BT-Drucksache 17/6562

Rassismus und rechtsextreme Tendenzen der Deutschen Burschenschaft

Vom 4. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6562
17. Wahlperiode 04. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Ulla Jelpke, Agnes Alpers, Petra Pau,
Kathrin Senger-Schäfer, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Rassismus und rechtsextreme Tendenzen der Deutschen Burschenschaft

Die Deutsche Burschenschaft vertritt als Dachverband nach eigenen Angaben
rund 120 Mitgliedsbünde in Deutschland, Österreich und Chile und ist somit
einer der größten bundesweit agierenden Zusammenschlüsse von korporierten
Studierenden und sog. Alten Herren. Nach einem Bericht des Nachrichten-
magazins „DER SPIEGEL“ wird derzeit heftig über eine Verschärfung der Auf-
nahmekriterien zu den einzelnen Mitgliedsbünden der Deutschen Burschen-
schaft gestritten (vgl. SPIEGEL ONLINE vom 15. Juni 2011). Der Konflikt
gehe demnach auf ein im Februar 2011 in den Burschenschaftlichen Blättern
veröffentlichtes Gutachten zurück, das unter anderem von Dr. Hans Merkel
(Mitglied der CSU, u. a. Ministerialdirigent a. D. des Deutschen Bundestages)
erstellt wurde, wonach auch die Abstammung der Bewerber herangezogen wer-
den könne (Frauen sind kategorisch von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen).
„DER SPIEGEL“ spricht in diesem Zusammenhang von einem „Ariernach-
weis“.

Die Fraktion DIE LINKE. erkundigte sich bereits im Jahr 2007 im Rahmen
einer Kleinen Anfrage nach den rechtsextremen Verbindungen der Deutschen
Burschenschaft und einer möglichen verfassungsrechtlichen Beobachtung (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/4142 vom 30. Januar 2007). Die Deutsche Burschen-
schaft steht in der Tradition völkischen Denkens und pflegt ein völkisches Ver-
ständnis der Nation (vgl. Handbuch der Deutschen Burschenschaft 2005). Dazu
gehören beispielsweise territoriale Ansprüche auf die ehemaligen „deutschen
Ostgebiete“ sowie die Verharmlosung der deutschen Kriegsverbrechen. Auch
einer fundierten Auseinandersetzung mit ihrer Rolle während der nationalso-
zialistischen Vergangenheit verweigert sie sich bis heute und betreibt eine ver-
harmlosende Darstellung der NS-Vergangenheit.

Es wurden personelle Verquickungen und intensive Kontakte bekannt, die auf
eine große ideologische Nähe zurückzuführen sind: So war ein Mitglied der
Gießener Burschenschaft Dresdensia-Rugia und Vizevorsitzender des Rings
Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) als Autor der Zeitung „Junge
Freiheit“ und Vorsitzender der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ tätig
und trat bei Veranstaltungen der sächsischen NPD auf (vgl. SPIEGEL ONLINE

vom 22. November 2006). Die Burschenschaft Arminia-Zürich zu Heidelberg
dokumentiert ihre Nähe zur extremen Rechten u. a. durch Vorträge einschlägi-
ger Kader der rechten Szene: So finden sich in ihrem Semesterprogramm Vor-
träge von Wolfram Nahrath, heute NPD früher Wiking-Jugend, von Jürgen
Schwab, früher NPD, heute ein Vordenker der Szene und regelmäßiger Autor
im Störtebeker-Netz und schließlich von Andreas Molau, Mitarbeiter der NPD-
Landtagsfraktion in Sachsen und stellvertretender Chefredakteur der NPD-Zei-
tung „Deutsche Stimme“. Schwab war erst jüngst (6. Mai 2011) Gastredner der
Münchner Burschenschaft Danubia.

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Vor einigen Jahren machte die Burschenschaft Danubia Schlagzeilen indem sie
einem rechtsextremen Straftäter in ihrem Haus Unterschlupf gewährte. Immer
wieder laden Mitgliedsverbindungen der Deutschen Burschenschaft bekannte
Rechtsextremisten, wie etwa den Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger, in ihre Häuser
als Gastredner ein. Die Burschenschaftlichen Blätter veröffentlichten Ende 2009
ein Interview mit dem sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten und Mitglied
der Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen, Arne Schimmer. Mit Jürgen
Gansel ist ein weiterer Burschenschafter an prominenter Stelle (Mitglied des
Landtages in Sachsen) für die NPD tätig.

