BT-Drucksache 17/6651

Asylanhörungen mit Hilfe von Videokonferenztechnik

Vom 20. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6651
17. Wahlperiode 20. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Petra Pau, Jens Petermann,
Raju Sharma, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Asylanhörungen mit Hilfe von Videokonferenztechnik

Die Flüchtlingshilfsorganisation PRO ASYL hat am 11. Juli 2011 eine Informa-
tion veröffentlicht, nach der in Außenstellen des Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) in Oldenburg und Braunschweig Anhörungen von
Asylantragstellerinnen und -antragstellern per Videokonferenz durchgeführt
werden. Die Entscheider des BAMF sparten sich dadurch Anfahrten zum Erst-
aufnahmezentrum in Friedland. Die Bundesregierung habe hingegen auf einen
effizienteren Einsatz des Personals verwiesen. PRO ASYL vertritt die Auffas-
sung, dass die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Asylantragstellern nur im
direkten Dialog möglich sei. Die Anhörung per Videoschaltung setze Tenden-
zen im BAMF fort, dass Entscheidungen über Asylbegehren von Mitarbeitern
getroffen werden, die nie persönlichen Kontakt zu den Betroffenen hatten, auch
indem protokollierte Anhörungen an Entscheider geschickt würden, die bei der
Anhörung nicht anwesend waren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann werden durch Außenstellen des BAMF Asylanhörungen per
Videokonferenztechnik durchgeführt?

2. Wie viele solche Asylanhörungen wurden bereits durchgeführt (bitte nach
beteiligten Außenstellen und den Orten, an denen sich die Antragsteller
jeweils befanden, auflisten)?

3. Unter welchen Voraussetzungen werden solche Anhörungen abgebrochen
und im Anschluss eine unmittelbar persönliche Anhörung durchgeführt?

4. Wenn während der Anhörung festgestellt wird, dass es sich bei den Antrag-
stellern um Traumatisierte, geschlechtsspezifisch Verfolgte und Minder-
jährige handelt, wird die Befragung dann generell abgebrochen oder unter
Hinzuziehung von Sonderbeauftragten fortgeführt?

5. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dagegen, bereits
mit der Aufnahme von Asylsuchenden ein Screening durchzuführen, um
Personen mit besonderen Bedürfnissen (wie die in Frage 4 genannten Grup-
pen) festzustellen und für sie ein geeignetes Umfeld für die Anhörung, ein-

schließlich geeigneten Fachpersonals, bereitzustellen?

6. Erwägt die Bundesregierung, ein entsprechendes Screening nach Inkraft-
treten der neu gefassten Verfahrensrichtlinie für die darin aufgeführten
Gruppen von „Antragstellern, die besondere Verfahrensgarantien benötigen“
(KOM(2011) 319, Artikel 2d und 24) zu installieren, und wenn nein, wie
sollen die Mechanismen zur Feststellung dieser Antragsteller zukünftig aus-
gestaltet sein?

Drucksache 17/6651 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
7. Wie begründet die Bundesregierung, dass das Anhörungsverfahren per
Videokonferenztechnik noch den Anforderungen des § 24 des Asylverfah-
rensgesetzes genügt, der zwingend vorschreibt, „den Ausländer persönlich
anzuhören“?

8. In wie vielen Fällen wurden im BAMF in den Jahren 2009, 2010 und im
ersten Halbjahr 2011 (bitte getrennt angeben) Entscheidungen über Asyl-
anträge auf der Grundlage der Niederschriften zur Anhörung durch Mitar-
beiter getroffen, die nicht selbst bei der Anhörung anwesend waren?

9. Welche Gründe kann die Bundesregierung für die in Frage 8 geschilderte
Praxis angeben?

10. Hält es die Bundesregierung für angemessen, dass im Rahmen der schwie-
rigen Entscheidung über die Glaubwürdigkeit und letztlich die Schutz-
bedürftigkeit eines Menschen die unmittelbare Konfrontation des Entschei-
ders mit den Schilderungen und Emotionen des Betroffenen einer erhöhten
Personalmitteleffizienz geopfert werden soll?

Berlin, den 20. Juli 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.