BT-Drucksache 17/6436

zu dem Überprüfungsverfahren des Abgeordneten Thomas Nord gemäß § 44c Absatz 2 des Abgeordnetengesetzes (AbgG) Überprüfung auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

Vom 5. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6436
17. Wahlperiode 05. 07. 2011

Bericht
des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
(1. Ausschuss)

zu dem Überprüfungsverfahren des Abgeordneten Thomas Nord
gemäß § 44c Absatz 2 des Abgeordnetengesetzes (AbgG)

Überprüfung auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das
Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat in seiner
26. Sitzung am 30. Juni 2011 im Überprüfungsverfahren gemäß § 44c Absatz 2
AbgG einstimmig und damit mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln
seiner Mitglieder

eine inoffizielle Tätigkeit des Abgeordneten Thomas Nord für das Ministerium
für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
als

erwiesen

festgestellt.

I n h a l t s ü b e r s i c h t

Bericht des Ausschusses

A. Grundsätze des Verfahrens gemäß § 44c AbgG

I. Rechtliche Grundlagen des Überprüfungsverfahrens

1. Gesetz, Richtlinien und Absprache zur Durchfüh-
rung der Richtlinien

2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

II. Verfahrensgrundsätze

B. Ablauf des Verfahrens

C. Belegmaterialien für die Überprüfung des Abgeordneten
Nord von Amts wegen

D. Unterlagen des MfS zum Abgeordneten Thomas Nord

E. Vortrag des Abgeordneten Thomas Nord

I. Schriftliche Stellungnahme des Abgeordneten Thomas
Nord

II. Anhörung durch die Berichterstatter

F. Feststellungen des Ausschusses

Erklärung des Abgeordneten Thomas Nord

Anlagen

Drucksache 17/6436 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A. Grundsätze des Verfahrens gemäß § 44c AbgG

§ 44c des Abgeordnetengesetzes* (AbgG) regelt die Über-
prüfung von Mitgliedern des Bundestages auf Tätigkeit oder
politische Verantwortung für das Ministerium für Staats-
sicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) der
ehemaligen DDR. Eine Überprüfung wird im Regelfall nur
auf einen entsprechenden Antrag des oder der jeweiligen
Abgeordneten durchgeführt. Über die Ergebnisse dieser
Überprüfungen nach § 44c Absatz 1 AbgG wird dem
Plenum gesondert berichtet.

Lediglich dann, wenn der Ausschuss mit einer Mehrheit von
zwei Dritteln seiner Mitglieder das Vorliegen von konkreten
Anhaltspunkten für den Verdacht einer Tätigkeit oder Ver-
antwortung für den Staatssicherheitsdienst feststellt, erfolgt
die Überprüfung gemäß § 44c Absatz 2 AbgG auch ohne
Zustimmung des betroffenen Mitglieds des Bundestages. In
der 17. Wahlperiode hat der Ausschuss bisher in einem Fall
diese Überprüfung beschlossen; dabei handelt es sich um
das vorliegende Verfahren des Abgeordneten Thomas Nord.

I. Rechtliche Grundlagen des Überprüfungsver-
fahrens

1. Gesetz, Richtlinien und Absprache zur Durchführung
der Richtlinien

Seit der 12. Wahlperiode werden die Überprüfungen von
Mitgliedern des Bundestages auf Tätigkeit oder politische
Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehema-
ligen DDR auf der Grundlage der heute in § 44c AbgG ent-
haltenen Regelung durchgeführt (Anlage 1).

Die gesetzliche Regelung wird durch die diesem Bericht als
Anlage 2 beigefügten, vom Plenum beschlossenen „Richt-
linien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische
Verantwortung für das MfS/AfNS und die vom Ausschuss
beschlossene, als Anlage 3 beigefügte „Absprache zur
Durchführung der Richtlinien gemäß § 44c AbgG“ ergänzt.
(Zur Entwicklungsgeschichte der für das Überprüfungsver-
fahren maßgeblichen Vorschriften vgl. u. a. die Ausführun-
gen in dem Bericht des Ausschusses vom 13. April 2000 –
Bundestagsdrucksache 14/3228). In Nummer 3 der Ab-
sprache ist die „Überprüfung von Amts wegen“ geregelt.
Diese „kann von jedem Ausschussmitglied beantragt wer-
den“. Gemäß Satz 2 sind dem Überprüfungsantrag „Beleg-
materialien beizufügen“.

2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der 13. Wahlpe-
riode mehrfach mit den Verfahren nach § 44c AbgG ausein-
andergesetzt und die hierzu getroffenen Regelungen als ver-
fassungsgemäß bestätigt (siehe die Entscheidungen vom
21. Mai 1996, BVerfGE 94, 351 ff. und vom 20. Juli 1998,
BVerfGE 99, 19 ff.). Speziell die Entscheidung vom 21. Mai
1996 enthält grundlegende Aussagen zur Gestaltung der
Überprüfungsverfahren.

II. Verfahrensgrundsätze

Den Regelungen in § 44c AbgG liegt der Gedanke zu-
grunde, dass grundsätzlich jedes Mitglied des Bundestages
selbst entscheiden soll, ob es sich auf eine Tätigkeit oder
politische Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der
ehemaligen DDR überprüfen lassen will. Dementsprechend
bestimmt § 44c Absatz 1 AbgG als Regelfall, dass solche
Überprüfungen nur auf einen entsprechenden Antrag des
oder der jeweiligen Abgeordneten durchgeführt werden.
Eine Überprüfung ohne Zustimmung des betroffenen Mit-
glieds des Bundestages findet gemäß § 44c Absatz 2 AbgG
nur dann statt, wenn der Ausschuss das Vorliegen von kon-
kreten Anhaltspunkten für den Verdacht einer Tätigkeit oder
Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst feststellt.

Diese Feststellung muss mit einer Mehrheit von zwei Drit-
teln der Ausschussmitglieder getroffen werden (Nummer 1
Absatz 4 der Richtlinien). Zur Feststellung des Prüfungser-
gebnisses stehen dem Ausschuss gemäß Nummer 4 der
Richtlinien die Mitteilungen der Bundesbeauftragten für die
Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
DDR (im Folgenden: Bundesbeauftragte) sowie sonstige
dem Ausschuss zugeleitete oder von ihm beigezogene Un-
terlagen zur Verfügung. Damit wird auf die Beweismittel
des Zeugen- und des Sachverständigenbeweises verzichtet;
die Verfahren sind auf eine Überprüfung anhand von Ur-
kunden und Angaben des betroffenen Mitglieds beschränkt.
Die Richtlinien und die Absprache enthalten außerdem eine
Reihe von Mitwirkungsrechten und Schutzbestimmungen
zugunsten des betroffenen Mitglieds. In seiner Entschei-
dung vom 21. Mai 1996 hat das Bundesverfassungsgericht
die Sicherungen aufgeführt, die das Überprüfungsverfahren
von Verfassungs wegen zum Schutze des Abgeordneten ent-
halten muss (BVerfGE 94, 351 [369-371]). Hierzu gehören
zunächst Beteiligungsrechte des Abgeordneten, die nicht
nur das rechtliche Gehör gewährleisten, sondern dem be-
troffenen Abgeordneten auch ermöglichen, aktiv an der
Herstellung des Beweisergebnisses mitzuwirken. Ferner
muss gewährleistet sein, dass die abschließende Feststel-
lung der Eigenart des gewählten Verfahrens und der zuge-
lassenen Beweismittel Rechnung trägt. Entsprechend ist in
den Richtlinien das Akteneinsichtsrecht des betroffenen
Mitglieds (Nummer 2 Absatz 1 der Richtlinien), seine An-
hörung (Nummer 5 Absatz 1 der Richtlinien) sowie das
Recht, den zu veröffentlichenden Feststellungen des Aus-
schusses eine eigene Erklärung hinzuzufügen (Nummer 6
der Richtlinien), aufgeführt.

In der nunmehr geltenden Fassung stellen Nummer 2 Ab-
satz 2 und 3 der Richtlinien darüber hinaus ausdrücklich
klar, dass der vertrauliche Charakter der Überprüfungsver-
fahren das Akteneinsichtsrecht der Mitglieder des Bundes-
tages (§ 16 GO-BT) sowie das Zutrittsrecht zu den Aus-
schussberatungen (§ 69 Absatz 2 GO-BT) beschränkt. Wei-
terhin enthalten die überarbeiteten Feststellungskriterien in
Nummer 6 der Absprache zur Durchführung der Richtlinien
einen Katalog von Indizien, die nach der Erfahrung des
Ausschusses in der Regel auf eine inoffizielle Tätigkeit für
den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR hinweisen.
Dieser Katalog ist allerdings nicht als abschließende Auf-
zählung zu verstehen und ersetzt auch nicht die zur Feststel-
lung einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst in jedem
Einzelfall notwendige Würdigung der konkret vorliegenden

* Durch Gesetz vom 22. August 2005 (BGBl. I S. 2482) wurde § 44b
a. F. ohne inhaltliche Änderung § 44c.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6436

Beweismittel. Auch die Feststellung des Prüfungsergebnis-
ses bedarf schließlich einer Mehrheit von zwei Dritteln der
Mitglieder des Ausschusses (Nummer 1 Absatz 4 der Richt-
linien). Soweit nach diesem Ergebnis eine hauptamtliche
oder inoffizielle Tätigkeit oder eine politische Verantwor-
tung des überprüften Mitglieds des Bundestages für den
Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR erwiesen ist,
wird diese Feststellung unter Angabe der wesentlichen
Gründe als Bundestagsdrucksache veröffentlicht (Num-
mer 6 der Richtlinien). Eine Beeinträchtigung der parlamen-
tarischen Rechte des betroffenen Mitglieds oder gar eine
Verpflichtung zur Mandatsniederlegung ist damit nicht ver-
bunden. Die Beurteilung der getroffenen Feststellungen soll
vielmehr der Öffentlichkeit, den Wählern, vorbehalten blei-
ben. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 21. Mai 1996 (2 BvE 1/95; BVerfGE 94, 351 ff.) wird
das vom Deutschen Bundestag festgelegte und durch Richt-
linien und Absprachen näher ausgestaltete Verfahren – auch
soweit es auf die Beweismittel des Zeugen- und Sachver-
ständigenbeweises verzichtet und sich auf die Überprüfung
anhand von Urkunden und Angaben des Betroffenen be-
schränkt – den verfassungsrechtlichen Anforderungen ge-
recht. Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass der Aus-
schuss für eine belastende Feststellung von der Verstrickung
des Abgeordneten eine so sichere Überzeugung gewinnen
muss, dass auch angesichts der beschränkten Beweismög-
lichkeiten vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der Fest-
stellung ausgeschlossen sind. Andernfalls steht es dem Aus-
schuss offen, in den Gründen die Beweislage darzustellen.
Mutmaßungen sind dem Ausschuss verwehrt.

B. Ablauf des Verfahrens

Im Fall des Abgeordneten Thomas Nord beantragte die
Fraktion der CDU/CSU in der 4. Sitzung des Ausschusses
in Geschäftsordnungsangelegenheiten am 25. Februar 2010
ein Überprüfungsverfahren nach Nummer 3 der „Absprache
zur Durchführung der Richtlinien gemäß § 44c AbgG“.
Dem Antrag waren mit Schreiben des Parlamentarischen
Geschäftsführers der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen
Bundestag, Abgeordneter Bernhard Kaster, vom 29. Januar
2010 als Belegmaterialien ein Ausdruck von Internetseiten
des Abgeordneten Thomas Nord sowie verschiedene Pres-
seartikel beigefügt. Deren Inhalt wird unter Abschnitt C
wiedergegeben.

