BT-Drucksache 17/6446

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Erika Steinbach, Arnold Vaatz, Ute Granold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Pascal Kober, Serkan Tören, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -17/5767- Situation der Sinti und Roma in Europa verbessern b) zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Kerstin Griese, Rüdiger Veit, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -17/6090- Die Integration der Sinti und Roma in Europa verbessern c) zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/5191- Für die Umsetzung der Gleichstellung von Sinti und Roma in Deutschland und Europa

Vom 6. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6446
17. Wahlperiode 06. 07. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Erika Steinbach, Arnold Vaatz, Ute Granold,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Pascal Kober, Serkan Tören, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 17/5767 –

Situation der Sinti und Roma in Europa verbessern

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Kerstin Griese,
Rüdiger Veit, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/6090 –

Die Integration der Sinti und Roma in Europa verbessern

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast,
Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/5191 –

Für die Umsetzung der Gleichstellung von Sinti und Roma in Deutschland und
Europa

A. Problem
Zu Buchstabe a

Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP erklären in ihrem Antrag, Roma seien
nach wie vor europaweit Intoleranz und Vorurteilen ausgesetzt. Sie würden ins-
besondere in den gesellschaftlichen Bereichen Wohnen, Arbeiten, Bildung und
medizinische Versorgung diskriminiert. Zudem seien Roma überdurchschnitt-
lich oft Opfer von Menschenhandel. Die Bundesregierung soll sich deshalb,
weiterhin bi- und multilateral für eine Verbesserung der Menschenrechtslage der

Drucksache 17/6446 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Roma einsetzen, die ungarische EU-Ratspräsidentschaft bei der Umsetzung der
Roma-Strategie unterstützen und bei den Mitgliedstaaten des Europarates für
einen Beitritt bzw. die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz
nationaler Minderheiten werben.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion der SPD erklärt, Roma seien in Europa nach wie vor Diskriminie-
rungen und Benachteiligungen ausgesetzt. In weiten Teilen der Bevölkerung be-
stünden ihnen gegenüber Vorurteile fort. Roma seien häufiger Opfer von rassis-
tisch motivierter Gewalt, aber auch von struktureller Diskriminierung durch
Polizei und Behörden. Am gesellschaftlichen, öffentlichen und politischen
Leben hätten sie häufig nur einen geringen Anteil. Das zeige auch die „Studie
zur aktuellen Bildungssituation deutscher Sinti und Roma“, die sich mit der
Situation der in Deutschland lebenden Roma beschäftige. Die Fraktion fordert
die Bundesregierung auf, die Europäische Kommission bei der Umsetzung des
„EU-Rahmens für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020“ zu
unterstützen. Außerdem soll sie in enger Kooperation mit den Dachverbänden
der Sinti und Roma bis Ende 2011 für Deutschland eine nationale Strategie ent-
wickeln, welche die vier Kernbereiche Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsfür-
sorge und Wohnraum abdeckt. Schließlich soll von der Abschiebung besonders
schutzbedürftiger Roma bis auf weiteres abgesehen werden.

Zu Buchstabe c

Die Situation der Sinti und Roma sei in den europäischen Staaten höchst proble-
matisch, erläutert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag.
In einigen Ländern habe sich die Situation in den letzten Jahren weiter ver-
schlechtert, so dass Sinti und Roma von sozialer Ausgrenzung, Armut und Dis-
kriminierung besonders bedroht seien. Die Bundesregierung wird daher aufge-
fordert, sich für eine Gleichstellung der Sinti und Roma und für eine rasche
Entwicklung des neuen EU-Rahmens für nationale Strategien zur Integration
von Roma einzusetzen, auf EU-Ebene grundsätzlich gegen Abschiebungen von
Angehörigen dieser Volksgruppen einzutreten und sich gegenüber den Bundes-
ländern für eine Aussetzung von Abschiebungen von Roma aus dem Kosovo
einzusetzen.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Annahme des Antrags auf Drucksache 17/5767 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/6090 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der
SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe c

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/5191 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen

DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6446

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Keine.

