BT-Drucksache 17/6532

Vorhaben der Bundesregierung zur Sicherung der Medienvielfalt und Medienfreiheit

Vom 7. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6532
17. Wahlperiode 07. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martin Dörmann, Siegmund Ehrmann, Petra Ernstberger,
Iris Gleicke, Lars Klingbeil, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Christine
Lambrecht, Petra Merkel (Berlin), Thomas Oppermann, Ulla Schmidt (Aachen),
Peer Steinbrück, Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Brigitte Zypries, Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Vorhaben der Bundesregierung zur Sicherung der Medienvielfalt und
Medienfreiheit

Medienfreiheit und Medienvielfalt sind nicht nur unverzichtbar für jeden
einzelnen Bürger, sondern auch für die demokratische, offene und pluralistische
Staats- und Gesellschaftsordnung. Der Schutz der Kommunikationsgrundrechte
und die Sicherstellung der Medienfreiheit und Medienvielfalt gehören daher zu
den Grundprinzipien der Medienpolitik, ebenso wie die Förderung der Qualität
von Medienangeboten und die Stärkung der Verantwortung von Medien-
anbietern und Mediennutzern.

Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Staatsfreiheit der Medien kommt
dem Staat die wichtige Funktion zu, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Kräfte auf den Medienmärkten durch entsprechende Rahmenbedingungen so
zu strukturieren, dass eine möglichst große Vielfalt von Medieninhalten und
Meinungen entsteht und dauerhaft gesichert wird. Diese mit Blick auf die durch
die Digitalisierung und weltweite Vernetzung verstärkten Angebots- und Kon-
zentrationsentwicklungen im Medienbereich zunehmend bedeutsame Aufgabe
stellt die Medienpolitik angesichts der rasanten technischen, wirtschaftlichen
und kommunikativen Entwicklungen ständig vor neue Herausforderungen.

Der Staat ist verfassungsrechtlich gehalten, Rahmenbedingungen für die Me-
dienanbieter zu schaffen, die ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges Angebot
ermöglichen und fördern. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP
haben die Regierungsparteien vereinbart, dass „die Medien- und Kommunika-
tionsordnung […] gemeinsam mit den Ländern weiter an die veränderten tech-
nischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst werden“ muss. Konkret
angekündigt haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag: „Im Interesse
der Erhaltung der Meinungs- und Pressevielfalt sind das Medienkonzentrations-
und das Pressekartellrecht zu überprüfen. Das Presse-Grosso bleibt ein unver-
zichtbarer Teil unserer Medienordnung.“
Grundvoraussetzung für die Vielfaltsicherung in der Medienlandschaft ist neben
den gesetzlichen Vorgaben des Medienkonzentrationsrechts eine funktionie-
rende Vertriebsstruktur, die Chancengleichheit gewährleistet und verhindert,
dass große Verlage einseitig dominieren. Das Presse-Grosso trägt entscheidend
dazu bei, dass in Deutschland eine flächendeckende neutrale Versorgung mit
einem Vollsortiment an Zeitungen und Zeitschriften besteht. Eine Initiative der
Bundesregierung zur Sicherung der Medienvielfalt steht jedoch aus.

Drucksache 17/6532 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zur Informations- und Mediengesellschaft führt der Koalitionsvertrag Folgen-
des aus: „Das Internet ist das freiheitlichste und effizienteste Informations- und
Kommunikationsforum der Welt und trägt maßgeblich zur Entwicklung einer
globalen Gemeinschaft bei. Die Informationsgesellschaft bietet neue Ent-
faltungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen ebenso wie neue Chancen für die
demokratische Weiterentwicklung unseres Gemeinwesens sowie für die wirt-
schaftliche Betätigung. Neue Medien gehören längst zum Alltag einer stetig
wachsenden Zahl von Menschen. Deutschland ist längst in der Informations-
gesellschaft angekommen. Damit die Menschen an den neuen Chancen für
Meinungs- und Informationsfreiheit, Kommunikationsfreiheit sowie am wirt-
schaftlichen Leben im Internet teilhaben und die Chancen der Informations-
gesellschaft nutzen können, müssen wir die Weichen stellen, um eine digitale
Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Allen Menschen Zugang zu neuen
Medien zu erleichtern, ist uns dabei ein zentrales Anliegen, sowohl im Hinblick
auf die Verfügbarkeit als auch auf Barrierefreiheit und Medienkompetenz.“
Hierzu haben die Regierungsparteien angekündigt, dass „zusammen mit
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Kooperation mit Internetanbietern,
Medien, Verbänden und Institutionen des Kinder- und Jugendschutzes mehr
Medienkompetenz“ vermittelt und dass „Risiken für sie minimiert“ werden
sollen.

Schließlich haben die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag eine
Stärkung der Pressefreiheit angekündigt. Die Bundesregierung hat auch einen
entsprechenden Gesetzentwurf im Nachgang der Cicero-Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichtes auf den Weg gebracht. Da es aber hierzu offensichtlich
Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU
und FDP gibt, lässt ein Beschluss seit geraumer Zeit auf sich warten. Darüber
hinaus haben die Regierungsparteien mit Blick auf die Zeugnisverweigerungs-
rechte insbesondere von Journalistinnen und Journalisten angekündigt, dass die
in § 160a der Strafprozessordnung (StPO) derzeit enthaltene Differenzierung
nach verschiedenen Berufsgeheimnisträgern beseitigt werden soll. Dabei sollte
überprüft werden, ob die Einbeziehung weiterer Berufsgeheimnisträger – und
gemeint sind hierbei insbesondere Journalistinnen und Journalisten – „in den
absoluten Schutz des § 160a Absatz 1 StPO angezeigt und im Hinblick auf die
Durchsetzung des Strafverfolgungsanspruches des Staates vertretbar ist.“ Ein
Ergebnis dieser Prüfung steht ebenfalls noch aus.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in ihrem grundgesetzlich vor-
gegebenen Zuständigkeitsbereich seit ihrem Amtsantritt in Abstimmung mit
den Ländern zur Sicherung der Medienvielfalt und Medienfreiheit ergriffen?

2. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung wann zu ergreifen?

3. Wo sieht die Bundesregierung konkreten Handlungsbedarf, um die Medien-
vielfalt und Medienfreiheit in der digitalen Gesellschaft sicherzustellen?

4. Welche Herausforderungen ergeben sich für die Medienvielfalt und Medien-
freiheit durch die zunehmende Digitalisierung und weltweite Vernetzung?

5. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung als geboten an, um die
Medienfreiheit, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und Medienvielfalt
im Internet sicherzustellen?

6. Wo sieht die Bundesregierung angesichts der Herausforderungen durch die
Digitalisierung, Konvergenz und weltweite Vernetzung sowie angesichts der
crossmedialen Verflechtungen für das bestehende Regelungssystem der
Vielfaltssicherung und des Medienkonzentrationsrechtes Handlungsbedarf?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6532

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass neben den gesetzlichen
Vorgaben des Medienkonzentrationsrechts, eine funktionierende Vertriebs-
struktur eine Grundvoraussetzung für die Vielfaltsicherung in der Medien-
landschaft darstellt, die Chancengleichheit gewährleistet und verhindert,
dass große Verlage einseitig dominieren?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das Presse-Grosso ent-
scheidend dazu beiträgt, dass in Deutschland eine flächendeckende neu-
trale Versorgung mit einem Vollsortiment an Zeitungen und Zeitschriften
besteht?

9. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung als geboten an, um das
Presse-Grosso und die flächendeckende neutrale Grundversorgung dauer-
haft sicherzustellen?

10. Zu welchen Ergebnissen haben die Gespräche zwischen den Vertretern
des Presse-Grosso und der Zeitungsverlage sowie der Runde Tisch beim
Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) geführt?

11. Wird es eine Vereinbarung geben, etwa im Rahmen einer „Gemeinsamen
Erklärung“, die den Fortbestand des Presse-Grosso bundesweit und dauer-
haft absichern würde, ohne dass eine gesetzliche Regelung notwendig
würde?

12. Teil die Bundesregierung die Auffassung, dass das System des Grosso
gesetzlich verankert werden sollte, und wird die Bundesregierung sich in
Abstimmung mit den Ländern um eine gesetzliche Verankerung bemühen?

13. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt er-
griffen, um die Vermittlung von Medienkompetenz und den Jugendmedien-
schutz zu stärken?

14. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um eine weitere
digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern und um allen Bürgerinnen
und Bürgern den Zugang zu neuen Medien und die Teilhabe an der digi-
talen Gesellschaft zu ermöglichen?

15. Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Bundesregierung über den bislang
vorgelegten Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit hinaus geboten?

16. Zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung bei der Überprüfung
gekommen, ob die Einbeziehung weiterer Berufsgeheimnisträger in den
absoluten Schutz des § 160a Absatz 1 StPO angezeigt und im Hinblick auf
die Durchsetzung des Strafverfolgungsanspruches des Staates vertretbar ist,
und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung wann daraus ziehen?

17. Wer war an dieser Überprüfung beteiligt und anhand welcher Kriterien und
auf welcher Datengrundlage wurde diese Überprüfung durchgeführt?

18. Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag die entsprechen-
den Unterlagen und Dokumente dieser Überprüfung zugänglich zu machen?

19. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einflusspotentiale von Akteuren im
Internet wie Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen?

Kann sie hierbei auf Daten und Untersuchungen zurückgreifen, und wenn
ja, welche?

Hält sie in diesem Zusammenhang das Kartellrecht für ausreichend, um die
Freiheit der Meinungsbildung zu schützen?

20. Welche Mechanismen existieren, um die Regulierung im Kompetenz-
bereich von Bund und Ländern zu koordinieren?
Wie beurteilt die Bundesregierung ihre Wirksamkeit angesichts fortschrei-
tender Konvergenz?

Drucksache 17/6532 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
21. Was hat die Bundesregierung auf europäischer Ebene unternommen, um
die medienpolitischen Spielräume der Bundesrepublik Deutschland zu be-
wahren?

22. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw. wird sie er-
greifen, um Medienvielfalt auch auf europäischer Ebene sicherzustellen?

23. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung auf europäischer Ebene er-
griffen bzw. wird sie ergreifen, um Gefährdungen der Presse- und Medien-
freiheit wirksam zu begegnen?

24. Wie bewertet die Bundesregierung Entwicklungen in einigen Mitglied-
staaten der Europäischen Union, die mit einer Gefährdung der Presse- und
Medienfreiheit und mit einer Einschränkung der Medienvielfalt verbunden
sind?

25. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Deutsche
Welle der Rundfunkfreiheit unterfällt?

26. Inwieweit sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Not-
wendigkeit, die Deutsche Welle angemessen zu finanzieren, und welche
konkreten Maßnahmen wird sie ergreifen, um den zunehmenden Kosten-
druck bei gleichbleibenden finanziellen Zuwendungen aufzufangen?

27. Wie bewertet die Bundesregierung – vor dem Hintergrund der Entschei-
dung des nordrhein-westfälischen Landtages zum Beschäftigtenbegriff der
Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks – die Notwendigkeit einer
Änderung des Deutsche-Welle-Gesetzes, damit auch die arbeitnehmer-
ähnlichen Personen der Deutschen Welle von den Personalräten vertreten
werden können?

Berlin, den 6. Juli 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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