In der genannten Ausschusssitzung wies die Fraktion der
CDU/CSU darauf hin, dass der Abgeordnete Thomas Nord
auf seiner eigenen Internetseite und auch auf der Seite des
Deutschen Bundestages vermerkt habe, dass er sich 1983
als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des MfS habe verpflichten
lassen. Mit den an die Ausschussmitglieder verteilten Pres-
severöffentlichungen, dem IM-Namen „Mark Schindler“
sowie den Hinweisen auf Bespitzelungen würden genügend
Anhaltspunkte vorliegen, entsprechend der Intention des
Abgeordnetengesetzes ein Überprüfungsverfahren einzulei-
ten. Das Verfahren bestehe nicht nur in der Überprüfung, ob
eine inoffizielle Mitarbeit bei der Staatssicherheit gegeben
sei, sondern auch darin, dass die Überprüfung durch die Sta-
siunterlagen-Behörde erfolge und dass ein ausführlicher Be-
richt als Bundestagsdrucksache erstellt werde. Es sollte also
auch darüber informiert werden, welche Folgewirkung
diese Tätigkeit für das MfS gehabt habe und ob Dritte ge-

schädigt worden seien. Die Zielsetzung des Gesetzes sei,
dass neben der Tatsache der Tätigkeit auch ihr Umfang und
ihre Art und Weise geprüft werde.

Dem schlossen sich die Fraktionen der SPD und FDP an. Die
Fraktion DIE LINKE. sah aufgrund der vom Abgeordneten
Thomas Nord selbst offengelegten IM-Tätigkeit keine Veran-
lassung für das Überprüfungsverfahren, stimmte der Über-
prüfung aber dennoch zu. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN stellte den Erkenntnisgewinn des Verfahrens in
Frage.

Der Ausschuss stellte daher in seiner 4. Sitzung am 25. Fe-
bruar 2010 mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Drit-
teln der Stimmen das Vorliegen von konkreten Anhalts-
punkten für den Verdacht einer hauptamtlichen oder inoffi-
ziellen Tätigkeit oder politischen Verantwortung für das
MfS/AfNS der ehemaligen Deutschen Demokratischen Re-
publik fest und beschloss, ein Überprüfungsverfahren ohne
Zustimmung des betroffenen Mitglieds gemäß § 44c Ab-
satz 2 AbgG einzuleiten.

Auf Anforderung des Präsidenten des Bundestages vom
3. März 2010 übersandte die Bundesbeauftragte mit Schrei-
ben vom 3. Mai 2010 die der Bundesbeauftragten vorliegen-
den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehema-
ligen DDR, aus denen sich Hinweise auf eine hauptamtliche
oder inoffizielle Tätigkeit von Herrn Thomas Nord für den
Staatssicherheitsdienst ergeben. Deren Inhalt wird im Ab-
schnitt D wiedergegeben.

Als Berichterstatter in dem Überprüfungsverfahren wurden
in der 9. Sitzung des Ausschusses am 10. Juni 2010 die Ab-
geordneten Bernhard Kaster, Michael Hartmann (Wackern-
heim), Jörg van Essen, Dr. Dagmar Enkelmann und Volker
Beck (Köln) benannt.

Nachdem die Berichterstatter Kopien der Unterlagen der
Bundesbeauftragten erhalten hatten, beschloss der Aus-
schuss, die Bundesbeauftragte zu einer Erläuterung der Un-
terlagen auf Berichterstatterebene einzuladen. Die Teil-
nahme an diesem Gespräch, das am 30. September 2010
stattfand, stand allen Mitgliedern des Ausschusses offen.
Auf den Inhalt des Gesprächs wird ebenfalls im Abschnitt D
eingegangen.

Am 24. Februar 2011 wurde der Abgeordnete Thomas Nord
von den zu seinem Verfahren eingesetzten Berichterstattern
des Ausschusses angehört. Ein mit Zustimmung aller Betei-
ligten erstelltes Wortprotokoll der Anhörung wurde den Be-
richterstattern sowie dem Abgeordneten Thomas Nord am
9. März 2011 übersandt. Der Inhalt der Anhörung wird un-
ter Abschnitt E wiedergegeben. Zu der Anhörung hatte der
Abgeordnete Nord am 23. Februar 2011 eine schriftliche
Stellungnahme übersandt, die aus einer zwei Seiten umfas-
senden Punktation und einer Auflistung von 43 Belegen be-
stand, die überwiegend Presseartikel enthielten. Auch die
schriftliche Stellungnahme des Abgeordneten Nord wird
unter Abschnitt E wiedergegeben.

Die mündlichen und schriftlichen Einlassungen des Abge-
ordneten wurden bei der Entscheidungsfindung des Aus-
schusses berücksichtigt.

In seiner 24. Sitzung am 26. Mai 2011 stellte der Ausschuss
das Ergebnis seiner Überprüfung des Abgeordneten Thomas
Nord vorläufig fest. Hiervon unterrichtete der Vorsitzende

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den Präsidenten des Deutschen Bundestages, den Vorsitzen-
den der Fraktion DIE LINKE. sowie den Betroffenen.

Der Abgeordnete Thomas Nord machte anschließend von
der Möglichkeit Gebrauch, den Feststellungen des 1. Aus-
schusses eine Erklärung hinzuzufügen.

In seiner 26. Sitzung am 30. Juni 2011 stellte der 1. Aus-
schuss das Ergebnis seiner Prüfung mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN endgültig fest.

C. Belegmaterialien für die Überprüfung des Ab-
geordneten Nord von Amts wegen

Die dem Antrag auf eine Überprüfung des Abgeordneten
Thomas Nord von Amts wegen beigefügten Belegmateria-
lien bestanden aus folgenden Unterlagen:

– Ausdruck der Internetseite
www.thomas-nord.de/persoenlich/biografisches

Auf seiner privaten Homepage macht der Abgeordnete
Thomas Nord folgende Angaben zu seiner Person: „Ich
bin 52 Jahre alt. Seit 1999 bin ich in Brandenburg aktiv.
Im Osten Berlins ging ich bis 1974 zur Schule, wurde
1976 Maschinen und Anlagenmonteur und war ich, nach
vier Jahren bei der Volksmarine, bis 1984 Jugendklub-
leiter.

Zur selben Zeit absolvierte ich ein Studium als Kultur-
wissenschaftler. Politisch überzeugt war ich in hauptamt-
lichen Funktionen in der FDJ, dann in der SED tätig und
ließ mich 1983 als IM des MfS verpflichten. Der demo-
kratische Umbruch in der DDR 1989, öffnete mir den
Weg vom Parteikommunisten zum demokratischen So-
zialisten. Der offene Umgang mit meiner Biografie und
das anhaltende Hinterfragen auch persönlichen Ver-
sagens gehört seit zwanzig Jahren dazu.

Dies führte zur kritischen Auseinandersetzung mit dem
Realsozialismus, unterstützt durch eine mich prägende
Zusammenarbeit mit Stefan Heym, dessen Mitarbeiter
ich 1994/95 sein durfte. Die Kritik an den gesellschaft-
lichen Verhältnissen in Deutschland, ließ mich zunächst
in der PDS, jetzt für DIE LINKE aktiv bleiben. Heute bin
ich Landesvorsitzender meiner Partei in Brandenburg.“

– Ausdruck der Internetseite
www.linksfraktion.de/mdb_nord.php

Hier macht der Abgeordnete Thomas Nord überwiegend
gleichlautende Angaben.

– Ausdruck der Internetseite
www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/
biografien/N/nord_thomas.html

Auf der Internetseite des Deutschen Bundestages finden
sich die Angaben in übereinstimmendem Wortlaut.

– Artikel aus „Die Welt“ vom 12. Dezember 2009 „Die
Brandenburger Stasi-Fraktion“

„Die Welt“ berichtet über die Stasi-Verstrickungen von
acht Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. im Bran-
denburger Landtag. Zum Abgeordneten Nord finden sich
u. a. folgende Angaben: „Politik vor 1990: SED-Mit-
glied, politischer Mitarbeiter der SED-Kreisleitung in
Prenzlauer Berg. Tätigkeit für das MfS: Gesellschaft-

licher Mitarbeiter für Sicherheit (GMS). Deckname:
„Mark Schindler“. Aktenlage: Bereits während seiner
vierjährigen Armeezeit bei der Volksmarine verriet Nord
die „Republikfluchtabsichten“ eines Matrosen. Rund vier
Jahre später unterschrieb er im Februar 1984 seine Ver-
pflichtungserklärung. Als Jugendklubleiter in Prenzlauer
Berg gab er reihenweise Informationen über kritisch ein-
gestellte Kollegen und Jugendliche weiter. „Mark
Schindler“ war laut Akte ein Überzeugungstäter und hat
vom MfS ständig Geldbeträge genommen, für die opera-
tive Arbeit sowie als Prämie. Transparenz: Nord ist nach
der friedlichen Revolution auf DDR-Oppositionelle zu-
gegangen und hat sich offenbart. Dies unterscheidet ihn
von allen anderen hier aufgeführten Abgeordneten.“

– Artikel aus „die tageszeitung“ vom 4. Dezember 2009
„Der Dreifrontenkampf des Thomas Nord“

Die „tageszeitung“ berichtet unter der Teilüberschrift
„Linke und Stasi. Der Landeschef der Linken war über-
zeugter IM.“ u. a. Folgendes: „Thomas Nord war kein
Mitläufer. (…) Er war Überzeugungstäter. Anfang der
80er Jahre denunzierte er als Leiter eines Jugendclubs
friedensbewegte Teenager. ‚Revolutionäre Wachsamkeit
war für mich keine Parole‘. ‚Ich war bis zum Ende der
DDR gläubig.‘ Im Frühjahr 1990 kandidierte er für die
Bezirksversammlung in Prenzlauer Berg für die PDS und
offenbarte seine IM-Geschichte. Nicht alles, aber einiges.
Vielleicht trieb ihn die Angst, enttarnt zu werden, viel-
leicht war dies seine Art, auf den totalen Zusammenbruch
des Lügengebäudes DDR zu reagieren. Sicher ist: Dies
taten 1990 nur ganz wenige IM. Reinhard Schult, der in
der DDR acht Monate im Knast saß und heute bei der
Berliner Stasiunterlagen-Behörde arbeitet, sagt: ‚Nord
hat sich damals anders verhalten. Er ist auf uns DDR-
Oppositionelle zugekommen und hat zugegeben, was er
getan hat‘.“

