BT-Drucksache 17/6300

zu 43 Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009

Vom 1. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6300
17. Wahlperiode 01. 07. 2011

Vierte Beschlussempfehlung und Bericht
des Wahlprüfungsausschusses

zu 43 Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

A. Problem
Gemäß Artikel 41 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ist die Wahlprüfung
Sache des Deutschen Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) auf der Grundlage von Beschlussempfehlun-
gen des Wahlprüfungsausschusses über die Einsprüche gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag zu entscheiden.

Insgesamt sind 163 Wahleinsprüche eingegangen. 120 Wahlprüfungsverfahren
hat der Deutsche Bundestag bereits abgeschlossen (vgl. Bundestagsdrucksachen
17/2250, 17/3100 und 17/4600). Die jetzt zur Beschlussfassung vorgelegten
Entscheidungen betreffen die letzten 43 Einsprüche.

B. Lösung

– Zurückweisung von 43 Wahleinsprüchen.

– Bitte an die Bundesregierung um Prüfung bestimmter Wahlvorschriften bzw.
Verfahrensweisen – vgl. Nummer 2 der Beschlussempfehlung.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Keine.

Drucksache 17/6300 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. die aus den Anlagen 1 bis 43 ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu Wahl-
einsprüchen anzunehmen,

2. die Bundesregierung bis Juli 2012 um Prüfung zu bitten,

– ob das Rechtsmittelverfahren im Rahmen des Bundeswahlrechts, speziell
im Hinblick auf Entscheidungen nach § 18 Absatz 4 des Bundeswahlge-
setzes (BWG), verbessert werden kann,

– ob die Einrichtung von Wahllokalen in solchen Räumen, deren Zugang
mit Videotechnik überwacht wird oder in Räumen, die selbst mit solcher
Technik ausgestattet sind bzw. während ihrer sonstigen Nutzung über-
wacht werden, untersagt werden sollte.

Berlin, den 30. Juni 2011

Der Wahlprüfungsausschuss

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender und Berichterstatter

Dr. Wolfgang Götzer
Berichterstatter

Michael Grosse-Brömer
Berichterstatter

Bernhard Kaster
Berichterstatter

Michael Hartmann
(Wackernheim)
Berichterstatter

Christian Lange (Backnang)
Berichterstatter

Stephan Thomae
Berichterstatter

Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/6300

Bericht des Abgeor

Berlin, den 30. Juni 201

Thomas Strobl (Heilbr
Berichterstatter
Wahlperiode – 3 – D

dneten Thomas Strobl (Heilbronn)

1. In den ersten drei Beschlussempfehlungen zu den insge-
samt 163 gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl 2009
eingelegten Einsprüchen (Drucksachen 17/2250, 17/3100
und 17/4600) hat der Wahlprüfungsausschuss die Ent-
scheidungen zu 120 Wahleinsprüchen vorgelegt. Die vor-
liegende letzte Beschlussempfehlung enthält die Ent-
scheidungen zu 43 Wahleinsprüchen. Obwohl der Wahl-
prüfungsausschuss in allen Fällen empfohlen hat bzw.
empfiehlt, den Wahleinspruch zurückzuweisen, haben ei-
nige Wahleinsprüche mögliche Defizite des geltenden
Wahlrechts bzw. seiner Anwendung aufgezeigt. Diese
sind Anlass für die in dieser Beschlussempfehlung enthal-
tenen Prüfbitten an die Bundesregierung, die vom Aus-
schuss einstimmig beschlossen wurden.

2. Die erste Prüfbitte geht insbesondere auf drei Wahlein-
sprüche (WP 23/09, WP 60/09 und WP 85/09) zurück, in
denen kritisiert wird, dass betroffene politische Vereini-
gungen erst nach der Wahl, zu der sie nicht zugelassen
wurden, Rechtsmittel einlegen können. Der Ausschuss
nimmt dabei auch Bezug auf eine entsprechende Emp-
fehlung im Bericht der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Beobachtung der
Bundestagswahl 2009.

3. Anlass für die zweite Prüfbitte ist u. a. ein Einspruch (WP
103/09), in dem die Einrichtung von Wahllokalen in Räu-
men beanstandet wird, die während ihrer üblichen Nut-
zung (wie z. B. als Geschäftsstelle eines Geldinstituts)
mit Videotechnik überwacht werden. Vor dem Hinter-
grund des Grundsatzes der geheimen Wahl, der eine un-
beobachtete Stimmabgabe umfasst, wird um Prüfung ge-
beten, ob die Einrichtung von Wahllokalen in so
ausgestatteten Räumlichkeiten ausgeschlossen werden
sollte.

1

onn)

Drucksache 17/6300 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen

Akten-
zeichen

Betreff Berichterstatter/in Anlage Seite

WP 2/09 Verschiedene Gründe Abg. Christian Lange (Backnang) 1 7

WP 3/09 Zählung der Stimmen Abg. Michael Grosse-Brömer 2 13

WP 7/09 Wählen in JVA u. a. Abg. Bernhard Kaster 3 19

WP 9/09 Wahlsystem Abg. Michael Grosse-Brömer 4 29

WP 12/09 Wahlkreiseinteilung Abg. Michael Hartmann (Wackernheim) 5 31

WP 18/09 Allgemeine Gründe Abg. Dr. Wolfgang Götzer 6 33

WP 24/09 Allgemeine Gründe Abg. Michael Hartmann (Wackernheim) 7 35

WP 25/09 Wählen in JVA Abg. Josef Philip Winkler 8 37

WP 26/09 Wählen in JVA Abg. Josef Philip Winkler 9 41

WP 29/09 Auslandsdeutsche u. a. Abg. Josef Philip Winkler 10 45

WP 35/09 Überhangmandate, Fünf-Prozent-
Sperrklausel u. a.

Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae

11 49

WP 37/09 Chancengleichheit (Einzel-
bewerber)

Abg. Michael Grosse-Brömer 12 53

WP 43/09 Nichtzulassung Kreiswahl-
vorschlag u. a.

Abg. Bernhard Kaster 13 57

WP 44/09 Geheime Wahl Abg. Josef Philip Winkler 14 59

WP 52/09 Wahlwerbung Abg. Christian Lange (Backnang) 15 61

WP 54/09 Bekanntmachung der Wahl-
vorschläge u. a.

Abg. Michael Grosse-Brömer 16 63

WP 64/09 Briefwahl Abg. Stephan Thomae 17 65

WP 67/09 Gestaltung des Stimmzettels Abg. Michael Grosse-Brömer 18 67

WP 68/09 Briefwahl Abg. Stephan Thomae 19 69

WP 70/09 Gestaltung der Wahlbenach-
richtigung u. a.

Abg. Michael Grosse-Brömer 20 73

WP 83/09 Kandidatenaufstellung Abg. Josef Philip Winkler 21 77

WP 96/09 Wahlwerbung Abg. Josef Philip Winkler 22 79

WP 98/09 Chancengleichheit (Wahl-
bewerber)

Abg. Bernhard Kaster 23 83

WP 103/09 Überwachungskamera im Wahl-
raum

Abg. Michael Hartmann (Wackernheim) 24 85

WP 105/09 Zählung der Stimmen Abg. Michael Grosse-Brömer 25 87

WP 110/09 Sitzverteilung Abg. Dr. Dagmar Enkelmann 26 89
WP 113/09 Kandidatenaufstellung Abg. Bernhard Kaster 27 91

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6300

WP 114/09 Überhangmandate Abg. Dr. Dagmar Enkelmann 28 95

WP 120/09 Wahlwerbung Abg. Christian Lange (Backnang) 29 97

WP 121/09 Chancengleichheit (Einzel-
bewerber)

Abg. Josef Philip Winkler 30 101

WP 124/09 Briefwahl Abg. Stephan Thomae 31 107

WP 127/09 Wahlwerbung (Vorwurf der Wahl-
beeinflussung)

Abg. Christian Lange (Backnang) 32 111

WP 129/09 Kandidatenaufstellung Abg. Bernhard Kaster 33 113

WP 130/09 Allgemeine Gründe Abg. Josef Philip Winkler 34 115

WP 133/09 Wahlsystem Abg. Michael Grosse-Brömer 35 117

WP 134/09 Überhangmandate Abg. Dr. Dagmar Enkelmann 36 119

WP 143/09 Chancengleichheit (Einzel-
bewerber)

Abg. Bernhard Kaster 37 121

WP 146/09 Überhangmandate u. a. Abg. Dr. Dagmar Enkelmann 38 123

WP 148/09 Überhangmandate Abg. Dr. Dagmar Enkelmann 39 127

WP 151/09 Ausgestaltung des Wahlrechts
u. a.

Abg. Michael Grosse-Brömer 40 131

WP 153/09 Wahlvorbereitung Abg. Dr. Wolfgang Götzer 41 135

WP 159/09 Öffentlichkeit der Wahl u. a. Abg. Michael Grosse-Brömer 42 137

WP 160/09 Kandidatenaufstellung Abg. Bernhard Kaster 43 141

Akten-
zeichen

Betreff Berichterstatter/in Anlage Seite

Twitter frühzeitig angebliche Prognosen im Internet veröf-
fentlicht worden seien, dass eine Kandidatin sich auf einem
Wahlplakat als „Kanzlerkandidatin“ bezeichnet habe und

2. Er bittet um Prüfung, ob es „rechtens“ sei, dass das Wahl-
ergebnis durch die hohe Anzahl von Überhangmandaten
Mitglied des Wahlvorstandes vor dem Wahltag nicht über die
Namen der anderen Mitglieder des Wahlvorstandes infor-
miert worden sei und dass nach einem Fernsehbericht ein

5. Er rügt, dass eine Kandidatin auf Plakaten neben der Bun-
deskanzlerin abgebildet gewesen sei und so deren Populari-
dass es gegen die Gültigkeit der Wahl zum Bundespräsiden-
ten keine Einspruchsmöglichkeit gebe. Er trägt vor, dass eine
Häufung von Mandaten auf verschiedenen Ebenen unzuläs-
sig sei, und beanstandet, dass verschiedene Fernsehsendun-
gen unzulässige Wahlwerbung für ausgewählte Kandidaten
gemacht hätten.

In den zehn in Form von Online-Petitionen eingereichten
Einspruchsschreiben rügt der Einspruchsführer u. a. die
gleichzeitige Mitgliedschaft eines Kandidaten im Bundestag
und in einem Landtag sowie die Einrichtung eines Wahllo-
kals. Er kritisiert, dass er als Mitglied des Wahlvorstandes
über Vorkommnisse im Wahllokal während seiner Pause
nicht informiert worden sei, dass die Mitglieder des Wahl-
vorstandes keine Namensschilder getragen hätten, dass er als

„unzulässig den eigentlichen Wählerwillen“ nicht beachte.

3. Er kritisiert, dass „nirgends ersichtlich“ sei, was aus den
Prüfbitten des Wahlprüfungsausschusses werde, dass die Ein-
spruchsfrist für Wahleinsprüche nur zwei Monate betrage,
dass die mediale Aufmerksamkeit für die Arbeit des Wahl-
prüfungsausschusses gering sei, dass dem Einspruchsführer
die Kosten des Verfahrens nicht erstattet würden, dass die
Einlegung eines Wahleinspruches frühestens am Wahltag
möglich sei und nicht mündlich erfolgen könne sowie, dass
sie die Wahlberechtigung des Einspruchsführers voraussetze.

4. Er bittet, zu prüfen, ob es „rechtens“ sei, dass eine Partei
mit „Aussagen wie Zuverlässigkeit“ werbe, obwohl sie meh-
rere Wahlversprechen nicht eingehalten habe und keine zu-
verlässige Politik betreibe.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/6300

Anlage 1

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J.-E. H., 15806 Dabendorf
– Az.: WP 2/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit zunächst 34 jeweils als „Wahleinspruch“ bezeichneten
Schreiben ohne Datum, die beim Wahlprüfungsausschuss
des Deutschen Bundestages am 28. September 2009 einge-
gangen sind, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am
27. September 2009 eingelegt. Weitere „Wahleinsprüche“
hat der Einspruchsführer mit drei Schreiben vom 3., 5. und
6. Oktober 2009, die am 12. Oktober 2009 eingegangen sind,
sowie zwei am 3. November 2009 beim Petitionsausschuss
eingegangenen Schreiben übersandt. Daneben hat der Ein-
spruchsführer weitere Einspruchsgründe in insgesamt zehn
E-Mails mitgeteilt und in zehn weiteren Fällen hierfür das
Online-Formular des Petitionsausschusses genutzt.

I.

In seinen E-Mails beanstandet der Einspruchsführer im We-
sentlichen, dass Zeitungsberichten zufolge in einigen Wahl-
lokalen in Berlin falsche Stimmzettel ausgegeben und über

nachzugehen und bittet um Prüfung, warum der erste Wähler
nach Öffnung des Wahllokals und jeder weitere 100. oder
500. Wähler nicht wie früher üblich ein Geschenk erhalten
hätten. Er beanstandet, dass in einem Wahllokal Kinder die
Stimmzettel ihrer Eltern in die Wahlurnen geworfen hätten
und dass Mitglieder des Wahlvorstandes während der Aus-
zählung keine Information über Hochrechnungen erhielten,
und wendet sich gegen eine Wahlwerbung per Hauswurfsen-
dung.

II.

In seinen 39 weiteren Schreiben, die handschriftlich unter-
schrieben sind, stützt der Einspruchsführer seinen Wahlein-
spruch auf folgende Gründe:

1. Er rügt, dass der 16. Deutsche Bundestag in seiner
231. Sitzung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bun-
deswahlgesetzes abgelehnt und sich damit für die Durchfüh-
rung der Bundestagswahl 2009 mit verfassungswidrigem
Wahlrecht entschieden habe.
Wähler viermal an der Stimmabgabe teilgenommen habe. Er
regt an, „Zwischenfällen“ in den Wahllokalen einer Stadt

tät „schamlos ausgenutzt“ habe, sowie „die Präsentation der
Oberweite beider Personen“.

Drucksache 17/6300 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Er rügt, dass auf Plakaten Personen abgebildet worden
seien, die sich nicht für die Wahl zum 17. Deutschen Bundes-
tag beworben hätten.

7. Er bittet um Prüfung, ob es „rechtens“ sei, dass Parteien
mit der Aussage würben, dass ihre Wahl mit der Zweitstim-
me dazu beitrage, dass ein designierter Kanzlerkandidat bes-
sere Chancen auf die Wahl als Bundeskanzler oder Bundes-
kanzlerin habe, obwohl die wählenden Abgeordneten bei der
Kanzlerwahl nach ihrem Gewissen entschieden.

8. Er bittet um Prüfung, ob es „rechtens“ sei, dass Parteien
laut Medienberichten in den Tagen vor der Wahl millionen-
fach Telefongespräche zur Wahlwerbung führten, obwohl
die Anrufer [gemeint sind wohl die Angerufenen] Telefona-
ten mit Wahlwerbung in der Regel nie zugestimmt hätten.

9. Er rügt, dass der US-amerikanische Präsident der Bundes-
kanzlerin im Vorfeld der Wahl gesagt habe, sie habe schon ge-
wonnen. Dies sei „Wahlbeeinflussung von höchster Stelle“.

10. Er rügt, dass Frau Dr. Angela Merkel in einer Broschüre
des Deutschen Bundestages mehrfach in Bild und Text er-
wähnt werde. Dies sei eine unzulässige Beeinflussung.

11. Er meint, dass die Veranstaltung „Einladung zum Staats-
besuch“ in Berlin, bei der die Öffentlichkeit in Bundesminis-
terien und weitere Institutionen eingeladen werde, zukünftig
in Wahljahren nach dem Wahltag stattfinden müsse, weil an-
dernfalls unzulässig auf das Wahlverhalten Einfluss genom-
men werde.

12. Er rügt, dass die Bundeskanzlerin „ihre Popularität“
ausnutze und „besonders viel öffentlichkeitswirksam in
Deutschland unterwegs“ sei. Dies stelle eine unzulässige Be-
einflussung der Wähler zugunsten der Partei, in der die Bun-
deskanzlerin Mitglied sei, dar.

13. Er rügt, dass in einer Sendung des öffentlich-rechtlichen
Fernsehens nur zwei Parteivorsitzende zu Gast gewesen
seien, während andere Parteivorsitzende von zur Wahl zuge-
lassenen Parteien nicht teilgenommen hätten.

14. Er bittet, zu prüfen, ob es „rechtens“ sei, dass sich die Ge-
neralsekretäre von Parteien in einer Fernsehsendung in einer
„anmaßenden, teilweise beleidigenden und unfairen sowie
impertinenten Art und Weise“ gezeigt hätten.

15. Er bittet, zu prüfen, ob in einer Fernsehsendung erhobene
Vorwürfe „bezüglich der Thematik der Behinderung der
Wahlgrundsätze“ bei älteren Wählern z. B. in Altersheimen
zuträfen.

16. Er bittet, zu prüfen, ob „die Vorwürfe“ einer Fernsehsen-
dung Einfluss auf die Wahl und Stimmenverteilung durch
Wählertäuschung gehabt hätten.

17. Er rügt, dass der satirische Film „Horst Schlämmer – Isch
kandidiere!“ nicht neutral sei, weil zu viele Politiker einer
Partei „mitspielten“. Dies stelle in Wahlkampfzeiten eine un-
zulässige Beeinflussung dar.

18. Er kritisiert, dass in dem genannten Film eine Kunstfigur
den Eindruck erwecke, als Kandidat für den 17. Deutschen
Bundestag anzutreten, aber auf den amtlichen Stimmzetteln

19. Er bittet, zu prüfen, ob es „rechtens“ sei, dass viele junge
Kandidaten auf Landeslisten sich auf „aussichtslosen Listen-
plätzen“ fänden.

20. Er trägt vor, die Wahlen zu verschiedenen Landtagen am
30. August 2009 hätten mit der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag zusammengelegt werden müssen, da die Wahlbe-
rechtigten bei der Bundestagswahl von den Ergebnissen der
Wahlen zu den Landtagen beeinflusst worden seien. Außer-
dem sei dies kostengünstiger.

21. Er rügt, dass am Tag der Bundestagswahl in Brandenburg
zugleich der Landtag sowie in 28 Städten und Gemeinden
Bürgermeisterwahlen stattgefunden hätten. Drei gleichzeitig
stattfindende Wahlen seien „eine Zumutung, vor allem für
den Wahlvorstand“, und führten wegen der Überforderung
zu ungenauen Auszählergebnissen.

22. Er bittet, zu prüfen, ob es „rechtens“ sei, dass die Kandi-
daten auf den amtlichen Stimmzetteln „keine eindeutigen
Bezeichnungen bezüglich des Geschlechtes“ getragen hät-
ten.

23. Er trägt vor, er habe bei der Kommunalwahl in Branden-
burg 2008 als Kandidat sein Geburtsjahr und weitere persön-
liche Daten angeben müssen. Diese für die Wahlentschei-
dung wichtigen Informationen, auf die der Wähler einen
Anspruch habe, hätten bei den Bewerbern für den 17. Deut-
schen Bundestag gefehlt.

24. Er rügt, dass die „verwendeten Wahlurnen“ handels-
üblichen Mülltonnen ähnelten. Dies sei unwürdig.

25. Er bittet, zu prüfen, ob es „rechtens“ gewesen sei, dass
„zum Beispiel im Bundesland Berlin“ die Zahl der Wahl-
lokale „drastisch reduziert“ worden sei.

26. Er bittet, zu prüfen, ob es „rechtens“ sei, dass „viele
Wahllokale“ nicht barrierefrei erreichbar gewesen seien.

27. Er rügt, dass er seine Wahlbenachrichtigung erst am
29. August 2009 und damit nicht einmal einen Monat vor der
Wahl erhalten habe. Die „Vorbereitungszeit“ sei zu kurz ge-
wesen, er habe nicht die Programme der Parteien und Kandi-
daten umfassend studieren und sich den Termin freihalten
können.

28. Er bittet, zu prüfen, ob es „rechtens“ sei, dass in Wahllo-
kalen keine Vorkehrungen gegen die Übertragung der soge-
nannten Schweinegruppe getroffen worden seien.

29. Er rügt, dass ihm als Mitglied des Wahlvorstands bei der
gleichzeitigen Durchführung der Bundestags- und Landtags-
wahl nur ein einfaches Erfrischungsgeld in Höhe von 21 Euro
ausgezahlt worden sei, und meint, es müsse wegen des höhe-
ren Aufwandes ein doppeltes Erfrischungsgeld gezahlt wer-
den. Allerdings habe es eine „kleine zweimalige Versorgung
mit belegten Brötchen“ und Getränken gegeben, was aber
„eine Selbstverständlichkeit“ sei.

30. Er rügt, dass er als Mitglied des Wahlvorstands seitens
der Stadtverwaltung keine Versorgung mit einem Imbiss
oder Getränken erhalten habe. Dies habe vom Erfrischungs-
geld bezahlt werden müssen.

31. Er bittet, zu prüfen, ob es „rechtens“ sei, dass die Mitglie-

nicht zu finden gewesen sei. Hierdurch werde der Wähler ge-
täuscht.

der der Wahlvorstände am auf den Wahltag folgenden Tag
nicht von der Arbeit befreit seien.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/6300

32. Er rügt, dass er auf per E-Mail gestellte Anfragen an den
Bundeswahlleiter im Vorfeld der Wahl keine Antwort erhal-
ten habe.

33. Er rügt, dass weder im Wahllokal noch auf den Internet-
seiten des Bundeswahlleiters ausreichend auf die Möglich-
keit eines Wahleinspruchs hingewiesen werde.

34. Er rügt, dass ein Wahlbewerber auf Plakaten damit ge-
worben habe, dass er „kompetent“ und „zuverlässig“ sei.
Dies stimme nicht. Dessen Partei habe auch viele Wahlver-
sprechen nicht eingehalten. Außerdem sehe er bei einer wei-
teren Partei, die sich im Wahlkampf sehr umweltfreundlich
gebe, „keine Verwendung von ökologisch produziertem oder
ökologisch abbaubarem Papier“.

35. Er bittet, zu prüfen, ob es rechtmäßig sei, dass sich auf
den Landeslisten der Parteien Bewerber fänden, die seit
mehreren Jahren dem Deutschen Bundestag angehörten, so-
wie Bewerber, die Aussichten auf ein Direktmandat hätten.
Da zudem nur „die ersten Kandidaten der Liste“ auf dem
Stimmzettel abgedruckt seien, stünden dem Wähler nicht al-
le Kandidaten sichtbar zur Wahl, die eventuell über die Lan-
desliste in den Deutschen Bundestag einziehen könnten.

36. Er bittet, zu prüfen, ob „der Umgang mit der Aufstel-
lung“ einer Bewerberin auf einem aussichtslosen Listenplatz
rechtmäßig gewesen sei, da die Bewerberin dadurch nicht
Mitglied des 17. Deutschen Bundestages geworden sei.

37. Er bittet, zu prüfen, ob es „rechtens“ sei, dass in einer
Fernsehsendung während einer Berichterstattung am Wahl-
tag die von zwei Parteien benannten Kanzlerkandidaten ab-
gebildet gewesen seien, wodurch fälschlich suggeriert wor-
den sei, dass es sich nicht um die Bundestagswahl, sondern
um die Bundeskanzlerwahl handele. Auch in einer weiteren
Fernsehsendung zur Wahl seien Fehler vorgekommen.

38. Er trägt vor, ein gewähltes Mitglied des 17. Deutschen
Bundestages sei „zu alt“ und „zu lange bereits Mitglied des
Deutschen Bundestages“; ein weiteres gewähltes Mitglied
sei zu jung und damit zu unerfahren.

39. Er rügt, dass ein Mitglied des Deutschen Bundestages
nach der Wahl den Familiennamen ihres Ehemannes ange-
nommen habe. Hierdurch sei der Wähler getäuscht worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2009 und 25. November 2009
ist der Einspruchsführer darauf hingewiesen worden, dass
gemäß § 2 Absatz 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG)
ein Wahleinspruch schriftlich und mit eigenhändiger Unter-
schrift versehen einzureichen ist und eine E-Mail oder ein
ausgefülltes Webformular diesen Anforderungen nicht ge-
nügt.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig (I.), im Übrigen unbe-
gründet (II).

I.

nach Auffassung des Wahlprüfungsausschusses nicht dem
Schriftformerfordernis des § 2 Absatz 3 WPrüfG genügt.
Dies betrifft die unter I. genannten Einspruchsgründe.

Es entspricht ständiger Praxis des Wahlprüfungsausschusses
und des Deutschen Bundestages, dass zur Schriftform des
§ 2 Absatz 3 WPrüfG grundsätzlich auch die eigenhändige
Unterschrift des Einspruchsführers oder seines Verfahrens-
bevollmächtigten gehört. In seiner Sitzung vom 16. Oktober
2008 hat der Wahlprüfungsausschuss ausdrücklich festge-
stellt, dass eine E-Mail daher grundsätzlich nicht den Anfor-
derungen des § 2 Absatz 3 WPrüfG entspricht. Vor diesem
Hintergrund haben Wahlprüfungsausschuss und Deutscher
Bundestag ausschließlich per E-Mail eingelegte Wahlein-
sprüche stets als unzulässig zurückgewiesen (vgl. zuletzt
Bundestagsdrucksachen 17/2250, Anlagen 8 und 9; 17/4600,
Anlage 6 mit weiteren Nachweisen).

II.

Im Übrigen ist der Einspruch unbegründet, denn der Vortrag
des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß gegen Vorschrif-
ten für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag erkennen.

Zu 1. und 2.: Die Anwendung des Bundeswahlgesetzes
(BWG) in der zum Zeitpunkt der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag gültigen Fassung, auf der auch das Zustandekom-
men von 24 sogenannten Überhangmandaten beruht, stellt
keinen Wahlfehler dar. Die Verteilung der Sitze ist in zutref-
fender Anwendung des geltenden Bundestagswahlrechts er-
folgt. Das Wahlrecht hätte auch nicht, wie der Einspruchs-
führer suggeriert, vor der Wahl geändert werden müssen.

Die Verfassungsmäßigkeit von Überhangmandaten, bei de-
nen es sich um Sitze handelt, die Parteien in den Wahlkreisen
errungen haben und die ihnen gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1
BWG auch dann verbleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis
der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen ermit-
telte Mandatszahl übersteigen, hat das Bundesverfassungs-
gericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95,
335 ff.) grundsätzlich bestätigt (vgl. Bundestagsdrucksache
17/4600, Anlage 14). In seinem Urteil vom 3. Juli 2008 hat
das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgege-
ben, den Regelungskomplex, der zum Auftreten des soge-
nannten negativen Stimmgewichts führen kann, zu ändern,
weshalb der Gesetzgeber über die Berechnung der Sitzzutei-
lung bei künftigen Wahlen neu entscheiden wird. Hierfür hat
das Bundesverfassungsgericht eine Frist bis zum 30. Juni
2011 gesetzt und zugleich ausdrücklich klargestellt, dass
eine Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag nach
den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist
(BVerfGE 121, 266, 315 f.). Dies hat es damit begründet,
dass der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zustehen-
de Gestaltungsspielraum ausreichend Zeit fordere, um die
verschiedenen Regelungsalternativen und deren Auswirkun-
gen auf das Wahlrecht angemessen zu berücksichtigen und
zu gewichten. Zudem müsse das Gesetzgebungsverfahren so
rechtzeitig (vor der nächsten Wahl) abgeschlossen sein, dass
sich die Parteien bei der Aufstellung ihrer Kandidaten auf die
neue Regelungslage einstellen können (a. a. O., S. 315 f.).
Daher hat es das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf
die hohe Komplexität des Regelungsauftrags und unter Be-
Der Einspruch ist unzulässig, soweit er per E-Mail oder über
ein internetbasiertes Formular übermittelt wurde, da beides

rücksichtigung der gesetzlichen Fristen zur Vorbereitung
einer Bundestagswahl für unangemessen erachtet, dem Ge-

Drucksache 17/6300 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

setzgeber aufzugeben, das Wahlrecht rechtzeitig vor Ablauf
der 16. Wahlperiode zu ändern (a. a. O., S. 316).

Zu 3. und 33.: Der Vortrag des Einspruchsführers zur Infor-
mation über die und Durchführung der Wahlprüfung hat kei-
nen unmittelbaren Bezug zur Gültigkeit der angegriffenen
Wahl und lässt daher keinen Verstoß gegen Vorschriften für
die Vorbereitung und Durchführung der Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag erkennen.

Zu 4.–8. und 34.: Auch die auf die Wahlwerbung verschiede-
ner Parteien bezogenen Rügen des Einspruchsführers bieten
keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Wahlfehlern. Der
zulässige Inhalt von Wahlwerbung ist wahlrechtlich nicht
geregelt. Sie findet ihre Grenzen jedoch in den in Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verankerten Grundsätzen
der Wahlfreiheit und Wahlgleichheit. Es ist anerkannt, dass
diese Grundsätze nicht nur für den Wahlvorgang selbst, son-
dern auch schon für die Wahlvorbereitung und die in diesem
Zusammenhang erfolgende Wahlwerbung gelten (vgl. Bun-
destagsdrucksachen 15/1150, Anlage 41; 15/1850, Anlage 10;
16/900, Anlage 19). Das Bundesverfassungsgericht hat in
einer Entscheidung aus dem Jahr 2001 die Voraussetzungen
für unzulässige Wahlbeeinflussungen konkretisiert und da-
bei zwischen amtlicher und privater Wahlbeeinflussung un-
terschieden. Eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch
staatliche Stellen liegt danach dann vor, wenn diese im Vor-
feld einer Wahl in mehr als nur unerheblichem Maße partei-
ergreifend auf die Bildung des Wählerwillens eingewirkt ha-
ben. Ein Einwirken von Parteien, einzelnen Wahlbewerbern,
gesellschaftlichen Gruppen oder sonstigen privaten Dritten
auf die Bildung des Wählerwillens stellt hingegen erst dann
eine Verletzung der Freiheit oder Gleichheit der Wahl dar,
wenn dieses mit Mitteln des Zwangs oder Drucks oder in
ähnlich schwerwiegender Art und Weise erfolgt, ohne dass
eine hinreichende Möglichkeit der Abwehr, z. B. mit Hilfe
der Gerichte oder der Polizei, oder des Ausgleichs, etwa mit
Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestanden hätte (vgl.
BVerfGE 103, 111, 132 f.). Dementsprechend haben Wahl-
prüfungsausschuss und Deutscher Bundestag im Rahmen
der Wahlprüfung bereits mehrfach festgestellt, dass Einwir-
kungen auf die Bildung des Wählerwillens durch Aussagen
im Wahlkampf, die unter der vom Bundesverfassungsgericht
definierten Schwelle liegen, die Freiheit oder Gleichheit der
Wahl nicht verletzen (vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1150,
Anlage 41; 15/1850, Anlagen 10 und 11; 16/5700, Anlage 11).
Einer inhaltlichen Überprüfung unterziehen der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag im Wahlkampf
getätigte Aussagen grundsätzlich nicht. Es ist Sache der Par-
teien und Kandidaten, mit welchen Aussagen sie im Wahl-
wettbewerb auftreten (vgl. Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlage 19). Wahlkampfaussagen sind in einer Demokratie
wie der Bundesrepublik Deutschland als Werbung für eine
„gezielte“ Stimmabgabe unerlässlich. Sie sind in der Regel
nicht gegen die Willensbildung und Entschließungsfreiheit
der Wahlberechtigten gerichtet, sondern dienen vielmehr
ihrer Realisierung, denn viele Wahlberechtigte werden erst
durch den Wahlkampf veranlasst, an der Wahl teilzunehmen
(Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlage 41; 15/1850, An-
lagen 10 und 11; 16/900, Anlage 19; Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 28). Darüber hinaus
enthalten im Wahlkampf getätigte Aussagen ihrer Natur

den konkurrierenden Parteien und Bewerbern überlassen ist,
das Meinungsbild durch alternative Wahlkampfaussagen zu
modifizieren (vgl. Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 19).

Auch die vom Einspruchsführer genannten Wahlwerbemaß-
nahmen erfüllen die genannten Voraussetzungen einer – hier
allein in Betracht kommenden – unzulässigen privaten Wahl-
beeinflussung offensichtlich nicht.

Zu 9.: Die Äußerung des Staatsoberhaupts eines fremden
Staates kann nicht Gegenstand der Wahlprüfung durch den
Deutschen Bundestag sein.

Zu 10.: Die vom Einspruchsführer gerügte, dem Wahlprü-
fungsausschuss vorliegende Broschüre des Deutschen Bun-
destages stellt keine unzulässige Wahlbeeinflussung im oben
dargestellten Sinne dar. Sie dient der allgemeinen Informa-
tion der Öffentlichkeit über die Wahl zum Deutschen Bun-
destag sowie die anschließende Regierungsbildung. Die Er-
wähnung und Abbildung der Bundeskanzlerin, die auch Mit-
glied des Deutschen Bundestages ist, liegt ebenso wie die
Abbildung weiterer Mitglieder des Deutschen Bundestages
in der Natur der Sache und stellt daher keine erhebliche und
parteigreifende Einwirkung auf die Bildung des Wählerwil-
lens im Vorfeld einer Wahl im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts dar.

Zu 11.: Es fehlt an der substantiierten Geltendmachung eines
Wahlfehlers, denn die Forderung des Einspruchsführers, öf-
fentlichkeitswirksame Veranstaltungen der Bundesregierung
in Wahljahren zukünftig nach dem Wahltag durchzuführen,
ist auf die Zukunft gerichtet und weist daher keinen Bezug
zur Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag auf.

Zu 12.: Aus dem Vortrag des Einspruchsführers wird nicht
ersichtlich, welchen Verstoß gegen geltendes Bundestags-
wahlrecht er geltend macht. Für eine – von ihm ohne weite-
ren Beleg behauptete – unzulässige Wahlbeeinflussung lie-
gen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Zu 13.: Die Kritik des Einspruchsführers an der Programm-
gestaltung einer Fernsehsendung lässt ebenfalls keinen
Wahlfehler erkennen. Für die Gestaltung von Fernsehsen-
dungen gilt grundsätzlich die in Artikel 5 Absatz 1 GG ver-
ankerte Rundfunkfreiheit. Öffentlich-rechtliche Rundfunk-
anstalten sind zwar nicht in gleicher Weise bei der Gestal-
tung des redaktionellen Teils ihrer auf die Wahl bezogenen
Sendungen frei wie die z. B. von privater Hand betriebene
Presse (vgl. BVerfGE 59, 231, 258), sondern haben bei der
Programmgestaltung den Grundsatz der Chancengleichheit
der Wahlbewerber zu beachten (vgl. Schreiber a. a. O., § 1
Rn. 37 f.). Dies bedeutet aber nicht, dass jeder Wahlvor-
schlagsträger einen Anspruch darauf hat, dass über ihn in
einer auf die Wahl bezogenen Sendung berichtet wird. Zum
einen fordert die Chancengleichheit der Parteien nicht, dass
vorgefundene, sich aus der unterschiedlichen Größe, Leis-
tungsfähigkeit oder politischen Zielsetzung ergebende Un-
terschiede ausgeglichen werden. Zum anderen bringt es die
Aufgabe des Rundfunks, den Hörer- und Zuschauerkreis ob-
jektiv über die Gewichtsverteilung zwischen den bedeutsa-
men politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen
Gruppen zu informieren, geradezu mit sich, dass beispiels-
weise über politische Gruppen, die sich erstmals an über-
regionalen Wahlen beteiligen, in aller Regel wesentlich we-
nach mit objektiven Maßstäben schwer zu würdigende Wer-
tungen und Einschätzungen, wobei es im Wahlwettbewerb

niger ausführlich berichtet wird als über Parteien, die etwa
aufgrund der Zeitdauer ihres Bestehens, ihrer verfestigten

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/6300

Organisation, ihrer Vertretung in Parlamenten oder ihrer Be-
teiligung an den Regierungen in Bund und Ländern eine
große Rolle in der politischen Wirklichkeit spielen (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/5700, Anlage 21; BVerfGE 48,
271, 278).

Zu 14.: Ein Wahlfehler ist nicht ersichtlich, denn der Ein-
spruchsführer hat nicht substantiiert vorgetragen, welcher
Bezug zwischen dem Auftritt von Funktionsträgern von Par-
teien in einer Fernsehsendung und der Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag bestehen soll.

Zu 15. und 16.: Hinsichtlich der Bitten des Einspruchsfüh-
rers um Prüfung von angeblich in Fernsehsendungen erhobe-
nen Vorwürfen fehlt es an einer substantiierten Darlegung
möglicher Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung
der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag. Die Wahlprüfung
erfolgt jedoch weder von Amts wegen, noch findet sie stets
in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl statt. Ge-
mäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG erfolgt sie vielmehr nur auf
Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung muss min-
destens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt
wird, erkennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen
für eine Nachprüfung enthalten (BVerfGE 40, 11, 30; 48,
271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291, 304 f.). Wahlbeanstandun-
gen, die, wie hier, über die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der
Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthal-
ten, sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38
und 39, 17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39,
jeweils mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48, 271, 276;
66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24). Die bloße Bezugnah-
me auf eine Fernsehsendung ohne Wiedergabe des Inhalts
genügt hierfür nicht.

Zu 17. und 18.: Die Kritik des Einspruchsführers an einem
satirischen Kinofilm ist wahlrechtlich irrelevant. Eine unzu-
lässige private Wahlbeeinflussung im oben dargestellten Sin-
ne liegt offensichtlich nicht vor. Die beim Publikum unter
Umständen geweckten Erwartungen haben keinen Bezug zur
Gültigkeit der Wahl des 17. Deutschen Bundestages.

Zu 19. und 38.: Ein Wahlfehler liegt nicht vor, denn es beste-
hen – abgesehen von der verfassungsrechtlichen Vorgabe des
Artikel 38 Absatz 2 GG, die die Wählbarkeit an die Volljäh-
rigkeit knüpft und in § 15 Absatz 1 Nummer 2 BWG konkre-
tisiert wird – keine an das Alter von Wahlbewerbern und Ab-
geordneten anknüpfenden wahlrechtlichen Regelungen.

Zu 20. und 21: Dem in sich widersprüchlichen Vortrag des
Einspruchsführers zur gleichzeitigen Durchführung von
Wahlen lässt sich kein Verstoß gegen das geltende Bundes-
tagswahlrecht entnehmen. Er legt weder wahlrechtlich sub-
stantiiert dar, warum verschiedene Landtagswahlen – wie
von ihm einerseits gefordert – am selben Tag wie die Bun-
destagswahl hätten stattfinden müssen, noch dass – wie von
ihm ebenfalls behauptet – die gleichzeitige Durchführung
von Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen unzuläs-
sig sei. Eine unzulässige Wahlbeeinflussung im oben darge-
legten Sinne ist nicht ersichtlich; die Behauptung, die gleich-
zeitige Durchführung mehrerer Wahlen überfordere die
Wahlvorstände und führe zu ungenauen Ergebnisauszählun-

Zu 22. und 23: Der Inhalt des Stimmzettels ist in § 30 Ab-
satz 2 BWG, § 45 Absatz 1 der Bundeswahlordnung (BWO)
geregelt. Angaben zum Geschlecht der Wahlbewerberinnen
und Wahlbewerber sind nicht vorgesehen, so dass ihr Fehlen
keinen Wahlfehler darstellt. Dasselbe gilt für die Angabe des
Geburtsjahres. Die Angabe des Geburtsdatums der Wahlbe-
werber ist allerdings gemäß § 34 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1
in Verbindung mit Anlage 13 und § 39 Absatz 1 Satz 2 Num-
mer 2 BWO in Verbindung mit Anlage 20 für die Einrei-
chung sowohl eines Kreiswahlvorschlags als auch einer Lan-
desliste erforderlich. Die öffentliche Bekanntmachung des
Kreiswahlvorschlags durch den Kreiswahlleiter und der
Landesliste durch den Landeswahlleiter enthält gemäß § 38
Satz 3 und § 43 Absatz 1 Satz 2 BWO statt der Angabe des
Geburtsdatums das Geburtsjahr. Der Einspruchsführer irrt
also, wenn er meint, dass diese von ihm geforderte Informa-
tion den Wählerinnen und Wählern nicht zugänglich sei. An-
haltspunkte dafür, dass die vorgeschriebenen öffentlichen
Bekanntmachungen nicht erfolgt sind, liegen dem Wahlprü-
fungsausschuss nicht vor.

Zu 24.: Auch die Kritik des Einspruchsführers an der Gestal-
tung von Wahlurnen lässt keinen Wahlfehler erkennen. § 51
Absatz 2 BWO enthält genaue wahlrechtliche Vorgaben für
Wahlurnen. Diese müssen danach mit einem Deckel verse-
hen und verschließbar sein. Ihre innere Höhe soll in der Re-
gel 90 cm, der Abstand jeder Wand von der gegenüberliegen-
den mindestens 35 cm betragen. Im Deckel muss die Wahl-
urne einen Spalt haben, der nicht weiter als 2 cm sein darf.
Einen Verstoß gegen diese Vorgaben hat der Einspruchsfüh-
rer nicht geltend gemacht.

Zu 25.: Die Bitte des Einspruchsführers um Prüfung, ob es
rechtmäßig sei, dass zum Beispiel in Berlin die Zahl der
Wahllokale drastisch reduziert worden sei, enthält keine sub-
stantiierte Geltendmachung eines Wahlfehlers. Gemäß § 46
Absatz 1 Satz 1 BWO bestimmt die Gemeindebehörde für je-
den Wahlbezirk einen Wahlraum. Die zulässige Größe eines
Wahlbezirks ist in § 12 Absatz 2 BWO geregelt. Sie soll
2 500 Einwohner nicht übersteigen, die Zahl der Wahlbe-
rechtigten darf jedoch zugleich nicht so gering sein, dass er-
kennbar wird, wie einzelne Wahlberechtigte gewählt haben.
Einen Verstoß gegen die Vorschriften hat der Einspruchsfüh-
rer nicht substantiiert geltend gemacht.

Zu 26.: Auch seiner Bitte um Prüfung, ob es rechtmäßig sei,
dass „viele Wahllokale“ nicht barrierefrei erreichbar seien,
enthält keine substantiierte, mit konkreten und überprüfba-
ren Tatsachen belegte Geltendmachung eines Wahlfehlers.
Gemäß § 46 Absatz 1 Satz 3 BWO sollen die Wahlräume
nach den örtlichen Verhältnissen so ausgewählt und einge-
richtet werden, dass allen Wahlberechtigten, insbesondere
behinderten und anderen Menschen mit Mobilitätsbeein-
trächtigungen, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleich-
tert wird. Einen Verstoß gegen diese Regelung, die keine
Verpflichtung zur Gewährleistung eines barrierefreien Zu-
gangs zu jedem Wahllokal beinhaltet (vgl. Bundestagsdruck-
sache 17/3100, Anlage 9 mit weiteren Nachweisen), hat der
Einspruchsführer nicht geltend gemacht.

Zu 27.: Die Rüge des Einspruchsführers, er habe seine Wahl-
benachrichtigung erst am 29. August 2009 erhalten, lässt
ebenfalls keinen Wahlfehler erkennen. Gemäß § 19 Absatz 1
gen, hat er nicht mit konkreten und überprüfbaren Tatsachen
belegt.

Satz 1 BWO benachrichtigen die Gemeindebehörden jeden
Wahlberechtigten spätestens am Tage vor der Bereithaltung

Drucksache 17/6300 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

des Wählerverzeichnisses zur Einsichtnahme. Diese ist ge-
mäß § 17 Absatz 1 Satz 2 BWG an den Werktagen vom
20. bis zum 16. Tag vor der Wahl möglich. Da der Ein-
spruchsführer seine Wahlbenachrichtigung 29 Tage vor der
Wahl erhalten hat, liegt ein Verstoß gegen wahlrechtliche
Vorschriften nicht vor.

Zu 28.: Seine Bitte um Prüfung, ob es rechtmäßig gewesen
sei, dass in den Wahllokalen keine Vorkehrungen gegen die
Übertragung der sogenannten Schweinegrippe getroffen
worden seien, beinhaltet keine substantiierte Geltendma-
chung eines Verstoßes gegen wahlrechtliche Vorschriften.
Ein Bezug zur Gültigkeit der Bundestagswahl ist nicht er-
sichtlich.

Zu 29.–31.: Die Forderungen des Einspruchsführers nach
bestimmten Leistungen und Vergünstigungen zugunsten der
Wahlvorstände lassen keinen Verstoß gegen wahlrechtliche
Vorschriften erkennen und weisen keinen Bezug zu der Gül-
tigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag auf, die allein
Gegenstand der Wahlprüfung durch den Deutschen Bundes-
tag ist.

Zu 32.: Soweit der Einspruchsführer rügt, der Bundeswahl-

bekannt. Den vom Einspruchsführer offenbar gewünschten
Ausschluss von Bewerbern, die bereits dem Deutschen Bun-
destag angehören oder Aussicht auf ein Direktmandat haben,
sieht das geltende Wahlrecht nicht vor.

Zu 36.: Der Vortrag des Einspruchsführers zum „Umgang
mit der Aufstellung“ einer Bewerberin auf einer Landesliste
lässt keinen Wahlfehler erkennen, denn er enthält keine hin-
reichend konkrete und mit überprüfbaren Tatsachen belegte
Darlegung möglicher Verstöße gegen geltendes Bundestags-
wahlrecht, insbesondere die Vorgaben zur Listenaufstellung
gemäß § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 21 Absatz 3 BWG,
sondern beschränkt sich auf die bloße Andeutung der Mög-
lichkeit von Wahlfehlern. Er ist daher nach der oben bereits
dargelegten Praxis in Wahlprüfungsangelegenheiten als un-
substantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdruck-
sachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39, 17/4600, Anlagen 9,
18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils mit weiteren Nach-
weisen; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49
Rn. 24).

Zu 37.: Die Kritik des Einspruchsführers am Inhalt von Fern-
leiter habe ihm auf E-Mails nicht geantwortet, ist nicht er-
sichtlich, welchen die Gültigkeit der Bundestagswahl berüh-
renden Verstoß gegen Vorschriften zur Vorbereitung oder
Durchführung der Wahl er damit geltend machen möchte.
Ein Wahlfehler liegt daher nicht vor.

Zu 35.: Es entspricht geltendem Wahlrecht, dass der Stimm-
zettel nicht die Namen aller möglicherweise als Landeslis-
tenbewerber in den Bundestag einziehenden Kandidaten ent-
hält. Denn § 30 Absatz 2 Nummer 2 BWG sieht ausdrücklich
vor, dass der Stimmzettel für die Wahl nach Landeslisten die
Namen der Parteien sowie die Namen der ersten fünf Bewer-
ber der zugelassenen Landeslisten enthält. Wie oben bereits
dargelegt, macht außerdem der Landeswahlleiter die – voll-
ständige – Landesliste gemäß § 43 Absatz 1 BWO öffentlich

sehberichterstattungen am Wahltag lässt nicht erkennen,
welchen die Gültigkeit der Bundestagswahl berührenden
Verstoß gegen Vorschriften zur Vorbereitung oder Durchfüh-
rung der Wahl er damit geltend machen möchte. Ein Wahl-
fehler liegt nicht vor.

Zu 39.: Soweit der Einspruchsführer kritisiert, dass ein ge-
wähltes Mitglied des 17. Deutschen Bundestages nach der
Wahl den Familiennamen ihres Ehemannes angenommen
habe, bezieht er sich auf einen Vorgang, der zeitlich nach der
Bundestagswahl liegt. Ein Einfluss auf die Gültigkeit der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag, die alleiniger Gegen-
stand der Wahlprüfung durch den Deutschen Bundestag ist,
ist schon deshalb ausgeschlossen.

kal in Eisenach die Auszählung der Stimmen beobachtet und
dabei festgestellt, dass „eine unbestimmte Anzahl“ von
Stimmzetteln, bei denen wegen der Faltung die abgegebenen

dass eine aus seiner Sicht gültige Zweitstimme für die Lan-
desliste der CDU, die vom Wähler mit einem Kreuz gekenn-
zeichnet worden sei, für ungültig erklärt worden sei, weil in
überschritten habe, sei eine Vorfalzung der Stimmzettel vor-
genommen worden. Der Wahlvorstand des vom Einspruchs-
führer aufgesuchten Wahllokales 013 in Eisenach habe den

enthalten gewesen sei, habe sich nicht darunter befunden.
Allerdings habe ein Stimmzettel bei der Zweitstimme eine
Kennzeichnung mit einem Kreuz bei der Landesliste DIE
Stimmen der Wähler erkennbar gewesen seien, nicht von den
„korrekt gefalteten“ Stimmzetteln getrennt und auch nicht
als ungültige Stimmen gezählt worden seien. § 34 Absatz 2
des Bundeswahlgesetzes (BWG) schreibe aber vor, dass der
Wähler seinen Stimmzettel in der Weise faltet, dass seine
Stimmabgabe nicht erkennbar ist. Daraus folge, dass bei der
Leerung der Wahlurne als erstes alle Stimmzettel auszuson-
dern seien, bei denen die Stimmabgabe vollständig oder teil-
weise erkennbar sei. Diese Stimmen seien ungültig.

Zu diesem Punkt hat der Landeswahlleiter von Thüringen
wie folgt Stellung genommen: Der Stimmzettel des be-
treffenden Bundestagswahlkreises 190 (Eisenach-Wart-
burgkreis-Unstrut-Hainich-Kreis II) habe eine Länge von
34,4 Zentimetern gehabt. Da er damit das Format DIN A4

einem weiteren Kreis der Ansatz einer versehentlichen
Kennzeichnung in Form eines kurzen Schrägstrichs erfolgt
sei.

Hierzu hat der Landeswahlleiter von Thüringen ausgeführt,
dass zur Klärung des Sachverhaltes die Stimmzettel und die
Niederschrift des Wahlbezirkes geprüft worden seien. Alle
564 Stimmzettel hätten entsprechend der Wahlniederschrift
und in Übereinstimmung mit den Stimmabgabevermerken
im Wählerverzeichnis vorgelegen und seien in die Überprü-
fung einbezogen worden. Ein Stimmzettel, der in der vom
Einspruchsführer beschriebenen Art und Weise gekenn-
zeichnet worden sei, indem bei der Zweitstimme die Landes-
liste der CDU angekreuzt worden und in der darunter liegen-
den Zeile (Landesliste FDP) ein angefangener Schrägstrich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/6300

Anlage 2

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. V., 99817 Eisenach
– Az.: WP 3/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 2. Oktober 2009 eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag am 27. September 2009 Einspruch einge-
legt.

Der Einspruchsführer beanstandet die Auszählung der
Stimmzettel in einem Wahlbezirk (1.–3.), eine Benachteili-
gung von nicht zur Wahl zugelassenen Parteien und Landes-
listen (4.) sowie verschiedene ihm von einer Kreiswahlleite-
rin erteilte Auskünfte (5.). Zu den Punkten 1.–3. und 5. hat
der Landeswahlleiter von Thüringen mit Schreiben vom
25. November 2009 und zu dem Punkt 4. das
Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 8. März
2010 Stellung genommen. Die Stellungnahmen sind dem
Einspruchsführer bekannt gegeben worden. Er hat mit
Schreiben vom 5. Januar und 15. März 2010 auf beide Stel-
lungnahmen erwidert.

1. Der Einspruchsführer trägt vor, er habe in einem Wahllo-

gekennzeichneten Stimmzettels das Wahlgeheimnis gewahrt
gewesen. Ungeachtet dessen hätten die Wähler in der Wahl-
kabine eine andere Faltung vornehmen können. Dies sei nach
§ 56 Absatz 6 Nummer 5 der Bundeswahlordnung (BWO)
nur bedenklich, wenn hierdurch die Stimmabgabe erkennbar
würde. Darauf seien die Wähler durch ein Plakat in den
Wahlkabinen hingewiesen worden. Es lägen weder dem Lan-
deswahlleiter noch der örtlichen Wahlbehörde Erkenntnisse
darüber vor, dass bei der Stimmabgabe im Wahlbezirk 013
durch „Anders-Faltungen“ des Stimmzettels Stimmabgaben
erkennbar gewesen wären. Auch der Einspruchsführer habe
dies nicht vorgetragen. Dass nach der Öffnung der Wahlurne
einzelne Stimmabgaben durch unterschiedliche Faltungen
erkennbar gewesen seien, sei durch den Gesetzgeber nicht als
ungültige Stimmabgabe definiert. Für eine Aussonderung
dieser Stimmzettel, wie vom Einspruchsführer verlangt, gebe
es keinerlei wahlrechtliche Begründung, so dass der Wahl-
vorstand korrekt gehandelt und diese Stimmzettel nicht als
ungültige Stimmen gewertet habe.

2. In seinem Einspruch rügt der Einspruchsführer weiter,
Wählern die vorgefalzten Stimmzettel übergeben. Bei einer
Faltung entsprechend der Vorfalzung sei bei der Abgabe des

LINKE. und darunter bei der Landesliste der CDU einen
Schrägstrich enthalten. Hier habe der Wahlvorsteher ent-

Drucksache 17/6300 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schieden, das auf dem Stimmzettel bei der Zweitstimme ge-
setzte Kreuz bei der Landesliste DIE LINKE. als gültige
Zweitstimme für diese Landesliste anzuerkennen. Eine Be-
schlussfassung des Wahlvorstandes sei nicht erforderlich ge-
wesen, da für den Wahlvorsteher der Wählerwille durch die
Kennzeichnung mit einem Kreuz – unter Vernachlässigung
des Striches darunter – eindeutig erkennbar gewesen sei. Der
Stimmzettel sei daher ordnungsgemäß als gültige Stimme
für die Landesliste DIE LINKE. gewertet worden.

In seiner Erwiderung auf die Stellungnahme hat der Ein-
spruchsführer mitgeteilt, er habe möglicherweise etwas ver-
wechselt, und den Punkt für „erledigt“ erklärt.

3a) In seinem Einspruch macht der Einspruchsführer weiter
geltend, dass eine für die Landesliste der Freien Union abge-
gebene Zweitstimme fälschlich als ungültige Stimme gezählt
worden sei. Die Landesliste der Freien Union in Thüringen
sei zwar mangels einer ausreichenden Anzahl von Unterstüt-
zungsunterschriften nicht auf dem Stimmzettel vertreten ge-
wesen. Aus den einschlägigen Vorschriften des BWG (§ 30
und § 34) lasse sich jedoch nicht ableiten, dass ein Wähler
nur die Parteien wählen könne, die auf dem Stimmzettel auf-
geführt seien. Ein Ergänzungsverbot bestehe nicht.

b) Zudem vertritt der Einspruchsführer in diesem Zusam-
menhang die Auffassung, dass der Landeswahlleiter die
Freie Union „entsprechend seines Ermessensspielraums“
hätte zulassen können. Der Landeswahlleiter habe außerdem
die Frist für die Sammlung der Unterstützerunterschriften
dadurch um zwei Tage verkürzt, dass er nicht in der Lage ge-
wesen sei, an dem Tag, an dem die Landesliste der Freien
Union eingereicht worden sei, die amtlichen Formblätter zur
Verfügung zu stellen.

Hierzu hat der Landeswahlleiter von Thüringen wie folgt
Stellung genommen:

a) Stimmen seien als ungültig zu werten, wenn auf dem
Stimmzettel Zusätze oder Vorbehalte angebracht werden
(§ 39 Absatz 1 Nummer 5 BWG). Die Bewertung des vom
Einspruchsführer beschriebenen Stimmzettels durch den
Wahlvorstand als ungültig sei zutreffend, weil er einen Zu-
satz enthalten habe. Zusätze oder Vorbehalte, wie der Ver-
merk einer auf dem Stimmzettel nicht aufgeführten Partei,
machten die Stimmabgabe ungültig.

b) Die Nichtzulassung der Landesliste der Freien Union in
Thüringen zur Wahl sei in der Sitzung des Landeswahlaus-
schusses am 31. Juli 2009 auf Grund der Nichteinreichung
der gemäß § 27 Absatz 1 BWG in Verbindung mit § 39 Ab-
satz 3 BWO erforderlichen 1 958 Unterstützungsunterschrif-
ten erfolgt. Der Landesverband der Freien Union Thüringen
habe bis zum 23. Juli 2009 nur 1 189 gültige Unterstützungs-
unterschriften eingereicht. Es habe in dieser Hinsicht auch
nicht, wie der Einspruchsführer behaupte, ein Ermessens-
spielraum bestanden. Die Nichtzulassung der Landesliste
der Freien Union sei rechtlich korrekt gewesen. Dies sei
auch durch den Landesvorstand und die Vertrauensperson
nicht angezweifelt worden, da kein Einspruch beim Bundes-
wahlausschuss eingelegt worden sei.

Zu der Behauptung, er habe die Frist für das Sammeln der
Unterstützungsunterschriften um zwei Tage verkürzt, teilt
der Landeswahlleiter mit, dass die Freie Union ihm die

stellen können. Zudem habe die gemäß § 39 Absatz 3 in Ver-
bindung mit § 34 Absatz 4 BWO für die Ausgabe der Form-
blätter erforderliche Bestätigung der Aufstellung der Bewer-
ber in einer Mitglieder- oder Vertreterversammlung bei
Einreichung der Landesliste am 7. Juli 2009 nicht vorgele-
gen. Er habe daher die Bereitstellung von 4 000 Formularen
für den 8. Juli 2009 vormittags angeboten. Da die Freie
Union diesen Termin nicht habe wahrnehmen können, sei die
Übergabe für den 9. Juli 2009 vereinbart worden. Eine von
ihm verursachte Verzögerung liege mithin nicht vor. Der
Landesvorstand und die Vertrauensperson hätten dieses Vor-
gehen auch in keiner Weise thematisiert.

In seiner Erwiderung auf die Stellungnahme des Landes-
wahlleiters trägt der Einspruchsführer u. a. ergänzend vor,
aus seiner Sicht wäre es möglich gewesen, die Frist für die
Sammlung angemessen zu verlängern und das Sammeln
etwa durch Sammellisten zu vereinfachen. Auch in Sammel-
listen im Format DIN A1 sei der erforderliche Inhalt ohne
weiteres unterzubringen. Diese hätten aus Sicht des Ein-
spruchsführers die Sammlung von Unterschriften erheblich
vereinfacht, weil die Hemmschwelle für eine Unterschrift
auf einer Sammelliste wesentlich niedriger liege als bei
„leicht zu kopierenden A4-Blättern“.

Zudem vertritt der Einspruchsführer in seiner Erwiderung
die Auffassung, dass „alle Unterschriftensammlungen“ des-
halb ungültig seien, weil der Landeswahlleiter in Thüringen
dem Formular unter Verwendung des Originalmusters eine
„Drohung mit § 108 d des Strafgesetzbuches (StGB) in Ver-
bindung mit § 107 a StGB“ hinzugefügt habe. Hierbei han-
dele es sich um einen „Missbrauch staatlicher Macht“, denn
allein infolge dieser Drohung habe es Bürgerinnen und Bür-
ger gegeben, die ihre Unterschrift verweigert hätten, weil sie
staatliche Repressalien befürchteten. Außerdem hätten sich
die Sammelnden „fast schon wie Ermittlungsbehörden“ ge-
fühlt, wenn sie die Unterschriftenlisten sortiert und dem
jeweiligen Wahlkreis bzw. den zuständigen Meldestellen
zugeordnet hätten. Hierin liege eine erhebliche Wahlbehin-
derung. Dass die Nichtzulassung und Behinderungen kleiner
und neuer Parteien rechtlich korrekt gewesen sei, zweifle er
an.

Schließlich erklärt er, ihm sei „aus früheren Entscheidungen
und Verweisungen des BGH“ bekannt gewesen, dass der
Landesverband der Freien Union und er selbst vor der Bun-
destagswahl am 27. September 2009 keine Möglichkeit ge-
habt hätten, sich gegen die Entscheidungen des Landeswahl-
leiters und des Bundeswahlleiters zu wehren, und wirft die
Frage auf, warum der Landeswahlleiter auf derartige recht-
lich unmögliche Einsprüche vor der Wahl verweise.

4. Der Einspruchsführer vertritt in seinem Einspruch zudem
die Auffassung, dass Parteien und Landeslisten, die bei der
zweiten Sitzung des Bundeswahlausschusses nicht zur Bun-
destagswahl zugelassen worden seien, gegenüber nationalen
Minderheiten benachteiligt worden seien, für die gemäß § 27
Absatz 1 Satz 4 BWG das Erfordernis zusätzlicher Unter-
schriften bei der Einreichung von Landeslisten nicht gelte.
Es handele sich um einen Verstoß gegen Artikel 3 des
Grundgesetzes und § 5 des Parteiengesetzes.
Übergabe der Unterlagen nicht vorher angezeigt habe, so
dass er die Formblätter nicht zu diesem Zeitpunkt habe er-

Zu diesem Punkt hat das Bundesministerium des Innern wie
folgt Stellung genommen:

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/6300

Nach § 27 Absatz 1 Satz 4 BWG gelte für die Einreichung
der Landeslisten von Parteien nationaler Minderheiten nicht
das Erfordernis zusätzlicher Unterschriften nach Satz 2 die-
ser Vorschrift. Dieses Erfordernis, das für Landeslisten neuer
Parteien im Sinne des § 18 Absatz 2 BWG statuiert sei, solle
sicherstellen, dass nur solche Wahlvorschläge eingereicht
werden, die ernst zu nehmen seien (vgl. BVerfGE 82, 353,
364). Auf diese Weise werde das Stimmgewicht der einzel-
nen Wählerstimme gesichert und der Wähler davor ge-
schützt, dass er aussichtslosen Wahlvorschlägen seine Stim-
me gebe (BVerfGE 4, 375, 381). Angesichts dessen erweise
sich das Erfordernis zusätzlicher Unterschriften als notwen-
dige Ergänzung zur Fünf-Prozent-Sperrklausel. Das mit dem
Erfordernis von zusätzlichen Unterschriften verfolgte legiti-
me Anliegen des Gesetzgebers erkenne das Bundesverfas-
sungsgericht in ständiger Rechtsprechung als einen zwin-
genden Grund an, der eine Ausnahme von dem verfassungs-
rechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Wahl im Sinne der
formalen Chancengleichheit aller Träger von Wahlvorschlä-
gen rechtfertige (BVerfGE 82, 353, 364: 71, 81, 96 f.; 60,
162, 168; 3, 383, 394 ff.; BVerfG, NVwZ-RR 2002, 803,
804). Ebenso wie das Erfordernis zusätzlicher Unterstüt-
zungsunterschriften tangiere auch die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel gemäß § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG den verfassungs-
rechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Diese Sperr-
klausel finde allerdings ebenfalls keine Anwendung auf
Parteien nationaler Minderheiten (vgl. § 6 Absatz 6 Satz 2
BWG). Unter Hinweis auf die politische Bedeutsamkeit der
parlamentarischen Vertretung nationaler Minderheiten habe
das Bundesverfassungsgericht seit jeher diese Ausnahme
verfassungsrechtlich gebilligt (vgl. zuletzt den Beschluss der
Zweiten Kammer des Zweiten Senats vom 14. Februar 2005,
BVerfGE 5, 96, 104 f. unter Bezugnahme auf BVerfGE 6, 84.
97 f. und 5, 77, 83). Die verfassungsrechtliche Rechtferti-
gung dieser wahlrechtlichen Sonderregelung ergebe sich
nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (vgl.
BVerfGE 6, 84, 98 sowie – sich hierauf beziehend –
BVerfGE 5, 96, 106) aus dem Anliegen, der nationalen Min-
derheit zur Vertretung ihrer spezifischen Belange die Tribü-
ne des Parlaments zu eröffnen. Komme einer Partei – so das
Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 5, 96, 106) – die
Funktion und der Status einer anerkannten Minderheitspar-
tei, jedenfalls in einem Teilbereich des Wahlgebiets, zu, so
wirke sich diese Eigenschaft zwangsläufig im gesamten
Wahlgebiet aus. Vor diesem Hintergrund bestehe kein Be-
dürfnis für die Anwendung des zusätzlichen Erfordernisses
von Unterstützungsunterschriften auf Landeslisten von Par-
teien nationaler Minderheiten, das – wie ausgeführt – in
einem engen Zusammenhang zur Anwendung der Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel stehe. Wahlvorschläge von Parteien natio-
naler Minderheiten seien gerade nicht von vornherein aus-
sichtslos, weil solche Parteien in verfassungsrechtlich zuläs-
siger Weise nicht der Fünf-Prozent-Sperrklausel unterfielen.
Unbeschadet dieses Gesichtspunktes könnten Parteien unter
den erleichterten Voraussetzungen des § 27 Absatz 1 Satz 4
BWG auch nur dann die Zulassung ihrer Landeslisten durch
den Landeswahlausschuss erreichen, wenn sie sich tatsäch-
lich ihrer Funktion und ihrem Status nach als eine Partei ei-
ner nationalen Minderheit erwiesen. Die wahlrechtlichen
Privilegien kämen dabei nur originären Minderheitenpar-
teien, also in der betreffenden Minderheit selbst verwurzel-

Minderheiten zum Ziel setzen (vgl. Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 6 Rn. 50; Seifert, a. a. O., § 6
Rn. 28). Angesichts dessen sei auch die Ernsthaftigkeit der
von den Wahlorganen zugelassenen Wahlvorschläge ausrei-
chend sichergestellt, die von Parteien nationaler Minderhei-
ten eingereicht worden seien.

Der Einspruchsführer hat in seiner Erwiderung hierzu unter
anderem erklärt, zu der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Ab-
satz 1 Satz 4 BWG solle sich das Bundesverfassungsgericht
äußern, und im Weiteren den Sinn der Regelung in Frage ge-
stellt.

5. Schließlich rügt der Einspruchsführer, ihm seien am
22. und 25. September 2009 von der Kreiswahlleiterin des
Wahlkreises 190 mehrere „zweifelhafte und widersprüchli-
che Auslegungen“ u. a. zu § 34 und § 39 BWG mitgeteilt
worden. So habe er die Auskunft erhalten, dass die hand-
schriftliche Ergänzung „Freie Union“ oder „FU“ auf dem
Stimmzettel die Stimme ungültig mache und der Wähler bei
der Wahl an die zugelassenen Wahlvorschläge gebunden sei.

Hierzu hat der Landeswahlleiter von Thüringen wie folgt
Stellung genommen: Mit Fax vom 22. September 2009 habe
sich der Einspruchsführer mit zwei Fragen zur Stimmenaus-
wertung bei der Bundestagswahl 2009 an die Kreiswahllei-
terin gewandt. Die Kreiswahlleiterin habe die Fragen mit
Fax vom 22. September 2009 beantwortet. In einem weiteren
Fax vom 22.September 2009 habe der Einspruchsführer mit-
geteilt, dass die Auslegung der Kreiswahlleiterin nach seiner
Auffassung dem § 34 in Verbindung mit § 1 Absatz 2 BWG
widerspreche. Die ergänzende Nachfrage des Einspruchs-
führers bezüglich der Stimmabgabe für die Zweitstimme sei
mit Schreiben vom 25. September 2009 beantwortet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig (I.), im Übrigen unbe-
gründet (II.).

I.

Schon wegen Verfristung unzulässig ist der Einspruch, so-
weit der Einspruchsführer Form und Inhalt der vom Landes-
wahlleiter verwendeten Formblätter für Unterstützerunter-
schriften rügt, und geltend macht, dass deswegen „alle Un-
terschriftensammlungen“ ungültig seien sowie allgemein
bezweifelt, dass die Nichtzulassung „kleiner und neuer Par-
teien“ rechtmäßig gewesen sei. Diese Rügen hat er erstmals
in seiner Replik vom 5. Januar 2010 auf die Stellungnahme
des Landeswahlleiters von Thüringen, und damit nach
Ablauf der Frist von zwei Monaten nach dem Wahltag
gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) am 27. November 2009 erhoben. Die Frist in § 2
Absatz 4 WPrüfG ist eine gesetzliche Ausschlussfrist, die
nicht verlängert werden kann (vgl. z. B. Bundestagsdruck-
sache 17/3100, Anlage 40).

II.
ten und organisatorisch verankerten Parteien zugute, nicht
hingegen Parteien, die sich die Vertretung von vorhandenen

Im Übrigen ist der Einspruch unbegründet, denn ein Wahl-
fehler liegt nicht vor.

Drucksache 17/6300 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1. Stimmen auf Stimmzetteln, die nach Entnahme aus der
Urne ohne weiteres „Entfalten“ die Stimmabgabe erkennen
lassen, sind – entgegen der Ansicht des Einspruchsführers –
nach geltendem Wahlrecht nicht ungültig. Ungültig sind ge-
mäß § 39 Absatz 1 BWG Stimmen dann, wenn der Stimm-
zettel nicht amtlich hergestellt ist, keine Kennzeichnung ent-
hält, für einen anderen Wahlkreis gültig ist, den Willen des
Wählers nicht zweifelsfrei erkennen lässt oder einen Zusatz
oder Vorbehalt enthält. Die Tatbestände dieser formellen Un-
gültigkeitsgründe sind im Interesse einer einheitlichen und
schnellen Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
abschließend genau umrissen (Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 2). Ein auf die Faltung des
Stimmzettels bezogener Ungültigkeitsgrund besteht hinge-
gen nicht. Eine Wertung von Stimmzetteln als ungültig, die
nach der Entnahme aus der Urne die Stimmabgabe erkennen
lassen, hätte daher gegen wahlrechtliche Vorschriften versto-
ßen.

Auch ein Verstoß gegen den vom Einspruchsführer ange-
führten § 34 Absatz 2 Satz 2 BWG, wonach der Wähler den
Stimmzettel in der Weise faltet, dass seine Stimmabgabe
nicht erkennbar ist, und in die Wahlurne wirft, lässt sich dem
Vortrag des Einspruchsführers nicht entnehmen, denn er hat
nicht behauptet, dass Wähler ihre Stimmzettel mit einer von
außen erkennbaren Stimmabgabe in die Urne geworfen hät-
ten. In einem solchen Fall hätte zudem der Wahlvorstand den
Wähler bereits gemäß § 56 Absatz 6 Nummer 5 BWO zu-
rückweisen müssen. Nach Auskunft des Landeswahlleiter
war auch durch die – grundsätzlich zulässige – Vorfaltung
der Stimmzettel (vgl. Bundestagsdrucksache 17/4600, Anla-
ge 29 mit weiteren Nachweisen) sichergestellt, dass das
Wahlgeheimnis gewahrt wurde. Dafür, dass eine vom Ein-
spruchsführer nicht näher benannte Anzahl von Stimmzet-
teln nach der Entnahme aus der Wahlurne möglicherweise
die Stimmabgabe ohne ein weiteres Auffalten erkennen lie-
ßen, sind verschiedene Gründe denkbar. Eine Verletzung des
Wahlgeheimnisses liegt hierin schon deshalb nicht, weil eine
Zuordnung der abgegeben Stimmen zu den Wählern zu die-
sem Zeitpunkt nicht mehr möglich ist.

2. Die Kritik des Einspruchsführers an der angeblichen Wer-
tung eines eindeutigen Stimmzettels als ungültig ist vom
Landeswahlleiter durch eine Nachprüfung aller in dem
Wahllokal abgegebenen Stimmen widerlegt und vom Ein-
spruchsführer im Weiteren zurück genommen worden. Ein
Wahlfehler kann daher nicht festgestellt werden.

3. Weder die Wertung eines Stimmzettels, auf dem die nicht
aufgedruckte „Freie Union“ handschriftlich ergänzt wurde,
als ungültig, noch die Nichtzulassung der Landesliste der
Freien Union in Thüringen verstoßen gegen geltendes Wahl-
recht.

a) Wie sich aus § 39 Absatz 1 Nummer 5 BWG klar ergibt,
ist ein Stimmzettel, der einen Zusatz oder Vorbehalt enthält,
ungültig. Die Ergänzung einer auf dem Stimmzettel nicht
aufgedruckten Partei ist schon deshalb unzulässig (vgl.
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39
Rn. 13), die Stimme mithin ungültig.

b) Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass die Nichtzu-
lassung der Landesliste der „Freien Union“ rechtmäßig war.
Gemäß § 27 Absatz 1 Satz 2 BWG hätte die Landesliste der

Wahlberechtigten, persönlich und handschriftlich unter-
zeichnet werden müssen. Im Freistaat Thüringen waren da-
nach, wie der Landeswahlleiter ausführt, 1 958 Unterstützer-
unterschriften erforderlich, die die Partei unstreitig bei der
Einreichung der Liste nicht vorgelegt hat. Liegen diese Un-
terschriften nicht vor, entspricht die Landesliste nicht den
durch BWG und BWO aufgestellten Anforderungen und ist
vom Landeswahlausschuss gemäß § 28 Absatz 1 Nummer 2
BWG zurückzuweisen. Hierbei handelt es sich um eine ge-
bundene Entscheidung, ein Ermessensspielraum besteht ent-
gegen der Ansicht des Einspruchsführers nicht.

Die Rüge, der Landeswahlleiter habe die Frist für das Sam-
meln der Unterschriften dadurch um zwei Tage verkürzt,
dass er die amtlichen Formblätter, auf denen gemäß § 39 Ab-
satz 3 Satz 2 BWO die Unterschriften zu erbringen sind,
nicht sofort bei Einreichung der Liste am 7. Juli 2009 zur
Verfügung gestellt habe, greift nach der überzeugenden Dar-
stellung des Landeswahlleiters ebenfalls nicht durch. Denn
da der Landeswahlleiter die Formblätter nur auf Anforde-
rung bereitstellt, diese Anforderung im Fall der Freien Union
jedoch erst mit Einreichung der Liste erfolgte, war eine so-
fortige Bereitstellung offensichtlich technisch gar nicht
möglich und konnte auch nicht erwartet werden. Außerdem
lagen zu diesem Zeitpunkt nach dem insoweit unbestrittenen
Vortrag des Landeswahlleiters die Voraussetzungen für die
Bereitstellung der Formblätter noch gar nicht vollständig
vor. Dass die Freie Union im Weiteren nicht in der Lage war,
die vom Landeswahlleiter unverzüglich erstellten Formblät-
ter am folgenden Tag vormittags abzuholen, muss sie sich
selbst zurechnen lassen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Einspruchsfüh-
rer irrt, wenn er meint, der Freien Union habe kein Rechts-
mittel gegen die Zurückweisung der Landesliste durch den
Landeswahlausschuss zugestanden. Vielmehr sieht § 28 Ab-
satz 2 Satz 1 BWG ausdrücklich vor, dass binnen drei Tagen
nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Zurückwei-
sung Beschwerde an den Bundeswahlausschuss eingelegt
werden kann. Die Entscheidung über die Beschwerde muss
spätestens am 52. Tag vor der Wahl getroffen werden, § 28
Absatz 2 Satz 4 BWG.

