BT-Drucksache 17/6837

Sanfter Ausbau der Donau im frei fließenden Abschnitt Straubing-Vilshofen

Vom 23. August 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6837
17. Wahlperiode 23. 08. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Sabine Stüber, Dr. Barbara Höll,
Ralph Lenkert und der Fraktion DIE LINKE.

Sanfter Ausbau der Donau im frei fließenden Abschnitt Straubing-Vilshofen

Der frei fließende Donauabschnitt Straubing-Vilshofen wird vom Bayerischen
Landesamt für Umweltschutz, Abt. Naturschutz und Landschaftspflege (25. Ja-
nuar 2005, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, DE7142301) als „he-
rausragendes Erhaltungsgebiet für Auen- und Stromtallebensräume“ und als
Gebiet mit „besonders artenreicher Fisch- und Weichtierfauna mit teils sehr sel-
tenen oder endemischen Arten“ bezeichnet. Es handelt sich bei diesem Gebiet
um ein „Europäisches Vogelschutzgebiet, das sich teilweise mit einem FFH-
Gebiet überschneidet“. Der „Erhalt eines ungestörten auetypischen Wasserhaus-
haltes, ausreichender Retentions- und Überschwemmungsbereiche“, und der
„Erhalt der auetypischen Vielfalt und Vernetzung an Lebensräumen und Klein-
strukturen“ (11. Februar 2008, NATURA 2000 Bayern, höhere Naturschutz-
schutzbehörde in Niederbayern) werden hier explizit gefordert. In diesem Zu-
sammenhang ist ein Ausbau dieses Donauabschnittes außerhalb der Variante A
(weiter optimierter Ist-Zustand, bei dem die bestehenden Regelungsbauwerke
ergänzt und erneuert und einzelne Flussausbaggerungen vorgenommen werden)
in Frage zu stellen. Hinzu kommt, dass lediglich die Ausbauvariante A eine öko-
logische Durchgängigkeit auch stromaufwärts gewährleisten kann (28. August
2008, Bund Naturschutz in Bayern e. V.). Die Bundesregierung bezeichnet in
der Bundestagsdrucksache 17/4207 den Beschluss des Deutschen Bundestages
von 2002, der einen „sanften“ Ausbau für die Donau fordert, dabei als „schlich-
ten Parlamentsbeschluss, der die Bundesregierung rechtlich nicht bindet“.

Seit 1976 ist die RMD Wasserstraßen GmbH (RMD) planende und durch-
führende Institution für den Ausbau der Donau von Regensburg bis Vilshofen
(Vertrag zwischen der Bundesregierung, dem Freistaat Bayern und der RMD
von 1976). Diese Institution ist eine Tochtergesellschaft der Rhein-Main-Donau
AG und damit seit dem 1. Januar 1995 zu fast 100 Prozent im Besitz von Ener-
gieversorgungsunternehmen.

Im Rahmen der Kategorisierung der Bundeswasserstraßen (28. April 2011,
2. Bericht des BMVBS an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages,
Haushaltsausschuss – Drucksache 2983 – 17. WP) ist die Donau auf dem Ab-
schnitt zwischen Straubing und Vilshofen als Vorrangnetz ≥ 10 Mio. t/Jahr ein-

gestuft. Dies sei laut dem ersten Bericht des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (24. Januar 2011, Bericht des BMVBS an
den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, Drucksache 17(15)165)
mit einem zügigen Ausbau und laut dem 2. Bericht des BMVBS mit erheblichen
Eingriffen verbunden.

Es hat sich gezeigt, dass nicht der Donauabschnitt zwischen Straubing und Vils-
hofen den Schiffsverkehr hemmt. Immer wieder auftretende Vereisungen des

Drucksache 17/6837 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Rhein-Main-Donau-Kanals und niedrige Brücken stellen z. B. laut Dr. Hubert
Weiger vom Bund Naturschutz in Bayern e. V. die eigentlichen Engpässe der
Donau dar (3. Januar 2011, PM des Bund Naturschutz e. V. „RMD-Kanal zeigt
sich als wahrer Engpass für die Schifffahrt“).

Schifffahrtsabgaben auf künstlichen Wasserstraßen (im Mittel 0,3 bis 0,4 Cent/tkm)
sind in der Binnenschifffahrt nicht mit berechnet, die Fahrplan-Trassenpreise
der Eisenbahn jedoch in den Selbstkosten der Güterzüge berücksichtigt. Nur auf
natürlichen Gewässern, die den Einsatz großer Schiffseinheiten mit einer Ab-
ladetiefe von deutlich mehr als 2,80 m gestatten, ist ein Vorteil der Binnenschiff-
fahrt nachweisbar. Derartige Fahr-Wasserverhältnisse liegen in Deutschland
praktisch nur auf dem Niederrhein unterhalb Duisburg-Ruhrort vor. (VCD Neue
Wege, Februar 2010, Dr. Rudolf Breimeier: „Binnenwasserstraßen: Die wirt-
schaftlichsten Transportwege?“)

