BT-Drucksache 17/6749

Weitergabe von Geheimdienstdaten an die USA

Vom 3. August 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6749
17. Wahlperiode 03. 08. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE.

Weitergabe von Geheimdienstdaten an die USA

Einem Bericht in „SPIEGEL ONLINE“ zufolge hat die Bundesregierung die
Weitergabe von Geheimdienstinformationen an die USA eingeschränkt. Die
Maßnahme soll eine Reaktion auf die Tötung mehrerer Europäer, darunter des
deutschen Staatsbürgers Bünyamin E., durch einen Drohnenangriff der USA
von Oktober 2010 sein. Der Verfassungsschutz hatte zuvor laut „DER
SPIEGEL“ Informationen über E. (darunter die Handynummer und die einer
Kontaktperson sowie die Adresse eines Cafés in Pakistan) an die USA übermit-
telt. Offenbar fürchtet die Bundesregierung nun, dass die Weitergabe von Daten
über bestimmte Personen dazu führen kann, dass diese von den USA umge-
bracht werden.

Worin genau die von „SPIEGEL ONLINE“ beschriebene Einschränkung be-
steht, geht aus dem Artikel nicht eindeutig hervor. Zum einen wird ein Erlass des
Bundesministeriums des Innern (BMI) erwähnt, demzufolge keine Informatio-
nen mehr übermittelt werden dürfen, „die zur Lokalisierung von deutschen
Staatsbürgern führen können.“ Zum anderen heißt es, dass Hinweise über ver-
dächtige Personen „mit dem Zusatz versehen werden, dass sie nur zu Festnah-
mezwecken, nicht zur Tötung verwandt werden dürfen.“ Das Bundesamt für
Verfassungsschutz versehe die Daten mit der Einschränkung, „sie seien nur zur
Gefahrenabwehr oder nur im nachrichtendienstlichen Bereich verwendbar.“

Die USA führen ihre Drohnenangriffe auch auf das Gebiet Pakistans fort. Per-
sonen, die als Beschuldigte eingeschätzt werden, werden ohne jedes rechtsstaat-
liche Verfahren getötet, genauso wie Personen, die sich beim Eintreffen der
Drohne zufällig in der Nähe befinden. Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fra-
gesteller ist dieses Vorgehen verbrecherisch und bringt die Übermittlung von
personengebundenen Daten in die Nähe der Beihilfe zum Mord.

Die Fragestellerinnen und Fragesteller bezweifeln, dass sich die US-Behörden
durch einen „Nicht-töten“-Hinweis deutscher Geheimdienststellen gebunden
fühlen. Sollte die Bundesregierung tatsächlich davon ausgehen, dass Personen,
über die Daten an die USA geliefert werden, dadurch zu potentiellen Anschlags-
zielen der USA werden, müsste die Datenübermittlung konsequenterweise ganz
unterbleiben.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern trifft es zu, dass das BMI nach dem Drohnenangriff, dem unter an-
derem Bünyamin E. zum Opfer gefallen war, einen Erlass betreffend Daten-
übermittlung an US-Stellen formuliert bzw. geltende Erlasse neu formuliert
hat?

Drucksache 17/6749 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Welche Informationen ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bun-
destag über Zweck, Adressat und Inhalt dieses Erlasses bzw. der aktuellen Er-
lasslage mitzuteilen (bitte begründen, sofern sie – bestimmte – Informationen
nicht übermitteln will)?

3. Inwiefern ist die Weitergabe von Daten, die die Lokalisierung eines deut-
schen Staatsbürgers ermöglichen, untersagt, und was sind die Gründe hier-
für?

4. Inwiefern ist eine solche Weitergabe lediglich eingeschränkt, worin genau
besteht die Einschränkung, und was sind die Gründe hierfür?

5. Inwiefern gelten die Einschränkungen auch hinsichtlich ausländischer Staats-
bürger, und was sind die Gründe für eine allfällig unterschiedliche Hand-
habung der Datenübermittlung hinsichtlich deutscher und ausländischer
Staatsbürger?

6. Trifft es zu, dass der Verfassungsschutz seine Hinweise mit einem Zusatz ver-
sieht, dass diese nur zu Festnahmezwecken, nicht aber zur Tötung verwendet
werden dürften, und wenn ja,

a) gilt dies auch für Hinweise betreffend ausländische Staatsbürger,

b) gilt dies auch für andere deutsche Geheimdienste,

c) wie haben die US-Stellen auf diesen Hinweis reagiert,

d) welchen Grund hat die Bundesregierung anzunehmen, eine Regierung, die
außergerichtliche Tötungen auf fremdem Staatsgebiet für legitim hält,
würde sich von dieser Praxis durch Hinweise eines deutschen Geheim-
dienstes abhalten lassen?

7. Falls die Meldung von „SPIEGEL ONLINE“ nicht zutrifft: Wie schätzt die
Bundesregierung das Risiko ein, dass Personen, die mit Hilfe von Informa-
tionen deutscher Sicherheitsbehörden von den USA lokalisiert werden, von
den USA getötet werden, insbesondere in Afghanistan oder Pakistan, und
welche Konsequenzen will sie hieraus für die geheimdienstliche und polizei-
liche Zusammenarbeit ziehen?

Berlin, den 3. August 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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