4. Die Rüge des Einspruchsführers, die „Parteien und Lan-
deslisten, die bei der zweiten Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses nicht zur Bundestagswahl zugelassen“ worden
seien, seien gegenüber nationalen Minderheiten benachtei-
ligt worden, lässt einen Wahlfehler schon deshalb nicht er-
kennen, weil zu der Wahl gar keine Parteien nationaler Min-
derheiten zugelassen worden sind. Soweit der Einspruchs-
führer hiermit zugleich die Verfassungsmäßigkeit der für
Parteien nationaler Minderheiten geltenden Regelungen in
Zweifel ziehen möchte, ist zunächst darauf hinzuweisen,
dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundes-
tag im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die
Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsnormen nach ständi-
ger Praxis nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist viel-
mehr stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wor-
den (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen
26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1,
13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20,
22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38,
„Freien Union“ von 1/1000 der Wahlberechtigten des Lan-
des bei der letzten Bundestagswahl, jedoch höchstens 2 000

40 bis 43 mit weiteren Nachweisen). Dieses hat die wahl-
rechtlichen Sonderregelungen für Parteien nationaler Min-

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/6300
Wahlperiode – 17 – D

derheiten, wie das Bundesministerium des Innern ausführ-
lich darlegt, in ständiger Rechtsprechung verfassungsrecht-
lich gebilligt.

5. Soweit der Einspruchsführer schließlich mit den Auskünf-
ten, die ihm auf Anfrage im Vorfeld der Wahl durch die
Kreiswahlleiterin erteilt worden sind, nicht einverstanden
ist, ist nicht ersichtlich, welchen die Gültigkeit der Bundes-
tagswahl berührenden Verstoß gegen Vorschriften zur Vor-
bereitung oder Durchführung der Wahl er damit geltend ma-
chen möchte. Ein Wahlfehler liegt daher nicht vor.

und bemängelt, dass dort keine beweglichen Wahlvorstände
eingerichtet worden seien (6.). Der Einspruchsführer kriti-
siert das Entstehen von Überhangmandaten (7.) sowie feh-

den Bürgerinnen und Bürgern zur Wahl zu stellen.

Zu 5.: In Baden-Württemberg sei es bislang üblich gewesen,
schuss behauptet, eine eingereichte Änderungsmitteilung
eines Landesverbandes stelle eine Auflistung sämtliche Ak-
tivitäten auf Bundes- und Landesebene dar, um so zu errei-

zen. Wenn sie den Gefangenen keine Ausgänge oder Aus-
führungen gewähre, um den Antrag auf Briefwahlunterlagen
persönlich bei der Stadt abzugeben, habe sie für kostenfreien
lende Identitätsüberprüfungen von Wählern in Wahllokalen
(8.) und rügt, dass in mehreren Fällen Unberechtigte an der
Wahl der Bewerber der Parteien mitgewirkt hätten (9.).

Zu den einzelnen Punkten trägt der Einspruchsführer im We-
sentlichen Folgendes vor:

Zu 1.: In einem „undemokratischen Akt“ hätten der Bundes-
wahlleiter und der Bundeswahlausschuss „Die Partei“ von
der Bundestagswahl ausgeschlossen. „Die Partei“ verfüge
über neun Landesverbände und rund 6 000 Mitglieder. Der
Einspruchsführer habe einem Zeitungsartikel entnommen,
dass der Bundeswahlleiter offenbar den Bundeswahlaus-
schuss falsch informiert habe, um so einen Ausschluss der
„Partei“ zu erwirken. Insbesondere habe der Bundeswahllei-
ter unwahre Auskünfte über den Umfang der Arbeit der Par-
tei erteilt. Ferner habe er gegenüber dem Bundeswahlaus-

dass die Briefwahlanträge der Gefangenen von der Justiz-
vollzugsanstalt gesammelt der Stadt zugeleitet worden seien.
Im Jahr 2009 habe hingegen nur wählen dürfen, wer den An-
trag auf eigene Kosten an die Stadt gesandt habe. Zwar habe
die Justizvollzugsanstalt Bruchsal erklärt, dass sie bei be-
dürftigen Gefangenen die Kosten für Briefmarke und Brief-
umschlag übernehme. Da jedoch alle Insassen entweder
Taschengeld oder Arbeitslohn erhielten, gebe es gar keine
Bedürftigen in diesem Sinne. Deshalb habe es auch keinen
Fall gegeben, in welchem die Justizvollzugsanstalt die Kos-
ten übernommen hätte. Es sei jedoch mit dem Recht auf Frei-
heit und Gleichheit der Wahl unvereinbar, das Wahlrecht
vom Reichtum des Wählers abhängig zu machen. Diesen
Wahlfehler habe die Justizvollzugsanstalt verschuldet, denn
§ 73 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) verpflichte sie,
Gefangene bei der Ausübung des Wahlrechts zu unterstüt-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/6300

Anlage 3

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. M.-F., 76646 Bruchsal
Bevollmächtigter:

Rechtsanwalt J. O., 10827 Berlin
– Az.: WP 7/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 28. September 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 29. September 2009 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt und seine Einspruchsbegründung mit weiteren Schrei-
ben vom 29. September 2009, eingegangen am 1. Oktober
2009, vom 8. Oktober 2009, eingegangen am 13. Oktober
2009 und 27. Oktober 2009, eingegangen am 28. Oktober
2009 ergänzt.

Der Einspruchsführer beanstandet die Nichtanerkennung der
politischen Vereinigung „DIE PARTEI“ als Partei (1.), die
Nichtzulassung der Partei „Freie Union“ (2.), die Nichtaner-
kennung der politischen Vereinigung „Die Grauen“ (3.), und
die Nichtanerkennung der politischen Vereinigung „APPD“
(4.). Des weiteren thematisiert er das Wählen in Justizvoll-
zugsanstalten, insbesondere Probleme bei der Briefwahl (5.),

Zu 2.: Ebenfalls in einem „undemokratischen Akt“ sei die
„Freie Union“ nicht zur Bundestagswahl zugelassen worden.
§ 18 des Bundeswahlgesetzes (BWG) sehe vor, dass Mängel
an sich gültiger Anzeigen auch nach Ablauf der Frist zur An-
meldung der Partei zur Wahl behoben werden dürften. Hier-
von sei abgewichen worden, als es darum gegangen sei, die
Partei „Freie Union“ von der Bundestagswahl auszuschlie-
ßen. Der Verdacht parteipolitisch motivierter Manipulation
liege nahe, da die Vertreter von FDP, CDU und CSU im Bun-
deswahlausschuss für den Ausschluss gestimmt hätten.

Zu 3.: Auch der politischen Vereinigung „Die Grauen“ sei in
einem „undemokratischen Akt“ der Zugang zur Bundestags-
wahl verweigert worden.

Zu 4.: Die Anarchistische Pogo Partei Deutschland (APPD)
sei ebenfalls nicht zur Bundestagswahl zugelassen worden.
Es „spreche Bände“, dass Bundeswahlleiter und Bundes-
wahlausschuss systemkritischen Parteien verwehrten, sich
chen, dass der Ausschuss „Die Partei“ von den Wahlen zum
Bundestag ausschließe, was dann auch geschehen sei.

Transport zu sorgen. Schuld habe aber auch die Stadt Bruch-
sal, die vom Einspruchsführer im August 2009 aufgefordert

Drucksache 17/6300 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

worden sei, die Briefwahlanträge in der Justizvollzugsanstalt
abzuholen, dies jedoch abgelehnt habe. In der Justizvoll-
zugsanstalt sei mit einem Aushang darauf hingewiesen wor-
den, dass Briefwahlanträge auf eigene Kosten der Stadt zu-
zuleiten seien. Ein Hinweis auf die Übernahme der Kosten
für bedürftige Gefangene sei darauf nicht enthalten gewesen.
Dem Einspruchsführer gegenüber hätten mehrere Gefangene
bekundet, sie würden deshalb dieses Jahr nicht an der Wahl
teilnehmen. Es liege auf der Hand, dass in Bruchsal und allen
anderen Anstalten des Landes „hunderte Gefangene“ hätten
wählen können und ohne „diese Zugangsschranke“ auch ge-
wählt hätten.

Zugleich bezweifelt der Einspruchsführer die Einhaltung des
Wahlgeheimnisses bei der Briefwahl durch Insassen einer
Justizvollzugsanstalt. Dies folge daraus, dass § 29 Absatz 3
StVollzG den Vollzugsanstalten die Überwachung des Brief-
verkehrs gestatte. § 29 Absatz 1 und Absatz 2 StVollzG re-
gelten abschließend Ausnahmen hiervon. Da Wahlbriefe in
den Ausnahmeregelungen nicht erwähnt seien, sei es ohne
weiteres möglich, sie zu öffnen, die Stimmabgabe zu kon-
trollieren und möglicherweise zu notieren sowie ggf. den
Brief anzuhalten. Eine solche Vorgehensweise liege auch
nicht fern, wie ein Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom
2. Juni 2005 zeige, dessen Beiziehung der Einspruchsführer
beantragt. Mit diesem Urteil sei das Land zur Zahlung von
600 Euro verurteilt worden, weil die Justizvollzugsanstalt in
mehreren Fällen rechtswidrig Post geöffnet habe. Auch in
der Justizvollzugsanstalt Straubing sei nicht sichergestellt
gewesen, dass die Wahl geheim durchgeführt werde. Zum
Beleg dieser Behauptung verweist der Einspruchsführer auf
einen mitübersandten Ausdruck eines Textes im Internet, in
dem ein anonymer Insasse mitteilt, dass niemand die Frage
habe beantworten können, ob Briefwahlunterlagen offen ab-
geben werden müssten. Der Einspruchsführer ist der Auffas-
sung, dass die Grundsätze der allgemeinen, gleichen, freien
und geheimen Wahl verletzt seien.

Zu 6.: § 8 der Bundeswahlordnung (BWO) sehe als Regel
die Bildung beweglicher Wahlvorstände in den Haftanstalten
vor. Das Ermessen der Wahlbehörde, von der Errichtung
eines beweglichen Wahlvorstandes abzusehen, sei ange-
sichts der Ausgestaltung als Soll-Vorschrift eingeschränkt.
In der Justizvollzugsanstalt Bruchsal befänden sich bei-
spielsweise mehrere hundert Wähler. Sicherheits- oder Orga-
nisationsgründe, die der Einrichtung beweglicher Wahlvor-
stände entgegen stünden, gebe es nicht. Sonntags seien die
Hafträume von 7.15 bis 10.30 Uhr und von 14 bis 16.45 Uhr
geöffnet. Deshalb könne problemlos z. B. von 14 bis 16 Uhr
ein Raum als Wahllokal eingerichtet werden. Wegen der
beschriebenen „finanziellen Hürde“ habe nicht jeder, der
gewollt habe, wählen können. Deshalb sei die Stadt ver-
pflichtet gewesen, einen beweglichen Wahlvorstand zu er-
reichten. Die „Verweigerungshaltung“ der Städte und Ge-
meinden widerspreche dem Grundsatz der Freiheit und
Gleichheit der Wahl. Gefangene seien nicht Bürger zweiter
Klasse, die man auf die Briefwahl „abdrängen“ könne. Zu-
dem sei nur bei direktem Einwurf in die Wahlurne sicherge-
stellt, dass die Stimme auch in das Wahlergebnis einfließe.
Auch in 28 weiteren vom Einspruchsführer einzeln aufge-
zählten Justizvollzugsanstalten seien keine beweglichen

rungen zur Wahl übersandt. Er beantragt die Einholung einer
Stellungnahme von allen genannten Justizvollzugsanstalten.

Zu 7.: Die „gegenwärtige Praxis der Überhangmandate“ ent-
spreche nicht verfassungsrechtlichen Bestimmungen und
verfälsche den Wählerwillen in einer Weise, die nicht mehr
akzeptabel sei.

Zu 8.: In mindestens einem Wahllokal in Magdeburg sei es
zu „Wahlbetrug“ gekommen, da der Wahlvorstand sich ge-
weigert habe, die Personalien der Wähler zu prüfen. So habe
eine Person mindestens viermal wählen können, davon
jeweils zweimal im selben Wahllokal, wie sie in einer Fern-
sehsendung berichtet habe. Es könne daher nicht ausge-
schlossen werden, dass „millionenfacher Wahlbetrug“ statt-
gefunden habe.

Zu 9.: In Berlin, Hamburg, Lübeck, Rheinbach, Butzbach,
Bruchsal, Straubing, München, Aichach und Mannheim sei-
en in den Ortsverbänden von zwei Parteien Personen Mit-
glieder, die nach dem Parteiengesetz (PartG) von der Mit-
gliedschaft ausgeschlossen seien. Sie hätten bei der Kandi-
datenaufstellung mit abstimmen, bzw. das Stimmrecht auf
Beauftragte übertragen dürfen. Wer nach § 45 des Strafge-
setzbuches (StGB) infolge Richterspruchs sein Recht, ge-
wählt zu werden, verliere, dürfe jedoch gemäß § 10 Absatz 1
Satz 3 PartG nicht Mitglied einer Partei sein. Dennoch seien
Insassen verschiedener Justizvollzugsanstalten, die wegen
Verbrechen zu einer Strafe von mindestens einem Jahr verur-
teilt worden seien, Mitglieder, zahlten Beiträge und seien zur
Mitwirkung an der Aufstellung der Wahlbewerber berech-
tigt. Dies sei ein wesentlicher Fehler bei der Kandidatenauf-
stellung.

Der Einspruchsführer beantragt, die Wahl ganz, hilfsweise in
den Wahlbezirken, in welchen Haftanstalten ihren Sitz ha-
ben, in denen kein beweglicher Wahlvorstand gebildet wor-
den ist oder in denen Gefangene auf eigene Kosten den An-
trag auf Erteilung von Briefwahlunterlagen an die Behörden
senden mussten, für ungültig zu erklären.

Ferner beantragt er die Durchführung einer mündliche Ver-
handlung sowie den Ersatz seiner notwendigen Auslagen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Zu in diesem Wahleinspruch angesprochenen Fragen haben
der Bundeswahlleiter und das Bundesministerium des Innern
wie folgt Stellung genommen:

Zu 1.: Zu der Frage der Nichtanerkennung der Vereinigung
„Die Partei“ als Partei für die Bundestagswahl 2009 hat der
Bundeswahlleiter Stellung genommen und u. a. folgendes
mitgeteilt:

„Die Partei“ habe mit Schreiben vom 22. Januar 2009 ihre
Teilnahme an der Bundestagswahl angezeigt. Mit Schreiben
vom 26. Januar 2009 habe sie der Bundeswahlleiter darüber
unterrichtet, dass die Beteiligungsanzeige nicht den gesetzli-
chen Erfordernissen des § 18 Absatz 2 BWG entspreche, und
darum gebeten, zur Prüfung der erforderlichen Anerkennung
als Partei für die Bundestagswahl gemäß § 18 Absatz 4
BWG in Verbindung mit § 2 PartG durch den Bundeswahl-
ausschuss in seiner Sitzung am 17. Juli 2009 zusätzliche In-
formationen u. a. über die Gesamtzahl ihrer Mitglieder, die
Wahlvorstände eingerichtet worden. Hierzu hat der Ein-
spruchsführer eine Liste mit anonymisierten Meinungsäuße-

Zahl und Art ihrer Gebietsverbände, die bisherige Teilnahme
an politischen Wahlen und das Hervortreten in der Öffent-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/6300

lichkeit mitzuteilen und ggf. geeignete Nachweise vorzule-
gen. Diese Angaben sollten durch Einzelheiten oder Belege
nachgewiesen werden, etwa durch Namen und Anschriften
von Vorstandsmitgliedern, Mitgliederlisten, Niederschriften
über Mitgliederversammlungen sowie Nachweise über Akti-
vitäten im Wahlkampf und das Auftreten des Verbandes in
der Öffentlichkeit, beispielsweise durch das Abhalten öffent-
licher Versammlungen, durch Schriftenwerbung oder andere
Wahlwerbung in der Öffentlichkeit. „Die Partei“ habe da-
raufhin am 4. Februar 2009 die „Zusammenfassung/Nieder-
schrift der Ergebnisse des 3. Landesparteitages“ des Landes-
verbandes Nordrhein-Westfalen, am 17. Januar 2009 in
Krefeld, die u. a. Informationen zur Wahl des Landesvor-
standes enthielt, mitgeteilt. Mit Schreiben vom 9. April 2009
habe der Bundeswahlleiter „Die Partei“ darüber informiert,
dass aufgrund der Änderungsmitteilung die bei ihm gemäß
§ 6 Absatz 3 PartG geführte Unterlagensammlung auf den
neuesten Stand gebracht worden sei. Nunmehr sei in der Un-
terlagensammlung für die Partei – mangels weiterer Mittei-
lungen über Namen und Funktionen von Vorstandsmitglie-
dern bestehender Landesverbände seit ihrer Aufnahme in die
Unterlagensammlung im Jahr 2005 – erstmals ein Landes-
verband geführt. Ein Exemplar dieser Broschüre mit Stand
der Mitteilung vom 4. Februar 2009 sei dem Schreiben bei-
gefügt gewesen.

Mit Schreiben vom 1. Juli 2009 sei „Die Partei“ zu der Sit-
zung des Bundeswahlausschusses am 17. Juli 2009 eingela-
den worden. In diesem Schreiben sei ausdrücklich auf § 2
PartG sowie auf die Gelegenheit hingewiesen worden, in
dieser Sitzung die Parteieigenschaft ggf. auch mündlich zu
begründen. Außerdem habe der Bundeswahlleiter angeregt,
zweckdienliche Unterlagen mitzubringen, soweit diese noch
nicht vorgelegt worden seien. Weitere Mitteilungen der
„Partei“ seien beim Bundeswahlleiter bis zur Sitzung des
Bundeswahlausschusses nicht eingegangen. Erst nach der
Sitzung – Anfang 2010 – habe „Die Partei“ dem Bundes-
wahlleiter Informationen über die Namen und Funktionen
von Vorstandsmitgliedern von insgesamt acht Landesver-
bänden (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg,
Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen
und Rheinland-Pfalz) zugeleitet.

In seiner Sitzung vom 17. Juli 2009 habe der Bundeswahl-
ausschuss einstimmig festgestellt, dass die Vereinigung für
die bevorstehende Bundestagswahl die Parteieigenschaft
nicht besitze. Der Bundeswahlausschuss habe sich ausweis-
lich der Sitzungsniederschrift dabei von folgenden Erwägun-
gen leiten lassen:

„Nach der Würdigung des Gesamtbildes der tatsächlichen
Verhältnisse sind jedoch die Voraussetzungen der Partei-
eigenschaft nach § 2 Absatz 1 PartG nicht gegeben. „Die
Partei“ hat zwar seit ihrer Gründung im Jahr 2004 durch
mehrere Wahlteilnahmen ihren Willen zur Einflussnahme
an der politischen Willensbildung und ihr Ziel der Mitwir-
kung im Bundestag oder in Landtagen zum Ausdruck ge-
bracht, so durch Teilnahme an der Bundestagswahl 2005
(10 379 – 0,0 Prozent) und Landtagswahlen 2005 in Nord-
rhein-Westfalen (1 338 – 0,0 Prozent), 2006 in Baden-
Württemberg (742 – 0,0 Prozent) und Berlin (7 873 – 0,4 Pro-
zent) sowie 2008 in Hamburg (1 958 – 0,3 Prozent). Aller-

Sitzung nicht nachgewiesen, noch mit ausreichender Ernst-
haftigkeit das Ziel zu verfolgen, Einfluss auf die politische
Willensbildung nehmen und im Bundestag oder in Land-
tagen mitwirken zu wollen. Dies gilt insbesondere in Bezug
auf Umfang und Festigkeit ihrer Organisation. So hat „Die
Partei“ bis zur Sitzung keine Angaben zu Mitgliederzahl, Or-
ganisation und Hervortreten in der Öffentlichkeit gemacht.
In der Sitzung konnte der Vertreter der „Partei“, der Bundes-
schatzmeister, nur ungefähre Angaben zur Mitgliederzahl
machen, nämlich etwa 6 000 (schriftliche Angabe vom
4. Augsut 2005: 3 000 Mitglieder). Auf Nachfrage konnte er
keine Auskunft darüber geben, wie viele dieser Mitglieder
derzeit Beiträge an die „Partei“ leisten. Demgegenüber be-
steht von sieben Landesverbänden, die nach Angaben der
„Partei“ bei der Bundestagwahl 2005 existierten, nach der
Unterlagensammlung des Bundeswahlleiters nur ein Lan-
desverband in Nordrhein-Westfalen (Stand der Mitteilung
per Fax vom 4. Februar 2009). In der Sitzung gab der Vertre-
ter der „Partei“ zwar das Bestehen von neun Landesverbän-
den (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hes-
sen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt) an, konnte jedoch die
Diskrepanz zu der offiziellen Mitteilung für die Unterlagen-
sammlung nicht erklären. Insgesamt verfestigten sich auch
aufgrund der Angaben in der Sitzung bei den Mitgliedern des
Bundeswahlausschusses Zweifel an einer ausreichenden
Festigkeit der Organisation im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1
PartG. Zum Hervortreten in der Öffentlichkeit teilte der Ver-
treter der „Partei“ in der Sitzung mit, dass ein Parteifilm er-
stellt werde, der Bundesvorsitzende verschiedene Veranstal-
tungen durchführe sowie in Hamburg, Bayern und Berlin
Unterstützungsunterschriften für die Bundestagswahl ge-
sammelt würden. Weitere Angaben zu zielgerichteten Akti-
vitäten im Hinblick auf die Wahlteilnahme machte er nicht.
Dass es der „Partei“ für die Einreichung eines Wahlvor-
schlags zur Europawahl 2009 nicht gelang, genügend Unter-
stützungsunterschriften zu sammeln, ist ein weiteres Indiz
dafür, dass sie inzwischen nicht mehr über ausreichenden
Rückhalt in der Bevölkerung verfügt.“

Folgende Gesichtspunkte seien für die Ablehnung der Par-
teieigenschaft der Vereinigung bedeutsam gewesen:

– Angesichts der in der Sitzung nicht aufzuklärenden Dis-
krepanzen zwischen bloßen Behauptungen des Vertreters
der Vereinigung, die Kriterien für die Parteieigenschaft
nach § 2 Absatz 1 PartG zu erfüllen, und den tatsächlich
beigebrachten Einzelheiten und Belegen hätten beim
Bundeswahlausschuss die Zweifel insbesondere an einer
ausreichenden Festigkeit der Organisation im Sinne von
§ 2 Absatz 1 PartG überwogen.

– Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse an-
hand der dem Bundeswahlausschuss in der Sitzung zur
Verfügung stehenden Unterlagen einschließlich der An-
gaben ihres Vertreters in der Sitzung habe die Vereini-
gung nicht hinreichend nachgewiesen, noch ernsthaft die
Zielsetzung einer Partei im Sinne von Artikel 21 Absatz 1
des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit § 2 Absatz 1
PartG zu verfolgen, dauerhaft auf Bundes- oder Landes-
ebene auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen
und dort in Volksvertretungen mitwirken zu wollen.
dings hat sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhält-
nisse einschließlich der Angaben ihres Vertreters in der

– Vielmehr habe sich der Eindruck aufgedrängt, die Ver-
einigung habe – auch unter Berücksichtigung der Dauer

Drucksache 17/6300 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ihres Bestehens und ihrer bisherigen Wahlteilnahmen –
nicht den erforderlichen Durchsetzungswillen hinsicht-
lich der Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Aufga-
ben einer Partei.

Die Gesamtwürdigung habe insbesondere mit Blick auf die
vorgenannten Gesichtspunkte die Annahme einer konti-
nuierlichen und effektiven Mitwirkung an der politischen
Willensbildung des Volkes nicht zugelassen. Trotz schriftli-
cher Aufforderung habe die Vereinigung weder vor noch in
der Sitzung nachvollziehbare Angaben oder geeignete Nach-
weise vorgetragen, die dem Bundeswahlausschuss eine hin-
reichende Grundlage für diese Annahme geboten hätten.

Zu 2.: Zu der Nichtzulassung einer Landesliste der „Freien
Union“ hat der Bundeswahlleiter unter anderem wie folgt
Stellung genommen:

Der Bundeswahlausschuss habe die „Freie Union“ in seiner
Sitzung am 17. Juli 2009 einstimmig gemäß § 18 Absatz 4
Nummer 2 BWG als Partei anerkannt. Der Landeswahlaus-
schuss des Freistaates Bayern habe die Landesliste der „Frei-
en Union“ in seiner Sitzung am 31. Juli 2009 einstimmig zu-
rückgewiesen, weil die Niederschrift vom 26. Juli 2009 über
die Mitgliederversammlung zur Aufstellung der Bewerber
für die Landesliste am 21. Juni 2009 nur vom Schriftführer,
nicht aber von der Leiterin der Versammlung unterzeichnet
und nach seiner Auffassung ein nachträgliche Heilung dieses
Formmangels nicht möglich gewesen sei. Die Landesliste sei
am 23. Juli 2009 von mehreren Mitgliedern des Landesvor-
standes um 17.55 Uhr, und damit fünf Minuten vor Ablauf
der gesetzlichen Einreichungsfrist, im Büro des Landes-
wahlleiters des Freistaates Bayern eingereicht worden. Nach
kurzer Durchsicht der Unterlagen sei vom stellvertretenden
Landeswahlleiter festgestellt worden, dass die Unterschrift
der Versammlungsleiterin auf der Niederschrift gefehlt habe.
Diese sei auch nicht vor Ablauf der Einreichungsfrist nach-
geholt worden. Die Versammlungsleiterin habe jedoch den
Landesvorsitzenden telefonisch ermächtigt, in ihrem Auf-
trag zu unterschreiben. Weiter habe sie die stellvertretende
Landesvorsitzende ermächtigt, mit ihrem Namen zu unter-
zeichnen. Am 29. Juli 2009 sei beim Landeswahlleiter ein
weiteres Exemplar der Niederschrift eingegangen, das von
der Versammlungsleiterin, nicht aber dem Schriftführer un-
terzeichnet gewesen sei.

Nach dem gemäß § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO vorgese-
henen Muster der Anlage 23 sei die Niederschrift über die
Beschlussfassung der Mitglieder- und Vertreterversamm-
lung vom Leiter der Versammlung und dem Schriftführer
handschriftlich zu unterschreiben. Mit den Unterschriften
werde die richtige Wiedergabe des Verlaufs der Versamm-
lung mit der Wahl der Bewerber bezeugt. Eine vom Ver-
sammlungsleiter nicht unterschriebene Niederschrift genüge
nicht den Anforderungen des § 54 Absatz 2 BWG. Als wahl-
rechtliche Willenserklärung müsse die Niederschrift über die
Bewerberaufstellung persönlich und handschriftlich von den
dafür autorisierten Personen unterzeichnet sein und dem
Landeswahlleiter bzw. dem Landeswahlausschuss als der
zuständigen Stelle vorliegen. Aufgrund der Anwendbarkeit
der Regelung in § 54 Absatz 2 BWG auf die Niederschrift als
wahlrechtliche Willenserklärung sei die Anwendung der
Vorschriften über die Stellvertretung nach § 164 ff. des Bür-

Wegen der fehlenden persönlichen und handschriftlichen
Unterschrift der Versammlungsleiterin auf der eingereichten
Niederschrift habe daher zum maßgeblichen Zeitpunkt ge-
mäß § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 25 Absatz 2 Satz 2
Nummer 3, 3. Alternative BWG kein gültiger Wahlvorschlag
vorgelegen, so dass eine nachträgliche Heilung gemäß § 27
Absatz 5 in Verbindung mit § 25 Absatz 2 Satz 1 BWG durch
Nachholen der Unterschrift sechs Tage später nicht möglich
gewesen sei.

Auf eine Pflichtverletzung des Landeswahlleiters des Frei-
staates Bayern bei der Prüfung der Landesliste gemäß § 27
Absatz 5 in Verbindung mit § 25 Absatz 1 BWG, etwa im
Hinblick auf einen fehlenden Hinweis mit dem Ziel rechtzei-
tiger Mängelbeseitigung, könne sich der Vorschlagsberech-
tigte nur berufen, wenn durch den Wahlleiter offenkundige
Mängel des Vorschlags nicht gerügt würden. Die Vorprüfung
diene dem Zweck, dass (rechtzeitig) eingereichte Wahlvor-
schläge nicht bereits an offenkundigen und behebbaren, ins-
besondere formalen Mängeln scheiterten. Die Beanstan-
dungspflicht setze voraus, dass der festgestellte Mangel noch
behebbar sei. Im vorliegenden Fall habe diese Möglichkeit
nach Einreichung des Wahlvorschlags am 23. Juli 2009 um
17.55 Uhr nur in dem kurzen Zeitraum bis zum Ablauf der
Frist am selben Tag um 18 Uhr bestanden. Nach diesem Zeit-
punkt sei eine Aufforderung zur Nachholung der fehlenden
Unterschrift der Versammlungsleiterin schon mangels Heil-
barkeit des Fehlers, der den Bestand des Wahlvorschlags be-
rührte, nicht mehr in Betracht gekommen.

Zu 3.: Zu der Nichtanerkennung der Vereinigung „Die
Grauen“ als Partei für die Bundestagswahl hat der Bundes-
wahlleiter ebenfalls Stellung genommen und unter anderem
ausgeführt:

In der Sitzung vom 17. Juli 2009 habe der Bundeswahlaus-
schuss einstimmig festgestellt, dass DIE GRAUEN für die
bevorstehende Bundestagswahl die Parteieigenschaft nicht
besitzen. Der Bundeswahlausschuss habe sich dabei von den
Erwägungen leiten lassen, dass nach Würdigung des Ge-
samtbildes der tatsächlichen Verhältnisse die Voraussetzun-
gen der Parteieigenschaft nach § 2 Absatz 1 PartG nicht ge-
geben seien. Die am 1. März 2008 gegründete Vereinigung
habe bislang nicht an Landtagswahlen teilgenommen. Zwar
sei eine gewisse Organisationsstruktur mit sieben Landes-
verbänden vorhanden, allerdings hätten DIE GRAUEN bis
zur Sitzung keine Angaben zu aktuellen Mitgliederzahlen
und zum Hervortreten in der Öffentlichkeit gemacht. Bei der
Gründungsversammlung am 1. März 2008 seien laut Proto-
koll nur neun Personen anwesend gewesen. Zwar habe die
Vereinigung an der Europawahl 2009 teilgenommen und da-
bei 57 775 Stimmen, und damit 0,2 Prozent der Stimmen er-
halten. In der Öffentlichkeit sei sie – abgesehen von einem
Internetauftritt – jedoch nicht erkennbar nachhaltig hervor-
getreten. Auf Grundlage der dem Bundeswahlausschuss zur
Verfügung stehenden Unterlagen seien die Ernsthaftigkeit
ihrer Zielsetzung, auf die politische Willensbildung Einfluss
zu nehmen und im Bundestag oder in Landtagen mitzuwir-
ken, sowie die Festigkeit ihrer Organisation nicht ausrei-
chend nachgewiesen worden.

Zu 4.: Auch zur Nichtanerkennung der APPD als Partei für
die Bundestagswahl hat der Bundeswahlleiter Stellung ge-
gerlichen Gesetzbuches (BGB) ausgeschlossen, selbst wenn
die Zustimmung des Vertretenen vorliege.

nommen und u. a. erläutert, dass der Bundeswahlausschuss
in seiner Sitzung vom 17. Juli 2009 mit 7 Ja-Stimmen und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/6300

2 Nein-Stimmen festgestellt habe, dass die APPD für die be-
vorstehende Bundestagswahl die Parteieigenschaft nicht be-
sitze. Dabei habe sich der Bundeswahlausschuss ausweislich
der Niederschrift von folgenden Erwägungen leiten lassen:

„Nach Würdigung des Gesamtbildes der tatsächlichen Ver-
hältnisse sind jedoch die Voraussetzungen der Parteieigen-
schaft nach § 2 Absatz 1 PartG nicht gegeben. Zwar hat die
Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands seit ihrer Grün-
dung im Jahr 2000 durch einige Wahlteilnahmen ihren Wil-
len zur Einflussnahme an der politischen Willensbildung und
ihr Ziel der Mitwirkung im Bundestag oder in Landtagen
zum Ausdruck gebracht (Bundestagswahl 2005, Landtags-
wahlen 2001 und 2006 in Berlin, 2008 und 2009 in Hessen).
Die APPD hat vor der Sitzung keine aktuellen Angaben zu
Mitgliederzahl und Organisation eingereicht. Laut Aussage
des Vertreters in der Sitzung hat die APPD derzeit ca. 1 400
Mitglieder. Dennoch bestehen erhebliche Zweifel an der hin-
reichenden Festigkeit der Organisationsstruktur und am
Rückhalt in der Bevölkerung. So nahmen an dem Parteitag
vom 3. Mai 2008 nur zwölf Delegierte teil, wobei aus dem
Protokoll nicht eindeutig hervorgeht, ob der Begriff „Dele-
gierter“ mit dem Begriff „Mitglied“ gleichgesetzt wurde und
es sich um eine Vertreter- oder Mitgliederversammlung han-
delte. Die Teilnehmer stammten laut Protokoll aus vier von
damals fünf Landesverbänden, darunter auch aus Branden-
burg. Dem Bundeswahlleiter war für die Unterlagensamm-
lung (Stand nach der letzten Mitteilung vom 30. Dezember
2008) ein Stand von acht Landesverbänden, darunter keiner
in Brandenburg, mitgeteilt worden. Die Zahl der Landesver-
bände ist bis heute auf drei (Bayern, Hessen, Berlin) gesun-
ken. Zwei weitere Landesverbände (Sachsen, Brandenburg)
befinden sich nach Aussage des Vertreters der Partei in der
Sitzung „im Untergrund“, über die der Bundesvorstand kei-
nen Überblick habe und die derzeit letztlich nicht bestünden.
Nach eigener Aussage versteht sie sich vor allem als Partei
der Nichtwähler. Die APPD nahm bei der Bundestagswahl
2005 (mit damals vierzehn Landesverbänden laut Schreiben
vom 28. Juli 2005) nur mit drei Landeslisten (Hamburg, Ber-
lin, Sachsen; Ergebnis insgesamt: 4 223 Stimmen – 0,0 Pro-
zent) und nur in zwei Ländern an Landtagswahlen (in Berlin
2006: 3 476 – 0,3 Prozent; Hessen 2008: 216 – 0,0 Prozent,
2009: 264 – 0,0 Prozent) teil. Die Wahlergebnisse bewegten
sich jeweils im Bagatellbereich und sind ein weiteres Indiz
dafür, dass seit der letzten Anerkennung der APPD bei der
Bundestagswahl 2005 Umfang und Festigkeit der Organisa-
tion zerfallen. Demgegenüber fällt das Hervortreten der
APPD in der Öffentlichkeit nicht derart ins Gewicht, dass die
erforderliche Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung, auf die poli-
tische Willensbildung Einfluss zu nehmen und in Bundestag
oder in Landtagen mitzuwirken, ausreichend nachgewiesen
wäre. Ein weiteres Indiz für den mangelnden Willen, an
Wahlen teilzunehmen, ist auch die Tatsache, dass die APPD
trotz ihres Beschlusses auf dem Parteitag vom 3. Mai 2008,
an der Europawahl 2009 teilzunehmen, keinen Wahlvor-
schlag eingereicht hat.“

Zu 8.: Zur Frage der Überprüfung der Identität der Wähler
im Wahllokal hat das Bundesministerium des Innern wie
folgt Stellung genommen: Nach § 56 Absatz 3 BWO habe
sich ein Wähler nur auf Verlangen des Wahlvorstands über
seine Person auszuweisen, insbesondere wenn er seine

sich bei Zweifeln über die Identität des Wählers einen Aus-
weis oder ein amtliches Dokument vorlegen zu lassen. Das
Bundesministerium des Innern teile die Auffassung des
Wahlprüfungsausschusses, der in mehreren früheren Be-
schlussempfehlungen dargelegt habe, dass keine Zweifel da-
ran bestünden, dass die Regelung des § 56 Absatz 3 BWO
mit dem Bundeswahlgesetz und den verfassungsrechtlichen
Wahlgrundsätzen vereinbar sei. Das Bundesministerium des
Innern sehe auch keinen Sinn in der Einführung einer allge-
meinen Ausweispflicht für alle Wähler, da diese dazu führen
würde, dass selbst ein dem Wahlvorstand persönlich bekann-
ter Wähler sich ausweisen müsse und, sofern er kein Aus-
weisdokument mit sich führe, sein Wahlrecht nicht ausüben
könne.

Wegen der Einzelheiten der Stellungnahmen wird auf den
Inhalt der Akten Bezug genommen.

Die Stellungnahmen sind dem Einspruchsführer zur Kennt-
nis gegeben worden. Er hat sich hierauf nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen.

I.

1. Nichtanerkennung der Vereinigung „Die Partei“ als Partei

Es liegt kein Wahlfehler in der Entscheidung des Bundes-
wahlausschusses in seiner Sitzung vom 17. Juli 2009, die
Parteieigenschaft der Vereinigung „Die Partei“ für die Bun-
destagswahl 2009 nicht festzustellen. Dies hat der Deutsche
Bundestag bereits aufgrund einer entsprechenden Wahl-
einspruchs der „Partei“ festgestellt (vgl. hierzu bereits Bun-
destagsdrucksachen 17/3100, Anlage 18 und 17/4600, Anla-
ge 14).

Hierzu hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 18
Absatz 2 BWG in Verbindung mit § 2 Absatz 1 PartG Par-
teien, die im Deutschen Bundestag oder einem Landtag seit
der letzten Wahl nicht auf Grund eigener Wahlvorschläge
ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten
waren, als solche einen Wahlvorschlag nur einreichen kön-
nen, wenn sie dem Bundeswahlleiter ordnungsgemäß ihre
Beteiligung an der Wahl angezeigt haben und der Bundes-
wahlausschuss ihre Parteieigenschaft festgestellt hat. Bei der
Feststellung der Parteieigenschaft ist der Bundeswahlaus-
schuss an den Parteienbegriff des § 2 PartG gebunden. Da-
nach sind Parteien Vereinigungen von Bürgern, die dauernd
oder für längere Zeit im Bereich des Bundes oder eines Lan-
des auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und
an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder
einem Landtag mitwirken wollen. Voraussetzung ist ferner,
dass diese Vereinigungen nach dem Gesamtbild der tatsäch-
lichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festig-
keit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und
nach ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende
Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten, auf
die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen. Dabei
sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfas-
Wahlbenachrichtigung nicht vorlege. Diese Regelung eröff-
ne dem Wahlvorstand ausreichende Ermessensspielräume,

sungsgerichts die in § 2 Absatz 1 PartG aufgeführten Merk-
male und Anhaltspunkte für eine Parteieigenschaft nicht

Drucksache 17/6300 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

trennscharf voneinander abzugrenzen und zu bewerten. Viel-
mehr kommt es darauf an, ob die Gesamtwürdigung der
tatsächlichen Verhältnisse den Schluss zulässt, dass die Ver-
einigung ihre erklärte Absicht, an der politischen Willens-
bildung des Volkes mitzuwirken, ernsthaft verfolgt und das
Ziel einer parlamentarischen Vertretung nicht gänzlich wirk-
lichkeitsfern erscheint (BVerfGE 91, 276, 293).

Die Feststellung der Parteieigenschaft hat also zunächst auf
der Grundlage von objektiven Merkmalen zu erfolgen (vgl.
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 18
Rn. 33). Der Bundeswahlausschuss ist berechtigt, den anzei-
genden Vereinigungen entsprechende Nachweise abzuver-
langen, insbesondere zur Organisationsstruktur oder Mitglie-
derzahl (Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009,
§ 18 Rn. 33). Nach gefestigter Rechtsauffassung des Wahl-
prüfungsausschusses ist es eine Obliegenheit der anzeigenden
Vereinigungen, entsprechende Tatsachen darzulegen (Bun-
destagsdrucksachen 14/1560 S. 242, 17/3100, Anlage 18).
Es ist nicht die Aufgabe des Bundeswahlausschusses oder
des Bundeswahlleiters, vor der Entscheidung alle Tatsachen,
die die Parteieigenschaft einer Vereinigung begründen könn-
ten, zu ermitteln oder aus allgemein zugänglichen Quellen
zusammenzutragen. Vielmehr müssen die Vereinigungen
selbst dafür Sorge tragen, dass sich die tatsächlichen Verhält-
nisse in den Akten des Bundeswahlausschusses zu einem
möglichst vorteilhaften Gesamtbild zusammenfügen (Köhler,
Parteien im Wettbewerb, 2006, S. 114). Das Bundesverfas-
sungsgericht hat mit Beschluss vom 23. November 1993
(BVerfGE 89, 291, 310) entschieden, dass unzureichende
tatsächliche Angaben der Vereinigung über Mitgliederzah-
len und Organisationsstruktur den Bundeswahlausschuss be-
rechtigen, die Zuerkennung der Parteieigenschaft nach § 2
Absatz 1 PartG zu versagen. In dem damaligen Verfahren
hatte der Beschwerdeführer trotz vorangegangener Bitte des
Bundeswahlleiters um ergänzende und hinreichende Infor-
mationen durch keinerlei Einzelheiten oder Belege, etwa
Mitgliederlisten, Niederschriften über Mitgliederversamm-
lungen, Schriftverkehr, Publikationen, seine Behauptungen
zur Organisationsstruktur der Vereinigung untermauert oder
glaubhaft gemacht (vgl. Bundestagsdrucksache 17/3100,
Anlage 18).

Bei der Beurteilung der genannten objektiven Kriterien, ins-
besondere Umfang und Festigkeit der Organisation der Ver-
einigung, war angesichts der von der „Partei“ vorgelegten
Informationen von nur einem Landesverband auszugehen.
Die Zahl der Mitglieder war unklar, die Angaben schwank-
ten zwischen 3 000 und 6 000. Hinsichtlich des Merkmals
„Hervortreten in der Öffentlichkeit“ war lediglich von der
Vorbereitung eines Parteifilms und verschiedenen Veranstal-
tungen zur Sammlung von Unterstützungsunterschriften
auszugehen. Das nach § 2 Absatz 1 PartG maßgebliche „Ge-
samtbild der tatsächlichen Verhältnisse“ und die nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts notwendige
Gesamtwürdigung der zur Verfügung stehenden Informatio-
nen rechtfertigen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses
die Entscheidung, die Parteieigenschaft der Einspruchsfüh-
rerin abzulehnen. Insbesondere kann bei der Annahme nur
eines Landesverbandes sowie bei der nicht nachvollziehba-
ren Anzahl der Mitglieder nicht von einem Umfang und
einer Festigkeit der Organisation ausgegangen werden, die

reits Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlage 18; 17/4600,
Anlage 14). Es bestehen nach oben Gesagtem keine Anhalts-
punkte dafür, dass, wie der Einspruchsführer behauptet, der
Bundeswahlleiter dem Bundeswahlausschuss „unwahre Aus-
künfte über den Umfang der Arbeit“ der „Partei“ erteilt habe.
Vielmehr oblag es der „Partei“ selbst, dem Bundeswahlaus-
schuss entsprechende Nachweise zu erbringen.

2. Nichtzulassung einer Landesliste der „Freien Union“

Ein Wahlfehler liegt nicht vor, denn die Entscheidung des
Landeswahlausschusses des Freistaates Bayern vom 31. Juli
2009, die Landeslisten der „Freien Union“ nicht zur Wahl
zuzulassen, sowie die Entscheidung des Bundeswahlaus-
schusses in seiner 2. Sitzung am 6. August 2009, mit der die
Beschwerde der Partei „Freie Union“ hiergegen zurückge-
wiesen wurde, waren rechtmäßig Auch dies hat der Deutsche
Bundestag aufgrund eines entsprechenden Wahleinspruchs
der „Freien Union“ bereits festgestellt (vgl. hierzu bereits
Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlage 31, 17/4600, An-
lagen 25 und 37).

Nach § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 21 Absatz 6 Satz 1
BWG ist bei Einreichung der Landesliste beim Landeswahl-
leiter innerhalb der Einreichungsfrist nach § 19 BWG eine
Ausfertigung der Niederschrift über die Beschlussfassung
der Mitglieder- oder Vertreterversammlung, in der die Be-
werber aufgestellt und ihre Reihenfolge in der Liste festge-
legt worden sind, beizufügen. Gemäß § 39 Absatz 4 Num-
mer 3 BWO soll die Niederschrift nach dem Muster der An-
lage 23 zur BWO gefertigt werden. Dieses Muster sieht die
handschriftliche Unterschrift des Leiters der Versammlung
vor. Eine solche handschriftliche Unterschrift wurde von der
Partei „Freie Union“ erst am 29. Juli 2009, und damit nach
Ablauf der Einreichungsfrist, die am 23. Juli 2009, 18 Uhr,
endete, vorgelegt. Die Landesliste der Partei „Freie Union“
wurde daher zu Recht vom Landeswahlausschuss des Frei-
staates Bayern zurückgewiesen. Die gesetzlich vorgeschrie-
bene Unterschrift der Versammlungsleiterin konnte auch
nicht im Wege der Stellvertretung nach den Regelungen des
§ 164 ff. BGB ersetzt werden, denn nach § 54 Absatz 2
BWG müssen wahlrechtlich vorgeschriebene Erklärungen
persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein, soweit im
BWG oder der BWO nichts anderes bestimmt ist (vgl. hierzu
Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlage 31, 17/4600, An-
lagen 25 und 37).

Entgegen der Ansicht des Einspruchsführers konnte der be-
stehende Formmangel durch die Nachreichung einer unter-
schriebenen Niederschrift am 29. Juli 2009 auch nicht nach-
träglich geheilt werden. Der von ihm zitierte § 18 BWG ist
schon deshalb nicht einschlägig, weil dieser sich auf die Mit-
teilung bezieht, mit der eine Partei beim Bundeswahlleiter
anzeigt, dass sie beabsichtigt, an der Wahl teilzunehmen (so-
genannte Beteiligungsanzeige), nicht jedoch auf die – dem
zeitlich nachfolgende – Einreichung eines Wahlvorschlags.

Nach § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 25 Absatz 2 BWG
können nach Ablauf der Einreichungsfrist nur noch Mängel
an sich gültiger Wahlvorschläge behoben werden. Ein an
sich gültiger Wahlvorschlag im Sinne des § 25 Absatz 2
BWG liegt nach Nummer 3 dieser Vorschrift dann nicht vor,
wenn die Nachweise nach § 21 BWG nicht erbracht sind.
eine parlamentarische Vertretung der Einspruchsführerin als
nicht gänzlich wirklichkeitsfern erscheinen lassen (vgl. be-

Dazu gehört auch der formelle Nachweis der ordnungsge-
mäßen Aufstellung der Wahlkandidaten durch die Vorlage

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/6300

einer Ausfertigung der Niederschrift über die Mitgliederver-
sammlung (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufla-
ge, 2009, § 25 Rn. 6 Nummer 5). Da die Niederschrift wie
oben dargelegt formgebunden ist, lag im Falle der Partei
„Freie Union“ kein an sich gültiger Wahlvorschlag vor, des-
sen Mängel nach § 25 Absatz 2 BWG hätten geheilt werden
können (vgl. Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlage 31,
17/4600, Anlagen 25 und 37).

3. Nichtanerkennung der Vereinigung „Die Grauen“ als
Partei

Soweit der Einspruchsführer sich auch gegen die Nichtaner-
kennung der politische Vereinigung „Die Grauen“ als Partei
für die Bundestagswahl 2009 wendet, lässt sein Vorbringen
ebenfalls keinen Wahlfehler erkennen. Sein Vortrag be-
schränkt sich in dieser Hinsicht auf die Behauptung, der
Bundeswahlausschuss habe der Vereinigung „in einem unde-
mokratischen Akt“ den Zugang zur Bundestagswahl verwei-
gert. Konkrete Tatsachen oder rechtliche Argumente, die ge-
eignet wären, diese Behauptung nachvollziehbar zu belegen,
trägt der Einspruchsführer in Bezug auf „Die Grauen“ nicht
vor. Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder von Amts we-
gen, noch findet sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der
gesamten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG er-
folgt sie vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist.
Die Begründung muss mindestens den Tatbestand, auf den
die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend
substantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291,
304 f.). Wahlbeanstandungen, die, wie hier, über nicht beleg-
te Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten Tat-
sachenvortrag nicht enthalten, sind deshalb als unsubstan-
tiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
17/3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39, 17/4600, Anlagen 9, 18,
19, 22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils mit weiteren Nachwei-
sen; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49
Rn. 24).

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Deutsche Bun-
destag auch in diesem Fall im Rahmen eines anderen
Wahlprüfungsverfahrens festgestellt hat, dass die Nichtaner-
kennung als Partei der Vereinigung „Die Grauen – Genera-
tionspartei“ nach § 18 Absatz 2 BWG durch den Bundes-
wahlausschuss dem geltenden Wahlrecht entsprach (vgl.
Bundestagsdrucksache 17/3100, Anlage 5).

4. Nichtanerkennung der Vereinigung APPD als Partei

Hinsichtlich der Nichtanerkennung der Vereinigung APPD
als Partei für die Bundestagswahl 2009 durch den Bundes-
wahlausschuss beschränkt sich der Vortrag des Einspruchs-
führers auf die Behauptung, Bundeswahlleiter und Bundes-
wahlausschuss verwehrten „systemkritischen Parteien“ den
Zugang zur Wahl. Für diese Unterstellung hat er keinerlei
Belege vorgetragen. Nach der oben unter 3. dargelegten Pra-
xis in Wahlprüfungsverfahren ist seine Behauptung daher als
unsubstantiiert zurückzuweisen. Im Übrigen sieht der Wahl-
prüfungsausschuss angesichts der vom Bundeswahlleiter in

ausschuss keinen Anlass für Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der Entscheidung.

5. Briefwahl in der Justizvollzugsanstalt

Auch der Vortrag des Einspruchsführers zur Briefwahl in
Justizvollzugsanstalten lässt keinen Verstoß gegen wahl-
rechtliche Vorschriften erkennen.

Zu der Rüge des Einspruchsführers, dass die Wahrnehmung
des Wahlrechts nur vermögenden Gefangenen möglich sei,
weil die Gefangenen die Kosten für Briefumschlag und Por-
to bei der Briefwahl selbst zu tragen hätten und die Justiz-
vollzugsanstalt Bruchsal in keinem Fall die Kosten über-
nommen habe, ist auf den – auch vom Einspruchsführer er-
wähnten – § 73 StVollzG hinzuweisen, wonach Gefangene
in dem Bemühen zu unterstützen sind, ihr Wahlrecht auszu-
üben. Zudem haben Gefangene gemäß § 28 StVollzG ein
Recht auf Schriftwechsel. Nach Nummer 2 der bundesein-
heitlichen Verwaltungsvorschrift zu § 28 StVollzG trägt
zwar grundsätzlich der Gefangene die Kosten seines Schrift-
wechsels. Wenn er diese aber nicht aufbringen kann, über-
nimmt die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen und in
angemessenem Umfang. Die Beurteilung der finanziellen
Situation der Gefangenen liegt dabei in der Zuständigkeit der
Leitung der Justizvollzugsanstalt (vgl. Bundestagsdruck-
sache 17/2200, Anlage 3), wobei der Einspruchsführer selbst
einräumt, dass jeder Gefangene entweder Taschengeld oder
Arbeitslohn erhalte. Die – unbelegte – Vermutung des Ein-
spruchsführers, „hunderte Gefangene“ hätten wegen der
Kosten für den Antrag nicht an der Briefwahl teilgenommen,
scheint dem Wahlprüfungsausschuss völlig überzogen.

Der Umstand, dass die Beantragung eines Wahlscheins bei
Gefangenen Kosten verursacht, stellt auch vor dem Hinter-
grund, dass sich der Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3
Grundgesetz nicht auf den Erfolgswert jeder einzelnen Stim-
me beschränkt, sondern auch die Wahlorganisation ein-
schließt, keinen Wahlfehler dar. Denn gemäß Anlage 4 zu
§ 19 Absatz 2 BWO ist die Beantragung eines Wahlscheins
auch für in Freiheit befindliche Wahlberechtigte nur mittels
eines frankierten Umschlags möglich. Es entstehen also hier
ebenfalls Kosten für den Umschlag und das Beförderungs-
entgelt. Dass Strafgefangene, anders als in Freiheit befind-
liche Wahlberechtigte, nicht die – unentgeltliche – Möglich-
keit haben, den Briefwahlantrag persönlich bei der zuständi-
gen Stelle abzugeben, stellt ebenfalls keinen Wahlfehler dar,
sondern ist mit der besonderen Situation des Freiheitsentzu-
ges zu erklären. Die weitere Teilnahme an der Briefwahl ist
dagegen gemäß § 36 Absatz 4 BWG grundsätzlich unent-
geltlich, der Bund trägt die Kosten für die Beförderung der
amtlichen Wahlbriefumschläge (vgl. Bundestagsdrucksache
17/2200, Anlage 3).

Die Behauptung des Einspruchsführers, durch die Briefwahl
sei das Wahlgeheimnis der Gefangenen gefährdet, weil sie
befürchten müssten, dass die Justizvollzugsanstalt die Wahl-
briefe einer Textkontrolle unterziehe, belegt er nicht mit kon-
kreten Tatsachen, die seinen Vortrag untermauern würden.
Der in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und § 1 BWG festge-
legte Grundsatz der geheimen Wahl gilt auch für die Brief-
wahl von Gefangenen. Einer ausdrücklichen Regelung des
Verbots der Kontrolle von Wahlbriefen von Gefangenen be-
seiner Stellungnahme dargelegten ausführlichen Würdigung
des Gesamtbildes der Vereinigung durch den Bundeswahl-

darf es deshalb nicht. Soweit der Einspruchsführer auf die
Überwachung des Schriftverkehrs gemäß § 29 StVollzG hin-

Drucksache 17/6300 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

weist, ist dies aus den genannten Gründen unzutreffend.
Wahlbriefe gehören gerade nicht zu dem Schriftverkehr, der
von der Justizvollzugsanstalt überwacht werden darf (vgl.
Bundestagsdrucksachen 14/1560 Anlage 25; 14/2761 An-
lage 15 Seite 67; 15/2400 Anlage 6; 16/5700 Anlage 23;
17/2200, Anlage 3). Im Übrigen hat der Einspruchsführer
nicht vorgetragen, dass Wahlbriefe tatsächlich geöffnet und
kontrolliert worden seien. Sein Hinweis auf ein Urteil des
Landgerichts Karlsruhe ist deshalb unbeachtlich, weil sich
schon nach seinem Vortrag dieses Urteil nicht auf durch Ar-
tikel 38 Absatz 1 Satz GG geschützte – und am amtlichen
Wahlbriefumschlag gut erkennbare – Wahlbriefe bezog; von
einer Beiziehung hat der Wahlprüfungsausschuss daher ab-
gesehen.

Zudem sieht § 66 Absatz 4 BWO für die Briefwahl in Justiz-
vollzugsanstalten (wie auch in Krankenhäusern, Altenhei-
men und weiteren Einrichtungen) zusätzliche Vorkehrungen
vor, die die Freiheit der Wahl und das Wahlgeheimnis beson-
ders absichern sollen. Diese Regelung verlangt ausdrücklich,
dass in den Einrichtungen Vorsorge zu treffen ist, dass der
Stimmzettel unbeobachtet gekennzeichnet und in den
Stimmzettelumschlag gelegt werden kann. Die Leitung der
Einrichtung bestimmt einen geeigneten Raum, veranlasst
dessen Ausstattung und gibt den Wahlberechtigten bekannt,
in welcher Zeit der Raum für die Ausübung der Briefwahl
zur Verfügung steht.

6. Bewegliche Wahlvorstände

Soweit der Einspruchsführer rügt, dass in zahlreichen Justiz-
vollzugsanstalten kein beweglicher Wahlvorstand eingerich-
tet worden sei, liegt ebenfalls kein Wahlfehler vor.

Denn die Wahlvorschriften sehen keine generelle Verpflich-
tung der Wahlbehörden zur Einrichtung einer Gelegenheit
zur Urnenwahl in Justizvollzugsanstalt vor. Wegen des
Grundsatzes, dass jeder Wahlberechtigte nur in dem Wahl-
kreis wählen kann, in dessen Wählerverzeichnis er geführt
wird (§ 14 Absatz 2 BWG), ist dies – anders, als der Ein-
spruchsführer offensichtlich meint – nicht einmal ohne wei-
teres für alle sich in einer Justizvollzugsanstalt aufhaltenden
Wahlberechtigten möglich.

§ 64 Absatz 1 BWO sieht zwar vor, dass die Gemeindebe-
hörde bei entsprechendem Bedürfnis und soweit möglich
Gelegenheit geben soll, dass die in sozialtherapeutischen
Anstalten und Justizvollzugsanstalten anwesenden Wahlbe-
rechtigten, die einen für den Wahlkreis gültigen Wahlschein
besitzen, in der Anstalt vor einem beweglichen Wahlvor-
stand wählen. Das bedeutet jedoch zugleich, dass alle dort
anwesenden Wahlberechtigten, die in den Wählerverzeich-
nissen anderer Wahlkreise geführt werden, insbesondere
weil sie dort zum Stichtag für die Eintragung ins Wählerver-
zeichnis gemeldet waren (vgl. § 16 Absatz 1 BWO), ihre
Stimme nicht vor dem beweglichen Wahlvorstand abgeben
können. Diese Wahlberechtigten sind, soweit sie nicht dort
an der Urnenwahl teilnehmen können, wo sie im Wählerver-
zeichnis eingetragen sind, in jedem Fall auf die Stimmabga-
be per Briefwahl verwiesen.

Davon abgesehen räumt die Regelung, wie der Wahlprü-
fungsausschuss in ständiger Entscheidungspraxis feststellt,

15/2400 Anlage 6, 16/3600 Anlage 39; 17/2200, Anlage 3).
Denn gemäß §§ 8 und 64 BWO ist Voraussetzung für die Bil-
dung eines beweglichen Wahlvorstands, dass ein Bedürfnis
für dessen Einrichtung besteht und die Einrichtung auch
möglich ist.

Das Bedürfnis für die Bildung eines beweglichen Wahlvor-
stands ergibt sich nicht bereits aus der Tatsache, dass in einer
Justizvollzugsanstalt meist zahlreiche Wahlberechtigte in-
haftiert sind. Denn zum einen steht damit nicht zugleich fest,
dass diese auch die oben dargelegten Voraussetzungen für
die Wahl vor dem beweglichen Wahlvorstand erfüllten.
Auch die – unbelegte – Behauptung des Einspruchsführers,
„hunderte Gefangene“ hätten von ihrem Wahlrecht keinen
Gebrauch machen können, kann deshalb nicht zur Feststel-
lung eines Bedürfnisses für die Einrichtung eines bewegli-
chen Wahlvorstands führen. Beispielhaft sei darauf hinge-
wiesen, dass die Landeswahlleiterin des Landes Baden-
Württemberg auf einen insoweit inhaltsgleichen Einspruch
des Einspruchsführers gegen die Bundestagswahl im Jahr
2002 mitgeteilt hat, dass zu dieser Bundestagswahl (ledig-
lich) 40 Personen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal von
Amts wegen in das Wählerverzeichnis eingetragen gewesen
seien und 36 weitere Personen nach Antrag auf Eintragung
in das Wählerverzeichnis ebenfalls Briefwahlunterlagen er-
halten hätten (vgl. Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 6,
Seite 29).

Zum anderen ist bei der Entscheidung über das Vorliegen
eines entsprechenden Bedürfnisses zu berücksichtigen, dass
stets die Möglichkeit der Briefwahl besteht (vgl. Seifert,
Bundeswahlrecht, 3. Auflage, 1976, zu § 60 BWO, Numer 1).
Aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses besteht seit Einfüh-
rung der Briefwahl keine zwingende Notwendigkeit, beweg-
liche Wahlvorstände in Justizvollzugsanstalten einzurichten,
sofern nicht besondere Gründe vorliegen (vgl. Bundestags-
drucksache 17/2200, Anlage 3).

Auch die Frage, ob die Einrichtung eines beweglichen Wahl-
vorstands überhaupt möglich ist, ist von der Gemeindebe-
hörde, die mit Unterstützung der Leitung der Justizvollzugs-
anstalt die Stimmabgabe vor einem beweglichen Wahlvor-
stand zu organisieren hat (vgl. § 64 Absatz 2 und 3 in
Verbindung mit § 62 Absatz 3 und § 61 Absatz 6 bis 8
BWO), zu beurteilen. Hierbei können personelle und organi-
satorische Gegebenheiten, insbesondere auch Sicherheitser-
wägungen, eine Rolle spielen.

Nur wenn die genannten Voraussetzungen, also ein Bedürf-
nis und auch die Möglichkeit der Einrichtung eines beweg-
lichen Wahlvorstands, vorliegen, gilt als Rechtsfolge, dass
die Gemeindebehörde Gelegenheit zur Wahl vor einem be-
weglichen Wahlvorstand geben soll.

Dies ergibt sich jedoch aus dem Voting des Einspruchsfüh-
rers nicht.

7. Überhangmandate

Auch der Vorwurf des Einspruchsführers, die „gegenwärtige
Praxis der Überhangmandate“ sei verfassungswidrig und
verfälsche den Wählerwillen, kann nicht zur Feststellung
eines Wahlfehlers führen. Denn die Verteilung der Sitze im
17. Deutschen Bundestag einschließlich der vom Ein-
den Gemeindebehörden einen großen Entscheidungsspiel-
raum ein (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/2761 Anlage 15,

spruchsführer kritisierten sogenannten Überhangmandate ist
in zutreffender Anwendung des geltenden Bundestagswahl-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/6300

rechts erfolgt. Die Verfassungsmäßigkeit von Überhangman-
daten, bei denen es sich um Sitze handelt, die Parteien in den
Wahlkreisen errungen haben und die ihnen gemäß § 6 Ab-
satz 5 Satz 1 BWG auch dann verbleiben, wenn sie die nach
dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweit-
stimmen ermittelte Mandatszahl übersteigen, hat das Bun-
desverfassungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997
(BVerfGE 95, 335 ff.) im Übrigen grundsätzlich bestätigt
(vgl. Bundestagsdrucksache 17/4600, Anlage 14). Der Ge-
setzgeber hat allerdings nach diesem Urteil zu beachten, dass
in der Größenordnung des Fünfprozentquorums – bezogen
auf die reguläre Gesamtzahl der Parlamentssitze – eine
Grenze für die Überhangmandate gesetzt ist (BVerfGE 95,
335, 366). Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsge-
richt aus einem anderen Grund aufgegebenen Änderung des
Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Urteil vom
3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber
über die Berechnung der Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen
neu entscheiden.

8. Identitätskontrollen im Wahlraum

Die Behauptung des Einspruchsführers, es sei in mindestens
einem Wahllokal zu „Wahlbetrug“ gekommen, weil der
Wahlvorstand sich geweigert habe, die Personalien der Wäh-
ler zu prüfen, lässt keinen Wahlfehler erkennen. Es ent-
spricht vielmehr geltendem Recht, dass sich nicht alle Wahl-
berechtigten im Wahlraum ausweisen müssen (vgl. Bundes-
tagsdrucksachen 15/1150 Anlagen 31 und 33; 16/900,
Anlagen 21 und 22; 16/3600, Anlage 32; 16/5700, Anlagen
8 und 22; 17/2250, Anlagen 2 bis 4, 8, 13, 15, 17 und 20).
Ausweisen müssen sich nach § 59 Satz 1 BWO die Inhaber
von Wahlscheinen. Ansonsten hat sich der Wahlberechtigte
nach § 56 Absatz 3 Satz 2 BWO nur auf Verlangen des Wahl-
vorstandes auszuweisen. Der Wahlvorstand verlangt dies
insbesondere dann, wenn der Wähler seine Wahlbenachrich-
tigung nicht vorlegt. Ist der Name des Wählers im Wähler-
verzeichnis aufgeführt, die Wahlberechtigung festgestellt
und besteht außerdem kein Anlass zur Zurückweisung des
Wählers, gibt der Wahlvorsteher die Wahlurne frei (§ 56 Ab-
satz 4 Satz 1 BWO). Die Stimmabgabe wird vom Schriftfüh-
rer im Wählerverzeichnis vermerkt (§ 56 Absatz 4 Satz 3
BWO). In der Regel ist somit die Vorlage der Wahlbenach-
richtigung zur Feststellung der Identität ausreichend. Diese
Art der Kontrolle bietet hinreichend Gewähr dafür, dass die
Identität der Wählerinnen und Wähler überprüft und Mani-
pulationen durch eine mehrfache Teilnahme an der Wahl ver-
hindert werden. Daher bestehen auch an der Vereinbarkeit
dieser Regelungen mit BWG und mit der Verfassung keine
Zweifel (vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 31,
33; 16/900, Anlage 22; 16/3600, Anlage 32; 17/2250, Anla-
gen 2 bis 4, 8, 13, 15, 17 und 20). Zudem ist die Wahl durch
das Gebot der höchstpersönlichen Ausübung des Wahlrechts
nach § 14 Absatz 4 BWG und die Strafbarkeit des unbefug-
ten Wählens gemäß § 107a des Strafgesetzbuches (StGB)
aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses ausreichend gegen
die vom Einspruchsführer befürchtete mehrfache Stimm-
abgabe abgesichert.

Soweit der Einspruchsführer vorträgt, ein Wähler habe in
einer Fernsehsendung berichtet, er habe mindestens vier Mal

tung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bun-
destag begründen könnten. Der bloße Hinweis auf die Be-
hauptung einer Person ist ohne weitere Angaben nicht geeig-
net, einen Verstoß gegen das geltende Wahlrecht zu belegen.
Die Wahlprüfung erfolgt jedoch, wie bereits oben unter 3.
dargelegt, nur auf einen begründeten Einspruch, der mindes-
tens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird,
erkennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen für
eine Nachprüfung enthalten muss (BVerfGE 40, 11, 30; 48,
271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291, 304 f.). Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger
schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 16/1800, Anlage 26; 17/2200, Anlage 16; BVerfGE
66, 369, 379). Die vorliegende Wahlbeanstandung, die über
die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht
hinausgeht und einen konkreten, der Überprüfung zugängli-
chen Tatsachenvortrag nicht enthält, ist daher nach der oben
bereits dargelegten Praxis in Wahlprüfungsverfahren als un-
substantiiert zurückzuweisen.

9. Mitwirkung von Nichtberechtigten an Listenaufstellungen

Soweit der Einspruchsführer geltend macht, es seien in zwei
Parteien Personen Mitglieder und damit berechtigt, an der
Aufstellung der Wahlbewerber mitzuwirken, die gemäß § 10
Absatz 1 PartG nicht Parteimitglieder sein dürften, kann ein
Wahlfehler nicht festgestellt werden, denn es fehlt an einem
hinreichend konkreten und überprüfbaren Tatsachenvortrag.
Zwar trifft zu, dass, wie der Einspruchsführer vorträgt, das
Parteiengesetz die Mitgliedschaft von Personen, die infolge
Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht nicht
besitzen, untersagt, § 10 Absatz 1 Satz 4 PartG. Diese Mit-
gliedschaftsbeschränkung ist ein absoluter Hinderungs-
grund, der dazu führt, dass eine bestehende Mitgliedschaft
ohne weiteres erlischt (Morlok, in: Nomos – Erläuterungen
zum Deutschen Bundesrecht, § 10 Parteiengesetz, Rn. 7).
Der Einspruchsführer hat jedoch die Personen, auf die er sich
bezieht, weder konkret und nachprüfbar benannt, noch
schlüssig dargelegt, an welcher innerparteilichen Aufstel-
lung eines konkreten Wahlvorschlags für die Bundestags-
wahl sie tatsächlich als Nichtmitglieder beteiligt gewesen
wären. Nach der oben unter 3. und 8. dargelegten Praxis in
Wahlprüfungsverfahren ist ein derartiger Vortrag, der über
nicht belegte Behauptungen und die bloße Andeutung der
Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgeht, als unsub-
stantiiert zurückzuweisen.

II.

Dem Wunsch des Einspruchsführers nach einer mündlichen
Verhandlung war nicht nachzukommen, da gemäß § 6 Ab-
satz 1 WPrüfG Termin zur mündlichen Verhandlung nur
dann anberaumt wird, wenn die Vorprüfung ergibt, dass da-
von eine weitere Förderung des Verfahrens zu erwarten ist.
Dies war vorliegend nicht der Fall.

Der Antrag des Einspruchsführers auf Ersatz seiner notwen-
digen Auslagen wird abgelehnt. Nach § 19 Absatz 1 Satz 2
WPrüfG können dem Einspruchsführer notwendige Ausla-
gen erstattet werden, wenn dem Einspruch stattgegeben wird
oder der Einspruch nur deshalb zurückgewiesen wird, weil
gewählt, fehlt es an einer substantiierten und überprüfbaren
Darlegung von Tatsachen, die einen Fehler bei der Vorberei-

der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss auf das Wahl-
ergebnis gehabt hat. Beide Alternativen liegen hier nicht vor.

schon vergebenen Erstimmenmandate ein zweites Mal ver-
geben. Die Parteien „ohne oder mit einem höheren Zweit-

wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Der Einspruchsführer erklärt, vor dem Hintergrund der Er-
fahrungen der Weimarer Republik sei es erstaunlich, wie
„leichtfertig der Gesetzgeber sich der Wählertäuschung“ be-

lagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13,
32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen). Dieses hat die
stimmenprozentanteil als die Gesamtheit aller ihrer gewon-
nenen Erststimmenmandate“ erhielten für ihr Mehr an
Zweitstimmen dann doppelt so viele Mandate, wie der Erst-
stimme zugordnet worden seien, so dass die Zweitstimme
zweifach gewertet werde. Weiter meint der Einspruchsfüh-
rer, es sei vom Gesetzgeber zu begründen, wieso alle Par-
teien, die „bei der Erststimme nicht punkten“ könnten, über
die Zweitstimme „Ersatz zu bekommen“ hätten. Dadurch
werde „das Wählervotum der Erststimme“ zweitrangig,
während das Verhältniswahlrecht „ohne Wissen und Wollen
des Wählers“ „durch die Hintertür wieder erstrangig“ werde.
Die „Kompensation mittels der Zweitstimme“ für Parteien
ohne Erststimmenmandate sei mit dem Gleichheitsprinzip
nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG nicht vereinbar.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen.

Soweit er die Verfassungswidrigkeit von Vorschriften des
Bundeswahlgesetzes geltend macht, ist darauf hinzuweisen,
dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundes-
tag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungs-
verfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl gel-
tenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige
Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehal-
ten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800,
Anlagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, An-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/6300

Anlage 4

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. R., 49716 Meppen
– Az.: WP 9/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 27. September 2009, das beim Deut-
schen Bundestag am 29. September 2009 eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009
eingelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen § 6 Absatz 1 des
Bundeswahlgesetzes (BWG). Er ist der Auffassung, dass das
geltende Wahlrecht das Recht des Wählers unzulässig ein-
schränke. Dem Wähler würden in § 4 BWG zwei Stimmen
zugebilligt, die ihm jedoch „in § 6 Absatz 1 BWG wieder ge-
nommen“ würden, da dieser vorsehe, dass nur eine Stimme
gezählt werde. Die auf dem Stimmzettel abgedruckte Aussa-
ge, der Wähler habe zwei Stimmen, treffe nicht zu und erfül-
le „den Tatbestand der Wählertäuschung“. Da den Parteien
die Gesamtzahl ihrer Abgeordnetensitze „nur über die
Zweitstimme“ zugeteilt werde, verletze § 6 Absatz 1 BWG
das Prinzip der Gleichheit bei demokratischen Wahlen ge-
mäß Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG). Durch die
Verteilung aller Mandate über die Zweitstimmen würden die

destag“ beziehe, „also auf 598 Mandate und nicht nur
auf 299 Listenmandate“, obwohl sie mit der Erststimme
299 Mandate bereits vergeben hätten. Es sei auch zu fragen,
die Wählerinnen und Wähler wüssten, welche Wahlmöglich-
keiten sie bei der Wahl dadurch eigentlich hätten. Es müsse
nachgewiesen werden, dass die Besonderheiten des BWG
und die Ursache von Überhangmandaten von den Wählerin-
nen und Wählern verstanden worden sei. Andernfalls liege
ein Fall von Wählertäuschung vor.

Schließlich trägt der Einspruchsführer vor, dass, wenn das
Bundeswahlgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit beschlos-
sen werden müsse, auch alle Gesetzesänderungen mit Zwei-
drittelmehrheit vom Deutschen Bundestag zu beschließen
seien. Das gelte dann auch für das Bundeswahlgesetz von
1993. Er ist der Auffassung, dass, falls dieses „ohne die er-
forderliche Zwei-Drittel-Mehrheit“ beschlossen worden sei,
das Bundeswahlgesetz, gemäß dem am 27. September 2009
das Wählervotum ausgezählt worden sei, und damit auch das
„ausgezählte Wählervotum“ ungültig sei.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
diene. Denn es sei fraglich, ob die Wählerinnen und Wähler
wüssten, dass „die Zweitstimme sich auf den ganzen Bun-

konkrete Ausgestaltung des Systems der personalisierten
Verhältniswahl im BWG in ständiger Rechtsprechung als

Drucksache 17/6300 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mit dem Demokratieprinzip im Sinne des Artikel 20 Absatz 1
GG, dem Grundsatz der Volkssouveränität nach Artikel 20
Absatz 2 GG und den Wahlrechtsgrundsätzen des Artikel 38
Absatz 1 Satz 1 GG vereinbar und damit verfassungsgemäß
beurteilt (vgl. BVerfGE 1, 208, 246 f.; 6, 84; 89 f.; 7, 63, 69;
11, 351, 362; 13, 127, 129; 16, 130, 139; 21, 355; 66, 291,
304; 95, 335, 349, 354; 97, 317, 327; Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 114).

Den vom Einspruchsführer erhobenen Vorwurf der Täu-
schung der Wähler über das Wahlsystem kann der Wahlprü-
fungsausschuss nicht nachvollziehen. Anders als der Ein-
spruchsführer offenbar meint, hat sich der Wahlgesetzgeber
ausdrücklich für eine – personalisierte – Verhältniswahl ent-
schieden, wie sich aus § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG ergibt. Da-
nach werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbunde-
nen Verhältniswahl gewählt. Die im einzelnen für die Bun-
destagswahl geltenden Regelungen sind nicht nur im Bun-
deswahlgesetz und der Bundeswahlordnung für alle Wähler

frei zugänglich nachzulesen, sondern werden im Vorfeld der
Wahlen auch in vielfältiger Weise, u. a. durch Veröffentli-
chungen des Bundeswahlleiters und der Landeswahlleiter,
publik gemacht. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass
gemäß § 4 BWG jeder Wähler zwei Stimmen vergeben
kann, und dass für die Sitzverteilung grundsätzlich die für
die Landeslisten der Parteien bundesweit abgegebenen
Zweitstimmen ausschlaggebend sind (vgl. z. B. die auch im
Internet veröffentlichte Pressemitteilung des Bundeswahllei-
ters vom 15. September 2009: „Jeder Wähler hat bei der
Bundestagswahl zwei Stimmen“).

