BT-Drucksache 17/6531

Sicherung, Bewahrung und Nutzbarmachung des nationalen Filmerbes

Vom 7. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6531
17. Wahlperiode 07. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner, Siegmund Ehrmann, Petra
Ernstberger, Martin Dörmann, Iris Gleicke, Ute Kumpf, Lars Klingbeil,
Christine Lambrecht, Petra Merkel (Berlin), Thomas Oppermann, Ulla Schmidt
(Aachen), Peer Steinbrück, Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Brigitte Zypries,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Sicherung, Bewahrung und Nutzbarmachung des nationalen Filmerbes

Filme sind ein wesentlicher Ausdruck des kulturellen Reichtums und der kultu-
rellen Vielfalt einer Nation. Neben seiner künstlerischen Bedeutung reflektiert
und dokumentiert der Film die Zeit und die Gesellschaft, in der er entstanden
ist. Er ist damit zugleich Teil des nationalen kulturellen Gedächtnisses.
Deutschland kann auf eine weit zurückreichende Tradition des Filmschaffens
verweisen. Mit der Aufnahme von Fritz Langs Filmklassiker „Metropolis“ in
das Weltdokumentenerbe hat unser Filmerbe eine besondere Würdigung er-
fahren. Es muss als Teil unseres nationalen Kulturerbes auch für künftige
Generationen bewahrt werden.

Sowohl die UNESCO als auch der Europarat haben die Bedeutung des audio-
visuellen Erbes unterstrichen und Maßgaben zum Erhalt des Filmerbes formu-
liert. Insbesondere hervorzuheben ist das Europäische Übereinkommen zum
Schutz des audiovisuellen Erbes, das die Bundesregierung immer noch nicht
ratifiziert hat. Auch auf EU-Ebene gibt es insbesondere im Rahmen der „Digi-
talen Agenda für Europa“ verstärkte Bemühungen, die Mitgliedsländer zum
Erhalt und zur Pflege ihres Filmerbes anzuhalten.

Bereits Ende 2008 hat der Deutsche Bundestag mit dem fraktionsübergreifen-
den Antrag „Das deutsche Filmerbe sichern“ (Bundestagsdrucksache 16/8504)
die Bundesregierung aufgefordert, dem dringenden Handlungsbedarf nach-
zukommen. Vorausgegangen war eine Expertenanhörung des Ausschusses für
Kultur und Medien, auf der die anstehenden Aufgaben benannt wurden. Im
Entschließungsantrag zur Verabschiedung der Fünften Novelle des Filmförde-
rungsgesetzes wurde die Bundesregierung zudem aufgerufen, „die notwendi-
gen finanziellen und strukturellen Voraussetzungen für die Bewahrung, Siche-
rung und Zugänglichmachung des deutschen Filmerbes zu verbessern“.

Dabei sind zum einen die Voraussetzungen zur Sicherung archivwürdiger Filme
der Gegenwartsproduktion zu schaffen, zum anderen gilt es, Maßnahmen zu

Rettung und Erhalt des überlieferten Filmbestandes zu ergreifen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Gründe sind dafür maßgeblich, dass die Bundesregierung das bereits
am 15. September 2008 von Deutschland unterzeichnete Europäische Über-
einkommen zum Schutz des audiovisuellen Erbes noch nicht ratifiziert hat?

Drucksache 17/6531 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Erfüllt Deutschland derzeit alle Forderungen, die im Europäischen Über-
einkommen zum Schutz des audiovisuellen Erbes erhoben werden?

3. Welche Bundesländer haben der Ratifizierung des Übereinkommens noch
nicht zugestimmt?

4. Was hat die Bundesregierung inzwischen zur Einführung einer Pflicht-
registrierung für alle deutschen Kinofilme, wie sie bereits im Juli 2009 im
Positionspapier des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien (BKM) „Sicherung des nationalen Filmerbes“ als erster Schritt zur
Einführung einer Pflichthinterlegung auch der nicht geförderten Filme in
Aussicht gestellt worden war, unternommen?

5. Wie viele Mittel sind für die Einführung einer Pflichtregistrierung in den
Entwurf für den Bundeshaushalt 2012 eingestellt worden?

6. Wann soll die Pflichtregistrierung eingeführt werden?

7. Verfügt die Bundesregierung gegenüber den Schätzungen vom Sommer
2009 (BKM-Positionspapier) inzwischen über neue Erkenntnisse hinsicht-
lich des Kosten- und Personalbedarfs für die Einführung einer Pflicht-
hinterlegung für alle, also auch der nicht geförderten Filme?

8. Welche Bemühungen hat die Bundesregierung unternommen, um die von
einer Pflichthinterlegung betroffenen Vertreter der Filmbranche für eine
Beteiligung an den Kosten zu gewinnen?

9. Wann soll der bereits vom BKM begrüßte Vorschlag für eine Grundlagen-
studie zur Ermittlung des Archivierungsbedarfs sowie des Kosten- und
Personalaufwands für eine Pflichthinterlegung umgesetzt werden?