– Artikel aus „Cicero“ vom 22. Oktober 2009 „Platzecks
‚kleine DDR‘“

„Cicero“ gibt einen Auszug aus dem Buch „Honeckers
Erben“ von Hubertus Knabe wieder, in dem es über die
Stasi-Verstrickung von Politikern der Fraktion DIE
LINKE. in Brandenburg u. a. heißt: „Nords Stasi-Akte
offenbart die ganze Bandbreite eines DDR-Spitzellebens.
Bereits während seiner vierjährigen Armeezeit bei der
Volksmarine, wo er der Parteileitung eines Kriegsschiffes
angehörte, lieferte er seine Kameraden skrupellos ans
Messer. ‚Bedeutsam erscheint, dass er den (Name ge-
schwärzt) so einschätzt, dass dieser seine Drohung, wäh-
rend der Wache zu schießen, wahr macht‘, notierte sich
die Stasi, als Nord über die Fluchtabsichten eines Matro-
sen berichtete. Anschließend denunzierte er (…) reihen-
weise kritische Jugendliche und Kollegen. ‚Ein nicht ge-
ringer Teil der Mitarbeiter verfügt über keinen klaren
Standpunkt zur Politik von Partei und Regierung bzw. zur
Haltung kirchlicher Kreise zur Friedensfrage bezie-
hungsweise zu solchen Leuten wie Stefan Heym, Bier-
mann u. a.‘. (…) Eine Elftklässlerin schwärzte er an: ‚Die
(Name geschwärzt) tritt aktiv gegen die Wehrbereitschaft
der Abiturienten auf‘. (…) Zu Recht bescheinigte ihm
deshalb die Stasi: ‚Thomas Nord besitzt ein gefestigtes
Feindbild und verhält sich gegenüber feindlichen Ein-
flüssen konsequent abweisend‘. Er selbst schrieb in sei-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6436

ner Verpflichtungserklärung, dass die Tätigkeit für das
MfS ‚auf der Grundlage meiner politischen Überzeu-
gung‘ erfolge. (…) Für 1990 war der Nomenklaturkader
für ein Studium an der Parteihochschule ‚Karl Marx‘ vor-
gesehen – doch die friedliche Revolution stoppte die an-
gestrebte DDR-Karriere. Auf der Linken-Homepage
schweigt sich Nord über seine Zusammenarbeit mit der
Stasi genauso aus wie über seine früheren SED-Funktio-
nen (…) Gleichzeitig bezeichnet er sich jedoch als ‚ehe-
maliges Mitglied der SED, das offen mit seiner Biografie
umgeht‘.“

– Artikel aus „DER SPIEGEL“ vom 15. Januar 1996
„Flucht nach vorne (Wie ein Stasi-Spitzel bei der PDS
Karriere macht)“

„DER SPIEGEL“ berichtet 1996 u. a.: „Thomas Nord,
38, war ein Denunziant. Als Unteroffizier verriet er die
Pläne eines Matrosen, der in den Westen abhauen wollte;
als FDJ-Funktionär in Berlin-Prenzlauer Berg observiert
er Besucher aus dem Westen und bespitzelte Schüler, de-
nen die verordnete DDR-Friedenspolitik nicht paßte. (…)
Nord, Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi mit dem Deck-
namen ‚Mark Schindler‘, hatte alle Hände voll zu tun im
rebellischen Bezirk Prenzlauer Berg. (…) Später wagte er
die Flucht nach vorne und bekannte sich auf PDS-Partei-
tagen zu seiner Spitzelei. Zwar nicht im Detail, aber im-
merhin.“

D. Unterlagen des MfS zum Abgeordneten
Thomas Nord

Der von der Bundesbeauftragten übermittelte Aktenbestand
zum Abgeordneten Thomas Nord umfasst zwei Anlagen Re-
chercheergebnisse im Umfang von zwei und drei Seiten so-
wie zwei Anlagebände mit Kopien im Umfang von 34 und
64 Seiten. Die Unterlagen betreffen den Zeitraum vom 1978
bis 1989. Hierzu haben die Vertreter der Bundesbeauftragten
ergänzend erläutert, dass über den Abgeordneten Thomas
Nord im Hinblick auf die Überprüfung einer möglichen Sta-
siverstrickung keine weiteren Unterlagen existierten.

Bei den betreffenden 98 Seiten Kopien handelt es sich u. a.
um Aktenvermerke, handschriftliche und mündliche Be-
richte, Kontaktgesprächs- und Treffberichte sowie die hand-
schriftliche Verpflichtungserklärung von Herrn Thomas
Nord.

1. Anlageband 1

Der Band enthält folgende Anlagen:

Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass das MfS 1977 auf
Herrn Nord aufmerksam wurde, der von 1976 bis 1980
einen freiwilligen vierjährigen Wehrdienst bei der Volks-
marine der DDR ableistete. Laut einem Aktenvermerk eines
Leutnants aus dem Jahre 1982 kam es von September 1978
bis zum Oktober 1980 zu einer „Kontaktierung“ von Herrn
Nord (Anlage 1.1). Dokumentiert sind aus dieser Zeit ein
Aktenvermerk und ein schriftlicher Bericht von Herrn Nord,
beide vom 18. September 1978. Laut o. g. Aktenvermerk
der HA I/VM (Hauptabteilung I des MfS, Volksmarine)
wurde Herr Nord auf den vertraulichen Charakter der Unter-
redung hingewiesen und vereinbart, Informationen unter
Umgehung des Dienstweges direkt dem MfS mitzuteilen
(Anlage 1.2). In seinem handschriftlichen Bericht infor-
mierte Herr Nord, der seinerzeit den Dienstrang eines Maats
hatte, u. a. über ein Gespräch mit einem anderen Soldaten
über einen namentlich genannten Matrosen und dessen Ab-
sicht, seinen Wehrdienst vorzeitig zu beenden und die DDR
zu verlassen (Anlage 1.3). Wörtlich berichtet Herr Nord,
dass der Matrose „die Absicht habe, unbedingt seine Dienst-
zeit auf 1 1/2 Jahre zu verkürzen. Dabei seien ihm alle Mittel
recht“. Er berichtet weiter, dass dieser Matrose „eine ab-
solut pro-westliche Haltung einnehme, was sich im verherr-
lichen von Westreklame und in Äußerungen wie ‚nur im
Westen ist man wirklich frei‘ und nur dort würde man die
Möglichkeit haben ‚sich frei zu entfalten‘ ausdrücke“. Wei-
ter heißt es, dass der Matrose nach seiner vorzeitigen Ent-
lassung aus der Nationalen Volksarmee (NVA) alles unter-
nehmen werde „um in die BRD zu kommen“. Weitere Be-
richte aus jener Zeit sind nicht Bestandteil der vorliegenden
Akten.

Nach dem Armeedienst wurde 1981 die HA VIII (Beobach-
tung/Ermittlung), Abteilung 13 (Operationsgebiet BRD/
Westberlin) durch einen Hinweis auf Herrn Nord aufmerk-
sam. Er war damals Jugendklubleiter in Berlin und hatte in
dieser Funktion bereits offizielle Kontakte zu einem MfS-
Mitarbeiter der Kreisdienststelle Prenzlauer Berg.

Am 23. März 1982 erfolgte die erste Kontaktaufnahme mit
Herrn Nord durch den HA VIII Mitarbeiter Leutnant P.
(Herrn Nord als „Dietze“ bzw. „Hartmut“ bekannt). Der
Vermerk vom 6. April 1982 trägt die Überschrift „Bericht
über das zweite Kontaktgespräch mit dem FIM [Führungs-
IM]-Instrukteur-Kandidaten ‚Marc Schindler‘“. Danach
machte Herr Nord Angaben zu seinem familiären und beruf-
lichen Umfeld und erklärte „seine feste Bereitschaft zur
weiteren Zusammenarbeit mit MfS“ (Anlage 1.4). In den
folgenden Monaten schätzte er u. a. eine Bekannte ein (An-
lage 1.5), über die er mitteilte, dass sie ihre Sachen in Ge-
brauchtwarenläden kauft oder „bei günstigen Gelegenheiten
auch aus Müllcontainern“ sammele. Der mit seinem Klar-

Anlage 1.1 Aktenvermerk vom 29.11.1982 1 Blatt

Anlage 1.2 Aktenvermerk vom 18.09.1978 2 Blatt

Anlage 1.3 handschriftlicher Bericht vom 18.09.1978 3 Blatt

Anlage 1.4 Kontaktgesprächsbericht vom 06.04.1982 3 Blatt

Anlage 1.5 handschriftlicher Bericht vom 20.04.1982 2 Blatt

Anlage 1.6 mündlicher Bericht vom 07.06.1982 1 Blatt

Anlage 1.7 mündlicher Bericht vom 14.06.1982 1 Blatt

Anlage 1.8 mündlicher Bericht vom 14.06.1982 1 Blatt

Anlage 1.9 Vorlauf-Beschluss vom 01.07.1982 1 Blatt

Anlage 1.10 Kontaktgesprächsbericht vom 27.07.1982 2 Blatt

Anlage 1.11 handschriftlicher Bericht vom 04.08.1982 2 Blatt

Anlage 1.12 Sachstandsbericht/
Einschätzung

vom 05.11.1982 5 Blatt

Anlage 1.13 mündlicher Bericht vom 01.12.1982 1 Blatt

Anlage 1.14 Aktenvermerk vom 26.01.1983 1 Blatt

Anlage 1.15 Kontaktgesprächsbericht vom 07.02.1983 2 Blatt

Anlage 1.16 handschriftlicher Bericht vom 03.02.1984 2 Blatt

Anlage 1.17 Kontaktgesprächsbericht vom 06.05.1983 1 Blatt

Anlage 1.18 Aufstellung von 1982 bis
1984

1 Blatt

Anlage 1.19 Archivierungsbeschluss vom 28.02.1984 1 Blatt

Drucksache 17/6436 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

namen unterschriebene Bericht endet mit der Einschätzung,
dass die Betreffende „politisch farblos“ sei und in ihrem
Freundeskreis keine „Personen mit einer positiven poli-
tischen Haltung verkehren (gescheiterte Existenzen, Halbin-
tellektuelle, Fast-Künstler)“. Weiter informierte er über
„zielgerichtet offen pazifistisches Auftreten“ Jugendlicher
in einem Jugendclub (Anlage 1.6), über Westkontakte eines
Verwandten (Anlage 1.7) und über einen Künstler, der „po-
litisch sehr indifferent in Erscheinung tritt“ (Anlage 1.8).

Am 1. Juli 1982 fasste das MfS den Beschluss, zu Herrn
Nord unter dem vorläufigen Decknamen „Marc Schindler“
(später überwiegend „Mark Schindler“) eine Vorlaufakte
unter der Registriernummer XV 5731/82 anzulegen (Anlage
1.9). Ziel war zunächst, Herrn Nord zum FIM-Instrukteur
zu qualifizieren, um ihn später für das Referat Westberlin
der HA VIII einzusetzen. Der IM-Vorlauf war laut Darstel-
lung der Bundesbeauftragten der Zeitraum, in dem die Per-
son, die als IM geworben werden sollte, bzgl. Loyalität,
Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit vom MfS überprüft
wurde. Danach wurden alle zu dieser Person notwendigen
Informationen in einer IM-Vorlaufakte gesammelt.

In einem Sachstandsbericht vom 5. November 1982 kam
der MfS-Leutnant P. zu der Einschätzung, dass Herr Nord in
seiner bisherigen Entwicklung zu „festen marx./lenin. ge-
prägten Positionen (gelangte), die sein Verhalten wesentlich
bestimmen“. Bei Herrn Nord zeige sich eine auf diesen
Überzeugungen und „einem dementsprechend begründeten
ausgeprägten Feindbild beruhende Bereitschaft zur aktiven
Unterstützung des MfS“. Das MfS habe bislang elf Kontakt-
gespräche mit Herrn Nord durchgeführt. Außerdem habe er
diverse mündliche und schriftliche Berichte und Personen-
einschätzungen geliefert.

Nach der Fertigung weitere Berichte durch Herrn Nord im
Zeitraum Dezember 1982 bis Februar 1983 (Anlage 1.13 bis
1.15) informierte Herr Nord mit einem Bericht vom 3. Fe-
bruar 1984, dass der 1. Sekretär der FDJ-Kreisleitung
Prenzlauer Berg eine Abiturklasse besucht habe, in der ein
„starker Einfluß kirchlich gebundener Jugendlicher“ be-
stehe. Weiter heißt es: „Geistiger Kopf der Diskussion um
das Thema ‚Frieden schaffen ohne Waffen‘ war die Schüle-
rin …“. Der Name der Schülerin wird hier genannt (Anlage
1.16).