E. Bürokratiekosten

Keine.

Drucksache 17/6446 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/5767 anzunehmen,

b) den Antrag auf Drucksache 17/6090 abzulehnen,

c) den Antrag auf Drucksache 17/5191 abzulehnen.

Berlin, den 29. Juni 2011

Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Tom Koenigs
Vorsitzender

Erika Steinbach
Berichterstatterin

Angelika Graf (Rosenheim)
Berichterstatterin

Pascal Kober
Berichterstatter

Annette Groth
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

einen Beitritt bzw. die Umsetzung des Rahmenübereinkom-
mens zum Schutz nationaler Minderheiten werben. In Ge-

auf EU-Ebene grundsätzlich gegen Abschiebungen von
Angehörigen dieser Volksgruppen einzutreten und sich
sprächen mit Vertretern der Roma soll darauf hingewirkt
werden, dass diese sich innerhalb ihrer Gemeinschaft für die
Bekämpfung von Verhaltensweisen einsetzen, die der Ver-
wirklichung von Menschenrechten entgegenstehen. Außer-

gegenüber den Bundesländern für eine Aussetzung von
Abschiebungen von Roma aus dem Kosovo einzusetzen.
Auch sollen die Regierungen anderer EU-Länder aufge-
fordert werden, ebenso zu verfahren und Roma aus dem
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6446

Bericht der Abgeordneten Erika Steinbach, Angelika Graf (Rosenheim), Pascal
Kober, Annette Groth und Volker Beck (Köln)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/5767 in seiner 108. Sitzung am 12. Mai 2011 beraten und
an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
zur federführenden Beratung sowie an den Auswärtigen
Ausschuss, Innenausschuss, Ausschuss für Arbeit und
Soziales, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung, Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Aus-
schuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und
den Ausschuss für Kultur und Medien zur Mitberatung über-
wiesen.

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/6090 in seiner 114. Sitzung am 9. Juni 2011 beraten und
an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
zur federführenden Beratung und an den Auswärtigen Aus-
schuss, Innenausschuss und den Ausschuss für die Angele-
genheiten der Europäischen Union zur Mitberatung überwie-
sen.

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/5191 in seiner 99. Sitzung am 24. März 2011 beraten und
an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
zur federführenden Beratung sowie dem Auswärtigen Aus-
schuss, Innenausschuss und dem Ausschuss für die Angele-
genheiten der Europäischen Union zur Mitberatung überwie-
sen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP erklären in ihrem
Antrag, Roma seien nach wie vor europaweit Intoleranz und
Vorurteilen ausgesetzt. Sie würden insbesondere in den ge-
sellschaftlichen Bereichen Wohnen, Arbeiten, Bildung und
medizinische Versorgung diskriminiert. Zudem seien Roma
überdurchschnittlich oft Opfer von Menschenhandel. Die
Volksgruppe sei europaweit in öffentlichen und politischen
Ämtern unterrepräsentiert und werde zum Teil mit offener,
fremdenfeindlicher Gewalt konfrontiert. In einigen EU-Län-
dern würden die Roma-Kinder in den Schulen zudem von
den anderen Kindern getrennt und somit ihre Integration
erschwert. Die Bundesregierung soll sich deshalb weiterhin
bi- und multilateral für eine Verbesserung der Menschen-
rechtslage der Roma einsetzen, die ungarische EU-Ratsprä-
sidentschaft bei der Umsetzung der Roma-Strategie unter-
stützen und bei den Mitgliedstaaten des Europarates für