Untersuchungen haben ergeben, dass die Schadstoff- und Klimabilanz der Bin-
nenschifffahrt hinter die der Bahn deutlich zurückfällt. Begründet wird diese
Aussage mit dem oft größeren Transportweg der Binnenschiffe, dem unter-
schiedlichen Kraftstoffverbrauch stromauf- und stromabwärts und dem insge-
samt größeren Schadstoffausstoß der Binnenschiffe gegenüber der Bahn, da
über 90 Prozent des Bahngüterverkehrs mit Elektroloks erfolgt (Dr. Gunnar
Gohlisch, Dr. Burkhard Huckestein, Stephan Naumann, Petra Röthke-Habeck:
„Umweltauswirkungen der Binnenschifffahrt. Ein Vergleich mit Lkw- und
Bahntransporten“, Internationales Verkehrswesen, Jg. 57, Nr. 4, 2005). Von Sei-
ten der Bundesregierung heißt es dagegen, dass „die aus Kohlendioxid-, Luft-
schadstoff- und Lärmemission gebildeten externen Kosten der Binnenschifffahrt
niedriger sind als die der Bahn“ (Bundestagsdrucksache 17/546).

Bayern steht laut der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) deutschlandweit
auf Platz 2 in der Anzahl der Staustufen. Führend ist Bayern im bundesweiten
Durchschnitt dabei in der Anzahl der „Dringlichkeit der Maßnahmen zur
Verbesserung der Durchgängigkeit“. Für potamodrome Fischbestände (Fische,
die ausschließlich im Süßwasser leben), die zum Teil in einem schlechten Er-
haltungszustand sind, ist eine Verbesserung der Durchgängigkeit der Donau
speziell in Straubing, Geisling und Regensburg vonnöten (20. August 2010,
„Herstellung der Durchgängigkeit an Staustufen von Bundeswasserstraßen“,
Bundesanstalt für Gewässerkunde, im Auftrag des BMVBS).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie lassen sich im Zusammenhang mit den Feststellungen des Bayerischen
Landesamtes für Umweltschutz vom 25. Januar 2005 und der höheren Natur-
schutzbehörde Niederbayern vom 11. Februar 2008 andere Ausbauvarianten
als die Variante A begründen?

2. Wann endet der Vertrag zwischen der RMD, der Bundesregierung und dem
Freistaat Bayern?

3. Wie sind die Ausstiegskonditionen des Vertrages?

4. Welche Auswirkungen hat die Einstufung des Donauabschnittes Straubing-
Vilshofen (Flusskilometer 2327,52 – 2249,16) seitens des BMVBS als Vor-
rangnetz?

5. Wie schätzt die Bundesregierung die Objektivität der RMD in Bezug auf den
Ausbau des genannten Donauabschnitts ohne Staustufen und Wasserkraft-
werk ein?

6. Wann und wie lange genau war der RMD-Kanal von 2005 bis heute wegen
Vereisung gesperrt?
7. War der RMD-Kanal ab 2005 noch aus anderen Gründen gesperrt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6837

8. Wann war das?

9. Welche Auswirkungen hatte das auf die Schifffahrt?

10. Wie hoch sind die einzelnen Donaubrücken genau?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage des Prof. Dr. Horst Hanusch
und Dr. Klaus-Norbert Münch (November 2001, Prof. Dr. Horst Hanusch,
Dr. Klaus-Norbert Münch: Donauausbau Straubing – Vilshofen, Zusam-
menfassende Stellungnahme zu verschiedenen Gutachten …), dass die
Mühlhamer Schleife maßgeblich die Schiffsfrequenz auf der Donau beein-
flusst?

12. Wie begründet die Bundesregierung den Bedarf für einen Ausbau des
Donauabschnitts außerhalb der Variante A bei einem Rückgang der Güter-
beförderung und des Güterumschlags durch die Binnenschifffahrt in Bayern
(Verkehr in Zahlen 2010/2011, BMVBS)?

13. Was geschieht mit dem Flusssediment, das nach Flussausbaggerungen
übrigbleibt?

14. Wie steht die Bundesregierung zu der Methode der Sedimentkonditionie-
rung (KSIS-Strategie – Keep Sediments In System), bei der anstelle der
Ausbaggerung der Schlick im Gewässer ohne chemische Zusätze verflüs-
sigt wird?

15. Wie schätzt die Bundesregierung die Kosten der Binnenschifffahrt gegen-
über dem Bahntransport ein, gerade in Bezug zur oben aufgeführten Aus-
sage von Dr. Rudolf Breimeier?

16. Wie sehen die „35 vorgezogenen Hochwasserschutzmaßnahmen“ (Bundes-
tagsdrucksache 17/4207) im Einzelnen aus?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussagen der Wissenschaftler des
Umweltbundesamtes, dass „die Schadstoff- und Klimabilanz der Binnen-
schifffahrt hinter die der Bahn deutlich zurückfällt“?

18. Aus welchem Gutachten geht die gegenteilige Aussage der Bundesregie-
rung hervor, dass die externen Kosten der Binnenschifffahrt niedriger sind
als die der Bahn (Bundestagsdrucksache 17/546)?

19. Wie steht die Bundesregierung einer Errichtung einer Stützschwelle in
Aicha und der damit verbundenen unmöglichen Fischwanderung stromauf-
wärts gegenüber?

20. Wann ist für die Schleuse in Straubing die Herstellung der ökologischen
Durchgängigkeit geplant?

21. Wie sehen die Pläne für die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit
in Geisling und Regensburg aus?

Berlin, den 22. August 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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