Schließlich unterliegt der Einspruchsführer einem Rechtsirr-
tum, wenn er meint, das Bundeswahlgesetz müsse vom Bun-
destag mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet und ge-
ändert werden und sei daher möglicherweise unwirksam.
Beim Bundeswahlgesetz handelt es sich vielmehr um ein
Bundesgesetz, für das das Grundgesetz keine qualifizierte
Mehrheit vorsieht, und das daher mit einfacher Mehrheit be-
schlossen und geändert werden kann.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/6300

ten Verwaltungseinheiten, ohne dass dies für die Bürgerin-
nen und Bürger erkennbar sei. Die Wahl zum Deutschen
Bundestag sei daher ungültig, da die Zuordnung der Wähler-

zwar letztlich mit der Behauptung, dass Gebiete „der Zustän-
digkeit anderer Bundesländer“ unterlägen, belegt dies je-
keine substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vor-
bereitung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag.

zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).
stimmen auf die Volksvertreter falsch sei, bis die neuge-
schaffenen Verwaltungseinheiten auch rechtlich gültig ein-
gesetzt würden. Ursache für die fehlende klare Zuordnung
sei „ein Amtsblatt der Bezirksregierung Münster aus dem
Jahre 1953“.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Einspruchsführerin
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin lässt keinen Verstoß ge-
gen wahlrechtliche Vorschriften erkennen, denn er umfasst

doch nicht mit hinreichend konkreten und überprüfbaren
Tatsachenangaben. Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder
von Amts wegen noch findet sie stets in Gestalt einer Durch-
prüfung der gesamten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3
des Wahlprüfungsgesetzes erfolgt sie vielmehr nur auf Ein-
spruch, der zu begründen ist. Wahlbeanstandungen, die, wie
hier, über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeu-
tung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen
und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tat-
sachenvortrag nicht enthalten, sind deshalb als unsubstan-
tiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
16/3600, Anlage 5; 17/1000, Anlagen 13, 19; 17/2200, An-
lagen 6, 22; 17/2250, Anlagen 4, 11, 15, 16; 17/3100, Anla-
gen 3, 4, 38 und 39 mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48,
271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar
Anlage 5

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau E. H., 33442 Herzebrock-Clarholz
– Az.: WP 12/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 28. September 2009, das am 30. Septem-
ber 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat die
Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt und ihre Begründung mit Schreiben vom 19. Novem-
ber 2009, eingegangen am 20. November 2009, ergänzt.

Die Einspruchsführerin beanstandet die Einteilung von
Wahlkreisen in Nordrhein-Westfalen.

Sie trägt vor, sie sei „auf Gebiete gestoßen, deren zuständi-
ges Amtsgericht nicht in Nordrhein-Westfalen“ liege, son-
dern eventuell in Niedersachsen oder sogar im Ausland, die
aber behandelt würden, als lägen sie in Nordrhein-Westfalen.
Dies betreffe insbesondere die Wahlkreise Warendorf und
Gütersloh, für die eine „klare Zuordnung“ fehle. Die Gesetz-
gebung des Landes Nordrhein-Westfalen zur kommunalen
Neugliederung sei „rechtlich noch gar nicht gültig“, da „Ge-
biete noch aus früherer Zeit, 1906, der Zuständigkeit anderer
Bundesländer“ unterlägen. Deshalb existierten noch die al-

Die von der Einspruchsführerin kritisierte Einteilung der
Wahlkreise für die Bundestagswahl 2009 folgt aus der Anla-
ge zu § 2 Absatz 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG), zuletzt
geändert durch das Achtzehnte Gesetz zur Änderung des
Bundeswahlgesetzes vom 17. März 2008, BGBl. I S. 316 ff.
Danach entspricht das Gebiet des von der Einspruchsfüh-
rerin genannten Wahlkreises Warendorf (Wahlkreis Num-
mer 131) dem Kreis Warendorf. Der ebenfalls genannte
Wahlkreis Gütersloh (Wahlkreis Nummer 132) umfasst
„vom Kreis Gütersloh die Gemeinden Borgholzhausen, Gü-
tersloh, Halle (Westf.), Harsewinkel, Herzebrock-Clarholz,
Langenberg, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg, Steinhagen,
Verl, Versmold“.

Konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die gemäß
§ 3 Absatz 1 BWG bei der Wahlkreiseinteilung zu beachten-
den Grundsätze ergeben sich aus dem Vortrag der Ein-
spruchsführerin nicht. Insbesondere hat sie nicht nachvoll-
ziehbar vorgetragen, dass entgegen der Vorgabe des § 3 Ab-
satz 1 Nummer 1 BWG Ländergrenzen nicht eingehalten
worden wären. Ihre Auffassung, die „Zuordnung der Wäh-
lerstimmen auf die Volksvertreter“ sei falsch, begründet sie

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/6300

18. September 2005.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder von Amts wegen,
noch findet sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der ge-
der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag lief diese Frist am lage, 2009, § 49 Rn. 24).
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig (I.), im Übrigen unbe-
gründet (II.).

I.

Soweit der Einspruchsführer sich gegen die Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 wendet,
ist der Einspruch wegen Verfristung unzulässig. Gemäß § 2
Absatz 4 Satz 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) müs-
sen Wahleinsprüche binnen einer Frist von zwei Monaten
nach dem Wahltag beim Deutschen Bundestag eingehen. Bei

samten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG er-
folgt sie vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist.
Die Begründung muss mindestens den Tatbestand, auf den
die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend
substantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291,
304 f.). Wahlbeanstandungen, die über unbelegte Vermutun-
gen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfeh-
lern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprü-
fung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, sind
deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt
Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39;
17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils
mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369,
379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auf-
Anlage 6

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. B., 58708 Menden/Sauerland
– Az.: WP 18/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 30. September 2009, das am 1. Oktober
2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wah-
len zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
und zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009
eingelegt.

Der Einspruchsführer trägt vor, die Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag im Jahr 2005 sei verfassungswidrig und nichtig
gewesen und hätte wiederholt werden müssen, weil mehrere
Abgeordnete nicht wählbar gewesen seien. Seiner Auffas-
sung nach hätte das Bundesverfassungsgericht, wenn es dies
gewusst hätte, nicht nur entschieden, dass die Bundestags-
wahl 2005 verfassungswidrig gewesen sei, sondern auch ihre
Nichtigkeit festgestellt. Deshalb sei auch die Wahl zum
17. Deutschen Bundestag, soweit sie sich auf diese verfas-
sungswidrige Wahl stütze, nichtig. Der Einspruchsführer be-
antragt eine „sofortige Neuwahl“ sowie die „Wiedereinset-
zung im Sinne der Zivilprozessordnung und des Wahl-
prüfungsgesetzes“ für die Anfechtung der Wahl vom

18. November 2005 ab. Die Frist in § 2 Absatz 4 Satz 1
WPrüfG ist eine gesetzliche Ausschlussfrist, die vom Wahl-
prüfungsausschuss nicht verlängert werden kann. Die Mög-
lichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht
nach dem Wahlprüfungsgesetz nicht (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 15/1150, Anlage 21; 17/2200, Anlage 26).

II.

Im Übrigen ist der Einspruch unbegründet. Der Vortrag des
Einspruchsführers lässt keinen Verstoß gegen wahlrechtliche
Vorschriften erkennen, denn er umfasst keine substantiierte
Darlegung möglicher Fehler bei der Vorbereitung und
Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag. Viel-
mehr stützt der Einspruchsführer seinen Einspruch gegen die
Bundestagswahl 2009 ausschließlich auf die – von ihm nicht
näher ausgeführte – Behauptung, die Wahl sei nichtig, weil
seiner Meinung nach die Wahl zum 16. Deutschen Bundes-
tag verfassungswidrig und nichtig gewesen sei. Diese An-
sicht entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.

Wahlfehler vor, da der Einspruchsführer auch ohne Wahlbe-
nachrichtigung an der Wahl hätte teilnehmen können.

mand in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist oder einen
Wahlschein hat. Die Wahlbenachrichtigung dient zwar als
Identitätsnachweis (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG,
Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Vortrag

Ansatz erkennen ließen, auf welche konkreten Vorgänge sich
sein Vorwurf bezieht. Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder
von Amts wegen, noch findet sie stets in Gestalt einer Durch-
Hinsichtlich des Vortrags des Einspruchsführers, Personen
hätten in der Presse für eine Partei geworben, sei der Ein-
spruch unsubstantiiert.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme des Landes-
wahlleiters bekannt gegeben worden. Er hat hierauf umfang-
reich erwidert und insbesondere erneut vorgetragen, dass
Personen „namentlich für die FDP geworben“ hätten. Keine
andere Partei habe Vergleichbares „in der Presse veranstal-
tet“. Seine weiteren Ausführungen sowie ein mitübersandtes
Konvolut an Unterlagen haben keinen Bezug zur Bundes-
tagswahl.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

8. Auflage, 2009, § 14 Rn. 9). Ihre Vorlage bei der Stimm-
abgabe im Wahllokal ist jedoch nicht erforderlich (vgl. Bun-
destagsdrucksachen 15/1150, Anlage 7; 17/2250, Anlage 18).
Unter Vorlage seines Personalausweises oder eines sonstigen
amtlichen Papiers konnte der Einspruchsführer daher in dem
für ihn zuständigen Wahllokal am Wahltag sein Wahlrecht
ausüben (§ 56 Absatz 3 BWO). Dass ihm dies verwehrt wor-
den wäre, hat er auch nicht behauptet.

2. Hinsichtlich des weiteren Vortrags fehlt es bereits an einer
substantiierten Darlegung möglicher Fehler bei der Vorbe-
reitung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag. Seinen offenbar auf die Wahlwerbung einer Par-
tei bezogenen Vorwurf des Wahlbetrugs hat der Einspruchs-
führer mit keinerlei Tatsachen untermauert, die auch nur im
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/6300

Anlage 7

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. W., 34311 Naumburg
– Az.: WP 24/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 2. Oktober 2009 eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass er „keinen Wahl-
schein“ für die Wahl erhalten habe (1.). Als Betreff seines
Schreibens gibt er „Wahlbetrug zur Bundestagswahl am
27. September 2009 durch die Liberalen“ an und erklärt, in
der Presse seien „Personen aufgeführt, die für die Liberalen
geworben haben“ (2.).

Der Landeswahlleiter für Hessen hat zu dem Einspruch unter
Einbeziehung der Stadt Naumburg Stellung genommen und
im Wesentlichen mitgeteilt, dass der Einspruchsführer keinen
Antrag auf Erteilung eines Wahlscheins gestellt habe. Sofern
der Einspruchsführer mit „Wahlschein“ die Wahlbenachrich-
tigungskarte meine, sei diese ihm fristgerecht zwischen dem
27. August und dem 5. September 2009 zugestellt worden. Es
bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihm nicht zu-
gegangen sei. Zudem liege selbst bei fehlendem Zugang kein

1. Soweit der Einspruchsführer rügt, er habe keinen „Wahl-
schein“ erhalten, liegt ein Wahlfehler schon deshalb nicht
vor, weil, wie der Landeswahlleiter überzeugend und vom
Einspruchsführer unwidersprochen dargelegt hat, ein solcher
gar nicht beantragt worden ist. Wahlscheine werden jedoch
nur auf Antrag erteilt, vgl. § 25 Absatz 1 der Bundeswahl-
ordnung (BWO) und sind insbesondere gemäß § 36 Absatz 1
Buchstabe a des Bundeswahlgesetzes (BWG) für die Aus-
übung der Briefwahl erforderlich.

Sollte der Vortrag des Einspruchsführers, wie der Landes-
wahlleiter vermutet, so zu verstehen sein, dass er rügt, er
habe keine Wahlbenachrichtigungskarte erhalten, ist eben-
falls kein Wahlfehler ersichtlich. Denn selbst wenn dem Ein-
spruchsführer tatsächlich keine Wahlbenachrichtigungskarte
zugegangen sein sollte, läge hierin kein Verstoß gegen das
Wahlrecht, da der Erhalt einer Wahlbenachrichtigung nicht
Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts ist (vgl.
Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 20; 15/1150, Anla-
gen 7 und 11; 17/2250, Anlage 18). Nach § 14 Absatz 1
BWG hängt die formelle Wahlberechtigung davon ab, ob je-
des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß gegen wahlrecht-
liche Vorschriften erkennen.

prüfung der gesamten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3
des Wahlprüfungsgesetzes erfolgt sie vielmehr nur auf Ein-

Drucksache 17/6300 destag – 17. Wahlperiode
– 36 – Deutscher Bun

spruch, der zu begründen ist. Die Begründung muss mindes-
tens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird,
erkennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen für
eine Nachprüfung enthalten (BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271,
276; 85, 148, 159 f.; 89, 291, 304 f.). Wahlbeanstandungen,
die, wie hier, über nicht belegte Behauptungen oder die
bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht
hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugäng-
lichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, sind deshalb als un-
substantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdruck-
sachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39; 17/4600, Anlagen 9,
18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils mit weiteren Nach-
weisen; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49
Rn. 24).

Der Einspruchsführer erklärt, er habe am 26. August 2009
die Einrichtung eines beweglichen Wahlvorstands in der Jus-
tizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel beantragt. Diesen Antrag habe

möglich bewegliche Wahlvorstände gebildet werden. Nach
§ 13 BWO solle die Gemeindebehörde für Krankenhäuser,
gen sei es möglich, Wahlunterlagen zu kontrollieren, soweit
es aus Gründen der Resozialisierung eines Gefangenen oder
der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlich sei. Der

wahlbezirk eingerichtet worden, weil kein Bedürfnis für die
Urnenwahl gesehen worden sei. Allen Insassen sei vor der
Bundestagswahl ein – dem Wahlprüfungsausschuss vorlie-
das Bezirksamt Hamburg-Nord am 23. September 2009 u. a.
mit der Begründung abgelehnt, dass es aus organisatorischen
Gründen nicht mehr möglich sei. Er ist der Ansicht, dass es
nicht sein könne, dass ein Antrag einen Monat liegenbleibe
und dann „in letzter Minute“ mit der Begründung, ihm könne
aus organisatorischen Gründen nicht mehr entsprochen wer-
den, abgelehnt werde.

Weiter trägt der Einspruchsführer vor, dass der Briefverkehr
von Gefangenen bekanntlich überwacht werde, und zwar in
rechtswidriger Weise durch Textkontrolle. Eine Briefwahl
sei daher nicht geheim. Viele Gefangene wählten gar nicht,
weil sie befürchteten, dass ihre Wahlbriefe trotz anderslau-
tender Angaben der Anstalten überwacht und gelesen wür-
den. Nach den für den Strafvollzug geltenden Bestimmun-

Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Erholungshei-
me und gleichartige Einrichtungen mit einer größeren An-
zahl von Wahlberechtigten, die keinen Wahlraum außerhalb
der Einrichtung aufsuchen können, bei entsprechendem Be-
dürfnis Sonderwahlbezirke zur Stimmabgabe für Wahl-
scheininhaber bilden; werde ein Sonderwahlbezirk nicht ge-
bildet, gelte § 8 BWO gemäß § 13 Absatz 3 BWO entspre-
chend. Aus § 61 und § 64 BWO ergebe sich, dass nach
beiden Vorschriften eine Wahl vor einem beweglichen Wahl-
vorstand nur bei einem entsprechenden Bedürfnis und auch
nur, soweit dies möglich sei und zudem nur für Inhaber eines
Wahlscheins vorgesehen sei.

Für die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel sei trotz einer grö-
ßeren Zahl dort inhaftierter Wahlberechtigter kein Sonder-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 37 – Drucksache 17/6300

Anlage 8

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. H.-J. H., 22335 Hamburg
– Az.: WP 25/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2009, das am selben Tag beim
Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch damit,
dass die Wahlbehörden sich geweigert hätten, in Justizvoll-
zugsanstalten bewegliche Wahlvorstände einzurichten. Er
trägt vor, dies habe dazu geführt, dass in den meisten Justiz-
vollzugsanstalten „ein großer Prozentsatz von Wahlberech-
tigten“ keine Wahlunterlagen erhalten habe. In der Justiz-
vollzugsanstalt Fuhlsbüttel liege der Anteil bei etwa bei
50 Prozent. Es seien etwa 80 000 Menschen in deutschen
Justizvollzugsanstalten inhaftiert, die auf den Wahlausgang
durchaus hätten Einfluss nehmen können. Das aktive Wahl-
recht in Justizvollzugsanstalten sei jedoch Beschränkungen
unterworfen, die mit Artikel 38 des Grundgesetzes (GG)
nicht vereinbar seien. Es könne nicht sein, dass eine gesamte
Bevölkerungsgruppe auf die Briefwahl verwiesen werde.

troffene außer beim Anhalten eines Schreibens auch nicht zu
informieren sei. Kein Strafvollzugsgesetz schließe die Brief-
kontrolle von Wahlunterlagen grundsätzlich aus. Er ist daher
der Ansicht, dass der Verweis auf die Briefwahl die Grund-
sätze der allgemeinen, geheimen und gleichen Wahl verletze.
Er meint, die Wahlrechtsgrundsätze des Artikel 38 GG könn-
ten in Justizvollzugsanstalten nur durch die Einrichtung be-
weglicher Wahlvorstände verwirklicht werden.

Zu dem Wahleinspruch hat der Landeswahlleiter der Freien
und Hansestadt Hamburg unter Einbeziehung der Justizbe-
hörde Hamburg sowie des Kreiswahlleiters für Hamburg-
Nord mit Schreiben vom 30. Dezember 2009 wie folgt Stel-
lung genommen:

Die vom Einspruchsführer beanstandete Ablehnung, ihm die
Urnenwahl in der Justizvollzugsanstalt zu ermöglichen, ste-
he im Einklang mit dem geltenden Recht. Nach § 8 der Bun-
deswahlordnung (BWO) solle für die Stimmabgabe in klei-
neren Krankenhäusern, kleineren Alten- und Pflegeheimen,
Klöstern, sozialtherapeutischen Anstalten und Justizvoll-
zugsanstalten bei entsprechendem Bedürfnis und soweit
Einspruchsführer ist der Auffassung, dass derartige General-
klauseln „der Willkür Tür und Tor“ öffneten, zumal der Be-

gendes – Merkblatt über die Wahl zur Kenntnis gebracht
worden. Danach sei es ohne weiteres möglich gewesen, sich

Drucksache 17/6300 – 38 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

an der Wahl durch Beantragung der Briefwahlunterlagen
– ggf. gleichzeitig mit dem Antrag auf Aufnahme in das
Wählerverzeichnis – zu beteiligen. Hiervon sei auch Ge-
brauch gemacht worden. Als Inhaber von Wahlscheinen hät-
ten die Insassen auch die Möglichkeit gehabt, die Urnenwahl
vor einem beweglichen Wahlvorstand nach § 8 BWO zu ver-
langen. Dies habe nur der Einspruchsführer getan. Das aber
reiche nicht aus, um ein Bedürfnis im Sinne der §§ 8 und 13
BWO annehmen zu können.

Zudem unterliege der Einspruchsführer einem Irrtum, wenn
er meine, dass das Wahlgeheimnis bei einer Teilnahme an
der Briefwahl nicht gesichert sei. Der Schriftwechsel mit
Wahldienststellen und damit auch die Übersendung von
Briefwahlunterlagen werde nicht überwacht. Die Insassen
gäben die Umschläge mit den Stimmzetteln verschlossen ab,
die Weiterleitung der verschlossenen Umschläge an die
Wahldienststellen durch die Justizvollzugsanstalten erfolge
umgehend. Dies sei auch in dem den Insassen übergebenen
Merkblatt dargestellt worden. Auch die Justizbehörde be-
streite die vom Einspruchsführer befürchtete Überwachung
des Briefverkehrs und die damit verbundene Verletzung des
Wahlgeheimnisses bei der Briefwahl ausdrücklich.

Die Behörde für Inneres, die vom Bezirksamt Hamburg-
Nord aufgrund des Antrags des Einspruchsführers auf Ein-
richtung eines beweglichen Wahlvorstands in der Justizvoll-
zugsanstalt Fuhlsbüttel um Stellungnahme gebeten worden
sei, habe nach Rücksprache mit der Justizvollzugsanstalt
Fuhlsbüttel ein Bedürfnis hierfür verneint. Das sei auch vor
dem Hintergrund geschehen, dass § 17 Absatz 2 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) nunmehr ermögliche, die Briefwahl
ohne die bisher erforderliche Angabe und Glaubhaftma-
chung von Hinderungsgründen zu beantragen.

Schließlich teilt der Landeswahlleiter mit, dass der Ein-
spruchsführer zwar materiell wahlberechtigt gewesen sei, je-
doch weder in einem Wählerverzeichnis eingetragen gewe-
sen sei noch nach § 25 Absatz 2 BWO einen Wahlschein au-
ßerhalb des Wählerverzeichnisses erhalten habe. Er weist
darauf hin, dass die Insassen von Justizvollzugsanstalten
nach Hamburger Landesrecht selbst meldepflichtig seien, so
dass Wahlberechtigte im Regelfall von Amts wegen in das
Wählerverzeichnis aufgenommen und hierüber benachrich-
tigt würden.

Aus der vom Landeswahlleiter mit übersandten und dem
Einspruchsführer zur Kenntnis gegebenen Stellungnahme
des Kreiswahlleiters für Hamburg-Nord ergibt sich ergän-
zend, dass die Ablehnung der Einrichtung des beweglichen
Wahlvorstandes vorrangig wegen der Feststellung durch das
Landeswahlamt Hamburg und die Justizbehörde, dass ein
Bedarf hierfür nicht gesehen werde, erfolgt sei. Der Ein-
spruchsführer habe in seinem Einspruch lediglich den „ihm
passend erscheinenden Grund“ zitiert.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme des Landes-
wahlleiters nebst Anlagen bekannt gegeben worden Er hat
sich hierzu mit Schreiben vom 18. Januar 2010 geäußert und
im Wesentlichen erklärt, es könne nicht auf Verfügungen und
Akteninhalte ankommen, die, wann immer sie „getroffen
oder nachempfunden“ seien, nie bei den Wahlberechtigten
angekommen seien. Die Einrichtung eines mobilen Wahl-
vorstandes unterliege im Rechtsstaat dem pflichtgemäßen

lich der Abwicklung der Wahl vielmehr „völliges Chaos“ ge-
herrscht. So sei mitgeteilt worden, dass die Justizvollzugsan-
stalten von sich aus eine Liste der Wahlberechtigten vorlege
und die Briefwahlunterlagen „automatisch“ kämen. Es sei
jedoch nichts gekommen. Wahlberechtigte, die doch Brief-
wahlunterlagen erhalten hätten, hätten diese teilweise offen
abgegeben, wie sie es von der Briefpost gekannt hätten. An-
dere hätten sie weggeworfen, weil sie nichts damit anzufan-
gen gewusst hätten. Zudem gebe es Insassen, die wahlbe-
rechtigt seien, aber nicht lesen und schreiben könnten. Diese
hätten andere Insassen bitten müssen, den Stimmzettel aus-
zufüllen, ohne zu wissen, ob diese dies in ihrem Sinne täten.
Von 80 000 bis 100 000 Gefangenen in deutschen Gefäng-
nissen seien „schätzungsweise mindestens 50 Prozent der
Wahlberechtigten“ willkürlich vom Wahlrecht ausgeschlos-
sen worden.

Der Einspruchsführer verlangt, der Wahlprüfungsausschuss
solle prüfen, wie viele Wahlberechtigte in Justizvollzugsan-
stalten einsäßen und wie viele davon ihr Wahlrecht ausgeübt
hätten bzw. warum sie nicht gewählt hätten. Auf Anforde-
rung könne er Zeugen benennen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten sowie
der übersandten Dokumente wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen, denn es verstößt nicht gegen wahlrechtliche Vor-
schriften, dass in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel trotz
seines Antrags kein beweglicher Wahlvorstand eingerichtet
worden ist.

1. Die Wahlvorschriften sehen keine generelle Verpflichtung
der Wahlbehörden zur Einrichtung einer Gelegenheit zur Ur-
nenwahl in Justizvollzugsanstalten vor. Wegen des Grund-
satzes, dass jeder Wahlberechtigte nur in dem Wahlkreis
wählen kann, in dessen Wählerverzeichnis er geführt wird
(§ 14 Absatz 2 BWG), ist dies – anders, als der Einspruchs-
führer offensichtlich meint – nicht einmal ohne weiteres für
alle sich in einer Justizvollzugsanstalt aufhaltenden Wahlbe-
rechtigten möglich.

§ 64 Absatz 1 BWO sieht zwar vor, dass die Gemeindebe-
hörde bei entsprechendem Bedürfnis und soweit möglich
Gelegenheit geben soll, dass die in sozialtherapeutischen
Anstalten und Justizvollzugsanstalten anwesenden Wahlbe-
rechtigten, die einen für den Wahlkreis gültigen Wahlschein
besitzen, in der Anstalt vor einem beweglichen Wahlvor-
stand wählen. Das bedeutet jedoch zugleich, dass alle dort
anwesenden Wahlberechtigten, die in den Wählerverzeich-
nissen anderer Wahlkreise geführt werden, insbesondere
weil sie dort zum Stichtag für die Eintragung ins Wählerver-
zeichnis gemeldet waren (vgl. § 16 Absatz 1 BWO), ihre
Stimme nicht vor dem beweglichen Wahlvorstand abgeben
können. Diese Wahlberechtigten sind, soweit sie nicht dort
an der Urnenwahl teilnehmen können, wo sie im Wählerver-
zeichnis eingetragen sind, in jedem Fall auf die Stimmabga-
be per Briefwahl verwiesen.
und damit gebundenen Ermessen, das nicht ausgeübt worden
sei. Es habe in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel hinsicht-

Davon abgesehen räumt die Regelung, wie der Wahlprü-
fungsausschuss in ständiger Entscheidungspraxis feststellt,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39 – Drucksache 17/6300

den Gemeindebehörden einen großen Entscheidungsspiel-
raum ein (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/2761 Anlage 15,
15/2400 Anlage 6, 16/3600 Anlage 39; 17/2200, Anlage 3).
Denn gemäß §§ 8 und 64 BWO ist Voraussetzung für die Bil-
dung eines beweglichen Wahlvorstands, dass ein Bedürfnis
für dessen Einrichtung besteht und die Einrichtung auch
möglich ist.

Das Bedürfnis für die Bildung eines beweglichen Wahlvor-
stands ergibt sich nicht bereits aus der Tatsache, dass in einer
Justizvollzugsanstalt meist zahlreiche Wahlberechtigte in-
haftiert sind. Denn zum einen steht damit nicht zugleich fest,
dass diese auch die oben dargelegten Voraussetzungen für
die Wahl vor dem beweglichen Wahlvorstand erfüllten. Zum
anderen ist bei der Entscheidung über das Vorliegen eines
entsprechenden Bedürfnisses zu berücksichtigen, dass stets
die Möglichkeit der Briefwahl besteht (vgl. Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, 1976, zu § 60 BWO, Numer 1), von
der vorliegend nach Angaben des Landeswahlleiters auch
Gebrauch gemacht wurde. Aus Sicht des Wahlprüfungsaus-
schusses besteht seit Einführung der Briefwahl keine zwin-
gende Notwendigkeit, bewegliche Wahlvorstände in Justiz-
vollzugsanstalten einzurichten, sofern nicht besondere Grün-
de vorliegen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 3).
Derartige Gründe sind hier jedoch nicht ersichtlich.

Auch die Frage, ob die Einrichtung eines beweglichen Wahl-
vorstands überhaupt möglich ist, ist von der Gemeindebe-
hörde, die mit Unterstützung der Leitung der Justizvollzugs-
anstalt die Stimmabgabe vor einem beweglichen Wahlvor-
stand zu organisieren hat (vgl. § 64 Absatz 2 und 3 in
Verbindung mit § 62 Absatz 3 und § 61 Absatz 6 bis 8 BWO),
zu beurteilen. Hierbei können personelle und organisatori-
sche Gegebenheiten, insbesondere auch Sicherheitserwä-
gungen, eine Rolle spielen.

Nur wenn die genannten Voraussetzungen, also ein Bedürf-
nis und auch die Möglichkeit der Einrichtung eines bewegli-
chen Wahlvorstands, vorliegen, gilt als Rechtsfolge, dass die
Gemeindebehörde Gelegenheit zur Wahl vor einem bewegli-
chen Wahlvorstand geben soll. Wie der Landeswahlleiter
dargelegt hat, ist nach pflichtgemäßer Prüfung durch die zu-
ständige Behörde das Vorliegen eines Bedürfnisses verneint
worden. Daran ändert auch der Antrag eines einzelnen Insas-
sen – der mangels Eintragung in das Wählerverzeichnis das
formelle Wahlrecht nicht einmal besaß – nichts. Auch die
– unbelegte – Behauptung des Einspruchsführers, ungefähr
die Hälfte der in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel sowie
in den übrigen deutschen Justizvollzugsanstalten inhaftier-
ten Wahlberechtigten hätten wegen der fehlenden bewegli-
chen Wahlvorstände von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch
machen können, kann schon deshalb nicht zur Feststellung
eines Bedürfnisses für die Einrichtung eines beweglichen
Wahlvorstands führen, weil völlig unklar bleibt, ob in der
Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel oder einer anderen Justiz-
vollzugsanstalten tatsächlich eine entsprechende Anzahl In-
haftierter die oben dargelegten Voraussetzungen erfüllten.

2. Die Argumente des Einspruchsführers, mit denen er bele-
gen möchte, dass die Briefwahl zur Wahrnehmung des Wahl-
rechts durch Gefangene grundsätzlich untauglich und des-

Seine Behauptung, durch die Briefwahl sei das Wahlgeheim-
nis in Gefahr, weil die Wähler befürchten müssten, dass die
Justizvollzugsanstalt die Wahlbriefe einer Textkontrolle un-
terziehe, belegt er nicht mit konkreten Tatsachen, die seinen
– vom Landeswahlleiter bestrittenen – Vortrag untermauern
würden. Der in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und § 1 BWG
festgelegte Grundsatz der geheimen Wahl gilt auch für die
Briefwahl von Gefangenen. Einer ausdrücklichen Regelung
des Verbots der Kontrolle von Wahlbriefen von Gefangenen
bedarf es deshalb nicht. Soweit der Einspruchsführer auf die
Überwachung des Schriftverkehrs gemäß § 29 des Strafvoll-
zugsgesetzes (StVollzG) hinweist, ist dies aus den genannten
Gründen unzutreffend. Wahlbriefe gehören gerade nicht zu
dem Schriftverkehr, der von der Justizvollzugsanstalt über-
wacht werden darf (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560
Anlage 25; 14/2761 Anlage 15 Seite 67; 15/2400 Anlage 6;
16/5700 Anlage 23; 17/2200, Anlage 3). Im Übrigen hat der
Einspruchsführer nicht vorgetragen, dass Wahlbriefe tat-
sächlich geöffnet und kontrolliert worden seien.

Zudem sieht § 66 Absatz 4 BWO für die Briefwahl in Justiz-
vollzugsanstalten (wie auch in Krankenhäusern, Altenhei-
men und weiteren Einrichtungen) zusätzliche Vorkehrungen
vor, die die Freiheit der Wahl und das Wahlgeheimnis beson-
ders absichern sollen. Diese Regelung verlangt ausdrücklich,
dass in den Einrichtungen Vorsorge zu treffen ist, dass der
Stimmzettel unbeobachtet gekennzeichnet und in den
Stimmzettelumschlag gelegt werden kann. Die Leitung der
Einrichtung bestimmt einen geeigneten Raum, veranlasst
dessen Ausstattung und gibt den Wahlberechtigten bekannt,
in welcher Zeit der Raum für die Ausübung der Briefwahl
zur Verfügung steht.

Soweit der Einspruchsführer in seiner Replik auf die Stel-
lungnahme des Landeswahlleiters verschiedene weitere Hin-
dernisse für die Teilnahme die Insassen der Justizvollzugsan-
stalt Fuhlsbüttel an der Briefwahl, wie den Nichtzugang von
Briefwahlunterlagen, fehlende Informationen über den Um-
gang mit den Wahlunterlagen und fehlende Unterstützung
für Analphabeten geltend macht, unterlässt er es, diese – zu-
dem nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgetragenen und da-
mit ohnehin gemäß § 2 Absatz 4 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) verfristeten – Behauptungen mit konkreten Tat-
sachenangaben zu belegen. Deshalb bestand für den Wahl-
prüfungsausschuss auch kein Anlass zu den vom Ein-
spruchsführer geforderten weitergehenden Ermittlungen.
Denn die Wahlprüfung erfolgt weder von Amts wegen, noch
findet sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten
Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG erfolgt sie
vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die
Begründung muss mindestens den Tatbestand, auf den die
Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend
substantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291,
304 f.). Wahlbeanstandungen, die, wie hier, über nicht beleg-
te Behauptungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der
Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthal-
ten, sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38
und 39, 17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39,
jeweils mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48, 271, 276;
halb die Wahlrechtsgrundsätze aus Artikel 38 Absatz 1 GG
verletzt seien, greifen ebenfalls nicht durch.

66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).

Der Einspruchsführer erklärt, es sei am 26. August 2009 die
Einrichtung eines beweglichen Wahlvorstands in der Justiz-
vollzugsanstalt Fuhlsbüttel beantragt worden. Diesen Antrag

weit möglich bewegliche Wahlvorstände gebildet werden.
Nach § 13 BWO solle die Gemeindebehörde für Kranken-
gen sei es möglich, Wahlunterlagen zu kontrollieren, soweit
es aus Gründen der Resozialisierung eines Gefangenen oder
der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlich sei. Der

wahlbezirk eingerichtet worden, weil kein Bedürfnis für die
Urnenwahl gesehen worden sei. Allen Insassen sei vor der
Bundestagswahl ein – dem Wahlprüfungsausschuss vorlie-
habe das Bezirksamt Hamburg-Nord am 23. September 2009
u. a. mit der Begründung abgelehnt, dass es aus organisato-
rischen Gründen nicht mehr möglich sei. Er ist der Ansicht,
dass es nicht sein könne, dass ein Antrag einen Monat liegen-
bleibe und dann „in letzter Minute“ mit der Begründung, ihm
könne aus organisatorischen Gründen nicht mehr entspro-
chen werden, abgelehnt werde.

Weiter trägt der Einspruchsführer vor, dass der Briefverkehr
von Gefangenen bekanntlich überwacht werde, und zwar in
rechtswidriger Weise durch Textkontrolle. Eine Briefwahl
sei daher nicht geheim. Viele Gefangene wählten gar nicht,
weil sie befürchteten, dass ihre Wahlbriefe trotz anderslau-
tender Angaben der Anstalten überwacht und gelesen wür-
den. Nach den für den Strafvollzug geltenden Bestimmun-

häuser, Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Erho-
lungsheime und gleichartige Einrichtungen mit einer größe-
ren Anzahl von Wahlberechtigten, die keinen Wahlraum
außerhalb der Einrichtung aufsuchen können, bei entspre-
chendem Bedürfnis Sonderwahlbezirke zur Stimmabgabe
für Wahlscheininhaber bilden; werde ein Sonderwahlbezirk
nicht gebildet, gelte § 8 BWO gemäß § 13 Absatz 3 BWO
entsprechend. Aus § 61 und § 64 BWO ergebe sich, dass
nach beiden Vorschriften eine Wahl vor einem beweglichen
Wahlvorstand nur bei einem entsprechenden Bedürfnis und
auch nur, soweit dies möglich sei und zudem nur für Inhaber
eines Wahlscheins vorgesehen sei.

Für die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel sei trotz einer grö-
ßeren Zahl dort inhaftierter Wahlberechtigter kein Sonder-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41 – Drucksache 17/6300

Anlage 9

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn P. P., 22045 Hamburg
– Az.: WP 26/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2009, das am selben Tag beim
Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch damit,
dass die Wahlbehörden sich geweigert hätten, in Justizvoll-
zugsanstalten bewegliche Wahlvorstände einzurichten. Er
trägt vor, dies habe dazu geführt, dass in den meisten Justiz-
vollzugsanstalten „ein großer Prozentsatz von Wahlberech-
tigten“ keine Wahlunterlagen erhalten habe. In der Justiz-
vollzugsanstalt Fuhlsbüttel liege der Anteil bei etwa bei
50 Prozent. Es seien etwa 80 000 Menschen in deutschen
Justizvollzugsanstalten inhaftiert, die auf den Wahlausgang
durchaus hätten Einfluss nehmen können. Das aktive Wahl-
recht in Justizvollzugsanstalten sei jedoch Beschränkungen
unterworfen, die mit Artikel 38 des Grundgesetzes (GG)
nicht vereinbar seien. Es könne nicht sein, dass eine gesamte
Bevölkerungsgruppe auf die Briefwahl verwiesen werde.

troffene außer beim Anhalten eines Schreibens auch nicht zu
informieren sei. Kein Strafvollzugsgesetz schließe die Brief-
kontrolle von Wahlunterlagen grundsätzlich aus. Er ist daher
der Ansicht, dass der Verweis auf die Briefwahl die Grund-
sätze der allgemeinen, geheimen und gleichen Wahl verletze.
Er meint, die Wahlrechtsgrundsätze des Artikel 38 GG könn-
ten in Justizvollzugsanstalten nur durch die Einrichtung be-
weglicher Wahlvorstände verwirklicht werden.

Zu einem gleichlautenden Wahleinspruch hat der Landes-
wahlleiter der Freien und Hansestadt Hamburg unter Einbe-
ziehung der Justizbehörde Hamburg sowie des Kreiswahllei-
ters für Hamburg-Nord mit Schreiben vom 30. Dezember
2009 wie folgt Stellung genommen:

Die vom Einspruchsführer beanstandete Ablehnung, die Ur-
nenwahl in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel zu ermögli-
chen, stehe im Einklang mit dem geltenden Recht. Nach § 8
der Bundeswahlordnung (BWO) solle für die Stimmabgabe
in kleineren Krankenhäusern, kleineren Alten- und Pflege-
heimen, Klöstern, sozialtherapeutischen Anstalten und Jus-
tizvollzugsanstalten bei entsprechendem Bedürfnis und so-
Einspruchsführer ist der Auffassung, dass derartige General-
klauseln „der Willkür Tür und Tor“ öffneten, zumal der Be-

gendes – Merkblatt über die Wahl zur Kenntnis gebracht
worden. Danach sei es ohne weiteres möglich gewesen, sich

Drucksache 17/6300 – 42 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

an der Wahl durch Beantragung der Briefwahlunterlagen
– ggf. gleichzeitig mit dem Antrag auf Aufnahme in das
Wählerverzeichnis – zu beteiligen. Hiervon sei auch Ge-
brauch gemacht worden. Als Inhaber von Wahlscheinen hät-
ten die Insassen auch die Möglichkeit gehabt, die Urnenwahl
vor einem beweglichen Wahlvorstand nach § 8 BWO zu ver-
langen. Dies habe nur eine Person getan, die zudem mangels
Eintragung in das Wählerverzeichnis formal nicht wahlbe-
rechtig gewesen sei. Das aber reiche nicht aus, um ein Be-
dürfnis im Sinne der § 8 und 13 BWO annehmen zu können.

Zudem unterliege der Einspruchsführer einem Irrtum, wenn
er meine, dass das Wahlgeheimnis bei einer Teilnahme an
der Briefwahl nicht gesichert sei. Der Schriftwechsel mit
Wahldienststellen und damit auch die Übersendung von
Briefwahlunterlagen werde nicht überwacht. Die Insassen
gäben die Umschläge mit den Stimmzetteln verschlossen ab,
die Weiterleitung der verschlossenen Umschläge an die
Wahldienststellen durch die Justizvollzugsanstalt erfolge
umgehend. Dies sei auch in dem den Insassen übergebenen
Merkblatt dargestellt worden. Auch die Justizbehörde be-
streite die vom Einspruchsführer befürchtete Überwachung
des Briefverkehrs und die damit verbundene Verletzung des
Wahlgeheimnisses bei der Briefwahl ausdrücklich.

Die Behörde für Inneres, die vom Bezirksamt Hamburg-
Nord aufgrund des Antrags des Einspruchsführers auf Ein-
richtung eines beweglichen Wahlvorstands in der Justizvoll-
zugsanstalt Fuhlsbüttel um Stellungnahme gebeten worden
sei, habe nach Rücksprache mit der Justizvollzugsanstalt
Fuhlsbüttel ein Bedürfnis hierfür verneint. Das sei auch vor
dem Hintergrund geschehen, dass § 17 Absatz 2 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) nunmehr ermögliche, die Briefwahl
ohne die bisher erforderliche Angabe und Glaubhaftma-
chung von Hinderungsgründen zu beantragen.

Aus der vom Landeswahlleiter mit übersandten und dem
Einspruchsführer zur Kenntnis gegebenen Stellungnahme
des Kreiswahlleiters für Hamburg-Nord ergibt sich ergän-
zend, dass die Ablehnung der Einrichtung des beweglichen
Wahlvorstandes vorrangig wegen der Feststellung durch das
Landeswahlamt Hamburg und die Justizbehörde, dass ein
Bedarf hierfür nicht gesehen werde, erfolgt sei. Der Ein-
spruchsführer habe in seinem Einspruch lediglich den „ihm
passend erscheinenden Grund“ zitiert.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme des Landes-
wahlleiters nebst Anlagen bekannt gegeben worden Er hat
sich hierzu mit Schreiben vom 18. Januar 2010 geäußert und
im Wesentlichen erklärt, es könne nicht auf Verfügungen und
Akteninhalte ankommen, die, wann immer sie „getroffen
oder nachempfunden“ seien, nie bei den Wahlberechtigten
angekommen seien. Die Einrichtung eines mobilen Wahl-
vorstandes unterliege im Rechtsstaat dem pflichtgemäßen
und damit gebundenen Ermessen, das nicht ausgeübt worden
sei. Es habe in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel hinsicht-
lich der Abwicklung der Wahl vielmehr „völliges Chaos“ ge-
herrscht. So sei mitgeteilt worden, dass die Justizvollzugsan-
stalt von sich aus eine Liste der Wahlberechtigten vorlege
und die Briefwahlunterlagen „automatisch“ kämen. Es sei
jedoch nichts gekommen. Wahlberechtigte, die doch Brief-
wahlunterlagen erhalten hätten, hätten diese teilweise offen
abgegeben, wie sie es von der Briefpost gekannt hätten. An-

rechtigt seien, aber nicht lesen und schreiben könnten. Diese
hätten andere Insassen bitten müssen, den Stimmzettel aus-
zufüllen, ohne zu wissen, ob diese dies in ihrem Sinne täten.
Von 80 000 bis 100 000 Gefangenen in deutschen Gefäng-
nissen seien „schätzungsweise mindestens 50 Prozent der
Wahlberechtigten“ willkürlich vom Wahlrecht ausgeschlos-
sen worden.

Der Einspruchsführer verlangt, der Wahlprüfungsausschuss
solle prüfen, wie viele Wahlberechtigte in Justizvollzugsan-
stalten einsäßen und wie viele davon ihr Wahlrecht ausgeübt
hätten bzw. warum sie nicht gewählt hätten. Auf Anforde-
rung könne er Zeugen benennen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten sowie
der übersandten Dokumente wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen, denn es verstößt nicht gegen wahlrechtliche Vor-
schriften, dass in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel trotz
eines Antrags kein beweglicher Wahlvorstand eingerichtet
worden ist.

1. Die Wahlvorschriften sehen keine generelle Verpflichtung
der Wahlbehörden zur Einrichtung einer Gelegenheit zur Ur-
nenwahl in Justizvollzugsanstalten vor. Wegen des Grund-
satzes, dass jeder Wahlberechtigte nur in dem Wahlkreis
wählen kann, in dessen Wählerverzeichnis er geführt wird
(§ 14 Absatz 2 BWG), ist dies – anders, als der Einspruchs-
führer offensichtlich meint – nicht einmal ohne weiteres für
alle sich in einer Justizvollzugsanstalt aufhaltenden Wahlbe-
rechtigten möglich.

§ 64 Absatz 1 BWO sieht zwar vor, dass die Gemeindebe-
hörde bei entsprechendem Bedürfnis und soweit möglich
Gelegenheit geben soll, dass die in sozialtherapeutischen
Anstalten und Justizvollzugsanstalten anwesenden Wahlbe-
rechtigten, die einen für den Wahlkreis gültigen Wahlschein
besitzen, in der Anstalt vor einem beweglichen Wahlvor-
stand wählen. Das bedeutet jedoch zugleich, dass alle dort
anwesenden Wahlberechtigten, die in den Wählerverzeich-
nissen anderer Wahlkreise geführt werden, insbesondere
weil sie dort zum Stichtag für die Eintragung ins Wählerver-
zeichnis gemeldet waren (vgl. § 16 Absatz 1 BWO), ihre
Stimme nicht vor dem beweglichen Wahlvorstand abgeben
können. Diese Wahlberechtigten sind, soweit sie nicht dort
an der Urnenwahl teilnehmen können, wo sie im Wählerver-
zeichnis eingetragen sind, in jedem Fall auf die Stimmabga-
be per Briefwahl verwiesen.

Davon abgesehen räumt die Regelung, wie der Wahlprü-
fungsausschuss in ständiger Entscheidungspraxis feststellt,
den Gemeindebehörden einen großen Entscheidungsspiel-
raum ein (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/2761 Anlage 15,
15/2400 Anlage 6, 16/3600 Anlage 39; 17/2200, Anlage 3).
Denn gemäß §§ 8 und 64 BWO ist Voraussetzung für die Bil-
dung eines beweglichen Wahlvorstands, dass ein Bedürfnis
für dessen Einrichtung besteht und die Einrichtung auch
möglich ist.
dere hätten sie weggeworfen, weil sie nichts damit anzufan-
gen gewusst hätten. Zudem gebe es Insassen, die wahlbe-

Das Bedürfnis für die Bildung eines beweglichen Wahlvor-
stands ergibt sich nicht bereits aus der Tatsache, dass in einer

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 43 – Drucksache 17/6300

Justizvollzugsanstalt meist zahlreiche Wahlberechtigte in- festgelegte Grundsatz der geheimen Wahl gilt auch für die

haftiert sind. Denn zum einen steht damit nicht zugleich fest,
dass diese auch die oben dargelegten Voraussetzungen für
die Wahl vor dem beweglichen Wahlvorstand erfüllten. Zum
anderen ist bei der Entscheidung über das Vorliegen eines
entsprechenden Bedürfnisses zu berücksichtigen, dass stets
die Möglichkeit der Briefwahl besteht (vgl. Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, 1976, zu § 60 BWO, Numer 1), von
der vorliegend nach Angaben des Landeswahlleiters auch
Gebrauch gemacht wurde. Aus Sicht des Wahlprüfungsaus-
schusses besteht seit Einführung der Briefwahl keine zwin-
gende Notwendigkeit, bewegliche Wahlvorstände in Justiz-
vollzugsanstalten einzurichten, sofern nicht besondere Grün-
de vorliegen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 3).
Derartige Gründe sind hier jedoch nicht ersichtlich.

Auch die Frage, ob die Einrichtung eines beweglichen Wahl-
vorstands überhaupt möglich ist, ist von der Gemeindebe-
hörde, die mit Unterstützung der Leitung der Justizvollzugs-
anstalt die Stimmabgabe vor einem beweglichen Wahlvor-
stand zu organisieren hat (vgl. § 64 Absatz 2 und 3 in
Verbindung mit § 62 Absatz 3 und § 61 Absatz 6 bis 8 BWO),
zu beurteilen. Hierbei können personelle und organisatori-
sche Gegebenheiten, insbesondere auch Sicherheitserwä-
gungen, eine Rolle spielen.

Nur wenn die genannten Voraussetzungen, also ein Bedürf-
nis und auch die Möglichkeit der Einrichtung eines bewegli-
chen Wahlvorstands, vorliegen, gilt als Rechtsfolge, dass die
Gemeindebehörde Gelegenheit zur Wahl vor einem bewegli-
chen Wahlvorstand geben soll. Wie der Landeswahlleiter
dargelegt hat, ist nach pflichtgemäßer Prüfung durch die zu-
ständige Behörde das Vorliegen eines Bedürfnisses verneint
worden. Daran ändert auch der Antrag eines einzelnen Insas-
sen – der mangels Eintragung in das Wählerverzeichnis das
formelle Wahlrecht nicht einmal besaß – nichts. Auch die
– unbelegte – Behauptung des Einspruchsführers, ungefähr
die Hälfte der in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel sowie
in den übrigen deutschen Justizvollzugsanstalten inhaftier-
ten Wahlberechtigten hätten wegen der fehlenden bewegli-
chen Wahlvorstände von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch
machen können, kann schon deshalb nicht zur Feststellung
eines Bedürfnisses für die Einrichtung eines beweglichen
Wahlvorstands führen, weil völlig unklar bleibt, ob in der
Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel oder einer anderen Justiz-
vollzugsanstalt tatsächlich eine entsprechende Anzahl Inhaf-
tierter die oben dargelegten Voraussetzungen erfüllten.

2. Die Argumente des Einspruchsführers, mit denen er bele-
gen möchte, dass die Briefwahl zur Wahrnehmung des Wahl-
rechts durch Gefangene grundsätzlich untauglich und des-
halb die Wahlrechtsgrundsätze aus Artikel 38 Absatz 1 GG
verletzt seien, greifen ebenfalls nicht durch.

Seine Behauptung, durch die Briefwahl sei das Wahlgeheim-
nis in Gefahr, weil die Wähler befürchten müssten, dass die
Justizvollzugsanstalt die Wahlbriefe einer Textkontrolle un-
terziehe, belegt er nicht mit konkreten Tatsachen, die seinen
– vom Landeswahlleiter bestrittenen – Vortrag untermauern
würden. Der in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und § 1 BWG

Briefwahl von Gefangenen. Einer ausdrücklichen Regelung
des Verbots der Kontrolle von Wahlbriefen von Gefangenen
bedarf es deshalb nicht. Soweit der Einspruchsführer auf die
Überwachung des Schriftverkehrs gemäß § 29 des Strafvoll-
zugsgesetzes (StVollzG) hinweist, ist dies aus den genannten
Gründen unzutreffend. Wahlbriefe gehören gerade nicht zu
dem Schriftverkehr, der von der Justizvollzugsanstalt über-
wacht werden darf (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560
Anlage 25; 14/2761 Anlage 15 Seite 67; 15/2400 Anlage 6;
16/5700 Anlage 23; 17/2200, Anlage 3). Im übrigen hat der
Einspruchsführer nicht vorgetragen, dass Wahlbriefe tat-
sächlich geöffnet und kontrolliert worden seien.

Zudem sieht § 66 Absatz 4 BWO für die Briefwahl in Justiz-
vollzugsanstalten (wie auch in Krankenhäusern, Altenhei-
men und weiteren Einrichtungen) zusätzliche Vorkehrungen
vor, die die Freiheit der Wahl und das Wahlgeheimnis beson-
ders absichern sollen. Diese Regelung verlangt ausdrücklich,
dass in den Einrichtungen Vorsorge zu treffen ist, dass der
Stimmzettel unbeobachtet gekennzeichnet und in den
Stimmzettelumschlag gelegt werden kann. Die Leitung der
Einrichtung bestimmt einen geeigneten Raum, veranlasst
dessen Ausstattung und gibt den Wahlberechtigten bekannt,
in welcher Zeit der Raum für die Ausübung der Briefwahl
zur Verfügung steht.

Soweit der Einspruchsführer in seiner Replik auf die Stel-
lungnahme des Landeswahlleiters verschiedene weitere Hin-
dernisse für die Teilnahme die Insassen der Justizvollzugsan-
stalt Fuhlsbüttel an der Briefwahl, wie den Nichtzugang von
Briefwahlunterlagen, fehlende Informationen über den Um-
gang mit den Wahlunterlagen und fehlende Unterstützung
für Analphabeten geltend macht, unterlässt er es, diese – zu-
dem nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgetragenen und da-
mit ohnehin gemäß § 2 Absatz 4 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) verfristeten – Behauptungen mit konkreten Tat-
sachenangaben zu belegen. Deshalb bestand für den Wahl-
prüfungsausschuss auch kein Anlass zu den vom Ein-
spruchsführer geforderten weitergehenden Ermittlungen.
Denn die Wahlprüfung erfolgt weder von Amts wegen, noch
findet sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten
Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG erfolgt sie
vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die
Begründung muss mindestens den Tatbestand, auf den die
Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend
substantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291,
304 f.). Wahlbeanstandungen, die, wie hier, über nicht beleg-
te Behauptungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der
Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthal-
ten, sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38
und 39, 17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39,
jeweils mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48, 271, 276;
66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).

Modalitäten der Beantragung der Briefwahl für Auslands-
deutsche (2.), die Fünf-Prozent-Hürde (3.) sowie die Verfas-

sung von Parteien und Einzelkandidaten entschieden, ob-
wohl sie befangen seien. Hier bestehe eine Gesetzeslücke,
dem habe er wegen der fehlenden Dokumente nicht wählen
können, weil die Wahlvorstände verpflichtet seien, sich
durch Vorlage eines Ausweises von der Identität des Wahl-

I.

1. Soweit sich der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus
sungsmäßigkeit einzelner Regelungen des Bundeswahlge-
setzes (4.).

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer hierzu Folgen-
des vor:

1. Er und seine Kinder hätten in allen 299 Wahlkreisen eige-
ne Kandidaten zur Bundestagswahl aufstellen wollen; er
selbst habe beabsichtigt, gegen Dr. Frank-Walter Steinmeier
anzutreten. Dessen Beamte hätten aber ihm und seinen Kin-
dern die Reisepässe und Personalausweise für die Rückkehr
versagt. Darin liege ein im Bundeswahlgesetz nicht vorgese-
hener Ausschluss vom Wahlrecht. Auch die Europawahl
2009 sei für ungültig zu erklären, weil auch hier seine Kan-
didatur durch die rechtswidrige Versagung eines Personal-
ausweises oder Reisepasses verhindert worden sei. Außer-

die der Gesetzgeber zu schließen habe, damit die Parteien so-
wie der Einspruchsführer und seine Kinder als Einzelkandi-
daten ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Bundes-
wahlleiters hätten.

Der Einspruchsführer hat in beiden Schreiben einen „inlän-
dischen Postzustellungsbevollmächtigten“ benannt.

Wegen der Einzelheiten seines Vortrags wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig (I.), im Übrigen unbe-
gründet (II.).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45 – Drucksache 17/6300

Anlage 10

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. H., Asuncion/Paraguay
– Az.: WP 29/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 1. Okto-
ber 2009, das beim Deutschen Bundestag am 2. Oktober
2009 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009 eingelegt.

Dieses Schreiben hat er zugleich unter Bezugnahme auf ver-
schiedene Aktenzeichen an das Bundesverfassungsgericht
und an das Verwaltungsgericht Berlin gerichtet.

In einem weiteren Schreiben vom 7. Oktober 2009, einge-
gangen am 8. Oktober 2009, hat der im Ausland lebende Ein-
spruchsführer seinen Vortrag im Wesentlichen wiederholt
und mitgeteilt, dass er den Einspruch nunmehr gemein-
schaftlich für über 10 000 betroffene Auslandsdeutsche ein-
lege.

Soweit der Einspruchsführer sich in seinem – zahlreiche
Themen aufwerfenden – Schreiben auf Wahlen bezieht, rügt
er, dass er und seine „über 2 000 Kinder“ durch die Versa-
gung von deutschen Ausweispapieren an der Wahrnehmung
ihres Wahlrechts gehindert worden seien (1.), außerdem die

2. Er rügt außerdem die Modalitäten der Briefwahl im Aus-
land. Eine „Schikane der Botschaften“ bestehe darin, dass
der Antrag für die Briefwahlunterlagen zwar kostenlos mit
der Botschaftspost nach Berlin befördert werde. Wenn dieser
Antrag jedoch nicht mit einer deutschen Briefmarke verse-
hen werde, werde er von Berlin nicht weiter in die Heimat-
stadt befördert. Dadurch würden tausende Wählerinnen und
Wähler von der Wahl ausgeschlossen.

3. Der Einspruchsführer fordert, die Fünf-Prozent-Hürde bei
Bundes- und Landtagswahlen auf drei Prozent zu reduzieren,
weil ohnehin zwei Drittel der Gesetze durch das Europa-
parlament diktiert würden. Ein Vergleich mit der Weimarer
Verfassung sei daher hinfällig. Zudem hätten selbst kleinere
Länder niedrigere Sperrklauseln.

4. Schließlich verlangt der Einspruchsführer, die Regelun-
gen des Bundeswahlgesetzes, die vorsähen, dass der Bun-
deswahlleiter vom Bundesminister des Innern ernannt werde
und dieser Mitglieder der Bundestagsparteien für den Bun-
deswahlausschuss bestimme, für verfassungswidrig zu er-
klären, da Parteien, die im Bundestag säßen, über die Zulas-
berechtigten zu überzeugen, wenn er nicht persönlich be-
kannt sei.

der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009 wendet, ist
der Einspruch wegen Verfristung unzulässig, da die Frist zur

Drucksache 17/6300 – 46 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Einlegung von Einsprüchen gegen die Europawahl gemäß
§ 26 Absatz 2 des Europawahlgesetzes in Verbindung mit
§ 2 Absatz 4 Satz 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG)
zwei Monate nach dem Wahltag und damit bereits am 7. Au-
gust 2009 endete.

2. Ebenso unzulässig ist der Einspruch, soweit der Ein-
spruchsführer ihn gemeinschaftlich für „über 10 000 betrof-
fene Auslandsdeutsche“ erheben möchte. Ein gemeinschaft-
licher Einspruch ist zwar gemäß § 2 Absatz 3 zweiter Halb-
satz WPrüfG möglich. Die Einlegung eines Einspruchs für
einen anderen erfordert jedoch die Vorlage einer Vollmacht
innerhalb der Einspruchsfrist (vgl. Bundestagsdrucksache
16/5700, Anlagen 15 und 72), die für Einsprüche gegen die
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag gemäß § 2 Absatz 4
Satz 1 WPrüfG am 27. November 2009 endete. Derartige
Vollmachten hat der Einspruchsführer nicht vorgelegt.

II.

Im Übrigen ist der Einspruch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß ge-
gen wahlrechtliche Vorschriften erkennen.

1. Soweit der Einspruchsführer behauptet, er und seine „über
2 000 Kinder“ seien dadurch, dass ihnen rechtswidrig die
Ausstellung eines deutschen Personalausweises oder Passes
versagt worden sei, an der Ausübung ihres aktiven und pas-
siven Wahlrechts gehindert worden, fehlt es an einer sub-
stantiierten Darlegung möglicher Fehler bei der Vorberei-
tung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bun-
destag. Denn der Einspruchsführer hat seine Behauptung mit
keinerlei überprüfbaren Tatsachen untermauert. Insbesonde-
re hat er keine Tatsachen vorgetragen, die belegen, dass er
oder andere Wahlberechtigte an der Einreichung eines Wahl-
vorschlags oder der Stimmabgabe gehindert worden wären.
Seine pauschale Behauptung, er habe nicht wählen können,
weil er sich bei der Wahl auf ein entsprechendes Verlangen
nicht hätte ausweisen können, ist schon deshalb unzu-
treffend, weil – anders als im Wahllokal, wo gemäß § 56 Ab-
satz 3 der Bundeswahlordnung (BWO) der Wahlvorstand
verlangen kann, dass ein Wähler sich über seine Person aus-
weist, insbesondere, wenn er seine Wahlbenachrichtigung
nicht vorlegt – bei der Briefwahl ein derartiges Verlangen der
Wahlbehörden weder vorgesehen noch möglich ist. Zudem
lässt sich dem Vortrag des Einspruchsführers weder entneh-
men, wann, wo, und für wen die Ausstellung deutscher Aus-
weispapiere beantragt, noch, von welcher Stelle und mit wel-
cher Begründung dies verweigert worden wäre. Hinsichtlich
seiner angeblich über 2 000 an der Ausübung ihres Wahl-
rechts gehinderten Kinder hat er nicht einmal deren Namen
oder Staatsangehörigkeit mitgeteilt.

Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder von Amts wegen,
noch findet sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der ge-
samten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG er-
folgt sie vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist.
Die Begründung muss mindestens den Tatbestand, auf den
die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend
substantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291,
304 f.). Wahlbeanstandungen, die, wie hier, über nicht beleg-

Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthal-
ten, sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38
und 39; 17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39,
jeweils mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48, 271, 276;
66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24). Die Frage, ob die Ver-
sagung eines Personalausweises oder Reisepasses überhaupt
einen Wahlfehler darstellen kann, kann daher hier offen blei-
ben.

2. Auch die Rüge, deutsche Botschaften hätten für die Wei-
terversendung von Wahlbriefanträgen an die zuständigen
deutschen Gemeindebehörden die Frankierung mit deut-
schen Briefmarken verlangt und dadurch tausende von Wäh-
lerinnen und Wählern von der Wahl ausgeschlossen, greift
nicht durch. Denn es gibt keine wahlrechtliche Vorschrift,
die einen kostenlosen Transport von Briefwahlanträgen
durch Botschaften oder andere Stellen vorsieht. Vielmehr
obliegt es den Wahlberechtigten selbst, die Erteilung eines
Wahlscheins bei der Gemeindebehörde zu beantragen und
die möglicherweise hierbei entstehenden Kosten zu tragen.
Ein derartiger Antrag kann gemäß § 27 Absatz 1 Satz 1
BWO schriftlich oder mündlich, allerdings nicht telefonisch,
gestellt werden. Möglich ist auch eine Beantragung durch
Telegramm, Fernschreiben, Telefax, E-Mail oder durch
sonstige dokumentierbare elektronische Übermittlung, vgl.
§ 27 Absatz 1 Satz 2 BWO. Den Wahlberechtigten im
Ausland stehen damit zahlreiche Möglichkeiten zur Beantra-
gung der Briefwahlunterlagen zur Verfügung, so dass sie
nicht – wie der Einspruchsführer unterstellt – auf den nach
seinem Vortrag von deutschen Botschaften angebotenen kos-
tenlosen Transport mit der Botschaftspost nach Berlin ange-
wiesen sind. Nimmt ein Wahlberechtigter jedoch diesen Ser-
vice in Anspruch, ist es seine Sache, die Weiterbeförderung
von Berlin zur zuständigen Gemeindebehörde durch entspre-
chende Frankierung des Briefs zu gewährleisten. Ergänzend
sei darauf hingewiesen, dass der Wahlbrief selbst – auf
dessen Transport sich die Rüge des Einspruchsführers nicht
bezieht – gemäß § 36 Absatz 4 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) von einem vor der Wahl amtlich bekannt gemachten
Postunternehmen unentgeltlich befördert wird, wenn er sich
in einem amtlichen Wahlbriefumschlag befindet.

3. Die Forderung des Einspruchsführers, die Fünf-Prozent-
Hürde abzusenken, zielt auf eine Änderung des Bundeswahl-
gesetzes, das in § 6 Absatz 6 Satz 1 regelt, dass bei der Ver-
teilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berück-
sichtigt werden, die mindestens fünf vom Hundert der im
Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten
oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen ha-
ben. Derartigen Vorschlägen zur Änderung der Gesetzge-
bung ist im Rahmen eines – allein auf die Prüfung der Gül-
tigkeit der Wahl gerichteten – Wahlprüfungsverfahrens nicht
nachzugehen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die
Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel vom
Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung be-
stätigt und vom Wahlprüfungsausschuss nicht bezweifelt
wird (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f.; s. auch Bundes-
tagsdrucksache 17/4600, Anlagen 31, 32, 36, 40, 42 und 43
mit weiteren Nachweisen).
te Behauptungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der

4. Auch der Forderung des Einspruchsführers, das Bundes-
wahlgesetz für verfassungswidrig zu erklären, soweit es die

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/6300
Wahlperiode – 47 – D

Ernennung des Bundeswahlleiters durch das Bundesministe-
rium des Innern sowie die Berufung der Mitglieder des Bun-
deswahlausschusses durch den Bundeswahlleiter als dessen
Vorsitzenden regelt (vgl. § 9 Absatz 1 und 2 BWG), und
einen Rechtsweg für Parteien und Einzelbewerber gegen die
Entscheidung des Bundeswahlleiters zu schaffen, ist im Rah-
men der Wahlprüfung durch den Deutschen Bundestag nicht
nachzugehen. Denn nach ständiger Praxis überprüfen der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag im
Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungs-
mäßigkeit von Wahlrechtsnormen nicht. Eine derartige
Kontrolle ist vielmehr stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24;
17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren
Nachweisen). Auch die Forderung nach einer Ergänzung
wahlrechtlicher Vorschriften kann, wie oben bereits darge-
legt, nicht Gegenstand der Wahlprüfung sein.

entgegen der Auffassung vieler nicht ausgeglichen würden.
Dies habe „ungünstige Folgen in Bezug auf die richtige Er-

satz 1 Satz 1 GG, aber nicht aus grund- und bürgerrechtlicher
Sicht betrachtet worden. Andernfalls wäre die Sperrklau-
sel bereits „vollkommen weggefallen“, und es fände die
Zu 3.: Die Gründe, aus denen die Vereinigungen „Die Grauen“,
„Freie Union“ und „Die Partei“ von der Teilnahme an der

Zu den vom Einspruchsführer unter 1. (Verfassungsmäßig-
keit von Überhangmandaten), 3. (Nichtanerkennung bzw.
Nichtzulassung kleinerer Parteien und Vereinigungen zur
mittlung des Wählerwillens“ mit sich gebracht. Es entstün-
den „Verhältnisse im Parlament“, die geeignet seien, „die
falsche Regierung in das Bundeskanzleramt“ zu befördern.
Es müssten so viele Sitze im Bundestag bereit gestellt wer-
den, dass Überhangmandate erst gar nicht entstünden.

Zu 2.: Der Einspruchsführer trägt hierzu vor: „Ungültige
Stimmen wurden mitgezählt und [sind] in die Gesamtrech-
nung mit eingeflossen“. Er wisse, dass „diese Praxis“ im
„deutschen Zählverfahren“ existiere, weil er Mitglied eines
Wahlvorstands gewesen sei. Dieses Zählverfahren benach-
teilige die kleineren Parteien und stärke die sogenannten
Volksparteien. Sie setze „den Prozentsatz der Minderheits-
parteien“ herab. Wer keine Partei wähle, wähle nicht. Es füh-
re zu Verzerrungen des Wahlergebnisses, diese Stimmen als
Stimmen zu zählen.

„0,16 %-Sperrklausel“ Anwendung, die nach seinen Recher-
chen für Parteien nationaler Minderheiten wie den Süd-
schleswigschen Wählerverband (SSW) gelte. Erforderlich
sei eine „Realanalyse“, die aus seiner Sicht ergeben würde,
dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel entbehrlich sei.

Zu 5.: Der Einspruchsführer trägt vor, der Präsident des
Deutschen Bundestages sowie verschiedene weitere Ab-
geordnete hätten ihm mitgeteilt, dass eine Neuregelung des
Bundestagswahlrechts früher, möglicherweise auch recht-
zeitig zur Wahl des 17. Deutschen Bundestages, hätte erfol-
gen können.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49 – Drucksache 17/6300

Anlage 11

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn L. A. F.-V., 10785 Berlin
– Az.: WP 35/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 8. Oktober 2009 eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt
und seine Einspruchsbegründung mit Schreiben vom 17. Ok-
tober 2009, zugegangen am 19. Oktober 2009, und 1. No-
vember 2009, zugegangen am 5. November 2009, ergänzt.

Der Einspruchsführer rügt in seiner Einspruchsschrift das
Entstehen von Überhangmandaten ohne Ausgleich (1.), die
Einbeziehung ungültiger Stimmen in das Wahlergebnis (2.),
und die Nichtzulassung kleinerer Parteien und Vereinigun-
gen zur Wahl (3.). Des weiteren macht er geltend, dass die
Fünf-Prozent-Sperrklausel verfassungswidrig sei (4.) und
dass das Wahlrecht vor der Wahl hätte geändert werden kön-
nen (5.).

Hierzu trägt der Einspruchsführer im Wesentlichen vor:

Zu 1.: Die CDU habe 24 Überhangmandate errungen, die

lassen“. Sie seien „fadenscheinig“ und „mangels solider Be-
gründung“ nicht „haltbar“.

Zu 4.: Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel verweist der Einspruchsführer auf ein – dem
Wahlprüfungsausschuss vorliegendes – Urteil des Staatsge-
richtshofs der Freien und Hansestadt Bremen vom 14. Mai
2009, in dem das Gericht die Wiedereinführung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel für die Wahl zur Stadtverordnetenver-
sammlung der Stadt Bremerhaven für verfassungsrechtlich
unzulässig erklärt. Er trägt vor, das Gericht habe argumen-
tiert, dass die Sperrklausel in die Wahlrechtsgleichheit und
die Chancengleichheit der Wahlbewerber eingreife. Es be-
ziehe sich auf Bundesverfassungsrecht und Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 20, 21 und 28 des
Grundgesetzes sowie auf das Urteil zur Sperrklausel bei
Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein (BVerfGE 120,
82 ff.). Diese Argumente seien ohne weiteres auf Bundes-
tagswahlen zu übertragen. Weiter trägt der Einspruchsführer
vor, das Wahlrecht sei bisher nur im Hinblick auf den „staats-
rechtlichen Teil des Grundgesetzes“, nämlich Artikel 38 Ab-
Wahl „ausgeschlossen“ worden seien, seien „geeignet, den
politischen Pluralismus in Deutschland nicht aufkommen zu

Wahl), 4. (Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperr-
klausel und 5. (Änderung des Wahlrechts) thematisierten

Drucksache 17/6300 – 50 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Fragen liegen dem Wahlprüfungsausschuss folgende Stel-
lungnahmen des Bundesministeriums des Innern bzw. des
Bundeswahlleiters vor, die dem Einspruchsführer zur Kennt-
nis gegeben worden sind:

Zu 1.: Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit von Über-
hangmandaten hat das Bundesministerium des Innern im
Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom
10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) unter Bezugnahme auf
seine bisherige Rechtsprechung Überhangmandate, die ohne
Verrechnung angefallen oder ohne Ausgleichsmandate zuge-
teilt würden, grundsätzlich für verfassungsgemäß erachtet.
Sie seien – so das Bundesverfassungsgericht – notwendige
Folge des besonderen Charakters der personalisierten Ver-
hältniswahl. Das Bundesverfassungsgericht habe damit das
Überhangmandat verfassungsrechtlich anerkannt, „auch
wenn sich darauf eine Mehrheit im Bundestag und die Wahl
einer Bundesregierung gründen sollte“ (BVerfGE 95, 335,
358). Der Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhält-
niswahl lasse allerdings nach Auffassung des Bundesverfas-
sungsgerichts (BVerfGE 95, 335, 365) eine durch Zuteilung
von Überhangmandaten bewirkte Differenzierung des Ge-
wichts der für die Parteien abgegebenen Stimmen nicht un-
begrenzt zu. Das Fünf-Prozent-Quorum, das bei der Sitz-
zuteilung den rechtlichen Rahmen für einen schonenden
Ausgleich zwischen parteibezogener Wahlgleichheit und
Funktionsfähigkeit des Parlaments biete, könne – bezogen
auf die reguläre Gesamtzahl der Parlamentssitze – „als An-
halt dienen, nach dem der Abweichung von den Prinzipien
der hälftigen Zusammensetzung des Bundestages nach
Wahlkreis- und nach Listenmandaten und der proportionalen
Verteilung der Sitze nach dem Ergebnis für die Parteien ab-
gegebenen (Zweit)stimmen eine Grenze gesetzt“ sei
(BVerfGE 95, 335, 366). Diese Grenze sei auch bei der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag mit Blick auf die angefallenen
24 Überhangmandate bei insgesamt 598 regulär zu verge-
benden Parlamentssitzen nicht überschritten worden.

In seinem Urteil zum sogenannten negativen Stimmgewicht
vom 3. Juli 2009 habe das Bundesverfassungsgericht auf die
Ausführungen zu Überhangmandaten in seinem Urteil vom
10. April 1997 Bezug genommen (BVerfGE 121, 266, 274).
Es habe dem Gesetzgeber aufgegeben, den Regelungskom-
plex, der zum Auftreten des negativen Stimmgewichts füh-
ren könne, bis spätestens zum 30. Juni 2011 zu ändern. An-
gesichts dieses Handlungsauftrags an den Gesetzgeber habe
das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18. Fe-
bruar 2009 – 2 BvC 6/03 – sowie zwei weiteren Beschlüssen
vom 26. Februar 2009 – 2 BvC 1/04 und 2 BvC 6/04 – drei
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag
gerichtete Wahlprüfungsbeschwerden, mit denen unter ande-
rem die Zuteilung von Überhangmandaten als verfassungs-
widrig gerügt worden waren, als erledigt angesehen. Es müs-
se, so das Bundesverfassungsgericht, wegen Fehlen des öf-
fentlichen Interesses nicht mehr entschieden werden, ob das
Bundeswahlgesetz insoweit gegen Artikel 38 GG verstoße,
als es die Zuteilung von Überhangmandaten ohne Verrech-
nung oder Ausgleich zulasse, weil es die streitbefangenen
wahlrechtlichen Regelungen bereits wegen des negativen

sungsmäßigkeit der Mandatsverteilung auf der Grundlage
des neuen Regelungskomplexes zu beurteilen.

Zu 4.: Zur Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperr-
klausel hat das Bundesministerium des Innern im Wesentli-
chen wie folgt Stellung genommen:

Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Recht-
sprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag die in § 6
Absatz 6 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene
Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl.
BVerfGE 122, 304, 314 f.; 120, 82, 109 ff.; 95, 408, 417 ff.;
95, 335, 366; 82, 322, 337 ff.; 51, 222, 235 ff.; 6, 84, 92 ff.;
4, 31, 39 ff.; 1, 208, 247 ff.). Entsprechendes habe es zuletzt
mit Beschluss vom 15. Januar 2009 entschieden. Mit diesem
Beschluss sei eine gegen die Gültigkeit der Wahl zum
15. Deutschen Bundestag gerichtete Wahlprüfungsbe-
schwerde als erledigt angesehen worden, unter anderem weil
sich die vom Beschwerdeführer als verfassungswidrig ge-
rügte, sitzverteilungsrelevante Fünf-Prozent-Sperrklausel
auf eine Wahlrechtsnorm gründe, deren Verfassungsmäßig-
keit wiederholt festgestellt worden sei. Das öffentliche Inte-
resse stehe daher auch insoweit einer Beendigung des Ver-
fahrens ohne Entscheidung zur Sache nicht entgegen (vgl.
BVerfGE 122, 304, 314 f.).

Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Fe-
bruar 2008 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel im schleswig-holsteinischen Kommunalwahl-
gesetz (BVerfGE 120, 82 ff.) ergebe sich nichts Gegenteili-
ges. Diese Entscheidung beziehe sich unter eingehender Wür-
digung der Ausgestaltung des Kommunalverfassungsrechts
in Schleswig-Holstein (vgl. BVerfGE 120, 82, 115 bis 122)
auf eine zur Funktionsfähigkeit von Kommunalvertretungen
statuierte Fünf-Prozent-Sperrklausel, deren Erforderlichkeit
nicht ohne weiteres – wie das Bundesverfassungsgericht her-
vorhebe (BVerfGE 120, 82, 111 f.) – aus der Erforderlichkeit
der Fünf-Prozent-Sperrklauseln für Bundestags- oder Land-
tagswahlen hergeleitet werden könne. Entsprechendes gelte
für das Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt
Bremen vom 14. Mai 2009 betreffend die Frage der verfas-
sungsrechtlichen Zulässigkeit der Wiedereinführung der
Fünf-Prozent-Sperrklausel für die Wahl zur Stadtverordne-
tenversammlung der Stadt Bremerhaven.

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfassungsrecht-
lich daher nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu
vergebenden Sitze auf die Landeslisten grundsätzlich nur die
Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf vom Hun-
dert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen
erhalten hätten (§ 6 Absatz 6 Satz 1, Alternative 1 BWG). Im
Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundesta-
ges habe der Wahlgesetzgeber an der auf das gesamte Wahl-
gebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der
Wahl zum 2. Deutschen Bundestag 1953 gelte, festgehalten.
Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht
betont (vgl. BVerfGE 51, 222, 236) – nicht nur das Ziel, eine
Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der
Wählerschaft vorhandenen politischen Meinungen darstelle,
sondern sie solle auch ein funktionsfähiges Organ hervor-
bringen. Hierfür seien klare und ihrer Verantwortung für das
Stimmgewichts für verfassungswidrig erklärt habe. Nach
Änderung des Bundeswahlgesetzes sei die Frage der Verfas-

Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in einer Volksvertretung
für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehr-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51 – Drucksache 17/6300

lich, die durch einen unbegrenzten Proporz nicht gewährleis-
tet seien.

Zu 5.: Zur Frage der Verfassungswidrigkeit des Wahlrechts
hat das Bundesministerium des Innern im Wesentlichen wie
folgt Stellung genommen:

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom
3. Juli 2008 zum sogenannten negativen Stimmgewicht
(BVerfGE 121, 266 ff.) dem Gesetzgeber aufgegeben, den
Regelungskomplex, der zum Auftreten des negativen
Stimmgewichts führen könne, bis spätestens zum 30. Juni
2011 zu ändern. Es sei dem Gericht unangemessen erschie-
nen, im Hinblick auf die hohe Komplexität des Regelungs-
auftrags angesichts der verschiedenen Regelungsalterna-
tiven mit ihren spezifischen Auswirkungen auf das Wahl-
recht und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Fristen
zur Vorbereitung einer Bundestagswahl dem Gesetzgeber
aufzugeben, das Wahlrecht rechtzeitig vor Ablauf der
16. Wahlperiode zu ändern (vgl. BVerfGE 121, 266, 315 f.).
Das reguläre Gesetzgebungsverfahren hätte – so das Bun-
desverfassungsgericht (BVerfGE 121, 266, 316) – in diesem
Fall spätestens im April 2009 abgeschlossen sein müssen,
damit das neue Recht bei den Vorbereitungen zur Wahl des
17. Deutschen Bundestages hätte berücksichtigt werden
können. Ein derart kurzer Zeitraum hätte die Gefahr gebor-
gen, dass die Alternativen nicht in der notwendigen Weise
hätten bedacht und erörtert werden können. Demgegenüber
hätte – so das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE, ebenda) –
ausnahmsweise hingenommen werden können, „dass die
Sitze im kommenden Bundestag – wie in den vergangenen
Jahrzehnten – noch nach § 7 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung
mit § 6 Absatz 4 und 5 BWG zugeteilt werden“.

Hinsichtlich des Inhalts der Stellungnahmen des Bundes-
wahlleiters zu 3. (Nichtanerkennung der politischen Vereini-
gungen „Die Grauen“ und „Die Partei“ als Partei sowie
Nichtzulassung einer Landesliste der „Freien Union“ wird
auf den Inhalt der Akten sowie auf die Darstellung in den
Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlage 5 („Die Grauen“),
Anlage 18 („Die Partei“) und Anlage 31 sowie 17/4600, An-
lagen 25 und 37 („Freie Union“) Bezug genommen.

Der Einspruchsführer hat darauf mit Schreiben, die dem
Wahlprüfungsausschuss am 19., 22. und 26. Juli 2010 zuge-
gangen sind, seinen Vortrag vertieft und erweitert. Er trägt
unter anderem vor, das Wahlrecht sei verfassungswidrig,
weil es gegen „das Volkssouveränitätsprinzip in Verbindung
mit der allgemeinen bürgerlichen Handlungsfreiheit“ versto-
ße und nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip übereinstimme.
Außerdem hat der Einspruchsführer dem Wahlprüfungsaus-
schuss zahlreiche E-Mails und Faxe verschiedensten Inhalts
übermittelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß ge-
gen wahlrechtliche Vorschriften erkennen.

1. Soweit sich der Einspruchsführer gegen das Entstehen von
24 sogenannten Überhangmandaten wendet, liegt kein Wahl-

geltenden Bundestagswahlrechts. Bei den vom Einspruchs-
führer kritisierten Mandaten handelt es sich um Sitze, die
Parteien in den Wahlkreisen errungen haben und die ihnen
gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann verbleiben,
wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten ab-
gegebenen Zweitstimmen ermittelte Mandatszahl überstei-
gen. Für diesen Fall sieht das Gesetz eine Erhöhung der
Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Un-
terschiedszahl ohne weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5
Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfassungs-
gericht, wie das Bundesministerium des Innern in seiner
Stellungnahme darlegt, in seinem Urteil vom 10. April 1997
(BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für verfassungsgemäß
erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsge-
richt aus einem anderen Grund aufgegebenen Änderung des
Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Urteil vom
3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber
über die Berechnung der Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen
neu entscheiden.

2. Der Rüge des Einspruchsführers, ungültige Stimmen seien
mitgezählt worden und in das Gesamtergebnis eingeflossen,
lässt sich kein Verstoß gegen geltendes Bundestagswahlrecht
entnehmen. Soweit er mit seinem Vortrag aussagen möchte,
dass die Anzahl der von Wahlberechtigten abgegebenen un-
gültigen Stimmen vom Wahlvorstand ermittelt und auch in
der Niederschrift des Ergebnisses festgehalten wurde, ent-
spricht dies geltendem Recht. Gemäß § 67 Nummer 3 und 4
der Bundeswahlordnung (BWO) gehört zu dem vom Wahl-
vorstand ermittelten Wahlergebnis im Wahlbezirk auch die
Anzahl der ungültigen Erst- und Zweitstimmen, die in der
Niederschrift nach dem Muster der Anlage 29 zur BWO
jeweils in einer eigenen Spalte („Ungültige Erstimmen“,
„Ungültige Zweitstimmen“) zu vermerken ist. Auswirkun-
gen auf die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag entfalten
die ungültig abgegebenen Stimmen hingegen nicht. Auch bei
der Berechnung des für die Teilnahme an der Verteilung der
Sitze auf die Landeslisten gemäß § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG
notwendigen Quorums von fünf Prozent der im Wahlgebiet
abgegebenen gültigen Stimmen (sogenannte Fünf-Prozent-
Klausel) werden die ungültigen Stimmen nach dem klaren
Wortlaut der Norm nicht berücksichtigt. Der – nicht näher er-
läuterte – Vorwurf des Einspruchsführers, das Zählverfahren
stärke die sogenannten Volksparteien und benachteilige klei-
nere Parteien, ist daher aus Sicht des Wahlprüfungsausschus-
ses unzutreffend und nicht nachvollziehbar.

3. Soweit der Einspruchsführer sich dagegen wendet, dass
„Die Grauen“, „Die Partei“ und die „Freie Union“ von der
Teilnahme an der Wahl „ausgeschlossen“ worden seien, lässt
sein Vorbringen ebenfalls keinen Wahlfehler erkennen. Sein
Vortrag beschränkt sich in dieser Hinsicht auf die Behaup-
tung, die Gründe hierfür seien „fadenscheinig“ und „nicht
haltbar“. Konkrete Tatsachen oder rechtliche Argumente, die
geeignet wären, diese Behauptung nachvollziehbar zu bele-
gen, trägt der Einspruchsführer nicht vor. Die fehlende Sub-
stanz dieses von ihm angeführten Einspruchsgrunds zeigt
sich auch daran, dass er pauschal und ohne Differenzierung
zwei unterschiedliche Sachverhalte, nämlich die Nichtfest-
stellung der Parteieigenschaft der politischen Vereinigungen
„Die Grauen“ und „Die Partei“ gemäß § 18 Absatz 4 Num-
mer 2 BWG einerseits und die Nichtzulassung der Landes-
fehler vor. Die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bun-
destag folgt vielmehr aus einer zutreffenden Anwendung des

liste der – als Partei anerkannten – „Freien Union“ in Bayern
gemäß § 28 BWG andererseits, rügt. Die Wahlprüfung er-

Drucksache 17/6300 – 52 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

folgt jedoch weder von Amts wegen, noch findet sie stets in
Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl statt. Gemäß
§ 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG erfolgt sie vielmehr nur auf Ein-
spruch, der zu begründen ist. Die Begründung muss mindes-
tens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird,
erkennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen für
eine Nachprüfung enthalten (BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271,
276; 85, 148, 159 f.; 89, 291, 304 f.). Wahlbeanstandungen,
die, wie hier, über nicht belegte Vermutungen oder die bloße

gericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer
Ausgestaltung durch das BWG in ständiger Rechtsprechung,
zuletzt durch Beschluss vom 15. Januar 2009 (BVerfGE 122,
304, 314 f. mit weiteren Nachweisen) – und damit zeitlich
nach seiner Entscheidung vom 13. Februar 2008 zur Unzu-
lässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Kommunal-
wahlen in Schleswig-Holstein (BVerfGE 120, 82) – bestätigt
hat. Weder aus diesem vom Einspruchsführer genannten Ur-
teil des Bundesverfassungsgerichts noch aus dem von ihm
Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinaus-
gehen und einen konkreten Tatsachenvortrag nicht enthalten,
sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt
Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39,
17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils
mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369,
379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auf-
lage, 2009, § 49 Rn. 24).

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Deutsche Bun-
destag im Rahmen von – oben bereits erwähnten – anderen
Wahlprüfungsverfahren festgestellt hat, dass sowohl die
Nichtanerkennung als Partei der Vereinigungen „Die Partei“
und „Die Grauen – Generationspartei“ (vgl. Bundestags-
drucksache 17/3100, Anlagen 5 und 18) als auch die Nicht-
zulassung einer Landesliste der „Freien Union“ (vgl. Bun-
destagsdrucksachen 17/3100, Anlage 31 und 17/4600, Anla-
gen 25 und 37) dem geltenden Wahlrecht entsprach.

4. Soweit der Einspruchsführer die Verfassungswidrigkeit
der Fünf-Prozent-Sperrklausel gemäß § 6 Absatz 6 Satz 1
BWG, wonach Parteien, die das dort vorgesehene Quorum
von mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen oder drei Di-
rektmandaten nicht erreicht haben, bei der Verteilung der Sit-
ze auf die Landeslisten nicht berücksichtigt werden, geltend
macht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger
Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Ver-
fassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvor-
schriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. zu-
letzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15,
17 bis 20, 23 und 24 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30,
32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43
mit weiteren Nachweisen). Allerdings hat der Wahlprüfungs-
ausschuss in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen kei-
nen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der
Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14; 17/3100,
Anlagen 13, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anla-
gen 31, 32, 36, 40, 42, 43), zumal das Bundesverfassungs-

zitierten Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt
Bremen vom 14. Mai 2009 zur verfassungsrechtlichen Un-
zulässigkeit der Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Sperr-
klausel für die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der
Stadt Bremerhaven ergibt sich daher eine Neubewertung der
Zulässigkeit der Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen
Bundestag, wie das Bundesministerium des Innern in seiner
Stellungnahme zutreffend darlegt.

5. Es ist auch kein Wahlfehler darin zu sehen, dass der Ge-
setzgeber das Bundeswahlgesetz nicht noch vor der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag geändert hat. Unabhängig
von der Frage, ob dies eventuell möglich gewesen wäre, war
er nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
hierzu jedenfalls nicht verpflichtet. Denn in dem Urteil vom
3. Juli 2008, auf das sich der Einspruchsführer vermutlich
bezieht, hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber
zwar aufgegeben, den Regelungskomplex, der zum Auftre-
ten des sogenannten negativen Stimmgewichts führen kann,
zu ändern. Wie das Bundesministerium des Innern zutref-
fend darlegt, hat das Bundesverfassungsgericht hierfür je-
doch eine Frist bis zum 30. Juni 2011 gesetzt und zugleich
ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im
17. Deutschen Bundestag nach den bestehenden gesetzli-
chen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121, 266, 315 f.).
Dies hat es damit begründet, dass der dem Gesetzgeber von
Verfassungs wegen zustehende Gestaltungsspielraum aus-
reichend Zeit fordere, um die verschiedenen Regelungsalter-
nativen und deren Auswirkungen auf das Wahlrecht ange-
messen zu berücksichtigen und zu gewichten. Zudem müsse
das Gesetzgebungsverfahren so rechtzeitig (vor der nächsten
Wahl) abgeschlossen sein, dass sich die Parteien bei der Auf-
stellung ihrer Kandidaten auf die neue Regelungslage ein-
stellen können (a. a. O., S. 315 f.). Daher hat es das Bundes-
verfassungsgericht im Hinblick auf die hohe Komplexität
des Regelungsauftrags und unter Berücksichtigung der ge-
setzlichen Fristen zur Vorbereitung einer Bundestagswahl
für unangemessen erachtet, dem Gesetzgeber aufzugeben,
das Wahlrecht noch vor Ablauf der 16. Wahlperiode zu än-
dern (a. a. O., S. 316).

gesehen hätten. Ein ihm bekannter Wähler habe seinen Na-
men erst „beim zweiten Hinsehen“ entdeckt, eine weitere

(§ 30 Absatz 3 Satz 4 BWG), also die Wahlvorschläge von
Parteien, die keine eigenen Landeslisten aufgestellt hätten,
Der Kreiswahlleiter hat der Einspruchsschrift das Muster ei-
nes Stimmzettels aus dem Wahlkreis 288 beigefügt. Der
Wahlvorschlag des Einspruchsführers findet sich hier in der

vorschläge auf den Stimmzetteln seien auch verfassungsge-
mäß. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung des Bun-
des wie der Länder (vgl. Bundesverfassungsgericht, Be-
Wählerin habe seinen Namen gar nicht gesehen. Auch wei-
tere Personen hätten ihm mitgeteilt, dass sie ihn nicht ge-
wählt hätten, weil sie ihn auf dem Stimmzettel nicht gefun-
den hätten. Seiner Meinung nach sei eine Wahl für ungültig
zu erklären, wenn auch nur ein Wähler seinem Wahlrecht
„aufgrund von fragwürdigen Wahlzetteln nicht ordnungs-
gemäß nachkommen“ könne.

Seinem zweiten Schreiben hat der Einspruchsführer die
schriftliche Erklärung einer Wählerin beigefügt, in der diese
mitteilt, sie habe den Einspruchsführer wählen wollen, je-
doch erst beim Zusammenfalten des Stimmzettels gesehen,
dass sein Name „ganz unten nach vielen leeren Zeilen“ ge-
standen habe. Da sei es jedoch „zu spät“ gewesen, um ihn zu
wählen. Anderen Personen sei es ebenso gegangen.

sowie andere Wahlvorschläge im Sinne des § 20 Absatz 3
Satz 1 BWG (unabhängige Einzelkandidaten bzw. Kandida-
ten von Wählervereinigungen). Der Anschluss werde mit der
Maßgabe vollzogen, dass in der linken Hälfte des Stimmzet-
tels für die Wahl nach Kreiswahlvorschlägen gegebenenfalls
zunächst Felder auf der Ebene der Landeslisten von Parteien
unbesetzt und damit leer blieben, die in dem betreffenden
Wahlkreis keinen Kreiswahlvorschlag eingereicht hätten
(sog. Leernummern). Die im Wahlkreis Waldshut verwende-
ten Stimmzettel bei der Bundestagswahl 2009 hätten – wie
die Stimmzettel für alle anderen Wahlkreise bei dieser
Wahl – den genannten gesetzlichen Anforderungen Rech-
nung getragen.

Die gesetzlichen Bestimmungen zur Reihenfolge der Wahl-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 53 – Drucksache 17/6300

Anlage 12

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. G., 79802 Dettighofen-Baltersweil
– Az.: WP 37/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Kreiswahlleiter des Wahlkreises Waldshut
gerichteten Schreiben vom 30. September 2009, das nach
Weiterleitung am 8. Oktober 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009 eingelegt und seine Begründung mit
Schreiben vom 27. November 2009, beim Bundestag einge-
gangen am 1. Dezember 2009, ergänzt.

Der im Wahlkreis 288 (Waldshut) als parteiunabhängiger
Bewerber zur Wahl angetretene Einspruchsführer macht die
Benachteiligung von Einzelbewerbern durch die Gestaltung
des Stimmzettels geltend.

Der Einspruchsführer trägt im Wesentlichen vor, die in § 30
des Bundeswahlgesetzes (BWG) festgelegte Reihung der
Wahlvorschläge verstoße gegen das verfassungsrechtliche
Gebot der Gleichbehandlung der Einzelbewerber. Er sei „er-
wiesenermaßen in vielen Fällen nicht gewählt worden“, weil
Wähler seinen Namen, der nach neun Leerfeldern an letzter
Stelle auf' dem Stimmzettel abgedruckt gewesen sei, nicht

rend sich in Zeile 1 bis 17 der rechten Spalte Listenwahlvor-
schläge finden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen

Zu diesem Wahleinspruch hat das Bundesministerium des
Innern wie folgt Stellung genommen:

Nach § 30 Absatz 3 Satz 3 BWG richte sich die Reihenfolge
der Kreiswahlvorschläge auf dem Stimmzettel nach der Rei-
henfolge der entsprechenden Landeslisten, die sich ihrerseits
zunächst nach der Zahl der Zweitstimmen richte, die die
Landeslisten bei der letzten Bundestagswahl im Land er-
reicht hätten (§ 30 Absatz 3 Satz 1 BWG), an die sich die üb-
rigen Landeslisten in alphabetischer Reihenfolge der Namen
der Parteien anschlössen (§ 30 Absatz 3 Satz 2 BWG). Die
von § 30 Absatz 3 Satz 3 BWG in Bezug genommenen
Kreiswahlvorschläge seien die Vorschläge von Parteien
(§ 21 BWG), die eigene Landeslisten aufgestellt haben. Da-
mit werde sichergestellt, dass die Wahlvorschläge jeder Par-
tei auf der gleichen Ebene des Stimmzettels zu finden seien.
An die Kreiswahlvorschläge nach § 30 Absatz 3 Satz 3
BWG schlössen sich die sonstigen Kreiswahlvorschläge an
linken Spalte am Ende des Stimmzettels in Zeile 18. In dieser
Spalte sind ansonsten die Zeilen 1 bis 6 und 16 belegt, wäh-

schluss vom 6. Oktober 1970, BVerfGE 29, 154, 164;
Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 26. Januar

Drucksache 17/6300 – 54 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1995, ESVGH 46, 1, 4 und Beschluss vom 29. Januar 1993,
NVwZ-RR 1993, 654, 656 sowie Bayerischer Verfassungs-
gerichtshof, Entscheidung vom 2. Februar 1984, VerfGH 37,
19, 24) habe seit jeher der Reihenfolge der Wahlvorschläge
auf dem Stimmzettel kein wahlentscheidendes oder wahlbe-
einflussendes Gewicht beigemessen. Für die Ausgestaltung
der Reihenfolge von Wahlvorschlägen, die als Ordnungsvor-
schrift der reibungslosen Durchführung des Wahlverfahrens
diene, seien unterschiedliche Formen denkbar (Staatsge-
richtshof des Landes Hessen, Beschluss vom 29. Januar
1993, NVwZ- RR 1993, 654, 657). Nach der verfassungsge-
richtlichen Rechtsprechung sei es daher Aufgabe des Ge-
setzgebers, darüber zu entscheiden, welche Reihenfolge
zweckmäßig und geeignet sei, um den Anschein einer sach-
fremden Differenzierung zu vermeiden (vgl. Bundesverfas-
sungsgericht, Beschluss vom 30. Mai 1961, BVerfGE 13, 1,
19; Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 26. Ja-
nuar 1995, ESVGH 46, 1, 8 f. sowie Bayerischer Verfas-
sungsgerichtshof, Entscheidung vom 2. Februar 1984,
VerfGH 37, 19, 24). Die gesetzgeberische Entscheidung, die
Reihenfolge von Wahlvorschlägen nach ihrem Erfolg bei der
letzten Wahl auszurichten, sei unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten nicht beanstandet worden (Bundesverfas-
sungsgericht, Beschluss vom 30. Mai 1961, BVerfGE 13, 1,
19; Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Beschluss vom
29. Januar 1993, NVwZ-RR 1993, 654, 657; Bayerischer
Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 2. Februar 1984,
VerfGH 37, 19, 23).

Vor diesem Hintergrund unterlägen die – sachgerechten und
objektivierten – Kriterien des § 30 Absatz 3 BWG zur Rei-
henfolge der Wahlvorschläge keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufla-
ge, 2009, § 30 Rn. 4 sowie Morlok, in: Dreier (Hrsg.),
Grundgesetz, 2. Auflage, 2006, Artikel 38 Rn. 103). Insbe-
sondere sei es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen
nicht verwehrt, die Reihenfolge von Kreiswahlvorschlägen
ggf. unter Verwendung von Leernummern gemäß § 38 Satz 2
der Bundeswahlordnung (BWO) bekanntzumachen und ent-
sprechend auf dem Stimmzettel auszuweisen. Der Gesetzge-
ber wolle mit dieser Entscheidung dem Eindruck entgegen-
wirken, dass sonstige Kreiswahlvorschläge Parteien zuge-
rechnet würden, die Landeslisten eingereicht hätten. Dieses
Anliegen sei sachgerecht und verfassungsrechtlich legitim.
Ebenso sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
dass der Gesetzgeber das Abschneiden bei der letzten Wahl
nach (Zweit-) Stimmen als Anknüpfungspunkt nur für die
Reihenfolge der Landeslisten wähle, sonstige Kreiswahlvor-
schläge hingegen generell alphabetisch reihe. Denn das Kri-
terium des Erfolgs bei der letzten Wahl entfalte gerade seine
besondere Bedeutung im Zusammenhang mit den Landeslis-
ten.

Soweit geltend gemacht werde, durch die Gestaltung des
Stimmzettels seien andere Kreiswahlvorschläge als die von
Parteien nicht (ausreichend) wahrnehmbar, sei darauf zu ver-
weisen, dass der durch das Grundgesetz geformte demokra-
tische Staat von Leitbild des mündigen, verständigen und
sein Wahlrecht verantwortungsbewusst ausübenden Wahl-
bürgers ausgehe (vgl. Verfassungsgerichtshof Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 18. September 2006, AS RP/SL 33, 311,
313; Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom

19, 24). Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz habe
hierzu ausgeführt, dass es mit ihrer Rolle als Souverän nicht
zu vereinbaren sei, wenn die Wählerinnen und Wähler die
Erfassung des Inhalts des gesamten Stimmzettels nicht als in
ihrer Verantwortung liegende Aufgabe verstünden und inso-
weit ganz nahe liegende Überlegungen vernachlässigten.
Von dem mündigen und aufgeschlossenen Durchschnitts-
wähler sei zu fordern, dass er seine Stimme für den Direkt-
kandidaten oder die Liste abgebe, die er nach eigenem Ent-
schluss wählen wolle, ohne sich dabei durch die Äußerlich-
keit des Stimmzettels desorientieren zu lassen (Urteil vom
18. September 2006, AS RP/SL 33, 311, 313). Diesem Leit-
bild würden Wähler nicht gerecht, die vorgäben, andere als
von Parteien eingereichte Kreiswahlvorschläge auf dem
Stimmzettel nicht auffinden zu können. Das gelte umso
mehr, als die zugelassenen Kreiswahlvorschläge nach § 26
Absatz 3 BWG in Verbindung mit §§ 38 Satz 1 und 86 Ab-
satz 1 BWO vom Kreiswahlleiter spätestens am 48. Tag vor
der Wahl öffentlich bekannt zu machen seien, und zwar in
der Reihenfolge, wie sie der Stimmzettel ausweisen werde.
Der mündige Wähler habe also die Möglichkeit, auch nicht
von Parteien eingereichte Kreiswahlvorschläge im Vorfeld
der Wahl zur Kenntnis zu nehmen und darauf seine spätere
Wahlentscheidung zu gründen, worauf auch das Bundesver-
fassungsgericht – in anderem Zusammenhang – hingewiesen
habe (BVerfGE 7, 63, 71; BVerfG 47, 253, 280 f.).

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekanntgege-
ben worden. Er hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass
er die Gesetzeslage kenne, aber der Ansicht sei, dass sie ver-
fassungswidrig sei.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen. Er bestreitet nicht, dass die von ihm kritisierte Rei-
henfolge der Kreiswahlvorschläge auf dem Stimmzettel des
Wahlkreises 288 den Vorgaben des § 30 Absatz 3 BWG – die
das Bundesministerium des Innern in seiner Stellungnahme
dargestellt hat – entspricht. Soweit der Einspruchsführer gel-
tend macht, § 30 Absatz 3 BWG sei verfassungswidrig, weil
parteilose Bewerber benachteiligt würden, ist zunächst
darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und
der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen
eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der
für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen.
Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungs-
gericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdruck-
sachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5
und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24;
17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren
Nachweisen). Davon abgesehen sieht der Wahlprüfungsaus-
schuss keinen Anlass für Zweifel an der Vereinbarkeit des
§ 30 Absatz 3 BWG mit dem aus dem Grundsatz der glei-
chen Wahl aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes
folgenden Anspruch auf Chancengleichheit aller Wahlbe-
werber, wie er bereits mehrfach festgestellt hat (vgl. zuletzt
26. Januar 1995, ESVGH 46, 1, 4; Bayerischer Verfassungs-
gerichtshof, Entscheidung vom 2. Februar 1984, VerfGH 37,

Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 45, 16/3600; An-
lage 34; 16/5700, Anlage 21). Denn aus der Platzierung nach

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/6300
Wahlperiode – 55 – D

den Wahlvorschlägen von Parteien, die Landeslisten einge-
reicht haben, folgt keine rechtsrelevante Beeinträchtigung
der Wahlchancen von unabhängigen Kandidaten. Es ist
davon auszugehen, dass sich die Wähler bei ihrer Wahlent-
scheidung regelmäßig nicht an der Reihenfolge der Wahl-
vorschläge auf dem Stimmzettel orientieren, sondern an den
jeweils verfolgten Zielen der Parteien und Kandidaten (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/5700, Anlage 21 mit weiteren
Nachweisen). Das Vorbringen des Einspruchsführers, sein
Name sei für viele Wähler nicht zu entdecken gewesen, kann
der Wahlprüfungsausschuss nach Inaugenscheinnahme des
– das Format DIN A4 nur geringfügig überschreitenden –
Stimmzettels für den Wahlkreis 288 nicht nachvollziehen,
zumal sich vor dem Namen des Einspruchsführers keines-
wegs, wie von ihm behauptet, „neun Leerfelder“ befanden,
sondern er nur durch ein einziges Leerfeld von dem Namen
des Wahlkreisbewerbers der ÖDP getrennt war.

der 200 erforderlichen lediglich 21 Unterstützungsunter-
schriften mit eingereicht hatte. Die hiergegen eingelegte Be-

Wegen der Einzelheiten der vom Einspruchsführer über-
sandten Dokumente wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen.
einen Kreiswahlausschuss für die Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag am 27. September 2009 vom 6. August 2009. Bei
den in Bezug genommenen Seiten 12 und 13 handelt es sich

ben worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert.
schwerde des Einspruchsführers wurde vom Landeswahl-
ausschuss in seiner Sitzung vom 6. August 2009 zurückge-
wiesen.

Die Einspruchsschrift des Einspruchsführers lautet in dieser
Hinsicht: „Grundlage und Begründung siehe Anlage Blatt
0–54 (55 Seiten). Wesentliche Gründe: Seite 5, Punkt 1/2/3,
Seite 6, Punkt 1/2, Seite 8, Punkt 1 – Ablehnung als nationale
Minderheit – Seite 10, Ablehnung der Begründung „Schwei-
negrippe“ als Ersatz f. fehlende Unterstützungsunterschrif-
ten, Seite 12 u. 13 komplett, Seite 21–54 komplett“.

Die vom Einspruchsführer in Bezug genommenen Seiten 5,
6, 8 und 10 sind Bestandteil der Niederschrift des Landes-
wahlausschusses zur Entscheidung über die Beschwerde ge-
gen die Zurückweisung eines Kreiswahlvorschlags durch

Die Landeswahlleiterin des Freistaates Sachsen hat zu dem
Einspruch die Niederschrift über die Sitzung des Kreiswahl-
ausschusses im Wahlkreis 160 vom 31. Juli 2009 übersandt
und mitgeteilt, dass der Kreiswahlvorschlag des Einspruchs-
führers durch den Kreiswahlausschuss aufgrund einer nicht
ausreichenden Anzahl von Unterstützungsunterschriften zu-
rückgewiesen wurde. Die hiergegen erhobene Beschwerde
an den Landeswahlausschuss sei in dessen Beschwerdesit-
zung am 6. August 2009 zurückgewiesen worden. Die in der
Wahlprüfungsbeschwerde vorgetragenen Gründe des Ein-
spruchsführers seien bereits Inhalt der Entscheidung des
Landeswahlausschusses gewesen.

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer bekannt gege-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 57 – Drucksache 17/6300

Anlage 13

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn D. V., 01169 Dresden
– Az.: WP 43/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 12. Oktober 2009 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt und seine Einspruchsbegründung mit Schreiben vom
21. Oktober 2009, das beim Wahlprüfungsausschuss am
22. Oktober 2009 eingegangen ist, erweitert.

Der Einspruchsführer beanstandet die Veröffentlichung von
Wahlergebnissen in der Presse, weil diese seiner Auffassung
nach durch die „Gliederung bis zur Straße“ das Wahlgeheim-
nis verletzten. Hierzu hat er Auszüge aus einer sächsischen
Zeitung übersandt, die am 30. September 2009 die nach
Wahlbezirken aufgeschlüsselten Erst- und Zweitstimmener-
gebnisse der Wahlkreise 160 und 161 veröffentlichte (1.).

Außerdem wendet sich der Einspruchsführer unter Übersen-
dung eines umfangreichen Schriftenkonvoluts gegen die
Nichtzulassung seines Kreiswahlvorschlags als Einzelbe-
werber im Wahlkreis 160 (Dresden I) (2.). Dieser war vom
Kreiswahlausschuss zurückgewiesen worden, weil er statt

Seiten 21 bis 54 bestehen aus zahlreichen handschriftlichen
und maschinenschriftlichen Schreiben, kopierten Zeitungs-
artikeln sowie Auszügen aus Lexika und anderen Büchern.

Dem Ganzen lässt sich entnehmen, dass der Einspruchsfüh-
rer im Wahlzulassungsverfahren geltend gemacht hat, das
Erfordernis von 200 Unterstützungsvorschriften gelte für ihn
nicht, da er zur „nationalen Minderheit DDR Deutsche“ ge-
höre. Jedenfalls sei er durch Folgendes an der Einholung von
Unterstützungsunterschriften gehindert worden:

– „Missbrauch der parlamentarischen-repräsentativen De-
mokratie“ durch den Ministerpräsidenten des Landes
Schleswig-Holstein

– „Kriegseintritt der BRD in Afghanistan ohne Zustim-
mung Bundestag und Verherrlichung dieses Krieges“

– „Volksverhetzung gegen ehemalige „DDR-Deutsche“ “

– „Ansteckungsgefahr Schweinegrippe beim Einholen der
Unterstützerunterschriften“.
um die Begründung der Beschwerde des Einspruchsführers
gegen die Nichtzulassung seines Kreiswahlvorschlags. Die

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Drucksache 17/6300 – 58 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keine Verletzung
wahlrechtlicher Vorschriften erkennen.

1. Soweit der Einspruchsführer die Veröffentlichung von
Wahlergebnissen in der Presse moniert, handelt es sich aus-
weislich der von ihm übersandten Zeitungsartikel um die Er-
gebnisse der einzelnen Wahlbezirke in den Wahlkreisen 160
und 161. Diese umfassten, wie sich ebenfalls aus den über-
sandten Auszügen ergibt, zwischen 285 und 1 621 Wahlbe-
rechtigte. Eine das Wahlgeheimnis verletzende Zuordnung
der abgegebenen Stimmen auf einzelne Wahlberechtigte ist
angesichts der Größe der Wahlbezirke ausgeschlossen. Zu-
dem ist eine Bekanntgabe der Ergebnisse im Wahlbezirk in
der Bundeswahlordnung ausdrücklich vorgesehen (§ 70), so
dass auch an der Zulässigkeit der Veröffentlichung durch die
Medien keine Zweifel bestehen können.

2. Die Zurückweisung des Kreiswahlvorschlags des Ein-
spruchsführers sowie seiner Beschwerde dagegen erfolgte
ebenfalls zu Recht, denn der Wahlvorschlag war mit formel-
len Fehlern behaftet. § 20 Absatz 3 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) sieht vor, dass sogenannte andere Kreiswahlvor-
schläge von mindestens 200 Wahlberechtigten des Wahlkrei-

ses persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein müs-
sen. Diese Voraussetzungen hat der Kreiswahlvorschlag des
Einspruchsführers nicht erfüllt. Ausnahmen hiervon sieht
das Bundeswahlgesetz jedoch nicht vor. Daher kann die aus
Sicht des Wahlprüfungsausschusses unsinnige Behauptung
des Einspruchsführers im Zulassungsverfahren, es handele
sich bei seinem Kreiswahlvorschlag um einen solchen einer
nationalen Minderheit (gemeint ist eine nationale Minderheit
„DDR-Deutsche“), das Erfordernis von 200 Unterstützungs-
unterschriften nicht entfallen lassen. Eine entsprechende
Sonderregelung gilt nur gemäß § 20 Absatz 2 Satz 3 BWG
für Kreiswahlvorschläge von Parteien von nationalen Min-
derheiten. Ein solcher liegt hier jedoch nicht vor (vgl. bereits
Bundestagsdrucksache 16/3900, Anlage 10, zu dem insoweit
gleich begründeten Einspruch des Einspruchsführers gegen
die Bundestagswahl 2005). Auch die übrigen vom Ein-
spruchsführer angeführten Gründe, die seiner Ansicht nach
die Unterstützungsunterschriften entbehrlich machen sollen,
sind unbeachtlich, wie der Landeswahlausschuss bereits im
Beschwerdeverfahren festgestellt hat. Argumente für eine
Neubewertung der Rechtslage hat der Einspruchsführer im
Wahlprüfungsverfahren nicht vorgetragen.

Darauf hat der Einspruchsführer mit Schreiben vom 8. De-
zember 2009, das am 9. Dezember 2009 eingegangen ist, er-

hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugäng-
lichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, sind deshalb als
Der Einspruch ist teilweise unzulässig (2.), im Übrigen un-
begründet (1.).

gegangen. Auf diese Frist, die vom Gesetzgeber im Rahmen
seines Regelungsauftrags gemäß Artikel 41 Absatz 3 GG im
Interesse einer raschen Klärung, ob und ggf. in welchen
widert und zunächst erklärt, er akzeptiere eine Fristsetzung
nicht, da das Grundgesetz (GG) auch keine Fristen vorsehe.
Aus seinem Schreiben geht im Weiteren hervor, dass er sich
– wie bereits in seinem Einspruch gegen die Europawahl
2009 (vgl. Bundestagsdrucksache 17/1000, Anlage 11) – da-
gegen wendet, dass der Wahlvorstand die Stimmabgabe
eines Wählers bei der Wahl im Wählerverzeichnis vermerkt.
Ergänzend regt er an, den Tatbestand des § 107c des Strafge-
setzbuches, der eine Verletzung des Wahlgeheimnisses unter
Strafe stellt, um die Kenntnisnahme, ob jemand gewählt ha-
be, zu ergänzen. Wegen der Einzelheiten seines Vortrags
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestags-
drucksachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39; 17/4600, An-
lagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils mit weiteren
Nachweisen; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148,
159; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009,
§ 49 Rn. 24).

2. Die in einem weiteren Schreiben vom 8. Dezember 2009
vorgetragene ergänzende Begründung des Einspruchsfüh-
rers, in der erstmals erkennbar wird, auf welchen Tatbestand
er seine Wahlanfechtung stützt, ist für die Wahlprüfung un-
beachtlich. Denn sie ist erst am 9. Dezember 2009, und damit
nach Ablauf der Einspruchsfrist, die gemäß § 2 Absatz 4
Satz 1 WPrüfG zwei Monate nach dem Wahltag, also am
27. November 2009, endete, beim Deutschen Bundestag ein-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59 – Drucksache 17/6300

Anlage 14

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn P. G. S., 26125 Oldenburg
– Az.: WP 44/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an die Stadtverwaltung Oldenburg gerichteten
Schreiben vom 27. September 2009, das nach Weiterleitung
am 12. Oktober 2009 beim Deutschen Bundestag eingegan-
gen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. Sep-
tember 2009 eingelegt.

In seiner Einspruchsschrift beanstandet der Einspruchsfüh-
rer, dass die Bundestagswahl „nicht geheim durchgeführt“
worden sei und „betreffend Bundesdatenschutz außerdem
gegen das Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutsch-
land“ verstoße.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 hat der Wahlprüfungs-
ausschuss den Einspruchsführer auf das Begründungserfor-
dernis gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) hingewiesen und ihm anheimgestellt, seinen Ein-
spruch vor Ablauf der Einspruchsfrist am 27. November
2009 zu konkretisieren.

1. Seiner fristgerecht eingegangenen Einspruchsschrift fehlt
es an einer substantiierten Darlegung möglicher Fehler bei
der Vorbereitung und Durchführung der Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag. Denn in dieser hat der Einspruchsführer
lediglich ohne weitere Erläuterung die seiner Ansicht nach
fehlende Geheimheit der Wahl sowie einen Verstoß gegen
den Datenschutz gerügt. Diese pauschalen Behauptungen
hat er jedoch mit keinerlei Angaben untermauert, die auch
nur im Ansatz erkennen ließen, auf welchen Aspekt der
Wahlvorbereitung oder Wahldurchführung und auf welche
konkreten Vorgänge sich sein Vorwurf bezieht. Die Wahlprü-
fung erfolgt jedoch weder von Amts wegen, noch findet sie
stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl statt.
Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG erfolgt sie vielmehr nur
auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung muss
mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt
wird, erkennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen
für eine Nachprüfung enthalten (BVerfGE 40, 11, 30; 48,
271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291, 304 f.). Wahlbeanstandun-
gen, die, wie hier, über nicht belegte Behauptungen oder die
bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht
Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen.

Punkten die Gültigkeit der Wahl in Frage steht, festgelegt
worden ist (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufla-

Drucksache 17/6300 destag – 17. Wahlperiode
– 60 – Deutscher Bun

ge, 2009, § 49 Rn. 25), ist der Einspruchsführer vom Wahl-
prüfungsausschuss auch ausdrücklich hingewiesen worden.
Es handelt sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die vom
Wahlprüfungsausschuss nicht verlängert werden kann (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksache 17/4600, Anlagen 45 bis 47).
Das „Nachschieben“ neuer Fakten zur Begründung des Ein-
spruches nach Ablauf der Einspruchsbegründungsfrist ist
daher unzulässig (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG,
8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 29, vgl. auch Bundestagsdruck-
sache 15/4250, Anlage 19).

Im Übrigen entspricht das vom Einspruchsführer in seinem
verfristeten Schreiben gerügte Verfahren den Vorgaben der
Bundeswahlordnung (vgl. insb. § 56 Absatz Satz 3 der Bun-
deswahlordnung) und verstößt nicht gegen wahlrechtliche
Vorschriften (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache 17/1000,
Anlage 11).

3. Der Anregung, das Strafgesetzbuch zu ergänzen, ist im
Rahmen der Wahlprüfung, die allein die Prüfung der Gültig-
keit der Wahl zum Gegenstand hat, ebenfalls nicht nachzuge-
hen.

mehrere Banner entfernt, auf denen sich die Aufschrift
„Gegen Müllabzocke. T. [Name des Einspruchsführers]: ses zum Beispiel in Kreisverkehren angebracht worden. Zur

Sicherung des Verkehrs hätten die Banner abgenommen
Wahlbewerber zu bewegen. Die Maßnahme müsse einen in-
haltlichen Bezug zur bevorstehenden Wahl aufweisen und
auf die Erzielung eines Wahlerfolges gerichtet sein. Die Ab-

worden, obwohl die Mitarbeiter über die Nutzungsdauer bis
zum 27. September 2009 informiert gewesen seien. Der Ein-
spruchsführer bestreitet, dass die vier Plakate den Verkehr
4 000 Euro zurück“ und Abbildungen eines Kreuzes in
schwarzem Kreis und des Symbols des grünen Punktes be-
funden hätten, weil diese in verkehrsgefährdender Weise
aufgestellt gewesen seien. Bei diesen Bannern habe es sich
nicht um Wahlwerbung gehandelt, deren Aufstellung als Pla-
katwerbung nach § 33 Absatz 1 Nummer 3 der Straßenver-
kehrsordnung (StVO) in Verbindung mit Nummer 3 und 5
des Runderlasses des Ministeriums für Verkehr, Energie und
Landesplanung und des Innenministeriums vom 8. August
2003 (MBl. NRW. 2003, S. 1010, zuletzt geändert durch
Runderlass vom 4. März 2005, MBl. NRW. 2005, S. 431) zu-
lässig gewesen wäre.

Unter Wahlwerbung sei nach ständiger Rechtsprechung jede
Maßnahme zu verstehen, die darauf abziele, den Bürger zur
Stimmabgabe für eine bestimmte Partei oder für bestimmte

werden müssen. Die Banner seien daher rechtmäßig entfernt
worden. Die Entfernung der Banner sei weder in Abstim-
mung mit den vom Einspruchsführer angesprochenen Partei-
envertretern, noch zur Ablenkung von etwaigen strafbaren
Handlungen erfolgt.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat hierauf erwidert und im Wesentlichen
vorgetragen, er habe die Plakate zur Bürgermeisterwahl am
30. August 2009 in Rees – zu der er als unabhängiger Kan-
didat angetreten sei – angebracht und danach beabsichtigt,
sie mit einem neuen Plakataufkleber „DIE LINKE.“ zu ver-
sehen. Dies sei in den einspruchsgegenständlichen vier Fäl-
len, in denen der Standort der Kontrolle durch den Landes-
betrieb unterlegen habe, durch die Demontage verhindert
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61 – Drucksache 17/6300

Anlage 15

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. T., 46459 Rees
– Az.: WP 52/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Kreiswahlleiter des Wahlkreises Kleve ge-
richteten Schreiben vom 28. September 2009, das nach Wei-
terleitung am 14. Oktober 2009 beim Deutschen Bundestag
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am
27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer, der als Sprecher des Ortsverbandes
der Partei DIE LINKE. auftritt, macht mit seiner Einspruchs-
schrift im Wesentlichen geltend, dass Vertreter von vier an-
deren Parteien vor der Wahl in Abstimmung mit einem Lan-
desbetrieb im Wahlkreis 113 (Kleve) vier Großflächenpla-
kate der Partei DIE LINKE. demontiert hätten, um von
strafbaren Handlungen abzulenken.

Die Landeswahlleiterin des Landes Nordrhein-Westfalen hat
zu diesem Wahleinspruch wie folgt Stellung genommen:

Wie der genannte Landesbetrieb mitgeteilt habe, seien keine
Wahlplakate der Partei DIE LINKE. durch Parteivertreter
demontiert worden. Der Landesbetrieb habe vielmehr selbst

Abgeordneten ins Parlament mitwirken zu wollen, müsse
sich aus der Maßnahme selbst, ohne Rückgriff auf außerhalb
von ihr gelegene Umstände und Erläuterungen, ergeben.

Die Aufschrift auf den Bannern habe keine Rückschlüsse auf
die Partei DIE LINKE. zugelassen. Die Partei sei weder auf
dem Banner benannt worden, noch habe sich ein Gesamtzu-
sammenhang mit den benachbarten Tafeln als Wahlwerbung
herstellen lassen. Die Aufschrift auf dem Banner habe kei-
nen direkten programmatischen Zusammenhang mit der Par-
tei oder dem für sie eintretenden Bewerber zugelassen. Die
Aufschrift habe keinen Bezug zur Bundestagswahl enthal-
ten, und auch nicht die Absicht erkennen lassen, für eine be-
stimmte Person oder Partei zu werben und an der politischen
Willensbildung durch Entsendung von Abgeordneten ins
Parlament mitwirken zu wollen. Dies habe sich auch nicht
aus dem Gesamtzusammenhang mit im umliegenden Be-
reich angebrachten kleineren Werbetafeln ergeben.

Neben der Tatsache, dass es sich bei den Bannern nicht um
Wahlwerbung gehandelt habe, seien diese in verkehrsgefähr-
dender Weise gemäß Numer 3.2 des angeführten Runderlas-
sicht, für eine bestimmte Person oder Partei zu werben und
an der politischen Willensbildung durch Entsendung von

gefährdet hätten. Er ist vielmehr der Auffassung, es sei den
politischen Wettbewerbern darauf angekommen, unter

Drucksache 17/6300 – 62 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

einem rechtswidrigen Vorwand die Plakatwerbung an bedeu-
tenden Stellen der Stadt Rees „bei Nacht und Nebel“ und
ohne Information des „Vorbenutzers“ so zu entfernen, als ob
Unbekannte diese Tat durchgeführt hätten, weil eine Neube-
schaffung erst nach dem Wahltag am 27. September 2009
möglich gewesen wäre. Soweit die Landeswahlleiterin be-
haupte, die Plakate hätten keinen inhaltlichen Bezug zur
Bundestagswahl, bedürfe es „keines weiteren Vorbringens
mit Blick auf das ,,Duale System Deutschland – Der Grüne
Punkt“, welches „das vorhandene System der bürgerlichen
Ordnung i. S. v. §§ 81 ff. StGB“ [Hochverrat] beeinträchtige.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
sowie weiterer Schreiben nebst umfangreicher Anlagenkon-
volute, die er dem Wahlprüfungsausschuss u. a. mit Schrei-
ben vom 23. Oktober 2009, 30. Oktober 2009, 3. Dezember
2009, 15. Dezember 2009, 28. Dezember 2009, 8. März
2010, 29. März 2010, 6. September 2010, 11. Dezember
2010 und 5. April 2011 zur Ergänzung seines Vortrags über-
sandt hat, wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Ein Verstoß gegen für die Bundestagswahl geltende wahl-
rechtliche Vorschriften liegt nicht vor, denn dem vom Ein-
spruchsführer vorgetragenen Sachverhalt fehlt bereits der
Bezug zur Wahl zum 17. Deutschen Bundestag. Nur, wenn
es sich bei den – unstreitig entfernten – Plakaten tatsächlich,

werbung der Partei DIE LINKE. gehandelt hätte, wäre ein
Wahlfehler in Form eines möglichen Verstoßes gegen den
Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien im Wahlwett-
bewerb überhaupt zu prüfen gewesen. Wie der Einspruchs-
führer in seiner Replik auf die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin jedoch selbst einräumt, hat er die mit seinem
Namen versehenen Banner bereits anlässlich seiner Bewer-
bung als parteiunabhängiger Bürgermeisterkandidat in Rees
angebracht. Zur Bundestagswahl ist der Einspruchsführer
hingegen ausweislich der vom Wahlprüfungsausschuss bei-
gezogenen Informationen des Bundeswahlleiters nicht – weder
als Wahlkreisbewerber noch als Listenbewerber – angetre-
ten. Da die Banner unstreitig zum Zeitpunkt der Entfernung
nur mit seinem Namen, nicht aber mit einem Hinweis auf
einen zur Bundestagswahl antretenden Wahlvorschlag – sei
es der Name einer Partei oder eines Direktbewerbers – ver-
sehen waren, stellten sie offensichtlich keine Wahlwerbung
dar und wiesen auch sonst keinen erkennbaren Bezug zur
Bundestagswahl auf. Darauf, ob und gegebenenfalls wie der
Einspruchsführer die Plakate möglicherweise in Zukunft
weiterverwenden wollte, kommt es für die Beurteilung der
Frage, ob ihre Entfernung einen Wahlfehler darstellt, nicht
an. Der Frage, von wem oder aus welchem Grund die Plakate
entfernt worden sind, musste im Rahmen der Wahlprüfung
daher nicht nachgegangen werden. Auch das weitere, um-
fangreiche Vorbringen des Einspruchsführers kann, da es
keinen Bezug zu möglichen Verstößen gegen Vorschriften
für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag erkennen lässt, nicht Gegenstand
wie der Einspruchsführer zunächst geltend macht, um Wahl- der Wahlprüfung sein.

Daneben kritisiert der Einspruchsführer das geltende Wahl-
recht und teilt mit, er erwarte eine „umgehende Änderung“.

des Wahlraums angebracht gewesen.
lichkeiten zur Wahlwerbung einzuräumen.

Zur Frage der Wählerinformation hat die Landeswahlleiterin

schlägen und Bewerbern Pressemitteilungen und Veröffent-
lichungen herausgegeben und über sein Internetangebot um-
fangreich informiert. Eine rechtliche Verpflichtung, die
Insbesondere fordert er die Einführung einer „reinen Ma-
jorzwahl“ mit Ersatzwahlen für den Fall einer Vakanz und ei-
ne Änderung der Parteienfinanzierung. Er trägt weiter vor,
Überhangmandate seien zwar erlaubt, aber sittenwidrig.
Weiter erklärt er, die „jetzt wieder geplanten/vorgenomme-
nen willkürlichen Änderungen der Wahlkreisgrenzen“ dien-
ten dem Wahlbetrug und die „Wahlperiode von fünf Jahren“
sei auf drei Jahre zu verkürzen. Schließlich rügt er, es habe
eine „mangelhafte oder einseitige oder gar keine amtliche
Vorinformation der Wähler“ über alle Parteien und Kandida-
ten gegeben. Die Medien hätten monatelang nur über die bis-
herigen Regierungsparteien berichtet, über die Oppositions-
parteien „wenig und oft gehässig“, und über die restlichen
Bewerber gar nicht. Sie müssten gesetzlich verpflichtet wer-
den, jedem Wahlbewerber die gleichen kostenlosen Mög-

Die Kreiswahlleiterin des Wahlkreises 281 Freiburg habe am
7. August 2009 gemäß § 26 Absatz 3 des Bundeswahlgeset-
zes (BWG) und § 38 und § 86 Absatz 1 BWO die zugelasse-
nen Kreiswahlvorschläge in der Badischen Zeitung öffent-
lich bekannt gemacht. Nach § 28 Absatz 3 BWG in Verbin-
dung mit § 43 Absatz 1 und § 86 Absatz 1 BWO habe die
Landeswahlleiterin die Reihenfolge der 17 zugelassenen
Landeslisten sowie die Angaben zu den einzelnen Bewer-
bern im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg vom 7. Au-
gust 2009 öffentlich bekannt gemacht. Sie habe ferner am
31. Juli und 6. August 2009 Pressemitteilungen über die zu-
gelassenen Wahlvorschläge herausgegeben und auf die in
das Internetangebot des Innenministeriums eingestellten
Übersichten der Landeslisten- und Wahlkreisbewerber hin-
gewiesen. Auch der Bundeswahlleiter habe zu den Wahlvor-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 63 – Drucksache 17/6300

Anlage 16

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. N., 79268 Bötzingen
– Az.: WP 54/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2009, das am 16. Oktober
2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer trägt vor, den Wählern seien die für die
Wahl nötigen Informationen über die bisher nicht an der Re-
gierung beteiligten Parteien nicht gegeben worden. Er rügt,
dass seiner Wahlbenachrichtigung eine „Anleitung zum
Wählen“ beigelegen habe, die eine nach den ersten zwei Par-
teien abgeschnittene Abbildung des Stimmzettels enthalten
habe. Die übrigen Parteien habe er erst auf dem im Wahl-
raum ausgehändigten Stimmzettel gesehen. Er habe aber er-
fahren, dass die Anleitung zum Wählen in anderen Wahlkrei-
sen eine vollständige Abbildung des Stimmzettels enthalten
habe. In Nordrhein-Westfalen sei der Stimmzettel zudem vor
den Wahllokalen „wie die Speisekarte vor Restaurants“ aus-
gestellt worden. Offensichtlich sei also die Information der
Wähler ungleich gehandhabt worden.

Nach § 19 Absatz 1 Satz 1 der Bundeswahlordnung (BWO)
habe die Gemeinde die Wahlberechtigten nach dem Muster
der Anlage 3 zu benachrichtigen. Eine Anleitung zum Wäh-
len oder der Inhalt des Stimmzettels gehörten nicht zum Soll-
Inhalt der Wahlbenachrichtigungen nach § 19 Absatz 1 Satz 2
BWO. Eine solche Anlage sei nach Darstellung des Bürger-
meisteramts Bötzingen auch nicht mit den Wahlbenachrich-
tigungskarten versandt worden.

Nach § 48 Absatz 1 BWO habe eine öffentliche Wahlbe-
kanntmachung der Gemeinde nach dem Muster der Anlage 27
zu erfolgen. Die Wahlbekanntmachung oder ein Auszug aus
ihr mit den Nummern 1, 3, 4 und 6 der Anlage 27 sei nach
§ 48 Absatz 2 BWO am oder im Eingang des Gebäudes, in
dem sich der Wahlraum befindet, anzubringen. Dem Auszug
sei ein Stimmzettel als Muster beizufügen. Die Gemeinde
Bötzingen habe die Wahlbekanntmachung gemäß § 86 Ab-
satz 1 BWO in ihrem Nachrichtenblatt vom 11. September
2009 veröffentlicht. Der Auszug aus der Wahlbekanntma-
chung sei nach Darstellung des Bürgermeisteramts Bötzin-
gen mit dem Muster des amtlichen Stimmzettels am Eingang
des Landes Baden-Württemberg unter Einbeziehung der Ge-
meinde Bötzingen wie folgt Stellung genommen:

zugelassenen Wahlvorschläge mit den Bewerbern in der
Tagespresse öffentlich bekannt zu machen, bestehe nicht.

Drucksache 17/6300 – 64 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Außerdem seien die Medien bei der Auswahl von Veröffent-
lichungen und in ihrer Verbreitung grundsätzlich frei.

Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahme bekannt ge-
geben worden ist, hat hierzu zunächst mitgeteilt, sie genüge
nicht und werde „zum Teil als wahrheitswidrig bestritten“. In
einer weiteren Zuschrift führt er im Wesentlichen aus, es sei
nicht einzusehen, dass die Wahlorganisation nicht dazu ver-
pflichtet sei, mit der Wahlbenachrichtigung eine vollständige
Information über die wählbaren Kandidaten beizufügen. We-
der die freiwillige Information durch die Medien noch die
Aushängung vor den Wahllokalen genüge hierfür. Im kon-
kreten Fall bestreite er zudem die Aushängung. Die „von
wem auch immer ausgegebenen“ Muster der Wahlzettel, auf
denen nur CDU und FDP angegeben worden seien, stellten
eine Wahlmanipulation oder eine unseriöse Wahlwerbung
dar.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten sowie hinsichtlich seines von
ihm wiederholt in Bezug genommenen Einspruchs gegen die
Europawahl 2009 auf die diesbezügliche Beschlussempfeh-
lung des Wahlprüfungsausschusses, Bundestagsdrucksache
17/2200, Anlage 8, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Eine Verlet-
zung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem vorgetragenen
Sachverhalt nicht ersichtlich.

Soweit der Einspruchsführer rügt, er habe vor der Wahl nicht
ausreichend Informationen über die Wahlvorschläge erhal-
ten, liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften
vor.

Aus der ausführlichen und in dieser Hinsicht vom Ein-
spruchsführer nicht substantiiert bestrittenen Darlegung der
Landeswahlleiterin ergibt sich, dass alle wahlrechtlich vor-
gesehenen Benachrichtigungen und Bekanntmachungen er-
folgt sind. Wie der Einspruchsführer selbst vorträgt, ist er
über die Wahl benachrichtigt worden, womit § 19 BWO ent-
sprochen wurde. Ebenso hat die Gemeindebehörde entspre-
chend § 48 Absatz 1 BWO in Verbindung mit § 86 Absatz 1
BWO die Wahl in ihrem Nachrichtenblatt bekannt gemacht.
Die zugelassenen Kreiswahlvorschläge sind von der Kreis-
wahlleiterin in Übereinstimmung mit § 26 Absatz 3 BWG
und §§ 38, 86 Absatz 1 BWO in der Badischen Zeitung öf-
fentlich bekannt gemacht worden. Die zugelassenen Landes-
listen wurden gemäß § 28 Absatz 3 BWG in Verbindung mit
§ 43 Absatz 1 und § 86 Absatz 1 BWO im Staatsanzeiger für
Baden-Württemberg öffentlich bekannt gemacht. Darüber-
hinaus haben die Wahlorgane, wie die Landeswahlleiterin
darlegt, der Presse und der interessierten Öffentlichkeit ein
umfangreiches Informationsangebot zur Verfügung gestellt.
Weitergehende Informationspflichten im Vorfeld der Wahl
sieht das Bundestagswahlrecht nicht vor.

Soweit der Einspruchsführer rügt, er habe eine „Anleitung
zum Wählen“ erhalten, die er wegen eines unvollständig
abgedruckten Stimmzettelmusters als suggestiv empfunden
habe, hat die Landeswahlleiterin bestritten, dass eine derarti-
ge Anlage mit den Wahlbenachrichtigungen versandt wor-

den sei. Der Wahlprüfungsausschuss sieht keinen Anlass für
Zweifel an der Darstellung der Landeswahlleiterin, zumal
der Einspruchsführer in seiner Replik auf die Stellungnahme
mit den Worten „von wem auch immer ausgegeben“ selbst
eingeräumt hat, sich über den Urheber dieser Veröffentli-
chung nicht im Klaren zu sein. Da die Wahlprüfung weder
von Amts wegen, sondern gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des
Wahlprüfungsgesetzes nur auf Einspruch, der zu begründen
ist, erfolgt und die Begründung mindestens den Tatbestand,
auf den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und
genügend substantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung ent-
halten muss (BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148,
159 f.; 89, 291, 304 f.), ist eine derartige Wahlbeanstandung,
die über die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfeh-
lern nicht hinausgeht und einen konkreten, der Überprüfung
zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthält, als unsubstan-
tiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
17/3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39, 17/4600, Anlagen 9, 18,
19, 22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils mit weiteren Nachwei-
sen; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49
Rn. 24).

Auch die Rüge des Einspruchsführers, die Wähler seien am
Wahltag unterschiedlich informiert worden, weil in Nord-
rhein-Westfalen der amtliche Stimmzettel vor den Wahl-
lokalen ausgestellt gewesen sei, was er bei sich nirgends
habe beobachten können, führt nicht zur Feststellung eines
Wahlfehlers. Gemäß § 48 Absatz 2 BWO ist vor Beginn der
Wahlhandlung die Wahlbekanntmachung oder ein Auszug
am oder im Eingang des Gebäudes, in dem sich der Wahl-
raum befindet, anzubringen und dem Auszug ein Stimmzet-
tel als Muster beizufügen. Die Landeswahlleiterin führt aus,
der Auszug aus der Wahlbekanntmachung sei nach Darstel-
lung des Bürgermeisteramts Bötzingen mit dem Muster des
amtlichen Stimmzettels am Eingang des Wahlraums ange-
bracht gewesen. In seiner Replik teilt der Einspruchsführer
zwar mit, „im konkreten Fall bestreite“ er die Aushängung.
Da er zuvor auf das „Ausstellen“ von Stimmzetteln wie „die
Speisekarte vor Restaurants“ Bezug genommen hat, geht der
Wahlprüfungsausschuss davon aus, dass sich sein Bestreiten
auf einen derartigen Aushang vor dem Wahllokal bezieht.
Gemäß § 48 Absatz 2 BWO genügt jedoch auch eine An-
bringung im Eingang des Gebäudes, in dem der Wahlraum
sich befindet, beispielsweise durch einen Anschlag an der
Tür. Der Wahlprüfungsausschuss sieht daher keinen Anlass,
an der von der Landeswahlleiterin referierten Darstellung
des Bürgermeisteramts Bötzingen, der Auszug sei samt
Stimmzettelmuster am Eingang des Wahlraums angebracht
gewesen, zu zweifeln.

Mit seinem weiteren Vorbringen macht der Einspruchsführer
keine Verstöße gegen Vorschriften zur Vorbereitung und
Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag gel-
tend, sondern verlangt ausdrücklich eine zukünftige Ände-
rung verschiedener von ihm als unbefriedigend empfundener
gesetzlicher Regelungen. Derartigen Forderungen ist im
Rahmen der Wahlprüfung nicht nachzugehen, da diese allein
auf die Feststellung von Wahlfehlern und deren Relevanz für
die Verteilung der Mandate beschränkt ist (vgl. z. B. Bundes-
tagsdrucksachen 17/2200, Anlage 13; 17/3100, Anlage 13).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65 – Drucksache 17/6300

Anlage 17

Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf den Inhalt der
Durchprüfung der gesamten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1
und 3 des Wahlprüfungsgesetzes erfolgt sie vielmehr nur auf
Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen, denn er umfasst keine substantiierte Darlegung
möglicher Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung
der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag. Insbesondere trägt
der Einspruchsführer keine Tatsachen vor, die geeignet sind,
seine Annahme, bei der Auszählung der Briefwahlstimmen
könne es zu einem Bruch des Wahlgeheimnisses kommen,
überprüfbar zu belegen. Das von ihm vermutete Vorgehen
entspricht zudem nicht den Vorgaben der Bundeswahlord-
nung (BWO). Diese schreibt in § 75 vielmehr einen Umgang

Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung muss min-
destens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt
wird, erkennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen
für eine Nachprüfung enthalten (BVerfGE 40, 11, 30; 48,
271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291, 304 f.). Wahlbeanstandun-
gen, die, wie hier, über nicht belegte Behauptungen oder die
bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht
hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugäng-
lichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, sind deshalb als un-
substantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdruck-
sachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39; 17/4600, Anlagen 9,
18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils mit weiteren Nach-
weisen; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49
Rn. 24).
Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. K., 21309 Lüneburg
– Az.: WP 64/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben
vom 2. Oktober 2009, das beim Deutschen Bundestag am
21. Oktober 2009 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer
Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen den Ablauf der
Briefwahl.

Er trägt vor, dass ihm das Briefwahlverfahren seit langem
„ein Dorn im Auge“ sei, weil seiner Ansicht nach bei Wahlen
stets gegen bestehende Gesetze verstoßen werde. Eine
„mögliche Manipulationsebene“ sei, dass bei der Auszäh-
lung der Briefwahl die Möglichkeit bestehe, nach Öffnung
eines Wahlbriefs und des darin enthaltenen Stimmzettelum-
schlags den für den Briefwähler ausgestellten Wahlschein
dem Stimmzettel zuzuordnen und so festzustellen, welcher
Wähler wie gewählt habe. Dieses Verfahren verstoße gegen
den Grundsatz der demokratischen, freien und geheimen
Wahl. Die Bundestagswahl sei daher für ungültig zu erklä-
ren.

mit den Wahlbriefen vor, der eine derartige Verletzung des
Wahlgeheimnisses gerade verhindert. Denn es wird nicht,
wie der Einspruchsführer offenbar meint, zunächst der Wahl-
brief und sofort danach der daraus entnommene Stimmzettel-
umschlag geöffnet. Vielmehr öffnet gemäß § 75 Absatz 1
BWO zunächst ein Mitglied des Briefwahlvorstands alle
Wahlbriefe nacheinander und entnimmt ihnen den Wahl-
schein und den Stimmzettelumschlag. Die Wahlbriefe, die
einen Wahlschein enthalten, der in einem Verzeichnis für un-
gültig erklärter Wahlscheine aufgeführt ist oder gegen des-
sen Gültigkeit Bedenken erhoben werden, werden ausgeson-
dert, während die aus den übrigen Wahlbriefen entnomme-
nen Stimmzettelumschläge ungeöffnet in eine Wahlurne
geworfen werden (vgl. § 75 Absatz 1 Satz 3 BWO). Nach
Ablauf der allgemeinen Wahlzeit werden sie gezählt und das
Wahlergebnis ermittelt (vgl. § 75 Absatz 3 BWO). Konkrete
Anhaltspunkte dafür, dass das in der BWO vorgesehene Ver-
fahren in einem oder mehreren Briefwahlbezirken nicht ein-
gehalten worden wäre, ergeben sich aus dem Vortrag des
Einspruchsführers nicht. Die Wahlprüfung erfolgt jedoch
weder von Amts wegen, noch findet sie stets in Gestalt einer

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen.

17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der auf-
Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und
Landeslisten enthält (vgl. Bundestagsdrucksache 17/3100,
Anlagen 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36).

mal Mitglied des Deutschen Bundestages sein muss (vgl.
Maunz/Dürig-Herzog, Grundgesetz, 58. Ergänzungsliefe-
rung 2010, Artikel 63 Rn. 22). Seine oder ihre Wahl ist nicht
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem
Stimmzettel anzukreuzen, dass er keinen der Wahlkreisbe-
werber oder keine der Landeslisten wählen wolle, ist im gel-
tenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO)
enthalten keine Vorschrift, die es dem Wähler ermöglichen
würde, durch eine entsprechende Kennzeichnung gegen alle
Wahlvorschläge zu stimmen. Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt
der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab,
dass er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder
auf andere Weise eindeutig kenntlich macht, welchem Be-
werber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entspre-
chend sieht § 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26
zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur) Felder für die

gestellten Bewerber in den Bundestag einziehen sollen.
Stimmen, die ausdrücklich für keinen der genannten Wahl-
vorschläge abgegeben würden, könnten eine solche Ent-
scheidung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 14/1560, Anlage 100; 17/3100, Anlagen 19, 20, 22
bis 30, 32, 34 bis 36).

Soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag damit be-
gründet, dass der Stimmzettel keine direkte Wahl des Kanz-
lerkandidaten vorgesehen habe, ist er darauf hinzuweisen,
dass der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin gemäß
Artikel 63 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) auf Vorschlag
des Bundespräsidenten vom Deutschen Bundestag – und da-
mit nicht unmittelbar vom Volk – gewählt wird und nicht ein-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 67 – Drucksache 17/6300

Anlage 18

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn L. W., 38350 Helmstedt
– Az.: WP 67/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben vom
27. September 2009, das nach Weiterleitung am 21. Oktober
2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, die Bundestags-
wahl sei nicht nach demokratischen Grundsätzen abgelau-
fen, da er nicht die Möglichkeit gehabt habe, auf dem
Stimmzettel anzukreuzen, dass er keine der genannten Par-
teien oder keine der genannten Personen wähle. Er vermisse
die Möglichkeit, „Politiker abzuwählen“, die seiner Ansicht
nach auf dem Stimmzettel „nichts verloren“ hätten. Zudem
habe der Stimmzettel auch nicht vorgesehen, den Kanzler-
kandidaten direkt zu wählen.

Wegen der Einzelheiten seines Vortrags wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

schläge seine Stimme zu geben. Allerdings sind, wenn der
Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, beide Stimmen
gemäß § 39 Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Ab-
satz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten. Enthält der Stimm-
zettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4
BWG die nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetz-
geber hat sich damit dafür entschieden, dass sich der Wähler
lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme
enthalten kann. Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unter-
scheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen gültigen
und ungültigen Stimmen, wobei eine ungültige Stimme die-
selbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung (vgl.
Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150, Anla-
ge 39; 17/3100, Anlagen 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39
Rn. 18).

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Einräumung der
Möglichkeit, anzukreuzen, dass man keinen der genannten
Wahlvorschläge wähle, auch sinnwidrig wäre. Denn der
Zweck der angefochtenen Wahl war, die Abgeordneten des
Es besteht aber durchaus die Möglichkeit – und ist vom
Grundsatz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvor-

Gegenstand der Wahlprüfung gemäß Artikel 41 Absatz 1 GG
(vgl. Bundestagsdrucksache 17/4600, Anlage 4).

Zulässigkeit des Einsatzes von elektronischen Wahlgeräten
aus dem Jahr 2009 (BVerfGE 123, 39) aufgestellten Grund-

Der Wahlberechtigte begebe sich einfach in das Wahllokal
und gebe dort seine Stimme ab. Demgegenüber müsse der
zählung im Bedarfsfall überprüfbar sein müssten. Deshalb
sei bei der Briefwahl ebenfalls erforderlich, dass es jedem
Wähler möglich sein müsse, zu kontrollieren, ob seine Stim-

dividuell zu tragenden Risiko zugeordnet werden. Das Mas-
sengeschäft der Briefwahl habe schon deshalb Verfassungs-
rang, weil einzelnen Wahlberechtigten durch Fehler, die sie
sätzen, wonach die ordnungsgemäße Stimmabgabe im Nach-
hinein überprüft werden können müsse, vereinbar seien.

Er führt aus, dass, da die Briefwahl damit zu einer frei wähl-
baren Option geworden sei, an sie derselbe Anspruch an die
Einhaltung der Wahlgrundsätze der freien, gleichen und ge-
heimen Wahl gestellt werden müsse, wie an die Wahl im
Wahllokal. Die Briefwahl sei keine Ausnahme mehr, wie
auch der gegenüber dem Jahr 1982 deutlich gestiegene An-
teil von Briefwählern zeige.

Zudem habe das Bundesverfassungsgericht mit seinem Ur-
teil zum Einsatz von Wahlcomputern aus dem Jahr 2009
einer großzügigen Auslegung seiner Grundsätze enge Gren-
zen gesetzt, indem es festgestellt habe, dass elektronisch im
Wahllokal abgegebene Stimmen durch eine gesonderte Aus-

Wahlberechtigte bei der Briefwahl zunächst einen Wahl-
schein beantragen, der ihm mit den übrigen Unterlagen per
Post zugesandt werde. Zugleich werde er für die Stimmabga-
be in seinem Wahllokal im Wählerverzeichnis gesperrt. Er-
reichten ihn die Unterlagen ohne eigenes Verschulden nicht
rechtzeitig, könne er an der Wahl nicht teilnehmen. Wegen
des Massenaufkommens von Briefwahlanträgen beim Kreis-
wahlleiter einerseits und den mittlerweile bestehenden unter-
schiedliche Zustellunternehmen andererseits sei eine sichere
Bearbeitung und termingerechte Zustellung nicht garantiert,
wie verschiedene Briefwahlpannen gezeigt hätten – wobei es
sich dabei lediglich um die öffentlich gewordenen handele.
In welchem Umfang das individuelle Wahlrecht einzelner
betroffen sei, könne nicht quantifiziert werden. Es gebe aber
bei jeder Wahl solche Fälle. Dies könne nicht länger dem in-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69 – Drucksache 17/6300

Anlage 19

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn E.-O. S., 44269 Dortmund
– Az.: WP 68/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben
vom 27. September 2009, das nach Weiterleitung am 21. Ok-
tober 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009
eingelegt.

Der Einspruchsführer bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit
der für die Briefwahl geltenden Regelungen der Bundeswahl-
ordnung (BWO) und ficht sowohl „das Ergebnis der Bundes-
tagswahl generell“ als auch das des Wahlkreises 144 an.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass die Regelun-
gen der BWO, wonach „neuerdings“ ohne die Angabe von
Verhinderungsgründen wahlweise im Wahllokal oder im
Wege der Briefwahl gewählt werden könne, weder mit den
vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1981 (BVerfGE 59,
119) aufgestellten Grundsatz, dass die Briefwahl nur eine
Ausnahme für den Fall sein könne, dass jemand am Wahltag
verhindert sei, seine Stimme im Wahllokal abzugeben, noch
mit den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur

nen Stimmzettel in eine versiegelte Urne und könne deshalb
sicher sein, dass sie nach Wahlschluss so wie von ihm ge-
wünscht öffentlich gezählt werde. Bei der Briefwahl sei das
nicht gegeben. Spätestens nach Eingang des Wahlbriefes
beim Kreiswahlleiter bestehe für die Briefwähler keine
Möglichkeit mehr, zu überprüfen, ob die Stimme tatsächlich
auch so gezählt werde, wie sie abgegeben worden sei, ob-
wohl auch diese Auszählung öffentlich sei. Denn die inter-
nen Arbeitsabläufe beim Kreiswahlleiter ließen Fälschungen
zu – unabhängig davon, ob tatsächlich welche stattgefunden
hätten. Anhand des eingegangenen Wahlscheins könne le-
diglich eine Stimmabgabe belegt werden. Die Bundeswahl-
ordnung stehe daher im Gegensatz zu den im Grundgesetz
festgelegten und vom Bundesverfassungsgericht ausgeleg-
ten Wahlgrundsätzen einer freien, geheimen und gleichen
Wahl.

Darüber hinaus sei fraglich, ob die Teilnahme an einer Brief-
wahl der Stimmabgabe in einem Wahllokal insoweit gleich-
komme, dass für die Stimmabgabe für alle Wahlberechtigten
gleiche bzw. vergleichbare Rahmenbedingungen vorlägen.
me mit der von ihm getätigten Wahlentscheidung tatsächlich
in die Auszählung gekommen sei. Im Wahllokal werfe er sei-

nicht oder nur nachrangig selber zu vertreten hätten, eine
Wahlteilnahme verwehrt werden könne.

Drucksache 17/6300 – 70 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen, denn er umfasst keine substantiierte Darlegung
möglicher Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung
der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag.

1. Soweit der Einspruchsführer rügt, es sei „neuerdings“
möglich, die Briefwahl zu beantragen, ohne die Hinderungs-
gründe für die Teilnahme an der Urnenwahl anzugeben, und
hierin einen Verstoß gegen die Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgericht zu erkennen meint, wendet er sich gegen
die Verfassungsmäßigkeit der die Briefwahl regelnden
Rechtsvorschriften, insbesondere § 17 Absatz 2 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) und § 25 Absatz 1 und § 27 BWO, die
die Voraussetzungen für die Erteilung von Wahlscheinen re-
geln. Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass
der Wahlprüfungsausschuss und der Bundestag in ständiger
Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Ver-
fassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht über-
prüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5
und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24;
17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren
Nachweisen).