Bedingt durch das Ausscheiden des MfS-Mitarbeiters P. und
Herrn Nords Aufnahme einer hauptamtlichen FDJ-Tätigkeit
war das ursprüngliche Werbungsziel FIM-Instrukteur bzw.
IME-Ermittler (IM im bzw. für einen besonderen Einsatz)
1983 nicht mehr umsetzbar und es kam ab Mai 1983 zu ei-
ner Unterbrechung der bis dahin insgesamt 18, teilweise in
einer konspirativen Wohnung durchgeführten „Kontaktge-
spräche“ (Anlage 1.17). Nach Aktenlage lieferte Herr Nord
von März 1982 bis Mai 1983 rund ein Dutzend schriftliche
und diverse, in Kontaktgesprächsberichten und Einzelmit-
teilungen wiedergegebene mündliche Informationen.

1982 erhielt Herr Nord zu verschiedenen Anlässen (Hoch-
zeit, Kindsgeburt und Geburtstag) drei Geschenke im Ge-
samtwert von 107,85 Mark (Anlage 1.18).

Mit Beschluss vom 28. Februar 1984 wurde die IM-Vorlauf-
akte archiviert und Herr Nord als GMS (Gesellschaftlicher
Mitarbeiter für Sicherheit) verpflichtet (Anlage 1.19 sowie
im Folgenden Anlage 2.1).

2. Anlageband 2

Anlageband 2 enthält folgende Anlagen:

Nach dem Abbruch der Verbindung seitens des MfS im Mai
1983 (siehe Anlage 1), machte MfS-Mitarbeiter Leutnant
Bo. im Januar 1984 (die Jahreszahl 1983 in der Anlage 2.1
ist offensichtlich falsch) den Vorschlag, erneut die Verbin-
dung zu Herrn Nord aufzunehmen, um zu prüfen, ob dieser
„als GMS Perspektive besitzt“ (Anlage 2.1). Herr Nord war
zu diesem Zeitpunkt Sekretär für Kultur und Sport in der
FDJ-Kreisleitung Prenzlauer Berg. Die Kontaktaufnahme
erfolgte am 20. Januar 1984 durch den MfS-Mitarbeiter
Leutnant Bo. In dem Termin erklärte der Kandidat Thomas
Nord „seine uneingeschränkte Bereitschaft zur Zusammen-
arbeit mit dem MfS“. Seine Aufgabe bis zum nächsten Tref-
fen sollte u. a. in der Einschätzung von ein bis zwei Perso-
nen aus seinem Umfeld bestehen, die seiner Meinung nach
für eine Zusammenarbeit mit dem MfS geeignet waren.
Noch vor der Verpflichtung zum GMS erhielt er im Februar
1984 eine Geldprämie in Höhe von 75 Mark (Anlage 2.3).

Am 9. Februar 1984 schlug die HA VIII unter Hinweis auf
dessen feste Überzeugungen und Haltungen vor, Thomas
Nord als GMS zu verpflichten (Anlage 2.4). Die am 23. Fe-
bruar 1984 von Herrn Nord handschriftlich verfasste Ver-
pflichtungserklärung hat folgenden Wortlaut (Anlage 2.5):

„Ich, Nord, Thomas, (…), Berlin, verpflichte mich freiwil-
lig zur Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssi-
cherheit. Diese Zusammenarbeit mit dem Ministerium für

Anlage 2.1 Vorschlag zur
Wiederaufnahme …

vom 02.01.1984 4 Blatt

Anlage 2.2 Kontaktgesprächsbericht vom 23.01.1984 4 Blatt

Anlage 2.3 Vorschlag zur Prämierung vom 08.02.1984 1 Blatt

Anlage 2.4 Vorschlag zur
Verpflichtung

vom 09.02.1984 6 Blatt

Anlage 2.5 handschriftliche
Verpflichtung

vom 23.02.1984 2 Blatt

Anlage 2.6 Werbungsbericht vom 24.02.1984 3 Blatt

Anlage 2.7 Beschluss vom 06.03.1984 1 Blatt

Anlage 2.8 handschriftlicher Bericht vom 09.03.1984 2 Blatt

Anlage 2.9 handschriftlicher Bericht vom 09.03.1984 2 Blatt

Anlage 2.10 mündliche Information vom 30.03.1984 1 Blatt

Anlage 2.11 mündliche Information vom 02.04.1984 1 Blatt

Anlage 2.12 Treffbericht vom 25.04.1984 2 Blatt

Anlage 2.13 handschriftlicher Bericht undatiert (1984) 5 Blatt

Anlage 2.14 GMS-Einsatzplan vom 10.08.1984 2 Blatt

Anlage 2.15 handschriftlicher Bericht vom 08.10.1984 4 Blatt

Anlage 2.16 Treffbericht vom 12.12.1984 2 Blatt

Anlage 2.17 handschriftlicher Bericht vom 15.01.1985 3 Blatt

Anlage 2.18 Vorschlag zur
Auszeichnung

vom 18.01.1985 1 Blatt

Anlage 2.19 Aufstellung von 02/84-04/85 1 Blatt

Anlage 2.20 mündliche Information vom 25.04.1985 2 Blatt

Anlage 2.21 Übersichtblätter von 06/82-05/85 2 Blatt

Anlage 2.22 Aktenvermerk vom 12.12.1985 1 Blatt

Anlage 2.23 mündliche Information vom 18.04.1986 2 Blatt

Anlage 2.24 Vermerk vom 25.01.1989 2 Blatt

Anlage 2.25 Treffbericht vom 26.01.1989 4 Blatt

Anlage 2.26 Treffbericht vom 22.02.1989 2 Blatt

Anlage 2.27 Treffbericht vom 19.06.1989 2 Blatt

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/6436

Staatssicherheit erfolgt auf der Grundlage meiner politi-
schen Überzeugung. Ich bin mir bewußt, daß ich mit dieser
Verpflichtung einen aktiven Beitrag zur Aufklärung der
Pläne eines Gegners und zur Erhaltung des Friedens leisten
werde.

Über die Zusammenarbeit mit dem MfS und die mir dabei
zur Kenntnis gelangenden spezifischen Methoden der kon-
spirativen Arbeit werde ich gegenüber jedermann strengstes
Stillschweigen wahren.

Über Umstände, die die konspirative Zusammenarbeit mit
dem MfS gefährden könnten, werde ich dem Mitarbeiter so-
fort berichten.

Ich bin mir bewußt, daß ich bei Verletzung dieser Verpflich-
tung nach den Strafgesetzen der DDR zur Verantwortung
gezogen werden kann.

Von mir ausgefertigte Berichte unterzeichne ich mit dem
Decknamen „Mark Schindler“.

Für den Fall der Verbindungsaufnahme seitens eines Mitar-
beiters unter besonderen Umständen zu mir gilt folgende
Losung: ‚Kupplungsscheiben abholen am … um … Ant-
wort: Schön – Bremsen nachstellen‘.

Zur Aufrechterhaltung der Verbindung zum Mitarbeiter
wurde mir die Telefonnummer 50 99 581 App. 5365 über-
geben.

Thomas Nord

23.02.1984“

Dem Bericht vom 24. Februar 1984 über die erfolgte Ver-
pflichtung (Anlage 2.6) folgte am 6. März 1984 der Be-
schluss über das Anlegen einer GMS-Akte (Anlage 2.7). Ab
dem 9. März 1984 lieferte Herr Nord Informationen u. a.
über ein Mitglied seiner FDJ-Kreisleitung, das für seine „oft
wechselnden Mädchenbekanntschaften bekannt“ sei und
„eine hohe Eitelkeit an den Tag“ lege (Anlage 2.8). Über
das Lehrerkollektiv einer Oberschulklasse berichtete er,
dass dieses einen Schüler daran „hindert (…) einen dreijäh-
rigen Ehrendienst bei der NVA zu leisten (Anlage 2.9). Wei-
ter berichtete er, dass eine Schülerin der Klasse 11 „aktiv
gegen die Wehrbereitschaft der Abiturienten“ auftrete (An-
lage 2.11). Ferner berichtete er u. a. über berufsbedingte Be-
gegnungen mit Delegationen aus westlichen Ländern (An-
lage 2.13) und über einen FDJ-Fackelzug (Anlage 2.15).
Hier wies er auf eine „sehr geringe Einsatzbereitschaft“
eines Oberwachtmeisters hin. Die Zusammenarbeit von
Herrn Nord mit dessen Führungsoffizier Bo. (Herrn Nord
als „Jörg Warnow“ bekannt) war 1984 und 1985, verglichen
mit den darauffolgenden Jahren, intensiv; in den Unterlagen
sind 28 Treffberichte und 32 mündliche bzw. schriftliche
Berichte enthalten. In einem „Plan zum weiteren Einsatz
des GMS ‚Mark Schindler‘“ vom 10. August 1984 stellte
Führungsoffizier Bo. u. a. fest: „Der GMS erarbeitete meh-
rere wertvolle Informationen.“ (Anlage 2.14).

Für den Zeitraum Februar 1984 bis Mai 1985 geben zwei in
der GMS-Akte enthaltene Seiten einen Überblick zu den 22
von Herrn Nord gelieferten Berichten (Anlage 2.21).

Im Dezember 1985 wurde Herr Nord von Führungsoffizier
Bo. an den Führungsoffizier W. (Herrn Nord als „Winder“
bekannt) übergeben. Laut einem Aktenvermerk aus jenem
Monat „beeinträchtigen“ häufige berufliche Mehrbelastun-

gen bei Herrn Nord bereits damals dessen „operative Ein-
satztätigkeit“ (Anlage 2.22). Treffberichte des Führungsof-
fiziers W. mit Herrn Nord sind nicht Bestandteil der Akte;
aufgefunden wurden lediglich zwei von W. im April 1986
verfasste, von Herrn Nord mündlich gegebene Informatio-
nen (Anlage 2.23). Aus dem Zeitraum Mai 1986 bis Dezem-
ber 1988 liegen keine Dokumente vor, die eine GMS-Tätig-
keit von Herrn Nord belegen.

Einem Treffbericht vom 26. Januar 1989 zufolge hat Herr
Nord im Juli 1988 sein Studium an der Bezirksparteischule
abgeschlossen und war seit dem 1. Juli 1988 als politischer
Mitarbeiter der SED-Kreisleitung Berlin Prenzlauer Berg
tätig. Im Januar 1989 schrieb Führungsoffizier W. einen
„Vermerk über die operative Zusammenarbeit mit dem
GMS ,Mark Schindler‘ Reg. Nr XV“. Darin nennt er u. a.
Gründe für die reduzierte inoffizielle Zusammenarbeit der
vergangenen Jahre (Besuch einer Bezirksparteischule der
SED und offizielle Kontakte des Herrn Nord zum MfS). Er-
wähnt wird ferner, dass im o. g. Zeitraum der FIM „Joachim
Bauer“ Herrn Nord anleitete und es aus MfS-Sicht keinerlei
negativen Hinweise in Bezug auf die inoffizielle Zusam-
menarbeit mit Herrn Nord gebe (Anlage 2.24). Anlass die-
ses Vermerks war offensichtlich die Übergabe des Herrn
Nord an den FO Ba. (Herrn Nord als „Frank Lorenz“ be-
kannt).

