BT-Drucksache 17/6919

Anerkennung ausländischer Abschlüsse tatsächlich voranbringen

Vom 6. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6919
17. Wahlperiode 06. 09. 2011

Antrag
der Abgeordneten Krista Sager, Memet Kilic, Ekin Deligöz, Katja Dörner,
Kai Gehring, Agnes Krumwiede, Monika Lazar, Tabea Rößner, Till Seiler und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Anerkennung ausländischer Abschlüsse tatsächlich voranbringen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen und Qualifikatio-
nen in Deutschland muss dringend reformiert und auf eine neue, umfassende
rechtliche Grundlage gestellt werden. Ungleiche Zugangschancen zu Anerken-
nungsverfahren, Zuständigkeitswirrwarr und unterschiedliche Standards für die
Anerkennung dürfen nicht länger der Grund dafür sein, dass Menschen an ihre
vorhandenen Berufsqualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht ent-
sprechend ihrer Qualifikation anknüpfen können.

Seit der Veröffentlichung des Nationalen Integrationsplans 2007 wird politisch
darum gerungen, wie die Anerkennung ausländischer Qualifikationen verbessert
werden kann. Die Vorlage des von der Bundesregierung lang angekündigten Ge-
setzentwurfs zur verbesserten Anerkennung von im Ausland erworbenen Be-
rufsqualifikationen (Bundestagsdrucksache 17/6260) war längst überfällig. Die
Umsetzungsvorschläge der Bundesregierung reichen allerdings nicht aus, um
die bisherigen Defizite im Bereich der Anerkennung tatsächlich zu überwinden.
Zwar ist der Ansatz im Gesetzentwurf richtig, künftig einen allgemeinen, das
heißt für alle Personen mit ausländischen Berufsabschlüssen geltenden Rechts-
anspruch auf Zugang zu Feststellungsverfahren über die Gleichwertigkeit mit-
gebrachter Qualifikationen zu verankern. Der Entwurf beseitigt das Kriterium
der Staatsangehörigkeit als Sperre für den Berufszugang in den meisten Berei-
chen und als Voraussetzung für den Zugang zum Anerkennungsverfahren. Mit
Blick auf die allgemeinen Regelungen des Gesetzes (Artikel 1 – Berufsqualifi-
kationsfeststellungsgesetz – BQFG) ist auch zu begrüßen, dass sich Maßnahmen
zum Ausgleich festgestellter wesentlicher Unterschiede zwischen deutscher und
ausländischer Qualifikation nur auf die festgestellten Defizite beschränken sol-
len. Umso bedauerlicher ist es, dass dieses Prinzip dann in den Fachgesetzen
nicht durchgehalten wird.

Zudem ist der in den Eckpunkten der Bundesregierung vom 9. Dezember 2009

formulierte Anspruch, schnelle und transparente Anerkennungsverfahren zu
schaffen, deren Ergebnisse nach einheitlichen Kriterien zustande kommen und
bundesweit gültig sind, im Gesetzentwurf insgesamt nur unzureichend umge-
setzt. Der Gesetzentwurf muss daher in entscheidenden Punkten nachgebessert
werden. Darüber hinaus drohen erhebliche Probleme in der Umsetzung des Ge-
setzes, wenn im Anerkennungsverfahren für keine ausreichende Beratung und
Begleitung der Menschen mit ausländischen Abschlüssen gesorgt wird. Ohne

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rechtzeitige Vorkehrungen, mehr Angebote für Anpassungsqualifizierungen und
berufsbezogene Sprachkurse zur Verfügung zu stellen, wird zudem das eigentli-
che Gesetzesziel einer verbesserten Arbeitsmarktintegration von Menschen mit
ausländischen Qualifikationen sicher verfehlt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich Änderungen am Gesetzentwurf zur verbesserten Anerkennung von
im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen (Bundestagsdrucksache 17/6260)
im Sinne folgender Anforderungen vorzulegen:

1. Der Anspruch auf Beratung und Begleitung soll gesetzlich verankert werden.
Anerkennungsinteressierten und Antragstellern/Antragstellerinnen müssen im
Rahmen ihres Verfahrensanspruchs dezentral begleitende Beratungsangebote
unabhängiger Stellen offen stehen. Diese Angebote sollen Ratsuchende
unterstützen und sie individuell über Anerkennungsmöglichkeiten, Verfahren
und Zuständigkeiten informieren. Sie dienen den Betroffenen als Wegweiser
und Begleitung durchs Anerkennungsverfahren.