von kosovarischen Flüchtlingen aus Deutschland weiterhin
mit Integrationshilfen für die Roma im Kosovo flankiert
werden.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion der SPD erklärt, Roma seien in Europa nach
wie vor Diskriminierungen und Benachteiligungen ausge-
setzt. In weiten Teilen der Bevölkerung bestünden ihnen ge-
genüber Vorurteile fort. Roma seien häufiger Opfer von ras-
sistisch motivierter Gewalt, aber auch von struktureller
Diskriminierung durch Polizei und Behörden. Am gesell-
schaftlichen, öffentlichen und politischen Leben hätten sie
häufig nur einen geringen Anteil. Bildungsdefizite und
Arbeitslosigkeit seien in den Roma-Gruppen teilweise wei-
ter verbreitet als in den Mehrheitsbevölkerungen und er-
schwerten die soziale Eingliederung. Vorurteile und Diskri-
minierungen bildeten zudem beträchtliche Hürden beim
Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Fraktion fordert die Bundes-
regierung auf, die Europäische Kommission bei der Umset-
zung des „EU-Rahmens für nationale Strategien zur Integra-
tion der Roma bis 2020“ zu unterstützen. Außerdem soll sie
in enger Kooperation mit den Dachverbänden der Sinti und
Roma bis Ende 2011 eine nationale Strategie entwickeln,
welche die vier Kernbereiche Bildung, Beschäftigung, Ge-
sundheitsfürsorge und Wohnraum abdeckt. Schließlich soll
von der Abschiebung besonders schutzbedürftiger Roma bis
auf weiteres abgesehen werden. Bei Einzelfallprüfungen sol-
len die persönlichen Umstände der Personen umfassend er-
mittelt, unzumutbare Härten vermieden und vorhandene
Auslegungsspielräume zugunsten der Betroffenen genutzt
werden.

Zu Buchstabe c

Die Situation der Sinti und Roma sei in den europäischen
Staaten höchst problematisch, erläutert die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag. In einigen
Ländern habe sich die Situation in den letzten Jahren weiter
verschlechtert, so dass Sinti und Roma von sozialer Aus-
grenzung, Armut und Diskriminierung besonders bedroht
seien. Das jüngste Beispiel hierfür seien die Massenauswei-
sungen von Roma aus Frankreich nach Rumänien und Bul-
garien. In Deutschland verfügten insbesondere die Kinder
aus Roma-Familien über schlechte Integrationschancen.
Auch der ungesicherte Aufenthaltsstatus trage erheblich zur
Marginalisierung bei. Die Bundesregierung wird daher auf-
gefordert, sich für eine Gleichstellung der Sinti und Roma
und für eine rasche Entwicklung des neuen EU-Rahmens für
nationale Strategien zur Integration von Roma einzusetzen,
dem sollen im Rahmen des Rückführungsabkommens mit
dem Kosovo die schrittweise erfolgenden Rückführungen

Kosovo aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis
zu gewähren.

Drucksache 17/6446 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag auf Drucksache
17/5767 in seiner 39. Sitzung am 25. Mai 2011, der Innen-
ausschuss in seiner 44. Sitzung am 8. Juni 2011, der Aus-
schuss für Arbeit und Soziales in seiner 66. Sitzung am
25. Mai 2011, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frau-
en und Jugend in seiner 40. Sitzung am 25. Mai 2011, der
Ausschuss für Gesundheit in seiner 41. Sitzung am 25. Mai
2011, der Ausschuss für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung in seiner 40. Sitzung am 25. Mai
2011, der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung in seiner 38. Sitzung am 25. Mai 2011,
der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union in seiner 39. Sitzung am 25. Mai 2011 und der Aus-
schuss für Kultur und Medien in seiner 39. Sitzung am
8. Juni 2011 beraten. Alle mitberatenden Ausschüsse haben
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags
empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Antrag auf Drucksache 17/6090 in seiner
43. Sitzung am 29. Juni 2011, der Auswärtige Ausschuss in
seiner 41. Sitzung am 29. Juni 2011, der Innenausschuss in
seiner 46. Sitzung am 29. Juni 2011 beraten. Alle mitbera-
tenden Ausschüsse haben mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der
SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.