Laut einem Treffbericht vom 22. Februar 1989 informierte
Herr Nord das MfS über eine Jugendtouristreise in die Bun-
desrepublik Deutschland, die Anfang 1989 stattgefunden
hatte. Dabei berichtete er über die Teilnehmer und deren
Auftreten, über alle organisatorischen Aspekte und die Kon-
takte zu „BRD-Organisationen, -Unternehmen, -Initiativen,
-Bürgern“ (Anlage 2.26). Das jüngste Dokument der inoffi-
ziellen Tätigkeit von Herrn Nord in dessen GMS-Akte ist
ein Treffbericht mit dem genannten Führungsoffizier Ba.
vom 19. Juni 1989 (Anlage 2.27). Ausweislich dieses Be-
richts erhielt Herr Nord den Auftrag, das Zustandekommen
der Kontakte von zwei Teilnehmern der letzten Reise mit
Bürgern der Bundesrepublik Deutschland detailliert darzu-
legen (Anlage 2.27).

Aus Anlageband 2 ergeben sich nach Mitteilung der Bun-
desbeauftragten u. a. folgende Hinweise auf eine inoffizielle
Tätigkeit von Herrn Nord für den Staatssicherheitsdienst der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik:

– Kategorie/Bezeichnung, unter der die Person vom Staats-
sicherheitsdienst geführt wurde: GMS (Gesellschaft-
licher Mitarbeiter für Sicherheit)

– Deckname: „Mark Schindler“

– Hauptabteilung/Abteilung/Dienststelle: HA VIII (Beob-
achtung / Ermittlung), Abt. 13 (BRD/Westberlin) Ref. 4

– Führungsoffiziere: 4: Bo., R., W., Ba. (Die Klarnamen
werden im Anlageband genannt) sowie F- (Führungs) IM
„Joachim Bauer“

– Kontaktphase: 23. Januar 1984 bis 23.02.1984

– Zeitraum der IM-Erfassung: 23. Februar 1984 – offen

– Persönliche Verpflichtung: handschriftlich am
23. Februar 1984 ( Anlage 2.5)

– Ziel der Werbung nach Darstellung des Staatssicherheits-
dienstes: Hinweiserarbeitung auf Werbekandidaten im
Operationsgebiet (OG), Absicherung von Rückverbin-

Drucksache 17/6436 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dungen/Kontakten aus dem OG in die DDR, Erarbeitung
bedeutsamer politisch-operativer Informationen

– Grundlage der Werbung aus der Sicht des Staatssicher-
heitsdienstes: politische Überzeugung

– Übertragene Aufgaben: u. a. Personeneinschätzungen
und Infos zu Begegnungen mit westlichen Delegationen

– Zuwendungen/Prämien: 2 Geschenke (bestätigte Anträ-
ge) im Gesamtwert von 205,– Mark (Anlage 2.3 u. 2.18),
sowie Hinweise auf weitere vier Geschenke (1985/1986)
im Gesamtwert von 160,75 Mark. Anhand einer in der
Akte enthaltenen „Aufstellung über ausgezahlte Beträge
und geleistete Sachwerte“ lassen sich nur bedingt Aussa-
gen über deren Bestimmung (Präsente/Prämien oder
Auslagenerstattungen) treffen (Anlage 2.19).

– Auszeichnungen durch den Staatssicherheitsdienst: nicht
ersichtlich

– Grund für die Beendigung der Tätigkeit: Auflösung des
Staatssicherheitsdienstes

– Art und Anzahl der Berichte:

vor der Verpflichtung zum GMS: vier Gespräche/Treffs
im Januar/Februar 1984, sieben schriftliche, mit Klar-
namen unterschriebene Berichte Herrn Nords

nach der Verpflichtung zum GMS: 31 Treffberichte der
FO; davon 28 von 03/84 bis 11/85 und 3 aus dem Jahr
1989, 25 schriftliche Berichte des GMS, überwiegend
mit Decknamen unterschrieben, acht mündliche, vom FO
aufgezeichnete Berichte des GMS

Herr Nord übergab auch mehrere dienstliche Unterlagen
an seinen FO

– Inhalt der Berichte: Herr Nord informierte überwiegend
zu Personen (Genossen aus der FDJ- Kreisleitung, Be-
kannte, Schüler und Lehrer sowie Teilnehmer an Reisen
in westliche Länder.

Ergänzend erläuterten die Vertreter der Bundesbeauftragten
den Berichterstattern am 30. September 2010 auf die Frage,
wie der Zeitraum zwischen der Verpflichtung zur inoffiziel-
len Mitarbeit 1984 und der tatsächlichen Kontaktaufnahme
1978 zu bewerten sei, in dem es mehrere Treffen und Be-
richte gegeben habe, dass dies nicht unüblich gewesen sei.
Auch schon vor einer formellen Zusammenarbeit sei bei der
Anwerbung eines IM zuerst erprobt worden, ob eine Zu-
sammenarbeit lohnend sein würde.

Auf die Frage, ob etwas über die Konsequenzen für den Ma-
trosen, die Schülerin oder andere Menschen bekannt sei,
über die der Abgeordnete Nord dem MfS berichtet habe,
teilten sie mit, dass hierzu nichts gesagt werden könne, da
die Bundesbeauftragte rechtlich und tatsächlich nicht in der
Lage sei, eine Opferrecherche vorzunehmen oder Konse-
quenzen eindeutig einem bestimmten IM zuzuordnen. Er-
heblich sei, ob die Information, die der Staatssicherheit ge-
geben worden sei, geeignet gewesen sei, Schaden zuzu-
fügen. Potenziell habe jede Information über eine Person an
das MfS Schaden anrichten können. Selbst wenn der IM
sich bemüht habe, keine nachteiligen Informationen zu lie-
fern, hätten diese doch in den Händen der Staatssicherheit
zu einer gefährlichen Waffe werden können. Ein IM habe
nicht beurteilen können, welche Berichte Schaden anrichten
würden. Die mitgeteilte Flucht von Kameraden aus der

DDR in den Westen sei hierzu aber ohne Zweifel geeignet
gewesen.

Zu den in den Unterlagen erwähnten verschiedenen Abtei-
lungen des MfS erläuterte die Bundesbeauftragte, dass der
Abgeordnete Nord vom MfS im Laufe der Jahre für ver-
schiedene Verwendungszwecke vorgesehen gewesen sei.
Daher sei in den 70er-Jahren die für die Armee zuständige
HA I und ab 1981 die HA VIII mit ihm in Kontakt getreten.
Die Abteilung 13 der HA VIII sei für das „Operationsgebiet
BRD/Westberlin“ zuständig gewesen. Der Abgeordnete
Thomas Nord sei nach den Akten als FIM vorgesehen ge-
wesen, d. h. dass er selbst wieder andere IM hätte führen
sollen. Die Zielrichtung sei dabei für den Abgeordneten
Thomas Nord gewesen, auch geeignete IM in West-Berlin
in den Jugendclubs zu werben. Aufgrund der beruflichen
Entwicklung des Abgeordneten Thomas Nord und seines
Studiums sei dies dann nicht weiter verfolgt worden. Nach
den Akten habe der Abgeordnete Thomas Nord dann zu ei-
nem IME, d. h. einem IM mit Westkontakt, aufgebaut wer-
den sollen. Dies habe sich dann aber ebenfalls aufgrund sei-
ner weiteren beruflichen Entwicklung zerschlagen, so dass
er letztendlich zum GMS verpflichtet worden sei. In allen
genannten Zeiträumen habe er Berichte an das MfS gelie-
fert.

Auf die Frage, ob die vom Abgeordneten Thomas Nord u. a.
auf seiner Homepage eingeräumte IM-Tätigkeit deckungs-
gleich mit den aufgefundenen Unterlagen und Berichten sei
oder ob sich aus den Akten eine zeitlich oder inhaltlich um-
fangreichere Mitarbeit für das MfS als aus den Angaben des
Abgeordneten Thomas Nord ergebe, teilte die Bundesbeauf-
tragte mit, dass diese Angaben nicht als umfängliche Infor-
mation über die Mitarbeit bei der Staatssicherheit bezeich-
net werden könnten. Die Angabe, dass der Abgeordnete
Nord sich habe verpflichten lassen, sei sachlich richtig; für
eine umfangreiche Information wäre aber zu erwarten, dass
Angaben über die tatsächliche Berichtstätigkeit oder die
Folgen dieser Verpflichtung gemacht würden. Es habe Ver-
pflichtungen gegeben, die erhebliche Konsequenzen gehabt
hätten und andere, in denen keine Berichte geliefert worden
seien.

Die relativ geringe Höhe der vom Abgeordneten Nord ent-
gegengenommenen Prämienzahlungen erläuterte die Bun-
desbeauftragte damit, dass die Staatssicherheit Wert darauf
gelegt habe, dass die Arbeit aus Überzeugung geleistet wor-
den sei und auf Vertrauen beruht habe. Die materielle Seite
habe daher, anders als bei IM aus westlichen Ländern, fast
keine Rolle bei der Entscheidung gespielt für das MfS zu ar-
beiten.

Auf die Frage nach dem beim Abgeordneten Thomas Nord
festgestellten „ausgeprägten Feindbild“ verwies die Be-
hörde auf die klaren Angaben in der Akte und dass es keiner
Überzeugungsarbeit bedurft hätte, den Abgeordneten Nord
für das MfS zu gewinnen. Nach dem Wehrdienst sei die HA
VIII nochmals an diesen herangetreten und die Bereitschaft
des Abgeordneten Nord zur Zusammenarbeit mit dem MfS
sei weiterhin sehr hoch gewesen. Ob der Abgeordnete Nord
gewusst habe, in welche Richtung seine Tätigkeit für das
MfS sich entwickeln würde, sei nicht festzustellen. Die HA
VIII habe aber mit der Abteilung 13 auch im Westen ope-
riert. Der IM sei geschult worden, um auch in West-Berlin
mitarbeiten zu können. Der Abgeordnete Thomas Nord

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/6436

habe dafür gute Voraussetzungen mitgebracht, da er kon-
taktfreudig und aufgeschlossen gewesen sei. Das MfS habe
ihn für fähig gehalten, Personen einzuschätzen, die für das
MfS geeignet sein könnten. Direkt sei es zu diesem Einsatz
nicht gekommen, aber er habe die Schulung und das Trai-
ning absolviert.