2. Um bundesweit einheitliche, transparente und qualitätsgeleitete Anerken-
nungsverfahren sicherzustellen, müssen an einer zentralen Stelle unter Feder-
führung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Strukturen zur
systematischen Qualitätsentwicklung geschaffen werden. Die Funktion die-
ser Stelle ist es, Qualitätsstandards für eine einheitliche Anerkennungs- und
Bewertungspraxis zu entwickeln. Durch diese Standards werden übergeord-
nete Anforderungen an die Bewertungskriterien, Verwaltungspraxis und Ver-
fahrensabläufe festgelegt. Zur Aufgabe der zentralen Stelle gehört es, die
Einhaltung der Standards regelmäßig zu überprüfen und sie fortzuentwickeln
und dadurch zur Qualitätssicherung der Anerkennungsverfahren beizutragen.
Dazu sollen bei dieser Stelle auch Informationen über die hierzulande durch-
geführten Anerkennungsentscheidungen zusammengeführt, ausgewertet und
Konsequenzen gezogen werden, zum Beispiel für Fortbildungsmaßnahmen
für die anerkennenden Stellen. Darüber hinaus muss an dieser Stelle das Wis-
sensmanagement stattfinden. Bei dieser Aufgabe geht es darum, die Infor-
mationen über ausländische Ausbildungsgänge und -abschlüsse zusammen-
zuführen. In diesem Rahmen soll auch ein entsprechendes Informationsportal
aufgebaut werden, das vorhandene Wissensbestände vernetzt und auf das die
anerkennenden Stellen zurückgreifen können.

3. Es muss eine fortlaufende externe Evaluierung des Gesetzes inklusive Be-
richtspflicht und wissenschaftlicher Begleitforschung verankert werden. Der
erste Bericht soll dem Bundestag zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes
vorgelegt werden; die weiteren Berichte erfolgen anschließend regelmäßig
einmal pro Legislaturperiode. Zum Zweck der Evaluierung sollen systema-
tisch statistische Daten erhoben werden, u. a. über Herkunftsländer, Aus-
gangsqualifikationen, Geschlecht und Alter der Antragstellerinnen und An-
tragsteller sowie über Dauer und Ergebnisse der Anerkennungsverfahren.

4. Zwischen den allgemeinen Regelungen in Artikel 1 BQFG und den fachge-
setzlichen Regelungen in den nachfolgenden Artikeln des Gesetzes muss
weitestgehende Widerspruchsfreiheit angestrebt werden. Dies muss insbe-
sondere gelten

a) für das Prinzip der wesentlichen Unterschiede als Maßstab bei der Fest-
stellung der Gleichwertigkeit,

b) für die ergänzende Berücksichtigung von Berufserfahrung beim Aus-
gleich wesentlicher Unterschiede sowie

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c) dafür, dass der Antragsteller/die Antragstellerin als Ausgleichsmaßnahme
für festgestellte wesentliche Unterschiede im Bereich reglementierter
Berufe wählen kann zwischen Absolvierung eines Anpassungslehrgangs
oder einer Eignungsprüfung, wobei sich beide auf die festgestellten
wesentlichen Unterschiede beschränken.

5. Die rechtlichen Zugangshindernisse für Ausländerinnen und Ausländer aus
Drittstaaten zum Beamtenverhältnis sind abzubauen; Ziel ist insoweit eine
Gleichbehandlung mit Unionsbürgern.

6. Der Rechtsanspruch auf Zugang zu Anerkennungsverfahren soll sich auch
auf Hochschulabschlüsse, die auf akademische Berufe im nicht reglemen-
tierten Bereich hinführen, erstrecken.

7. Anerkennungsverfahren sollten, nach einer halbjährigen Einführungsphase,
in der Regel innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Vorlage aller durch den
Antragsteller/die Antragstellerin beizubringenden Unterlagen abgeschlossen
sein. In begründeten, besonders schwierigen Ausnahmefällen darf die
Bearbeitungshöchstdauer bis zur Ausstellung des Bescheids über die Fest-
stellung der Gleichwertigkeit um höchstens einen Monat verlängert werden.
Gründe, die vom Antragsteller/der Antragstellerin weder zu vertreten noch
zu beeinflussen sind, dürfen zu keiner weiteren Fristverlängerung über
diese Bearbeitungshöchstdauer hinaus zu Lasten der Antragsteller führen.
Während des ersten halben Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes gilt eine
Bearbeitungshöchstdauer von sechs Monaten.