Zu Buchstabe c

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag auf Drucksache
17/5191 in seiner 39. Sitzung am 25. Mai 2011, der Innen-
ausschuss in seiner 44. Sitzung am 8. Juni 2011 und der Aus-
schuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
in seiner 39. Sitzung am 25. Mai 2011 beraten. Alle mitbera-
tenden Ausschüsse haben mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der SPD die Ablehnung empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat die Anträge in seiner 39. Sitzung am 25. Mai 2011, in
seiner 40. Sitzung am 8. Juni 2011 und seiner 41. Sitzung am
29. Juni beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU wies darauf hin, dass inner-
halb der EU die Situation dieser größten Minderheiten-
gruppe nicht zufriedenstellend sei. Es gebe enorme Defizite
und deshalb begrüße die Fraktion, dass die ungarische Rats-
präsidentschaft dieses Thema zu ihrem zentralen Thema
gemacht habe. Der Fraktion der CDU/CSU sei bewusst, dass
auch in Ungarn die Situation für diese Minderheit verbesse-

noch einige Jahre bis die Defizite und das Diskriminierungs-
potenzial, das der Volksgruppe entgegengebracht werden,
aufgehoben werden können. Auf der anderen Seite könne
man nicht verkennen, dass in bestimmten Bereichen dieser
Volksgruppe familienpolitische Strukturen und Stammes-
strukturen vorhanden seien, die es nicht leicht machen, eine
gleichberechtigte Teilhabe der Menschen im Rahmen ihrer
jeweiligen Gesellschaft oder gesetzlichen Ordnung zu er-
möglichen. Auch da müsse man ansetzen und im Gespräch
mit den Repräsentanten der Gruppe sensibilisieren und deut-
lich machen, dass sie auch eine Eigenverantwortung hätten.

Die Fraktion der SPD begrüßte, dass die Europäische
Kommission im April 2011 die Mitteilung „EU-Rahmen für
nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020“ vor-
gelegt habe. In dem Antrag ginge man ausdrücklich auf diese
von der Europäischen Kommission vorgelegten Punkte ein.
Die Situation der Roma sei in einigen Ländern Europas aus-
gesprochen schlecht. Das beträfe auch Mitgliedsländer der
EU. Infolgedessen bestehe bei der EU ein hoher Handlungs-
bedarf. Auch innerhalb Deutschlands sei noch viel an Arbeit
zu leisten. Die Kinder von Sinti und Roma seien in Deutsch-
land an Sonderschulen über- und an weiterführenden Schu-
len unterrepräsentiert. Einer Studie zufolge sorgten die trau-
matisierenden Erfahrungen der Eltern und Großeltern dafür,
dass der Schulbesuch nicht für wichtig gehalten werde. Die
Fraktion der SPD sei der Ansicht, dass der nationale
Aktionsplan auch in Deutschland ein Thema sein sollte und
man sich auch hier überlegen sollte, wie die Situation der
hier lebenden Sinti und Roma zu verbessern sei. Die Dis-
kriminierungssituation, auf die auch die Fraktion der CDU/
CSU hingewiesen habe, müsse sich verändern. Deshalb
brauche man eine nationale Strategie. Auch die Abschiebung
in den Kosovo stelle ein Problem dar. Es würde jetzt ange-
fangen, das Rückführungsabkommen vom April 2010 umzu-
setzen. Speziell für lange in Deutschland lebende Gruppen
der Roma sei es nicht zu verantworten, sie mitsamt ihren
Kindern wieder zurückzuschieben. Die Kinder seien hier
aufgewachsen und hätten sich integriert. Daher müsse es
Einzelfallprüfungen bezüglich der persönlichen Umstände
geben. Familien mit Kindern, unbegleitete Minderjährige,
über 65-jährige, Traumatisierte und Pflegebedürftige dürfe
man nicht abschieben.

In Zusammenarbeit mit den Bundesländern und den Regie-
rungsfraktionen habe man eine gemeinsame Lösung für die
Abschiebungen gesucht. Dies sei leider nicht gelungen. Es
wäre der Situation der Menschen gerecht geworden, wenn
man sich auf die Formulierungen des Antrages der Fraktion
der SPD geeinigt hätte. Eine Regelung müsse so gestaltet
werden, dass die Bundesländer sie umsetzen können, dies sei
bei ihrem Antrag der Fall. Zum Teil würden die Bundeslän-
der dies schon praktizieren, zum Beispiel in Nordrhein-
Westfalen. Deswegen werde man den Änderungsantrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdruck-
sache 17(17)81 ablehnen.

