BT-Drucksache 17/6782

Zukunft der Bayreuther Festspiele

Vom 8. August 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6782
17. Wahlperiode 08. 08. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Kai Gehring,
Monika Lazar, Tabea Rößner, Krista Sager, Till Seiler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunft der Bayreuther Festspiele

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner 38. Sitzung
vom 11. November 2010 den Bundesrechnungshof beauftragt, den Modus der
Kartenvergabe für die Bayreuther Festspiele zu prüfen. In dem seit Juni 2011
vorliegenden Bericht stellt der Bundesrechnungshof fest, dass das ursprüng-
liche Förderziel des Bundes, die Festspiele einem möglichst breiten Publikum
und insbesondere Kindern und Jugendlichen zu öffnen, nicht erreicht wird.
Eine Ursache dafür sieht der Bundesrechnungshof vor allem bei der aktuellen
Praxis der Kartenvergabe.

Die Kartennachfrage für die Bayreuther Festspiele ist konstant hoch. In den
letzten Jahren hat sich die Situation jedoch aufgrund großzügiger Kartenkontin-
gente weiter verschärft, wie der Bundesrechnungshof in seinem Bericht dar-
stellt. Im Jahr 2009 lag die Anzahl der angefragten Karten bei 438 136, das Ge-
samtkontingent betrug dagegen 57 750 Karten. Eine Konsequenz dieses hohen
Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage ist der Verkauf von Ein-
trittskarten durch Dritte, beispielsweise über Händler im Internet, die in einigen
Fällen mehr als das 35-Fache des Normalpreises für eine Karte erhalten. Durch
Kartenkontingente, insbesondere für den Förderverein „Gesellschaft der
Freunde von Bayreuth e. V.“, die Stadt Bayreuth, den Bayerischen Landtag und
20 Reiseveranstalter waren im Jahr 2010 lediglich 40 Prozent der Karten – bei
Premieren sogar nur 16 Prozent – für die Allgemeinheit verfügbar. Die durch-
schnittliche Wartezeit auf eine Karte für Bürgerinnen und Bürger, welche sich
nicht unter den bevorzugten Personenkreisen befinden, beträgt zehn Jahre.

Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht gegenüber der Bundesregie-
rung Empfehlungen ausgesprochen, deren Umsetzung zur Erfüllung der För-
derziele als notwendig erachtet wird. Neben einer Präzisierung der Förderziele
und der Einführung einer aussagefähigen Erfolgskontrolle, soll die Kartenkon-
tingentierung kritisch geprüft, reduziert und durch angemessene schriftliche
Regelungen für die Vergabe von Karten- und Freikartenkontingenten, festge-
halten werden. Zudem fordert der Bundesrechnungshof eine Marktstudie, um
durch neue Preisstrukturen das Förderziel zu erreichen und empfiehlt die zeit-
nahe Einführung eines zeitgemäßen Ticketsystems. Seit 1953 fördert der Bund

jährlich die Bayreuther Festspiele. Im laufenden Haushaltsjahr beträgt der An-
teil des Bundes rund 2,3 Mio. Euro.

Solange das Liveerlebnis von Richard Wagners Singspielen im Rahmen der
Bayreuther Festspiele in erster Linie einem etablierten „Stammpublikum“ über-
lassen bleibt, verfehlen durch Steuergelder finanzierte Fördermittel ihren
Zweck. Die Freundinnen und Freunde der Musik von Richard Wagner aus nicht

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bevorzugt behandelten Personenkreisen müssen faire Bedingungen erhalten,
gleichermaßen eine Aufführung der Bayreuther Festspiele besuchen zu können.
Wenn der Bund fördert, übernimmt der Beauftragte der Bundesregierung für
Kultur und Medien (BKM) auch eine Verantwortung für die Verwendung dieser
Mittel. Deshalb befragen wir die Bundesregierung, inwieweit die Empfehlun-
gen des Bundesrechnungshofes zukünftig umgesetzt werden sollen, um eine
Verbesserung der öffentlichen Teilhabe an den Bayreuther Festspielen gewähr-
leisten zu können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Plant die Bundesregierung, wie im Bericht des Bundesrechnungshofes emp-
fohlen, die Förderziele für die Bayreuther Festspiele zu konkretisieren?

Falls ja, welche Änderungen und Ergänzungen wird die Bundesregierung
vornehmen?

2. Wann werden neue Förderziele veröffentlicht, und wann werden diese in
Kraft treten?

3. Plant die Bundesregierung, wie im Bericht des Bundesrechnungshofes emp-
fohlen, eine aussagefähige Erfolgskontrolle des Erreichens der Förderziele
einzuführen?

