionen Bür-
gerinnen und Bürger über „äußerst starke Belästigung“ und über „starke Störung
und Belästigung“ durch Fluglärm; weitere 7,2 Millionen fühlen sich durch Flug-
lärm „mittelmäßig gestört“. Eine umfangreiche, durch den Epidemiologen
Prof. Eberhard Greiser durchgeführte Studie im Großraum Köln, bei der Daten
von mehr als einer Million Versicherten ausgewertet wurden, zeigte, dass die ge-
sundheitlichen Folgen des Fluglärms von einem Dauerschallpegel von 40 dB(A)
an linear steigen. Fluglärm wird in dieser Studie als mitverantwortlich für
Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Krebserkrankungen
gesehen (www.umweltbundesamt.de).

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP heißt es: „Neben einer Ka-
pazitätsentwicklung der Flughäfen werden wir insbesondere international wett-
bewerbsfähige Betriebszeiten sicherstellen. Die dazu erforderliche Präzisierung
im Luftverkehrsgesetz soll eine gleichberechtigte und konsequente Nachhaltig-
keitsabwägung von wirtschaftlichen, betrieblichen und dem Lärmschutz ge-
schuldeten Erfordernissen auch bei Nachtflügen sicherstellen.“ In diesem Sinn
will die Bundesregierung das Luftverkehrsgesetz (LuftVG) so ändern, dass
Nachtflugverbote faktisch aufgehoben werden bzw. dass die – von den Men-
schen vielerorts als unzureichend empfundenen – Nachtflugbeschränkungen an
deutschen Flughäfen deutlich reduziert werden können.

Nach vielfältigen Auseinandersetzungen zwischen den Flughafenbetreibern in
München, Frankfurt am Main und Halle/Leipzig und den örtlichen Bürgerinitia-
tiven für Nachtflugverbote in diesen Regionen gibt es seit Herbst 2010 eine wei-
tere Auseinandersetzung zum Thema Fluglärm und Nachtflugverbot, aber auch
um den Vertrauensschutz, den Bürgerinnen und Bürger genießen sollten. Der für
den Flughafen Berlin Brandenburg (BER) gültige Planfeststellungsbeschluss
vom 13. August 2004 ging von Flugroutenplanungen aus, die sich nur unwesent-
lich von den für den Flughafen Berlin Schönefeld (SXF) bisher gültigen Flug-
routen mit Geradeausstarts unterschieden. In der Sitzung der Fluglärmkommis-
sion am 6. September 2010 wurden hingegen von der DFS Deutsche Flugsiche-
rung GmbH davon deutlich abweichende Flugrouten für den BER präsentiert.
Viele der von den veränderten Flugrouten potenziell betroffenen Städte und Ge-
meinden waren nicht in das Planfeststellungsverfahren für den BER einbezogen,
obwohl sie nach zwischenzeitlichen Planungen inmitten der Flugkorridore
lagen. In der Folge gründete sich eine Vielzahl von Bürgerinitiativen in den be-
troffenen Städten und Gemeinden.

In der abschließenden Sitzung der Fluglärmkommission am 4. Juli 2011 präsen-
tierte die DFS daraufhin einen neuen Vorschlag mit noch einmal deutlich verän-
derten Flugrouten, durch die wieder andere Städte und Gemeinden betroffen wä-
ren. Viele von ihnen waren ebenfalls nicht in das Planfeststellungsverfahren
eingebunden und sind nicht einmal in der Fluglärmkommission repräsentiert.
Nach Angaben der DFS wären von den neuen Flugrouten 619 000 Menschen in
Berlin und Brandenburg als sogenannte Neubetroffene verstärktem Lärm aus-
gesetzt. Auch hier gründeten sich in der Folge neue Bürgerinitiativen. Seitdem
gibt es insbesondere in der Müggelseeregion mindestens wöchentlich Demons-
trationen. Diese gipfelten am 28. August 2011 in einer Menschenkette um den
Müggelsee mit 24 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Für September 2011
sind weitere Großdemonstrationen geplant. Endgültig festgesetzt werden Flug-
routen durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) im Benehmen
mit dem Umweltbundesamt (UBA) in Form einer Rechtsverordnung.

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Wir fragen die Bundesregierung:

1. Von welchem Szenario geht die Bundesregierung hinsichtlich der Entwick-
lung des Flugverkehrs in Deutschland bis 2025 aus?