8. Im Gesetz ist explizit auszuschließen, dass die Länder bei der Durchführung
der Verfahren für die bundesrechtlich geregelten Berufe von dem im Ge-
setzentwurf geregelten Verwaltungsverfahren abweichen dürfen.

Darüber hinaus fordert der Bundestag die Bundesregierung auf,

in Zusammenarbeit mit den Ländern dafür Sorge zu tragen, dass

9. Kosten, die für Beratungsleistungen oder im Rahmen der Feststellungsver-
fahren anfallen, nicht zu Gebühren führen, deren Höhe Menschen mit
ausländischen Abschlüssen am Zugang zu einem Anerkennungsverfahren
hindert. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers/der An-
tragstellerin soll berücksichtigt werden;

10. Ratsuchenden und Antragstellern und Antragstellerinnen ein ausreichendes
Angebot an unabhängiger und dezentraler Beratung und Begleitung im Ver-
fahren zur Verfügung gestellt wird;

11. im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens das Angebot an Anpassungsquali-
fizierungen und Kursen für berufsbezogenes Deutsch ausgebaut und erwei-
tert wird. Eine Verankerung der berufsbezogenen Sprachförderung als
Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Dritten Buch Sozialgesetz-
buch (SGB III) und insbesondere im SGB II ist sicherzustellen;

12. geeignete Förderungsmöglichkeiten – z. B. im Rahmen eines Erwachsenen-
bildungsförderungsgesetzes oder anderer Förderprogramme – für die Kosten
der Anpassungsqualifizierung und ggf. auch für den Lebensunterhalt wäh-
rend der Qualifizierungsphase entwickelt und zugänglich gemacht werden;

13. die Länder für die landesrechtlich geregelten Berufe einen Rechtsanspruch
auf ein schnelles und transparentes Verfahren schaffen. Darüber hinaus
müssen die Länder dafür Sorge tragen, dass ihre Anerkennungsbescheide
für Berufe in Länderzuständigkeit bundesweit gelten und auf einheitlichen
Verfahrensstandards beruhen;

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14. das deutsche Aus- und Weiterbildungssystem so weiterentwickelt wird,
dass zunehmend echte Kompetenzfeststellungsverfahren und auch die An-
erkennung von Teilqualifikationen insgesamt ermöglicht werden;

15. sie sich gemeinsam mit den europäischen Partnern bei der Überarbeitung
der entsprechenden EU-Richtlinie für eine Weiterentwicklung der Anerken-
nung von Berufsqualifikationen einsetzt.

Berlin, den 5. September 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Deutschland hat bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen und Be-
rufsabschlüsse großen Nachholbedarf. Unzureichende Anerkennungsmöglich-
keiten grenzen zahlreiche gut qualifizierte Menschen von der gerechten Teilhabe
am Arbeitsmarkt, gesellschaftlichen Leben und wirtschaftlichen Wohlstand aus.
Dies ist nicht nur eine anhaltende Ungerechtigkeit für die Betroffenen, sondern
auch angesichts des bestehenden und sich verschärfenden Fachkräftemangels
sowie der negativen Folgen für Steuereinnahmen und Sozialsysteme inakzepta-
bel. Die Anerkennungsmöglichkeiten grundlegend zu verbessern, liegt damit
auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Der von der Bundesregierung vor-
gelegte Gesetzentwurf gibt trotz seines langen Vorlaufs noch keine überzeu-
gende Antwort darauf, wie die vorhandenen Probleme bei der Anerkennung be-
hoben werden sollen.

In den Anträgen „Brain Waste stoppen – Anerkennung ausländischer akademi-
scher und beruflicher Qualifikationen umfassend optimieren“ (Bundestags-
drucksache 17/123) und „Strategie statt Streit – Fachkräftemangel beseitigen“
(Bundestagsdrucksache 17/3198) hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
aufgezeigt, wie der Rechtsanspruch auf Zugang zu Anerkennungsverfahren
ausgestaltet sein sollte, um zu tatsächlichen Verbesserungen zu gelangen. Die
Bundesregierung greift diese Vorschläge in ihrem Gesetzentwurf aber nur halb-
herzig auf. Korrekturbedarf am Gesetzentwurf bestätigten auch die Sachverstän-
digen in der Bundestagsanhörung des federführenden Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung zum Gesetzentwurf am 6. Juli 2011.