Den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP werde
man ablehnen, weil man eine nationale Strategie für notwen-
dig erachte und man die Einlassungen zum Thema Rück-
nahme und Rückführung nicht teilen könne.
rungsbedürftig sei. Der Wille sei dort vorhanden, der Wille
sei in der gesamten EU vorhanden und trotzdem bräuchte es

Bei der Abstimmung zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN werde man sich enthalten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/6446

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN merkte an,
dass man bei einem Gespräch über die Situation der Sinti
und Roma auch über deren Situation im eigenen Land reden
müsse. Dort sehe man auch das größte Defizit bei dem
Antrag der Koalition. Die Stiftung Erinnerung, Verantwor-
tung und Zukunft habe eine Studie unter Einbeziehung der
Sinti und Roma Organisation zur Bildungssituation gemacht.
Nur 2,3 Prozent aus dieser Bevölkerungsgruppe komme an
die Gymnasien. Die Bildungssituation und die soziale Aus-
grenzung hingen eng zusammen. Dies gelte für die Men-
schen in Deutschland und auch für die Menschen in osteuro-
päischen Ländern. In Tschechien und der Slowakei gäbe es
die Tendenz zur Entstehung von Slums. Die Kinder von
Roma würden komplett auf Sonderschulen als geistig behin-
dert oder lernbehindert eingestuft. Der Grund sei, dass sie in
der frühkindlichen Zeit nicht die Umgebungssprache, son-
dern nur die Sprache ihrer Volksgruppe lernen. Beispiels-
weise gebe es bestimmte Begriffe in ihrer Sprache nicht und
würden nicht verstanden. So könne man diese Kinder in
Tests gezielt durchfallen lassen, um sie im Schulsystem aus-
zusondern. Es habe dort ein von Studenten betriebenes Pro-
jekt gegeben, wo drei- bis viermal die Woche mit den Kin-
dern gespielt wurde. Die Kinder aus diesen Spielgruppen
hätten die Tests bestanden und seien auf normale Schulen ge-
kommen. Bei Rom e. V. in Köln habe sich gezeigt, dass das
größte Problem bei den Kindern aus Romafamilien aus
Jugoslawien nicht das Lernen oder der Schulalltag sei, son-
dern dass das Lernen und der Schulbesuch abbreche, sobald
die Familie von Abschiebung bedroht sei. Die Kinder seien
nicht zu dumm, sondern man gebe ihnen mit den äußeren
Rahmenbedingungen nicht die Chance, ihren Lebensweg zu
machen und unter Umständen in eine andere soziale Schicht
aufzusteigen als die ihrer Eltern. Deshalb solle Deutschland
eine nationale Roma-Strategie spezifisch ausgerichtet auf
die inländischen Probleme annehmen. Man sei dieser Bevöl-
kerungsgruppe angesichts des schrecklichen Unrechts, das
Deutschland und seine Bevölkerung diesen Menschen in der
Vergangenheit angetan habe, schuldig, dieses Problem auf-
zuarbeiten.

In der gegenwärtigen Situation im Kosovo sei eine Abschie-
bung nicht zu verantworten. Deshalb müsse das Rücküber-
nahmeabkommen ausgesetzt werden, bis garantiert sei, dass
jeder dort in menschenwürdige Unterbringungseinrichtun-
gen komme und die Chance erhalte, durch Arbeit seinen
Lebensunterhalt zu verdienen. Dies sei im Kosovo nicht ge-
geben. Die Situation sei zwar nicht mehr ganz so schlimm
wie früher, aber es gäbe immer noch Menschen, die in
Lagern säßen, wo die Bleikontamination für Kinder lebens-
bedrohlich und für Erwachsene gesundheitsgefährdend sei.
Unter diesen Bedingungen dürfe man aus humanitären
Gründen nicht abschieben. Deshalb habe man den Ände-
rungsantrag zum Antrag der Fraktion der SPD gemacht, der
sonst recht gut sei. Nur stelle er darauf ab, ausschließlich be-
sonders gefährdete Personen nicht abzuschieben. Dabei ge-
fährde die Aufnahmesituation jeden Roma, der abgeschoben
werden soll. Deshalb würde man sich freuen, wenn die Frak-
tion der SPD und der Ausschuss den Antrag diesbezüglich
verändere. Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP sei nicht verbesserungsfähig. Er zeige nur auf die
Probleme in anderen Ländern, nicht im eigenen Land und