Welches Wachstum erwartet sie jeweils hinsichtlich des internationalen
grenzüberschreitenden Flugverkehrs und welches hinsichtlich des Inlands-
flugverkehrs?

2. Welche Bedeutung für Langfristprognosen misst die Bundesregierung der
Tatsache bei, dass es in jüngerer Zeit mehrfach deutliche Einbrüche im
Flugverkehr bzw. eine kurzzeitige Stagnation in den weltweiten Krisen
2001/2002 (Rezession und SARS), 2008/2009 (Wirtschaftskrise) und 2010
(Ausbruch des Eyjafjallajökull) gab?

3. Sieht die Bundesregierung einen Anlass für die Annahme, dass absehbare
Krisen der Weltwirtschaft, wie sie sich heute bereits für 2012 abzeichnen,
Einfluss auf die Entwicklung des Flugverkehrs haben?

4. Von welchen Erwartungen (Flugpassagierentwicklung und Entwicklung der
Zahl der Flüge pro Jahr) geht die Bundesregierung bei der Entwicklung des
Flugverkehrs auf dem BER bis zum Jahr 2025 aus?

5. Wie viele der Flüge von und zu den beiden heutigen Berliner Flughäfen sind
Inlandsflüge (bitte um tabellarische Auflistung in Schritten von jeweils
100 km Entfernung und getrennt für beide Flughäfen)?

6. Wie viele der Flüge finden von und zu Zielen statt, die mit der Bahn schon
jetzt in höchstens sechs Stunden erreichbar sind bzw. nach Realisierung al-
ler Maßnahmen des Bedarfsplans Schiene in maximal sechs Stunden er-
reichbar wären?

7. Wie sieht die Energiebilanz für diese Flüge über kurze und mittlere Distan-
zen im Verhältnis zur Bahn aus?

8. Sind Biokraftstoffe (Agrosprit) nach Ansicht der Bundesregierung eine Lö-
sung für die Problematik des rasant steigenden Anteils des Luftverkehrs an
den Treibhausgasemissionen (bitte mit Begründung)?

Gibt es aus Sicht der Bundesregierung weitere alternative Treibstoffe für
den Luftverkehr?

Wenn ja, welche sind das und warum?

9. Wie viele der Flüge von und nach Berlin hält die Bundesregierung unter Be-
rücksichtigung des möglichen Ersatzes durch das ökologischere und das
Klima deutlich weniger belastende Verkehrsmittel Bahn für verzichtbar?

Mit welcher Anzahl von Flügen am BER wäre dann noch zu rechnen?

10. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Inlands- und übrige
Kurzstreckenflugverkehre auf die Bahn zu verlagern und somit sowohl er-
heblich Energie einzusparen als auch die klimaschädigende Wirkung des
Luftverkehrs stark zu vermindern?

11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die ungleiche Besteue-
rung des Flug- und des Bahnverkehrs aufzuheben?

Welche Maßnahmen sind darüber hinaus geplant, um das ökologischere
Verkehrsmittel Bahn gegenüber dem Flugverkehr zu begünstigen und damit
für die Fahrgäste attraktiver zu machen?

12. Hält die Bundesregierung eine Entwicklung des BER zu einem internationa-
len Flughafen mit Drehkreuzfunktion für absehbar (bitte mit Begründung)?
13. Sind weitere Start- und Landebahnen geplant?

Von welchen Szenarien für die Entwicklung des Fluggastaufkommens geht
die Bundesregierung dabei aus?

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14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass mit dem Planfeststellungsbe-
schluss für den BER ein unabhängiger Parallelbetrieb bereits genehmigt
wurde (bitte mit Begründung)?

15. Ist die Bundesregierung wie das Ministerium für Infrastruktur und Land-
wirtschaft Brandenburg der Ansicht, dass es keine Auswirkungen auf die
Pistenkapazität bei einer Flugroutenregelung nach dem Modell der Aus-
nahmegenehmigung des Münchener Flughafens gäbe (siehe Landtag Bran-
denburg, Drucksache 5/3498 – www.mil.brandenburg.de)?

16. Wird die Bundesrepublik Deutschland als Anteilseigner der Flughafen
Berlin-Schönefeld GmbH (FBS)/Berliner Flughafen-Gesellschaft mbH
(BFG) zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Fluglärm konsequent
darauf drängen, dass der unabhängige Parallelbahnbetrieb nur zu Spitzen-
zeiten auf dem BER zur Anwendung kommt, wenn dadurch die Gesamt-
lärmbelastung sinkt?