Die Schwachstellen des Gesetzentwurfs beziehen sich vor allem auf die feh-
lende gesetzliche Verankerung eines Anspruchs auf begleitende Beratung, nicht
ausreichend sichergestellte Einheitlichkeit der Verfahren, unklare Strukturen für
Wissensmanagement und Qualitätssicherung, widersprüchliche Regelungen
zwischen den allgemeinen Regelungen des Berufsqualifikationsfeststellungsge-
setzes und den Festlegungen in den Fachgesetzen sowie Unklarheiten bei den
Bearbeitungsfristen zulasten der Betroffenen.

Zu Nummer 1

Begleitende Beratung ist unerlässlich, um den Weg durch das Anerkennungsver-
fahren effizient und erfolgreich zu gestalten. Dennoch enthält der Gesetzentwurf
keinen Anspruch der Betroffenen auf eine solche Beratung vor und während des
Verfahrens. Es ist nicht einsichtig, warum die im Eckpunktepapier der Bundes-
regierung vom Dezember 2009 enthaltene Idee von „Erstanlaufstellen“ nicht
konsequent weiterverfolgt wurde, zumal auch die in der Überarbeitung befind-

liche EU-Berufsanerkennungsrichtlinie ein System von Kontaktstellen vorsieht.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6919

Im Zuge der Schaffung eines allgemeinen Rechtsanspruches auf Zugang zu An-
erkennungsverfahren im Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz sollte ein ent-
sprechend allgemeiner Anspruch auf begleitende Beratungsangebote geschaffen
werden. Wo diese Serviceangebote institutionell im Einzelnen verortet sind,
kann landesspezifisch unterschiedlich sein. Wichtig ist, dass Antragsteller/-innen
eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene, qualifizierte und unabhängige Bera-
tung und Begleitung erhalten, die ihre individuelle Situation in den Blick nimmt.
Dies gilt v. a. auch unter dem Aspekt, dass sich der Zugang zu Anerkennungsver-
fahren nicht an der mutmaßlichen arbeitsmarktlichen Verwertbarkeit orientieren
soll oder z. B. daran, wie lange der Erwerb der ausländischen Qualifikation zu-
rückliegt. Faire Anerkennungschancen sind auch eine Frage der Wertschätzung
der Lebensleistung von Menschen. Die Unabhängigkeit der Beratungsangebote
ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass eine interessensneutrale Einzelfall-
beratung gewährleistet wird.

Zu Nummer 2

Der bisherige Gesetzentwurf gibt keine Antwort darauf, wer künftig für Quali-
tätssicherung, Einheitlichkeit und Fairness bei den Anerkennungsverfahren sor-
gen soll. Noch im Antrag der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP
„Ausländische Bildungsleistungen anerkennen – Fachkräftepotenzial ausschöp-
fen“ (Bundestagsdrucksache 17/3048) war die Rede davon, dass „für die aner-
kennenden Stellen gemeinsame Standards sowie nachvollziehbare Kriterien zur
Bewertung entwickelt werden [müssen], die bundesweit verbindlich sind.“
Gleichwohl fehlt der Gesetzesinitiative eine überzeugende Strategie zur Qua-
litätssicherung und -entwicklung bei Anerkennungsverfahren. Gemeinsame
Standards bilden die Voraussetzung dafür, dass bundesweit einheitliche Maß-
stäbe gelten und überprüft werden kann, ob diese Maßstäbe erreicht werden. Zur
Qualitätssicherung und -entwicklung gehört, dass Daten über die hierzulande
durchgeführten Verfahren und Anerkennungsergebnisse gesammelt und eva-
luiert werden. Auf dieser Basis werden Fallvergleiche möglich, können Fortbil-
dungen für die anerkennenden Stellen konzipiert und Nachsteuerungsprozesse
der Verfahren oder des Gesetzes eingeleitet werden. Ferner muss das für die
Anerkennungsverfahren wichtige Wissensmanagement vereinheitlicht und zu-
sammengeführt werden. Informationen über Bildungs- und Ausbildungssys-
teme anderer Länder und deren Bezüge zu deutschen Abschlüssen und Qualifi-
kationen müssen bereitgestellt werden, auch in Form eines Informationsportals.
Beides, Qualitätsentwicklung und verbessertes Wissensmanagement, trägt zur
verbesserten Effizienz von Anerkennungsverfahren entscheidend bei.