Rechtsextremismus und Rassismus lassen sich prinzipiell nur durch die Beseiti-
gung der Ursachen, Aufklärung und der konsequenten Verfolgung von Straftä-
tern bekämpfen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung die Auslegung der Satzung der Deutschen Bur-
schenschaft, eine „Abstammungsüberprüfung“ der Bewerber durchzufüh-
ren, für vereinbar mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, plant die Bundesregierung eine Erweiterung der §§ 18 und
19 AGG, um derartigen Rassismus auch zivilrechtlich auszuschließen (Er-
weiterung auf Vereine)?

Wenn nein, warum nicht?

2. a) Wie bewertet die Bundesregierung die in diesem Jahr beim „Burschen-
und Altherrentag“ der Deutschen Burschenschaft in Eisenach gehaltenen
Redebeiträge und Beschlüsse?

b) Gab es im Verlauf der letzten Jahre aus Sicht der Bundesregierung we-
sentliche Änderungen bei der inhaltlichen Ausrichtung des „Burschen-
und Altherrentages“ der Deutschen Burschenschaft?

3. Sieht die Bundesregierung in der durch die Presse (SPIEGEL ONLINE vom
15. Juni 2011) bekannt gewordenen Debatte um die völkisch definierte Zu-
gehörigkeit zum deutschen Volk und der daraus abzuleitenden Möglichkeit,
Aufnahme in der Deutschen Burschenschaft zu finden, eine Form des Ras-
sismus, und wie begründet sie ihre Auffassung?

4. Bieten die in den aktuellen Presseberichten erwähnten Beschlüsse, Rechts-
gutachten und Diskussionen zur rassistisch konnotierten Überprüfung der in
die Verbindungen der Deutschen Burschenschaft aufzunehmenden Bewerber
aus Sicht der Bundesregierung in der Gesamtschau Anlass für eine Beobach-
tung der Deutschen Burschenschaft durch das Bundesamt für Verfassungs-
schutz (BfV), und wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

5. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, wonach sie keine Be-
wertung und Beobachtung von Personenzusammenschlüssen vornehmen
will, da dies aufgrund einer „rein regionalen Ausprägung“ in die Zuständig-
keit der Länder falle, angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Deutschen
Burschenschaft um einen bundesweiten Dachverband handelt (vgl. Antwort
zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 16/4142)?

6. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, bei der Deutschen
Burschenschaft handele es sich um eine „demokratische Studentenorga-
nisation“ (vgl. Antwort zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 16/4142), ange-
sichts der Tatsache, dass im von der Deutschen Burschenschaft herausgegebe-
nen „Handbuch der Deutschen Burschenschaft“ (Ausgabe 2005) territoriale

Ansprüche auf die „ehemaligen Ostgebiete“ propagiert und deutsche Kriegs-
verbrechen elativiert werden, und inwiefern sieht die Bundesregierung hier den

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6562

Tatbestand des § 3 Absatz 1 Nummer 4 des Bundesverfassungsschutz-
gesetzes – BVerfSchG (Bestrebungen gegen Artikel 9 Absatz 2 des Grund-
gesetzes, Gedanke der Völkerverständigung) erfüllt (bitte begründen)?

7. Warum wird der Dachverband Deutsche Burschenschaft nicht im Verfas-
sungsschutzbericht erwähnt oder als rechtsextremistisch eingestuft, ange-
sichts der oben angeführten Verbindung in die extrem rechte Szene und den
in Frage 6 dargestellten revanchistischen Positionen (bitte begründen)?

8. Stuft das BfV – falls bekannt einzelne Landesverfassungsschutzämter – die
Deutsche Burschenschaft (oder einzelne Mitgliedsbünde) als rechtsextre-
mistisch und/oder gewaltbereit ein?

Falls ja, inwiefern?

Falls nein, warum nicht?

9. Wie viele Personen, die Mitglied in einem Mitgliedsbund der Deutschen
Burschenschaft sind, werden derzeit durch den Verfassungsschutz beob-
achtet?

10. Warum liegen der Bundesregierung keine Informationen über Verbindun-
gen bzw. Kontakte zwischen Teilen der Deutschen Burschenschaft und als
rechtsextremistisch eingestuften Personen bzw. Organisationen oder Par-
teien wie beispielsweise die NPD vor (vgl. Antwort zu Frage 3 auf Bundes-
tagsdrucksache 16/4142)?