10. Nach welchen Kriterien beabsichtigt die Bundesregierung, „archivwürdige“
Filme zu definieren?

11. Hat sich die Bundesregierung um einen Erfahrungsaustausch mit Ländern
bemüht, die eine Pflichthinterlegung bereits praktizieren?

12. Wann soll die bereits im März 2008 vom BKM in Aussicht gestellte Ein-
führung einer Pflichthinterlegung im Rahmen des Bundesarchivgesetzes
erfolgen?

13. Welche Rahmenbedingungen gibt das geltende Urheberrecht für eine
Pflichtabgabe vor?

14. Bestehen gegebenenfalls Beschränkungen, die eine spätere Zugänglich-
machung und öffentliche Aufführung der Kopien von archivierten Filmen
erschweren, und wie könnten diese gelöst werden?

15. Welche Qualitätsstandards und -normen sollten bei der Pflichtabgabe
Anwendung finden?

16. Welche Träger und Verfahren sollten für die Langzeitarchivierung ver-
wendet werden, auch um die Abspielbarkeit von Filmen langfristig – unter
Berücksichtigung möglicher Formatwechsel – zu gewährleisten?

17. Welche langfristige Gesamtstrategie verfolgt die Bundesregierung für unser
nationales Filmerbe sowohl auf analogen als auch auf digitalen Bildträgern,
nachdem sie der Empfehlung zur Festlegung einer solchen Strategie in den
Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur „Digitalen Agenda für
Europa“ zugestimmt hat?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6531

18. Welche Lücken bei der Erfassung des Filmerbebestandes bestehen noch,
und wie sollen diese geschlossen werden?

19. Besteht eine Vernetzung bzw. Zusammenarbeit mit anderen, bereits existie-
renden Datenbanken und Filmarchiven, um diese Lücken aufzudecken?

Wenn nein, ist eine stärkere Vernetzung geplant bzw. denkbar?

Welche Möglichkeiten gibt es dafür?

20. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um über die punktuelle
Förderung von großen Restaurierungsprojekten von Filmklassikern wie
„Metropolis“ und „Die Nibelungen“ hinaus auch die Wiederherstellung
weniger bekannter, aber ebenso zum nationalen Filmerbe gehörender Film-
werke zu gewährleisten?

21. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Bundesfilmarchiv sowie
die weiteren Einrichtungen des Deutschen Kinematheksverbundes mit
ausreichenden Mitteln und Personal ausgestattet sind, um ihre Aufgaben
zur Sicherung, Restaurierung, Digitalisierung, Langzeitarchivierung, Ver-
mittlung und Nutzbarmachung zu erfüllen?

22. Wie verhält sich die Bundesregierung dazu, dass die Sender bei den Archi-
ven immer weniger Lizenzen ankaufen und damit die selbst erwirtschafte-
ten Finanzmittel der Archive entsprechend rückläufig sind, und wie will
die Bundesregierung gegebenenfalls gegensteuern?

23. Wird die Finanzierungsform des Stiftungsmodells bei der Friedrich-
Wilhelm-Murnau- oder der DEFA-Stiftung der Erfüllung der Aufgaben ge-
recht, oder sind gegebenenfalls andere Finanzierungsformen anzustreben?

24. Sollte innerhalb des Deutschen Kinematheksverbundes eine stärkere Ar-
beitsteilung bzw. Spezialisierung herbeigeführt werden, wobei sich zum
Beispiel das Bundesfilmarchiv auf das Sammeln und Erhalten oder die
Deutsche Kinemathek auf die Vermittlung und Nutzbarmachung konzen-
trieren könnte?

25. Wie verhält sich die Bundesregierung zu dem Sonderproblem, dass ein um-
fangreicher Bestand an Zelluloidfilmrollen (Nitrofilme) – bis Mitte der
50er-Jahre übliches Filmmaterial – im Bundesfilmarchiv wegen der be-
grenzten Haltbarkeit akut vom Zerfall bedroht sind?

26. Welche Herausforderungen erkennt die Bundesregierung in der Digitalisie-
rung im Zusammenhang mit Erhalt und Pflege des deutschen Filmerbes,
insbesondere bei der Langzeitarchivierung?

27. Gibt es von Seiten der Bundesregierung Bemühungen, gemeinsam mit dem
Deutschen Kinematheksverbund ein langfristiges Konzept zur Digitalisie-
rung der Bestände – wie vom Europäischen Rat empfohlen – zu erarbeiten?

28. Erkennt die Bundesregierung in der Nutzbarmachung von Filmen unseres
Filmerbes eine kulturpolitische Verantwortung oder beabsichtigt sie,
Sicherungs- und Vorführkopien nur auf Nachfrage und finanziert nach dem
Verursacherprinzip herstellen zu lassen?

29. Welche Maßnahmen sind für die Nutzbarmachung des Filmbestandes er-
forderlich, und welche Kosten veranschlagt die Bundesregierung dafür?

Drucksache 17/6531 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
30. Wie kann nach der Auffassung der Bundesregierung die kostenintensive
Sicherung und Nutzbarmachung unseres Filmerbes insgesamt bewältigt
werden?

Was hält die Bundesregierung von einer Fondslösung bzw. einem Stiftungs-
modell?

Berlin, den 6. Juli 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.