Die Fraktion der FDP erklärte, es sei ein zentrales Thema
die Menschenrechtssituation der Sinti und Roma zu verbes-
sern. Nach wie vor sei die Situation mit regionalen Unter-
schieden problematisch bis besorgniserregend bis zutiefst
beklagenswert. Das Thema müsse aus der europäischen
Perspektive betrachtet werden, mit einem besonderen
Augenmerk auf die Situation in Südosteuropa. Europaweit
seien Sinti und Roma Intoleranz und Vorurteilen ausgesetzt
und von vielfältigen Diskriminierungen, vor allem in den
Bereichen Wohnen, Arbeiten, Bildung, medizinische Ver-
sorgung, betroffen. In den meisten Fällen gingen diese Dis-
kriminierungen nicht von staatlicher Gesetzgebung aus,
sondern von gesellschaftlichen Vorurteilen. Diese gesell-
schaftlichen Einstellung müsse man verändern. Man müsse
das Problem immer wieder diskutieren, thematisieren und
es ansprechen, um es in das Bewusstsein der Bevölkerung
zu bringen. Doch nicht nur gesellschaftliche Haltungen und
Vorurteile führten zu Diskriminierungen. Sinti und Roma
seien überdurchschnittlich Opfer krimineller Straftaten,
sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Kin-
derbettelei. 80 Prozent der von Menschenhandel betroffe-
nen Personen in der EU seien Sinti und Roma. Darüber hin-
aus gebe es in einzelnen Teilen Europas beginnende
politisch motivierte Angriffe auf Sinti und Roma. Das
Problem der Benachteiligung und Ausgrenzung der Sinti
und Roma sei nicht neu. Auf EU-Ebene stehe ein legislati-
ves, finanzielles und politisches Instrumentarium zur Verfü-
gung. Verschiedene Strukturfonds für eine verbesserte
Integration der Sinti und Roma seien gebildet worden. Die
Wirksamkeit all dieser Maßnahmen müsse erhöht werden.
In dem Antrag habe man deshalb gefordert, Vertreter der
Roma bei der Ausarbeitung, Durchführung und Kontrolle
von Projekten mit einzubeziehen. Beiderseitig seien An-
strengungen notwendig.

In der Bundesrepublik Deutschland sei man bereits sehr
aktiv, zum Beispiel fördere das Auswärtige Amt im Rahmen
seiner Menschenrechtsarbeit in Ländern des westlichen Bal-
kans Integrationsprojekte, das Bundesministerium für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstütze
den Roma Education Fund, verbessere so die Bildungschan-
cen der Sinti und Roma auf dem gesamten Balkan und man
unterstütze auch die Rückkehr in den Kosovo durch entspre-
chende Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen bei der
Wiedereingliederung.

Die Fraktion DIE LINKE. legte dar, dass der Kosovo fak-
tisch ein Protektorat sei und noch viele Jahrzehnte nicht ohne
fremde Hilfen lebensfähig sei. Roma-Familien die gezwun-
gen wurden in den Kosovo zurückzukehren, hätten in Ge-
sprächen ihre inakzeptable Situation im Kosovo dargelegt
und deutlich aufgezeigt, dass sie physisch krank geworden
seien. die Aufnahmegesellschaft im Kosovo sei feindlich, sie
hätten keine Chance auf ein eigenständiges Einkommen, ihre
soziale und gesellschaftliche Situation sei katastrophal. Das
URA 2-Projekt greife mit seinen gesamten Fördermaßnah-
men viel zu kurz. Abschiebungen in den Kosovo werden
von der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt. Hier habe man
eine ähnliche Position wie die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN. Im Durchschnitt der EU fühlen sich 55 Pro-
zent der Sinti und Roma bei Behördenbesuchen diskrimi-
stelle sich nicht den zentralen humanitären Herausforderun-
gen in der Abschiebepraxis.

niert. Um die Situation der Roma zu verbessern, bräuchte
man eine generations-übergreifende Bildungsförderung.

