BT-Drucksache 17/6760

Kosten und Programm des Papstbesuches im September 2011

Vom 3. August 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6760
17. Wahlperiode 03. 08. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen,
Dr. Diether Dehm, Inge Höger, Ulla Jelpke, Harald Koch, Niema Movassat,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Kosten und Programm des Papstbesuches im September 2011

Vom 22. bis zum 25. September 2011 wird Joseph Aloisius Ratzinger in seiner
Funktion als Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Benedikt XVI., auf Ein-
ladung des Bundespräsidenten Christian Wulff der Bundesrepublik Deutschland
einen Staatsbesuch abstatten. Dies ist der erste, als offizieller Staatsbesuch dar-
gestellte Besuch des Papstes, nachdem er bereits zwei als privat erklärte
Deutschlandbesuche durchgeführt hat.

Die geplante Messe in Berlin sollte zuerst am Charlottenburger Schloss stattfin-
den. Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,
wünschte sich nach Medienberichten einen großen Papst-Gottesdienst in Berlin
vor dem Brandenburger Tor und erwartete, dass 200 000 Pilgerinnen und Pilger
teilnehmen möchten. Jetzt soll die geplante Messe im Olympiastadion stattfin-
den. Neben Berlin sind Besuche in Thüringen und Baden-Württemberg in Pla-
nung.

Der Besuch des Papstes wirft Fragen zum Verhältnis zwischen Staat und Kirche,
sowie zwischen Politik und Religion auf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann sind an welchen Orten welche Programmpunkte für den Besuch des
Papstes vorgesehen, und wann sind wo gemeinsame Termine mit Mitgliedern
der Bundesregierung und anderen Amtsträgern der Bundesrepublik Deutsch-
land geplant?

2. Welche Kosten werden im Rahmen des Papstbesuches für welche Posten an-
fallen, und wer wird diese Kosten tragen (bitte einzeln aufführen)?

3. Welche Kosten entstanden für den Bundeshaushalt infolge der letzten zwei
Besuche des Papstes, und für welche Maßnahmen?

4. Welche Sicherheitsmaßnahmen, wie etwa Absperrungen und Polizeikon-
trollen sollen für den Besuch getroffen werden?

a) Wie viel Personal stellt die Bundespolizei?
b) Inwiefern soll die Bundeswehr zur Absicherung eingesetzt werden oder
mit anderen Stellen zusammenwirken?

c) Werden Drohnen eingesetzt, und wenn ja, auf welcher rechtlichen Grund-
lage und zu welchem konkreten Zweck?

Drucksache 17/6760 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Vermögen der ka-
tholischen Kirche und des Heiligen Stuhls, und wie hoch wird der Anteil an
den Kosten des Papstbesuches sein, die von dieser Seite übernommen wer-
den?

6. Wann und in welcher Form bzw. welchem Recht folgend hat die Bundes-
republik Deutschland den Heiligen Stuhl als Völkerrechtssubjekt aner-
kannt?

7. Ist die Bundesregierung mit der völkerrechtlichen Auffassung einverstan-
den, nach der der Papst kein Staatsoberhaupt, sondern Vertreter des nicht-
staatlichen Völkerrechtssubjektes „Heiliger Stuhl“ ist?

a) Wenn ja, welche Folgen hat das für den Charakter der Beziehungen zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und dem Heiligen Stuhl?

b) Wenn nein, warum nicht, und wie lautet die völkerrechtliche Auffassung
der Bundesregierung zu diesem Thema?

c) Wieso stellt der dritte Besuch in Deutschland aus Sicht der Bundesregie-
rung einen Staatsbesuch dar, obwohl der Papst gemäß der Sprachrege-
lung des Heiligen Stuhls keine Staatsbesuche, sondern ausschließlich
Pastoralbesuche abstattet?

8. Inwiefern ist vor diesem Hintergrund die Einordnung des Papstes als Ober-
haupt des Vatikanstaates und in der Folge die niedrigere Schwelle für das
Einschreiten der Polizei auf der Grundlage von §103 des Strafgesetzbuchs
gerechtfertigt (vgl. www.sueddeutsche.de/muenchen/papstbesuch-benedikt-
xvi-ein-beleidigtes-staatsoberhaupt-1.874730)?

9. Aufgrund welcher Erwägungen sind (auch protokollarisch) gleichrangige
„Staatsbesuche“ anderer Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik
Deutschland möglich bzw. nicht möglich, und für welche Religionsgemein-
schaften gibt es innerhalb der Bundesregierung Erwägungen für einen sol-
chen „Staatsbesuch“?

10. Wie steht die Bundesregierung zu den bekannten Positionen Benedikts XVI.
zum Thema Gleichberechtigung, Sexualmoral, Verhütungsmittel und Ab-
treibung, und inwiefern wird sich die Bundesregierung während des Be-
suchs für eine Änderung dieser Positionen einsetzen, damit die vielfältigen
ungerechtfertigten Diskriminierungen beendet und Menschenrechte geför-
dert werden?

11. Inwiefern wird die Bundesregierung dazu Stellung nehmen, dass der Vati-
kan seinen Verpflichtungen aus der UN-Konvention über die Rechte der
Kinder nicht nachgekommen ist, da die katholische Kirche weiterhin nicht
mit staatlichen Justizbehörden kooperiert und für Geschädigte keine ange-
messene Entschädigung sichergestellt hat, und wird sie das Problem gegen-
über Benedikt XVI. ansprechen (vgl: www.amnesty.org/en/region/vatican/
report-2011)?

12. Hat die Bundesregierung Kenntnis von der anlässlich seines Spanienbesu-
ches vorgetragenen Kritik des Papstes am angeblich aggressiven Säkularis-
mus im heutigen Spanien und seinem Vergleich zur Situation der 30er-Jahre,
und inwiefern wird sie demgegenüber den Wert und die Rolle des Säkularis-
mus für die Demokratie ansprechen?

13. Inwiefern wird sich die Bundesregierung mit eigenen Initiativen für die so-
zialen Grundrechte der Menschen einsetzen, die in Deutschland in Kirchen
und kirchlichen Einrichtungen arbeiten, wie beispielsweise auf Bundestags-
drucksache 17/5523 vorgeschlagen wird, und wird die Bundesregierung die

Problematik bei ihren Gesprächen mit dem Papst ansprechen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6760

14. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung für die vollständige Öffnung der
Vatikanarchive und insbesondere der Archive aus der Zeit des Zweiten
Weltkrieges ein, für die sich auch renommierte katholische Historiker, wie
Prof. Andrea Riccardi, aussprechen, und wird das Thema in den Gesprächen
mit dem Papst von Vertretern und Vertreterinnen der Bundesregierung an-
gesprochen werden?

15. Wie gedenkt die Bundesregierung Bedenken zu zerstreuen, nach denen sich
Parteien der Regierungskoalition durch die außerordentlich öffentlichkeits-
wirksamen Inszenierungen des Papstes zusammen mit ihren Vertreterinnen
und Vertretern einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber anderen Parteien
verschaffen könnten?

Berlin, den 3. August 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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