Davon abgesehen besteht kein Anlass, an der Verfassungs-
mäßigkeit der genannten Vorschriften zu zweifeln (vgl. be-
reits Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 16 zu den ent-
sprechenden Regelungen für die Europawahl). Diese sind
durch Artikel 1 Numer 6 des Gesetzes zur Änderung des
Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (BGBl. I
S. 394 f.) sowie Artikel 2 Numer 7 und 8 der Zweiten Ver-
ordnung zur Änderung der Bundeswahlordnung und der
Europawahlordnung vom 3. Dezember 2008 (BGBl. I
S. 2378, 2384) dahingehend geändert worden, dass es nun-
mehr, wie der Einspruchsführer zutreffend vorträgt, nicht
mehr erforderlich ist, bei der Beantragung der Briefwahl die
Hinderungsgründe für die Teilnahme an der Urnenwahl an-
zugeben und glaubhaft zu machen. Diese Neuregelung ver-
einfacht das Antragsverfahren für die Briefwahl und ermög-
licht auch denjenigen Wählern die Teilnahme an der Wahl,
die sich bisher mangels ausreichender Gründe gehindert sa-
hen, einen Wahlschein zu beantragen. Damit trägt der Ver-
zicht dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, der besagt,
dass grundsätzlich alle Staatsbürger an der Wahl teilnehmen
können sollen (BVerfGE 59, 119, 125), in erhöhtem Maße
Rechnung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, Bundes-
tagsdrucksache 16/7461, Seite 17). Dabei ist im Gesetzge-
bungsverfahren durchaus gesehen worden, dass möglicher-
weise zugleich die Wahrung der Freiheit der Wahl und des
Wahlgeheimnisses in größerem Umfang als bisher den Wäh-
lerinnen und Wählern anvertraut wird. Durch die Beibehal-
tung des Antragserfordernisses hat der Gesetzgeber jedoch
sichergestellt, dass der Ausnahmecharakter der Briefwahl
gewahrt bleibt und weiterhin nach außen verdeutlicht wird
(s. Bundestagsdrucksache 16/7461, Seite 17).

Der vom Einspruchsführer erwähnte, allerdings nicht quan-
tifizierte Anstieg des Anteils der Briefwähler bei Bundes-

dem Wegfall des Begründungserfordernisses geschuldet
sein. So betrug der Anteil der Briefwähler bei der Bundes-
tagswahl 2005 18,7 Prozent und bei der Bundestagswahl
2009 21,4 Prozent (vgl. Der Bundeswahlleiter, Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009, Heft 5,
S. 40). Die Tatsache, dass demzufolge 78,6 Prozent der
Wählerinnen und Wähler ihre Stimme am Wahltag im Wahl-
lokal abgegeben haben, zeigt jedoch im Umkehrschluss
auch, dass die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler
die Wahl im Wahllokal auch nach Wegfall des Begründungs-
erfordernisses der Briefwahl vorzieht.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat bisher keinen An-
lass gesehen, verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass der
Gesetzgeber mit der Briefwahl dem Ziel, eine möglichst um-
fassende Wahlbeteiligung zu erreichen, ein besonderes Ge-
wicht beigemessen und damit zugleich die Wahrung der
Freiheit der Wahl und des Wahlgeheimnisses in weiterem
Umfang als bei der Stimmabgabe im Wahllokal dem Wähler
anvertraut hat (BVerfGE 21, 200, 204; 59, 119, 225). Gerade
in dem vom Einspruchsführer zitierten Urteil zu elektroni-
schen Wahlgeräten (BVerfGE 123, 39) hat das Bundesver-
fassungsgericht zudem erneut bestätigt, dass der Gesetzge-
ber in begrenztem Umfang Ausnahmen vom Grundsatz der
Öffentlichkeit der Wahl zulassen kann, um anderen verfas-
sungsrechtlichen Belangen, insbesondere den geschriebenen
Wahlrechtsgrundsätzen aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des
Grundgesetzes (GG), Geltung zu verschaffen. Dabei hat es
ausdrücklich festgestellt, dass sich Beschränkungen der öf-
fentlichen Kontrolle der Stimmabgabe bei der Briefwahl mit
dem Ziel begründen ließen, eine möglichst umfassende
Wahlbeteiligung zu erreichen und damit dem Grundsatz der
Allgemeinheit der Wahl Rechnung zu tragen (BVerfGE 123,
39, 75). Das Bundesverfassungsgericht würde einer Ent-
scheidung des Gesetzgebers nur entgegentreten, wenn sie
mit einer übermäßigen Einschränkung oder Gefährdung der
Grundsätze der unmittelbaren, freien, gleichen und gehei-
men Wahl verbunden wäre (vgl. BVerfGE 59, 119, 225).
Nach Überzeugung des Wahlprüfungsausschusses ist dies
bei der vorliegend angegriffenen Vereinfachung der Brief-
wahlbeantragung nicht der Fall (zum Ganzen vgl. bereits
Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 16).

2. Auch soweit der Einspruchsführer meint, die Briefwahl
verstoße insgesamt wegen möglicher Unregelmäßigkeiten
beim Transport der Wahlbriefe und der „internen Abläufe
beim Kreiswahlleiter“, die Fälschungen zuließen, gegen die
Grundsätze der freien, geheimen und gleichen Wahl, vermag
der Deutsche Bundestag einen Wahlfehler nicht festzustel-
len.

Denn der Einspruchsführer trägt in diesem Zusammenhang
keine konkreten Tatsachen vor, die auf einen Verstoß gegen
Vorschriften für die Vorbereitung oder Durchführung der
Wahl hinweisen. Zwar deutet er Manipulationsmöglichkei-
ten bei den Kreiswahlleitern sowie „verschiedene Briefwahl-
pannen“ an, belegt diese Behauptungen jedoch nicht mit
einem überprüfbaren Tatsachenvortrag. Damit der Wahl-
prüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nach-
gehen – oder gar sein Vorliegen feststellen – kann, reicht es
jedoch nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von
Wahlfehlern bestehen könnte. Vielmehr muss unter Angabe
tagswahlen dürfte daher nach allgemeiner Lebenserfahrung
eher einem wachsenden gesellschaftlichen Bedürfnis als

konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen darge-
legt werden, dass sich diese Gefahr auch realisiert hat, das

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71 – Drucksache 17/6300

heißt, dass ein Wahlfehler nicht nur möglich war, sondern
auch aufgetreten ist. Dies folgt daraus, dass gemäß § 2 Ab-
sätze 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes die Wahlprüfung
nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einspruch, der zu be-
gründen ist, erfolgt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2200,
Anlage 16 mit weiteren Nachweisen). Da aber nur tatsächli-
che Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können,
müssen auch die in der Begründung vorgetragenen Tat-
sachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substan-
tiieren. Dies gilt selbst dann, wenn die Substantiierung für
den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl.
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/2200, An-
lage 16; BVerfGE 66, 369, 379). Andererseits besteht für den
Wahlprüfungsausschuss weder eine Verpflichtung noch eine
tatsächliche Möglichkeit, bloß vermuteten Wahlfehlern
durch umfangreiche Ermittlungen und Erhebungen selbst
nachzugehen.

Soweit der Einspruchsführer aus den von ihm genannten Ge-
fahren – deren Verwirklichung er allerdings, wie dargestellt,
nicht substantiiert vorträgt – die Verfassungswidrigkeit der
rechtlichen Regelungen der Briefwahl ableiten möchte, ist
zunächst erneut darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungs-
ausschuss und der Bundestag im Rahmen eines Wahlprü-
fungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechts-
vorschriften nicht überprüfen.

24 ff.; 59, 119, 125 ff.). Die Erwägungen in den Entschei-
dungen von 1967 und 1981 treffen in Begründung und Er-
gebnis nach wie vor zu. Wie vom Bundesverfassungsgericht
betont, überschreitet die Einführung der Briefwahl nicht den
in Wahlrechtsfragen vorhandenen gesetzgeberischen Spiel-
raum. So hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich
nicht beanstandet, dass die Regelungen der Briefwahl – an-
ders als bei der Urnenwahl – es weitgehend dem Wahlbe-
rechtigten überlassen, in seinem Bereich selbst für die Wah-
rung des Wahlgeheimnisses und der Wahlfreiheit Sorge zu
tragen. Es hat auch darauf hingewiesen, dass ein Wahlbe-
rechtigter, der es im Einzelfall nicht für möglich halte, das
Wahlgeheimnis und seine Entschließungsfreiheit zu wahren,
davon absehen könne, sich Briefwahlunterlagen zu beschaf-
fen oder zu benutzen und, wenn ihm die Umstände aus-
nahmsweise keine andere Wahl lassen, sich – wie das auch
vor der Einführung der Briefwahl der Fall gewesen sei – ge-
zwungen sehen könne, auf die Stimmabgabe zu verzichten
(BVerfGE 59, 119, 126 f.).

Zwar trifft den Gesetz- und Verordnungsgeber nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichts die Pflicht, die bisheri-
ge Regelung und Handhabung der Briefwahl ständig in An-
betracht neu auftretender Entwicklungen, die unvorhergese-
hene Gefahren für die Integrität der Wahl mit sich bringen
können, zu überprüfen und dabei zutage tretenden Missbräu-
Für verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Aus-
gestaltung der Briefwahl besteht zudem kein Anlass (vgl.
auch insoweit bereits Bundestagsdrucksache 17/2200, An-
lage 16). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehr-
fach ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit der Briefwahl,
namentlich ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der
freien und geheimen Wahl, bestätigt (BVerfGE 21, 200,

chen, die geeignet sein können, die Freiheit der Wahl oder
das Wahlgeheimnis mehr als unumgänglich zu gefährden,
entgegen zu treten (BVerfGE 59, 119, 127). Die vom Ein-
spruchsführer geäußerten Vermutungen betreffen jedoch
keine neuen Entwicklungen und lassen, da sie unbelegt blei-
ben, auch nicht auf unvorhergesehene Gefahren für die Inte-
grität der Wahl schließen, so dass diese Prüfungspflicht vom
Gesetzgeber nicht verletzt worden ist.

hung von Überhangmandaten werde der Wählerwille miss-
achtet und bewusst verfälscht. Da die Anzahl der Mandate

§ 19 Absatz 1 Satz 1 BWO. Wahlrechtliche Vorgaben hin-
sichtlich der zu verwendenden Farben bestehen nicht. Es ist
daher zulässig, farbliche Hervorhebungen zu verwenden,
seines Wahlrechts erheblich eingeschränkt gewesen. Er habe
dadurch nicht die Möglichkeit gehabt, seine Stimme der Par-
tei seines Vertrauens zu geben. Er ist der Auffassung, er müs-

Wahlbenachrichtigung jedoch nicht zu sehen.

2. Auch der Vortrag des Einspruchsführers zur Briefwahl
dem prozentualen Stimmenanteil zu entsprechen hätte, seien
sie unzulässig (3.).

Das Wahlergebnis werde zudem durch die Ausgrenzung und
Missachtung der Nichtwähler verfälscht. Ihre Stimmen seien,
etwa durch die prozentuale Nichtbesetzung von Mandaten,
im Wahlergebnis zu berücksichtigen (4.).

Der Einspruchsführer rügt darüber hinaus, dass bei der Stim-
mabgabe im Wahllokal die Vorlage der Wahlbenachrichti-
gung ohne weitere Überprüfung der Identität des Wählers
genüge. Dadurch sei möglich, dass eine Person mehrmals
wähle (5.).

Ferner meint er, er sei dadurch, dass für die Bundestagswahl
29 Parteien zugelassen, aber nur neun Parteien auf seinem
Stimmzettel abgedruckt gewesen seien, bei der Ausübung

wie vorliegend durch die gelbe Markierung eines – im Wort-
laut dem Muster der BWO entsprechenden – Teils des Textes
geschehen. Aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses, der die
vom Einspruchsführer übersandte Kopie der Wahlbenach-
richtigung in Augenschein genommen hat, ist es abwegig,
die Verwendung einer gelben Unterlegung in Verbindung
mit einer schwarzen Schrift sowie einem schwarzen Balken
mit weißer Schrift als Manipulationsversuch zugunsten von
zwei Parteien zu werten. Nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts liegt eine unzulässige Wählerbeein-
flussung dann vor, wenn staatliche Stellen im Vorfeld einer
Wahl in mehr als nur unerheblichem Maße parteiergreifend
auf die Bildung des Wählerwillens einwirken (vgl. BVerfGE
103, 111, 132 f.). Ein solcher Fall ist in der farblichen Her-
vorhebung eines amtlichen und neutralen Textes auf einer
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 73 – Drucksache 17/6300

Anlage 20

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. B., 04746 Hartha
– Az.: WP 70/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit drei an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben vom
23. und 28. September 2009, die beim Deutschen Bundestag
am 21. Oktober 2009 eingegangen sind, hat der Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt die farbliche Gestaltung der ihm
zugegangenen Wahlbenachrichtigung, die er in Farbkopie
mit übersandt hat, und trägt vor, in dem Aufdruck eines grö-
ßeren gelben Feldes, das mit einem schwarzen Balken zu-
sammenhänge, sehe er „die dringende Aufforderung“, die
schwarz-gelbe Koalition zu wählen. Dies sei eine unzulässi-
ge Beeinflussung, Nötigung und Wahlmanipulation (1.).

Des Weiteren kritisiert er die Ausgestaltung der Briefwahl,
bei der die Möglichkeit zu Datenmissbrauch und zur Mani-
pulation des Stimmzettel bestehe. Zudem sei es möglich, die
Wahlentscheidung zu kontrollieren, so dass die Wahl nicht
geheim sei (2.).

Der Einspruchsführer trägt außerdem vor, durch die Entste-

Verstoß gegen die Chancengleichheit und Gleichbehandlung
der Parteien (6.).

Schließlich regt der Einspruchsführer an, die Mitglieder des
Bundestages künftig beispielsweise über einen Zufallsgene-
rator zu bestimmen, statt die Kandidaten durch die Parteien
benennen zu lassen, in denen nur ein kleiner Anteil der
Wahlberechtigten organisiert sei (7.).

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. In der vom Einspruchsführer gerügten farblichen Gestal-
tung der ihm zugegangenen Wahlbenachrichtigung ist kein
Wahlfehler zu sehen. Das Wahlrecht regelt in § 19 Absatz 1
und 2 der Bundeswahlordnung (BWO) sowie ihrer Anlage 3
lediglich den Inhalt der Mitteilung, mit der die Gemeindebe-
hörde jeden Wahlberechtigten zu benachrichtigen hat, vgl.
se unabhängig von Wahlbezirk und Wohnort die Möglichkeit
haben, jede zugelassene Partei zu wählen, und rügt einen

lässt keinen Wahlfehler erkennen. Insbesondere trägt er kei-
ne Tatsachen vor, die geeignet sind, seine Annahme, es kön-

Drucksache 17/6300 – 74 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ne bei der Briefwahl zu einem Bruch des Wahlgeheimnisses
und zu Manipulationen der Wahl kommen, überprüfbar zu
belegen. Das Bundestagswahlrecht schreibt vielmehr aus-
drücklich einen Umgang mit den Wahlbriefen vor, der Mani-
pulationen und eine Verletzung des Wahlgeheimnisses durch
Abgleich des Stimmzettels mit dem mit dem Namen des
Wählers versehenen Wahlschein gerade verhindert. So wer-
den gemäß § 74 Absatz 1 BWO die Wahlbriefe zunächst un-
geöffnet gesammelt und unter Verschluss gehalten. Am
Wahltag öffnet gemäß § 75 Absatz 1 BWO zunächst ein Mit-
glied des Briefwahlvorstands alle Wahlbriefe nacheinander
und entnimmt ihnen den Wahlschein und den Stimmzettel-
umschlag. Die Wahlbriefe, die einen Wahlschein enthalten,
der in einem Verzeichnis für ungültig erklärter Wahlscheine
aufgeführt ist oder gegen dessen Gültigkeit Bedenken erho-
ben werden, werden ausgesondert, während die aus den üb-
rigen Wahlbriefen entnommenen Stimmzettelumschläge un-
geöffnet in eine Wahlurne geworfen werden (vgl. § 75 Ab-
satz 1 Satz 3 BWO). Nach Ablauf der allgemeinen Wahlzeit
werden sie vom Briefwahlvorstand gezählt und das Wahl-
ergebnis ermittelt (vgl. § 75 Absatz 3 BWO).

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das in der BWO vorge-
sehene Verfahren in einem oder mehreren Briefwahlbezirken
nicht eingehalten worden wäre, ergeben sich aus dem Vor-
trag des Einspruchsführers nicht. Die Wahlprüfung erfolgt
jedoch weder von Amts wegen, noch findet sie stets in Ge-
stalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl statt. Gemäß
§ 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes erfolgt sie
vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Be-
gründung muss mindestens den Tatbestand, auf den die An-
fechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend sub-
stantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291,
304 f.). Wahlbeanstandungen, die, wie hier, über nicht beleg-
te Behauptungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der
Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthal-
ten, sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38
und 39, 17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39,
jeweils mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48, 271, 276;
66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).

3. Die Kritik des Einspruchsführers an der Sitzverteilung im
17. Deutschen Bundestag greift ebenfalls nicht durch. Denn
die vom Einspruchsführer beanstandete Differenz zwischen
dem Zweitstimmenanteil der Parteien und ihrem Sitzanteil
beruht auf einer zutreffenden Anwendung des Bundeswahl-
gesetzes. Sie folgt zum einen, wie der Einspruchsführer zu-
treffend feststellt, aus dem Entstehen von sogenannten Über-
hangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine
Partei in den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6
Absatz 5 Satz 1 des Bundeswahlgesetz (BWG) auch dann
verbleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Lan-
deslisten abgegebenen Zweitstimmen ermittelte Mandats-
zahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz aus-
drücklich eine Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deut-
schen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne weiteren
Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung
hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom

verfassungsgericht aus einem anderen Grund aufgegebenen
Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011
(Urteil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Ge-
setzgeber über die Berechnung der Sitzzuteilung bei künfti-
gen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat
das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt,
dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag
nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist
(BVerfGE 121, 266, 315 f.).

Zum anderen können sich auch deshalb nicht sämtliche ab-
gegebenen Zweitstimmen in Sitzen im 17. Deutschen Bun-
destag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl
angetretenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vor-
gesehene Quorum von mindestens fünf Prozent der Zweit-
stimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Ver-
fassungsmäßigkeit dieser Regelung wird vom Bundesverfas-
sungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestätigt (vgl.
zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen;
s. auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14).

4. Soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch darauf
stützt, dass Nichtwähler bei der Sitzverteilung im Deutschen
Bundestag unberücksichtigt blieben, liegt ebenfalls kein
Wahlfehler vor. Das geltende Bundestagswahlrecht stellt bei
der Ermittlung des Wahlergebnisses sowie bei der Verteilung
der Sitze auf die abgegebenen Stimmen ab (vgl. §§ 5 und 6
Absatz 1 BWG). Die Zahl der Mitglieder des Deutschen
Bundestages ist in § 1 BWG festgelegt und beläuft sich vor-
behaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichun-
gen auf 598 Abgeordnete. Mit dieser Festlegung hat sich der
Gesetzgeber für eine von der Zahl der Wahlberechtigten und
der Wahlbeteiligung losgelösten Bemessung der Mitglieder-
zahl entschieden. Wie der Wahlprüfungsausschuss bereits
mehrfach festgestellt hat, sind keine Anhaltspunkte für eine
Verfassungswidrigkeit der Regelung erkennbar (vgl. hierzu
Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 56; 17/4600, An-
lage 42); auch der Einspruchsführer hat keine vorgetragen.
Anders als der Einspruchsführer meint, bleiben jedoch we-
der die Nichtwähler noch die abgegebenen ungültigen Stim-
men gänzlich unbeachtet. Sowohl die Wahlbeteiligung als
auch der Anteil ungültiger Stimmen werden bei der Feststel-
lung des vorläufigen und des endgültigen Wahlergebnisses
festgehalten (vgl. §§ 76 ff. BWO, insbesondere § 76 Absatz 2
Satz 1 Ziffer 1 bis 4 und § 78 Absatz 2 Satz 1 Ziffer 1 bis 3);
dies stößt auch in den Medien auf große Aufmerksamkeit
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 56). Dass
nicht abgegebene und ungültige Stimmen keinen unmittelba-
ren Einfluss auf die Zusammensetzung des 17. Deutschen
Bundestages haben konnten, ergibt sich jedoch aus den oben
dargestellten wahlrechtlichen Entscheidungen des Gesetzge-
bers (vgl. auch Bundestagsdrucksache 16/3100, Anlagen 27
und 32).

5. Ebenso entspricht es geltendem Recht, dass sich nicht alle
Wählerinnen und Wähler im Wahlraum ausweisen mussten
(vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1150 Anlagen 31 und 33;
16/900, Anlagen 21 und 22; 16/3600, Anlage 32; 16/5700,
Anlagen 8 und 22; 17/2250, Anlagen 2 bis 4, 8, 13, 15, 17
und 20). Ausweisen müssen sich nach § 59 Satz 1 BWO die
Inhaber von Wahlscheinen. Ansonsten hat sich der Wahlbe-
rechtigte nach § 56 Absatz 3 Satz 2 BWO nur auf Verlangen
10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für ver-
fassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundes-

des Wahlvorstandes auszuweisen. Der Wahlvorstand ver-
langt dies insbesondere dann, wenn der Wähler seine Wahl-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 75 – Drucksache 17/6300

benachrichtigung nicht vorlegt. Ist der Name des Wählers im
Wählerverzeichnis aufgeführt, die Wahlberechtigung festge-
stellt und besteht außerdem kein Anlass zur Zurückweisung
des Wählers, gibt der Wahlvorsteher die Wahlurne frei (§ 56
Absatz 4 Satz 1 BWO). In der Regel ist somit die Vorlage der
Wahlbenachrichtigung zur Feststellung der Identität ausrei-
chend. Diese Art der Kontrolle bietet hinreichend Gewähr
dafür, dass die Identität der Wählerinnen und Wähler über-
prüft und Manipulationen durch eine mehrfache Teilnahme
an der Wahl verhindert werden. Daher bestehen auch an der
Vereinbarkeit dieser Regelungen mit dem Bundeswahlgesetz
und der Verfassung keine Zweifel (vgl. Bundestagsdrucksa-
chen 15/1150, Anlagen 31, 33; 16/900, Anlage 22; 16/3600,
Anlage 32; 17/2250, Anlagen 2 bis 4, 8, 13, 15, 17 und 20).
Zudem ist die Wahl durch das Gebot der höchstpersönlichen
Ausübung des Wahlrechts gemäß § 14 Absatz 4 BWG
und die Strafbarkeit des unbefugten Wählens gemäß § 107a
des Strafgesetzbuches aus Sicht des Wahlprüfungsausschus-
ses ausreichend gegen den vom Einspruchsführer befürch-
teten Wahlbetrug abgesichert (vgl. Bundestagsdrucksache
17/2250, Anlagen 2 bis 4, 8, 13, 15, 17 und 20 mit weiteren
Nachweisen).

6. Schließlich ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass
nicht alle für die Wahl zugelassenen Parteien in sämtlichen
Bundesländern mit Wahlvorschlägen auf den Stimmzetteln
vertreten waren (vgl. Bundestagsdrucksache 17/4600, An-

§ 19 ff. BWG) bzw. eine Landesliste in dem betreffenden
Bundesland (vgl. § 27 BWG) eingereicht hat, und ob diese
Wahlvorschläge von den zuständigen Wahlorganen gemäß
§ 26 bzw. § 28 BWG zugelassen worden sind. Ob und ggf. in
welchen Wahlkreisen bzw. Ländern eine Partei Kreiswahl-
vorschläge bzw. Landeslisten einreicht, wird durch § 18 ff.
BWG in ihr Ermessen gestellt. Eine Partei kann gemäß § 18
Absatz 5 BWG in jedem Wahlkreis nur einen Kreiswahlvor-
schlag und in jedem Land nur eine Landesliste einreichen,
sie muss aber nicht in jedem Land einen Kreiswahlvorschlag
bzw. eine Landesliste einreichen (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 15/1850, Anlage 39; 16/5700, Anlage 1; 17/3100,
Anlage 15; 17/4600, Anlage 2). Ein Anspruch der Wählerin-
nen und Wähler darauf, dass eine Partei Wahlvorschläge in
allen Bundesländern einreicht, besteht nicht (vgl. Bundes-
tagsdrucksachen 15/1850, Anlage 39; 17/3100, Anlage 15;
17/4600, Anlage 2).

Da, wie oben dargelegt, die Parteien selbst entscheiden, ob
und wo sie Wahlvorschläge einreichen, geht der vom Ein-
spruchsführer erhobene Vorwurf der Benachteiligung in-
soweit ins Leere (vgl. Bundestagsdrucksache 17/4600, Anla-
ge 2). Nachprüfbare Anhaltspunkte dafür, dass die vom Ein-
spruchsführer favorisierte oder eine andere Partei zulässige
Kreiswahlvorschläge oder Landeslisten eingereicht haben
und trotzdem nicht auf den Stimmzetteln aufgeführt worden
sein könnte, sind seinem Vortrag nicht zu entnehmen.
lage 2). Gemäß § 4 BWG wählt der Wähler mit seiner Erst-
stimme einen Bewerber in seinem Wahlkreis und mit der
Zweitstimme die Landesliste einer Partei. Ob er Wahlvor-
schläge einer bestimmten Partei auf dem Stimmzettel seines
Wahlkreises vorfindet, hängt davon ab, ob diese Partei einen
Wahlkreisvorschlag in dem betreffenden Wahlkreis (vgl.

7. Die Anregung des Einspruchsführers, die Mitglieder des
Bundestages zukünftig nach dem Zufallsprinzip zu bestim-
men, ist nicht im Wahlprüfungsverfahren zu behandeln, das
allein auf die Prüfung der Gültigkeit der Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag gerichtet ist.

Delegierten damit nicht frei in ihrem Abstimmungsverhalten
gewesen. Gleiches gelte für die Delegiertenversammlung
der SPD am 13. Dezember 2008 in Gunzenhausen, die

werden damit aber nicht die für die Wahl der Abgeordneten
geltenden strengen Vorgaben für die Wahrung des Wahlge-
gierten seien nicht demokratisch legitimiert, weil es auch bei
deren Wahl den Stimmberechtigten freigestanden habe, die
Stimmzettel offen auszufüllen. Im Fall einer Wahlwieder-

gen bei der Wahl der Parteibewerber entsprechen dem jewei-
ligen Charakter dieser Wahlen und ihrem Verhältnis zueinan-
der: Einerseits sind die unverzichtbaren Voraussetzungen für
Delegiertenversammlung der FDP am 9. Mai 2009 in
Bayreuth, die Delegiertenversammlung von BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN am 31. Januar 2009 in Amberg und die De-
legiertenversammlung der Partei DIE LINKE. am 29. März
2009 in München.

Der Einspruchsführer räumt ein, dass es für Aufstellungsver-
sammlungen der Parteien keine Wahlordnung wie für die
Stimmabgabe der Bürger im Wahllokal gebe, ist aber der
Auffassung, dass es dennoch nicht im Belieben der einzelnen
Delegierten liegen könne, ob sie offen oder in der Wahlkabi-
ne abstimmten. Die Aufstellung der Kandidaten sei keine un-
bedeutende Wahlvorbereitung, sondern Teil der Wahl. Daher
dürften auch keine geringeren Anforderungen an die Wah-
rung des Wahlgeheimnisses gestellt werden. Schon die Dele-

heimnisses, insbesondere die obligatorische Benutzung von
Wahlzellen und Wahlurnen, in Kraft gesetzt. Eine geheime
Wahl im Sinne des § 21 Absatz 3 Satz 1 BWG erfordert viel-
mehr lediglich, dass schriftlich mit Stimmzetteln abge-
stimmt wird und diese verdeckt gekennzeichnet und ohne
Einsichtnahme anderer abgegeben werden können (vgl. zu-
letzt Bundestagsdrucksachen 16/3600 Anlage 5 mit weiteren
Nachweisen; 17/2200, Anlage 11). So ist auch in den in
Anlage 17 zu § 34 Absatz 5 Nummer 3 Buchstabe a und An-
lage 23 zu § 39 Absatz 4 Nummer 3 der Bundeswahlordnung
(BWO) enthaltenen Musterniederschriften über die Aufstel-
lungsversammlungen nur von einer verdeckten Abstimmung
mit einheitlichen Stimmzetteln die Rede, nicht von einer
Verwendung von Wahlzellen und Wahlurnen. Diese im Ver-
gleich zur Wahl der Abgeordneten geringeren Anforderun-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 77 – Drucksache 17/6300

Anlage 21

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. M., 81827 München
– Az.: WP 83/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 3. No-
vember 2009, das beim Deutschen Bundestag am gleichen
Tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer macht die Verletzung des Wahlge-
heimnisses bei der Aufstellung der Wahlvorschläge mehre-
rer politischer Parteien geltend.

Er trägt im Wesentlichen vor, dass die Mitglieder der CSU
bei der Delegiertenversammlung zur Aufstellung der Lan-
desliste am 21. März 2009 in Erlangen nicht gezwungen ge-
wesen seien, die Stimmzettel in einer Wahlkabine auszufül-
len. Es habe kein Zwang bestanden, die in geringer Zahl vor-
handenen Wahlkabinen zu benutzen. Niemand habe von den
Wahlkabinen Gebrauch gemacht. Die Stimmzettel seien „in
enger Sitzordnung“ offen ausgefüllt und erst zum Einsam-
meln zusammengefaltet worden. Er wolle zwar nicht be-
haupten, dass Druck ausgeübt worden sei, doch seien die

damit vor der Wahl entstandene Mängel auch vor der Wahl
gerichtlich geklärt werden könnten.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl liegt
nicht vor. Zwar sind gemäß § 21 Absatz 3 Satz 1, § 27 Ab-
satz 5 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die in einem Kreis-
wahlvorschlag oder einer Landesliste benannten Bewerber
sowie die Vertreter für die Vertreterversammlungen in gehei-
mer Abstimmung zu wählen. Nach ständiger Entscheidung-
spraxis des Deutschen Bundestages in Wahlprüfungsangele-
genheiten – zuletzt auf einen entsprechenden Einspruch des
Einspruchsführers gegen die Gültigkeit der Europawahl
2009 (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 11) –
holung seien daher auch alle Delegiertenwahlen zu wieder-
holen. Eine Gesetzesänderung sei dringend zu empfehlen,

einen demokratischen Wahlvorgang auch im Vorfeld der
eigentlichen Wahl und gegenüber an der Wahlvorbereitung

Drucksache 17/6300 – 78 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

beteiligten Dritten, auch wenn sie, wie die Parteien, keine
amtlichen Wahlorgane sind (vgl. § 8 BWG), zu sichern. An-
dererseits ist zugleich die Autonomie der Parteien zu wahren
und im Interesse eines größtmöglichen Bestandsschutzes der
einmal durch Wahl hervorgebrachten Volksvertretungen die
Erheblichkeit von Wahlfehlern, die Dritte begehen können,
eng und strikt zu begrenzen (vgl. Bundestagsdrucksachen
16/3600 Anlage 5; 17/2200, Anlage 11; BVerfGE 89, 243,
251, 253). Dem Postulat des Einspruchsführers, dass an die
Wahl der Listenbewerber die gleichen Maßstäbe wie an die
Wahl der Abgeordneten anzulegen seien, kann daher nicht
gefolgt werden.

Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die dargestellten, aus
§ 21 Absatz 3 Satz 1 BWG folgenden Vorgaben ergeben sich
aus dem Vortrag des Einspruchsführers nicht. So trägt er
selbst vor, dass schriftlich mit Stimmzetteln abgestimmt
wurde und diese auch verdeckt gekennzeichnet werden
konnten. Soweit der Einspruchsführer anzudeuten scheint,
dass es wegen „der engen Sitzordnung“ möglich gewesen
sei, das Abstimmungsverhalten von Delegierten zu beobach-

ten, mag dies zutreffen. Es handelt sich dabei jedoch um eine
zwangsläufige Folge der oben dargestellten Auslegung des
§ 21 Absatz 3 Satz 1 BWG, wonach kein Zwang zur Nut-
zung von Wahlzellen und Wahlurnen besteht. Vor diesem
Hintergrund kann von einem Verstoß gegen das Gebot der
geheimen Abstimmung über die aufzustellenden Kandidaten
nicht bereits dann ausgegangen werden, wenn lediglich fest-
gestellt werden kann, dass die Möglichkeit bestand, Einblick
in das Abstimmungsverhalten anderer zu nehmen (vgl. Bun-
destagsdrucksachen 16/3600 Anlage 5; 17/2200, Anlage 11).
Dass es tatsächlich zu solchen Einsichtnahmen und Beein-
flussungen der Abstimmenden gekommen ist, hat der Ein-
spruchsführer ausdrücklich nicht behauptet.

Der Anregung des Einspruchsführers zur Änderung der
Wahlgesetze ist im Rahmen der Wahlprüfung, die auf die
Feststellung von Wahlfehlern und deren Relevanz für die
Verteilung der Mandate beschränkt ist (vgl. Bundestags-
drucksache 17/4600, Anlagen 16 und 30 mit weiteren Nach-
weisen), nicht nachzugehen.

gung stehenden 18 Felder der Plakatwände auf die Parteien
nach ihrem letzten Wahlergebnis aufgeteilt würden. Hierzu

in Betracht gekommen.

Da die übrigen Parteien keine Einwände erhoben hätten,
Stadt mit der Begründung, dass die Einladung gerade in der
Ferienzeit zu kurzfristig erfolgt sei, um Anberaumung eines
neuen Termins gebeten. Auch habe er darauf hingewiesen,

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, die Stadt Oberursel
habe durch ihr Verhalten gegen den Grundsatz der Gleichbe-
handlung aller Parteien verstoßen. Er macht geltend, die Ein-
habe die Stadt bisher schriftlich eingeladen. Zu einem ent-
sprechenden Parteiengespräch am 6. August 2009 sei jedoch
erst am 3. August 2009 und ausschließlich per E-Mail einge-
laden worden. Diese E-Mail habe der Einspruchsführer, der
Vorstandsmitglied des Ortsverbandes BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN sei, ferienbedingt nicht zur Kenntnis genommen
und sei daher nicht rechtzeitig zu dem Gespräch erschienen.
In seiner Abwesenheit sei eine Absprache unter den anwe-
senden Parteien getroffen worden, deren Ergebnis ihm der
Kämmerer der Stadt mitgeteilt habe. Danach hätten die Par-
teien CDU, SPD, FDP und DIE LINKE. auf den von der
Stadt zur Verfügung gestellten Plakatwänden drei Felder,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jedoch nur zwei Felder erhal-
ten. Er habe deshalb die Vereinbarung über den Verzicht auf
eigenes Plakatieren nicht unterzeichnet und das Wahlamt der

habe der Ortsverband 20 Plakate im Format DIN A1 im
Straßenraum aufgehängt, ohne relevante Verkehrseinrich-
tungen zu behindern oder zu verdecken. Diese seien von der
Stadt Oberursel abgenommen worden. Nachdem ein Mit-
glied der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die elf abge-
hängten Plakate abgeholt habe, habe das einzige anwesende
Magistratsmitglied zugesagt, dass die Plakate wieder aufge-
hängt werden dürften, was auch geschehen sei. Allerdings
seien, als Mitglieder des Ortsverbandes am Tag nach der
Wahl die Plakate hätten abhängen wollen, lediglich sechs
Plakate aufzufinden gewesen. Die übrigen seien von der
Stadt Oberursel eigenmächtig abgehängt worden. Die Stadt
verweigere die Herausgabe und verlange eine Kostenerstat-
tung in Höhe von ca. 25 Euro.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 79 – Drucksache 17/6300

Anlage 22

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn D. K., 61440 Oberursel im Taunus
– Az.: WP 96/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 11. November 2009, das am 16. Novem-
ber 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet eine Ungleichbehandlung
der kandidierenden Parteien bei der Plakatwerbung in Ober-
ursel. Im Wesentlichen macht er geltend, der Partei BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN sei auf einer von der Stadt Oberursel
zur Verfügung gestellten Plakatwand zu wenig Werbefläche
eingeräumt worden. Außerdem habe die Stadt von der Partei
zusätzlich aufgehängte Plakate widerrechtlich entfernt.

Der Einspruchsführer erläutert, dass sich in der Stadt Ober-
ursel/Taunus die Parteien bisher vor jeder Wahl darüber ver-
ständigt hätten, dass die Stadt große Plakatwände für die
Wahlwerbung zur Verfügung stellte. Im Gegenzug hätten die
Parteien auf „wildes Plakatieren“ in der Stadt verzichtet. Vor
der Wahl finde eine Besprechung statt, in der die zur Verfü-

gen den Grundsatz der Gleichbehandlung erfolgt sei, da ih-
nen nur zwei Plakatflächen zugeteilt wurden, während die
vergleichbar starken Parteien FDP und DIE LINKE. drei
Flächen erhalten hätten. Er habe zudem von den Vertretern
der Stadt erfahren, dass die anwesenden Parteien sich dage-
gen ausgesprochen hätten, der Partei BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN überhaupt Plakatflächen zuzuteilen. Die Stadt
habe die Anberaumung eines neuen Gespräches abgelehnt.

Im Weiteren habe sein Ortsverband mehrfach ergebnislos bei
der Stadt angefragt. Schließlich habe der Einspruchsführer
die übrigen Parteien um Stellungnahme gebeten und mit-
geteilt, dass der Ortsverband überlege, wie die von Amts
wegen zu gewährleistende Chancengleichheit wieder her-
gestellt werden könne, und in Betracht ziehe, etwa 20 Wahl-
plakate im öffentlichen Raum aufzustellen. Die Stadt
habe lediglich angeboten, ein weiteres Feld an der großen
Plakatwand anzubringen, wofür der Ortsverband von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jedoch die Kosten in Höhe
von ca. 2 000 Euro hätte tragen müssen. Da alle anderen Par-
teien keine Kosten hätten aufbringen müssen, sei dies nicht
dass nach Auffassung des Ortsverbandes von BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Verteilung der Flächen unter Verstoß ge-

ladung zu einem wichtigen Treffen habe schriftlich per Post
zu erfolgen, denn ein Brief wäre in der Geschäftsstelle ein-

Drucksache 17/6300 – 80 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gegangen und an einen Vertreter weitergeleitet worden, so
dass seine Partei am Treffen hätte teilnehmen können. Wei-
terhin meint er, das Treffen hätte unterbrochen bzw. wieder-
holt werden müssen, als erkannt worden sei, dass er die Ein-
ladung nicht wahrgenommen habe. Darüberhinaus liege
auch eine Ungleichbehandlung in der Tatsache, dass, entge-
gen der bisherigen Absprache, etwa gleich starken Parteien
auch gleiche Möglichkeiten zur Werbung zu geben, die bei
der letzten Bundestagswahl etwa gleich starken Parteien
FDP und DIE LINKE. ein Feld mehr und damit soviel Raum
wie die sehr viel stärkeren Parteien CDU und SPD erhalten
hätten. Die Begründung, dass freigebliebene Felder verge-
ben worden seien, führe zu der Ungleichbehandlung und
greife daher nicht. Zudem hätten sich zwei weitere kleine
Parteien sogar ein Feld teilen müssen.

Weiter macht der Einspruchsführer geltend, dass, da seine
Partei die Vereinbarung über den Verzicht auf eigenes Plaka-
tieren bei der Wahl aus den oben genannten Gründen nicht
unterschrieben habe, sie zusätzliche Plakate habe aufhängen
dürfen. Deshalb sei es der Stadt Oberursel nicht erlaubt ge-
wesen, die Plakate abzuhängen. Dies stelle einen schweren
Eingriff in die Rechte der Partei im Wahlkampf dar.

Zu diesem Wahleinspruch hat der Landeswahlleiter für Hes-
sen unter Einbeziehung der Stadt Oberursel Stellung genom-
men. Er teilt mit, dass die Stadt Oberursel den Vortrag des
Einspruchsführers im Wesentlichen bestätigt, jedoch darauf
hingewiesen habe, dass sie keine Verantwortung dafür trage,
wenn eine Partei ihre E-Mail-Adresse nicht betreue. Diese
Adresse stamme aus dem Büro der Gremien und sei die offi-
zielle E-Mail-Adresse der Partei in Oberursel. Neben der
Partei BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN seien auch CDU, SPD,
FDP, DIE LINKE., die Piratenpartei und die NPD per E-Mail
geladen worden. Eine telefonische Erreichbarkeit von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei ebenfalls nicht gewähr-
leistet gewesen. Da die Partei ihre Interessen in der Ver-
sammlung am 6. August 2009 nicht selbst habe wahrnehmen
können, habe die Stadt in der Versammlung drei Plakatflä-
chen für sie gefordert. Dies sei von den übrigen Teilnehmern
der Versammlung nicht akzeptiert worden, da entsprechend
der Ankündigung in der Einladung eine Vergabe der Plätze
nur unter den Wahlvorschlagsträgern habe erfolgen sollen,
die an dem Gespräch teilnähmen und ihr Interesse an einer
Plakatierung bis zum 6. August 2009, 12 Uhr, gegenüber
dem städtischen Wahlamt bekundet hätten. Dennoch seien
der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Vermittlung der
Stadt zwei Plakatflächen zuerkannt worden.

Ein Verstoß gegen den wahlrechtlichen Grundsatz der
Gleichbehandlung aller zur Wahl antretenden Wahlvor-
schlagsträger sei nicht ersichtlich. Das von der Stadt Oberur-
sel im Taunus gewählte Verfahren zur Verteilung der städti-
schen Plakatierungsflächen werde seit Jahren im Konsens
mit allen Wahlvorschlagsträgern praktiziert, auch der Ein-
spruchsführer sei grundsätzlich mit diesem Verfahren ein-
verstanden. Es sei zwar zum ersten Mal per E-Mail eingela-
den worden, doch die gesamte elektronische Kommunika-
tion der Stadt mit der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
erfolge ausschließlich über die von der Stadt für die Einla-
dung gewählte E-Mail-Adresse. Der Einspruchsführer habe
die ihm obliegende Sorgfalt bei der Kontrolle der Eingänge

Einladung hätte erfolgen bzw. eine erneute Versammlung
hätte abgehalten werden müssen. Der Partei BÜNDNIS90/
DIE GRÜNEN seien statt der begehrten drei lediglich zwei
Plakatflächen zuerkannt worden. Dass dies unter Verstoß ge-
gen das unter den Versammlungsteilnehmern abgesprochene
Verfahren und nur auf Betreiben der Stadt erfolgt sei, sei un-
erheblich, da gerade dadurch die Chancengleichheit der zur
Wahl antretenden Wahlvorschlagsträger gewahrt worden sei.
Es sei nicht ersichtlich und werde vom Einspruchsführer
auch nicht vorgetragen, dass eine zusätzliche Plakatfläche
Einfluss auf das Stimmabgabeverhalten der Wählerinnen
und Wähler gehabt hätte. Zudem müsse berücksichtigt wer-
den, dass die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Unter-
schied zu allen anderen Wahlvorschlagsträgern mit 20 zu-
sätzlichen Plakaten geworben habe. Diese seien zwar weit-
gehend von der Stadt bereits vor dem Wahltag entfernt
worden, doch hätten nach dem Vortrag des Einspruchsfüh-
rers nach dem Wahltag noch sechs Wahlplakate gehangen.
Da diese Form der Plakatierung in Oberursel seit mehreren
Jahren unüblich sei, sei davon auszugehen, dass durch diese
Plakate eine hohe Aufmerksamkeit habe erzielt werden kön-
nen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat hierauf insbesondere bestritten, dass sei-
ne E-Mail-Adresse, die er anlässlich einer früheren Sitzung
mitgeteilt habe, als E-Mail-Adresse der Partei bekannt sei.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keine die Gültigkeit
der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag berührende Verlet-
zung wahlrechtlicher Vorschriften erkennen.

Zwar ist dadurch, dass der Partei BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf den von der Stadt Oberursel aufgestellten Pla-
katwänden nur zwei, den Parteien CDU, SPD, FDP und DIE
LINKE. aber drei Flächen für Plakatwerbung zur Verfügung
gestellt worden sind, der Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien im Wahlwettbewerb verletzt worden. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet die-
ser seine Grundlage insbesondere in Artikel 21 Absatz 1 des
Grundgesetzes. Beruht die Demokratie auf der freien Kon-
kurrenz von Meinungen und Interessen, so müssen die Par-
teien und Gruppen, die sich die unterschiedlichen Meinun-
gen zu eigen machen, unter den gleichen Bedingungen, mit
den gleichen Chancen am politischen Wettbewerb teilneh-
men können. (BVerfGE 120, 82, 104). Es gilt nicht nur für
den Wahlvorgang selbst, sondern auch schon für die Zeit vor
der Wahl, auch und gerade im Wahlkampf (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 53). Zwar un-
terliegt der Grundsatz der Chancengleichheit keinem absolu-
ten Differenzierungsverbot (vgl. z. B. BVerfGE 120, 82,
106). Bei der Zulassung von Wahlwerbung im öffentlichen
Straßenraum wird insbesondere eine Anwendung des
Grundsatzes der „abgestuften Chancengleichheit“ i. S. d. § 5
des Parteiengesetzes vertreten (vgl. Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 79). Danach ist eine
im E-Mail-Postfach der Partei vermissen lassen und könne
sich nicht darauf berufen, dass zusätzlich eine schriftliche

Abstufung entsprechend der Bedeutung der Parteien, die
sich insbesondere auch nach den Ergebnissen vorausgegan-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 81 – Drucksache 17/6300

gener Wahlen bemisst, zulässig. Eine Rechtfertigung der Un-
gleichbehandlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen-
über den Parteien CDU, SPD, FDP und DIE LINKE., die bei
der Verteilung der Plakatierungsfläche jeweils drei Felder,

hätte. Abgesehen davon, dass die zusätzlich angebrachten
Plakate die fehlende Werbewirkung kompensiert haben dürf-
ten, lässt sich dies schon deshalb hier jedoch mit Sicherheit
ausschließen, weil sich die Sitzverteilung im Deutschen
und damit ein Feld mehr als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
erhielten, ergibt sich vorliegend hieraus jedoch nicht. Denn
bei den vorausgegangenen Bundestagswahlen im Jahr 2005
erzielte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowohl im gesamten
Wahlkreis 177 (jetzt: 176) (Hochtaunus) als auch in der Stadt
Oberursel zwar jeweils weniger Erst- und Zweitstimmen als
CDU, SPD und FDP, aber mehr als DIE LINKE. Gleiches
gilt für das Ergebnis der Landeslisten in Hessen. Zumindest
die Tatsache, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf einer
von der Stadt Oberursel zur Verfügung gestellten Plakat-
wand weniger Plakatierungsfläche als der Partei DIE LINKE.
zugewiesen wurde, ist daher mit dem Gleichbehandlungs-
grundsatz weder unter dem Gesichtspunkt strikt formaler
Gleichbehandlung noch bei einer an der Bedeutung der Par-
teien orientierten Abstufung vereinbar. Hiergegen kann auch
nicht eingewendet werden, dass die Partei bei dem Gespräch,
dessen Ergebnis die Verteilung der Flächen war, nicht vertre-
ten war. Auf die Frage, auf wessen Verschulden die Abwe-
senheit zurückgeht, kommt es daher vorliegend nicht an.
Auch war den Vertretern der Stadt durchaus bewusst, dass
die Partei nicht auf die Plakatierungsmöglichkeiten verzich-
ten wollte, wie ihre „Forderung“ von drei Flächen für
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeigt. Daher hätte ihr die
Stadt Oberursel die gleichen Möglichkeiten zur Plakatierung
zur Verfügung stellen müssen wie den übrigen genannten
Parteien, jedenfalls aber nicht weniger als der Partei DIE
LINKE. Das vom Einspruchsführer erwähnte Angebot, eine
zusätzliche Fläche gegen Zahlung einer von den übrigen Par-
teien nicht erhobenen Summe anzubringen, genügt hierfür
nicht. Die Stadt kann sich auch nicht darauf berufen, dass die
bei dem Gespräch vertretenen Wahlvorschlagsträger gegen
ihr Votum anderes „beschlossen“ hätten. Denn sie ist als Trä-
gerin der öffentlichen Gewalt zur Verwirklichung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet und muss daher
bei der Zuweisung von Wahlwerbeflächen auf von ihr zur
Verfügung gestellten Plakatwänden ein Verfahren wählen,
das dieses ermöglicht.

Der festgestellte Wahlfehler vermag dem Einspruch jedoch
nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn nach ständiger Praxis
des Wahlprüfungsausschusses und des Deutschen Bundesta-
ges und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts kann ein Wahleinspruch nur erfolgreich sein,
wenn der Wahlfehler auf die Verteilung der Mandate von
Einfluss ist oder sein kann (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksa-
chen 17/3100, Anlagen 7, 8, 10, 17 und 21; 17/4600, Anla-
gen 27 und 28 mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 89, 243,
254). Das wäre vorliegend der Fall, wenn es zumindest mög-
lich erschiene, dass sich ohne die oben dargestellte Benach-
teiligung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei der Zutei-
lung von Plakatierungsflächen in der Stadt Oberursel eine
andere Mandatsverteilung im Deutschen Bundestag ergeben

Bundestag selbst dann nicht verändert hätte, wenn sämtliche
gültige Erst- und Zweitstimmen in der Stadt Oberursel für
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgegeben worden wären,
wie eine vom Wahlprüfungsausschuss erbetene Berechnung
des Bundeswahlleiters belegt.

Die vom Einspruchsführer am Rande ebenfalls kritisierte
Gleichbehandlung der im 16. Deutschen Bundestag vertrete-
nen Parteien CDU, SPD, FDP und DIE LINKE. durch Zu-
weisung derselben Flächenanzahl auf der städtischen Plakat-
tafel verstößt hingegen nicht gegen den Gleichbehandlungs-
grundsatz, der eine Abstufung nach der Bedeutung der
Parteien zwar gestattet, aber nicht zwingend und im Einzel-
nen vorschreibt. Da die übrigen Wahlvorschläge, soweit sie
zur Bundestagswahl 2005 angetreten waren, erheblich
schwächere Ergebnisse (zwischen 0,1 und 0,7 Prozent der
Zweitstimmen im Wahlkreis) erzielt hatten, war unter dem
Gesichtspunkt der abgestuften Chancengleichheit auch die
Vergabe von weniger Plakatierungsfläche an die nicht im
Bundestag vertretenen Wahlvorschläge zulässig.

Soweit sich der Einspruchsführer dagegen wendet, dass die
Stadt Oberursel die von der Partei BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zusätzlich angebrachten Wahlplakate zumindest
teilweise vor dem Wahltag wieder entfernen ließ, vermag der
Wahlprüfungsausschuss einen Verstoß gegen den Gleichbe-
handlungsgrundsatz ebenfalls nicht festzustellen, da die üb-
rigen Parteien – in Übereinstimmung mit der von ihnen un-
terzeichneten Vereinbarung – auf eine derartige Wahlwer-
bung von vornherein verzichtet hatten.

Demgegenüber war die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
an diese von ihr nicht unterzeichnete Vereinbarung nicht ge-
bunden, und durfte daher von der Stadt Oberursel auch nicht
so behandelt werden, als gelte die Vereinbarung auch für sie.
Daraus folgt jedoch nicht, dass für sie das Aufstellen von
Wahlplakaten ohne Weiteres zulässig gewesen wäre. Denn
regelmäßig ist für Wahlwerbung im Straßenraum eine – ver-
fassungsrechtlich zulässige – Sondernutzungserlaubnis er-
forderlich (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufla-
ge, 2009, § 1 Rn. 79). Daher kommt es vorliegend auch nicht
darauf an, dass die übrigen Parteien auf die Ankündigung zu-
sätzlicher Plakatierungen nicht reagiert haben.

Ob hingegen die Stadt das „wilde Plakatieren“ von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möglicherweise hätte dulden
müssen oder hierfür zunächst eine Sondernutzungserlaubnis
zu beantragen gewesen wäre, ist in erster Linie eine – der
verwaltungsgerichtlichen Klärung zugängliche – straßen-
rechtliche Frage, die im Rahmen der Wahlprüfung offen
bleiben kann, da ein Einfluss auf die Sitzverteilung im Deut-
schen Bundestag vorliegend, wie oben dargelegt, jedenfalls
ausgeschlossen ist.

sie für ehrenamtlich tätige Bundestagsabgeordnete geschaf-
fen worden sei, ergebe sich eine Wettbewerbsverzerrung

setzes) gewahrt. Der Einspruchsführer sei in dieser Hinsicht
bei einer Bewerbung für einen Sitz im Deutschen Bundestag
den gleichen Anforderungen und Voraussetzungen wie jeder
Wahlprüfungsverfahren die Rüge von Mängeln bei der An-
wendung der für die Wahl geltenden wahlrechtlichen Rege-
lungen voraussetze (BVerfGE 89, 243, 251). Daraus folge,

rufliche Risiko im Falle des Erwerbs der Mitgliedschaft im
Deutschen Bundestag begrenzt habe. Im Übrigen sei es an-
gesichts der Unterschiede zwischen den beruflichen Le-
zugunsten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die im
16. Deutschen Bundestag erheblich überrepräsentiert gewe-
sen seien. Die übrigen Bundestagsabgeordneten könnten die
Privilegien der § 2 Absatz 3 und § 7 Absatz 4 und 5 AbgG
nicht nutzen. Der Einspruchsführer beantragt, „die verfas-
sungswidrig gewordenen Privilegien abzuschaffen und da-
nach die 17. Deutsche Bundestagswahl zu wiederholen“.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu diesem Wahlein-
spruch wie folgt Stellung genommen:

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss
vom 20. Oktober 1993 zu den wahlrechtlichen Anforderun-
gen an die Kandidatenaufstellung hervorgehoben, dass das

andere Bewerber unterworfen. Eine – vom Einspruchsführer
behauptete – Benachteiligung gegenüber Angehörigen des
öffentlichen Dienstes bei der Begrenzung beruflicher Risi-
ken infolge eines Mandatserwerbs begründe keinen wahl-
prüfungsrelevanten Wahlfehler und könne daher nicht im
Wege der Wahlprüfung geltend gemacht werden. Der Ein-
spruchsführer sei vielmehr auf die allein statthaften Rechts-
behelfe der Verfassungsbeschwerde bzw. – im Falle des Er-
werbs der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag – des
Organstreits zu verweisen.

Ergänzend weist das Bundesministerium des Innern darauf
hin, dass der Gesetzgeber im § 4 Absatz 1 AbgG entspre-
chend den Regelungen des § 7 Absatz 4 und 5 AbgG auch
für Beschäftigte außerhalb des öffentlichen Dienstes das be-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83 – Drucksache 17/6300

Anlage 23

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. K., 69502 Hemsbach
– Az.: WP 98/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2009, das am 17. November
2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen § 2 Absatz 3 und
§ 7 Absatz 4 und 5 des Abgeordnetengesetzes (AbgG). Er ist
der Auffassung, dass diese Regelungen – die eine Kündi-
gung oder Entlassung wegen des Erwerbs, der Annahme
oder Ausübung des Bundestagsmandats verbieten und die
Anrechnung der Zeit der Mitgliedschaft im Deutschen Bun-
destag auf die Dienst- und Beschäftigungszeiten von Beamten
und Angestellten im öffentlichen Dienst vorsehen – gegen
Artikel 1 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 1, Artikel 33 Absatz 2
und Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ver-
stoßen, weil sie Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowie
„Mitarbeiter großer Arbeitgeber“ bei der Bewerbung und
Ausübung eines Bundestagsmandats unzulässig privilegier-
ten. Aus dieser Ungleichbehandlung, die überholt sei, weil

sammenhängenden Vorgänge sei. Den Prüfungsmaßstab bil-
deten alle Rechtssätze, die anlässlich der Wahl zur Anwen-
dung kämen, also Wahlrechtsvorschriften oder Vorschriften
mit Bezug zum Wahlverfahren. Angesichts dieser Maßgaben
greife das Vorbringen des Einspruchsführers nicht durch, die
bestehenden Regelungen des Abgeordnetengesetzes in § 7
Absatz 4 und 5 für Angehörige des öffentlichen Dienstes
führten zur Ungültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bun-
destag. Die beanstandeten Vorschriften stellten keine
Rechtssätze dar, die einen Bezug zum Wahlverfahren auf-
wiesen, die also gerade anlässlich der Durchführung einer
Wahl zur Anwendung kämen.

Die Vorschriften des Abgeordnetengesetzes regelten umfas-
send die Rechtsstellung der Abgeordneten, also der gewähl-
ten Vertreter des ganzen Volkes. Als statusbezogenes Son-
derrecht tangierten die vom Einspruchsführer angegriffenen
Regelungen nicht die – wahlprüfungsrelevante – rechtliche
Chancengleichheit bei der Aufstellung als Bewerber für die
Wahl zum Deutschen Bundestag. Diese sei vielmehr im Rah-
men des geltenden Wahlrechts (§ 18 ff. des Bundeswahlge-
dass Gegenstand der Wahlprüfung die Gültigkeit der Wahl
und damit der Gesamtheit aller mit der Wahl unmittelbar zu-

bensumständen von Angehörigen freier Berufe und Beschäf-
tigten auch unter Berücksichtigung der formalen Gleich-

Drucksache 17/6300 – 84 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

stellung aller Abgeordneten für den parlamentarischen
Gesetzgeber faktisch nicht möglich, bei der Gewährung von
Leistungen die Chancengleichheit auf Zugang zum Parla-
ment für Angehörige freier Berufe vollständig zu verwirkli-
chen.

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer zur Kenntnis
gegeben worden. Er hat hierauf seinen Vortrag im Wesent-
lichen wiederholt und zusätzlich mitgeteilt, dass das Bundes-
verfassungsgericht ihn auf die Wahlprüfung verwiesen habe.
Diesem Schreiben hat er u. a. die Kopie eines an ihn gerich-
teten Schreibens des Bundesverfassungsgerichts vom
1. September 2009, in dem mitgeteilt wird, dass in Wahlan-
gelegenheiten der Grundsatz gelte, dass „Entscheidungen
und Maßnahmen, die sich auf das Wahlverfahren beziehen,
nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechts-
behelfen sowie im Wahlprüfungsverfahren angefochten wer-
den können“, sowie einen Beschluss des Bundesverfas-
sungsgerichts, mit dem seine „gegen die Wahl des 17. Deut-
schen Bundestages“ gerichtete Verfassungsbeschwerde – die
dem Wahlprüfungsausschuss nicht vorliegt – nicht zur Ent-
scheidung angenommen wird, beigefügt.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Ein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften kann auf der
Grundlage des Vortrags des Einspruchsführers nicht festge-
stellt werden. Da der Einspruchsführer rügt, Regelungen des
Abgeordnetengesetzes verstießen gegen die für die Wahl
geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben, ist zunächst
darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und
der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen
eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der
für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen.
Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungs-
gericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdruck-
sachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5

und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24;
17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600,
Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachwei-
sen).

Vorliegend ist aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses die
Feststellung eines Wahlfehlers allerdings schon deshalb aus-
geschlossen, weil der Vortrag des Einspruchsführers keine
substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vorberei-
tung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bun-
destag umfasst. Soweit er sich gegen § 2 Absatz 3 AbgG
wendet, der die Kündigung oder Entlassung wegen des Er-
werbs, der Annahme oder Ausübung des Mandats untersagt,
besteht zwar insofern ein Bezug zur Vorbereitung der Wahl,
als der Kündigungsschutz gemäß § 2 Absatz 3 Satz 3 AbgG
bereits mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür
zuständige Organ der Partei oder mit der Einreichung des
Wahlvorschlags beginnt. Es wird jedoch aus dem Vortrag des
Einspruchsführers nicht deutlich, worin die von ihm behaup-
tete Ungleichbehandlung liegen soll, da diese Vorschrift un-
terschiedslos für alle abhängig Beschäftigten gilt. Dass eine
Kündigungsschutzregelung keine Anwendung auf Personen
finden kann, die von Entlassung und Kündigung nicht be-
droht sind, weil sie beispielsweise selbständig oder freibe-
ruflich tätig, in Ausbildung befindlich oder arbeitslos sind,
liegt in der Natur der Sache. Die vom Einspruchsführer
ebenfalls angegriffenen Regelungen des § 7 Absatz 4 und 5
AbgG, die eine Anrechnung der Zeit der Mitgliedschaft im
Bundestag auf Dienst- und Beschäftigungszeiten von Be-
schäftigten im öffentlichen Dienst vorsehen (und damit § 4
Absatz 1 AbgG ergänzen, wonach die Zeit der Mitglied-
schaft im Bundestag nach Beendigung des Mandats auf die
Berufs- und Betriebszugehörigkeit anzurechnen ist), haben
hingegen, wie das Bundesministerium des Innern zutreffend
ausführt, das Statusrecht der Abgeordneten, nicht aber die
– im Rahmen der Wahlprüfung allein prüfungsgegenständ-
liche – Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl
zum Gegenstand.

spruchsführers habe sich in dieser Angelegenheit an die
Stadt Bonn gewandt, deren Antwort der Einspruchsführer

Wahlvorsteher, den Sparkassengeschäftsführer oder einen
Sicherheitsbeamten sei dagegen für den Wähler nicht nach-
Wähler erkennen könne, dass er nicht mit der Kamera ge-
filmt werde. Die Aussage, dass der Geschäftsstellenleiter
dies sichergestellt habe, sei weder bindend noch nachvoll-

ben der §§ 33 Absatz 1 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG), 50 Absatz 1 Satz 1 der Bundeswahlordnung (BWO)
entsprach, wonach Vorkehrungen zur Wahrung des Wahlge-
zusammen mit seiner Einspruchsschrift übersandt hat. In
dieser heißt es unter anderem:

„Da die Problematik mit Überwachungskameras in Sparkas-
sen bekannt ist, wurden besonders die Wahlvorstände, die in
Sparkassen eingesetzt sind, hierauf hingewiesen und aufge-
fordert, die Wahlkabinen außerhalb des Schwenkbereiches
der Überwachungskameras aufzustellen. In dem von Ihnen
angesprochenen Wahllokal hat der zuständige Geschäftsstel-
lenleiter persönlich das Wahllokal aufgeschlossen und bei
der Einrichtung mit dafür gesorgt, dass diese Vorgaben auch
umgesetzt wurden. Dieser versicherte auch, dass die Kame-
ras die Wahlhandlung nicht erfassen konnten“.

Der Einspruchsführer kritisiert, dass die Stadt Bonn in ihrer
Antwort nicht erklärt habe, wie sichergestellt werde, dass der

prüfbar und damit wertlos. Ergänzend weist er darauf hin,
dass die Stadt Bonn ihm am Wahltag telefonisch mitgeteilt
habe, dass die Kameras aus Sicherheitsgründen nicht ver-
deckt werden dürften.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Ein Wahlfehler, der die Sitzverteilung im Deutschen Bun-
destag beeinflusst hätte, liegt nicht vor.

Zwar kann der Wahlprüfungsausschuss nicht mit Sicherheit
feststellen, dass die Aufstellung der Wahlkabinen den Vorga-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85 – Drucksache 17/6300

Anlage 24

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. F., 72074 Tübingen
– Az.: WP 103/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 16. November 2009, das am 19. Novem-
ber 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass im Wahllokal 125 in
Bonn-Gronau, das sich in den Räumen einer örtlichen Spar-
kasse befunden habe, eine der beiden Wahlkabinen so aufge-
stellt gewesen sei, dass eine Überwachungskamera „im di-
rekten Winkel“ auf die dort wählende Person gerichtet gewe-
sen sei. Darauf habe der Einspruchsführer den Wahlvorstand
aufmerksam gemacht, welcher ihm versichert habe, dass mit
der Kamera nichts zu sehen sei. Auf den Vorschlag des Ein-
spruchsführers, die Kamera mit einem Tuch oder Papier zu
verdecken, habe dieser entgegnet, dass er im Wahlraum
nichts verändern dürfe. Dies habe der anwesende Sicher-
heitsbeamte der Sparkasse bestätigt, der auch untersagt habe,
die Situation fotografisch zu dokumentieren.

Ein in dem Wahllokal wahlberechtigter Bekannter des Ein-

zunächst der Wähler und dann seine Wahlentscheidung auf-
genommen würden. Für den Wähler sei nicht erkennbar, was
im Aufnahmebereich der Kamera liege, er habe vielmehr aus
dem Aufstellungsort der Kamera schließen müssen, dass er
gefilmt werde.

Zu diesem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des
Landes Nordrhein-Westfalen unter Bezugnahme auf die vom
Einspruchsführer übersandte und oben bereits zitierte Stel-
lungnahme der Stadt Bonn Stellung genommen und mitge-
teilt, dass sich danach ein Wahlfehler nicht feststellen lasse.
Sie habe jedoch die Stadt Bonn um Prüfung gebeten, ob bei
künftigen Wahlen unter Berücksichtigung der Sicherheitsbe-
lange der Sparkasse diejenigen Kameras, welche die Wahl-
handlung erfassen könnten, mit einem Tuch o. Ä. verhängt
werden könnten.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin bekannt gegeben worden. Er hat sich hierzu ge-
äußert und erneut erklärt, es müsse aus seiner Sicht für den
Wähler offensichtlich sein, dass das Wahlgeschehen nicht
aufgezeichnet werde. Die bloße Versicherung durch den
ziehbar, denn die Kamera habe so von hinten auf die dort of-
fenen Wahlkabinen gezielt, dass es zumindest schien, als ob

heimnisses zu treffen und insbesondere in jedem Wahlraum
eine oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einzurichten sind,

Drucksache 17/6300 – 86 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

in denen der Wähler den Stimmzettel unbeobachtet kenn-
zeichnen und falten kann. Diese Vorschriften konkretisieren
den in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG)
verankerten Grundsatz der geheimen Wahl, der seinerseits
den „wichtigsten institutionellen Schutz der Wahlfreiheit“
darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; s. a. Bundestagsdrucksachen
16/900, Anlage 26; 17/3100, Anlage 17). An den Sichtschutz
dürfen keine unverhältnismäßigen Anforderungen gestellt
werden (Bundestagsdrucksachen 15/4250, Anlage 11; 16/900,
Anlage 26; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage,
2009, § 33 Rn. 3). Dass registriert werden kann, wer sich in
der Wahlzelle aufhält, stellt beispielsweise keinen Verstoß
gegen das Wahlgeheimnis dar (Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlage 26; Schreiber a. a. O.). Es muss aber auf jeden Fall
gewährleistet sein, dass unter normalen Umständen niemand
beobachten kann, ob und wie der Stimmzettel ausgefüllt
wird. Der Wähler muss sich aufgrund der konkreten ört-
lichen Verhältnisse unbeobachtet fühlen können (Bundes-
tagsdrucksachen 15/4250, Anlagen 11 und 12; 16/900, An-
lage 26; 16/1800 Anlage 50; 17/3100, Anlage 17; Schreiber
a. a. O.).

und versichert, dass die Kameras die Wahlhandlung nicht
hätten erfassen können. Dieser Aussage lässt sich jedoch
nicht eindeutig entnehmen, ob die Überwachungskamera
entgegen der Behauptung des Einspruchsführers tatsächlich
so ausgerichtet war, dass die Wähler sich bei ihrem Umgang
mit dem Stimmzettel unbeobachtet fühlen durften.

Letztlich kann jedoch offen bleiben, ob die Einrichtung des
Wahlraums vorliegend gegen wahlrechtliche Vorschriften
verstoßen hat, da der Einspruch selbst bei Annahme eines
Wahlfehlers keinen Erfolg haben könnte. Denn nach ständi-
ger Praxis des Wahlprüfungsausschusses und des Deutschen
Bundestages und nach ständiger Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts kann ein Wahleinspruch nur erfolg-
reich sein, wenn der festgestellte Mangel auf die Verteilung
der Mandate von Einfluss ist oder sein kann (vgl. zuletzt
Bundestagsdrucksache 17/4600, Anlagen 27 und 28 mit wei-
teren Nachweisen; BVerfGE 89, 243, 254). Vorliegend be-
stehen jedoch schon keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die
Einrichtung des Wahlraums die Entschließungsfreiheit der
ihm zugewiesenen Wähler – zu denen der Einspruchsführer
Dies wäre jedoch dann nicht der Fall, wenn der Wähler da-
von ausgehen müsste, dass sein Umgang mit dem Stimmzet-
tel von einer Überwachungskamera aufgezeichnet würde.
Dabei ist zu beachten, dass nach der Entscheidungspraxis
des Wahlprüfungsausschusses nicht nur das „Wie“, sondern
schon das „Ob“ des Ausfüllens des Stimmzettels vom
Grundsatz der geheimen Wahl geschützt ist (vgl. Bundes-
tagsdrucksachen 16/900, Anlage 26; 17/3100, Anlage 17).
Ob der Wähler vorliegend, wie der Einspruchsführer meint,
aufgrund der Ausrichtung der Überwachungskamera davon
ausgehen musste, gefilmt zu werden, lässt sich – da dem Ein-
spruchsführer eine fotografische Dokumentation der Situa-
tion untersagt wurde – nicht mehr aufklären. Die Landes-
wahlleiterin zitiert diesbezüglich lediglich die Aussage der
Stadt Bonn, der Geschäftsstellenleiter der Sparkasse habe an
der Umsetzung der wahlrechtlichen Vorgaben mitgewirkt

nicht zählte – tatsächlich beeinträchtigt hat (vgl. hierzu auch
Bundestagsdrucksache 17/3100, Anlage 17 mit weiteren
Nachweisen). Zudem lässt sich ein Einfluss auf die Mandats-
verteilung mit Sicherheit ausschließen, da sich die Sitzver-
teilung im Deutschen Bundestag selbst dann nicht verändert
hätte, wenn sämtliche 574 Wähler, die in dem Wahlbezirk an
der Wahl teilgenommen haben, ihre Erst- oder Zweitstim-
men anders oder nicht abgegeben hätten, wie eine vom
Wahlprüfungsausschuss erbetene Berechnung des Bundes-
wahlleiters belegt.

Ungeachtet dessen erwartet der Wahlprüfungsausschuss,
dass die Wahlorgane zukünftig durch geeignete Maßnahmen
sicher stellen, dass sich Wähler gerade in Wahlräumen, die
mit Überwachungskameras ausgestattet sind, bei ihrer Wahl-
handlung unbeobachtet fühlen können.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 87 – Drucksache 17/6300

Anlage 25

Beschlussempfehlung

2009 beigelegt, in dem über eine „Auszählungspanne“ bei
den Landtagswahlen in Brandenburg berichtet wird.

stantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291,
Wie sich aus einem vom Landtag Brandenburg an den Deut-
schen Bundestag weiter geleiteten Schreiben ergibt, hat der
Einspruchsführer dort gleichzeitig das Ergebnis der Land-
tagswahl angefochten. Insoweit wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß ge-
gen wahlrechtliche Vorschriften erkennen, denn er umfasst

304 f.). Wahlbeanstandungen, die, wie hier, über unbelegte
Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der
Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthal-
ten, sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38
und 39; 17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39,
jeweils mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48, 271, 276;
66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).
Zum Wahleinspruch

des Herrn S. G. H., 12555 Berlin
– Az.: WP 105/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 17. November 2009, das beim Wahlprü-
fungsausschuss am 20. November 2009 eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009
eingelegt.

Der Einspruchsführer trägt vor, er habe bei einer Überprü-
fung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses in 282 Wahl-
lokalen festgestellt, dass es zu „erheblichen Differenzen“
zwischen den Ergebnissen der Bundestagswahl und denen
der am selben Tag durchgeführten Landtagswahl im Land
Brandenburg bzw. zwischen den Erst- und Zweitstimmen bei
der Landtagswahl gekommen sei. Diese Differenzen seien
„so auffällig“, dass er vermute, dass aufgrund fehlerhafter
Eintragungen auf den Formularen zur Meldung der Wahl-
ergebnisse falsche Ergebnisse ermittelt worden seien. Er be-
antrage deshalb eine Überprüfung der Wahlergebnisse durch
nochmaliges Auszählen der Stimmzettel.

Seiner Einspruchsschrift hat er die Kopie eines Artikels aus
den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ vom 14. Oktober

keine substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vor-
bereitung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag. Die nicht weiter präzisierte Behauptung, es seien
„erhebliche Differenzen“ zwischen den Ergebnissen der zeit-
gleich durchgeführten Bundestags- und Landtagswahlen
festzustellen, reicht für die Annahme eines Wahlfehlers nicht
aus; auf – ebenfalls angeführte – Abweichungen zwischen
dem Erst- und Zweitstimmenergebnis bei der Landtagswahl
in Brandenburg kommt es für die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag erst recht nicht an. Die vom Ein-
spruchsführer pauschal geäußerte Vermutung, es könne zu
Fehlern bei dem Ausfüllen der Formulare zur Meldung der
Wahlergebnisse gekommen sein, bietet, da sie mit keinerlei
konkreten Tatsachen belegt wird, keinen Anlass, die bean-
tragte Neuauszählung der Stimmzettel anzuordnen. Denn die
Wahlprüfung erfolgt weder von Amts wegen, noch findet sie
stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl statt.
Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes erfolgt
sie vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Be-
gründung muss mindestens den Tatbestand, auf den die An-
fechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend sub-

einer Listenverbindung zusammengeschlossen gälten. Daher
gälten nach § 7 Absatz 2 BWG die verbundenen Listen bei
der Sitzverteilung im Verhältnis zu den übrigen Listen als je-

Absatz 4 BWG mehrfach verwendete Begriff der „Landes-
liste“ durch den Begriff „Listenverbindung“ zu ersetzen sei
nehmen. Auch das Bundesverfassungsgericht habe in sei-
nem Urteil vom 3. Juli 2008 die vom Einspruchsführer ver-
tretene Gesetzesauslegung als eine mögliche verfassungs-

NJW 1995, S. 1001 [1004]; Naundorf, ZParl 1997, S. 5
[12]).
weils eine Liste. Dies bedeute, dass auch die Sitzverteilung
auf die Landeslisten gemäß § 6 Absatz 4 Satz 1 BWG auf der
Ebene der verbundenen Liste anzuwenden sei und sich daher
die Zahl der mit Listenbewerbern zu besetzenden Mandate
für jede Partei aus der Differenz der nach dem Zweitstimmen-
ergebnis gemäß § 6 Absatz 2 und 3 BWG ermittelten Ge-
samtzahl und der Gesamtzahl der erfolgreichen Wahlkreis-
bewerber im Gebiet der Listenverbindung ergebe.