E. Vortrag des Abgeordneten Thomas Nord

I. Schriftliche Stellungnahme

Der Abgeordnete Nord hat dem Ausschuss eine um 43 Be-
legmaterialien ergänzte schriftliche Stellungnahme folgen-
den Wortlauts übermittelt:

1. Ich war aus politischer Überzeugung inoffizieller Mitar-
beiter des MfS.

2. Seit März 1990 gehe ich mit dieser Tatsache offen und
öffentlich um. (Belegnummern: 1, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13,
14, 15, 16, 17, 18, 19, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 33, 34,
35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43)

3. Ich habe diesen Schritt der Veröffentlichung freiwillig,
ohne jeden Einfluss einer staatlichen Institution oder der
Medien vollzogen. Ursache für meinen Umgang mit die-
sem Fakt waren persönliche Lernprozesse in Folge der
friedlichen und demokratischen Wende in der DDR im
Herbst 1989. (Belegnummern: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11,
12, 15, 16, 21, 22, 24, 26, 33, 35, 36, 37, 38, 40, 41, 42)

4. Seit diesem Zeitpunkt habe ich bei jeder Kandidatur für
ein Amt oder Mandat auf diesen Teil meiner Biografie
aufmerksam gemacht. (Belegnummern: 6, 9, 13, 14, 15,
16, 17, 29, 39, 41, 42)

5. Ich habe mich mit meiner politischen Biographie und
dem damit verbundenen persönlichen Versagen intensiv
auseinandergesetzt. Dazu gehörte, dass ich selbstständig
auf Leidtragende der Repressionspolitik des MfS und der
SED zugegangen bin und auch um Entschuldigung für
mein Handeln bat. (Belegnummern: 1, 15, 21, 22, 25, 30,
35, 36, 37, 42, 43)

6. Ich habe meine Tätigkeit für das MfS und mögliche Fol-
gen für Betroffene zu keiner Zeit relativiert und habe das
künftig auch nicht vor. (Belegnummern: 1, 2, 3, 4, 5, 14,
15, 21, 22, 24, 35, 37)

7. Auch vor meiner Wahl in den Deutschen Bundestag habe
ich den Fakt meiner inoffiziellen Mitarbeit für das MfS in
umfangreicher Weise in den Medien, in Wahlkampfmate-
rialien, im Internet und in persönlichen Stellungnahmen
öffentlich gemacht. Ich bin also bei Kenntnis dieses Fakts
mit 32,3 Prozent im Wahlkreis 64 in den Deutschen Bun-
destag gewählt worden. (Belegnummern: 26, 27, 28, 31,
40, 43)

8. Ich habe meine Fraktion gebeten, einer erneuten Feststel-
lung dieser Tatsache durch den Ausschuss zuzustimmen.

Seiner Stellungnahme hat der Abgeordnete Thomas Nord
folgende Liste der 43 verwendeten Belege beigefügt, für de-
ren Erarbeitung unter anderem die Ergebnisse einer Recher-
che der Wissenschaftlichen Dienste (WD) des Deutschen
Bundestages zur Unterstützung herangezogen worden seien:

Belegnummer

1. „PDS auf der Suche nach Motiven für eine Stasi-Tätig-
keit“, in: Der Tagesspiegel, 1. Juni 1991, Autor:
Andreas Bretzler

2. „Thesen zur Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS/
AfNS“, Autoren: Thomas Nord/Ursula Goldenbaum,
Frühjahr 1991

3. Inhaltsverzeichnis: Aufarbeitung erfordert Dialog, Ein
Lesematerial, Dokumentation von Standpunkten aus der
PDS zur „Staatssicherheitsdebatte“ in der Zeit vom
Außerordentlichen Parteitag der SED/PDS, Dezember
1989 bis Ende März 1992, Erscheinungsjahr: 1992,
Herausgeberin: Bundesgeschäftsstelle PDS, Kleine
Alexanderstraße 28, 0-1020 Berlin

4. „Notwendiger Bruch mit Sicherheitsverständnis von
SED und MfS“, in: Neues Deutschland, Beilage vom
6. Juni 1991; ebenso veröffentlicht in: Aufarbeitung er-
fordert Dialog, Ein Lesematerial, Dokumentation, S. 38
– 39, Autoren: Thomas Nord/Ursula Goldenbaum

5. „Die Geschichte ist das Weltgericht.“ Wer richtet die
Geschichte?, in: Controvers, Geschichte – ja, aber…,
S. 66 – 75, Berlin, 10. Dezember 1992, Autoren: Grup-
pe Sozialistische Linke, Thomas Nord et al.

6. „Flucht nach vorne“, in: Der Spiegel Nr. 3/1996, S. 42,
Autor: Stefan Berg

7. „Ich tauche nicht ab. Selbstzeugnisse und Reflexionen“,
1996, Berlin, edition ost, Auszug, Autor: André Brie

8. Antrag auf einstweilige Verfügung beim Landgericht
Berlin vom 23. Mai 1996

9. Eidesstattliche Versicherung durch Thomas Nord vom
23. Mai 1996

10. Beschluss der einstweiligen Verfügung des Landgerich-
tes Berlin im Verfahren Nord gegen „edition ost“ vom
24. Mai 1996

11. Entschuldigungsschreiben „edition ost“ vom 20. August
1996, und Umsetzung der einstweiligen Verfügung ab
September 1991

12. Vergleich zwischen Thomas Nord und „edition ost Ver-
lag und Agentur GbR“, vertreten durch Dr. Ballaschk &
Langhammer vom 21. August 1996

13. „PDS vor dem sechsten Führungswechsel“, in: Berliner
Zeitung, 17. Dezember 2004, Autorin: Andrea Beyer-
lein

14. „Ex-Stasi-Spitzel wird Brandenburgs PDS-Chef“, in:
Bild-Zeitung, 11. Januar 2005, Autor: M. Sauerbier

15. „Märkische PDS wählt siebten Landeschef“, in: Die
Welt, 11. Januar 2005, S. 33, Autorin: Gudrun Mallwitz

16. „Thomas Nord mit 77 Prozent als PDS-Landeschef ge-
wählt“, in: Berliner Morgenpost, 20. Februar 2005,
S. 25, Autorin: Gudrun Mallwitz

17. „Stasi-Mann führt PDS“, in: taz, 21. Februar 2005, S. 2,
dpa-Meldung

18. „Schönbohm gibt Unterlassungserklärung ab“, in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. September 2005,
S. 4, Autorin: Mechthild Küpper

Drucksache 17/6436 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

19. „Wohlfühlklima für alte Stasi-Zausel“, in: Frankfurter
Allgemeine, 9. September 2005, S. 4, Autorin: Mecht-
hild Küpper

20. „Der Umgang mit dem parteipolitischen Rechtsextre-
mismus“, Arbeitspapier der Konrad-Adenauer Stiftung,
Eckhard Jesse 2005, Auszug S. 12

21. „Man muss die Täter nennen dürfen“, in: Süddeutsche
Zeitung, 7. März 2007, S. 2, Autor: Manfred Wilke

22. „Erinnerung verboten? Das Gerichtsurteil zu einem
Buch über Mauerschützen-Prozesse, in: Die politische
Meinung, Monatszeitschrift zu Fragen der Zeit, März
2007, S. 59 – 62. Autor: Manfred Wilke

23. „Partei der Spitzel“, in: Cicero, Magazin für politische
Kultur, 30. März 2007, Autor: Hubertus Knabe,
Buchauszug aus: „Die Täter sind unter uns“

24. „Linke verteidigen den Stasi-Verein“, in: Bild-Zeitung,
12. April 2008, Autor: M. Sauerbier

25. „Girl’s Day“, in: Berliner Zeitung, 25. April 2008,
Autorin: Andrea Beyerlein

26. „Deutschland – ein Puzzle Wahlkreis 63“, in: Frankfur-
ter Allgemeine Zeitung, 26. Juli 2008, Autorin: Mecht-
hild Küpper

27. „DIE LINKE straft ihren Parteichef ab“, in: Der Tages-
spiegel, 17. Mai 2009, Autor: Thorsten Metzner

28. Wahlkampfflyer von Thomas Nord zur Bundestagswahl
2009

29. Homepage von Thomas Nord:
http://www.thomas-nord.de/persoenlich/biografisches/

30. „Der gute IM und der schlechte IM“, in: Berliner Zei-
tung, 15. Juli 2009, Autorin: Andrea Beyerlein

31. „Wir sind aufs Regieren vorbereitet“, in: Der Tages-
spiegel, 15. Oktober 2009, Autor: Thorsten Metzner

32. „Platzecks ,kleine DDR‘“, in: Cicero, Magazin für poli-
tische Kultur, 22. Oktober 2009, Autor: Hubertus
Knabe, Buchauszug aus: Honeckers Erben

33. „Rot-Rot in Brandenburg besiegelt“, in: Neue Zürcher
Zeitung, 6. November 2009, Autor: Joachim Rieker

34. „Rot-Rot wird nicht scheitern“, in: Lausitzer Rund-
schau, 4. Dezember 2009, S. 3, Autoren: Simone
Wendler und Christian Taubert

35. „Der Dreifrontenkampf des Thomas Nord“, in: taz,
4. Dezember 2009, Autor: Stefan Reinecke

36. „Die Brandenburger Stasi-Fraktion“, in: Berliner Mor-
genpost, 12. Dezember 2009, Autor: Uwe Müller

37. „Aufruhr im Land des Nichtwissenwollens“, in: Stutt-
garter Zeitung, 16. Dezember 2009, Autorin: Katja
Bauer

38. „Beginn der Aufarbeitung“ in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung, 22. Januar 2010, Autorin: Mechthild Küpper

39. „Stasi-Verstrickung: LINKE setzen Ultimatum“, in:
Berliner Morgenpost, 16. Februar 2010, Autorin:
Gudrun Mallwitz

40. „Erzwungene Aufarbeitung“, in: Süddeutsche Zeitung,
19. Februar 2010, Autorin: Constanze von Bullion

41. „Stasi-Überprüfung von Thomas Nord“, in: Das Parla-
ment Nr. 09/2010, 1. März 2010, Autorin: Kata Kottra

42. „Schwierigkeiten mit der Wahrheit“, in: Der Tagesspie-
gel, 15. März 2010, Autor: Thorsten Metzner

43. „Linke: Kein Schlussstrich unter DDR-Vergangenheit“,
in: Berliner Zeitung, 15. März 2010, Autorin: Andrea
Beyerlein

Die Stellungnahme mit den Belegmaterialien wurde den Be-
richterstattern vor der Anhörung am 24. Februar 2011 über-
sandt.

II. Anhörung durch die Berichterstatter

Während seiner Anhörung vor den Berichterstattern des
Ausschusses am 24. Februar 2011 wiederholte der Abgeord-
nete Thomas Nord seine aus acht Punkten bestehende
schriftliche Stellungnahme und ergänzte diese an einigen
Stellen. Zu Punkt 3 verwies er darauf, dass er seine Tätig-
keit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR zu
einem Zeitpunkt offen gelegt habe, als es noch keine Institu-
tion gegeben habe, die sich mit Akten der Staatssicherheit
beschäftigt habe. Zu Punkt 5 ergänzte er, dass er sich auch
bei S.H. entschuldigt habe, der mit seiner Familie über zwei
Jahrzehnte Gegenstand eines Zersetzungsvorgangs des MfS
gewesen sei. Er habe in dieser Zeit sehr viel über das lernen
müssen, was das MfS an persönlichem Leid für Unschul-
dige und für Opfer verursacht habe.

Zu Punkt 6 seiner schriftlichen Stellungnahme fügte er
hinzu, dass er die Feststellung der Stasiunterlagen-Behörde
teile, dass man als IM des MfS nicht habe wissen können,
welche Folgen die eigene Arbeit für die Betroffenen gehabt
habe. Ihm sei zwar nicht bekannt, ob Dritte durch seine
Tätigkeit für das MfS Nachteile erlitten hätten. Er könne
dies aber auch nicht ausschließen.

Die Frage, ob er die Lebenswege der Opfer seiner IM-Tätig-
keit, zu denen auch damals sehr junge Menschen gehört hät-
ten, konkret nachverfolgt habe und ob er dabei festgestellt
habe, ob diese Jugendlichen durch seine Berichte Schaden
genommen hätten, verneinte der Abgeordnete Nord. Soweit
es sich um einmalige Gäste im Jugendclub gehandelt habe,
habe er zum Teil nicht einmal die Namen der Betroffenen
gekannt. Zu seinem ersten Bericht über die versuchte Repu-
blikflucht eines Kameraden bei der Volksmarine, den er
nicht als IM des MfS angefertigt habe, gab er an, dass dieser
Matrose in der Folgezeit weiter auf dem Schiff verblieben
sei. Er gehe also davon aus, dass der damalige Kameraden
keine Nachteile erlitten hätte, da Angehörige der NVA bei
dem Vorwurf der Republikflucht in der Regel in das Militär-
gefängnis in Schwedt gebracht worden seien. Das wäre ihm
aber bekannt geworden, da er auf dem Schiff ehrenamt-
licher Parteisekretär gewesen sei. Er habe den Matrosen
nach der Wende nicht wiedergesehen und auch nicht mit
ihm gesprochen. Dies müsse er gegebenenfalls noch nach-
holen.