Drucksache 17/6446 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Fraktion der CDU/CSU ergänzte hierzu, man dürfe
Ausreisepflichtige nicht noch einmal unterklassifizieren. Die
Serben, die in den Kosovo zurückgeschoben werden sollen,
stünden vor einer ähnlich problematischen Situation, wie die
Roma, wenn sie zurückgeführt werden. Wenn in der Einzel-
fallprüfung festgestellt werden werde, es bestehe kein indi-
viduelles Verfolgungsschicksal mehr, kein Gruppenverfol-
gungsschicksal, dann solle man nicht dazu übergehen, eine
Sonderbehandlung einer Volksgruppe vorzunehmen.

Zu Buchstabe a

Als Ergebnis der Beratung empfiehlt der Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe die Annahme des
Antrags auf Drucksache 17/5767 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Als Ergebnis der Beratung empfiehlt der Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe die Ablehnung des

setzen;

12. die Regierungen anderer EU-Mitgliedstaaten aufzu-
fordern, ebenso zu verfahren, und Roma aus dem
Kosovo eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären
Gründen zu gewähren.

3. Unter römisch III. werden die Punkte arabisch 1., 2.
und 3. ersetzt durch:
Abschiebungen von Roma aus dem Kosovo auszusetzen.

ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP, gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.

Zu Buchstabe c

Als Ergebnis der Beratung empfiehlt der Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe die Ablehnung des
Antrags auf Drucksache 17/5191 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion der SPD.

Berlin, den 29. Juni 2011

Erika Steinbach
Berichterstatterin

Angelika Graf (Rosenheim)
Berichterstatterin

Pascal Kober
Berichterstatter

Annette Groth
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter
Die Fraktion der SPD erwiderte zu der Position von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, es gehe in dem Antrag der
Fraktion der SPD nicht nur um die erwähnten besonderen
Bevölkerungsgruppen, sondern um eine klare Richtlinie für
die Auslegung bei den kommunalen Ausländerbehörden.
Nordrhein-Westfalen habe diesen sogenannten Wintererlass
gehabt, d. h. im Winter grundsätzlich von Abschiebung ab-
gesehen, und jetzt bräuchte man eine Regelung, um denjeni-
gen, die es wollten, die Möglichkeit zu verschaffen, die
Praxis auf einer vernünftigen legalen Basis durchzusetzen.
Den kommunalen Ausländerbehörden müsse ermöglicht
werden, in jedem Einzelfall ganz konkret ihr Ermessen anzu-
wenden, dafür, dass Abschiebung nicht stattfindet. Auch die
Repräsentanten des UNHCR sagten nicht grundsätzlich, es
müsse ein generelles Abschiebeverbot geben, sondern auch
die meinten, ein generelles Abschiebeverbot sei gegenwärtig
nicht mehr zu rechtfertigen. Es dürfe zudem keine grundsätz-
lichen positiven Voten für Abschiebung geben, sondern ganz
konkrete Einzelfallprüfungen.

Antrags auf Drucksache 17/6090 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 17(17)81 zum Antrag
der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/6090 mit dem
Wortlaut

Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
wolle beschließen:

1. Unter römisch II. wird nach arabisch 10. der Punkt durch
ein Semikolon ersetzt.

2. Unter römisch II. wird nach arabisch 10. eingefügt:
11. niemanden ohne gültige Papiere in den Kosovo zu-

rückzuführen und das deutsch-kosovarische Rück-
nahmeabkommen für Roma aus dem Kosovo auszu-

x

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