Zu Nummer 3

Regelmäßige Evaluation, Berichtspflicht und wissenschaftliche Begleitfor-
schung dienen der Qualitätskontrolle. Sie liefern die Grundlage für eventuell
notwendige gesetzliche Korrekturen oder untergesetzliche Nachsteuerungen
unter Berücksichtigung der Praxiserfahrungen.

Zu Nummer 4

Zentrale Regelungen in Artikel 1 des Gesetzentwurfs beschreiben eine neue
Systematik für Anerkennungsverfahren. Sie bieten richtige Ansatzpunkte für
eine Orientierung hin zu Kriterien einer fairen und transparenten Anerkennung.
Dazu gehören das Prinzip der „wesentlichen Unterschiede“ als Bewertungsmaß-
stab bei Gleichwertigkeitsfeststellungen, die Beschränkung von Ausgleichsmaß-
nahmen (Anpassungslehrgang und Eignungsprüfung) auf festgestellte wesent-
liche Unterschiede sowie, dass neben formalen Qualifikationen berufspraktisch

erworbene Erfahrungen bei der Gleichwertigkeitsfeststellung ergänzend berück-

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sichtigt werden müssen. Solche Regelungen tragen dem Umstand Rechnung,
dass Ausbildungen im Ausland nie identisch mit den hiesigen Ausbildungsgän-
gen und Abschlüssen sein werden, und deuten einen Perspektivwechsel an, weg
vom Defizitblick hin zu einer stärkeren Orientierung an vorhandenen Ressour-
cen der Menschen mit ausländischen Qualifikationen. Dieser notwendige Per-
spektivwechsel darf nicht dadurch konterkariert werden, dass die Prinzipien des
Berufsanerkennungsfeststellungsgesetzes, also Artikel 1 des Gesetzentwurfs,
durch Regelungen in nachfolgenden Artikeln in den Fachgesetzen unterlaufen
und ausgehebelt werden.

Zu Nummer 5

Der Gesetzentwurf beseitigt die Staatsangehörigkeit als Zugangshindernis z. B.
bei den ärztlichen Heilberufen. Es ist daher wenig konsequent, dass drittstaatsan-
gehörige Ausländerinnen und Ausländer – trotz des vielfach aus allen politischen
Lagern bekundeten Willens, ihnen einen erleichterten Zugang gewähren zu wol-
len – zum Beamtenverhältnis weiterhin nur bei einem „dringenden dienstlichen
Bedürfnis“ Zugang erhalten sollen (§ 7 des Bundesbeamtengesetzes – BBG).
Hinzuweisen ist darüber hinaus darauf, dass gegen diese restriktive Regelung in
einer Reihe von Konstellationen europarechtliche Bedenken bestehen (siehe
z. B. die Artikel 23, 24 der Richtlinie 2004/38 und Artikel 11 Absatz 1 der Richt-
linie 2003/109/EG). Das Europarecht gebietet in diesen Konstellationen eine
Gleichstellung mit Unionsbürgern. Anzumerken ist dabei, dass auch bei Unions-
bürgern nach wie vor, „wenn die Aufgaben es erfordern“ (gemeint ist damit der
Bereich hoheitlicher Amtstätigkeit im engeren Sinne; also etwa Polizeibeamte),
nach § 7 Absatz 2 BBG im Einzelfall der Zugang zum Beamtenverhältnis versagt
werden kann. Einen besseren Status sollen auch Drittstaatsangehörige nicht er-
halten. Es ist jedoch auch kein Grund ersichtlich, warum Drittstaatsangehörige
schlechter behandelt werden sollen.

Zu Nummer 6

Der Gesetzentwurf bezieht sich bislang nur auf ausländische Hochschulab-
schlüsse, soweit es um Berufe im reglementierten Bereich geht. Aus Gründen
der Verbesserung bei der Umsetzung der Lissabon-Konvention sollten bundes-
einheitliche Regelungen auch für die Anerkennung akademischer Abschlüsse
im nichtreglementierten Bereich gelten. Spätaussiedler/-innen mit akademischen
Qualifikationen im nichtreglementierten Bereich verfügen bereits heute über
einen Anspruch auf Prüfung der Gleichwertigkeit. Dies sollte auch für alle
anderen Zielgruppen gelten.