Wenn ja, in welcher Art und Weise?

Wenn nein, warum nicht?

17. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein Betriebsmodell mit
nur temporär unabhängigem Parallelbetrieb zu keinen Einnahmeverlusten
führen würde?

Falls nein, wie hoch wären die Einnahmeverluste auf Basis der Umsatzpro-
gnose der FBS jeweils für 280 000, 300 000, 340 000 und 360 000 Flugbe-
wegungen pro Jahr?

18. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung für einen Verzicht auf planmäßige
Nachtflüge am BER in der Zeit von 22 bis 6 Uhr ein?

19. Wie viele außerplanmäßige Flugbewegungen hält die Bundesregierung
nachts an diesem Standort für verträglich (bitte mit Begründung)?

20. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die Nettofluglärmentlastung bezo-
gen auf den Nachtzeitraum zwischen 22 und 6 Uhr durch den BER wegen
der damit zusammenhängenden Stilllegung der innerstädtischen Flughäfen
Tempelhof und Tegel?

21. Teilt die Bundesregierung die von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
beim Landesparteitag der Berliner CDU am 13. Februar 2011 gemachte
Aussage (siehe DER TAGESSPIEGEL vom 14. Februar 2011 –
www.tagesspiegel.de): „Wenn das passiert, was jetzt beim BBI im Raum
steht, nämlich dass man den Menschen bestimmte Flugrouten in Aussicht
gestellt hat und anschließend macht man einfach etwas ganz anderes und
sagt plötzlich: nein, nein, April, April, das wird ganz anders – sage ich: So
etwas ist mit der CDU nicht zu machen.“?

Wenn nein, warum nicht?

22. Teilt die Bundesregierung die Forderung der Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel: „Die Verantwortlichen – bei der Flugsicherung oder wo auch im-
mer – haben die Verpflichtung, dass eine vernünftige Lösung gefunden wird
auf der Basis dessen, was versprochen wurde. Da darf es kein Wenn und
kein Aber geben.“ (ebenda)?

Wenn nein, warum nicht?

23. Haben nach Auffassung der Bundesregierung sogenannte Altbetroffene we-
niger Rechtsanspruch auf Lärmschutz als sogenannte Neubetroffene (bitte
mit Begründung)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6942

24. Teilt die Bundesregierung die Aussage des Bundesministers für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung Dr. Peter Ramsauer: „Die Abflugrouten, die dem
Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen Berlin Brandenburg (BBI) zu-
grunde lagen, müssen die Basis aller weiteren Planungen bilden.“ (DER
TAGESSPIEGEL vom 28. Oktober 2010, Berliner Morgenpost vom 28. Ok-
tober 2010)?

Wenn nein, warum nicht?

25. Teilt die Bundesregierung die Aussage des Bundesministers für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung Dr. Peter Ramsauer: „Die Bürger müssen sich
darauf verlassen können, was Politik und Verwaltung ihnen zehn Jahre lang
vorgelegt haben.“ (DER TAGESSPIEGEL vom 28. Oktober 2010, Berliner
Morgenpost vom 28. Oktober 2010)?

Wenn nein, warum nicht?

26. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage der Parlamentarischen
Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit, Katherina Reiche: „Das intensive Engagement der Bürge-
rinnen und Bürger vor Ort hat bereits zu vielen Verbesserungen geführt.“
(Antwort vom 16. August 2011 auf das Schreiben der Bürgerinitiative
Friedrichshagen „Bitte um Unterstützung – Keine Flugrouten über den
Müggelsee“)?

Welche Verbesserungen wurden erreicht (bitte detailliert auflisten)?

27. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Fluglärmkommission ein
gültiges Votum abgeben konnte, ohne dass ihr Lärmausbreitungskarten vor-
lagen, die die konkreten Gesamtlärmbelastungen aus An- und Abflügen
durch die verschiedenen zur Diskussion stehenden Flugrouten in den jewei-
ligen Ortslagen darstellen (bitte mit Begründung)?

28. Wird die Bundesregierung in Vertretung des Bundes als Gesellschafter der
FBS eine Gesellschaftermehrheit für den Verzicht auf eine Maximalauslas-
tung der Kapazitäten des BER anstreben, wenn dadurch eine deutliche
Lärmminimierung erreicht werden kann?

Wenn nein, warum nicht?