Die vom Bundeswahlleiter vorgenommene mehrschrittige
Verteilung der Mandate sei daher unzutreffend. Es sei nicht
richtig, das Sitzkontingent einer Listenverbindung durch die
Berechnung der Anzahl der Mandate für das Gesamtgebiet,
auf das die Verbindung sich erstrecke, zu ermitteln, ohne die
Anrechnung der Direktmandate auf derselben Ebene vorzu-

(Nicolaus, Demokratie, Verhältniswahl und Überhangman-
date, 1995, S. 100 ff.; ders., NJW 1995, S. 1001 [1002 f.];
vgl. auch Hohe, JA 1996, S. 391 [395]). Eine solche Inter-
pretation soll eine bundesweite Verrechnung der Wahlkreis-
mandate mit allen Listenmandaten der verbundenen Listen
ermöglichen. Dem Vorteil der Zusammenrechnung der
Zweitstimmen entspräche eine Verrechnung der so errunge-
nen Listenmandate mit den Wahlkreismandaten auf Bundes-
ebene. Parallel zu dieser Auslegung sei die Verweisung in
§ 7 Absatz 3 Satz 2 BWG teleologisch so zu reduzieren, dass
nicht § 6 Absatz 5 BWG insgesamt, sondern lediglich § 6
Absatz 5 Satz 1 BWG entsprechend anzuwenden sei, denn
nur so käme es im Ergebnis zu einer rein listeninternen Ver-
rechnung der über § 7 Absatz 3 BWG entstandenen Über-
hangmandate (vgl. Hobe, JA 1996, S. 391, 395; Nicolaus,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89 – Drucksache 17/6300

Anlage 26

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. C. N., 12157 Berlin
– Az.: WP 110/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem Schreiben, das beim Deutschen Bundestag am
23. November 2009 eingegangen ist, hat der Einspruchsfüh-
rer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet die Mitgliedschaft von
21 Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die er na-
mentlich auflistet. Er ist der Auffassung, dass der CDU bei
einer zutreffenden Anwendung von § 6 und § 7 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) über ihre in den Wahlkreisen gewon-
nenen Direktmandate hinaus keine weiteren Mandate hätten
zugesprochen werden dürfen, da die CDU das ihr nach dem
Zweitstimmenergebnis zustehende Kontingent mit den er-
folgreichen Wahlkreisbewerbern „restlos und exakt“ ausge-
schöpft habe.

Dies begründet der Einspruchsführer damit, dass, da keine
Partei eine Listenverbindung gemäß § 7 Absatz 1 zweiter
Halbsatz BWG ausgeschlossen habe, die Landeslisten der
Parteien, und damit auch die 15 Landeslisten der CDU, als in

die ständige Praxis der Wahlorgane könne keine ausschlag-
gebende Bedeutung für die Normauslegung haben. Ergän-
zend weist der Einspruchsführer darauf hin, dass bei einer
seinem Vorschlag entsprechenden Auslegung des BWG
auch die Problematik des „negativen Stimmgewichts“ ver-
schwinde. Wegen der Einzelheiten seines Vortrags wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Zu diesem Wahleinspruch hat das Bundesministerium des In-
nern Stellung genommen und im Wesentlichen darauf hinge-
wiesen, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil
vom 3. Juli 2008 zum negativen Stimmgewicht (BVerfGE
121, 266 ff.) zu der vom Einspruchsführer vertretenen Auf-
fassung Stellung genommen und sie verworfen habe. Unter
Bezugnahme auf sein Urteil vom 10. April 1997 zur Verfas-
sungsmäßigkeit von Überhangmandaten (BVerfGE 95, 335,
348) habe das Bundesverfassungsgericht wörtlich Folgendes
ausgeführt (BVerfGE 121, 266, 308 ff.):

„Zwar wird in der Literatur vertreten, dass die von § 7 Ab-
satz 3 Satz 2 BWG bestimmte entsprechende Anwendung
des § 6 Absatz 4 BWG dahin zu verstehen sei, dass der in § 6
konforme Auslegung dargestellt. Alle Argumente für die
zweischrittige Mandatsverteilung seien „hergesucht“. Auch

§ 7 Absatz 3 BWG in Verbindung mit § 6 Absatz 4 und 5
BWG lässt eine derartige Auslegung nicht zu. Sie würde

Drucksache 17/6300 – 90 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auch der ständigen Praxis der Wahlorgane (vgl. BVerfGE 95,
335, 348) und der überwiegenden Auffassung in der Litera-
tur (vgl. Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deut-
schen Bundestag, 7. Aufl. 2002, § 7 Rn. 5 m. w. N.) wider-
sprechen. Der Gesetzgeber des Bundeswahlgesetzes 1956
ging davon aus, dass nach seiner Regelung Überhangmanda-
te der begünstigten Partei ohne Verrechnung verblieben (vgl.
BTStenBer II/5322). Bei der Einführung von § 7 Absatz 2
BWG sollte zudem lediglich die Rechtslage an das, was zu
diesem Zeitpunkt bereits von allen Parteien praktiziert wur-
de, nämlich die Verbindung ihrer Listen zu einer fiktiven
Bundesliste für die Oberverteilung, angepasst werden (Bun-
destagsdrucksache 7/2873, S. 35 [Gesetzentwurf der Bun-
desregierung – Begründung zu § 7 Absatz 1 BWG i. d. F. des
Gesetzes vom 24. Juni 1975, BGBI I S. 1593]). § 7 Absatz 2
BWG ist denn auch kein Gebot der bundesweiten Verrech-
nung von Überhangmandaten zu entnehmen (vgl. Ehlers/
Lechleitner, JZ 1997, S. 761 [763]). Vielmehr soll diese Re-
gelung lediglich klarstellen, dass verbundene Listen im Rah-
men der Oberverteilung der Sitze so zu behandeln sind, als
gäbe es das Institut einer einheitlichen Bundesliste (vgl.
BVerfGE 95, 335 [348]; Schreiber, Handbuch des Wahl-
rechts zum Deutschen Bundestag, 7. Auflage 2002, § 7
Rn. 4). Weiterführende Folgen sollten hiermit nicht verbun-
den sein. Die Unterverteilung und die Behandlung eventuell
auftretender Überhangmandate wird demgegenüber in § 7

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen. Das vom Bundeswahlausschuss gemäß § 42 Ab-
satz 2 BWG, § 78 Absatz 2 der Bundeswahlordnung (BWO)
festgestellte und vom Bundeswahlleiter gemäß § 79 Absatz 1
Nummer 3 BWO öffentlich bekannt gemachte Wahlergebnis
ist auch hinsichtlich der Angabe der Namen der im Wahlge-
biet gewählten Bewerber (vgl. § 78 Absatz 2 Nummer 8 und
§ 79 Absatz 1 Nummer 3 BWO) in Übereinstimmung mit
den wahlrechtlichen Vorgaben, insbesondere §§ 6 und 7
BWG, ermittelt worden. Denn die herrschende Auffassung
und ständige Rechtspraxis verstehen die Verweisungen des
§ 7 Absatz 3 BWG auf § 6 BWG so, dass die Anrechnung
von Direktmandaten auf den nach dem Zweitstimmenergeb-
nis ermittelten Sitzanteil der jeweiligen Partei (Verhältnis-
ausgleich) erst stattfinden soll, nachdem die Sitzzahl, die bei
der Oberverteilung für die verbundene Liste ermittelt wurde,
auf die einzelnen Landeslisten unterverteilt wurde (vgl.
BVerfGE 95, 335, 347 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat
diese Auslegung mehrfach explizit bestätigt (BVerfGE 95,
335, 347 f.; BVerfGE 121, 266, 308 ff.). Die vom Ein-
spruchsführer vertretene abweichende Auslegung der ge-
nannten Vorschriften ist hingegen – entgegen seiner Darstel-
lung – vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom
Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Absatz 5 BWG gere-
gelt. Schließlich würde auch die Verweisung des § 7 Absatz 3
Satz 1 BWG auf § 6 Absatz 4 und 5 BWG bei einem solchen
Verständnis weitestgehend bedeutungslos oder irreführend
(vgl. BVerfGE 95, 335 [348]).“

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert.

3. Juli 2008 ausdrücklich als nicht zulässig bezeichnet wor-
den. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüg-
lich auf die vom Bundesministerium des Innern in seiner
Stellungnahme zitierten Ausführungen im Urteil Bezug ge-
nommen.

drei Kandidaten mehr Stimmen erhalten hätten. Deshalb sei
auch der Stimmzettel fehlerhaft.

Zu diesem Wahleinspruch hat der Bundeswahlleiter wie
folgt Stellung genommen:
Rücksicht. Dies könne grundsätzlich nur im Wege der Sam-
melwahl erreicht werden. Die Aufstellung der Landeslisten
habe daher in einer ergebnisoffenen Sammelabstimmung

die Reihenfolge der Listenbewerber nicht zurückgedrängt.
Dieser werde vielmehr dadurch gewahrt, dass jeder stimm-
berechtigte Versammlungsteilnehmer gemäß § 27 Absatz 5
Die Landesliste sei vor allem deshalb fehlerhaft, weil die
Reihenfolge der Listenbewerber nicht aus einer ergebnisof-
fenen Abstimmung hervorgegangen, sondern „außerhalb des
Wahlgeheimnisses vorgegeben“ gewesen sei. Die Wählen-
den seien nicht frei gewesen, im Schutz der geheimen Wahl
zu entscheiden, wer mit ihrer Stimme welchen Listenplatz
erhalten solle.

Die von der Partei durchgeführte Einzelwahl, bei der in auf-
einander folgenden Wahlgängen über die einzelnen Listen-
plätze abgestimmt worden sei, sei auch mit den Grundsatz
der gleichen Wahl unvereinbar. Ungleich sei die Einzelwahl
schon deshalb, weil die Zahl der abgegebenen Stimmen nicht
bei allen Wahlgängen die gleiche sei. Außerdem nehme die
Einzelwahl auf die Anzahl der erlangten Ja-Stimmen keine

Nach § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 21 Absatz 5 BWG
bleibe die Regelung der Einzelheiten des Verfahrens der
Wahl der Bewerber der Satzung der Parteien vorbehalten.
Sofern die einschlägige Parteisatzung es zulasse, könne die
Wahl der Landeslistenbewerber daher entweder in gesonder-
ten Wahlgängen für jeden Einzelplatz – sogenannte Einzel-
wahl – oder durch gleichzeitige Abstimmung über mehrere
Kandidaturen in einem einzigen Wahlgang für alle Positio-
nen oder in mehreren Wahlgängen für bestimmte zusammen-
gefasste Listenplätze – sogenannte Blockwahl oder Sammel-
wahl – erfolgen. Auch eine Kombination von Einzel- und
Sammelwahl für bestimmte Listenplätze werde allgemein
für zulässig gehalten.

Bei Einzelabstimmungen werde der Einfluss der Wähler auf
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91 – Drucksache 17/6300

Anlage 27

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. M. C. H., 80639 München
– Az.: WP 113/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 15. November 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 23. November 2009 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die am 17. Mai
2009 aufgestellte Landesliste Berlin der SPD. Er ist der Auf-
fassung, diese verstoße gegen die Vorschriften des § 27
Absatz 5 des Bundeswahlgesetzes (BWG) und gegen § 39
Absatz 4 Numer 3 der Bundeswahlordnung (BWO) und sei
daher ungültig.

Der Einspruchsführer trägt im Wesentlichen vor, dass, wenn
man die Landesliste der SPD in Berlin gemäß den Vorschrif-
ten des BWG und der BWO nach der allein maßgeblichen
Reihenfolge der bei der Aufstellungsversammlung erzielten
Ja-Stimmen ordne, sich mit einer Ausnahme kein Listen-
bewerber auf dem richtigen Listenplatz finde. So hätte der
an Listenplatz eins geführte Kandidat nach den erzielten
159 Stimmen an Listenplatz vier geführt werden müssen, da

liste in geheimer Abstimmung erfolge, wie in § 27 Absatz 5
BWG und in § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO zwingend vor-
geschrieben sei.

Der Verstoß gegen den Grundsatz der gleichen Wahl werde
besonders offensichtlich, weil über die als sicher geltenden
Listenplätze 1 bis 4 in Einzelabstimmung entschieden wor-
den sei, über die weniger aussichtsreichen Plätze 5 und 6 in
„Kampfabstimmungen“. Die ergebnisoffene Sammelabstim-
mung habe man für die mehr oder weniger chancenlosen
Plätze 7 bis 13 reserviert. Stünden die unterschiedlichen
Verfahrensweisen tatsächlich gleichwertig nebeneinander,
müssten diese Systeme in unvermischter Gestalt genau das-
selbe Wahlergebnis erbringen. Das aber sei nicht der Fall:
Der in Einzelwahl auf Platz eins gewählte Kandidat würde
bei einer Sammelwahl auf Platz vier zurückfallen.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass der Landes-
und der Bundeswahlleiter die Landesliste der SPD in Berlin
hätten überprüfen und verwerfen bzw. Beseitigung der Män-
gel durch Wahlwiederholung verlangen und Sammelwahl
anordnen müssen.
über alle Listenplätze zu erfolgen. Sie allein garantiere, dass
die Festlegung der Reihenfolge der Bewerber in der Landes-

in Verbindung mit § 21 Absatz 3 Satz 2 BWG für jeden Lis-
tenplatz einen eigenen Wahlvorschlag unterbreiten könne

Drucksache 17/6300 – 92 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und jedem Bewerber gemäß § 27 Absatz 5 in Verbindung mit
§ 21 Absatz 3 Satz 3 BWG Gelegenheit zu geben sei, sich
und sein Programm der Versammlung in angemessener Zeit
vorzustellen. Dadurch sei es auch unbedenklich, dass es vor-
kommen könne, dass ein weiter hinten Platzierter mehr Stim-
men erhalten habe, als ein weiter vorne Platzierter. Denn je-
dem Versammlungsteilnehmer hätte es frei gestanden, den
weiter hinten Platzierten für einen weiter vorne stehenden
Listenplatz vorzuschlagen. Solange jeder Versammlungsteil-
nehmer einen der weiter hinten benannten Bewerber bei der
Einzelabstimmung über einen weiter vorn stehenden Listen-
platz oder umgekehrt ohne weiteres vorschlagen und damit
eine Abstimmung über die Reihenfolge erzwingen könne,
sei die Reihenfolge durch die Abfolge des Aufrufens der
Wahlvorschläge durch den Wahlvorstand nicht unabänder-
lich vorgegeben und damit der Kernbestand einer demokra-
tischen Wahl sichergestellt. Allein die Kenntnis der Platzie-
rung der einzelnen Bewerber bei einer Einzelwahl verstoße
auch nicht gegen den Grundsatz der geheimen Wahl, solange
der Wahlvorgang als solcher geheim durchgeführt werde.

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu geäußert und die Stellungnah-
me zurückgewiesen. Er führt aus, § 27 Absatz 5 BWG be-
stimme, „dass die Festlegung der Reihenfolge der Bewerber
in der Landesliste in geheimer Wahl erfolgt ist“. Diese Vor-
schrift sei zwingendes Recht, das durch die Satzung der Par-
teien nicht abbedungen werden könne. Denn die Reihung auf
der Landesliste sei die Grundlage dafür, wer in den Bundes-
tag einziehe und wer nicht. Dies verkenne der Bundeswahl-
leiter. Er gehe fälschlich davon aus, dass es den politischen
Parteien freistehe, vom Wortlaut des Gesetzes abzuweichen.
Nehme man die Vorschrift des § 27 Absatz 5 BWG ernst,
dürfe eine Satzung kein Verfahren errichten, in der die Fest-
legung der Reihenfolge nicht in geheimer Wahl erfolge. Bei
der Einzelabstimmung sei das jedoch der Fall. Bei dem je-
weiligen Listenplatz werde zwar über die Person des Bewer-
bers geheim abgestimmt, nicht aber über die Reihenfolge auf
der Liste. Sie werde mit der Einzelabstimmung über den je-
weils aufgerufenen Listenplatz außerhalb des Wahlgeheim-
nisses vorgegeben und sei schon deshalb nicht das Endergeb-
nis einer geheimen Wahlentscheidung der gesamten Vertre-
terversammlung. Am Fehlen der geheimen Wahl ändere sich
auch dadurch nichts, dass für den außerhalb des Wahlge-
heimnisses zur Besetzung aufgerufenen Listenplatz mehrere
Bewerber vorgeschlagen werden könnten. Denn das Bun-
deswahlgesetz wolle verhindern, dass der Bewerber zu er-
kennen geben müsse, für welchen Listenplatz er kandidiere.
Darüber solle im Schutz des Wahlgeheimnisses nach den
Grundsätzen der Verhältniswahl allein von den Mitgliedern
der Vertreterversammlung entschieden werden. Das Vor-
schlagsrecht dürfe die geheime Festlegung der Reihenfolge
deshalb nicht einschränkend präjudizieren. Insbesondere
dürfe niemand ohne Rücksicht auf die auf ihn entfallenen Ja-
Stimmen als Listenführer an die Spitze einer Landesliste ge-
setzt werden. Wer in der Sammelabstimmung mehr Stimmen
erhalte, bekomme ohne Ansehung der Person den besseren
Platz in der Reihenfolge.

Es sei lebensfremd, wenn der Bundeswahlleiter behaupte, es
könnten immer alle Bewerber für alle Listenplätze vorge-
schlagen werden, weil es niemand wage, das „Establish-

Bundeswahlleiter ein Grundprinzip der Demokratie in Fra-
ge, wenn er es für unbedenklich halte, dass ein weiter hinten
Platzierter mehr Stimmen erhalte als ein weiter vorne Plat-
zierter.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
sowie zwei von ihm publizierten und dem Bundestag über-
sandten Aufsätzen wird auf den Inhalt der Akte Bezug ge-
nommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Es liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften da-
rin, bei der Aufstellung einer Landesliste nacheinander ein-
zeln über Listenplätze abzustimmen.

Denn weder das Bundeswahlgesetz noch die Bundeswahl-
ordnung enthalten nähere Regelungen zum Abstimmungs-
verfahren bei der Aufstellung von Landeslisten. Insbesondere
ist keineswegs, wie der Einspruchsführer offenbar annimmt,
ein Sammelwahlverfahren vorgeschrieben. Es findet sich le-
diglich in § 27 Absatz 5 BWG und § 39 Absatz 4 Nummer 3
BWO der Hinweis, dass die mit dem Wahlvorschlag einzu-
reichende Niederschrift über die Aufstellungsversammlung
eine Versicherung an Eides statt zu enthalten hat, die sich
auch darauf erstrecken muss, dass die Festlegung der Rei-
henfolge der Bewerber in der Landesliste in geheimer Ab-
stimmung erfolgt ist.

Diese Vorschrift wurde mit dem Gesetz zur Änderung des
Bundeswahlgesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) in
das BWG eingefügt, wobei zugleich die Regelung, dass bei
Fehlen einer erkennbaren Reihenfolge die alphabetische
Reihenfolge der Familiennamen und bei gleichen Familien-
namen die der Rufnamen gilt (vgl. § 28 Absatz 3 BWG alte
Fassung), gestrichen wurde. Wie sich aus der Gesetzesbe-
gründung ergibt, war Ziel dieser Änderung, dass auch die
Angabe der Bewerberreihenfolge von einem Parteiver-
sammlungsbeschluss getragen wird, da die Reihenfolge der
Bewerber darüber entscheidet, wer in das Parlament gewählt
wird (vgl. Bundestagsdrucksache 7/2873, S. 40). Eine kon-
krete Regelung des Abstimmungsverfahrens im Sinne einer
Sammelwahl wurde damit vom Gesetzgeber hingegen offen-
sichtlich nicht bezweckt.

Vielmehr sieht § 21 Absatz 5 BWG, der gemäß § 27 Absatz 5
BWG auch für die Listenwahl gilt, explizit vor, dass die Par-
teien das Nähere über das Verfahren für die Wahl der Bewer-
ber durch ihre Satzungen regeln.

Dabei ergibt sich aus der Anlage 23 zu § 39 Absatz 4 Num-
mer 3 BWO ausdrücklich, dass sowohl Einzelabstimmungen
als auch Sammelabstimmungen wahlrechtlich zulässig sind.
Denn nach dem in dieser Anlage enthaltenen Muster der Nie-
derschrift über die Versammlung zur Aufstellung der Bewer-
ber für die Landesliste ist unter anderem anzugeben, über
welche Bewerber einzeln und über welche gemeinsam abge-
stimmt worden ist. Damit werden sowohl die Einzelabstim-
mung als auch die Sammelabstimmung oder eine Kombina-
tion von beidem als Möglichkeiten der Wahl der Bewerber
und der Festlegung ihrer Reihenfolge anerkannt (vgl. Bun-
ment“ der Partei offen herauszufordern. Bei der geheimen
Sammelabstimmung gebe es das nicht. Außerdem stelle der

destagsdrucksache 16/3600, Anlage 5; Schreiber, Kommen-
tar zum Bundeswahlgesetz, 8. Auflage, 2009, § 27 Rn. 21).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93 – Drucksache 17/6300

Abgesehen davon vermögen die vom Einspruchsführer vor-
getragenen Bedenken auch in der Sache nicht zu überzeugen.
Bei der Einzelabstimmung wird keineswegs der Einfluss der
Wähler auf die Reihenfolge der Listenbewerber zurückge-
drängt. Dieser wird, wie der Bundeswahlleiter zutreffend
ausführt, vielmehr dadurch gewahrt, dass jeder stimmbe-
rechtigte Versammlungsteilnehmer gemäß § 21 Absatz 3
Satz 2 BWG für jeden Listenplatz einen eigenen Wahlvor-
schlag unterbreiten kann und jedem Bewerber gemäß § 21
Absatz 3 Satz 3 BWG Gelegenheit zu geben ist, sich und sein
Programm der Versammlung in angemessener Zeit vorzu-
stellen. Deshalb ist es auch völlig unbedenklich, dass – was
der Einspruchsführer kritisiert – es vorkommen kann, dass
ein Bewerber bei der Abstimmung für einen hinteren Listen-
platz mehr Stimmen bekommt, als ein weiter vorne Platzier-
ter für seinen Listenplatz. Dies ist erfahrungsgemäß insbe-
sondere dann wahrscheinlich, wenn sich weniger Kandida-
ten um einen Platz bewerben. Schließlich hätte es jedem
Versammlungsteilnehmer freigestanden, den weiter hinten
Platzierten für einen vorderen Listenplatz vorzuschlagen
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 5). Ein An-
spruch der Versammlungsteilnehmer darauf, statt durch das

Einbringen eines weiteren Wahlvorschlags ausschließlich
„mit dem Stimmzettel“ im Wege der Sammelwahl die Rei-
henfolge der Listenbewerber zu beeinflussen, wie der Ein-
spruchsführer zu fordern scheint, lässt sich aus dem Grund-
satz der geheimen Wahl nicht ableiten. Ebenso gebietet die-
ser Grundsatz nicht, bei einem Wahlvorschlag nicht
anzugeben, für welchen Listenplatz er abgegeben wird. Der
Grundsatz der geheimen Wahl ist, wie der Bundeswahlleiter
zutreffend ausführt, vielmehr gewahrt, solange der eigentli-
che Wahlgang geheim erfolgt.

Auch der vom Einspruchsführer genannte Grundsatz der
gleichen Wahl ist durch eine Einzelwahl mit mehreren Wahl-
gängen offensichtlich nicht verletzt. Dieser Grundsatz for-
dert zunächst und in erster Linie, dass alle Wahlberechtigten
das für ein demokratisches Staatswesen unerlässliche Recht
auf Teilhabe an der Staatsgewalt in Wahlen möglichst in for-
mal gleicher Weise ausüben können (vgl. Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 43), verlangt
aber keineswegs, dass bei der Durchführung mehrerer, von-
einander getrennt ausgewerteter Wahlgänge an jedem Wahl-
gang dieselbe Personenanzahl teilnehmen müsse.

ehemaligen Lobbyisten nicht vor der Wahl begonnen habe,
um Unklarheiten bei der Wahlkampffinanzierung zu klären.

Entscheidungsgründe
geben, das Wahlrecht rechtzeitig vor Ablauf der 16. Wahl-
periode zu ändern (vgl. BVerfGE 121, 266, 315 f.). Das re-
guläre Gesetzgebungsverfahren hätte – so das Bundesverfas-

Einspruchsführer in dem Schreiben angegebene frühere Er-
stellungsdatum kommt es vorliegend nicht an. Die Frist in
§ 2 Absatz 4 WPrüfG ist eine gesetzliche Ausschlussfrist,
Zur Frage der Verfassungswidrigkeit des Wahlrechts hat das
Bundesministerium des Innern wie folgt Stellung genom-
men:

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom
3. Juli 2008 zum sogenannten negativen Stimmgewicht
(BVerfGE 121, 266 ff.) dem Gesetzgeber aufgegeben, den
Regelungskomplex, der zum Auftreten des negativen
Stimmgewichts führen könne, bis spätestens zum 30. Juni
2011 zu ändern. Es sei dem Gericht unangemessen erschie-
nen, im Hinblick auf die hohe Komplexität des Regelungs-
auftrags angesichts der verschiedenen Regelungsalternati-
ven mit ihren spezifischen Auswirkungen auf das Wahlrecht
und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Fristen zur
Vorbereitung einer Bundestagswahl dem Gesetzgeber aufzu-

Der Einspruch ist teilweise unzulässig (I.), im Übrigen unbe-
gründet (II).

I.

Schon wegen Verfristung unzulässig ist der Einspruch, so-
weit der Einspruchsführer sich dagegen wendet, dass ein
Strafprozess nicht vor der Wahl stattgefunden habe. Diese
Rüge hat er erstmals in seinem auf den 26. November 2009
datierten Schreiben erhoben. Dieses Schreiben ist jedoch erst
am 30. November 2009, und damit nach Ablauf der Frist von
zwei Monaten nach dem Wahltag gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1
des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) am 27. November
2009, beim Deutschen Bundestag eingegangen. Auf das vom
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 95 – Drucksache 17/6300

Anlage 28

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. H., 96103 Hallstadt
– Az.: WP 114/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 22. November 2009, das beim Wahlprü-
fungsausschuss am 24. November 2009 eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 Einspruch
eingelegt und seine Begründung mit einem auf den 26. No-
vember 2009 datierten Schreiben, das am 30. November
2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, ergänzt.

Der Einspruchsführer vertritt die Auffassung, dass das Bun-
deswahlgesetz vor der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
hätte geändert werden müssen, um die Wählerinnen und
Wähler nicht zu verunsichern. Er meint weiterhin, die Regie-
rungskoalition habe nur aufgrund der verfassungsrechtlich
umstrittenen Überhangmandate die Mehrheit der Sitze im
Deutschen Bundestag erreicht, räumt jedoch ein, dass auch
„die Verfassungsrichter“ die „dringend notwendige Ände-
rung des Wahlgesetzes“ auf die Zeit nach der Bundestags-
wahl verschoben hätten.

In seinem weiteren Schreiben vom 26. November 2009 mo-
niert der Einspruchsführer, dass ein Strafprozess gegen einen

das neue Recht bei den Vorbereitungen zur Wahl des
17. Deutschen Bundestages hätte berücksichtigt werden
können. Ein derart kurzer Zeitraum hätte die Gefahr gebor-
gen, dass die Alternativen nicht in der notwendigen Weise
hätten bedacht und erörtert werden können. Demgegenüber
hätte – so das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE, ebenda) –
ausnahmsweise hingenommen werden können, „dass die
Sitze im kommenden Bundestag – wie in den vergangenen
Jahrzehnten – noch nach § 7 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung
mit § 6 Absatz 4 und 5 BWG zugeteilt werden“.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat hierzu erklärt, er sei weiterhin der An-
sicht, dass die notwendige Gesetzesänderung mit Ausschluss
der verfassungswidrigen Überhangmandate vor der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag hätte erfolgen müssen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.
sungsgericht (BVerfGE 121, 266, 316) – in diesem Fall
spätestens im April 2009 abgeschlossen sein müssen, damit

die nicht verlängert werden kann (vgl. z. B. Bundestags-
drucksache 17/3100, Anlage 40).

Drucksache 17/6300 – 96 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II.

Im Übrigen ist der Einspruch unbegründet, denn ein Wahl-
fehler liegt nicht vor.

Die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag ein-
schließlich der vom Einspruchsführer kritisierten 24 soge-
nannten Überhangmandate ist in zutreffender Anwendung
des geltenden Bundestagswahlrechts erfolgt. Das Wahlrecht
hätte auch nicht, wie der Einspruchsführer fordert, vor der
Wahl geändert werden müssen. Die Verfassungsmäßigkeit
von Überhangmandaten, bei denen es sich um Sitze handelt,
die Parteien in den Wahlkreisen errungen haben und die
ihnen gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann verblei-
ben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten
abgegebenen Zweitstimmen ermittelte Mandatszahl über-
steigen, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil
vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) im Übrigen grund-
sätzlich bestätigt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/4600, Anla-
ge 14). Der Gesetzgeber hat allerdings nach diesem Urteil zu
beachten, dass in der Größenordnung des Fünfprozentquo-
rums – bezogen auf die reguläre Gesamtzahl der Parlaments-
sitze – eine Grenze für die Überhangmandate gesetzt ist
(BVerfGE 95, 335, 366).

In seinem Urteil vom 3. Juli 2008, auf das sich der Ein-
spruchsführer wohl bezieht, hat das Bundesverfassungsge-
richt zudem dem Gesetzgeber aufgegeben, den Regelungs-
komplex, der zum Auftreten des sogenannten negativen
Stimmgewichts führen kann, zu ändern, weshalb der Gesetz-

geber über die Berechnung der Sitzzuteilung bei künftigen
Wahlen neu entscheiden wird. Wie das Bundesministerium
des Innern zutreffend darlegt und dem Einspruchsführer of-
fenbar auch bekannt ist, hat das Bundesverfassungsgericht
hierfür jedoch eine Frist bis zum 30. Juni 2011 gesetzt und
zugleich ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der
Sitze im 17. Deutschen Bundestag nach den bestehenden
gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121, 266,
315 f.). Dies hat es damit begründet, dass der dem Gesetzge-
ber von Verfassungs wegen zustehende Gestaltungsspiel-
raum ausreichend Zeit fordere, um die verschiedenen Rege-
lungsalternativen und deren Auswirkungen auf das Wahl-
recht angemessen zu berücksichtigen und zu gewichten.
Zudem müsse das Gesetzgebungsverfahren so rechtzeitig
(vor der nächsten Wahl) abgeschlossen sein, dass sich die
Parteien bei der Aufstellung ihrer Kandidaten auf die neue
Regelungslage einstellen können (a. a. O., S. 315 f.). Daher
hat es das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die
hohe Komplexität des Regelungsauftrags und unter Berück-
sichtigung der gesetzlichen Fristen zur Vorbereitung einer
Bundestagswahl für unangemessen erachtet, dem Gesetz-
geber aufzugeben, das Wahlrecht rechtzeitig vor Ablauf der
16. Wahlperiode zu ändern (a. a. O., S. 316). Dass der Ein-
spruchsführer mit der ihm offenbar zumindest in Grund-
zügen bekannten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung
nicht einverstanden ist, ist wahlprüfungsrechtlich unerheb-
lich, da das Wahlprüfungsverfahren nicht dazu geeignet ist,
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu überprü-
fen oder gar aufzuheben.

streitigkeit mit dem Bürgermeisteramt zu riskieren, auf Auf-
forderung bereits angebrachte Wahlplakate wieder entfernt,
obwohl das Verwaltungsgericht Gießen pro 100 Einwohner

trumsvertretung“ verbessert. Schließlich erklärt der Ein-
spruchsführer, verschiedene im Wahlkreis angetretene Par-
habe. Auf diesem Plakat, das deutlich besser habe wahrge-
nommen werden können als die vorgegebenen Plakatwände,
seien zwei Politiker der beiden Parteien abgebildet gewesen,

weils 12 DIN-A1-Plakate und auf einer Wand mit doppelsei-
tiger Plakatierungsmöglichkeit 24 DIN-A1-Plakate ange-
bracht werden können. Ein wichtiges Grundprinzip sei für
ein Plakat je Partei „als zulässig beurteilt“ habe. Auch von
anderen Parteien seien keine Plakate zu sehen gewesen. Eine
Partei habe „geringfügig zusätzliche Plakate“ in der Nähe
der Plakatwände angebracht, die auf Anordnung des Bürger-
meisteramts entfernt worden seien.

Der Einspruchsführer erklärt, die Bürgermeisterämter in
Trossingen und Aldingen hätten das „übliche und eigenstän-
dige Plakatierungsrecht der Parteien rigoros“ „verboten“,
ohne hierfür eine rechtliche Grundlage zu haben. Er vermu-
tet, dass es sich um eine „parteilich vorbelastete und politi-
sche Maßnahme“ gehandelt habe. Als Beleg führt er ein
„überdimensionales Wahlplakat“ auf der Strecke zwischen
Trossingen und Schura an, das die vorgegebenen Wahlpla-
katwände um mehr als das Doppelte an Größe übertroffen

teien teilten seine Bedenken und würden sich möglicherwei-
se seinem Einspruch anschließen. Derartige Beitritte sind
nicht erfolgt.

Zu diesem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des
Landes Baden-Württemberg unter Einbeziehung des zustän-
digen Kreiswahlleiters sowie der betroffenen Bürgermeister-
ämter Stellung genommen.

Sie teilt mit, das Bürgermeisteramt Trossingen habe erläu-
tert, dass der Gemeinderat am 8. Mai 2006 beschlossen habe,
die Wahlplakatierung auf zentrale, von der Stadt aufgestellte
Plakatwände zu konzentrieren. So seien vor der Bundestags-
wahl 2009 den Parteien sechs Plakatwände, verteilt auf das
ganze Stadtgebiet, zur Verfügung gestellt worden. Auf fünf
Wänden mit einseitiger Plakatierungsmöglichkeit hätten je-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97 – Drucksache 17/6300

Anlage 29

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. K., 78532 Tuttlingen
– Az.: WP 120/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 23. November 2009, das beim Wahlprü-
fungsausschuss am 25. November 2009 eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009
eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass in zwei Gemeinden
des Wahlkreises Rottweil-Tuttlingen (285) die Wahlwerbung
politischer Parteien beeinträchtigt und die Wähler unzulässig
beeinflusst worden seien.

Er trägt im Wesentlichen vor, die Bürgermeisterämter Tros-
singen und Aldingen hätten die Wahlwerbung auf „wenige
vorgegebene Plakatwände mit 6 x 2 Plakatierungsmöglich-
keiten“ begrenzt und das Anbringen von Wahlplakaten ver-
wehrt. Ein Wahlbewerber, der als „neuer Erstimmenbewer-
ber“ seinen Bekanntheitsgrad habe erhöhen wollen, habe zu-
dem mitgeteilt, dass auch in weiteren Ortschaften des
Wahlkreises eine derartige Wahlwerbebeschränkung stattge-
funden habe. Dieser Wahlbewerber habe, um keine Rechts-

Zudem habe sich das Plakat nach Angabe eines Wahlbewer-
bers auf privatem Boden befunden. Auch dies sei unzulässig,
da Wahlwerbung zur Gewährleistung der Chancengleichheit
in öffentlicher Hand zu bleiben habe. Zum Beleg seines Vor-
trags bezieht sich der Einspruchsführer auf die Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts.

Der Einspruchsführer erklärt, er beantrage, die Möglichkeit
einer Wahlwiederholung im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen
zu prüfen, außerdem „verwarnende und bei Möglichkeit dis-
ziplinarische Maßnahmen“ gegen die Bürgermeisterämter
und Bürgermeister zu treffen und die eingezogenen Wahl-
plakate den Eigentümern zurückzugeben. Eine Wahlwieder-
holung sei auch deshalb erforderlich, weil in diesem Wahl-
kreis bisher in der Regel drei Wahlbewerber den Einzug in
den Bundestag geschafft hätten. Bei dieser Wahl seien es
aber nur zwei Bewerber aus von ihm abgelehnten Parteien
gewesen. Dies sei eindeutig von Nachteil für die Bewohner
des Wahlkreises. Eine „verfassungskonforme Wahlaufma-
chung“ hätte nach seiner Auffassung „durchaus die Chance
für ein solches Ergebnis der pluralistischen Parteienspek-
die im Trossinger Stadtrat die Mehrheit bildeten. Hierbei
handele es sich um „deutlich einseitige Wahlbeeinflussung“.

die Stadt, alle Parteien gleich zu behandeln. So habe man
darauf geachtet, dass die Parteien auf diesen Wänden mit

Drucksache 17/6300 – 98 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gleicher Plakatzahl vertreten gewesen seien. Außerdem habe
man die Aufstellung von sogenannten Großflächenplakaten
auf den Grundstücken der Stadt untersagt. Dass einzelne
Parteien Großflächenplakate auf privaten Grundstücken auf-
gestellt hätten, bleibe außerhalb des Einflussbereichs der
Stadt, die hier nur die verkehrsrechtliche Seite geprüft habe.
Eine finanzielle Benachteiligung finanzschwächerer Partei-
en sei hierbei nicht entstanden, da das betroffene Grundstück
dem Landkreis Tuttlingen gehöre und dieser für die Überlas-
sung keine Pacht verlangt habe. Es hätten also alle Parteien
die Möglichkeit gehabt, diese „private Version“ zu wählen.

Die Stadt habe zudem in Absprache mit den Fraktionsspre-
chern im Gemeinderat in den Sommerferien eine Sonder-
regelung getroffen und den Parteien die Plakatierung für
Wahlkampfveranstaltungen außerhalb der zentralen Plakat-
wände genehmigt. Der Stadt hätten in diesem Zusammen-
hang drei Anträge vorgelegen, von denen einer habe abge-
lehnt werden müssen, da es sich um eine private Kulturver-
anstaltung gehandelt habe, auf der ein Kandidat nur zu Gast
sein sollte.

Das Bürgermeisteramt Aldingen habe mitgeteilt, dass der
Gemeinderat am 19. März 1991 festgelegt habe, dass Wahl-
werbung nur auf eigens zu Wahlzeiten aufgestellten Plakat-
tafeln zugelassen werde. § 14 der örtlichen Polizeiverord-
nung über wildes Plakatieren laute: „An öffentlichen Straßen
und Gehwegen sowie in Grün- und Erholungsanlagen oder
den zu ihnen gehörenden Einrichtungen ist ohne Erlaubnis
der Ortspolizeibehörde untersagt, außerhalb von zugelasse-
nen Plakatträgern (Plakatsäulen, Anschlagtafeln usw.) zu
plakatieren und andere als dafür zugelassene Flächen zu be-
schriften oder zu bemalen.“ Seit 1991 habe es diesbezüglich
keine Beschwerden seitens der Parteien gegeben. Plakatie-
rungsanfragen beantworte das Bürgermeisteramt mit einem
Serienschreiben u. a. mit folgendem Inhalt:

„Für die Plakatierung haben wir uns auf folgendes für alle
Parteien festgelegt:

Plakatiert werden darf nur an den von der Gemeinde zur Ver-
fügung gestellten drei Plakatwänden (Marktplatz, gegenüber
Tankstelle R. H. (Busparkbucht) und unterhalb der Ev.
Kirche (Einmündung Steigstraße/Hauptstraße). (…) Jeder
Partei steht jeweils eine Fläche von DIN A1 zur Verfügung.
(…) Damit wird ausdrücklich die Plakatierung an Straßenbe-
leuchtungsmasten untersagt. Sie haben jedoch die Möglich-
keit, im Marktplatzbereich oder auf privaten Flächen Werbe-
tafeln oder ähnliches aufzustellen. Wir möchten aber darauf
hinweisen, dass der Straßen- und Fußgängerverkehr nicht
behindert werden darf. Verkehrszeichen müssen freibleiben.
Wir bitten alle Beteiligten, sich daran zu halten und weisen
jetzt schon darauf hin, dass Plakatierungen an Straßenleuch-
ten von uns ohne weitere Aufforderung beseitigt werden. Die
Kosten müssen wir Ihnen dann in Rechnung stellen.“

Die Landeswahlleiterin führt ergänzend aus, dass die Wahl-
werbung im öffentlichen Straßenraum ein wichtiger Be-
standteil im Wahlkampf der Wahlvorschlagsträger sei. Die
auf Grund Straßenrechts bzw. nach kommunalen Satzungen
erforderliche Sondernutzungserlaubnis stehe jedoch grund-
sätzlich im Ermessen der zuständigen Behörden, wobei sich
das behördliche Ermessen in der Wahlkampfschlussphase in
der Regel zu einem Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis

tischer Parteien in vollem Umfang entsprochen hätten. Die
Parteien hätten vorliegend die Möglichkeiten des verwal-
tungsgerichtlichen Rechtsschutzes gehabt.

Es sei nicht erkennbar, dass die beiden Gemeinden unter Ver-
letzung ihrer Neutralitätspflicht parteiergreifend zu Gunsten
oder zu Lasten einer politischen Partei oder von Wahlbewer-
bern in den Wahlwettbewerb eingegriffen und dadurch in
mehr als nur unerheblichem Maße auf die Bildung des Wäh-
lerwillens eingewirkt hätten und damit eine unzulässige amt-
liche Wahlbeeinflussung vorliege. Die Landeswahlleiterin
weist schließlich darauf hin, dass der vom Einspruchsführer
als „neuer Erststimmenbewerber“ bezeichnete Bewerber be-
reits bei der Bundestagswahl 2005 angetreten sei.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich darauf mit Schreiben vom 30. Januar
2010 ausführlich geäußert und seinen Vortrag vertieft und er-
gänzt. Unter anderem trägt er vor, die Beschlüsse der Ge-
meinderäte bänden als Selbstverpflichtung nur die Parteien,
die ihnen zugestimmt hätten. Außerdem sei es nicht zulässig,
eine angemessene Anzahl Wahlplakate zu verweigern und
die Plakatierung auf die aufgestellten Plakatwände zu be-
schränken. Zudem sei durch letzteres der Gleichheitsgrund-
satz verletzt, da mit der Begrenzung auf zwölf Plakate je Pla-
katwand „de facto nur den im Parlament vertretenen Parteien
die Möglichkeit der plakativen Werbung“ eröffnet worden
sei. Auch hätten diese Plakate in unterschiedlicher Anzahl
auf den Wänden anbringen können. Nur vereinzelt seien Pla-
kate anderer Parteien zu sehen gewesen. Unzulässig sei zu-
dem der Hinweis des Bürgermeisteramts Aldingen auf die
Plakatierungsmöglichkeiten im privaten Bereich, da der öf-
fentliche Bereich allen Parteien ausreichend Werbefläche
zur Verfügung stellen müsse.

Der Einspruchsführer trägt außerdem vor, eine Partei habe
angegeben, dass ihrem Antrag auf Genehmigung eines
Großflächenplakats vom Bürgermeisteramt Trossingen „mit
starker Zeitverzögerung“ und erst zu einem Zeitpunkt statt-
gegeben worden sei, in dem das Unternehmen, das derartige
Plakate im Bundesland aufstelle, seine Arbeit im Wahlkreis
bereits beendet habe. Es sei anzunehmen, dass die Verzöge-
rung vorsätzlich verursacht worden sei. Auch sei die Be-
gründung, mit der derselben Partei die Genehmigung zur
Plakatwerbung für den Auftritt ihres Kandidaten auf einer
privaten Veranstaltung versagt worden sei, nicht überzeu-
gend. Es handele sich um „ständige Schikanierungen“, die
die Chancen des Bewerbers deutlich verschlechtert hätten.
Zudem seien durch die „einseitige Wahlbeeinflussung durch
Großflächenplakate“ die kleinen Parteien benachteiligt, de-
ren finanzielle Möglichkeiten mit denen größerer Parteien
nicht zu vergleichen seien.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig (I.), im Übrigen aber
unbegründet (II.).

I.
verdichte. Es könne dahinstehen, ob die Plakatierungsbe-
schränkungen der beiden Gemeinden den Ansprüchen poli-

Soweit der Einspruchsführer „verwarnende und bei Mög-
lichkeit disziplinarische Maßnahmen“ gegen Bürgermeister-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 99 – Drucksache 17/6300

ämter und Bürgermeister beantragt, ist der Einspruch unzu-
lässig, da alleiniger Gegenstand des Wahlprüfungsverfah-
rens gemäß Artikel 41 des Grundgesetzes (GG) und § 1
Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) die Prüfung
der Gültigkeit der Wahlen zum Deutschen Bundestag ist.

Außerdem ist der Einspruch wegen Verfristung unzulässig
insoweit, als der Einspruchsführer in seiner Replik auf die
Stellungnahme der Landeswahlleiterin einen Verstoß gegen
den Gleichheitsgrundsatz durch den Ausschluss von nicht im
Bundestag vertretenen Parteien von der Plakatierung auf von
der Gemeinde zur Verfügung gestellten Plakatwänden sowie
eine vorsätzlich verzögerte Bearbeitung einer Plakatierungs-
erlaubnis behauptet. Beide Rügen hat er erstmals in diesem
Schreiben und damit nach Ablauf der Frist von zwei Mona-
ten nach dem Wahltag gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1 WPrüfG
am 27. November 2009 vorgetragen. Bei dieser Frist handelt
es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die vom Wahl-
prüfungsausschuss nicht verlängert werden kann.

II.

Im Übrigen ist der Einspruch unbegründet, denn der Vortrag
des Einspruchsführers lässt keine die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag berührende Verletzung wahl-
rechtlicher Vorschriften erkennen.

Soweit er in seiner Einspruchsschrift zunächst behauptet, die
Bürgermeister der beiden von ihm genannten Gemeinden
hätten ohne Rechtsgrundlage die Wahlwerbung der Parteien
vor der Wahl begrenzt, ist diese Auffassung durch die Stel-
lungnahme der Landeswahlleiterin widerlegt, der zufolge in
beiden Gemeinden ein Beschluss des jeweiligen Gemeinde-
rats besteht, der Wahlwerbung nur auf hierfür aufgestellten
Plakatwänden zulässt. Dem hat der Einspruchsführer in sei-
ner Replik nicht widersprochen. Er irrt auch, wenn er meint,
dass ein Beschluss des Gemeinderates nur die Parteien, de-
ren Mitglieder ihm zugestimmt haben, binde. Ein Beschluss
dieses von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten obersten
Organs der Gemeinde, das gemäß § 9 Absatz 1 der Hessi-
schen Gemeindeverordnung „die wichtigen Entscheidun-
gen“ trifft und die gesamte Verwaltung überwacht, ist viel-
mehr für den Bereich der Gemeinde allgemeinverbindlich.
Dies gilt auch für Regelungen über das Plakatieren im öf-
fentlichen Straßenraum im Gemeindegebiet. Zwar gehört,
wie das Bundesverwaltungsgericht bereits 1974 feststellte,
die Plakatwerbung für Wahlen „heute zu den Mitteln im
Wahlkampf der politischen Parteien“ und ist „zu einem
wichtigen Bestandteil der Wahlvorbereitung in der heutigen
Demokratie geworden“ (NJW 1975, 1289, 1290, unter Be-
zugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts zur Wahlwerbung im Rundfunk). Wie das Bundes-
verwaltungsgericht im Weiteren ausführt, besteht jedoch
kein schrankenloser Anspruch auf Gestattung von Wahl-
sichtwerbung. Schranken können sich seiner Auffassung
nach daraus ergeben, dass eine Gemeinde es für berechtigt
hält, dafür zu sorgen, dass „eine wochenlange Verschande-
lung und Verschmutzung des Stadtbildes durch sogenanntes
wildes Plakatieren“ verhindert wird, oder die Notwendigkeit
besteht, einen besonders schützenswerten historischen Stadt-
kern von einer Sichtwerbung für Wahlzwecke gänzlich frei-
zuhalten (ebd.). Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts

lichkeiten nachkommen; sie dürfen, wie das Gericht aus-
drücklich festhält, den einzelnen Parteien bestimmte Auf-
stellplätze zuteilen oder gemeindeeigene Plakatflächen zur
Verfügung halten, solange im Ergebnis jeweils angemessene
Wahlwerbemöglichkeiten sichergestellt sind, der allgemein
in Artikel 3 GG sowie speziell für Wahlen und Parteien in
Artikel 28 Absatz 1 Satz 2, 38 Absatz 1 GG und in § 5
Parteiengesetz (PartG) niedergelegte Gleichheitsgrundsatz
beachtet und schließlich sonstigen sich aus Bundesverfas-
sungsrecht ergebenden Rechtsgrundsätzen, wie insbesondere
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Rechnung getragen
wird (ebd.).

Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Einspruchsfüh-
rers auch nicht aus der von ihm in Bezug genommenen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Soweit er
hierzu überhaupt Fundstellen angibt, spiegeln diese – von
einer allgemeinen Aussage zur Chancengleichheit in der
Wahlvorbereitung abgesehen – seine Aussagen nicht wider.

Der Wahlprüfungsausschuss kann eine Verletzung der ge-
nannten Grundsätze vorliegend nicht feststellen. Eine die
Chancengleichheit im Wahlwettbewerb beeinträchtigende
Ungleichbehandlung der Parteien durch die Gemeinden war
grundsätzlich schon dadurch ausgeschlossen, dass die Be-
schlüsse der Gemeinderäte für alle Parteien gleichermaßen
galten. Wie die Landeswahlleiterin unter Bezugnahme auf
die Stellungnahme des Bürgermeisteramts Trossingen dar-
gelegt hat, wurde auch bei der Vergabe der Flächen darauf
geachtet, dass insgesamt alle Parteien in gleicher Zahl vertre-
ten waren. Dies scheint – bei sieben im Wahlkreis antreten-
den Direktkandidaten sowie 17 im Hessen kandidierenden
Landeslisten – auf fünf Wänden mit zwölf und einer mit
24 Plakatierungsmöglichkeiten auch möglich und plausibel.
Die vom Einspruchsführer erst in seiner Replik vorgetragene
Behauptung, es hätten „de facto“ nur die im Bundestag ver-
tretenen Parteien plakatiert, widerlegt er selbst gleichzeitig
mit der Feststellung, „vereinzelt“ seien auch zwei andere
Wahlvorschläge „zu sehen“ gewesen. Nach dem Eindruck
des Wahlprüfungsausschusses, der keinen Anlass für Zwei-
fel an der Stellungnahme der Landeswahlleiterin hat, handelt
es sich bei dieser – ohnehin verfristeten – Rüge um eine sub-
jektive Wahrnehmung, die weder eine Ungleichbehandlung
noch die fehlenden Werbemöglichkeiten kleinerer Parteien
substantiiert belegen kann. Auch in der für die in Trossingen
beschlossene Sonderregelung, in den letzten Wochen vor der
Wahl ausschließlich Plakate, die eigene Wahlveranstaltun-
gen der Parteien ankündigten, außerhalb der zentralen Pla-
katwände zuzulassen, liegt, da sie für alle Parteien galt, keine
Ungleichbehandlung.

Die vom Einspruchsführer grundsätzlich kritisierte Möglich-
keit für Parteien, auf privaten Flächen Werbetafeln auf-
zustellen, auf die die Gemeinde Aldingen auch in ihrem
Serienschreiben hinweist, verletzt schon deshalb nicht das
Gebot der Gleichbehandlung, weil es sich hierbei gerade
nicht um Flächen handelt, die die an den Grundsatz der
Chancengleichheit gebundene Gemeinde zur Verfügung
stellt. Dass die zu einer Wahl antretenden politischen Par-
teien – bei denen es sich um privatrechtliche Vereinigungen
handelt – in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschied-
licher Schwerpunktsetzung Wahlwerbung betreiben, ist in
ist es Sache der Gemeinden, in welcher Weise sie dem ver-
fassungsrechtlichen Gebot auf Einräumung von Werbemög-

jedem Wahlkampf zu beobachten und beruht in erster Linie
auf Entscheidungen, die die Parteien selbst treffen. Eine un-

Drucksache 17/6300 – 100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zulässige Wahlbeeinflussung ist hierin nicht zu sehen, da es
jeder Partei selbstverständlich freisteht, alle ihr möglichen
und rechtlich zulässigen Wahlwerbemittel zu nutzen, bei-
spielsweise Werbematerialien zu verteilen oder Plakate auf
privaten Grundstücken anzubringen. Denn die Wahlwerbung
befindet sich keineswegs, wie der Einspruchsführer behaup-
tet, „in öffentlicher Hand“. Es ist daher nicht erkennbar,
gegen welche wahlrechtlichen Vorschriften das vom Ein-
spruchsführer besonders gerügte Großflächenplakat versto-
ßen haben sollte. Wie die Landeswahlleiterin unwiderspro-
chen ausführt, wäre zudem in diesem konkreten Fall – in
dem das Grundstück dem ebenfalls an den Grundsatz der
Gleichbehandlung gebundenen Landkreis Tuttlingen gehör-
te – die Nutzung desselben Grundstücks auch anderen Par-
teien zu den gleichen Bedingungen möglich gewesen.

Der Einspruchsführer hat in seinem Einspruch auch nicht
überzeugend dargelegt, dass die von ihm kritisierte Be-
schränkung der Wahlwerbung durch die Gemeinden den Par-
teien keine ausreichende Wahlwerbemöglichkeiten geboten
hätten. Sein Argument, ein „neuer Erstimmenbewerber“ sei
besonders auf eine Erhöhung des Bekanntheitsgrades durch
zusätzliche Plakate angewiesen, kann schon angesichts der

Tatsache, dass der genannte Kandidat, worauf die Landes-
wahlleiterin zutreffend hinweist, bereits zum zweiten Mal
antrat, nicht überzeugen. Auch die Bezugnahme auf einen
einzelnen Beschluss eines Verwaltungsgerichts aus der „na-
hezu nicht mehr überschaubaren“ (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 80) Rechtsprechung
zur Wahlwerbung im öffentlichen Straßenraum – es handelt
sich wohl um den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Gießen vom 27. Februar 2001 (NVwZ-RR 2001, 417) – ist
für den vorliegenden Fall weder bindend noch überhaupt
einschlägig, da das Gericht ausdrücklich darauf hinweist,
dass die Gemeinde in jenem Fall – anders als vorliegend –
keine spezielle Regelung über das Plakatieren erlassen hatte.
Die Tatsache, dass es nach Angaben des Bürgermeisteramts
Aldingen seit dem Gemeinderatsbeschluss 1991 keine Be-
schwerden seitens der Parteien gegeben hat und sich auch
keine der Parteien dem Einspruch – wie vom Einspruchsfüh-
rer zunächst angekündigt – angeschlossen hat, spricht zudem
dafür, dass die Träger der Wahlvorschläge selbst nicht der
Auffassung waren, ihnen hätten in den Gemeinden Trossin-
gen und Aldingen keine ausreichenden Wahlwerbemöglich-
keiten zur Verfügung gestanden.

befand. Der Einspruchsführer ist der Auffassung, sein Wahl-
vorschlag sei abgetrennt in „einer extra Spalte unterhalb der

An die Kreiswahlvorschläge nach § 30 Absatz 3 Satz 3
BWG schlössen sich die sonstigen Kreiswahlvorschläge an
(§ 30 Absatz 3 Satz 4 BWG), also die Wahlvorschläge von
bar“ gewesen. Insbesondere Wähler mit Einschränkungen in
der visuellen Wahrnehmung oder Leseschwäche seien da-
durch „einseitig zu parteigekennzeichneten Wahlvorschlä-

Die gesetzlichen Bestimmungen zur Reihenfolge der Wahl-
vorschläge auf den Stimmzetteln seien auch verfassungsge-
mäß. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung des Bun-
oberen Spalte“ aufgeführt worden, wodurch der Eindruck
entstanden sei, dass die Spalte für die Kreiswahlvorschläge
nach sechs Positionen ende. Dadurch sei sein – in der drei-
zehnten Zeile aufgeführter – Wahlvorschlag „nicht wahr-
nehmbar“ gewesen. Er habe seinen Stimmzettel für die
Briefwahl Bürgern vorgelegt und seinen Namen genannt,
aber niemand habe ihn gefunden. Es sei nicht nachvollzieh-
bar, dass nicht alle Kreiswahlvorschläge nacheinander auf-
geführt würden. Denn bei den beiden Spalten des Stimmzet-
tels – für Erst- und Zweitstimme – handele es sich um zwei
„unabhängige Spalten“. Außerdem gestalteten die Bundes-
länder die Stimmzettel hinsichtlich der Einzelbewerber un-
terschiedlich. Hierin liege eine Ungleichbehandlung. Dies
betreffe auch die Angabe des Kennworts des Wahlvor-
schlags. In seinem Fall sei dieses „fast gar nicht wahrnehm-

Parteien, die keine eigenen Landeslisten aufgestellt hätten,
sowie andere Wahlvorschläge im Sinne des § 20 Absatz 3
Satz 1 BWG (unabhängige Einzelkandidaten bzw. Kandida-
ten von Wählervereinigungen). Der Anschluss werde mit der
Maßgabe vollzogen, dass in der linken Hälfte des Stimmzet-
tels für die Wahl nach Kreiswahlvorschlägen gegebenenfalls
zunächst Felder auf der Ebene der Landeslisten von Parteien
unbesetzt und damit leer blieben, die in dem betreffenden
Wahlkreis keinen Kreiswahlvorschlag eingereicht hätten
(sog. Leernummern). Die im Wahlkreis 168 verwendeten
Stimmzettel bei der Bundestagswahl 2009 hätten – wie die
Stimmzettel für alle anderen Wahlkreise bei dieser Wahl –
den genannten gesetzlichen Anforderungen Rechnung getra-
gen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101 – Drucksache 17/6300

Anlage 30

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. L., 34522 Bad Wildungen
– Az.: WP 121/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 21. November 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 25. November 2009 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der im Wahlkreis 168 (Waldeck) als parteiunabhängiger Be-
werber zur Wahl angetretene Einspruchsführer macht gel-
tend, Kreiswahlvorschläge von Einzelbewerbern würden
durch die Gestaltung der Stimmzettel (1.), durch eine späte
Bekanntgabe der zugelassenen Wahlvorschläge (2.) sowie
durch die steuerliche Begünstigung von Parteispenden (3.)
benachteiligt.

1. Der Einspruchsführer wendet sich dagegen, dass sein
Kreiswahlvorschlag in der letzten Zeile der linken Spalte des
Stimmzettels – den er in Kopie mit übersandt hat – abge-
druckt wurde. Insbesondere kritisiert er, dass sich zwischen
seinem Wahlvorschlag und den vorangehenden sechs Kreis-
wahlvorschlägen eine freie, nicht weiter unterteilte Fläche

gleichbehandlung darin, dass ein Einzelbewerber bei einem
erneuten Antreten zur Wahl nicht wie die Kreiswahlvor-
schläge der Parteien entsprechend des erhaltenen Stimmen-
anteils auf dem Stimmzettel positioniert werde.

Das Bundesministerium des Innern hat zu diesem Wahlein-
spruch mit Schreiben vom 12. März 2010 Stellung genom-
men und zur Reihenfolge der Kreiswahlvorschläge auf dem
Stimmzettel ausgeführt, dass diese sich gemäß § 30 Absatz 3
Satz 3 des Bundeswahlgesetzes (BWG) nach der Reihenfol-
ge der entsprechenden Landeslisten richte, die sich ihrerseits
zunächst nach der Zahl der Zweitstimmen richte, die die
Landeslisten bei der letzten Bundestagswahl im Land er-
reicht hätten (§ 30 Absatz 3 Satz 1 BWG), an die sich die üb-
rigen Landeslisten in alphabetischer Reihenfolge der Namen
der Parteien anschlössen (§ 30 Absatz 3 Satz 2 BWG). Die
von § 30 Absatz 3 Satz 3 BWG in Bezug genommenen
Kreiswahlvorschläge seien die Vorschläge von Parteien
(§ 21 BWG), die eigene Landeslisten aufgestellt haben. Da-
mit werde sichergestellt, dass die Wahlvorschläge jeder Par-
tei auf der gleichen Ebene des Stimmzettels zu finden seien.
gen geleitet“ worden. Dadurch habe sich die politische Wil-
lensbildung verschoben. Schließlich liege auch eine Un-

des wie der Länder (vgl. Bundesverfassungsgericht, Be-
schluss vom 6. Oktober 1970, BVerfGE 29, 154, 164;

Drucksache 17/6300 – 102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 26. Januar
1995, ESVGH 46, 1, 4 und Beschluss vom 29. Januar 1993,
NVwZ-RR 1993, 654, 656 sowie Bayerischer Verfassungs-
gerichtshof, Entscheidung vom 2. Februar 1984, VerfGH 37,
19, 24) habe seit jeher der Reihenfolge der Wahlvorschläge
auf dem Stimmzettel kein wahlentscheidendes oder wahlbe-
einflussendes Gewicht beigemessen. Für die Ausgestaltung
der Reihenfolge von Wahlvorschlägen, die als Ordnungsvor-
schrift der reibungslosen Durchführung des Wahlverfahrens
diene, seien unterschiedliche Formen denkbar (Staats-
gerichtshof des Landes Hessen, Beschluss vom 29. Januar
1993, NVwZ- RR 1993, 654, 657). Nach der verfassungsge-
richtlichen Rechtsprechung sei es daher Aufgabe des Ge-
setzgebers, darüber zu entscheiden, welche Reihenfolge
zweckmäßig und geeignet sei, um den Anschein einer sach-
fremden Differenzierung zu vermeiden (vgl. Bundesverfas-
sungsgericht, Beschluss vom 30. Mai 1961, BVerfGE 13, 1,
19; Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 26. Ja-
nuar 1995, ESVGH 46, 1, 8 f. sowie Bayerischer Verfas-
sungsgerichtshof, Entscheidung vom 2. Februar 1984,
VerfGH 37, 19, 24). Die gesetzgeberische Entscheidung, die
Reihenfolge von Wahlvorschlägen nach ihrem Erfolg bei der
letzten Wahl auszurichten, sei unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten nicht beanstandet worden (Bundesverfas-
sungsgericht, Beschluss vom 30. Mai 1961, BVerfGE 13, 1,
19; Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Beschluss vom
29. Januar 1993, NVwZ-RR 1993, 654, 657; Bayerischer
Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 2. Februar 1984,
VerfGH 37, 19, 23).

Vor diesem Hintergrund unterlägen die – sachgerechten und
objektivierten – Kriterien des § 30 Absatz 3 BWG zur Rei-
henfolge der Wahlvorschläge keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufla-
ge, 2009, § 30 Rn. 4 sowie Morlok, in: Dreier (Hrsg.),
Grundgesetz, 2. Auflage 2006, Artikel 38 Rn. 103). Insbe-
sondere sei es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen
nicht verwehrt, die Reihenfolge von Kreiswahlvorschlägen
ggf. unter Verwendung von Leernummern gemäß § 38 Satz 2
der Bundeswahlordnung (BWO) bekanntzumachen und ent-
sprechend auf dem Stimmzettel auszuweisen. Der Gesetzge-
ber wolle mit dieser Entscheidung dem Eindruck entgegen-
wirken, dass sonstige Kreiswahlvorschläge Parteien zuge-
rechnet würden, die Landeslisten eingereicht hätten. Dieses
Anliegen sei sachgerecht und verfassungsrechtlich legitim.
Ebenso sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
dass der Gesetzgeber das Abschneiden bei der letzten Wahl
nach (Zweit-)Stimmen als Anknüpfungspunkt nur für die
Reihenfolge der Landeslisten wähle, sonstige Kreiswahlvor-
schläge hingegen generell alphabetisch reihe. Denn das Kri-
terium des Erfolgs bei der letzten Wahl entfalte gerade seine
besondere Bedeutung im Zusammenhang mit den Landeslis-
ten.

Das Bundesverfassungsgericht habe in ständiger Rechtspre-
chung festgestellt, „dass die Bundestagswahl – infolge des
auf der zweiten Stufe der Wahl durchzuführenden und in § 6
Absatz 4 BWG normierten Verhältnisausgleichs und unbe-
schadet der Direktwahl der Wahlkreiskandidaten nach den
Prinzipien der Mehrheitswahl – den Grundcharakter einer
Verhältniswahl trägt“ (zuletzt BVerfGE 121, 266, 297 und
95, 335, 357 f.). Durch die in § 6 Absatz 4 BWG vorge-

Land zustehen, werde die Gesamtzahl der Sitze – unbescha-
det der vorgeschalteten Personenwahl – so auf die Parteien
verteilt, wie es dem Verhältnis der Summen ihrer Zweitstim-
men entspreche (BVerfGE 95, 335, 356). An diesen sich auf
den Erfolg der einzelnen Landeslisten beziehenden Grund-
satz für die Sitzverteilung, der im Bundestagswahlrecht seit
1956 festgeschrieben und im Bewusstsein der Wählerschaft
als Proporz nach Zweitstimmen verankert sei, knüpfe die Re-
gelung für die Reihung der Landeslisten auf dem Stimmzet-
tel sachlich an.

Mit der Wahl nach Kreiswahlvorschlägen hingegen werde
– von der systembedingten Möglichkeit des Anfalls von
Überhangmandaten abgesehen, die die parteipolitische Zu-
sammensetzung des Deutschen Bundestages beeinflussen
könnten (vgl. BVerfGE 95, 335, 356) – vornehmlich eine
personelle Auswahl unter Wahlkreiskandidaten getroffen.
Da diese personenbezogene Mehrheitswahl dem System des
verhältnismäßigen Ausgleichs nur vorgeschaltet sei, also mit
ihr nicht die für die Verteilung der Sitze im Deutschen Bun-
destag in ihrer Gesamtheit maßgebende Auswahl getroffen
werde, müsse in Bezug auf sonstige Kreiswahlvorschläge
nicht notwendiger Weise auch auf den Erfolg bei der letzten
Wahl abgestellt werden. Vielmehr greife hier der weite Ge-
staltungsspielraum des Gesetzgebers.

Soweit geltend gemacht werde, durch die Gestaltung des
Stimmzettels seien andere Kreiswahlvorschläge als die von
Parteien nicht (ausreichend) wahrnehmbar, sei darauf zu ver-
weisen, dass der durch das Grundgesetz geformte demokra-
tische Staat von Leitbild des mündigen, verständigen und
sein Wahlrecht verantwortungsbewusst ausübenden Wahl-
bürgers ausgehe (vgl. Verfassungsgerichtshof Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 18. September 2006, AS RP/SL 33, 311,
313; Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom
26. Januar 1995, ESVGH 46, 1, 4; Bayerischer Verfassungs-
gerichtshof, Entscheidung vom 2. Februar 1984, VerfGH 37,
19, 24). Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz habe
hierzu ausgeführt, dass es mit ihrer Rolle als Souverän nicht
zu vereinbaren sei, wenn die Wählerinnen und Wähler die
Erfassung des Inhalts des gesamten Stimmzettels nicht als in
ihrer Verantwortung liegende Aufgabe verstünden und inso-
weit ganz nahe liegende Überlegungen vernachlässigten.
Von dem mündigen und aufgeschlossenen Durchschnitts-
wähler sei zu fordern, dass er seine Stimme für den Direkt-
kandidaten oder die Liste abgebe, die er nach eigenem Ent-
schluss wählen wolle, ohne sich dabei durch die Äußerlich-
keit des Stimmzettels desorientieren zu lassen (Urteil vom
18. September 2006, AS RP/SL 33, 311, 313). Diesem Leit-
bild würden Wähler nicht gerecht, die vorgäben, andere als
von Parteien eingereichte Kreiswahlvorschläge auf dem
Stimmzettel nicht auffinden zu können. Das gelte umso
mehr, als die zugelassenen Kreiswahlvorschläge nach § 26
Absatz 3 BWG in Verbindung mit §§ 38 Satz 1 und 86 Ab-
satz 1 BWO vom Kreiswahlleiter spätestens am 48. Tag vor
der Wahl öffentlich bekannt zu machen seien, und zwar in
der Reihenfolge, wie sie der Stimmzettel ausweisen werde.
Der mündige Wähler habe also die Möglichkeit, auch nicht
von Parteien eingereichte Kreiswahlvorschläge im Vorfeld
der Wahl zur Kenntnis zu nehmen und darauf seine spätere
Wahlentscheidung zu gründen, worauf auch das Bundesver-
schriebene Verrechnung der Wahlkreismandate mit den Sit-
zen, die jeder Partei aufgrund der Zweitstimmen in einem

fassungsgericht – in anderem Zusammenhang – hingewiesen
habe (BVerfGE 7, 63, 71; BVerfG 47, 253, 280 f.).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 103 – Drucksache 17/6300

2. Eine weitere unzulässige Benachteiligung der Einzelbe-
werber sieht der Einspruchsführer darin, dass Parteien ihre
Kandidaten „mit sehr langer Vorlaufzeit der Öffentlichkeit
als nominiert“ darstellten, ein parteiunabhängiger Bewerber
sich aber erst „nach dem Prüfverfahren und nach erfolgter
Veröffentlichung als nominierter Kandidat“ der Öffentlich-
keit vorstellen dürfe. In seinem Fall sei dies erst am 6. Au-
gust 2009 erfolgt. Auch seien die Einzelbewerber in der Be-
richterstattung in öffentlichen Medien und Internetportalen
nicht zur Kenntnis genommen und den Wählern vorenthal-
ten worden.

Hierzu hat das Bundesministerium des Innern ausgeführt,
dass von Gesetzes wegen einheitlich über die Zulassung aller
Kreiswahlvorschläge am 58. Tag vor der Wahl durch den
Kreiswahlausschuss entschieden werde; ggf. nach der Ent-
scheidung durch den Landeswahlausschuss über Beschwer-
den gegen die Zurückweisung von Kreiswahlvorschlägen
würden zudem alle zugelassenen Kreiswahlvorschläge ein-
heitlich spätestens am 48. Tag vor der Wahl öffentlich be-
kannt gemacht (§ 26 BWG). Das Gesetz und die darauf ge-
gründete Praxis der Wahlorgane wahre mithin die Chancen-
gleichheit aller Wahlvorschlagsträger bei der Frage, welcher
Kreiswahlvorschlag zur Wahl zugelassen sei. Aus der Chan-
cengleichheit ergebe sich auch kein Anspruch jedes Einzel-
bewerbers, dass über ihn in Medien berichtet werde.

3. Schließlich wendet sich der Einspruchsführer gegen die
steuerliche Begünstigung von Spenden an politische Partei-
en. Wähler, die unabhängige Kreiswahlvorschläge finanziell
unterstützten, würden hierdurch diskriminiert. Sie müssten
annehmen, dass es etwas bedeute, wenn der Gesetzgeber be-
stimmte Kreiswahlvorschläge besonders behandele. Er als
Bewerber habe zudem alle Spenden sogar noch als Einkom-
men versteuern müssen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme des Bundes-
ministeriums des Innern zu den Punkten 1 und 2 bekannt ge-
geben worden. Er hat sich mit Schreiben vom 11. April 2010,
zugegangen am 14. April 2010, hierzu geäußert und seinem
Vortrag im Wesentlichen wiederholt und vertieft. Insbeson-
dere betont er erneut, dass es sich bei den Spalten für Erst-
und Zweitstimme um zwei nebeneinander stehende, unab-
hängige Tabellen handele. Er moniert, dass die vom Bundes-
ministerium des Innern genannten Leerfelder auf den im
Wahlkreis 168 verwendeten Stimmzetteln nicht als solche
klar erkennbar seien. Vielmehr werde durch eine größere lee-
re Fläche ohne Hinweis auf eine Fortsetzung der Eindruck
erweckt, die Tabelle sei beendet. Dies sei auf den Stimmzet-
teln anderer Bundesländer anders. Die Ansicht, Wähler wür-
den dem Leitbild des mündigen, verständigen und sein
Wahlrecht verantwortungsbewusst ausübenden Wahlbürgers
nicht gerecht, wenn sie vorgäben, andere als von Parteien
eingereichte Kreiswahlvorschläge auf dem Stimmzettel
nicht auffinden zu können, diskriminiere diese Wähler. Er-
neut kritisiert er, dass er in den Medien trotz Bitte bei Infor-
mationen über die Wahl nicht berücksichtigt worden sei.
Außerdem sei seine Kandidatur bei der Veröffentlichung der
Wahlergebnisse nicht erwähnt worden, er habe „somit nie-
mals kandidiert“.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Der Vortrag
des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.

1. Die vom Einspruchsführer kritisierte Gestaltung des
Stimmzettels entspricht den wahlrechtlichen Vorgaben. Die
von ihm angegriffene Reihenfolge der aufgeführten Kreis-
wahlvorschläge folgt aus § 30 Absatz 3 Satz 3 BWG. Dieser
sieht vor, dass die Reihenfolge der Kreiswahlvorschläge sich
nach der Reihenfolge der entsprechenden Landeslisten rich-
tet (und nicht, wie der Einspruchsführer meint, nach den von
den Kreiswahlvorschlägen bei früheren Wahlen erreichten
Ergebnissen). Hier stellt das Gesetz mithin die vom Ein-
spruchsführer bestrittene Verbindung zwischen den Spalten
für Erst- und Zweitstimme ausdrücklich her. Kreiswahlvor-
schläge, denen – wie dem des Einspruchsführers – keine
Landesliste entspricht, schließen sich gemäß § 30 Absatz 3
Satz 4 BWG in alphabetischer Reihenfolge an. Da insgesamt
zwölf Parteien mit Landeslisten zur Wahl standen, konnte
der Kreiswahlvorschlag des Einspruchsführers erst – wie ge-
schehen – in Zeile 13 anschließen, auch wenn nur sechs der
Parteien auch einen Wahlkreiskandidaten aufgestellt hatten.
Eine andere Platzierung des Einspruchsführers wäre unzu-
lässig gewesen. Es war sowohl ausgeschlossen, den Kreis-
wahlvorschlag in die siebte Zeile neben die Landesliste der
„Republikaner“, die keinen Kreiswahlvorschlag gemacht
hatten, zu setzen, denn dann wäre angesichts der Regelung
des § 30 Absatz 3 Satz 3 BWG, wonach die Reihenfolge der
Kreiswahlvorschläge der der entsprechenden Landeslisten
folgt, der unzutreffende Eindruck entstanden, es handele sich
um einen Kreiswahlvorschlag der „Republikaner“. Es wäre
aber auch nicht zulässig gewesen, den Kreiswahlvorschlag
des Einspruchsführers in die siebte Zeile zu setzen, die rech-
te – für Landeslisten vorgesehene – Spalte frei zu lassen und
ab der achten Zeile die verbleibenden sechs Landeslisten, be-
ginnend mit den „Republikanern“, folgen zu lassen. Denn
aus § 30 Absatz 3 Satz 1 und 2 BWG folgt, dass die Landes-
listen in einer durchgehenden Reihenfolge aufgeführt wer-
den (vgl. zum Ganzen bereits Bundestagsdrucksache 16/1800,
Anlage 45). Der Kreiswahlvorschlag des Einspruchsführers,
dem als einzigem Kreiswahlvorschlag im Wahlkreis 168 kei-
ne Landesliste gegenüberstand, fand sich daher zutreffend an
letzter Stelle auf dem Stimmzettel.