Auf die Fragen, warum er nicht eine freiwillige Überprüfung
nach § 44c Absatz 1 AbgG beantragt habe und ob davon aus-
zugehen sei, dass er sich auf diese Weise einer Stasi-Überprü-
fung habe entziehen wollen, antwortete der Abgeordnete
Nord, dass er sich seit 22 Jahren der Diskussion um seine IM-
Tätigkeit stelle. Er habe die freiwillige Überprüfung aus par-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/6436

lamentarischer Unerfahrenheit nicht beantragt, hätte dies
aber getan, wenn ihm klar gewesen wäre, dass sein Verhalten
als „Flucht vor der Überprüfung“ interpretiert werde.

Die von ihm erwähnten Lernprozesse, die zum Eingeständ-
nis seines persönlichen Versagens geführt hätten, hätten im
Jahr 1989 begonnen. Er sei bis dahin ideologisch gefestigt
gewesen und habe aus politischer Überzeugung gehandelt
und dabei Schäden für Menschen in Kauf genommen. Ein
entscheidendes Ereignis sei die im Frühjahr 1989 in der
DDR geführte Diskussion um das Verbot der Zeitschrift
„Sputnik“ gewesen, in der ein Text über das Massaker des
sowjetischen Geheimdienstes NKWD in Katyn gestanden
habe. Er habe den Bericht nicht glauben können und das
Verbot dieser Zeitschrift energisch verteidigt, weil seine
Überzeugung als Marxist-Leninist damals keine andere Ent-
scheidung zugelassen hätte. Als ihm im Herbst 1989 auf-
grund verschiedener Veröffentlichungen von Historikern
klar geworden sei, dass der Bericht die Wahrheit wiederge-
geben habe, sei sein Wertesystem vollständig erschüttert
worden.

Auf die Frage, warum er sich nach diesen Lernprozessen
nach der Wende immer den Parteien PDS und DIE LINKE.
angeschlossen habe und ob dies kein Widerspruch sei, er-
läuterte er, dass es angesichts seiner Vergangenheit schwie-
rig gewesen wäre, in einer anderen Partei politisch weiter
aktiv bleiben zu dürfen.

Der Ausschuss stellte zum Abschluss der Anhörung fest,
dass der Abgeordnete Thomas Nord auf die Fragen mit gro-
ßer Offenheit geantwortet und an der Anhörung außer-
ordentlich konstruktiv mitgewirkt habe.

F. Feststellungen des Ausschusses

Der Ausschuss sieht eine inoffizielle Tätigkeit des Abgeord-
neten Thomas Nord für das MfS als erwiesen an. Diese
Feststellung ergibt sich aus der in den Akten der Bundes-
beauftragten enthaltenen unterzeichneten Verpflichtungser-
klärung, den zahlreichen mit dem Klarnamen oder dem IM-
Namen unterzeichneten Berichte und Informationen des
Abgeordneten Thomas Nord über andere Personen an das
MfS, die Entgegennahme von Zuwendungen und Vergünsti-
gungen, der Wechsel der Führungsoffiziere während der
Dauer der Erfassung sowie aus den eigenen schriftlichen
und mündlichen Erklärungen des Abgeordneten Nord über
seine Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst der
ehemaligen DDR.

Eine inoffizielle Tätigkeit im Sinne des § 44c AbgG um-
fasst jede bewusste und gewollte Zusammenarbeit des be-
troffenen Mitglieds des Bundestages mit dem Staatssicher-
heitsdienst bzw. dem Amt für Nationale Sicherheit der ehe-
maligen DDR. Eine solche „Verstrickung“ setzt demnach in
objektiver Hinsicht ein auf Lieferung von Informationen ge-
richtetes Tätigwerden für den Staatssicherheitsdienst voraus
(äußerer Tatbestand). In subjektiver Hinsicht muss dieses
äußere Erscheinungsbild von der Vorstellung des Handeln-
den getragen worden sein (innerer Tatbestand). Eine für das
betroffene Mitglied belastende Feststellung darf durch den
Ausschuss nur dann getroffen werden, wenn die Verwirk-
lichung des äußeren und inneren Tatbestandes durch die
dem Ausschuss zur Verfügung stehenden zulässigen Er-
kenntnisquellen bewiesen ist. Wie das Bundesverfassungs-

gericht in diesem Zusammenhang festgestellt hat, „muss der
Ausschuss von der Verstrickung des Abgeordneten eine so
sichere Überzeugung gewinnen, dass auch angesichts der
beschränkten Beweismöglichkeiten vernünftige Zweifel an
der Richtigkeit der Feststellung ausgeschlossen sind“ (Ent-
scheidung vom 21. Mai 1996, BVerfGE 94, 351 ff.; 370).

Kraft des aus Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes resul-
tierenden Schutzes der Mandatsausübung in Verbindung mit
den Richtlinien zu § 44c AbgG ist der Feststellungsauftrag
des Ausschusses begrenzt. Nach Nummer 3 der Richtlinien
ist dieser darauf beschränkt festzustellen, ob eine hauptamt-
liche oder inoffizielle Mitarbeit oder eine politische Verant-
wortung für das MfS/AfNS als erwiesen anzusehen ist
(„Verstrickung“). Diese Feststellung trifft der Ausschuss
ausschließlich aufgrund der Mitteilungen der Bundesbeauf-
tragten, des Vorbringens des betroffenen Abgeordneten und
sonstiger ihm zugeleiteter oder von ihm beigezogener Un-
terlagen.

Dabei ist gemäß den unter Punkt 6 der Absprache zur
Durchführung der Richtlinien aufgezählten Feststellungs-
kriterien von einer Verstrickung eines Abgeordneten in der
Regel auszugehen,

„I. wenn eine unterzeichnete Verpflichtungserklärung vor-
liegt, es sei denn, es liegt Geringfügigkeit („Bagatell-
fall“) nach § 19 Absatz 8 Nummer 2 StUG vor oder ein
tatsächliches Tätigwerden kann wegen fehlender Unter-
lagen nicht festgestellt werden,

II. wenn nachweislich Berichte oder Angaben über Perso-
nen außerhalb offizieller Kontakte geliefert wurden,

III. wenn ein Tätigwerden für das MfS/AfNS auf sonstige
Weise zweifelsfrei belegt wird; Indizien hierfür sind bei-
spielsweise

a) die nachgewiesene Entgegennahme von Zuwendun-
gen, Vergünstigungen, Auszeichnungen oder Ver-
gleichbarem,

b) eine nachgewiesene Eintragung in den Karteien, ins-
besondere

– falls unterschiedliche Registriernachweise mit-
einander korrelieren,

– korrelierende Registriernachweise auf eine län-
gere Zeit der inoffiziellen Zusammenarbeit hin-
deuten

– oder während der Dauer der Erfassung die Füh-
rungsoffiziere wechselten“.

Im Fall des Abgeordneten Thomas Nord sind die Feststel-
lungskriterien nach I., II., III.a) sowie III.b) Spiegelstrich 3
erfüllt:

I. Es liegt eine unterzeichnete Verpflichtungserklärung
vor.

Ein Bagatellfall ist gemäß § 19 Absatz 8 StUG (Gesetz
über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR) gegeben, wenn „1. sich die Informa-
tionen auf eine Tätigkeit während der Ableistung des
gesetzlich vorgeschriebenen Wehrdienstes in den Streit-
kräften der ehemaligen DDR oder eines dem Wehrdienst
entsprechenden Dienstes außerhalb des MfS beziehen,
dabei keine personenbezogenen Informationen geliefert

Drucksache 17/6436 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

worden sind und die Tätigkeit nach Ablauf des Dienstes
nicht fortgesetzt worden ist oder 2. nach dem Inhalt der
erschlossenen Unterlagen feststeht, dass trotz einer Ver-
pflichtung zur Mitarbeit keine Informationen geliefert
worden sind.“ Ein Bagatellfall nach Nummer 1 liegt
demnach nicht vor, da der Abgeordnete Nord während
des Wehrdienstes personenbezogene Daten über andere
Soldaten geliefert hat und diese Tätigkeit auch nach der
Beendigung des Dienstes bis in das Jahr 1989 noch
mehrere Jahre fortgesetzt hat. Auch nach Nummer 2
kann nicht von einem Bagatellfall ausgegangen werden,
da der Abgeordnete Thomas Nord nach der Unterzeich-
nung der Verpflichtungserklärung über mehrere Jahre
hinweg zahlreiche Berichte über andere Personen an das
MfS geliefert hat.

II. Der Abgeordnete Thomas Nord hat ausweislich der vor-
handenen Unterlagen zahlreiche Berichte über andere
Personen an das MfS geliefert. Dies ist für den Zeitraum
vor der 1984 erfolgten Unterzeichnung der Verpflich-
tungserklärung ab dem Jahr 1978 festzustellen. Nach
der Unterzeichnung ist die Lieferung personenbezoge-
ner Berichte an das MfS durch den Abgeordneten
Thomas Nord bis Juni 1989, also kurz vor dem Ende der
DDR, festgestellt.

III. a) Zudem ist durch die dokumentierte Entgegennahme
von Zuwendungen und Vergünstigungen des MfS
durch den Abgeordneten Thomas Nord ein zweifels-
freies Indiz für dessen Tätigkeit für den Staatssicher-
heitsdienst. So hat der Abgeordnete Nord eine Geld-
prämie in Höhe von 75 Mark und ein Sachgeschenk
im Wert von 130 Mark angenommen.

b) Ebenso ist der wiederholte Wechsel der Führungs-
offiziere des Abgeordneten Thomas Nord im Zeit-

raum seiner Erfassung nachweisbar. So sind vier
Führungsoffiziere sowie ein Führungs-IM in den
Akten genannt, an die der Abgeordnete Nord nach
Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung bei
konspirativen Treffen oder in schriftlichen Berichten
Informationen über Dritte geliefert hat.

Über diese Feststellungskriterien hinaus ist die IM-Tätigkeit
des Abgeordneten Thomas Nord auch durch seine eigenen
schriftlichen und mündlichen Einlassungen belegt. So heißt
es wortlautidentisch auf der Homepage des Deutschen Bun-
destages, auf der privaten Homepage und der der Fraktion
DIE LINKE.: „Politisch überzeugt war ich in hauptamtli-
chen Funktionen in der FDJ, dann in der SED tätig und ließ
mich 1983 als IM des MfS verpflichten.“ Die IM-Tätigkeit
hat der Abgeordnete Nord zudem in seiner schriftlichen
Stellungnahme sowie in der Anhörung vor dem Ausschuss
bestätigt.

Angesichts des eindeutigen Vorliegens mehrerer Feststel-
lungskriterien ist für den Ausschuss klar erwiesen, dass der
Abgeordnete Thomas Nord als Inoffizieller Mitarbeiter für
das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR
tätig gewesen ist. Inhalt und Umfang der Tätigkeit können
ausweislich der vorliegenden Unterlagen sicher festgestellt
werden. Auch wenn der Ausschuss keine Möglichkeit hatte,
den Lebensläufen der Personen nachzugehen, über die der
Abgeordnete Thomas Nord Berichte an das MfS verfasst
hat, muss davon ausgegangen werden, dass diese Berichte
für die Betroffenen gefährliche und schädigende Wirkung
entfalten konnten. In der Untersuchung des Ausschusses
konnten aber keine konkreten Anhaltspunkte dafür festge-
stellt werden, dass der Abgeordnete Thomas Nord durch
seine Tätigkeit für das MfS andere Personen unmittelbar ge-
schädigt hat.