29. Hat die DFS jemals für den Standort Berlin und insbesondere den BER un-
tersucht, ob eine Erhöhung der Anzahl der Fluglotsen zur Durchführung
emissionsärmerer Anflugverfahren, wie zum Beispiel des CDA-Anflugver-
fahrens (CDA: Continuous Descent Approach – kontinuierlicher Sinkflug),
die Luftverkehrssicherheit steigert und gleichzeitig weniger Bürger mit
Fluglärm belastet?

Wenn ja, hat eine Abwägung der Prämissen Sicherheit, Gesundheit und
Wirtschaftlichkeit stattgefunden und mit welchem Ergebnis (bitte mit Be-
gründung)?

Wenn nein, befürwortet die Bundesregierung eine solche Untersuchung
(bitte mit Begründung)?

30. Hat die Bundesregierung über den Aufsichtsrat ihren Einfluss auf die Ent-
scheidungen der im ausschließlichen Eigentum der Bundesrepublik
Deutschland befindlichen und mit hoheitlichen Aufgaben zur Flugsiche-
rung beliehenen DFS geltend gemacht?

Wenn nein, warum hat die Bundesregierung darauf verzichtet, auf die Vor-
schläge der DFS im Sinne der Aussagen von Dr. Angela Merkel und
Dr. Peter Ramsauer Einfluss zu nehmen?

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31. Ist das der Dienst- und Fachaufsicht des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) unterstellte BAF bei Entscheidungen
über die Festsetzung von Flugrouten weisungsgebunden (bitte mit Begrün-
dung)?

32. Welche Abwägungskriterien dienen in welcher Gewichtung dem UBA als
Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der von der DFS vorgeschlage-
nen Flugrouten?

33. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Vorgehen der DFS, ihren
Vorschlag der Müggelseeroute ohne Ankündigung erst in der abschließen-
den Sitzung der Fluglärmkommission am 4. Juli 2011 zu verkünden, ohne
dass sich die Betroffenen hierzu noch äußern konnten, den grundlegenden
Regeln der demokratischen Gesellschaft und dem politischen Vertrauens-
schutz entspricht?

Wenn ja, warum?

34. Wie beurteilt die Bundesregierung die durch den letztlichen Flugroutenvor-
schlag der DFS erfolgte Missachtung des durchgehend den Protokollen der
Sitzungen der Fluglärmkommission zu entnehmenden Wunsches, die Über-
querung des Müggelsees als bedeutsame Wohn- und Erholungsregion Ber-
lins zu vermeiden?

35. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das BAF die Müggelseeroute
nicht gegen eine Empfehlung des Umweltbundesamtes festlegen sollte?

Wenn nein, warum nicht?

36. In welcher Art und Weise führten in der Vergangenheit die Stellungnahmen
bzw. Einwände des UBA zu einer Änderung welcher Flugrouten auf wel-
chen Flughäfen?

37. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die von der DFS vorgeschla-
gene Flugroute über den Müggelsee gegen die Richtlinie 92/43/EWG des
Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie
der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstößt?

Wenn nein, warum nicht?

38. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es durch die Anwendung
unterschiedlicher Kriterien im Südosten und Südwesten Berlins für die An-
setzung von Mindestflughöhen zu einer mehrfachen Verletzung des Gleich-
heitsgrundsatzes und der Anwendung des Prinzips der gerechten Verteilung
bei An- und Abflugrouten kommt?

Wenn nein, warum nicht?

39. Welche Kriterien für die Mitgliedschaft von Anrainerkommunen in Flug-
lärmkommissionen hält die Bundesregierung nach den Erfahrungen um den
BER zukünftig für sinnvoll?

40. Wie beurteilt die Bundesregierung die derzeitige Zusammensetzung der
Fluglärmkommission für den BER?

41. Wird sich die Bundesregierung beim BAF für eine Routenalternative einset-
zen, die durch das Umfliegen dicht besiedelter Gebiete die Müggelsee-
region, Erkner und die Havelseegemeinden entlastet?

Wenn nein, warum nicht?

42. Wird den Mitgliedern der Fluglärmkommission eine Karte mit den Gesamt-
belastungen aus An- und Abflügen der geplanten Flugrouten so rechtzeitig
zur Verfügung gestellt werden, dass sie vor Erlass der Rechtsverordnung
noch Änderungsvorschläge einbringen können?
In wessen Verschulden lag das bisherige Unterbleiben der Veröffentlichung
solcher Lärmdaten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/6942

43. Sieht die Bundesregierung in der von der DFS am 4. Juli 2011 vorgestellten
Ostwindabflugroute über den Großen Müggelsee einen Verstoß gegen das
Lärmschutzgebot aus § 29b Absatz 2 LuftVG?