Wenn ja, welche Kriterien sollen innerhalb einer solchen Erfolgskontrolle
geltend gemacht werden, und wann ist die Einführung geplant?

Wenn ja, wie hoch beziffert die Bundesregierung die Kosten, die durch den
administrativen Mehraufwand aufgrund der Einführung einer aussagefähi-
gen Erfolgskontrolle entstehen?

4. Wie viel Prozent betrug im Jahr 2009 der Anteil des Gesamtkontingentes an
Eintrittskarten zu Aufführungen im Rahmen der Bayreuther Festspiele,
welcher Studentinnen und Studenten ermäßigt bzw. kostenlos zur Verfügung
gestellt wurde?

5. Welche Projekte speziell für Kinder und Jugendliche wurden im letzten und
in diesem Jahr im Rahmen der Bayreuther Festspiele durchgeführt?

6. Welche Summe wurde im vergangenen Jahr für die Durchführung von
Projekten für Kinder und Jugendliche im Rahmen der Bayreuther Festspiele
investiert, um die Musik Richard Wagners einem jungen Publikum näherzu-
bringen?

7. Wie erklärt sich die Bundesregierung eine Rechtfertigung für die Gemein-
nützigkeit des Fördervereins „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e. V.“,
dessen Mitgliedschaft gegen einen Jahresbeitrag von 205 Euro mit einer Be-
teiligung am Kartenkontingent verbunden ist und demnach mit großer Wahr-
scheinlichkeit auch aus diesem Grund Mitglieder akquiriert?

8. Wie rechtfertigt der BKM seinen Vorschlag im Bericht des Bundesrech-
nungshofes, dass Interessenten für Karten Mitglied des Fördervereins „Ge-
sellschaft der Freunde von Bayreuth e. V.“ werden sollten, um die Wartezeit
auf eine Eintrittskarte zu verkürzen, angesichts dessen, dass sich Geringver-
dienende zusätzlich zum Kartenpreis möglicherweise keinen Jahresbeitrag
von 205 Euro und eine Aufnahmegebühr von 260 Euro leisten können oder
wollen?

9. Welche Maßnahmen hält der BKM für geeignet, um die Wartezeit von
durchschnittlich zehn Jahren für Bürgerinnen und Bürger, die nicht Mitglied
im Förderverein „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e. V.“ sind und

trotzdem eine Karte für eine Aufführung im Rahmen der Bayreuther Fest-
spiele erwerben möchten, zu verkürzen?

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10. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung der Festspielleitung emp-
fehlen, um die im Bericht des Bundesrechnungshofes bemängelte intrans-
parente Verteilung von Eintrittskarten über verschiedene Kontingente
transparent zu gestalten?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung des Bundesrechnungs-
hofes, die Kontingente weitestgehend abzuschaffen?

12. Wird sich die Bundesregierung für eine deutliche Reduzierung der Karten-
kontingente – insbesondere auch des 14 000 Karten umfassenden Kontin-
gents des Fördervereins – einsetzen?

13. Wird die Bundesregierung das 14 000 Karten umfassende Kontingent des
Fördervereins allgemein und auch bereits für die kommende Spielsaison
2012 kritisch prüfen?

Wenn ja, welche Kriterien liegen einer solchen Prüfung zugrunde?

Wenn nein, warum nicht?

14. Wird der BKM die Entscheidung der Gesellschafterversammlung vom
März 2011, das Kartenkontingent des Fördervereins mindestens bis zum
Jahre 2012 in vollem Umfang zu erhalten, auf Grundlage der Ergebnisse
einer kritischen Prüfung gegebenenfalls revidieren, soweit die Ergebnisse
dies vorsehen?

Wenn nein, warum nicht?

15. Welche Kontingente zählt die Bundesregierung zu den „branchenüblich
Notwendigen“, und welchen prozentualen Kartenanteil für Kontingente in
Relation zum Gesamtkontingent für Premieren sowie weitere Aufführun-
gen erklärt die Bundesregierung für angemessen?

16. Wie bewertet die Bundesregierung das Argument der „Absatzsicherung“
als Begründung für die hohe Kontingentierung angesichts der konstant
hohen Kartennachfrage für die Bayreuther Festspiele?

17. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu den im Vertragsentwurf
zwischen dem Förderverein und der Bayreuther Festspiele GmbH vom
26. Januar 2011 vorgesehenen Plänen, das gesamte Kartenkontingent dem
(alten) Förderverein gegen eine Einmalzahlung zu überlassen, wobei
Druck, Vertrieb und Veräußerung durch den Förderverein zukünftig selbst
erfolgen würden?

Wurden mittlerweile derartige Absprachen vertraglich vereinbart?

18. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung der Festspielleitung emp-
fehlen, um die vom Bundesrechnungshof kritisierte Verteilung von Freikar-
ten zu ändern und transparenter zu gestalten, und ab wann sollen diese
Maßnahmen gegebenenfalls umgesetzt werden?

19. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, schriftlich Regelungen für
die Verteilung von Freikarten und Kontingentkarten festzulegen sowie die
Vergabe transparent zu gestalten und die Empfänger von Frei- und Kontin-
gentkarten zu veröffentlichen?

Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung zur
Umsetzung der Empfehlungen des Bundesrechnungshofes?

Wenn nein, warum nicht?

20. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Eintritts-
preise für die Premiere im Vergleich zu den restlichen Spieltagen deutlich
zu erhöhen?

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21. Wurde die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verkaufs subventionierter Ein-
trittskarten zu überteuerten Preisen durch Dritte (z. B. Händler im Internet
oder Reiseveranstalter) von Seiten des BKM als Gesellschafter und Zu-
wendungsgeber angeregt bzw. verfolgt?

Wenn ja, in welchem Rahmen?

Wenn nein, warum nicht?

22. Inwiefern strebt der Bund, vertreten durch den BKM und mit 25 Prozent
am Stammkapital der Bayreuther Festspiele GmbH beteiligt, eine Verbes-
serung der Kommunikation mit der Bayreuther Festspiele GmbH an, um
zukünftig Desinformationen, wie beispielsweise die Vergabe von Karten-
kontingenten an Reiseveranstalter in der vergangenen und aktuellen Spiel-
saison zukünftig zu vermeiden, und welche konkreten Pläne sind zur Ver-
besserung der Kommunikation vorgesehen?

23. Plant die Bundesregierung die Vergabe einer Marktstudie, um verlässliche
Zahlen zu den im freien Verkauf erzielbaren Kartenpreisen zu erhalten?

Wenn ja, wann werden die Ergebnisse der Studie vorliegen?

Wenn nein, warum nicht?

24. Plant die Bundesregierung, auf die Einführung eines technisch neuen
Ticketsystems hinzuwirken?

Wenn ja, welche Maßnahmen werden ergriffen, und wie gewährleistet die
Bundesregierung die Einhaltung der Vorschriften des Vergaberechts?

25. Ab wann ist mit dem Einsatz eines zeitgemäßen, sicheren und wirtschaftli-
chen IT-Ticketsystems zu rechnen?

26. Wurden vom öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARTE Übertragungs-
rechte von der Bayreuther Festspiele GmbH erworben?

Wenn ja, wie hoch sind die Einnahmen durch die Veräußerung der Übertra-
gungsrechte, und über welchen Zeitraum wurde ein Vertrag geschlossen?

Wenn ja, was geschieht mit den Einnahmen aus den Übertragungsrechten?

Wenn nein, entstehen durch die Liveübertragung zusätzliche Kosten für die
Ausrichtung der Bayreuther Festspiele?

27. Wurden Regelungen mit dem Fernsehsender getroffen, die eine Zugäng-
lichmachung der Aufnahmen (beispielsweise über das Internet) auch nach
der Liveübertragung betreffen, und wenn ja, welche?

28. Wie hoch sind die zu erwartenden Bruttoeinnahmen der Liveübertragung
der Lohengrin-Aufführung am 14. August 2011 im Internet-Webstream,
die von der Siemens AG unterstützt und für 14,90 Euro angeboten werden?

29. Werden die Gewinne der Liveübertragungen auf ARTE und im Internet den
Einnahmen aus dem Kartenverkauf zugerechnet?

Wenn nein, wo werden diese verbucht?

30. Plant die Bundesregierungen die Bundeshaushaltsmittel aus dem Etat des
BKM für die Bayreuther Festspiele zu sperren, bis die Empfehlungen des
Bundesrechnungshofes geprüft und in angemessener Form umgesetzt wur-
den?

Wenn ja, ist eine Sperre bereits für das Haushaltsjahr 2012 angedacht?

Wenn nein, warum nicht?

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31. Plant die Bundesregierung, die Haushaltsmittel von aktuell 2,3 Mio. Euro
aus dem Etat des BKM zu kürzen oder zweckorientiert, beispielsweise für
Projekte der kulturellen Bildung im Rahmen der Bayreuther Festspiele aus-
zurichten, wenn die Ergebnisse einer kritischen Prüfung der Kartenkontin-
gentierung ergeben, dass trotz einer Reduzierung der Kontingente, die Ab-
satzsicherung gewährleistet ist?

32. In welchem finanziellen Umfang plant die Bundesregierung sich an den
notwendigen Investitionen in Gebäude und technische Einrichtungen, die
direkt mit den Bayreuther Festspielen in Verbindung stehen, zu beteiligen?

Berlin, den 8. August 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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