Falls zwischenzeitlich Erkenntnisse vorliegen, welche sind dies (bitte nach
Möglichkeit konkret aufschlüsseln: Wie viele Angehörige der Deutschen
Burschenschaft sind auch Mitglieder in rechtsextremen Vereinigungen)?

Wie viele Führungspersonen und Mitglieder der rechtsextremen Parteien
sind Mitglieder in der Deutschen Burschenschaft?

Wie viele Mitglieder der rechtsextremen Parteien und -vereinigungen sind
so genannte Alte Herren?

11. Welche verfassungsschutzrelevanten Kenntnisse hat die Bundesregierung
bezogen auf

a) die Burschenschaftlichen Blätter,

b) den Burschenschaftlichen Verein für nationale Minderheiten- und
Volksgruppenrechte in Europa e. V.,

c) die Gesellschaft für Burschenschaftliche Geschichtsforschung e. V.,

d) den Verein Burschenschaftliche Hilfe e. V.?

12. Hat das BfV jemals Ausgaben der Burschenschaftlichen Blätter ausgewer-
tet, um sie nach Anhaltspunkten für Bestrebungen im Sinne der §§ 3, 4
BVerfSchG zu überprüfen, und wenn ja, wie viele Ausgaben der Burschen-
schaftlichen Blätter hat das BfV jeweils in welchem Zeitraum ausgewertet?

Wenn nein, warum wurde diese Überprüfung nicht durchgeführt?

13. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung
über die Zusammenarbeit bundesdeutscher Burschenschaften mit öster-
reichischen Burschenschaften im Dachverband der Deutschen Burschen-
schaft?

14. Steht der „Burschen- und Altherrentag“ der Deutschen Burschenschaft in-
zwischen unter verfassungsschutzrechtlicher Beobachtung?

Falls ja, welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung dadurch gewonnen?
Falls nein, warum nicht?

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15. Nahmen am diesjährigen Burschentag in Eisenach Angehörige der Bundes-
regierung teil oder hatten dies zumindest vor (bitte nach Namen und Funk-
tion aufschlüsseln)?

Falls ja, wie lässt sich dies mit der inhaltlichen Ausrichtung der Deutschen
Burschenschaft vereinbaren?

16. Inwieweit stellt die Mitgliedschaft in der Deutsche Burschenschaft eine
sicherheitserhebliche Erkenntnis im Sinne des Gesetzes über die Voraus-
setzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes
(Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SÜG) dar?

17. Sieht die Bundesregierung die Mitgliedschaft in der Deutschen Burschen-
schaft als sicherheitserhebliche Erkenntnis an, die eine Wiederholungs-
überprüfung von sicherheitsüberprüften Personen nach § 17 SÜG nahelegt,
bzw. plant die Bundesregierung solche Wiederholungsprüfungen bei ent-
sprechender Erkenntnis im Hinblick auf die aktuelle Presseberichterstat-
tung über die Deutsche Burschenschaft künftig?

18. Inwiefern plant die Bundesregierung die Untersuchung burschenschaft-
licher Strukturen an den Hochschulen insgesamt, die Verbindungen der
Deutschen Burschenschaft und deren Mitglieder ins rechtsextreme Lager,
rechtsextreme Tendenzen und Entwicklungen innerhalb der Deutschen
Burschenschaft oder den Anteil von so genannten Alten Herren der Deut-
schen Burschenschaft unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch
Forschungsaufträge finanziell zu fördern (bitte nach geplanten Maßnahmen
aufschlüsseln)?

Falls nein, warum nicht?

19. Welche Aktivitäten gibt es von Seiten der Bundeszentrale für politische
Bildung, um über die Positionen und Ziele der Deutschen Burschenschaft
aufzuklären, bzw. welche sind geplant?

20. Warum sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit eigene Aufklä-
rungsprogramme bzw. -kampagnen angesichts der personellen Nähe von
Burschenschaften zu rechtsextremistischen Strukturen und der jetzt be-
kannt gewordenen rassistisch motivierten Debatten innerhalb der Deut-
schen Burschenschaft zu initiieren (vgl. Antwort zu Frage 6b auf Bundes-
tagsdrucksache 16/4142)?

21. Sind von 2007 bis heute direkt oder indirekt Gelder des Bundes (z. B. über
den Bundesjugendplan) an die Deutsche Burschenschaft geflossen?

Falls ja, in welcher Höhe?

Berlin, den 4. Juli 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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