Wenn nein, warum nicht?

44. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit einer Anflugschleife
westlich von Werder (zwischen den Städten Werder und Brandenburg) über
sehr dünn besiedeltem Gebiet und der Heranführung an diese Schleife in
großer Höhe, wie dies von Bürgerinitiativen vorgeschlagen wurde, und
damit analog zu den heutigen schwerpunktmäßigen Anflugrouten zum
Flughafen Tegel (TXL)?

45. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit von Geradeausabflügen
bis westlich von Werder und dann erst abknickend, wie dies von Bürgerini-
tiativen vorgeschlagen wurde?

46. Werden bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Routenalternativen durch
die DFS auch die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die durch Fluglärm
belasteten Unternehmen, Selbständigen und abhängig Beschäftigten be-
rücksichtigt?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, in welcher Art und Weise?

47. Prüft die DFS aktuell alternative Routen?

Wenn ja, bis zu welchem Termin muss die DFS die Prüfung der Alternativen
vorlegen?

Wenn nein, prüft das BAF aktuell Alternativen?

Um welche Alternativen handelt es sich im Einzelnen?

48. Wird der Zwischenbericht des BAF, der am 26. September 2011 vorgelegt
werden soll, gleichzeitig den Anfang 2012 per Rechtsakt festzulegenden
Endstand darstellen (bitte mit Begründung)?

49. Wurde in Erwägung gezogen, ergänzend eine Prüfung durch das Bundes-
ministerium für Gesundheit vorzunehmen, bei der die konkreten, laut Plan-
feststellungsbeschluss verfügten passiven Schallschutzmaßnahmen (Schutz-
zonen und Schutzziele) im Zusammenhang mit den konkreten, vorgeschla-
genen Flugrouten auf ihre Auswirkungen auf die Anwohner beurteilt werden
(bitte mit Begründung)?

50. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des brandenburgischen Minister-
präsidenten Matthias Platzeck, dass der BER hinsichtlich seiner lärmrele-
vanten Grenzwerte und seiner allgemeinen Verkehrsregelungen zu den um-
welt- und sozialverträglichsten Flughäfen in Europa gehören wird (bitte mit
Begründung) (siehe Lokalanzeiger für die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow
vom 14. Oktober 2009, Seite 4 – www.blankenfelde-mahlow.de)?

51. Werden nach der Vorstellung des Zwischenberichtes noch Änderungsvor-
schläge seitens der DFS oder der Fluglärmkommission vom BAF angenom-
men (bitte mit Begründung)?

52. Hat die DFS das Flugroutenregime strikt aus den Vorgaben des Planfeststel-
lungsbeschlusses von 2004 abgeleitet (bitte mit Begründung)?

Drucksache 17/6942 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

53. Berücksichtigt die Planung der DFS bereits Kapazitäten weiterer Ausbau-
stufen des BER, die im Planfeststellungsverfahren von 2004 noch nicht ent-
halten sind?

54. Ist der Bundesregierung bekannt, dass das Erfordernis von um 15 Grad di-
vergierenden Flugrouten bei zeitgleichen Starts im Erörterungstermin im
Jahr 2001 von der Bundesvereinigung gegen Fluglärm thematisiert wurde
und der Vorhabenträger damals erklärte, dass zeitgleiche Starts nur sehr sel-
ten („so gut wie nie“) notwendig werden und keine Auswirkungen auf die
Lärmschutzzonen haben würden?

55. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass ein Umfliegen Berlins durch die
von der Nordbahn startenden Flugzeuge mit Zielen im Norden, wodurch
eine maximale Entlastung der Berliner Bevölkerung vom Fluglärm erreicht
werden könnte, eine Abwägung zwischen dem Gesundheitsinteresse der
Bevölkerung und dem Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung
notwendig macht (bitte mit Begründung)?