Auch von einer Verletzung des Grundsatzes der gleichen
Wahl aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes ist
nicht auszugehen. Abgesehen davon, dass sich die Platzie-
rung des Einspruchsführers auf dem Stimmzettel zwingend
aus gesetzlichen Vorgaben ergab und die Prüfung der Verfas-
sungsmäßigkeit von Wahlrechtsnormen nach ständiger
Praxis des Wahlprüfungsausschusses und des Deutschen
Bundestages in Wahlprüfungsverfahren dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten wird (vgl. zuletzt Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5
und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24;
17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren
Nachweisen), sieht der Wahlprüfungsausschuss keinen An-
lass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 30 Ab-
satz 3 BWG, wie er bereits mehrfach festgestellt hat (vgl. zu-
letzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 45, 16/3600,
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Anlage 34; 16/5700, Anlage 21). Denn aus der Platzierung
nach den Wahlvorschlägen von Parteien, die Landeslisten

Drucksache 17/6300 – 104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

eingereicht haben, folgt keine rechtsrelevante Beeinträchti-
gung der Wahlchancen von unabhängigen Kandidaten. Es ist
davon auszugehen, dass sich die Wähler bei ihrer Wahlent-
scheidung regelmäßig nicht an der Reihenfolge der Wahlvor-
schläge auf dem Stimmzettel orientieren, sondern an den je-
weils verfolgten Zielen der Parteien und Kandidaten (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/5700, Anlage 21 mit weiteren
Nachweisen).

Es ist wahlrechtlich auch nicht vorgeschrieben, im Fall von
Leernummern in der linken Spalte des Stimmzettels durch
gestalterische oder sonstige Maßnahmen darauf hinzuwei-
sen, dass weiter unten noch Wahlvorschläge folgen. Zwar
entsprach die Gestaltung des Stimmzettels im Land Hessen
nicht genau dem Stimmzettelmuster in Anlage 26 der BWO.
Dieses markiert die freibleibenden Zeilen durch Linien,
während auf dem Stimmzettel des Wahlkreises 168 die sechs
leeren Zeilen nicht durch Linien getrennt werden. Dies ist
aber auch nicht erforderlich. Denn gemäß § 45 Absatz 1 Satz 4
BWO erhält zwar jeder Wahlkreisbewerber und jede Landes-
liste auf dem Stimmzettel ein abgegrenztes Feld, für Leer-
nummern ist eine Abgrenzung hingegen nicht vorgeschrie-
ben. Unabhängig davon, dass der Wahlprüfungsausschuss
nicht erkennen kann, dass die eine oder andere Gestaltung
der Leerfelder eine Auswirkung auf die Sichtbarkeit nach-
folgend platzierter Wahlvorschläge haben könnte, ist eine,
vom Einspruchsführer geltend gemachte, wahlrechtlich er-
hebliche Ungleichbehandlung der Kreiswahlvorschläge in
verschiedenen Bundesländern schon deshalb ausgeschlos-
sen, weil diese Wahlvorschläge nicht miteinander im Wett-
bewerb stehen.

Auch hinsichtlich des Kennworts des Kreiswahlvorschlags
des Einspruchsführers entspricht die Gestaltung des Stimm-
zettels den wahlrechtlichen Vorgaben. Hierzu sieht § 30 Ab-
satz 2 Nummer 1 BWG lediglich vor, dass der Stimmzettel
bei nicht von Parteien stammende Wahlvorschlägen das ge-
mäß § 20 Absatz 4 BWG vorgesehene Kennwort enthält,
und zwar gemäß § 45 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 BWO in
„schwarzem Druck“. Das Kennwort, das in derselben
Schriftart und -größe wie die Parteinamen der übrigen Kreis-
wahlvorschläge gedruckt ist, ist auf dem Stimmzettel zwar
nicht besonders hervorgehoben, aber aus Sicht des Wahlprü-
fungsausschusses gut lesbar. Belege dafür, dass tatsächlich,
wie vom Einspruchsführer vermutet, sehbehinderte oder le-
seschwache Wählerinnen und Wähler dazu verleitet worden
wären, die Kreiswahlvorschläge der Parteien zu wählen, lie-
gen dem Wahlprüfungsausschuss nicht vor. Ob die Gestal-
tung, wie vom Einspruchsführer vorgetragen, in anderen
Wahlkreisen oder Bundesländern von dem Stimmzettel des
Wahlkreises 168 abweicht, ist, wie oben bereits erläutert,
wahlrechtlich unerheblich.

2. Soweit der Einspruchsführer den Vorwurf der Benachtei-
ligung von Einzelbewerbern auf die Behauptung stützt, dass
von Parteien aufgestellte Kandidaten viel früher als partei-
unabhängige Kandidaten in der Öffentlichkeit als „nominiert“
dargestellt und zudem von den Medien bevorzugt würden,
liegt ebenfalls kein Wahlfehler vor. Hier fehlt es bereits an
einer substantiierten Darlegung eines möglichen Verstoßes
gegen wahlrechtliche Vorschriften. Denn die gesetzlichen
Fristenregelungen über die Zulassung und Bekanntmachung

Innern in seiner Stellungnahme zutreffend darlegt, über die
Zulassung aller Kreiswahlvorschläge gemäß § 26 Absatz 1
BWG vom Kreiswahlausschuss am 58. Tag vor der Wahl
entschieden. Alle zugelassenen Kreiswahlvorschläge wer-
den außerdem einheitlich spätestens am 48. Tag vor der Wahl
öffentlich bekannt gemacht, § 26 Absatz 3 BWG. Zwar ist es
möglich, dass bereits vor der Zulassung des Wahlvorschlags
durch den Kreiswahlausschuss in der Öffentlichkeit bekannt
wird, dass eine Partei eine bestimmte Person gemäß § 21
BWG als Wahlkreisbewerber gewählt hat. Eine wahlrecht-
lich unzulässige Ungleichbehandlung besteht hierin jedoch
nicht, denn ebenso steht es jeder Person, die eine Einzelkan-
didatur beabsichtigt, frei, dies der Öffentlichkeit mitzuteilen.

Auch soweit der Einspruchsführer die in seinen Augen unzu-
reichende Medienberichterstattung moniert, liegt kein Wahl-
fehler vor. Im Hinblick auf die von privater Hand betriebene
Presse ergibt sich dies schon aus der verfassungsrechtlich
verankerten Pressefreiheit, die auch die Freiheit, die Grund-
richtung einer Zeitung unbeeinflusst zu bestimmen und zu
verwirklichen, umfasst (BVerfGE 52, 283, 296). Daraus
folgt, dass die Presse bei der Auswahl der Nachrichten und
der Verbreitung von Meinungen grundsätzlich frei und inso-
weit auch nicht zur Neutralität im Wahlwettbewerb der
Wahlvorschlagsträger verpflichtet ist (vgl. Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 37; Bundes-
tagsdrucksache 16/5700, Anlage 21 mit weiteren Nachwei-
sen).

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind zwar nicht in
gleicher Weise bei der Gestaltung des redaktionellen Teils
ihrer auf die Wahl bezogenen Sendungen frei wie die von
privater Hand betriebene Presse (vgl. BVerfGE 59, 231,
258), sondern haben bei der Programmgestaltung den
Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerber zu be-
achten (vgl. Schreiber a. a. O., § 1 Rn. 37 f.). Wie der Wahl-
prüfungsausschuss bereits früher festgestellt hat (vgl. Bun-
destagsdrucksache 16/5700), heißt das aber nicht, dass jeder
Einzelbewerber einen Anspruch darauf hat, dass über ihn in
einer auf die Wahl bezogenen Sendung berichtet wird. Zum
einen fordert die Chancengleichheit der Wahlbewerber nicht,
dass vorgefundene, sich aus der unterschiedlichen Größe,
Leistungsfähigkeit oder politischen Zielsetzung ergebende
Unterschiede zwischen Wahlbewerbern oder Gruppen von
Wahlbewerbern ausgeglichen werden. Zum anderen bringt
es die Aufgabe des Rundfunks, den Hörer- und Zuschauer-
kreis objektiv über die Gewichtsverteilung zwischen den be-
deutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaft-
lichen Gruppen zu informieren, geradezu mit sich, dass bei-
spielsweise über politische Gruppen, die sich erstmals an
überregionalen Wahlen beteiligen, im Rahmen der redaktio-
nellen Sendungen in aller Regel wesentlich weniger ausführ-
lich berichtet wird als über Parteien, die etwa aufgrund der
Zeitdauer ihres Bestehens, ihrer verfestigten Organisation,
ihrer Vertretung in Parlamenten oder ihrer Beteiligung an
den Regierungen in Bund und Ländern eine große Rolle in
der politischen Wirklichkeit spielen (vgl. Bundestagsdruck-
sache 16/5700, Anlage 21; BVerfGE 48, 271, 278).

Die ergänzende Rüge des Einspruchsführer in seiner Replik
auf die Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern,
er sei auch „bei der Veröffentlichung der Wahlergebnisse“
von Kreiswahlvorschlägen gelten für alle Wahlvorschläge
ohne Unterschied. So wird, wie das Bundesministerium des

nicht erwähnt worden, so dass er „somit niemals kandidiert“
habe, ist, da erst nach Ablauf der Einspruchsfrist von zwei

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/6300
Wahlperiode – 105 – D

Monaten nach dem Wahltag gemäß § 2 Absatz 4 des Wahl-
prüfungsgesetzes erhoben, wegen Verfristung unzulässig.
Soweit der Einspruchsführer sich damit auf die amtliche Be-
kanntmachung des Wahlergebnisses durch die zuständigen
Wahlorgane gemäß 79 BWO bezieht, sei er jedoch darauf
hingewiesen, dass sich sein Wahlergebnis (311 Stimmen,
0,2 Prozent der abgegebenen gültigen Erststimmen) sowohl
in den entsprechenden Veröffentlichungen des Landeswahl-
leiters für Hessen als auch des Bundeswahlleiters finden
lässt.

3. Soweit der Einspruchsführer sich schließlich dagegen
wendet, dass Spenden an unabhängige Kandidaten nicht
steuerlich begünstigt würden, sieht sich der Wahlprüfungs-
ausschuss wiederum schon deshalb an der Feststellung eines
Wahlfehlers gehindert, weil die Kontrolle der Verfassungs-
mäßigkeit von Rechtsvorschriften im Rahmen der Wahlprü-
fung, wie oben dargelegt, dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten ist. Denn der vom Einspruchsführer beanstande-
te Zustand folgt unmittelbar aus § 10b Absatz 2, § 34g des
Einkommensteuergesetzes. Hiernach werden lediglich Zu-
wendungen an politische Parteien und sogenannte unabhän-
gige Wählervereinigungen, nicht aber Zuwendungen an Ein-
zelbewerber steuerlich begünstigt. Dies entspricht einem all-
gemeinen Grundsatz des Steuerrechts, wonach stets nur
Zuwendungen an Körperschaften, nicht aber solche an natür-
liche Personen steuerlich gefördert werden. Dahinter steht
der Gedanke, das nur bei Körperschaften effektiv kontrol-
liert werden kann, dass die Zuwendungen auch den Zwecken
zugute kommen, um derentwillen die Zuwendung steuerlich
subventioniert wird (vgl. hierzu bereits Bundestagsdruck-
sache 16/5700, Anlage 21 mit weiteren Nachweisen).

möglich, die abgegebenen Stimmen während der Lagerung
unentdeckt zu manipulieren.

Der Einspruchsführer hat vor der Wahl 24 Kreiswahlleiter
aus sieben Bundesländern per E-Mail zur Praxis der Aufbe-
Wahlbriefe beispielsweise geöffnet und der darin befindliche
Stimmzettelumschlag ausgetauscht werden. Dies geschehe
„mit einer großen Anzahl von Wahlbriefen“. Die Wahlbrief-

– die Anzahl der bei den zuständigen Stellen nach § 66
Absatz 2 BWO eingegangenen Wahlbriefe,
Weiter kritisiert er, dass keine öffentlich zugänglichen Infor-
mationen über die „Unterverschlusshaltung“ von Wahlbrie-
fen existiere, was hauptsächlich darauf zurückzuführen sei,
dass es keine Richtlinien für die Umsetzung gebe. Deshalb
sei eine Manipulation der Wahlbriefe während der Lage-
rungsphase unproblematisch für alle Personen möglich, die
Zugang zu den Lagerorten hätten. Er nennt beispielhaft Mit-
arbeiter der Verwaltung, die mit der Durchführung der Wah-
len beauftragt oder im Besitz von Generalschlüsseln seien,
Reinigungskräfte, Service-, Wartungs- und Hausmeisterper-
sonal. Der Öffentlichkeit werde das Recht auf Überprüfbar-
keit dieses entscheidenden Wahlschritts verwehrt. Sie müsse
sich damit abfinden, dass Wahlbriefe nach dem Absenden
verschwänden und Tage oder Wochen später bei den Brief-
wahlvorständen wieder auftauchten. In dieser Zeit könnten

wahrung von Wahlbriefen befragt. Die Antworten hat er zu-
sammengefasst sowie die E-Mail-Korrespondenz seinem
Einspruch als Anlage beigefügt. Er kritisiert, dass manche
Wahlkreise ihm nicht oder nicht inhaltlich geantwortet hät-
ten.

Der Einspruchsführer beantragt,

a) folgende Daten „unverzüglich uneingeschränkt zugäng-
lich“ zu machen:

– die Wahlergebnisse aller einzelnen Briefwahlbezirke,

– die Anzahl der Wahlscheinanträge jeder Gemeinde oder
antragentgegennehmenden Stelle,

– die Anzahl der von jeder Gemeinde/ausgebenden Stelle
bestellten Briefwahlunterlagen,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 107 – Drucksache 17/6300

Anlage 31

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. B., 28219 Bremen
– Az.: WP 124/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem Schreiben vom 23. November 2009, das am
26. November 2009 beim Deutschen Bundestag eingegan-
gen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. Sep-
tember 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt einen Verstoß gegen den Grund-
satz der Öffentlichkeit der Wahl im Rahmen der Briefwahl.
Er kritisiert die aus seiner Sicht fehlende Überprüfbarkeit der
Unterverschlusshaltung von Wahlbriefen durch die für den
Eingang der Briefe zuständigen Stelle gemäß § 74 Absatz 1
der Bundeswahlordnung (BWO) und meint, dass daraus eine
erhebliche Manipulationsgefahr folge.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, die Vor-
schriften des Bundeswahlrechts über die Behandlung der
Wahlbriefe würden in den Bundesländern und Gemeinden
aufgrund fehlender Standards und Mindestanforderungen
unterschiedlich umgesetzt. Deshalb sei ihre Einhaltung „we-
der theoretisch noch in der Praxis“ überprüfbar. Zudem sei es

Möglich werde diese Manipulation dadurch, dass die Ge-
meinden in übergroßem Umfang Briefwahlunterlagen be-
stellten. Eine Kontrolle, ob eine Gemeinde auffällig viele
Briefwahlunterlagen anfordere, existiere nicht. Der Brief-
wahlvorstand wiederum dürfe gemäß § 39 Absatz 4 Num-
mer 4 des Bundeswahlgesetzes (BWG) nur Wahlbriefe zu-
rückweisen, wenn sowohl Wahlbriefumschlag als auch
Stimmzettelumschlag unverschlossen seien. Selbst wenn er
auffällig viele geöffnete Wahlbriefumschlage feststelle, habe
er keine andere Möglichkeit, als die manipulierten Wahlbrie-
fe anzuerkennen. Der Umstand, dass in den Gemeinden die
nach der Wahl übrig gebliebenen Wahlunterlagen nicht von
Dritten gezählt und mit den bestellten und versandten Unter-
lagen abgeglichen würden, ermögliche „ewig unentdeckte
Manipulationen“.

Des Weiteren kritisiert der Einspruchsführer, dass Briefwäh-
ler in den Veröffentlichungen des Bundeswahlleiters zur
Bundestagswahl 2009 nicht ausgewiesen und in keiner öf-
fentlichen Statistik die zurückgewiesenen Wahlbriefe ge-
zählt würden.
umschläge müssten anschließend nicht einmal wieder ver-
schlossen werden.

– eine Aufstellung aller zuständigen Stellen nach § 66
Absatz 2 BWO („Wahlbriefempfänger“),

Drucksache 17/6300 – 108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– die Anzahl der nach § 39 Absatz 4, insbesondere Num-
mer 4, BWG zurückgewiesenen Wahlbriefe,

– die Anzahl der Wahlbriefe, bei denen der Wahlbriefum-
schlag geöffnet, aber der Stimmzettelumschlag ver-
schlossen war,

b) die vom Bundeswahlleiter veröffentlichte Publikation
„Die Wahlleiter/innen und ihre Stellvertreter/innen für die
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag“ um genaue Funktions-
und Amtsbezeichnungen aller genannten Personen zu ergän-
zen,

c) die Briefwahl in allen Wahlkreisen, in denen bisher eine
öffentliche Überprüfbarkeit nicht erfolgt ist oder verweigert
wurde, zu wiederholen.

Desweiteren fordert er den Deutschen Bundestag auf,

– die Ausübung des Wahlrechts durch Briefwahl hinsicht-
lich der Manipulationssicherheit zu untersuchen,

– das Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG) zu ändern und den
Bundestag zu verpflichten, Wahleinsprüche auch nach
Ablauf der Einspruchsfrist anzunehmen, „wenn besonde-
re Umstände es erfordern“ oder hilfsweise das „Kann-
Privileg“ des Präsidenten des Deutschen Bundestages ge-
mäß § 2 Absatz 4 Satz 2 WPrüfG in eine „Pflicht-Bestim-
mung“ umzuwandeln,

– das Bundeswahlgesetz dahingehend zu ändern, dass ge-
öffnete Stimmzettel- bzw. Wahlbriefumschläge zurück-
zuweisen sind.

Außerdem fordert er das Bundesministerium des Innern auf,

– Mindeststandards für die Lagerung von Wahlbriefen bei
Bundestagswahlen festzulegen und eine „Prozedur zu de-
ren öffentlichen Überprüfbarkeit“ zu entwickeln,

– die „bisherigen Kenntnisse der Unterverschlusshaltung
bei Bundestagswahlen der Öffentlichkeit zugänglich zu
machen.

Zu diesem Wahleinspruch hat das Bundesministerium des
Innern Stellung genommen. Es führt aus, das Bundesverfas-
sungsgericht habe mit Beschlüssen vom 24. November 1981
(BVerfGE 59, 119 ff.) und vom 15. Februar 1967 (BVerfGE
21, 200 ff.) die Briefwahl bei Bundestagswahlen verfas-
sungsrechtlich nicht beanstandet. Mit der Einführung der
Briefwahl habe der Bundesgesetzgeber die ihm durch das
Grundgesetz bei der Ausübung seines Ermessens gezogenen
Grenzen (BVerfGE 21, 200, 206 f.) bzw. den ihm offenste-
henden Gestaltungsspielraum nicht überschritten (BVerfGE
59, 119, 125). Zuletzt habe das Bundesverfassungsgericht
mit Urteil vom 3. März 2009 unter Bezugnahme auf die bei-
den vorgenannten Beschlüsse hervorgehoben, dass der Ge-
setzgeber in begrenztem Umfang Ausnahmen vom Grund-
satz der Öffentlichkeit zulassen könne, um anderen verfas-
sungsrechtlichen Belangen, insbesondere den geschriebenen
Wahlrechtsgrundsätzen aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des
Grundgesetzes (GG) Geltung zu verschaffen. So ließen sich
Beschränkungen der öffentlichen Kontrolle der Stimmabga-
be bei der Briefwahl mit dem Ziel begründen, eine möglichst
umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen und damit dem
Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl Rechnung zu tragen
(BVerfGE 123, 39, 75).

1981 bereits die Regelungen zugrunde gelegen hätten, die
mit dem Einspruch angegriffen würden, nämlich die in § 74
Absatz 1 Satz 1 BWO (in der Fassung der Bekanntmachung
vom 19. April 2002) enthaltene Regelung, dass die für den
Eingang der Wahlbriefe zuständige Stelle die Wahlbriefe
unter Verschluss zu halten habe, sowie die heute in § 39 Ab-
satz 4 Satz 1 Nummer 4 BWG enthaltene Regelung, dass ein
Wahlbrief zurückzuweisen sei, wenn weder der Wahlbrief-
umschlag noch der Stimmzettelumschlag verschlossen sei.

In Anbetracht dieser gesetzlichen Ausgestaltung der Brief-
wahl habe das Bundesverfassungsgericht gleichwohl hervor-
gehoben, dass die besonderen Vorschriften des Bundeswahl-
gesetzes und der Bundeswahlordnung über die Briefwahl
mit dem Grundgesetz vereinbar seien (BVerfGE 21, 200,
204) bzw. der Gesetzgeber nicht gehindert sei, sich für die
Einführung der Briefwahl in ihrer gegenwärtigen Gestalt zu
entscheiden, weil ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche
Bedenken nicht entgegenstünden (BVerfGE 59, 119, 127).
Im Einzelnen habe es im Beschluss vom 15. Februar 1967
(BVerfGE 21, 200, 204 f.) unter ausdrücklicher Bezugnahme
auf die mit dem Einspruch angegriffene Regelung, dass
Wahlbriefe unter Verschluss zu halten seien, ausgeführt:

„Die Briefwahl, die im Bund und in einer Reihe von Ländern
in den letzten zwei Jahrzehnten eingeführt worden ist, ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die beson-
deren Vorschriften des Bundeswahlgesetzes und der Bundes-
wahlordnung über die Briefwahl und die Wahl mit Vertrau-
enspersonen sind mit dem Grundgesetz vereinbar.“ Nach
Ausführungen zu den einzelnen Bestimmungen des BWG
und der BWO habe das Bundesverfassungsgericht festgehal-
ten, dass die BWO (§ 71 Absatz 1 damaliger Fassung) vor-
sehe, dass der Kreiswahlleiter die Wahlbriefe ungeöffnet
sammele und unter Verschluss lege. Weiter heiße es: „Diese
Regelung verletzt weder die Wahlfreiheit noch das Wahlge-
heimnis. Den staatlichen Bediensteten ist vorgeschrieben,
wie sie zu verfahren haben. Die Sorge für die Wahrung des
Wahlgeheimnisses ist dem Kreiswahlleiter übertragen. Was
die Beförderung der Briefe durch die Post betrifft, so steht
diese unter der Garantie des Postgeheimnisses.“

Dem Einspruch sei nach Auffassung des Bundesministe-
riums des Innern zuzugestehen, dass die Vorschrift des § 74
Absatz 1 Satz 1 BWO der Sicherung des Wahlgeheimnisses
diene. Sie sei deshalb nicht als bloße Ordnungsvorschrift an-
zusehen, sondern ihre Verletzung begründe einen Wahlfeh-
ler, wie der Wahlprüfungsausschuss bereits früher festge-
stellt habe (Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 42).
Eine solche Verletzung habe der Einspruchsführer aber nicht
substantiiert vorgetragen. Denn der Einspruchsführer habe,
gemessen an den verfassungsgerichtlichen Vorgaben, nicht
substantiiert dargelegt, dass bei der Bundestagswahl 2009
Wahlbriefe nicht ordnungsgemäß unter Verschluss gehalten
bzw. manipuliert worden seien. Er habe vielmehr nur unter
Hinweis auf Manipulationsgefahren Vermutungen aufge-
stellt. Die von ihm zitierten Stellungnahmen von Wahlorga-
nen und Gemeinden auf von ihm gestellte Anfragen zeigten
jedoch, dass die Vorschrift des § 74 Absatz 1 Satz 1 BWO in
der Wahlpraxis ernst genommen und daher – wie es sich für
eine dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit verpflichtete Ver-
waltung bzw. unabhängige Wahlorganisation auch gebühre –
Es sei darauf zu verweisen, dass den beiden genannten Be-
schlüssen des Bundesverfassungsgerichts von 1967 und

verantwortlich mit den bei den zuständigen Stellen einge-
gangenen Wahlbriefen umgegangen werde.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 109 – Drucksache 17/6300

Die Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern ist
dem Einspruchsführer bekannt gegeben worden. Er hat hier-
auf erwidert und seinen Vortrag wiederholt und vertieft. Ins-
besondere stellt er in Frage, dass die vom Bundesministe-
rium des Innern zitierte Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Briefwahl
den Gesichtspunkt der Wahlmanipulation und mangelnden
Transparenz berücksichtigt habe. Unter Bezugnahme auf das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Wahlcomputern
(BVerfGE 123, 39 ff.) betont er erneut die Bedeutung der öf-
fentlichen Kontrolle der Wahl.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen, denn er umfasst keine substantiierte Darlegung
möglicher Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung
der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag.

1. Insbesondere trägt der Einspruchsführer keine konkreten
Tatsachen vor, die darauf hindeuten, dass Wahlbriefe nicht,
wie in § 74 Absatz 1 Satz 1 BWO vorgesehen, von der für
den Eingang der Wahlbriefe zuständigen Stelle unter Ver-
schluss gehalten würden, oder geeignet sind, seine Annah-
me, dass die lagernden Wahlbriefe in erheblichem Umfang
manipuliert würden, zu belegen. Vielmehr äußert er lediglich
die Vermutung, dass zahlreiche Personen – unter Bruch der
in der BWO vorgesehenen verschlossenen Verwahrung –
Zugang zu den eingegangenen Wahlbriefen hätten und diese
in großem Umfang manipulierten. Seine Annahme stützt er
insbesondere auf die Behauptung, dass von den Wahlbehör-
den in erheblichem Maß überschüssige Wahlunterlagen be-
schafft würden, die planvoll zur Fälschung der Briefwahl
eingesetzt würden. Belege für seine Verdächtigungen trägt er
nicht vor. Auch aus der von ihm übersandten Korrespondenz
mit verschiedenen Kreiswahlleitern ergeben sich keinerlei
Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Annahmen.

Deshalb bestand für den Wahlprüfungsausschuss kein An-
lass, weitere Nachforschungen anzustellen und insbesondere
die vom Einspruchsführer geforderten Daten hinsichtlich der
Briefwahl in den Wahlkreisen zu ermitteln. Denn damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler
nachgehen – oder gar sein Vorliegen feststellen – kann,
reicht es nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von
Wahlfehlern bestehen könnte. Vielmehr muss unter der An-
gabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen
dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch realisiert hat,
das heißt, dass ein Wahlfehler nicht nur möglich war, son-
dern auch aufgetreten ist. Dies folgt daraus, dass gemäß § 2
Absatz 1 und 2 WPrüfG die Wahlprüfung nicht von Amts
wegen, sondern nur auf Einspruch, der zu begründen ist, er-
folgt. Die Begründung muss mindestens den Tatbestand, auf
den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und genü-
gend substantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthal-
ten (BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148, 159 f.; 89,
291, 304 f.). Da aber nur tatsächliche Wahlfehler die Gültig-
keit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der

wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger
schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 16/1800, Anlage 26; 17/2200, Anlage 16; BVerfGE
66, 369, 379). Wahlbeanstandungen, die, wie hier, über nicht
belegte Behauptungen oder die bloße Andeutung der Mög-
lichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen kon-
kreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag
nicht enthalten, sind deshalb als unsubstantiiert zurückzu-
weisen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anla-
gen 3, 4, 38 und 39, 17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24,
34, 35 und 39, jeweils mit weiteren Nachweisen; BVerfGE
48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).

2. Soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch auf die An-
nahme stützt, die für die Briefwahl geltenden Regelungen
verstießen gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl,
kann der Wahlprüfungsausschuss ebenfalls keinen Wahlfeh-
ler feststellen.

In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen,
dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundes-
tag im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfas-
sungsmäßigkeit von Wahlrechtsnormen in ständiger Praxis
nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist vielmehr stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. zu-
letzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15,
17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30,
32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43
mit weiteren Nachweisen).

Davon abgesehen bestehen keine verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen die angegriffenen Regelungen. Aus dem
Grundgesetz, insbesondere dem vom Einspruchsführer ge-
nannten Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl, der auf den
verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen für Demokra-
tie, Republik und Rechtsstaat beruht (BVerfGE 123, 39,
68 ff.), lässt sich weder herleiten, dass eine bundeseinheit-
liche Verfahrensweise für die in § 74 Absatz 1 BWO gere-
gelte Verwahrung der Wahlbriefe bestehen, noch, dass die
Verwahrung der Überprüfung durch einzelne Wähler zu-
gänglich sein muss.

§ 74 Absatz 1 Satz 1 BWO, der vorschreibt, dass die für den
Eingang der Wahlbriefe zuständige Stelle diese ungeöffnet
sammelt und unter Verschluss hält, regelt aus Sicht des
Wahlprüfungsausschusses die Aufbewahrung der Wahlbrie-
fe hinreichend genau. Die konkrete Umsetzung dieser Vorga-
be im Einzelfall ist abhängig von den jeweiligen Gegeben-
heiten und kann daher nur von den Wahlorganen vor Ort fest-
gelegt werden. Dass die Verwahrung der eingegangenen
Wahlbriefe „unter Verschluss“ nicht unter unmittelbarer Be-
teiligung der Öffentlichkeit erfolgen kann, ergibt schon aus
der Natur der Sache. Auch ist trotz des hohen Stellenwerts
des verfassungsrechtlichen Gebots der Öffentlichkeit der
Wahl nicht erforderlich, dass jeder Schritt im Zusammen-
hang mit der Wahl unter Beteiligung der Öffentlichkeit statt-
finden muss, wie das Bundesverfassungsgericht im Zusam-
menhang mit einer nichtöffentlichen Neuauszählung der
Stimmen seitens des Kreiswahlleiters in einigen Wahlkrei-
sen festgestellt hat (BVerfGE 121, 266, 291 f.).

3. Soweit der Einspruchsführer moniert, dass ihm nicht alle

Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Ge-
fahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst dann,

von ihm angeschriebenen Kreiswahlleiter auf seine Fragen
nach der Verwahrung der Briefwahlunterlagen geantwortet

Drucksache 17/6300 destag – 17. Wahlperiode
– 110 – Deutscher Bun

haben, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen wahlrechtliche
Vorschriften vor, denn weder BWG noch BWO enthalten ei-
ne Verpflichtung der Wahlorgane zur Erteilung derartiger
Auskünfte.

4. Die übrigen Begehren des Einspruchsführer sind nicht auf
die Prüfung der Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag gerichtet und können daher nicht Gegenstand der
Wahlprüfung sein. Dies betrifft insbesondere seinen Antrag
auf Ergänzung einer Publikation des Bundeswahlleiters so-
wie seine an den Deutschen Bundestag und das Bundes-
ministerium des Innern gerichteten „Aufforderungen“ zur
Änderung der Wahlgesetzgebung und des Wahlprüfungs-
gesetzes sowie zur „Offenlegung von Kenntnissen“.

tion sowie damit begründet, dass in der Legislaturperiode
rund 30 Milliarden Euro eingespart werden müssten, um die
in der Verfassung neu eingerichtete Schuldenbremse zu er-

demokratische Wahl „an sich“.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
für amtliche Stellen, das aus Gründen der Gleichbehandlung
auf Oppositionspolitiker zu erstrecken sei. Seine Argumen-
tation stützt der Einspruchsführer auf Zitate aus der Recht-

dass diese Grundsätze nicht nur für den Wahlvorgang selbst,
sondern auch schon für die Wahlvorbereitung und die in die-
sem Zusammenhang erfolgende Wahlwerbung gelten (vgl.
füllen. Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass die
FDP bereits vor der Wahl über diese Informationen verfügt
habe, und meint, es handele sich daher bei dem Versprechen,
Steuersenkungen ohne Finanzierungsprobleme durchführen
zu können, um eine Wählertäuschung. Dies gelte selbst
dann, wenn tatsächlich Steuersenkungen stattfänden, da dies
angesichts des nach der Wahl eingestandenen „Haushalts-
lochs“ dazu führen müsse, dass an anderer Stelle Steuern er-
höht, zusätzliche Schulden aufgenommen oder Ausgaben
eingeschränkt werden müssten. Hiermit hätten die Wähler
jedoch aufgrund der FDP-Wahlwerbung nicht rechnen müs-
sen.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, derartige „Täu-
schungen“ seien unzulässig. Es bestehe ein Wahrheitsgebot

wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Ein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften lässt sich
dem Vortrag des Einspruchsführers nicht entnehmen. Insbe-
sondere stellen die vom Einspruchsführer angeführten Wahl-
kampfaussagen keine unzulässige Wählerbeeinflussung dar.
Eine solche könnte nur angenommen werden, wenn durch
das Verhalten der Beteiligten die in Artikel 38 Absatz 1 des
Grundgesetzes verankerten Grundsätze der Wahlfreiheit und
Wahlgleichheit verletzt worden wären. Dabei ist anerkannt,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111 – Drucksache 17/6300

Anlage 32

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. K., 53639 Königswinter
– Az.: WP 127/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 25. November 2009, das am 26. Novem-
ber 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, die Bundestags-
wahl sei wegen unzulässiger Wahlbeeinflussung für ungültig
zu erklären.

Zur Begründung führt der Einspruchsführer aus, die FDP ha-
be im Wahlkampf mit der Aussage „Mehr Netto vom Brutto“
geworben und in weiteren eindeutigen Aussagen dem Wäh-
ler Steuersenkungen in Aussicht gestellt. Obwohl andere
Parteien und Fachleute dies als unrealistisch bewertet hätten,
habe die Partei dieses Wahlversprechen bis zur Wahl auf-
recht erhalten. Nach der Wahl hätten jedoch Finanzpolitiker
der FDP in der Presse eingeräumt, dass die Möglichkeiten
für umfangreiche Steuerentlastungen eingeschränkt seien,
und dies mit der vorgefundenen schwierigen Haushaltssitua-

festgestellt, dass der Grundsatz der Freiheit der Wahl voraus-
setze, dass sich der Wähler über Ziele und Verhalten der
Wahlbewerber frei von Manipulationen informieren könne.
Er schütze deshalb den Wähler vor Beeinflussungen, die ge-
eignet seien, seine Entscheidungsfreiheit trotz des bestehen-
den Wahlgeheimnisses ernstlich zu beeinträchtigen. Das
Bundesverfassungsgericht habe diesbezüglich ausgeführt,
dass zu den Beeinflussungen auch Täuschungen und Des-
information gehörten, weil zu diesen Formen des Vorenthal-
tens von Wahrheit keine hinlängliche Möglichkeit der Ab-
wehr, z. B. mit Hilfe der Gerichte, oder des Ausgleichs, etwa
mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestehe. Es habe auch
entschieden, dass eine unzulässige Wahlbeeinflussung auch
dann angenommen werden könne, wenn pflichtwidrige amt-
liche Verhaltensweisen, die nicht unmittelbar des Wahlver-
fahren beträfen, dazu bestimmt und geeignet seien, die Wäh-
lerwillensbildung parteiergreifend und chancenbeeinträchti-
gend zu beeinflussen.

Schließlich führt der Einspruchsführer aus, die erfolgte Täu-
schung habe den Wahlwettbewerb gestört und gefährde die
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundes-
verfassungsgerichts. So habe das Bundesverwaltungsgericht

Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlage 41; 15/1850, An-
lage 10; 16/900, Anlage 19).

Drucksache 17/6300 – 112 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

In seiner – vom Einspruchsführer auszugsweise zitierten –
Entscheidung vom 8. Februar 2001 hat das Bundesverfas-
sungsgericht die Voraussetzungen für unzulässige Wahlbe-
einflussungen konkretisiert und dabei deutlich zwischen
amtlicher und privater Wahlbeeinflussung unterschieden.
Eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch staatliche Stellen
liegt danach dann vor, wenn diese im Vorfeld einer Wahl in
mehr als nur unerheblichem Maße parteiergreifend auf die
Bildung des Wählerwillens eingewirkt haben. Ein Einwirken
von Parteien, einzelnen Wahlbewerbern, gesellschaftlichen
Gruppen oder sonstigen privaten Dritten auf die Bildung des
Wählerwillens stellt hingegen erst dann eine Verletzung der
Freiheit oder Gleichheit der Wahl dar, wenn dieses mit Mit-
teln des Zwangs oder Drucks oder in ähnlich schwerwiegen-
der Art und Weise erfolgt, ohne dass eine hinreichende Mög-
lichkeit der Abwehr, z. B. mit Hilfe der Gerichte oder der
Polizei, oder des Ausgleichs, etwa mit Mitteln des Wahlwett-
bewerbs, bestanden hätte (vgl. BVerfGE 103, 111, 132 f.).

Dementsprechend haben Wahlprüfungsausschuss und Deut-
scher Bundestag im Rahmen der Wahlprüfung bereits mehr-
fach festgestellt, dass Einwirkungen auf die Bildung des
Wählerwillens durch Aussagen im Wahlkampf, die unter der

denn viele Wahlberechtigte werden erst durch den Wahl-
kampf veranlasst, an der Wahl teilzunehmen (Bundestags-
drucksachen 15/1150, Anlage 41; 15/1850, Anlagen 10
und 11; 16/900, Anlage 19; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 28). Darüber hinaus enthal-
ten im Wahlkampf getätigte Aussagen ihrer Natur nach mit
objektiven Maßstäben schwer zu würdigende Wertungen
und Einschätzungen, wobei es im Wahlwettbewerb den kon-
kurrierenden Parteien und Bewerbern überlassen ist, das
Meinungsbild durch alternative Wahlkampfaussagen zu mo-
difizieren (vgl. Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 19).

Auch die vom Einspruchsführer angegriffenen Wahlkampf-
äußerungen erfüllen die genannten Voraussetzungen einer
– hier allein in Betracht kommenden – unzulässigen privaten
Wahlbeeinflussung nicht. Die vom Einspruchsführer postu-
lierte Gleichsetzung parteipolitischer Äußerungen durch Op-
positionspolitiker mit amtlicher Wahlbeeinflussung wider-
spräche den verfassungsgerichtlichen Vorgaben und wäre
zudem sinnwidrig, da die staatliche Neutralitätspflicht für
politische Parteien – unabhängig davon, ob sie eine parla-
mentarische Mehrheit bilden – gerade nicht gilt. Daher sind
auch die in der Einspruchsschrift herangezogenen Rechts-
vom Bundesverfassungsgericht definierten Schwelle liegen,
die Freiheit oder Gleichheit der Wahl nicht verletzen (vgl.
Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlage 41; 15/1850, Anla-
gen 10 und 11; 16/5700, Anlage 11). Einer inhaltlichen
Überprüfung unterziehen der Wahlprüfungsausschuss und
der Deutsche Bundestag im Wahlkampf getätigte Aussagen
grundsätzlich nicht. Es ist Sache der Parteien und Kandida-
ten, mit welchen Aussagen sie im Wahlwettbewerb auftreten
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 19). Wahl-
kampfaussagen sind in einer Demokratie wie der Bundes-
republik Deutschland als Werbung für eine „gezielte“ Stim-
mabgabe unerlässlich. Sie sind in der Regel nicht gegen die
Willensbildung und Entschließungsfreiheit der Wahlberech-
tigten gerichtet, sondern dienen vielmehr ihrer Realisierung,

sprechungszitate, die sich auf amtliche Wahlbeeinflussungen
beziehen, vorliegend nicht einschlägig. Nach dem Vorste-
henden ist eine Verletzung der Grundsätze der Wahlfreiheit
und Wahlgleichheit durch das Handeln der FDP jedoch nicht
ersichtlich. Selbst der Einspruchsführer behauptet nicht, dass
durch die von ihm angeführten Aussagen ein Zwang oder
Druck auf die Wählerinnen und Wähler ausgeübt worden
wäre, der sie dazu veranlasst hätte, gerade wegen dieser Aus-
sagen ihre Wahlentscheidung zu treffen. Vielmehr weist er
selbst darauf hin, dass konkurrierende Parteien den angegrif-
fenen Aussagen im Wahlkampf argumentativ widersprochen
hätten. Der Wahlwettbewerb zwischen den Parteien wurde
also offensichtlich durch die angegriffenen Äußerungen
nicht beeinträchtigt.

gängen nur einen Bewerber gegeben. Er weist darauf hin,
dass aus den veröffentlichten Wahlergebnissen hervorgehe,
wie viele Ja-Stimmen auf die einzelnen Kandidaten entfallen

Ergänzend trägt der Einspruchsführer vor, die Verfahrens-
Der Einspruchsführer erklärt, das Argument, es bestehe
Chancengleichheit für alle Bewerber, weil jeder gegen jeden
und auf jedem Platz kandidieren könne, überzeuge ihn nicht.

ten Wahlgängen für jeden Einzelplatz – sogenannte Einzel-
wahl – oder durch gleichzeitige Abstimmung über mehrere
Kandidaturen in einem einzigen Wahlgang für alle Positio-
seien. Erkennbar sei das Verfahren der Einzelabstimmung in
zehn Wahlgängen daran, dass die Reihenfolge der Bewerber
nicht mit der Anzahl der erreichten Ja-Stimmen korreliere.
Der Zweitplatzierte habe mit 76 Ja-Stimmen das schlechteste
Wahlergebnis von allen erhalten, während ein anderer Kan-
didat mit 121 Ja-Stimmen das drittbeste Ergebnis erzielt ha-
be, aber nur auf Platz acht eingereiht worden sei. Nur die Be-
werberin auf Platz eins mit 127 Ja-Stimmen und der Bewer-
ber auf Platz 6 mit 87 Ja-Stimmen seien richtig eingeordnet.
Alle anderen Listenbewerber dagegen hätten einen Listen-
platz erhalten, der nicht der Reihenfolge entsprochen habe,
die sich aus der Anzahl der im Schutz der geheimen Wahl ab-
gegebenen Ja-Stimmen ergeben hätte. Dies sei „grob fehler-
haft“ und bei einer Sammelwahl undenkbar.

regeln für Sammelabstimmung seien „üblich und allgemein
bekannt“. Bei zehn zu besetzenden Listenplätzen habe jeder
Wähler zehn Stimmen. Der Stimmzettel sei ungültig, wenn
weniger als die Hälfte der Stimmen vergeben wurden. Bei
gleicher Stimmenzahl entscheide die Stichwahl.

Wegen der Einzelheiten seines Vortrags wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.

Zu diesem Wahleinspruch hat der Bundeswahlleiter wie
folgt Stellung genommen:

Nach § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 21 Absatz 5 BWG
bleibe die Regelung der Einzelheiten des Verfahrens der
Wahl der Bewerber der Satzung der Parteien vorbehalten.
Sofern die einschlägige Parteisatzung es zulasse, könne die
Wahl der Landeslistenbewerber daher entweder in gesonder-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 113 – Drucksache 17/6300

Anlage 33

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. A. F., 81929 München
– Az.: WP 129/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 26. November 2009, das am selben Tag
beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag am 27. September 2009 Einspruch einge-
legt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die Landesliste
Brandenburg der Partei DIE LINKE., die seiner Ansicht
nach nicht den Anforderungen des § 21 Absatz 3 des Bun-
deswahlgesetzes (BWG) und § 39 Absatz 3 Nummer 4 der
Bundeswahlordnung (BWO) [gemeint ist wohl § 39 Absatz 4
Nummer 3 BWO] entsprechend aufgestellt worden und da-
her ungültig sei.

Unter Verweis auf die Veröffentlichung der Ergebnisse der
Vertreterversammlung der Partei DIE LINKE. Brandenburg
vom 16. Mai 2009 im Internet trägt der Einspruchsführer
vor, dass über insgesamt zehn Listenplätze in Einzelabstim-
mungen entschieden worden sei. Dabei habe es in fünf Wahl-
gängen „Kampfkandidaturen“ und in fünf weiteren Wahl-

möglichen Folgen dafür in Kauf nehmen. Vor allem könne
der Wähler bei einer Einzelwahl nicht uneingeschränkt und
„allein mit dem Stimmzettel“ über die Festlegung Reihenfol-
ge mitbestimmen, da die Reihenfolge vorgegeben sei. Bei ei-
ner Einzelwahl erfolge die Festlegung der Reihenfolge der
Bewerber auf der Landesliste also gerade nicht in geheimer
Abstimmung. Die Wähler hätten nicht mit ihren Stimmzettel
entscheiden können, dass der Bewerber mit dem schlechtes-
ten Wahlergebnis auch den schlechtesten Listenplatz erhalte.

Auch dadurch, dass die Delegierten in einem gesonderten
„Wahlgang Gesamtliste“ die Landesliste mit 93,7 Prozent
der gültig abgegebenen Stimmen als Ganzes verabschiedet
hätten, werde die „grob fehlerhafte“ Reihung in der Landes-
liste nicht geheilt. Zwar sei der „Wahlgang Gesamtliste“ eine
Sammelwahl und deshalb im Ansatz der richtige Weg gewe-
sen. Er könne jedoch nur dann zu einem gültigen Wahlergeb-
nis führen, wenn dabei die Festlegung der Reihenfolge der
Bewerber allein mit dem Stimmzettel erfolge, also die Rei-
henfolge bei der Anzahl der erreichten Ja-Stimmen allein
den Ausschlag darüber gebe, wer welchen Listenplatz erhal-
te. Stattdessen sei die Reihung bereits vorgegeben gewesen.
Denn bei einer Einzelwahl müsse sich ein Bewerber in einer
„Kampfkandidatur“ als Gegner zu erkennen geben und die

nen oder in mehreren Wahlgängen für bestimmte zusammen-
gefasste Listenplätze – sogenannte Blockwahl oder Sammel-

Drucksache 17/6300 – 114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wahl – erfolgen. Auch eine Kombination von Einzel- und
Sammelwahl für bestimmte Listenplätze werde allgemein

die der Rufnamen gilt (vgl. § 28 Absatz 3 BWG alte Fas-
sung), gestrichen wurde. Wie sich aus der Gesetzesbegrün-
für zulässig gehalten.

Bei Einzelabstimmungen werde der Einfluss der Wähler auf
die Reihenfolge der Listenbewerber nicht zurückgedrängt.
Dieser werde vielmehr dadurch gewahrt, dass jeder stimm-
berechtigte Versammlungsteilnehmer gemäß § 27 Absatz 5
in Verbindung mit § 21 Absatz 3 Satz 2 BWG für jeden Lis-
tenplatz einen eigenen Wahlvorschlag unterbreiten könne
und jedem Bewerber gemäß § 27 Absatz 5 in Verbindung mit
§ 21 Absatz 3 Satz 3 BWG Gelegenheit zu geben sei, sich
und sein Programm der Versammlung in angemessener Zeit
vorzustellen. Dadurch sei es auch unbedenklich, dass es vor-
kommen könne, dass ein weiter hinten Platzierter mehr Stim-
men erhalten habe, als ein weiter vorne Platzierter. Denn je-
dem Versammlungsteilnehmer hätte es frei gestanden, den
weiter hinten Platzierten für einen weiter vorne stehenden
Listenplatz vorzuschlagen. Solange jeder Versammlungsteil-
nehmer einen der weiter hinten benannten Bewerber bei der
Einzelabstimmung über einen weiter vorn stehenden Listen-
platz oder umgekehrt ohne weiteres vorschlagen und damit
eine Abstimmung über die Reihenfolge erzwingen könne,
sei die Reihenfolge durch die Abfolge des Aufrufens der
Wahlvorschläge durch den Wahlvorstand nicht unabänder-
lich vorgegeben und damit der Kernbestand einer demokra-
tischen Wahl sichergestellt. Allein die Kenntnis der Platzie-
rung der einzelnen Bewerber bei einer Einzelwahl verstoße
auch nicht gegen den Grundsatz der geheimen Wahl, solange
der Wahlvorgang als solcher geheim durchgeführt werde.

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Es liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften da-
rin, bei der Aufstellung einer Landesliste nacheinander ein-
zeln über Listenplätze abzustimmen.

Denn weder das Bundeswahlgesetz noch die Bundeswahl-
ordnung enthalten nähere Regelungen zum Abstimmungs-
verfahren bei der Aufstellung von Landeslisten. Insbesonde-
re ist keineswegs, wie der Einspruchsführer offenbar an-
nimmt, das von ihm skizzierte Sammelwahlverfahren
vorgeschrieben. Es findet sich lediglich in § 27 Absatz 5
BWG und § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO der Hinweis, dass
die mit dem Wahlvorschlag einzureichende Niederschrift
über die Aufstellungsversammlung eine Versicherung an
Eides statt zu enthalten hat, die sich auch darauf erstrecken
muss, dass die Festlegung der Reihenfolge der Bewerber in
der Landesliste in geheimer Abstimmung erfolgt ist. Diese
Vorschrift wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Bundes-
wahlgesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) in das
BWG eingefügt, wobei zugleich die Regelung, dass bei Feh-
len einer erkennbaren Reihenfolge die alphabetische Reihen-
folge der Familiennamen und bei gleichen Familiennamen

dung ergibt, war Ziel dieser Änderung, dass auch die Angabe
der Bewerberreihenfolge von einem Parteiversammlungsbe-
schluss getragen wird, da die Reihenfolge der Bewerber dar-
über entscheidet, wer in das Parlament gewählt wird (vgl.
Bundestagsdrucksache 7/2873, S. 40). Eine konkrete Rege-
lung des Abstimmungsverfahrens wurde damit vom Gesetz-
geber hingegen offensichtlich nicht bezweckt.

Vielmehr sieht § 21 Absatz 5 BWG, der gemäß § 27 Absatz 5
BWG auch für die Listenwahl gilt, explizit vor, dass die Par-
teien das Nähere über das Verfahren für die Wahl der Bewer-
ber durch ihre Satzungen regeln.

Dabei ergibt sich aus der Anlage 23 zu § 39 Absatz 4 Num-
mer 3 BWO ausdrücklich, dass sowohl Einzelabstimmungen
als auch Sammelabstimmungen wahlrechtlich zulässig sind.
Denn nach dem in dieser Anlage enthaltenen Muster der Nie-
derschrift über die Versammlung zur Aufstellung der Bewer-
ber für die Landesliste ist unter anderem anzugeben, über
welche Bewerber einzeln und über welche gemeinsam abge-
stimmt worden ist. Damit werden sowohl die Einzelabstim-
mung als auch die Sammelabstimmung oder eine Kombina-
tion von beidem als Möglichkeiten der Wahl der Bewerber
und der Festlegung ihrer Reihenfolge anerkannt (vgl. Bun-
destagsdrucksache 16/3600, Anlage 5; Schreiber, Kommen-
tar zum Bundeswahlgesetz, 8. Auflage, 2009, § 27 Rn. 21).

Abgesehen davon vermögen die vom Einspruchsführer vor-
getragenen Bedenken auch in der Sache nicht zu überzeugen.
Bei der Einzelabstimmung wird keineswegs der Einfluss der
Wähler auf die Reihenfolge der Listenbewerber zurückge-
drängt. Dieser wird, wie der Bundeswahlleiter zutreffend
ausführt, vielmehr dadurch gewahrt, dass jeder stimmbe-
rechtigte Versammlungsteilnehmer gemäß § 21 Absatz 3
Satz 2 BWG für jeden Listenplatz einen eigenen Wahlvor-
schlag unterbreiten kann und jedem Bewerber gemäß § 21
Absatz 3 Satz 3 BWG Gelegenheit zu geben ist, sich und sein
Programm der Versammlung in angemessener Zeit vorzu-
stellen. Deshalb ist es auch völlig unbedenklich, dass – was
der Einspruchsführer kritisiert – es vorkommen kann, dass
ein Bewerber bei der Abstimmung für einen hinteren Listen-
platz mehr Stimmen bekommt, als ein weiter vorne Platzier-
ter für seinen Listenplatz. Dies ist erfahrungsgemäß insbe-
sondere dann wahrscheinlich, wenn sich weniger Kandida-
ten um einen Platz bewerben. Schließlich hätte es jedem
Versammlungsteilnehmer freigestanden, den weiter hinten
Platzierten für einen vorderen Listenplatz vorzuschlagen
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 5). Ein An-
spruch der Versammlungsteilnehmer darauf, statt durch das
Einbringen eines weiteren Wahlvorschlags ausschließlich
„mit dem Stimmzettel“ im Wege der Sammelwahl die Rei-
henfolge der Listenbewerber zu beeinflussen, wie der Ein-
spruchsführer zu fordern scheint, lässt sich aus dem Grund-
satz der geheimen Wahl nicht ableiten. Dieser ist, wie der
Bundeswahlleiter zutreffend ausführt, gewahrt, solange der
eigentliche Wahlgang geheim erfolgt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 115 – Drucksache 17/6300

Anlage 34

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau A. L. W., 60433 Frankfurt/Main
– Az.: WP 130/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 25. No-
vember 2009, das am 26. November 2009 beim Deutschen
Bundestag eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009 Einspruch eingelegt und ihren Ein-
spruch mit Schreiben, die am 26., 27. und 30. November
2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen sind, ergänzt.

Die Einspruchsführerin schildert in ihrer Einspruchsschrift
im Wesentlichen Vorkommnisse im Zusammenhang mit ei-
nem Autounfall im Jahr 2007, die keinen Bezug zur Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag erkennen lassen. In einer wei-
teren Zuschrift wendet sie sich gegen einen – nicht dem
Deutschen Bundestag angehörenden – Politiker.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin lässt keinen Verstoß ge-
gen wahlrechtliche Vorschriften erkennen, denn er umfasst
keine substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vor-
bereitung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag. Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder von Amts
wegen, noch findet sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der
gesamten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahl-
prüfungsgesetzes erfolgt sie vielmehr nur auf Einspruch, der
zu begründen ist. Die Begründung muss mindestens den Tat-
bestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, erkennen las-
sen und genügend substantiierte Tatsachen für eine Nachprü-
fung enthalten (BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148,
159 f.; 89, 291, 304 f.). Wahlbeanstandungen, die einen kon-
kreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag
nicht enthalten, sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuwei-
sen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 3,
4, 38 und 39; 17/4600, Anlagen 9, 18, 19, 22 bis 24, 34, 35
und 39, jeweils mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 48, 271,
276; 66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).

Ein Bewerber, der auf einem aussichtsreichen Listenplatz
seiner Partei stehe, sei circa ein halbes Jahr vor der eigentli-

sungsrechtlich verankerten Wahlrechtsgrundsatz, geltend.
Nach ständiger Praxis überprüfen der Wahlprüfungsaus-
Wahltag.

Zudem bestehe sogar die Möglichkeit, dass drei relative

Natur der Sache“ ergibt und mit Artikel 38 GG vereinbar ist
(BVerfGE 5, 77, 82; 46, 196, 199), und auch an anderer Stel-
le hervorgehoben, dass das Bundeswahlgesetz – von der
chen Bundestagswahl durch die Stimmen von wenigen hun-
dert Delegierten bereits gewählt und könne weder durch eine
Mehrheit von 99 Prozent der Wähler eines Bundeslandes
noch durch 100 Prozent der Wähler eines Wahlkreises aus
dem Deutschen Bundestag ferngehalten werden, wenn seine
Partei die Fünf-Prozent-Hürde überwinde. Der Einspruchs-
führer führt aus, die Stimme eines normalen Wahlberechtig-
ten wiege etwa „1/60 Millionstel“, die Stimme eines Dele-
gierten auf einem Listenparteitag hingegen etwa 1/300.
Darüber hinaus sei die Erfolgswahrscheinlichkeit eines
Wahlkreiswählers etwa 1 : 200 000, die eines Delegierten
„je nach Abhängigkeit vom Listenplatz aber 1“. Das Stim-
mengewicht eines Wahlberechtigten schwanke also „zwi-
schen beinahe nicht messbar und absolut“. Denn Delegierte
könnten sich nicht nur selbst wählen, sondern hätten darüber
hinaus noch „eine Zweit- und Drittstimme“ am eigentlichen

schuss und der Deutsche Bundestag im Rahmen eines Wahl-
prüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von Wahl-
rechtsnormen jedoch nicht. Eine derartige Kontrolle ist viel-
mehr stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, An-
lagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anla-
gen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13,
32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen). Davon abgese-
hen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen
die angegriffenen Regelungen.

Hinsichtlich der – durch das Bundeswahlgesetz (BWG) vor-
gegebenen (vgl. § 1 Absatz 2, §§ 4, 6 und 27 BWG) – Lan-
deslisten hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass
sich das auf Parteien beschränkte Vorschlagsrecht „aus der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 117 – Drucksache 17/6300

Anlage 35

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. R., 76456 Kuppenheim
– Az.: WP 133/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem Schreiben vom 25. November 2009, das am
26. November 2009 beim Deutschen Bundestag eingegan-
gen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. Sep-
tember 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die Wahl der Ab-
geordneten nach Landeslisten. Er ist der Auffassung, dass
hierdurch der Grundsatz der Gleichheit der Stimmen und der
Wählerwille verletzt würden.

Im Wesentlichen trägt er vor, nicht der Wähler entscheide,
welche Persönlichkeiten in den Bundestag einzögen, son-
dern eine „mehr oder weniger große, mehr oder weniger le-
gitimierte Gruppe Parteimitglieder Monate zuvor“. Der
Wähler habe am Wahltag nur einen „geringen, fast unmess-
baren Einfluss, die jeweiligen Parteien unterschiedlich zu
gewichten“, während die „wichtigen Politiker“ sich dank
ihres Einflusses in der Partei keine Sorgen um ihre Wieder-
wahl machen müssten.

Grundmandatsklausel Personen über die Landeslisten einzö-
gen, die die Wähler der drei Wahlkreisen nicht einmal kenn-
ten, geschweige denn hätten wählen können. Eine Erststim-
me zähle hier mehr als eine Zweitstimme, die doch eigent-
lich als die entscheidende gelte.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Ein Wahlfehler ist aufgrund des Vortrags des Einspruchsfüh-
rers nicht feststellbar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass
der Einspruchsführer keine konkreten Mängel bei der Wahl-
vorbereitung und Wahldurchführung beanstandet. Er bestrei-
tet nicht, dass die geltenden Wahlrechtsvorschriften zur Auf-
stellung von Wahlvorschlägen eingehalten worden sind,
sondern macht im Wesentlichen einen Verstoß dieser Rege-
lungen gegen das Gebot der Gleichheit der Wahl, und damit
einen in Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verfas-
Erststimmenmehrheiten in Wahlkreisen anderer Bundeslän-
dern für Kandidaten einer Partei genügen, damit über die

Aufstellung parteiunabhängiger Kreiswahlbewerber nach
§ 20 Absatz 3 BWG abgesehen – die Aufgabe, Kandidaten-

Drucksache 17/6300 – 118 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

vorschläge für die Wahl in Wahlkreisen und für Landeslisten
einzureichen, „in die Hände der Parteien“ gelegt hat
(BVerfGE 89, 243, 251). Wählerinnen und Wähler, die nicht
Parteimitglieder sind, sind durch diese Regelung nicht dis-
kriminiert, weil sie u. a. durch Artikel 21 GG sachlich
gerechtfertigt ist (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1850, An-
lage 9).

Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
ist ebenfalls geklärt, dass sich das – ebenfalls im Bundes-
wahlgesetz geregelte (vgl. § 6 Absatz 4, § 27 Absatz 3
BWG) – System der starren oder gebundenen Listenwahl,
wonach die Reihenfolge der Bewerber auf den Landeslisten
der Parteien festgelegt ist und vom Wähler bei der Abgabe
der Zweitstimme nicht verändert werden kann, im Rahmen
der dem Gesetzgeber eingeräumten Freiheit zur Ausgestal-
tung des Wahlrechts bewegt und nicht gegen die Grundsätze
der unmittelbaren, freien und gleichen Wahl des Artikels 38
GG verstößt (vgl. BVerfGE 3, 45, 50 f.; 7, 63, 67 ff; 21, 355,
355 f.; 47, 253, 282). Zuletzt hat das Bundesverfassungs-
gericht dies in einem Beschluss vom 15. Januar 2009
(BVerfGE 122, 304, 314) bekräftigt. Der Wahlprüfungsaus-
schuss teilt diese Auffassung (vgl. z. B. Bundestagsdruck-
sachen 15/1150, Anlage 35; 16/3600, Anlage 8; 16/5700,
Anlage 15 sowie zuletzt 17/2200, Anlage 13 und 17/3100,
Anlage 34).

Festzustellen ist zudem, dass der vom Einspruchsführer an-
geführte Vergleich zwischen den, von ihm jeweils beziffer-
ten, Erfolgsquoten einer von einem Delegierten auf einer
Parteiversammlung bei der Aufstellung eines Wahlvor-
schlags abgegebenen Stimme und der Stimme eines nicht-
parteigebundenen Wählers bei der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag einen Verstoß gegen das wahlrechtliche Gleich-
heitsgebot schon deshalb nicht begründen kann, weil es sich
um verschiedene, nicht miteinander vergleichbare wahl-
rechtliche Vorgänge handelt. Bei der Bundestagswahl hat
hingegen jede gültig abgegebene Stimme grundsätzlich das-
selbe Gewicht, unabhängig davon, ob der Wähler zuvor als
Parteimitglied an der Aufstellung eines Wahlvorschlags mit-
gewirkt hat oder nicht.

Soweit der Einspruchsführer sich schließlich gegen die soge-
nannte Grundmandatsklausel des § 6 Absatz 6 Satz 1 zweite
Alternative BWG wendet, wonach eine Partei auch ohne
einen Zweitstimmenanteil von mindestens fünf Prozent an
der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten teilnimmt,
wenn sie in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen
hat, fehlt der Bezug zur Gültigkeit der Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag, die allein Gegenstand der Wahlprüfung ist,
da diese Vorschrift bei der Sitzverteilung nicht angewendet
wurde.

10. April 1997 erhalten würden.

Im Weiteren zitiert der Einspruchsführer Auszüge aus sei-
teilt würden, grundsätzlich für verfassungsgemäß erachtet.
Sie seien – so das Bundesverfassungsgericht – notwendige
bringen müssen.

Er trägt vor, das Bundesverfassungsgericht habe zwar in sei-

halt dienen, nach dem der Abweichung von den Prinzipien
der hälftigen Zusammensetzung des Bundestages nach
Wahlkreis – und nach Listenmandaten und der proportiona-
nem Wahleinspruch gegen die Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag, der sich ebenfalls gegen das Entstehen von Über-
hangmandaten richtete (Bundestagsdrucksache 16/900, An-
lage 12). Wegen der Einzelheiten seiner diesbezüglichen
Ausführungen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass die Feststel-
lung der Verfassungswidrigkeit von Überhangmandaten im-
mer dringlicher werde. Der Rückgang der Wahlbeteiligung
und die Zunahme der Stimmenanteile der kleinen Parteien
hätten zu einem weiteren starken Anstieg der Zahl der Über-
hangmandate geführt. Die Wahlrechtsgleichheit hinsichtlich
des Erfolgswerts des Stimmgewichts sei „grob verletzt“,
weil die Parteien, die nicht von Überhangmandaten profitiert
hätten, deutlich mehr Zweitstimmen pro Mandat hätten auf-

Folge des besonderen Charakters der personalisierten Ver-
hältniswahl. Das Bundesverfassungsgericht habe damit das
Überhangmandat verfassungsrechtlich anerkannt, „auch
wenn sich darauf eine Mehrheit im Bundestag und die Wahl
einer Bundesregierung gründen sollte“ (BVerfGE 95, 335,
358). Der Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhält-
niswahl lasse allerdings nach Auffassung des Bundesverfas-
sungsgerichts (BVerfGE 95, 335, 365) eine durch Zuteilung
von Überhangmandaten bewirkte Differenzierung des Ge-
wichts der für die Parteien abgegebenen Stimmen nicht un-
begrenzt zu. Das Fünf-Prozent-Quorum, das bei der Sitz-
zuteilung den rechtlichen Rahmen für einen schonenden
Ausgleich zwischen parteibezogener Wahlgleichheit und
Funktionsfähigkeit des Parlaments biete, könne – bezogen
auf die reguläre Gesamtzahl der Parlamentssitze – „als An-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 119 – Drucksache 17/6300

Anlage 36

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. R., 72070 Tübingen
– Az.: WP 134/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 24. November 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 26. November 2009 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die bei der Bundes-
tagswahl entstandenen 24 Überhangmandate. Er ist der Auf-
fassung, dass sie zwar dem geltenden Wahlrecht entsprä-
chen, aber gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl ver-
stießen.

Der Einspruchsführer trägt vor, das Bundesverfassungsge-
richt habe zwar den Bundestag in seiner Entscheidung vom
3. Juli 2008 zu einer Änderung des Bundeswahlgesetzes bis
spätestens am 30. Juni 2011 verpflichtet; dabei gehe es aber
nur um die Beseitigung des Effekts des negativen Stimmge-
wichts. Dieser Effekt entstehe zwar im Zusammenhang mit
Überhangmandaten, er befürchte aber, dass diese unter Be-
rufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom

zeigt und die Berücksichtigung von Überhangmandaten bei
der Oberverteilung als erste Lösungsmöglichkeit genannt,
aber es habe nicht zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
der Überhangmandate an sich Stellung genommen. Ange-
sichts des Ergebnisses der Wahl zum 17. Deutschen Bundes-
tag müsse das Gericht die Überhangmandate – anders als
noch in seiner Entscheidung vom 10. April 1997 – als verfas-
sungswidrig beurteilen.

Im Weiteren macht der Einspruchsführer Vorschläge zur Än-
derungen des Bundeswahlgesetzes (BWG). Hierzu und zu
den weiteren Einzelheiten seines Vortrags wird auf den In-
halt der Akten Bezug genommen.

Zu diesem Wahleinspruch hat das Bundesministerium des
Innern im Hinblick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit
von Überhangmandaten wie folgt Stellung genommen:

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom
10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) unter Bezugnahme auf
seine bisherige Rechtsprechung Überhangmandate, die ohne
Verrechnung angefallen oder ohne Ausgleichsmandate zuge-
ner Entscheidung zum Effekt des negativen Stimmgewichts
dessen Zusammenhang mit den Überhangmandaten aufge-

len Verteilung der Sitze nach dem Ergebnis für die Parteien
abgegebenen (Zweit)stimmen eine Grenze gesetzt“ sei

Drucksache 17/6300 – 120 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

(BVerfGE 95, 335, 366). Diese Grenze sei auch bei der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag mit Blick auf die angefallenen
24 Überhangmandate bei insgesamt 598 regulär zu verge-
benden Parlamentssitzen nicht überschritten worden.

In seinem Urteil zum sogenannten negativen Stimmgewicht
vom 3. Juli 2009 habe das Bundesverfassungsgericht auf die
Ausführungen zu Überhangmandaten in seinem Urteil vom
10. April 1997 Bezug genommen (BVerfGE 121, 266, 274).

sen eines Landes errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5
Satz 1 BWG auch dann verbleiben, wenn sie die nach dem
Ergebnis der für die jeweilige Landesliste abgegebenen
Zweitstimmen ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem
solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine Erhöhung
der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die
Unterschiedszahl ohne weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5
Satz 2 BWG.
Es habe dem Gesetzgeber aufgegeben, den Regelungskom-
plex, der zum Auftreten des negativen Stimmgewichts füh-
ren könne, bis spätestens zum 30. Juni 2011 zu ändern. An-
gesichts dieses Handlungsauftrags an den Gesetzgeber habe
das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18. Februar
2009 – 2 BvC 6/03 – sowie zwei weiteren Beschlüssen vom
26. Februar 2009 – 2 BvC 1/04 und 2 BvC 6/04 drei gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag ge-
richtete Wahlprüfungsbeschwerden, mit denen unter ande-
rem die Zuteilung von Überhangmandaten als verfassungs-
widrig gerügt worden waren, als erledigt angesehen. Es müs-
se, so das Bundesverfassungsgericht, wegen Fehlen des
öffentlichen Interesses nicht mehr entschieden werden, ob
das Bundeswahlgesetz insoweit gegen Artikel 38 GG versto-
ße, als es die Zuteilung von Überhangmandaten ohne Ver-
rechnung oder Ausgleich zulasse, weil es die streitbefange-
nen wahlrechtlichen Regelungen bereits wegen des negati-
ven Stimmgewichts für verfassungswidrig erklärt habe.
Nach Änderung des Bundeswahlgesetzes sei die Frage der
Verfassungsmäßigkeit der Mandatsverteilung auf der Grund-
lage des neuen Regelungskomplexes zu beurteilen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu geäußert und unter anderem
mitgeteilt, dass das Bundesverfassungsgericht in den vom
Bundesministerium des Innern zitierten neueren Entschei-
dungen, die ihm nicht bekannt gewesen seien, dem „Problem
der Überhangmandate“ ausgewichen sei. Er befürchte wei-
terhin, dass der Bundestag das Wahlrecht in verfassungswid-
riger Weise ändern werde.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß ge-
gen Vorschriften zur Vorbereitung und Durchführung der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag erkennen. Die Vertei-
lung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag folgt vielmehr,
wie der Einspruchsführer selbst einräumt, aus einer zutref-
fenden Anwendung des geltenden Bundestagswahlrechts.
Bei den vom Einspruchsführer kritisierten Überhangmanda-
ten handelt es sich um Sitze, die eine Partei in den Wahlkrei-

Soweit der Einspruchsführer rügt, diese Regelung verstoße
gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl gemäß Arti-
kel 38 Absatz 1 Satz 1 GG, ist darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag im
Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens nach ständiger
Praxis die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsnormen
nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist vielmehr stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. zu-
letzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15,
17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30,
32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43
mit weiteren Nachweisen). Dieses hat, wie das Bundes-
ministerium des Innern in seiner Stellungnahme ausführlich
darlegt und auch der Einspruchsführer einräumt, die ange-
griffene Regelung in seinem Urteil vom 10. April 1997
(BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für verfassungsgemäß
erachtet und zuletzt in mehreren Kammerentscheidungen
aufgrund seiner Entscheidung vom 3. Juli 2008 (BVerfGE
121, 266 ff.) kein öffentliches Interesse an der Weiterführung
von gegen das Entstehen von Überhangmandaten gerichte-
ten Wahlprüfungsbeschwerden gesehen (vgl. Beschlüsse
vom 18. und 26. Februar 2009 – 2 BvC 6/03, 2 BvC 1/04
und 2 BvC 6/04). Der Gesetzgeber hat allerdings nach die-
sem Urteil zu beachten, dass in der Größenordnung des
Fünfprozentquorums – bezogen auf die reguläre Gesamtzahl
der Parlamentssitze – eine Grenze für die Überhangmandate
gesetzt ist (BVerfGE 95, 335, 366). Im Rahmen der ihm vom
Bundesverfassungsgericht in dem genannten – und auch
vom Einspruchsführer in Bezug genommenen – Urteil vom
3. Juli 2008 aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgeset-
zes wird der Gesetzgeber über die Berechnung der Sitzzutei-
lung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genann-
ten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich
klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deutschen
Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen
zulässig ist (BVerfGE 121, 266, 315 f.).

Den Anregungen des Einspruchsführers zur Änderung des
Bundeswahlgesetzes ist im Rahmen der Wahlprüfung, deren
alleiniger Gegenstand die Prüfung der Gültigkeit der Wahl
ist, nicht nachzugehen.

zugt worden seien, dass sie als Direkt- und Listenbewerber
zur Wahl zugelassen worden und, nachdem sie das Direkt-

Vor diesem Hintergrund habe das Bundesverfassungsgericht
den gesetzlichen Ausschluss parteifreier Landeslisten und
desliste nur dann sinnvoll sei, wenn die auf ihr bezeichneten
Bewerber durch ein gemeinsames Programm eng verbunden
seien. Das sei bei Bundestagswahlen aus verfassungsrechtli-

che Stellung noch ausfüllten und insbesondere eine reprä-
sentative Vertretung des Volkes gewährleisten könnten. Sie
seien zu verpflichten, bei der Aufstellung ihrer Landeslisten
mandat nicht errungen hätten, doch „ersatz- oder hilfsweise“
über die Landesliste gewählt worden seien. Dies sei ihm
selbst verwehrt geblieben, weil sein „Alleinstellungsmerk-
mal“ als unparteiischer Bewerber sich nicht mit der Nähe zu
einer Partei vertrage.

Zu diesem Wahleinspruch hat das Bundesministerium des
Innern wie folgt Stellung genommen:

Die Chancengleichheit unabhängiger Einzelbewerber werde
nicht dadurch verletzt, dass solche Bewerber – im Gegensatz
zu den von Parteien aufgestellten Wahlkreisbewerbern –
nicht die Möglichkeit einer Absicherung über Landeslisten
hätten. Nach § 27 Absatz 1 Satz 1 BWG könnten Landeslis-
ten nur von Parteien eingereicht werden. Dieser Einschrän-
kung liege die Erwägung zugrunde, dass die Wahl einer Lan-

damit das Nominierungsmonopol der politischen Parteien in
diesem Bereich als sich aus der Natur der Sache ergebend be-
zeichnet und als übereinstimmend mit den Wahlrechtsprin-
zipien der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und
geheimen Wahl (Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG) bestätigt
(BVerfGE 46, 196, 199; 41, 399, 417 ff.; 5, 77, 82). Die sich
hieraus ergebenden Nachteile für unabhängige Einzelbewer-
ber verletzten mithin nicht die Chancengleichheit aller Wahl-
vorschlagsträger.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu geäußert und im Wesentlichen
ausgeführt, dass der Deutsche Bundestag die gewählte reprä-
sentative Vertretung des Volkes darstelle. Er bezweifele je-
doch, dass die politischen Parteien ihre verfassungsrechtli-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 121 – Drucksache 17/6300

Anlage 37

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. G. R., 76133 Karlsruhe
– Az.: WP 143/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 26. No-
vember 2009, das beim Deutschen Bundestag am 27. No-
vember 2009 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der im Wahlkreis 271 (Karlsruhe-Stadt) als parteiunabhän-
giger Bewerber zur Wahl angetretene Einspruchsführer sieht
sich in seinem Recht auf Chancengleichheit verletzt. Er trägt
vor, der Bundeswahlausschuss habe gemäß § 42 Absatz 2
des Bundeswahlgesetzes (BWG) festgestellt, welche Bewer-
ber über die einzelnen Landeslisten in den 17. Deutschen
Bundestag gewählt worden seien und „somit festgestellt,
dass für den Wahlkreis 271 auch“ drei weitere Bewerber
– neben dem gewählten Wahlkreisabgeordneten – gewählt
worden seien. Diese Feststellung verletze ihn in seinem
Recht auf Chancengleichheit aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 1
des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Artikel 38 Ab-
satz 1 GG, weil diese Bewerber aufgrund ihrer politischen
Anschauung durch ihre Parteimitgliedschaft dadurch bevor-

nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts eine stabile Demokratie in großen Gemeinschaften
nicht gelingen könne.