Zu Nummer 7

Das ehrgeizige Ziel der dreimonatigen Bearbeitungs- und Entscheidungsfrist,
das der Gesetzentwurf vorgibt, darf nicht durch zu weit gefasste Ausnahmen und
Sonderregelungen unterlaufen werden.

Zu Nummer 8

Der vorliegende Gesetzentwurf schließt nicht ausdrücklich aus, dass sich in den
Ländern bei der Anerkennung der bundesrechtlich geregelten Berufe abwei-
chende Verfahrensregelungen und Verfahrensstandards entwickeln. Ein explizi-
ter Ausschluss von abweichenden Regelungen ist aber wichtig, damit sich in den
Ländern keine verschiedenen Anerkennungspraktiken herausbilden bzw. wei-
terexistieren und die bundesweite Gültigkeit der Anerkennungsergebnisse nicht
in Frage gestellt wird. Ein Ausschluss von abweichenden Regelungen begründet

sich dadurch, dass dies wegen bundesweit einheitlicher Anerkennungsstandards
erforderlich ist.

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Zu Nummer 9

Gebühren dürfen nicht als Exklusionsmechanismen wirken. Es muss verhindert
werden, dass Betroffene durch auf sie zukommende Kosten von der Inanspruch-
nahme des Anerkennungsverfahrens abgeschreckt werden oder es zu unzumut-
baren Zugangserschwernissen kommt.

Zu den Nummern 10 bis 12

Ohne die erwähnten Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen
wird die tatsächliche Integration von mehr Menschen mit ausländischen Quali-
fikationen in den deutschen Arbeitsmarkt kaum gelingen.

Zu Nummer 13

Für die landesgesetzlich geregelten Berufe müssen die Länder am Vorbild des
Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes schnell entsprechende Verfahrensrege-
lungen treffen mit dem Ziel, Einheitlichkeit zu erreichen, statt föderale Zersplit-
terung zu Lasten der Betroffenen.

Zu Nummer 14

Die mitgebrachten ausländischen Qualifikationen und Berufsabschlüsse sind
sehr vielfältig. Auf dem Arbeitsmarkt sind die tatsächlichen Fachkompetenzen
und -erfahrungen einer Person entscheidend. Ob das Beschäftigungspotenzial
von Menschen mit ausländischen Qualifikationen sowohl von ihnen als auch
von Wirtschaft und Gesellschaft tatsächlich genutzt werden kann, hängt somit
zentral von der Frage ab, ob der Bildungstransfer gelingt. Das hiesige Aus- und
Weiterbildungssystem lässt insgesamt zu wenig Raum für die individuelle Fest-
stellung von Kompetenzprofilen, Lernergebnissen („learning outcomes“) oder
Anerkennung von Teilqualifikationen und informell erworbenen Qualifikatio-
nen. Verfahren zur Kompetenzfeststellung und die formale Anerkennung von
Teilqualifikationen aber sind eine Voraussetzung dafür, die vorhandenen Qua-
lifikationen anschlussfähig zu machen, gerecht zu bewerten und eventuelle An-
passungsbedarfe genau zu identifizieren. Das Aus- und Weiterbildungssystem
sollte sich vor diesem Hintergrund insgesamt stärker in Richtung Outcome-
Orientierung öffnen. Das würde auch dazu beitragen, die im Gesetzentwurf er-
öffneten Möglichkeiten, die die Bewertungsgrundlagen von Anerkennungsver-
fahren in Ausnahmefällen verbreitern, auszuschöpfen und zu erweitern. Laut
Gesetzentwurf ist es möglich, berufliche Fähigkeiten nicht nur durch formale
Zertifikate, sondern ergänzend durch Arbeitsproben, Fachgespräche, praktische
und theoretische Prüfungen und Gutachten nachzuweisen, wenn trotz erworbe-
ner Berufsausbildung schriftliche Nachweise fehlen oder nicht vollständig sind.
Von einer stärkeren Outcome-Orientierung des Aus- und Weiterbildungssystems
würden darüber hinaus auch Menschen mit inländischen Qualifikationen profi-
tieren.

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