Berlin, den 30. Juni 2011

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/6436

Erklärung des Abgeordneten Thomas Nord zur Feststellung des 1. Ausschusses

Der Bericht gibt meine Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter
des MfS und meinen Umgang mit diesem Fakt nach 1990
korrekt wieder. Ebenso meine Beweggründe dafür, dass ich
eine freiwillige Überprüfung durch den 1. Ausschuss des
Deutschen Bundestages nicht beantragt habe. Im Ergebnis
dieser Überprüfung möchte ich mich insbesondere für die
offene und faire Atmosphäre bei meiner Anhörung durch
den Ausschuss bedanken.

Drucksache 17/6436 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Anlage 1

§ 44c des Abgeordnetengesetzes (AbgG)

Überprüfung auf Tätigkeit oder politische
Verantwortung für das Ministerium für

Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

(1) Mitglieder des Bundestages können beim Präsidenten
schriftlich die Überprüfung auf eine hauptamtliche oder in-
offizielle Tätigkeit oder politische Verantwortung für den
Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demo-
kratischen Republik beantragen.

(2) Eine Überprüfung findet ohne Zustimmung statt,
wenn der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung das Vorliegen von konkreten Anhaltspunk-
ten für den Verdacht einer solchen Tätigkeit oder Verant-
wortung festgestellt hat.

(3) Das Verfahren wird in den Fällen der Absätze 1 und 2
vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-
ordnung durchgeführt.

(4) Das Verfahren zur Feststellung einer Tätigkeit oder
Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt
für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demo-
kratischen Republik legt der Deutsche Bundestag in Richt-
linien fest.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/6436

Anlage 2

Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das
Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik vom 13. Dezember 2001 (BGBl. 1992 I S. 76), geändert am
1. Oktober 1999 (Bekanntmachung vom 7. Oktober 1999, BGBl. I S. 2072), für die
17. Wahlperiode in der 1. Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. Oktober 2009
übernommen

Gemäß § 44c des Abgeordnetengesetzes werden die folgen-
den Richtlinien erlassen:

1. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung (1. Ausschuss) ist zuständig für Über-
prüfungen gemäß § 44c des Abgeordnetengesetzes.

Dem 1. Ausschuss sind die Mitteilungen des Bundesbe-
auftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens-
tes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
(Bundesbeauftragter) und sonstige Unterlagen zur Über-
prüfung eines Mitgliedes des Bundestages unmittelbar
zuzuleiten.

Er kann aus seiner Mitte Mitglieder mit der Durchsicht
von Unterlagen beauftragen.

Entscheidungen nach § 44c Abs. 2 des Abgeordnetenge-
setzes, Entscheidungen über Ersuchen um zusätzliche
Auskünfte des Bundesbeauftragten und Entscheidungen
zur Feststellung des Prüfungsergebnisses trifft der
1. Ausschuss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner
Mitglieder.

2. Das betroffene Mitglied kann Einsicht in die beim
1. Ausschuss befindlichen Unterlagen verlangen. Es
kann sich einer Vertrauensperson bedienen.

Im Übrigen dürfen Einsicht in die zu den Überprüfungs-
verfahren geführten Akten des 1. Ausschusses nur die
Ausschussmitglieder sowie die mit der Bearbeitung der
Vorgänge befassten Sekretariatsmitarbeiter nehmen.

Bei den Beratungen des 1. Ausschusses zu den Überprü-
fungsverfahren ist das Zutrittsrecht für Mitglieder des
Bundestages auf die ordentlichen Ausschussmitglieder
und deren Stellvertreter beschränkt. Der 1. Ausschuss
kann im Einzelfall Ausnahmen beschließen.

3. Der Präsident des Deutschen Bundestages ersucht den
Bundesbeauftragten um Mitteilung von Erkenntnissen
aus seinen Unterlagen über ein Mitglied des Bundesta-

ges und um Akteneinsicht, falls dieses Mitglied des Bun-
destages es verlangt.

Er ersucht den Bundesbeauftragten auch, falls der
1. Ausschuss konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht
einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit oder
politischen Verantwortung eines Mitgliedes des Bundes-
tages für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für
Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) der ehemaligen Deut-
schen Demokratischen Republik festgestellt hat.

Das Mitglied des Bundestages ist über das Ersuchen in
Kenntnis zu setzen.

4. Der 1. Ausschuss trifft auf Grund der Mitteilungen des
Bundesbeauftragten und auf Grund sonstiger ihm zuge-
leiteter oder von ihm beigezogener Unterlagen die Fest-
stellung, ob eine hauptamtliche oder inoffizielle Mit-
arbeit oder eine politische Verantwortung für das
Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale
Sicherheit (MfS/AfNS) der ehemaligen Deutschen De-
mokratischen Republik als erwiesen anzusehen ist.

5. Vor Abschluss der Feststellungen gemäß Nummer 4 sind
die Tatsachen dem betroffenen Mitglied des Bundesta-
ges zu eröffnen und mit ihm zu erörtern.

Der Vorsitzende des 1. Ausschusses unterrichtet den Prä-
sidenten des Bundestages und den Vorsitzenden derjeni-
gen Fraktion oder Gruppe, der das betroffene Mitglied
des Bundestages angehört, über die beabsichtigte Fest-
stellung des 1. Ausschusses.

6. Die Feststellung des 1. Ausschusses über ein Mitglied
des Bundestages wird unter Angabe der wesentlichen
Gründe als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. In die
Bundestagsdrucksache ist auf Verlangen eine Erklärung
des betroffenen Mitgliedes des Bundestages in angemes-
senem Umfang aufzunehmen.

Drucksache 17/6436 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Anlage 3

Absprache zur Durchführung der Richtlinien gemäß § 44c, für die 16. Wahlperiode
in der 2. Sitzung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
am 3. Dezember 2009 übernommen

1. Einzelfallüberprüfung

Die Einzelfallüberprüfung übernehmen Berichterstatter-
gruppen.

Die Berichterstattergruppen bestehen jeweils aus dem Vor-
sitzenden und seinem Stellvertreter sowie je einem Mitglied
der Fraktionen und Gruppen.

Es werden vier Berichterstattergruppen gebildet. Die Zu-
weisung der Überprüfungsvorgänge an die einzelnen Grup-
pen nimmt der Ausschussvorsitzende vor.

Jedes Mitglied des Ausschusses kann sich an der Aktenein-
sicht beim Bundesbeauftragten beteiligen.

Den Bericht der Berichterstattergruppe und den Entwurf des
Entscheidungsvorschlages für den Einzelfall an den Aus-
schuss legt der Vorsitzende vor.

Die Feststellung des Ausschusses wird vom Vorsitzenden
ausgefertigt.

2. Anhörung des Betroffenen

Termin und Ort bestimmt der Vorsitzende, er gibt dies in
einer Ausschusssitzung bekannt.

Die Anhörung wird von der Berichterstattergruppe durchge-
führt; jedes Ausschussmitglied kann teilnehmen.

Die Einladung erfolgt schriftlich mit dem Hinweis, dass das
betroffene Mitglied des Bundestages vorher Einsicht in die
Akten des Ausschusses nehmen kann.

Das betroffene Mitglied des Bundestages kann nach Ende
der Anhörung dem Ausschuss eine schriftliche Stellung-
nahme zuleiten. Ob und inwieweit diese Stellungnahme für
die Antragstellung gemäß Nummer 5 der Richtlinien bewer-
tet wird, muss zum Zeitpunkt der Abfassung der Beschluss-
empfehlung entschieden werden.

3. Überprüfung von Amts wegen

Die Überprüfung von Mitgliedern des Bundestages gemäß
§ 44c Absatz 2 AbgG kann von jedem Ausschussmitglied
beantragt werden.

Dem Antrag sind Belegmaterialien beizufügen.

Der Vorsitzende unterrichtet den Ausschuss über Anregun-
gen anderer Mitglieder des Bundestages.

4. Aktenaufbewahrung und Akteneinsicht

Die Originale bleiben im Sekretariat. Sie können dort von
jedem Ausschussmitglied eingesehen werden.

Für das Überprüfungsverfahren werden grundsätzlich nur
zwei Kopien gezogen, die ebenfalls im Sekretariat verblei-
ben. Der Ausschuss kann beschließen, den Berichterstattern

für ihre Arbeit außerhalb der Sekretariatsräume jeweils eine
weitere Kopie zur Verfügung zu stellen.

Einsicht in die Akten des Ausschusses wird dem betroffe-
nen Mitglied des Bundestages nur in den Räumen des Aus-
schusses gewährt. Bei der Einsichtnahme müssen der Vor-
sitzende oder von ihm beauftragte Mitglieder des Ausschus-
ses oder des Sekretariats anwesend sein. Anonymisierte
Kopien werden dem betroffenen Mitglied des Bundestages
auf Verlangen ausgehändigt. Aufzeichnungen kann sich das
betroffene Mitglied des Bundestages anfertigen.

5. Öffentlichkeit

Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Verschwiegenheit
über schutzwürdige persönliche Daten überprüfter Abge-
ordneter verpflichtet.

Presseerklärungen über die inhaltliche Bewertung von Ein-
zelfällen werden nicht abgegeben.

Hörfunk- und Fernsehaufzeichnungen im Sitzungssaal wäh-
rend der Sitzungen und Gespräche sind unzulässig.

6. Feststellungskriterien

Feststellungskriterien für den Ausschuss sind:

A. hauptamtliche Tätigkeit für das MfS/AfNS (vgl. § 6 Ab-
satz 4 Nummer 1 StUG);

B. inoffizielle Tätigkeit für das MfS/AfNS (vgl. § 6 Ab-
satz 4 Nummer 2 StUG);

von dieser kann in der Regel insbesondere dann ausge-
gangen werden,

I. wenn eine unterzeichnete Verpflichtungserklärung
vorliegt, es sei denn, es liegt Geringfügigkeit („Ba-
gatellfall“) nach § 19 Absatz 8 Nummer 2 StUG
vor oder ein tatsächliches Tätigwerden kann wegen
fehlender Unterlagen nicht festgestellt werden,

II. wenn nachweislich Berichte oder Angaben über
Personen außerhalb offizieller Kontakte geliefert
wurden,

III. wenn ein Tätigwerden für das MfS/AfNS auf sons-
tige Weise zweifelsfrei belegt wird; Indizien hierfür
sind beispielsweise

a) die nachgewiesene Entgegennahme von Zuwen-
dungen, Vergünstigungen, Auszeichnungen oder
Vergleichbarem,

b) eine nachgewiesene Eintragung in den Karteien,
insbesondere

– falls unterschiedliche Registriernachweise
miteinander korrelieren,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/6436

– korrelierende Registriernachweise auf eine
längere Zeit der inoffiziellen Zusammenar-
beit hindeuten oder

– während der Dauer der Erfassung die Füh-
rungsoffiziere wechselten;

IV. von dieser Indizwirkung kann in der Regel dagegen
nicht ausgegangen werden, wenn Hinweise darauf
bestehen, dass Unterlagen zu Lasten Betroffener
manipuliert worden sind;

C. politische Verantwortung für das MfS/AfNS oder seine
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

D. Sind durch eine Tätigkeit oder politische Verantwortung
für das MfS/AfNS Einzelpersonen nachweislich weder
mittelbar noch unmittelbar belastet oder benachteiligt
worden, ist dies in die Feststellungen aufzunehmen.

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