56. Welches Entlastungs- bzw. Belastungspotential haben folgende konkrete
An- und Abflugrouten, und wie groß sind deren Entlastungs- bzw. Belas-
tungswirkungen für Gemeinden und Regionen im Umfeld des Flughafens:

a) doppelte Südabkurvung (doppelte Hoffmannkurve) insbesondere außer-
halb der Spitzenzeiten;

b) einfache Hoffmannkurve von der Südbahn bei Starts nach Westen;

c) gekurvte Anflüge von Süden her auf beide Landebahnen bei Landungen
aus dem Osten;

d) einfache Hoffmannkurve von der Südbahn und Verlängerung der Start-
route entlang der Autobahn 13 und Abkurvung nach Westen, nach der
Autobahnanschlussstelle nach Osten zwischen der Anschlussstelle
Groß-Köris und der Anschlussstelle Teupitz?

57. Wann und durch wen wurde die Schätzung für die Kosten des passiven
Lärmschutzes gemäß dem Planfeststellungsbeschluss, bei der Kosten in
Höhe von 140 Mio. Euro ermittelt wurden, vorgenommen?

58. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die passiven Schallschutzmaß-
nahmen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Flughafens ihre Schutz-
funktionen bereits in vollem Umfang erfüllen müssen, oder geht die Bun-
desregierung davon aus, dass das Fehlen von Schallschutzmaßnahmen zu
diesem Zeitpunkt ein im juristischen Sinne heilbarer Mangel ist (bitte mit
Begründung)?

59. Wie hoch sind die einzukalkulierenden Kosten für Ausgleichszahlungen
wie eine sogenannte Lärmrente für all diejenigen Betroffenen, die bis zur In-
betriebnahme des BER durch den Betreiber nicht mehr mit Schallschutz-
maßnahmen ausgestattet werden können (bitte nach verschiedenen Ortsla-
gen aufschlüsseln)?

60. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die für den BER geplanten Start-
und Landeentgelte lärmintensive Flugzeuge im Vergleich zu den Entgelt-
ordnungen anderer Flughäfen, wie insbesondere des Flughafens Frankfurt
am Main, durch geringere Entgelte bevorzugt?

Welche Flugzeugmuster werden am Standort Schönefeld im Vergleich zum
Flughafen in Frankfurt am Main hinsichtlich der programmabhängigen Ent-
gelte privilegiert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/6942

61. Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung als Anteilseigner der FBS?

Stehen Wirtschaftlichkeit, Daseinsvorsorge und das Erreichen der Klima-
schutzziele für die Bundesregierung als gleichberechtigte Ziele nebeneinan-
der, oder sind sie priorisiert, und wenn ja, wie?

62. Ist der Bundesregierung bekannt, dass das im Planergänzungebeschluss
zum Nachtschutzkonzept 2009 festgelegte Nachtschutzniveau – sechsmal
über 55 dB(A) – weniger Lärmschutz bedeutet als das bereits 2004 be-
schlossene Tagschutzniveau – keine Maximalpegel über 55 dB(A)?

Wie bewertet die Bundesregierung dies?

Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Nachtruhe weniger schüt-
zenswert ist als die Ruhe am Tage?

63. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung, unverzüglich mit dem
Gesundheitsmonitoring für den BER zu beginnen, um einen aussagekräfti-
gen Vergleich der Belastungen vor und nach der Inbetriebnahme des Flug-
hafens zu erhalten?

64. Inwieweit hat sich die Bundesregierung bei den anderen Gesellschaftern des
BER bereits für einen unverzüglichen Beginn des Gesundheitsmonitorings
eingesetzt, oder ist sie von diesen dazu aufgefordert worden?

65. Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, die Ergebnisse eines so durchge-
führten Gesundheitsmonitorings als Grundlage zur weiteren Planung und
Umsetzung von Lärmschutz- und anderen Maßnahmen zu nehmen?

66. Unterstützt die Bundesregierung Forderungen betroffener Bürgerinnen und
Bürger zur finanziellen Unterstützung bei der Errichtung von Wintergärten
oder Gewächshäusern in den Gebieten, in denen eine Nutzung des Außen-
bereichs aufgrund von Fluglärm und anderen Belastungen durch den Flug-
verkehr kaum noch möglich sein wird?

67. Was plant die Bundesregierung, um im Fluglärmgesetz bei eingeschränkter
Nutzung von Außenbereichen einen Anspruch auf angemessene finanzielle
Entschädigung gesetzlich zu verankern?

68. Wie hat sich die Bevölkerung in den Umlandgemeinden des BER seit 1990
entwickelt (bitte die demographische Entwicklung in Fünfjahresschritten
für alle Ortslagen bis zu einer Entfernung von 12 km zum BER angeben)?

Berlin, den 7. September 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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