Die Parteien würden in Artikel 21 Absatz 1 GG als verfas-
sungsrechtlich notwendig für die politische Willensbildung
des Volkes anerkannt und stünden im Rang verfassungs-
rechtlicher Institutionen (vgl. BVerfGE 107, 339, 358; 73,
40, 85; 20, 56, 100; 1, 208, 225). Sie seien die politischen
Handlungseinheiten, derer die Demokratie bedürfe, um die
Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammenzu-
schließen und ihnen so überhaupt erst einen wirksamen Ein-
fluss auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen (vgl.
BVerfGE 107, 339, 358; 11, 266, 273). Politische Parteien
seien Mittler zwischen dem Bürger und den Staatsorganen,
durch die der Wille der Bürger auch zwischen den Wahlgän-
gen verwirklicht werden könne (vgl. BVerfGE 52, 63, 82 f.;
20, 56, 101), und spielten daher sowohl bei der demokrati-
schen Willensbildung als auch bei der staatlichen Entschei-
dungsfindung eine entscheidende Rolle (vgl. BVerfGE 85,
264, 285).
cher Sicht nur bei politischen Parteien der Fall, ohne deren
Bündelung und Formung des politischen Willens des Volkes

ausschließlich solche Bewerber zu berücksichtigen, die sich
nicht auch als Direktbewerber an der Wahl beteiligten.

Drucksache 17/6300 – 122 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers, der sich im Ergebnis da-
gegen wendet, dass mehrere in seinem Wahlkreis angetrete-
ne Wahlkreisbewerber über die Landeslisten ihrer Parteien in
den Deutschen Bundestag eingezogen sind, während ihm als
parteilosem Wahlkreisbewerber diese Möglichkeit nicht of-
fen gestanden habe, lässt keinen Wahlfehler erkennen.

Die Wahl nach Landeslisten ist durch das Bundeswahlgesetz
vorgegeben (vgl. § 1 Absatz 2, §§ 4, 6 und 27 BWG). Da-
nach können Wahlvorschläge für die Wahl nach Landeslisten
im Gegensatz zu Wahlvorschlägen in den Wahlkreisen nur
von politischen Parteien eingereicht werden. Dieser Rege-
lung liegt, wie das Bundesministerium des Innern ausgeführt
hat, die Erwägung zugrunde, dass die Wahl einer Liste nur
dann sinnvoll ist, wenn die auf ihr bezeichneten Bewerber
durch ein gemeinsames Programm eng verbunden sind (vgl.
auch Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009,

einstimmend bestätigt (BVerfGE 5, 77, 82; 46, 196, 199; vgl.
hierzu bereits Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 31).

Auch die vom Einspruchsführer kritisierte gleichzeitige
Kandidatur in einem Wahlkreis und auf einer Landesliste ist
nach dem Bundeswahlgesetz ohne Weiteres zulässig, wie
sich aus § 6 Absatz 4 Satz 3 BWG ergibt, wonach Bewerber,
die in einem Wahlkreis gewählt sind, bei der Verteilung der
Sitze auf die Landesliste unberücksichtigt bleiben (vgl.
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 20
Rn. 2 und § 21 Rn. 41). Lediglich eine Bewerbung in meh-
reren Wahlkreisen und Kreiswahlvorschlägen oder auf meh-
reren Landeslisten wird durch § 20 Absatz 1 Satz 2 und § 27
Absatz 4 Satz 1 BWG ausgeschlossen. Eine rechtsrelevante
Ungleichbehandlung parteiloser Wahlbewerber liegt darin
schon deshalb nicht, weil es nach dem BWG durchaus mög-
lich ist, sich als parteiloser Kandidat auf einer Landesliste
aufstellen zu lassen. Denn die Aufstellung von parteilosen/
parteifreien Kandidaten auf Landeslisten von politischen
Parteien ist zulässig (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG,
8. Auflage, 2009, § 21 Rn. 8a); ausgeschlossen sind nur Be-
werber, die Mitglieder einer anderen Partei sind (vgl. §§ 27
Absatz 5, 21 Absatz 1 Satz 1 BWG).
§ 27 Rn. 2). Den hierdurch bedingten Ausschluss „partei-
loser“ Landeslistenvorschläge und damit das Nominierungs-
monopol der politischen Parteien hat das Bundesver-
fassungsgericht – dem nach ständiger Praxis des Wahl-
prüfungsausschusses und des Deutschen Bundestages in
Wahlprüfungsverfahren die Prüfung der Verfassungsmäßig-
keit von Wahlrechtsnormen vorbehalten wird (vgl. zuletzt
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15,
17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30,
32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43
mit weiteren Nachweisen) – als sich „aus der Natur der
Sache ergebend“ bezeichnet und als mit Artikel 38 GG über-

Im Ergebnis verstößt daher auch die vom Einspruchsführer
zum Gegenstand des Einspruchs gemachte, gemäß § 42 Ab-
satz 2 Satz 1 BWG, § 78 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 BWO
erfolgte Feststellung des Bundeswahlausschusses in seiner
3. Sitzung am 14. Oktober 2009 über die Wahl von drei Lan-
deslistenbewerbern, die auch als Wahlkreiskandidaten im
Wahlkreis des Einspruchsführers angetreten waren, nicht ge-
gen geltendes Wahlrecht. Entgegen der Ansicht des Ein-
spruchsführers umfasste diese allerdings nicht die Feststel-
lung, dass diese Bewerber „für den Wahlkreis 271“ gewählt
worden seien.

schungsverhalten mehrerer Regierungsmitglieder, insbeson-
dere die Verschleierung der Haushaltslage des Bundes“ gel-

verfahrensmäßigen Anforderungen“, auch er selbst habe kei-
ne Möglichkeit zur Überprüfung gehabt. Die vom Bundes-
auf einen Zeitungsartikel „die pauschale Verweigerung von
Rechtsschutz im Wahlverfahren“. Die Rechtsschutzverwei-
gerung könne von Verfassungs wegen nicht hingenommen

der Akten sowie auf die Bundestagsdrucksache 17/2200,
Anlage 13, verwiesen.
tend und rügt, dass durch die Anwendung geltenden Rechts
gegen die Verfassung verstoßen worden sei, u. a. im Hin-
blick auf das Wahlalter, die Aufstellung von Landeslisten
durch Parteien, das Entstehen von Überhangmandaten, die
Problematik der Berliner Zweitstimmen „bei der Bundes-
tagswahl 2002“, die Weitergabe von Adressdaten durch die
Meldebehörde der Stadt Köln bei der Wahl 2002 sowie einen
Verstoß gegen Artikel 146 des Grundgesetzes (GG).

Ergänzt hat der Einspruchsführer in diesem Text einen Hin-
weis darauf, dass das Bundesverfassungsgericht eine Neu-
regelung des Wahlrechts bis 2011 gefordert habe, aber wegen
neuer Erkenntnisse ein Handeln des Wahlgesetzgebers vor
der Wahl erforderlich gewesen wäre.

2. Im Weiteren rügt der Einspruchsführer unter Bezugnahme

verfassungsgericht formulierten Anforderungen an die Öf-
fentlichkeit der Wahl bedürften der Präzisierung.

5. Die folgenden 27 Seiten der Einspruchsschrift bestehen
aus der Ablichtung einer nicht vom Einspruchsführer stam-
menden, gegen die Gültigkeit der Europawahl 2009 gerich-
teten Einspruchsschrift nebst Anlagen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel sowie das System der sogenannten starren Lis-
ten bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland thematisiert, so-
wie der Erwiderung des damaligen Einspruchsführers auf ei-
ne Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern ohne
Quellenangabe. Der jetzige Einspruchsführer hat lediglich
an einer Stelle zwei Normen des Europawahlgesetzes durch
die Worte „das BuWahlGes“ ersetzt. Hinsichtlich des Inhalts
des Einspruchs gegen die Europawahl wird auf den Inhalt
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 123 – Drucksache 17/6300

Anlage 38

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn C. M. S., 60327 Frankfurt/Main
– Az.: WP 146/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 25. November 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 27. November 2009 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt und seine Einspruchsbegründung mit Schreiben vom
27. November 2009, eingegangen am 30. November 2009,
ergänzt.

Die dem Wahlprüfungsausschuss übermittelte Einspruchs-
schrift besteht aus einer Zusammenstellung von Kopien aus
Einsprüchen des Einspruchsführers gegen frühere Wahlen,
Übernahmen fremder Texte sowie aktuellen Ergänzungen.
Sie hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:

1. Die ersten 17 Seiten der Einspruchsschrift hat der Ein-
spruchsführer wörtlich aus seiner Einspruchsschrift gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/5700, Anlage 13) übernommen.
Hierin wendet er sich gegen die Wahlprüfung durch den
Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages, macht
eine „verfassungswidrige Wahlbeeinflussung durch das Täu-

3. Verfassungswidrig sei auch der „Ausschluss von Dritt-
staatsangehörigen“ vom Wahlrecht. Völkerrechtliche und
europarechtliche Entwicklungen der letzten Zeit sprächen
eindeutig „für die Einbeziehung von Nichtdeutschen in den
Kreis der Staatsbürger“.

4. Auch die Kandidatenaufstellung der Grünen in Hessen sei
verfassungswidrig gewesen. Die „voreingenommene Partei-
tagsregie“ habe für eine besondere Begrüßung eines Kandi-
daten für die Europawahl gesorgt. Ein Kandidat für die Bun-
destagswahl habe eine längere Redezeit als alle anderen
Kandidaten bekommen, außerdem sei sein Platz lange vor
der Listenaufstellung durch Absprachen gesichert gewesen,
wodurch die Chancengleichheit verletzt worden sei. Dane-
ben sei der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl, der im
europäischen Primärrecht verankert sei, verletzt. Dies betref-
fe alle in das Europäische Parlament gewählte Abgeordnete.

Zudem gebe es außerhalb der „parteiintern bestimmten Zu-
ständigen“ keine „verlässliche Kontrolle“, ob die Stimmen
der Delegierten „unverfälscht erfasst“ worden seien. Es gebe
nach seiner Kenntnis keine ausreichenden „inhaltlichen und
werden, deshalb hätten „Die Partei“ und die „Freie Union“
zugelassen werden müssen.

Im Weiteren führt der Einspruchsführer aus, dass Fünf-Pro-
zent-Klausel, starre Listen und Überhangmandate so „auf-

Drucksache 17/6300 – 124 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

einander abzustimmen“ seien, dass „die Forderungen der
Verfassung optimal erfüllt“ würden. Die Bürgerrechte seien
insgesamt in den Blick zu nehmen. Er fügt einen Auszug aus
einem mit dem Briefkopf einer Anwaltskanzlei versehenen
Schreiben bei, in dem die Fünf-Prozent-Sperrklausel im Hin-
blick auf Wahlen in den Jahren 1994 bis 2002 behandelt und
eine Überprüfung der Klausel gefordert wird. Hierzu ergänzt
der Einspruchsführer, dass die Wahl 2009 ungültig sei, weil
eine Überprüfung nicht erfolgt sei, und verweist auf Ausfüh-
rungen in einem von ihm bezeichneten Buch sowie ein „wei-
teres Buch, das damit im Zusammenhang steht“.

6. Weiter rügt der Einspruchsführer unter Hinweis auf einen
Zeitungsartikel, dass bei der Wahl keine Ausweiskontrollen
stattgefunden hätten. Wahlbetrug könne nicht ausgeschlos-
sen werden, da der Wähler seine „Stimmkarte“ weitergeben
oder sogar verkaufen könne. Die Wahlhelfer hätten sich „ah-
nungslos“ gezeigt.

7. Der Einspruchsführer kritisiert die Zusammensetzung des
Deutschen Bundestages, in dem „vor allem Männer, Juristen,
Beamte, Lehrer und Gewerkschafter“ säßen, und fordert ver-
fahrensmäßige Vorkehrungen bei der Kandidatenaufstel-
lung, die ein „möglichst hohes Maß an Repräsentativität“ ge-
währleisten sollten.

8. Daneben übersendet der Einspruchsführer die Kopie eines
Einspruchs gegen die Oberbürgermeisterwahl in Dortmund
am 30. August 2009 und verlangt, sie auf die Bundestags-
wahl „sinngemäß“ anzuwenden.

9. Der Einspruchsführer erhebt im weiteren erneut den Vor-
wurf der „unzulässigen Wahlbeeinflussung“ und „Täu-
schung“ und fügt dem sieben Seiten mit Kommentaren und
kurzen Zitaten zu finanzpolitischen, gesundheitspolitischen
und außenpolitischen Themen, die in den Monaten Oktober
und November 2009 in der deutschen Presse erschienen
sind, bei.

Mit der Einspruchsschrift hat er zudem eine mit „Anlagen“
bezeichnete Zusammenstellung von Presseartikeln und
Schriftverkehr übersandt.

10. In seinem ergänzenden Schreiben vom 27. November
2009 trägt der Einspruchsführer unter anderem vor, dass in
einem Berliner Wahllokal Stimmzettel für einen anderen
Wahlkreis ausgegeben und in Dortmund „bis zu 50 000 fal-
sche Stimmzettel“ verschickt worden seien. Daneben macht
er Ausführungen zu verschiedenen weiteren Themen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Zu verschiedenen Fragen, die Gegenstand auch dieses Wahl-
einspruches sind, liegen dem Wahlprüfungsausschuss Stel-
lungnahmen des Bundesministeriums des Innern und des
Bundeswahlleiters vor. Dem Einspruchsführer ist eine Stel-
lungnahme des Bundesministeriums des Innern zur Verfas-
sungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel und eine Stellung-
nahme des Bundeswahlleiters zur Nichtzulassung einer Lan-
desliste der Partei „Freie Union“ zur Kenntnis gegeben
worden. Hinsichtlich des Inhalts der Stellungnahmen wird
auf den Inhalt der Akten sowie die Darstellungen in den
Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlage 13, 17/4600,
Anlagen 31, 32, 36, 40, 42, 43 (Fünf-Prozent-Klausel) und

Der Einspruchsführer hat mit weiteren Schreiben, die am 7.,
10. und 22. Juni 2010, 22. September 2010 und 3. Januar
2011 eingegangen sind, Ausführungen zu verschiedenen
Themen gemacht. Hierzu wird ebenfalls auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbe-
gründet.

I.

Soweit der Einspruchsführer sich in seiner Einspruchsschrift
gegen die Gültigkeit anderer Wahlen als der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009, insbeson-
dere gegen frühere Bundestagswahlen sowie die Europawahl
am 7. Juni 2009, wendet, ist der Einspruch wegen Verfris-
tung unzulässig. Gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1 des Wahlprü-
fungsgesetzes (WPrüfG), der gemäß § 26 Absatz 2 des
Europawahlgesetzes auch für die Europawahl gilt, müssen
Wahleinsprüche binnen einer Frist von zwei Monaten nach
dem Wahltag beim Deutschen Bundestag eingehen. Diese
Frist ist eine gesetzliche Ausschlussfrist, die vom Wahlprü-
fungsausschuss nicht verlängert werden kann. Die Möglich-
keit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht
nach dem Wahlprüfungsgesetz nicht (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 15/1150, Anlage 21; 17/2200, Anlage 26).

Ebenso wegen Verfristung unzulässig ist der Einspruch hin-
sichtlich der oben unter 10. genannten Einspruchsgründe,
die der Einspruchsführer erstmals in seinem auf den 27. No-
vember 2009 datierten Schreiben geltend macht. Denn die
Einspruchsfrist gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1 WPrüfG lief für
die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. November
2009 ab. Die Ergänzung zur Einspruchsschrift ist beim Deut-
schen Bundestag jedoch erst am 30. November 2009 einge-
gangen; auf das vom Einspruchsführer angegebene frühere
Erstellungsdatum kommt es vorliegend nicht an (vgl. z. B.
Bundestagsdrucksache 17/3100, Anlage 40).

II.

Im Übrigen ist der Einspruch unbegründet, denn der Vortrag
des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß gegen Vorschrif-
ten zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag erkennen.

1. Die aus der Einspruchsschrift gegen die Wahl zum
16. Deutschen Bundestag übernommenen Rügen beinhalten
keinen substantiierten Tatsachenvortrag, der geeignet ist,
Zweifel an der Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bun-
destag zu begründen. Dies gilt insbesondere für den auf kon-
krete Vorgänge bezogenen Vortrag hinsichtlich der Beein-
flussung der Wahl durch Regierungsmitglieder, der Proble-
matik der sogenannten Berliner Zweitstimmen und der
angebliche Weitergabe von Adressdaten zur Wahl 2002.

Soweit die Einspruchsbegründung sich auf die Geltendma-
chung der Verfassungswidrigkeit von auch für die Wahl zum
17. Deutschen Bundestag geltenden Wahlrechtsnormen
stützt, hat sich die Auffassung des Wahlprüfungsausschusses
gegenüber dem Beschluss des 16. Deutschen Bundestages
17/3100, Anlage 31 sowie 17/4600, Anlagen 25 und 37
(„Freie Union“) Bezug genommen.

(Bundestagsdrucksache 16/5700, Anlage 13), auf den Bezug
genommen wird, nicht verändert. Zunächst ist festzustellen,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125 – Drucksache 17/6300

dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundes-
tag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden
Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kon-
trolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, An-
lagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anla-
gen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13,
32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen).

Im Hinblick auf die einzelnen Rügen weist der Wahlprü-
fungsausschuss – zur Vermeidung von Wiederholungen –
auf Folgendes hin:

Die Zuständigkeit des Wahlprüfungsausschusses für die
Wahlprüfung ergibt sich aus Artikel Absatz 1 41 GG, wo-
nach die Wahlprüfung Sache des Bundestages ist.

Das Wahlalter ist ebenfalls im Grundgesetz vorgegeben,
denn gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG ist wahlberechtigt, wer
das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.

Das Nominierungsmonopol der politischen Parteien bei der
Aufstellung von Landeslisten folgt nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts „aus der Natur der Sache“
und steht mit Artikel 38 GG im Einklang (BVerfGE 5, 77,
82; 46, 196, 199).

Die Verfassungsmäßigkeit von – auch bei der Sitzverteilung
im 17. Deutschen Bundestag entstandenen – Überhangman-
daten hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil
vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich be-
stätigt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/4600, Anlage 14).
Der Gesetzgeber hat allerdings nach diesem Urteil zu be-
achten, dass in der Größenordnung des Fünfprozentquorums
– bezogen auf die reguläre Gesamtzahl der Parlamentssitze –
eine Grenze für die Überhangmandate gesetzt ist (BVerfGE
95, 335, 366).

Ein Verstoß gegen Artikel 146 GG, der die Geltungsdauer
des Grundgesetzes regelt, liegt, wie dem Einspruchsführer
bereits auf seine Einsprüche gegen die Wahl zum 14., 15.
und 16. Deutschen Bundestag mitgeteilt worden ist, eben-
falls nicht vor.

Soweit der Einspruchsführer ergänzend geltend macht, dass
das Bundeswahlgesetz vor der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag hätte geändert werden müssen, liegt ebenfalls
kein Wahlfehler vor. In dem Urteil vom 3. Juli 2008, auf das
sich der Einspruchsführer vermutlich bezieht, hat das Bun-
desverfassungsgericht dem Gesetzgeber zwar aufgegeben,
den Regelungskomplex, der zum Auftreten des sogenannten
negativen Stimmgewichts führen kann, zu ändern. Es hat
hierfür jedoch, wie dem Einspruchsführer auch bekannt zu
sein scheint, eine Frist bis zum 30. Juni 2011 gesetzt und
zugleich ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der
Sitze im 17. Deutschen Bundestag nach den bestehenden
gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121, 266,
315 f.). Dies hat es damit begründet, dass der dem Gesetzge-
ber von Verfassungs wegen zustehende Gestaltungsspiel-
raum ausreichend Zeit fordere, um die verschiedenen Rege-
lungsalternativen und deren Auswirkungen auf das Wahl-
recht angemessen zu berücksichtigen und zu gewichten.
Zudem müsse das Gesetzgebungsverfahren so rechtzeitig

Regelungslage einstellen können (a. a. O., S. 315 f.). Daher
hat es das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die
hohe Komplexität des Regelungsauftrags und unter Berück-
sichtigung der gesetzlichen Fristen zur Vorbereitung einer
Bundestagswahl für unangemessen erachtet, dem Gesetz-
geber aufzugeben, das Wahlrecht noch vor Ablauf der
16. Wahlperiode zu ändern (a. a. O., S. 316). An der Ver-
bindlichkeit dieses Urteils konnten auch die vom Ein-
spruchsführer genannten „neuen Erkenntnisse“ nichts än-
dern.

2. Die Rüge des Einspruchsführers, im Wahlverfahren werde
Rechtsschutz in verfassungswidriger Weise verweigert, wes-
halb die „Freie Union“ und „Die Partei“ zur Wahl zugelassen
hätten werden müssen, lässt ebenfalls keinen Wahlfehler er-
kennen. Konkrete Tatsachen oder rechtliche Argumente, die
geeignet wären, diese Behauptung nachvollziehbar zu bele-
gen, trägt der Einspruchsführer nicht vor. Die fehlende Sub-
stanz dieses von ihm angeführten Einspruchsgrunds zeigt
sich auch daran, dass er pauschal und ohne Differenzierung
zwei unterschiedliche Sachverhalte, nämlich die Nichtfest-
stellung der Parteieigenschaft der politischen Vereinigung
„Die Partei“ gemäß § 18 Absatz 4 Nummer 2 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) einerseits und die Nichtzulassung der
Landesliste der als Partei anerkannten „Freien Union“ in
Bayern gemäß § 28 BWG andererseits – gegen die zudem ge-
mäß § 28 Absatz 2 BWG ein Beschwerdeverfahren beim Bun-
deswahlausschuss zulässig war und durchgeführt wurde –,
rügt. Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder von Amts
wegen, noch findet sie stets in Gestalt einer Durchprüfung
der gesamten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG
erfolgt sie vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist.
Die Begründung muss mindestens den Tatbestand, auf den
die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend
substantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthalten
(BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 85, 148, 159 f.; 89, 291,
304 f.). Wahlbeanstandungen, die, wie hier, über nicht beleg-
te Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten Tat-
sachenvortrag nicht enthalten, sind deshalb als unsubstantiiert
zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/
3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39, 17/4600, Anlagen 9, 18, 19,
22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils mit weiteren Nachweisen;
BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber,
Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Deutsche Bun-
destag im Rahmen von anderen Wahlprüfungsverfahren
festgestellt hat, dass sowohl die Nichtanerkennung als Partei
der Vereinigung „Die Partei“ (vgl. Bundestagsdrucksache
17/3100, Anlage 18) als auch die Nichtzulassung einer Lan-
desliste der „Freien Union“ (vgl. Bundestagsdrucksachen
17/3100, Anlage 31 und 17/4600, Anlagen 25 und 37) dem
geltenden Wahlrecht entsprach.

3. Auch der vom Einspruchsführer gerügte „Ausschluss von
Drittstaatsangehörigen“ vom Wahlrecht stellt keinen Wahl-
fehler dar. Dass nur Deutsche im Sinne des Artikel 116 Ab-
satz 1 GG für die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag wahl-
berechtigt waren, entspricht dem klaren Wortlaut des § 12
Absatz 1 BWG. Nach der Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts folgt dies aus Artikel 20 Absatz 2 GG, da
(vor der nächsten Wahl) abgeschlossen sein, dass sich die
Parteien bei der Aufstellung ihrer Kandidaten auf die neue

die Eigenschaft als Deutscher Anknüpfungspunkt für die Zu-
gehörigkeit zum Volk als dem Träger der Staatsgewalt ist,

Drucksache 17/6300 – 126 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die deshalb auch für das Wahlrecht, durch dessen Ausübung
das Volk in erster Linie die ihm zukommende Staatsgewalt
wahrnimmt, vorausgesetzt wird (BVerfGE 83, 37, 50 ff.).

4. Die Rüge des Einspruchsführers, bei einem – von ihm
nicht näher bezeichneten – Parteitag von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN habe ein Kandidat mehr Redezeit als andere Be-
werber bekommen, dessen Platz zudem vor der Wahl durch
Absprachen „gesichert“ gewesen sei, lässt mangels Vortrags
hinreichend konkreter und überprüfbarer Tatsachen keinen
Wahlfehler erkennen. Gemäß § 21 Absatz 3 BWG werden
die Bewerber in geheimer Abstimmung gewählt, wobei jeder
stimmberechtigte Teilnehmer der Versammlung hierbei vor-
schlagsberechtigt und den Bewerbern Gelegenheit zu geben
ist, sich und ihr Programm der Versammlung in angemesse-
ner Zeit vorzustellen. Einen Verstoß gegen diese Vorschrift
hat der Einspruchsführer nicht substantiiert vorgetragen.

Auch der Vorwurf des Einspruchsführers, seiner Kenntnis
nach bestehe keine hinreichende Überprüfbarkeit der partei-
internen Wahlverfahren, kann schon mangels eines hinrei-
chend konkreten Tatsachenvortrags nicht zur Feststellung
eines Wahlfehlers führen. Zudem sieht das BWG in § 21
Absatz 4 ausdrücklich eine Einspruchsmöglichkeit gegen
Beschlüsse einer Mitglieder- oder Vertreterversammlung zur
Aufstellung von Parteibewerbern vor; daneben können sat-
zungsrechtliche und vereinsrechtliche Rechtsschutzmög-
lichkeiten in Betracht kommen (vgl. Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 21 Rn. 36 f.).

5. Soweit der Einspruchsführer die Verfassungswidrigkeit
der Fünf-Prozent-Sperrklausel gemäß § 6 Absatz 6 Satz 1
BWG sowie der sogenannten starren Listen geltend machen
möchte, indem er eine fremde, gegen die Gültigkeit der Eu-
ropawahl 2009 gerichtete Einspruchsschrift übersendet, fehlt
es mangels eines konkreten Bezugs zur Bundestagswahl
ebenfalls an der substantiierten Geltendmachung eines
Wahlfehlers bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass – unabhängig von
der schon zuvor dargelegten Beschränkung bei der Prüfung
der Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften – der
Wahlprüfungsausschuss in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungs-
mäßigkeit beider Regelungen gesehen hat (vgl. zur Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850,
Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14; 17/3100, Anlagen 13,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 31, 32, 36,
40, 42, 43; zum System der starren Listen zuletzt Bundes-
tagsdrucksache 17/3100, Anlage 34), zumal das Bundesver-
fassungsgericht sowohl die Verfassungsmäßigkeit der Sperr-
klausel als auch das System der starren Listen in der Ausge-
staltung durch das BWG in ständiger Rechtsprechung,
zuletzt durch Beschluss vom 15. Januar 2009 (BVerfGE 122,
304, 314 f., mit weiteren Nachweisen) bestätigt hat.

6. Die Rüge des Einspruchsführers, bei der Wahl hätten laut
eines Zeitungsartikels keine Ausweiskontrollen stattgefun-
den, lässt ebenfalls keinen Wahlfehler erkennen. Es ent-
spricht vielmehr geltendem Recht, dass sich nicht alle Wahl-
berechtigten im Wahlraum ausweisen müssen (vgl. Bundes-
tagsdrucksachen 15/1150 Anlagen 31 und 33; 16/900,
Anlagen 21 und 22; 16/3600, Anlage 32; 16/5700, Anlagen 8
und 22; 17/2250, Anlagen 2 bis 4, 8, 13, 15, 17 und 20). Aus-

sich der Wahlberechtigte nach § 56 Absatz 3 Satz 2 BWO
nur auf Verlangen des Wahlvorstandes auszuweisen. Der
Wahlvorstand verlangt dies insbesondere dann, wenn der
Wähler seine Wahlbenachrichtigung nicht vorlegt. Ist der
Name des Wählers im Wählerverzeichnis aufgeführt, die
Wahlberechtigung festgestellt und besteht außerdem kein
Anlass zur Zurückweisung des Wählers, gibt der Wahlvor-
steher die Wahlurne frei (§ 56 Absatz 4 Satz 1 BWO). Die
Stimmabgabe wird vom Schriftführer im Wählerverzeichnis
vermerkt (§ 56 Absatz 4 Satz 3 BWO). In der Regel ist somit
die Vorlage der Wahlbenachrichtigung zur Feststellung der
Identität ausreichend. Diese Art der Kontrolle bietet hinrei-
chend Gewähr dafür, dass die Identität der Wählerinnen und
Wähler überprüft und Manipulationen durch eine mehrfache
Teilnahme an der Wahl verhindert werden. Daher bestehen
auch an der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit dem Bun-
deswahlgesetz (BWG) und mit der Verfassung keine Zweifel
(vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 31, 33; 16/
900, Anlage 22; 16/3600, Anlage 32; 17/2250, Anlagen 2 bis
4, 8, 13, 15, 17 und 20). Zudem ist die Wahl durch das Gebot
der höchstpersönlichen Ausübung des Wahlrechts nach § 14
Absatz 4 BWG und die Strafbarkeit des unbefugten Wählens
gemäß § 107a des Strafgesetzbuches (StGB) aus Sicht des
Wahlprüfungsausschusses ausreichend gegen eine unbefugte
oder gar mehrfache Stimmabgabe abgesichert.

7. Soweit der Einspruchsführer die Zusammensetzung des
17. Deutschen Bundestages kritisiert, fehlt es an der Gel-
tendmachung eines Verstoßes gegen geltende wahlrechtliche
Vorschriften. Der Forderung des Einspruchsführers nach
„verfahrensmäßigen Vorkehrungen bei der Kandidatenauf-
stellung“ zur Gewährleistung eines „möglichst hohen Maßes
an Repräsentativität“ ist im Wahlprüfungsverfahren, das al-
lein auf die Prüfung der Gültigkeit der Wahl gerichtet ist,
nicht nachzugehen.

8. Der vom Einspruchsführer in Kopie übersandte Einspruch
gegen die Wahl des Oberbürgermeisters in Dortmund lässt
mangels eines konkreten Bezugs zur Bundestagswahl, deren
Gültigkeit, wie oben dargelegt, alleiniger Gegenstand der
Wahlprüfung durch den Deutschen Bundestag ist, ebenfalls
keinen Wahlfehler erkennen.

9. Auch der vom Einspruchsführer übersandten Zusammen-
stellung und Kommentierung verschiedener Zitate aus der
Presse lässt sich kein konkreter Verstoß gegen Vorschriften
zur Vorbereitung oder Durchführung der Bundestagswahl
entnehmen. Zwar stellt ihr der Einspruchsführer den pau-
schalen Vorwurf der „unzulässigen Wahlbeeinflussung“ und
„Täuschung“ voran, belegt ihn aber nicht. Anhaltspunkte für
eine unzulässige Wahlbeeinflussung, die nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts dann vorliegt,
wenn staatliche Stellen im Vorfeld einer Wahl in mehr als nur
unerheblichem Maße parteiergreifend auf die Bildung des
Wählerwillens eingewirkt haben, wenn private Dritte, ein-
schließlich Parteien und einzelnen Kandidaten, mit Mitteln
des Zwangs oder Drucks die Wahlentscheidung beeinflusst
haben oder wenn in ähnlich schwer wiegender Art und Weise
auf die Wählerwillensbildung eingewirkt worden ist, ohne
dass eine hinreichende Möglichkeit der Abwehr, z. B. mit
Hilfe der Gerichte oder der Polizei, oder des Ausgleichs, et-
wa mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestanden hätte
weisen müssen sich nach § 59 Satz 1 der Bundeswahlord-
nung (BWO) die Inhaber von Wahlscheinen. Ansonsten hat

(BVerfGE 103, 111, 132 f.), ergeben sich aus dem Vortrag
nicht.

schen Bundestag sei dies bei den gemäß § 6 Absatz 4 und 5
BWG „durch die nicht angerechneten Direktmandate zusätz-

sungsgerichts (BVerfGE 95, 335, 365) eine durch Zuteilung
von Überhangmandaten bewirkte Differenzierung des Ge-
erst nach dem Ende der Wahlperiode entschieden würden.
Zudem sei das Verfahren unzureichend, weil es keinen effek-
tiven Rechtsschutz vor der Wahl biete, wie die Versagung der

In seinem Urteil zum sogenannten negativen Stimmgewicht
vom 3. Juli 2009 habe das Bundesverfassungsgericht auf die
lich vergebenen Listenmandate“, die nicht vom Proporz der
Zweitstimmen getragen würden, nicht eingehalten worden.
Dies betreffe 21 Mandate der CDU, nicht jedoch die drei
Überhangmandate der CSU, welche „naturgemäß nicht mit
anderen Listenmandaten der CSU verrechenbar“ seien.

Der Einspruchsführer teilt mit, es handele sich um seinen
vierten Einspruch gegen Wahlen zum Deutschen Bundestag.
Dies zeige, dass nicht nur das Wahlrecht verfassungsrecht-
lich problematisch sei. Es sei nicht nachvollziehbar und füh-
re das grundgesetzlich verankerte Wahlprüfungsverfahren ad
absurdum, dass Wahlprüfungsverfahren trotz Zügigkeitsge-
bots bis zum Beschluss des Bundestages ein Jahr anhängig
seien und beim Bundesverfassungsgericht erst zwei Jahre
nach der beanstandeten Wahl überhaupt gelesen und dann oft

wichts der für die Parteien abgegebenen Stimmen nicht un-
begrenzt zu. Das Fünf-Prozent-Quorum, das bei der Sitz-
zuteilung den rechtlichen Rahmen für einen schonenden
Ausgleich zwischen parteibezogener Wahlgleichheit und
Funktionsfähigkeit des Parlaments biete, könne – bezogen
auf die reguläre Gesamtzahl der Parlamentssitze – „als An-
halt dienen, nach dem der Abweichung von den Prinzipien
der hälftigen Zusammensetzung des Bundestages nach
Wahlkreis – und nach Listenmandaten und der proportiona-
len Verteilung der Sitze nach dem Ergebnis für die Parteien
abgegebenen (Zweit)stimmen eine Grenze gesetzt“ sei
(BVerfGE 95, 335, 366). Diese Grenze sei auch bei der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag mit Blick auf die angefallenen
24 Überhangmandate bei insgesamt 598 regulär zu verge-
benden Parlamentssitzen nicht überschritten worden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 127 – Drucksache 17/6300

Anlage 39

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. C., 22089 Hamburg
– Az.: WP 148/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 27. November 2009, das am selben Tag
beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen das Entstehen von
21 Überhangmandaten zugunsten der CDU. Er trägt vor,
dem Gesetzgeber sei nach Artikel 38 Absatz 3 des Grundge-
setzes (GG) die Entscheidung über das Wahlsystem und sei-
ne nähere Ausgestaltung überlassen. Dabei habe er sich je-
doch an den Wahlrechtsgrundsätzen des Artikel 38 Absatz 1
Satz 1 GG zu orientieren. Beim Wahlsystem, für das sich der
Gesetzgeber im Bundeswahlgesetz (BWG) entschieden ha-
be, handele es sich um ein personalisiertes Verhältniswahl-
recht. Der Verhältniswahl werde lediglich eine nach den Re-
geln einer Mehrheitswahl durchgeführte Auswahl von 299
Abgeordneten vorgeschaltet. Deshalb müsse der Gesetzge-
ber gemäß dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit in Arti-
kel 38 Absatz 1 Satz 1 GG Erfolgswertgleichheit gewährleis-
ten, soweit dies möglich sei. Bei der Wahl zum 17. Deut-

liste der „Freien Union“ durch den bayerischen Landeswahl-
ausschuss zeigten. Er erklärt, es sei „wünschenswert, wenn
hier der Gesetzgeber auch einmal ohne Anstoß aus Karlsruhe
tätig werden würde“.

Zu diesem Wahleinspruch hat das Bundesministerium des
Innern im Hinblick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit
von Überhangmandaten wie folgt Stellung genommen:

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom
10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) unter Bezugnahme auf
seine bisherige Rechtsprechung Überhangmandate, die ohne
Verrechnung angefallen oder ohne Ausgleichsmandate zuge-
teilt würden, grundsätzlich für verfassungsgemäß erachtet.
Sie seien – so das Bundesverfassungsgericht – notwendige
Folge des besonderen Charakters der personalisierten Ver-
hältniswahl. Das Bundesverfassungsgericht habe damit das
Überhangmandat verfassungsrechtlich anerkannt, „auch
wenn sich darauf eine Mehrheit im Bundestag und die Wahl
einer Bundesregierung gründen sollte“ (BVerfGE 95, 335,
358). Der Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhält-
niswahl lasse allerdings nach Auffassung des Bundesverfas-
Parteieigenschaft der Vereinigung „Die Partei“ durch den
Bundeswahlausschuss und die Nichtzulassung der Landes-

Ausführungen zu Überhangmandaten in seinem Urteil vom
10. April 1997 Bezug genommen (BVerfGE 121, 266, 274).

Drucksache 17/6300 – 128 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Es habe dem Gesetzgeber aufgegeben, den Regelungskom-
plex, der zum Auftreten des negativen Stimmgewichts füh-
ren könne, bis spätestens zum 30. Juni 2011 zu ändern. An-
gesichts dieses Handlungsauftrags an den Gesetzgeber habe
das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18. Fe-
bruar 2009 – 2 BvC 6/03 – sowie zwei weiteren Beschlüssen
vom 26. Februar 2009 – 2 BvC 1/04 und 2 BvC 6/04 drei ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag
gerichtete Wahlprüfungsbeschwerden, mit denen unter ande-
rem die Zuteilung von Überhangmandaten als verfassungs-
widrig gerügt worden waren, als erledigt angesehen. Es müs-
se, so das Bundesverfassungsgericht, wegen Fehlen des öf-
fentlichen Interesses nicht mehr entschieden werden, ob das
Bundeswahlgesetz insoweit gegen Artikel 38 GG verstoße,
als es die Zuteilung von Überhangmandaten ohne Verrech-
nung oder Ausgleich zulasse, weil es die streitbefangenen
wahlrechtlichen Regelungen bereits wegen des negativen
Stimmgewichts für verfassungswidrig erklärt habe. Nach
Änderung des Bundeswahlgesetzes sei die Frage der Verfas-
sungsmäßigkeit der Mandatsverteilung auf der Grundlage
des neuen Regelungskomplexes zu beurteilen. Auch vor die-
sem Hintergrund könne das Verlangen, die Bundestagswahl
2009 wegen des Entstehens von Überhangmandaten für un-
gültig zu erklären, nicht durchgreifen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß ge-
gen Vorschriften zur Vorbereitung und Durchführung der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag erkennen.

1. Soweit der Einspruchsführer rügt, dass durch die Nichtan-
rechnung von 21 Direktmandaten der CDU zusätzliche 21
Listenmandate vergeben worden seien, die nicht vom Pro-
porz der Zweitstimmen getragen würden, liegt kein Wahl-
fehler vor. Die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bun-
destag folgt vielmehr aus einer zutreffenden Anwendung des
geltenden Bundestagswahlrechts. Die vom Einspruchsführer
kritisierten Mandate entstehen dadurch, dass gemäß § 6 Ab-
satz 5 Satz 1 BWG die Sitze, die Parteien in den Wahlkreisen
eines Landes errungen haben, ihnen auch dann verbleiben,
wenn sie die nach dem Ergebnis der für die jeweilige Lan-
desliste abgegebenen Zweitstimmen ermittelte Mandatszahl
übersteigen. Denn die Zahl der von der Partei in den Wahl-
kreisen eines Landes errungenen Direktmandate wird gemäß
§ 6 Absatz 4 Satz 1 BWG (nur) mit der für jede Landesliste
ermittelten Abgeordnetenzahl verrechnet. Eine Verrechnung
mit Landeslisten derselben Partei in anderen Ländern ist hin-
gegen nicht vorgesehen. Vielmehr sieht das Gesetz für die-
sen Fall eine Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deut-
schen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne weiteren
Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG.

Hinsichtlich der Rüge des Einspruchsführers, § 6 Absatz 4
und 5 BWG verstießen gegen den Grundsatz der Gleichheit
der Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG, ist darauf
hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deut-
sche Bundestag im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens

vielmehr stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, An-
lagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anla-
gen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13,
32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen). Dieses hat, wie
das Bundesministerium des Innern in seiner Stellungnahme
ausführlich darlegt, die angegriffene Regelung in seinem Ur-
teil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich
für verfassungsgemäß erachtet. Der Gesetzgeber hat aller-
dings nach diesem Urteil zu beachten, dass in der Größen-
ordnung des Fünfprozentquorums – bezogen auf die reguläre
Gesamtzahl der Parlamentssitze – eine Grenze für die Über-
hangmandate gesetzt ist (BVerfGE 95, 335, 366).

Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus
einem anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundes-
wahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Urteil vom 3. Juli 2008,
BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Be-
rechnung der Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu ent-
scheiden. In dem genannten Urteil hat das Bundesverfas-
sungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung
der Sitze im 17. Deutschen Bundestag nach den bestehenden
gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121, 266,
315 f.).

2. Soweit der Einspruchsführer sich gegen das sich aus Arti-
kel 41 GG sowie dem Wahlprüfungsgesetz ergebende Wahl-
prüfungsverfahren wendet, macht er keinen Verstoß gegen
Vorschriften zur Vorbereitung oder Durchführung der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag geltend. Seine Ausführungen
zur Dauer des Verfahrens beziehen sich vielmehr offensicht-
lich auf seine Einsprüche gegen die Wahlen zum 14., 15. und
16. Deutschen Bundestag. Soweit er pauschal rügt, es fehle
an einem effektiven Rechtsschutz vor der Wahl, ist auf § 49
BWG zu verweisen, wonach Entscheidungen und Maßnah-
men, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen,
nur mit den in BWG und der Bundeswahlordnung (BWO)
vorgesehenen Rechtsbehelfen sowie im Wahlprüfungsver-
fahren angefochten werden können. Dies hat das Bundesver-
fassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, zuletzt mit
zwei Beschlüssen vom 24. August 2009 (2 BvQ 50/09 und
2 BvR 1898/09), bestätigt. Die OSZE-Wahlbewertungsmis-
sion hat zwar in ihrem Bericht zur Bundestagswahl 2009
festgestellt, dass es bedenklich sei, dass die Gesetzgebung
für die Zeit vor dem Wahltag keine juristische Überprüfung
von Entscheidungen der Wahlorgane vorsieht und damit den
in den OSZE-Verpflichtungen und anderen internationalen
Rechtsinstrumenten geforderten Zugang der Bürgerinnen
und Bürger zu zeitgerechter und effektiver Abhilfe ein-
schränkt. Der Frage, ob und gegebenenfalls wie die Gesetz-
gebung zu ändern ist, ist jedoch nicht im Wahlprüfungsver-
fahren nachzugehen, das allein die Prüfung der Gültigkeit
der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag zum Gegenstand
hat.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Deutsche Bun-
destag im Rahmen anderer Wahlprüfungsverfahren festge-
stellt hat, dass die vom Einspruchsführer ohne nähere Aus-
führungen angesprochene Nichtanerkennung der Vereini-
gung „Die Partei“ als Partei für die Bundestagswahl durch
den Bundeswahlausschuss ebenso wie die Nichtzulassung
nach ständiger Praxis die Verfassungsmäßigkeit von Wahl-
rechtsnormen nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist

der Landesliste Bayern der Partei „Freie Union“ dem gel-
tenden Wahlrecht entsprach (vgl. Bundestagsdrucksache

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/6300
Wahlperiode – 129 – D

17/3100, Anlagen 18 und 31). Dem Wunsch des Einspruchs-
führers nach einem Tätigwerden des Gesetzgebers ist im
Rahmen der Wahlprüfung, die ausschließlich die Prüfung
der Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag zum
Gegenstand hat, nicht nachzugehen.

e) dass der Wahlzettel unabhängig antretende Kandidaten
benachteilige, so sei bei sieben Direktkandidaten im Wahl-

zur Wahl des SPD-Direktkandidaten aufgerufen hätten und

r) dass durch den Bundeswahlausschuss „menschenverach-
i) dass das Wahlsystem undemokratisch sei, da in Hessen alle
Zweitstimmen der CDU unberücksichtigt geblieben seien,
weil alle Listenbewerber über die Erststimme in den Bundes-

im Umfeld der Wahl, lassen jedoch ebenfalls keinen Verstoß
gegen das Bundestagswahlrecht erkennen (2.).
kreis Groß-Gerau der Einspruchsführer die Nummer 13 auf
dem Stimmzettel gewesen,

f) dass die Gestaltung des Stimmzettels die Menschen dazu
nötige, sowohl Erststimme als auch Zweitstimme abzuge-
ben, da sonst Manipulation drohe; angemessen wären zwei
Stimmzettel,

g) dass der Einspruchsführer als Direktkandidat im Wahl-
kreis Groß-Gerau durch die „parteiengerechte Lokalpresse“
boykottiert worden sei,

h) dass die „parteiengerechte Lokalpresse“ nicht nur das Zu-
sammenkommen des Wahlausschusses des Kreises Groß-
Gerau, sondern auch Unregelmäßigkeiten in einem Rüssels-
heimer Wahllokal ignoriert habe,

tende und deutschlandfeindliche Polit- Organisationen wie
SPD, CDU, LINKE., BÜNDNIS 90/GRÜNE, FDP und
NPD“ zur Bundestagswahl zugelassen worden seien.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen, denn er beinhaltet keine hinreichend substantiierte
Darlegung der Möglichkeit eines Verstoßes gegen wahl-
rechtliche Vorschriften. Mit neun seiner siebzehn stichpunkt-
artigen Rügen wendet sich der Einspruchsführer gegen die
Ausgestaltung des geltenden Wahlrechts, ohne jedoch des-
sen fehlerhafte Anwendung geltend zu machen (1.). Die üb-
rigen Kritikpunkte beziehen sich auf tatsächliche Vorgänge
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131 – Drucksache 17/6300

Anlage 40

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn P. A., 65428 Rüsselsheim
– Az.: WP 151/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 27. No-
vember 2009, das beim Deutschen Bundestag am gleichen
Tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet in einer stichpunktartigen
Aufzählung Folgendes:

a) dass die Bundestagswahl lediglich zur Legitimation der
Macht der etablierten Parteien diene,

b) dass das Wahlsystem „individuumfeindlich“ sei, wie das
Erfordernis zum Sammeln von 200 Unterschriften zeige, von
dem etablierte Parteien befreit seien, selbst wenn sie, wie die
NPD, lediglich in einem Landtag säßen,

c) dass Parteibewerber „direkt und gelistet“ kandidierten,

d) dass Verlierer der Direktwahl über Parteienliste in den
Bundestag kämen; dies verhöhne den Wählerwillen,

j) dass Bürgern kein Beschwerderecht beim Bundeswahlaus-
schuss zustehe,

k) dass gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses
vor der Wahl kein Gericht angerufen werden könne,

l) dass das „parteiengerechte Fernsehen“ die Übertragung
des „Kanzlerduells“ über Deutschlandradio und damit „In-
formationen für alle“ verhindert habe,

m) dass der Einspruchsführer als Direktkandidat nicht zu
Podiumsdiskussionen, etwa der Gewerkschaften, eingeladen
worden sei,

n) dass Direktkandidaten einer Partei auch dann hätten antre-
ten dürfen, wenn der Parteienstatus durch den Bundeswahl-
ausschusses abgelehnt worden sei,

o) dass kurz nach Schließung der Wahllokale schon das Er-
gebnis festgestanden habe,

p) dass nicht die Möglichkeit bestehe, an zwei Tagen zu
wählen,

q) dass die Betriebsräte des Kreises Groß-Gerau öffentlich
tag gewählt worden seien, wodurch Wählerstimmen vergeu-
det worden seien,

1. Die Rügen des Einspruchsführers unter b bis f, i bis k, n
und p richten sich ohne weitere Begründung gegen geltende

Drucksache 17/6300 – 132 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wahlrechtliche Regelungen. Anhaltspunkte für deren fehler-
hafte Anwendung bestehen nicht.

So folgt das unter b) gerügte Erfordernis von 200 Unter-
schriften – gemeint ist offensichtlich für die Einreichung von
Kreiswahlvorschlägen – aus § 20 Absatz 2 Satz 2 des Bun-
deswahlgesetzes (BWG) für Parteien, die nicht im Bundes-
tag oder einem Landtag seit deren letzter Wahl aufgrund
eigener Wahlvorschläge mit mindestens fünf Abgeordneten
vertreten waren, und aus § 20 Absatz 3 BWG für sogenannte
andere Kreiswahlvorschläge.

Die vom Einspruchsführer unter c) kritisierte gleichzeitige
Kandidatur in einem Wahlkreis und auf einer Landesliste ist
nach dem Bundeswahlgesetz ohne Weiteres zulässig, wie
sich aus § 6 Absatz 4 Satz 3 BWG ergibt, wonach Bewerber,
die in einem Wahlkreis gewählt sind, bei der Verteilung der
Sitze auf die Landesliste unberücksichtigt bleiben (vgl.
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 20
Rn. 2 und § 21 Rn. 41). Entsprechend bestehen auch keine
wahlrechtlichen Einwände dagegen, wenn – wie der Ein-
spruchsführer unter d) rügt – ein unterlegener Wahlkreis-
bewerber über die Landesliste seiner Partei in den Bundestag
einzieht. Lediglich eine Bewerbung in mehreren Wahlkrei-
sen und Kreiswahlvorschlägen oder auf mehreren Landes-
listen wird durch § 20 Absatz 1 Satz 2 und § 27 Absatz 4
Satz 1 BWG ausgeschlossen.

Auch der Vortrag unter e), dass der als „anderer Kreiswahl-
vorschlag“ im Wahlkreis 184 kandidierende Einspruchsfüh-
rer bei sieben Direktkandidaten auf Platz 13 auf dem Stimm-
zettel gestanden habe, lässt keinen Wahlfehler erkennen. Die
angegriffene Reihenfolge der aufgeführten Kreiswahlvor-
schläge folgt aus § 30 Absatz 3 Satz 3 BWG. Dieser sieht
vor, dass die Reihenfolge der Kreiswahlvorschläge sich nach
der Reihenfolge der entsprechenden Landeslisten richtet.
Kreiswahlvorschläge, denen – wie dem des Einspruchsfüh-
rers – keine Landesliste entspricht, schließen sich gemäß
§ 30 Absatz 3 Satz 4 BWG in alphabetischer Reihenfolge an.
Da in Hessen insgesamt zwölf Parteien mit Landeslisten zur
Wahl standen, konnte der Kreiswahlvorschlag des Ein-
spruchsführers erst – wie geschehen – in Zeile 13 anschlie-
ßen, auch wenn nur sechs der Parteien auch einen Wahlkreis-
kandidaten aufgestellt hatten. Eine andere Platzierung des
Einspruchsführers wäre unzulässig gewesen. Es war sowohl
ausgeschlossen, den Kreiswahlvorschlag in die siebte Zeile
neben die Landesliste der „Republikaner“, die keinen Kreis-
wahlvorschlag gemacht hatten, zu setzen, denn dann wäre
angesichts der Regelung des § 30 Absatz 3 Satz 3 BWG, wo-
nach die Reihenfolge der Kreiswahlvorschläge der der ent-
sprechenden Landeslisten folgt, der unzutreffende Eindruck
entstanden, es handele sich um einen Kreiswahlvorschlag
der „Republikaner“. Es wäre aber auch nicht zulässig gewe-
sen, den Kreiswahlvorschlag des Einspruchsführers in die
siebte Zeile zu setzen, die rechte – für Landeslisten vorgese-
hene – Spalte frei zu lassen und ab der achten Zeile die ver-
bleibenden sechs Landeslisten, beginnend mit den „Republi-
kanern“, folgen zu lassen. Denn aus § 30 Absatz 3 Satz 1
und 2 BWG folgt, dass die Landeslisten in einer durchgehen-
den Reihenfolge aufgeführt werden (vgl. zum Ganzen be-
reits Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 45). Der Kreis-

genüberstand, fand sich daher zutreffend an letzter Stelle auf
dem Stimmzettel.

Auch von einer Verletzung des Grundsatzes der gleichen
Wahl aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG)
ist nicht auszugehen. Abgesehen davon, dass sich die Plat-
zierung des Einspruchsführers auf dem Stimmzettel zwin-
gend aus gesetzlichen Vorgaben ergab und die Prüfung der
Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsnormen nach ständi-
ger Praxis des Wahlprüfungsausschusses und des Deutschen
Bundestages in Wahlprüfungsverfahren dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten wird (vgl. zuletzt Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5
und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24;
17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren
Nachweisen), sieht der Wahlprüfungsausschuss keinen An-
lass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 30 Ab-
satz 3 BWG, wie er bereits mehrfach festgestellt hat (vgl. zu-
letzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 45, 16/3600,
Anlage 34; 16/5700, Anlage 21). Denn aus der Platzierung
nach den Wahlvorschlägen von Parteien, die Landeslisten
eingereicht haben, folgt keine rechtsrelevante Beeinträchti-
gung der Wahlchancen von unabhängigen Kandidaten.

Die vom Einspruchsführer unter f) gerügte Gestaltung des
Stimmzettels ergibt sich aus § 30 Absatz 2 BWG in Verbin-
dung mit § 45 Absatz 1 der Bundeswahlordnung (BWO).
Der Wahlprüfungsausschuss teilt nicht die Auffassung des
Einspruchsführers, dass die Möglichkeit zur Abgabe beider
Stimmen auf einem Stimmzettel den Wähler zur Abgabe bei-
der Stimmen nötigt.

Auch die vom Einspruchsführer unter i) gerügte Anrechnung
der in den Wahlkreisen errungenen Sitze auf die Abgeordne-
tenzahl der jeweiligen Landesliste, die dazu führte, dass in
Hessen bei 15 von der CDU errungenen Direktmandaten kei-
ne Sitze aus der Landesliste der CDU besetzt wurden, ent-
spricht den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes (vgl. § 6 Ab-
satz 4 BWG).

Soweit der Einspruchsführer unter j) rügt, dass den Bürgern
„kein Beschwerderecht beim Bundeswahlausschuss“ zuste-
he, entspricht auch dies geltendem Wahlrecht. Denn der
Bundeswahlausschuss ist gemäß § 8 Absatz 1 BWG ein
Wahlorgan, aber keine allgemeine Wahlprüfungsinstanz.
Vielmehr besteht gemäß § 28 Absatz 2 BWG nur gegen die
Zurückweisung einer Landesliste durch den Landeswahlaus-
schuss die Möglichkeit einer Beschwerde an den Bundes-
wahlausschuss, wobei die Vertrauensperson der Landesliste
und der Landeswahlleiter beschwerdeberechtigt sind. Im
Übrigen ist die Prüfung der Gültigkeit der Wahl gemäß Arti-
kel 41 Absatz 1 Satz 1 GG Sache des Bundestages.

Auch dass, wie der Einspruchsführer unter k) bemängelt, ge-
gen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses vor der
Wahl kein Gericht angerufen werden kann, entspricht gelten-
dem Wahlrecht. Dessen Verfassungsmäßigkeit hat das Bun-
desverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestätigt
und zuletzt in einer Kammerentscheidung vom 1. September
2009 (BVerfG, 2 BvR 1928/09) ausgeführt: „Entscheidun-
gen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlver-
fahren beziehen, [können] nur mit den in den Wahlvorschrif-
ten vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsver-
wahlvorschlag des Einspruchsführers, dem als einzigem
Kreiswahlvorschlag im Wahlkreis 184 keine Landesliste ge-

fahren angefochten werden (vgl. BVerfGE 74, 96 <101>; 83,
156 <158>). Für die Wahlen zum Deutschen Bundestag

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 133 – Drucksache 17/6300

sehen Artikel 41 GG in Verbindung mit § 48 des Bundesver-
fassungsgerichtsgesetzes, § 49 BWG und das Wahlprüfungs-
gesetz insoweit die ausschließlich statthaften Rechtsbehelfe
vor. Die Wahl im großräumigen Flächenstaat erfordert eine
Fülle von Einzelentscheidungen zahlreicher Wahlorgane
(vgl. BVerfGE 14, 154 <155>). Der reibungslose Ablauf
einer Parlamentswahl kann nur gewährleistet werden, wenn
die Rechtskontrolle der zahlreichen Einzelentscheidungen
der Wahlorgane während des Wahlverfahrens begrenzt und
im Übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprü-
fungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 16, 128
<129 f.>). Wären alle Entscheidungen, die sich unmittelbar
auf die Vorbereitung und Durchführung der Wahl zum Deut-
schen Bundestag beziehen, vor dem Wahltermin mit Rechts-
mitteln angreifbar, käme es in dem Wahlorganisationsver-
fahren, das durch das ebenenübergreifende Zusammenspiel
der einzelnen Wahlorgane mit zahlreichen zu beachtenden
Terminen und Fristen geprägt ist, zu erheblichen Beeinträch-
tigungen.“

Die Rüge des Einspruchsführers unter n), dass Direktkandi-

der ein Sonntag oder gesetzlicher Feiertag sein muss. Damit
besteht nicht die Möglichkeit – und erst recht nicht die
Pflicht – der Bestimmung von zwei aufeinanderfolgenden
Tagen als Wahltage.

2. Die übrigen vom Einspruchsführer erhobenen Vorwürfe
lassen ebenfalls keinen Wahlfehler erkennen, denn sie ent-
halten keinen konkreten und überprüfbaren Tatsachenvor-
trag zu möglichen Verstößen gegen wahlrechtliche Vor-
schriften.

Soweit der Einspruchsführer ohne weitere Begründung be-
mängelt, dass kurz nach Schließung der Wahllokale schon
das Ergebnis festgestanden habe (unter o), ist nicht ersicht-
lich, welchen Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften er
damit geltend machen möchte. Auch seinen Vorwürfen, die
Bundestagswahl diene lediglich der Legitimation der Macht
der etablierten Parteien (unter a) und der Bundeswahlaus-
schuss habe „menschenverachtende und deutschlandfeindli-
che Polit-Organisationen“, er nennt u. a. CDU, SPD, FDP,
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zur Wahl zuge-
daten einer Partei auch dann antreten dürften, wenn die Par-
tei nicht als solche vom Bundeswahlausschuss anerkannt
worden sei, greift ebenfalls nicht durch. Denn es trifft nicht
zu, dass eine Vereinigung, die nicht vom Bundeswahlaus-
schuss für die Wahl als Partei anerkannt worden ist, als Partei
einen eigenen Kreiswahlvorschlag vorlegen kann. Hierfür ist
– ebenso wie für einen Landeslistenvorschlag – Vorausset-
zung, dass der Bundeswahlausschuss die Parteieigenschaft
festgestellt hat, § 18 Absatz 2 Satz 1 BWG. Selbstverständ-
lich ist es jedoch wahlrechtlich möglich, dass ein Mitglied
einer nicht vom Bundeswahlausschuss als Partei anerkann-
ten Vereinigung mit einem „anderen Kreiswahlvorschlag“
gemäß § 20 Absatz 3 BWG als sogenannter Einzelbewerber
kandidiert.

Auch die vom Einspruchsführer gerügte Tatsache, dass nicht
die Möglichkeit bestanden habe, an zwei Tagen zu wählen,
entspricht geltendem Recht. Denn nach dem klaren Wortlaut
von § 16 BWG bestimmt der Bundespräsident den Wahltag,

lassen (unter r) ist weder inhaltlich nachvollziehbar, noch
lässt sich kein konkreter Verstoß gegen wahlrechtliche Vor-
schriften entnehmen.

Soweit der Einspruchsführer das Verhalten von Medien (un-
ter g, h und l) sowie von Gewerkschaften (unter m) und Be-
triebsräten (unter q) kritisiert, ist ein Wahlfehler schon des-
halb ausgeschlossen, weil nach ständiger Praxis des Wahl-
prüfungsausschusses und nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts Wahlfehler in erster Linie
den amtlichen Wahlorganen gemäß § 8 BWG unterlaufen
können. Dritte können Wahlfehler nur insoweit begehen, als
sie unter Bindung an wahlgesetzliche Anforderungen kraft
Gesetzes Aufgaben bei der Organisation der Wahl erfüllen
(vgl. Bundestagsdrucksachen 14/2761, Anlagen 24 und 27;
16/3600, Anlage 18; 17/1000, Anlagen 3, 15 und 22;
17/2250, Anlagen 7 und 19; BVerfGE 89, 243, 251). Dies ist
jedoch weder bei der Presse noch bei Gewerkschaften und
Betriebsräten der Fall.

3. Es fehle im BGBl. die Bekanntgabe der Karte der Wahl-
von ihm genannten Gründe für die Anfechtung der Wahl fin-
det eine Grundlage im geltenden Bundestagswahlrecht.
vorstands und der Anzahl der eingetragenen Mitglieder.

6. Für das Kennenlernen der Kandidaten fehlten wichtige

men. Daher müssen auch nicht, wie vom Einspruchsführer
(unter 3.) gefordert, eine Karte der Wahlkreise, die Namen
der Wahlkreiskandidaten sowie die Mitglieder des Bundes-
kreise, der Wahlkreiskandidaten der Parteien und der Mit-
glieder des Bundeswahlausschusses.

4. Es fehle die „Strukturierung der Wahlberechtigten in
männliche und weibliche Wahlberechtigte für jeden Wahlbe-
zirk und jeden Wahlkreis“. Dies sei besser für die Transpa-
renz der demographischen Entwicklung und für eine Benen-
nung von männlichen und weiblichen Kandidaten.

5. Auf einer Sitzung des Bundeswahlausschusses seien Ver-
einigungen als Parteien zugelassen worden. In diesem Ver-
fahren seien die „Vereinssatzungen“ nicht geprüft worden.
Vereinigungen seien ohne eine Prüfung der Finanzierung
und Nachweis von Bankkonten als Parteien anerkannt wor-
den. Auf der Liste der anerkannten Parteien fänden sich
mehrere Parteien ohne Angabe ihrer Geschäftsstelle oder
einer ladungsfähigen Anschrift, der Mitglieder des Partei-

Den Ausführungen des Einspruchsführers über den Bundes-
wahlleiter (unter 1.) lässt sich die Geltendmachung eines
Wahlfehlers nicht entnehmen. Der Bundeswahlleiter wird
gemäß § 9 Absatz 1 BWG vom Bundesministerium des In-
nern ernannt; durch das BWG und die Bundeswahlordnung
(BWO) sind ihm verschiedene Aufgaben bei der Vorberei-
tung und Durchführung der Wahl übertragen. Einen Verstoß
gegen diese Vorschriften macht der Einspruchsführer nicht
geltend.

Soweit der Einspruchsführer vorträgt, laut Grundgesetz
müssten „Verordnungen, Durchführungsbestimmungen und
personelle Angelegenheiten“, die das BWG beträfen, im
BGBl. I bekannt gemacht werden (unter 2.), irrt er. Eine der-
artige Vorschrift lässt sich dem Grundgesetz nicht entneh-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 135 – Drucksache 17/6300

Anlage 41

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. B., 61440 Oberursel
– Az.: WP 153/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 23. November 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 25. November 2009 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, die Vorbereitung
der Wahl sei „verfassungswidrig“, die Durchführung „ge-
setzwidrig“ und die Feststellung und Bekanntgabe des Wah-
lergebnisses ebenfalls „verfassungswidrig“ gewesen.

Er trägt folgende Punkte zur Begründung vor:

1. Der Bundeswahlleiter sei nicht rechtsfähig, nicht frei und
nicht unabhängig. Er sei nicht Urkundsbeamter, führe kein
Dienstsiegel und dürfe kein zweites Amt ausüben.

2. Verordnungen, Durchführungsbestimmungen und perso-
nelle Angelegenheiten, die das Bundeswahlgesetz (BWG)
beträfen, müssten gemäß dem Grundgesetz (GG) im Bun-
desgesetzblatt (BGBl.) I bekannt gemacht werden, nicht im
Bundesanzeiger.

in die Partei, Wechsel der Partei, Präsenz im Kreistag, Land-
tag, Bundestag.

7. Nach der Nominierung hätten die Kandidaten etwa zwei
Monate Zeit, sich „gesetzesgemäß“ in ihrem Wahlkreis den
Wahlberechtigten zu stellen. Im Rhein-Main-Gebiet habe je-
der nominierte Kandidat nur eine Veranstaltung in jedem
Wahlkreis durchgeführt. Es sei von den Parteien auf das In-
ternet verwiesen worden. Dies sei jedoch wegen der Ver-
sammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit verfassungs-
widrig.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß ge-
gen Vorschriften für die Vorbereitung und Durchführung der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag erkennen. Keiner der
Daten, nämlich Religionsgemeinschaft, Staatsangehörigkeit
der Eltern, Vorstrafen, Ableistung des Wehrdienstes, Eintritt

wahlausschusses im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wer-
den.

Drucksache 17/6300 – 136 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ebenso wenig gibt es eine wahlrechtliche Vorschrift, die eine
„Strukturierung der Wahlberechtigten in männliche und
weibliche Wahlberechtigte“ für jeden Wahlbezirk und jeden
Wahlkreis vorsieht (unter 4.).

Auch die Rüge bezüglich des Verfahrens zur Anerkennung
politischer Vereinigungen als Parteien (unter 5.) greift nicht
durch. Die vom Einspruchsführer geforderten Prüfungen
und Angaben sind wahlrechtlich nicht vorgeschrieben. So
setzt die Feststellung des Bundeswahlausschusses gemäß
§ 19 Absatz 4 Nummer 2 BWG, welche Vereinigungen, die
ihre Beteiligung an der Wahl angezeigt haben, für die Wahl
als Parteien anzuerkennen sind, weder eine allgemeine Prü-
fung der Satzung noch der Finanzen und Konten der Verei-
nigungen voraus. Maßstab der Prüfung ist vielmehr der Par-
teienbegriff gemäß § 2 des Parteiengesetzes. Danach sind
Parteien Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für
längere Zeit im Bereich des Bundes oder eines Landes auf
die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der
Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem
Landtag mitwirken wollen. Voraussetzung ist ferner, dass
diese Vereinigungen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen
Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer

Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem
Auftreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für
die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten, auf die politi-
sche Willensbildung Einfluss zu nehmen (vgl. Bundestags-
drucksachen 17/3100, Anlagen 5 und 18, 17/4600, Anlagen 7,
14, 21, 26, 30 und 44).

Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses über die
Feststellung der Parteieigenschaft ist gemäß § 33 Absatz 3
BWO öffentlich bekannt zu machen. Die vom Einspruchs-
führer geforderten Angaben zu Geschäftsstellen, Parteivor-
ständen und Mitgliedern sind in diesem Zusammenhang je-
doch nicht erforderlich.

Auch die Veröffentlichung der vom Einspruchsführer
(unter 6.) gewünschten Angaben über die Wahlbewerber ist
in keiner wahlrechtlichen Regelung vorgeschrieben. Eben-
sowenig existieren wahlrechtliche Vorgaben für die Vorstel-
lung der Bewerber in den Wahlkreisen; auch ist nicht ersicht-
lich, wodurch ein möglicher Hinweis der Parteien auf eine
Darstellung im Internet gegen die Versammlungs- und Mei-
nungsfreiheit verstoßen soll, wie der Einspruchsführer meint
(unter 7.).

Bei Betreten des Gebäudes habe sie bemerkt, dass sich geöff-
nete Wahlurnen in verschiedenen Räumen des Gebäudes be-

bekannt gewesen. Dadurch habe die Einspruchsführerin so-
wie eine „fiktive Öffentlichkeit“ etwa 25 Minuten lang kei-
raufhin gebeten, die Zehnerhaufen noch einmal aufzudecken
und nachzuzählen. Dies hätten die meisten Mitglieder des
Wahlvorstandes dann auch getan. Als dem Wahlvorsteher

Die Behauptung der Einspruchsführerin, es habe eine Diffe-
renz zwischen dem Wählerverzeichnis und den Stimmzet-
funden hätten. Im Wahlraum selbst sei der Wahlvorstand mit
dem Auszählen der Bundestagswahl beschäftigt gewesen.
Weil offenbar die abgegebenen Stimmen nicht mit dem
Wählerverzeichnis übereinstimmten, sei ein Mitglied des
Wahlvorstandes in einen Nebenraum geschickt worden, um
dort nachzuzählen. Im Wahllokal habe es „keine richtige
Ordnung“ und „kein System“ auf dem Tisch für die Stim-
menauszählung gegeben. Die Stimmen für manche Parteien
seien an verschiedenen Stellen auf dem Tisch in Zehnerhau-
fen abgelegt und erst zum Schluss zusammengeführt wor-
den, manche Stapel seien mit Stimmzetteln mit für andere
Parteien abgegebene Stimmen verdeckt worden. Nicht alle
Stapel seien noch einmal „nach dem Vieraugenprinzip“ ein-
zeln aufgedeckt und nachgezählt worden. Vielmehr seien bei
manchen nur die Zehnerhaufen gezählt worden. Sie habe da-

nen Zutritt zum Wahlraum gehabt. Der Wahlvorstand habe
dies nicht bemerkt. Die vorübergehende Aussperrung der
Einspruchsführerin sei bedauerlich, eine wahlrelevante Be-
einträchtigung des Öffentlichkeitsprinzips liege jedoch nicht
vor.

Zum Ablauf der Ergebnisermittlung habe die Wahlleiterin
für die Stadt Luckenwalde erläutert, dass, da während des
Wahlvorgangs festgestellt worden sei, dass Stimmzettel in
die falsche Wahlurne gelangt seien, der Wahlvorstand zu Be-
ginn der Auszählung alle drei für die verschiedenen Wahlen
eingesetzten Wahlurnen geöffnet habe, um falsch eingewor-
fene Stimmzettel richtig zuordnen zu können. Die Stimmzet-
tel für die Landtags- und Bürgermeisterwahl seien während
der Auszählung der Bundestagswahl unter Aufsicht im
Wahlraum bzw. einem Nebenraum gelagert worden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137 – Drucksache 17/6300

Anlage 42

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau B. R.-R., 14943 Luckenwalde
– Az.: WP 159/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 26. November 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 27. November 2009 eingegangen ist, hat die
Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Die Einspruchsführerin beanstandet einen Verstoß gegen den
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl (1.) und ist der Auf-
fassung, dass die Ergebnisermittlung in einem Stimmbezirk
nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend durchge-
führt und möglicherweise manipuliert worden sei (2.).

Im Wesentlichen trägt sie vor, sie habe am Wahltag ab 18 Uhr
in einem Wahllokal in Luckenwalde, das in einer Kinderta-
gesstätte untergebracht gewesen sei, an der Auszählung der
Stimmen teilnehmen wollen, habe die Tür aber nicht öffnen
können, auch nicht „über die Kindersicherung“. Die Stadt-
wahlleiterin, an die sich die Einspruchsführerin schließlich
gewandt habe, habe gegen 18.25 Uhr den Zutritt zum Wahl-
lokal ermöglicht.

einmal einzeln nachgezählt worden und es habe sich heraus-
gestellt, dass bei einer Partei vierzig Stimmen zu wenig ge-
zählt worden seien. Die Einspruchsführerin bedauert, dass
sie nicht eine sofortige Überprüfung des Wahlergebnisses
verlangen konnte. Sie ist der Ansicht, dass beim Wahlleiter
eine „Reservezählgruppe“ zur Überprüfung eventueller
Mängel bestehen sollte, damit verhindert werde, dass dort
die von den Wahlvorständen abgelieferten Pakete mit den
Stimmzetteln „stimmend“ gemacht würden. Insgesamt
meint sie, sechs Möglichkeiten zur Manipulation des Wahl-
ergebnisses durch die Wahlorgane identifiziert zu haben.

Zu diesem Einspruch hat der Landeswahlleiter des Landes
Brandenburg im Wesentlichen wie folgt Stellung genom-
men:

Es treffe zu, dass die Einspruchsführerin nicht sofort in das
in einer Kindertagesstätte untergebrachte Wahllokal habe ge-
langen können. Die Tür sei zwar nicht abgeschlossen, jedoch
durch eine Kindersicherung verschlossen gewesen. Zum
Öffnen sei erforderlich gewesen, die Türklinke nach oben zu
drücken, dies sei der Einspruchsführerin aber offenbar nicht
anschließend die Ergebnisse angesagt worden seien, hätten
vierzig Stimmen gefehlt. Daraufhin seien alle Stapel noch

teln bestanden, treffe hinsichtlich der Bundestagswahl nicht
zu. Es hätten 594 gezählte Stimmzettel vorgelegen. Im Wäh-

Drucksache 17/6300 – 138 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

lerverzeichnis seien 593 Stimmabgabevermerke sowie eine
Wahl mit Wahlschein, also insgesamt 594 Eintragungen, ver-
zeichnet gewesen und in der Wahlniederschrift protokolliert
worden.

Zu den Vorwürfen der Einspruchsführerin hinsichtlich mög-
licher Fehler bei der Stimmenauszählung habe die Stadt-
wahlleiterin mitgeteilt, dass sie jeder Grundlage entbehrten.
Es könne Auffassungssache sein, auf welche Art und Weise
der Wahlvorstand das Wahlergebnis feststelle, jedenfalls sei
die Feststellung im Ergebnis richtig erfolgt und auch in der
Niederschrift dokumentiert. Es sei nicht ungewöhnlich, dass
beim Prozess zur Feststellung des Wahlergebnisses im Wahl-
lokal Zählfehler aufträten. Entscheidend sei deshalb, dass im
Rahmen einer Kontrolle derartige Fehler aufgedeckt und be-
richtigt würden. Dies sei im vorliegenden Fall nach Schilde-
rung der Beschwerdeführerin durch den Wahlvorstand ge-
währleistet worden. Daher sei ein Verstoß gegen wahlrele-
vante Vorschriften nicht feststellbar. Das Verfahren habe den
Vorschriften entsprochen, nach denen das Vorsortieren der
Stimmzettel den Beisitzern obliege, die Kontrolle jedoch
dem Wahlvorsteher bzw. seinem Stellvertreter.

Die Stellungnahme ist der Einspruchsführerin bekannt gege-
ben worden. Sie hat sich hierzu nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten, insbe-
sondere hinsichtlich der im Land Brandenburg zeitgleich
durchgeführten Landtags- und Bürgermeisterwahlen, wird
auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Ein die Gültig-
keit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag berührender
Wahlfehler liegt nicht vor.

1. Soweit die Einspruchsführerin moniert, dass sie den Ein-
gang der Kindertagesstätte, in der das Wahllokal unterge-
bracht war, alleine nicht habe öffnen können, lässt sich aller-
dings ein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften nicht
mit hinreichender Sicherheit ausschließen. Gemäß dem in
§ 31 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes, § 54 der Bundeswahl-
ordnung (BWO) verankerten Grundsatz der Öffentlichkeit
der Wahl hat während der Wahlhandlung sowie der Ermitt-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses jedermann zum
Wahlraum Zutritt, soweit dies ohne Störung des Wahlge-
schäfts möglich ist. Die Öffentlichkeit der Wahl ist Grund-
voraussetzung für eine demokratische politische Willensbil-
dung, denn sie sichert die Ordnungsgemäßheit und Nach-
vollziehbarkeit der Wahlvorgänge und schafft damit eine
wesentliche Voraussetzung für begründetes Vertrauen der
Bürger in den korrekten Ablauf der Wahl (vgl. Bundestags-
drucksache 17/4600, Anlage 28 mit weiteren Nachweisen;
BVerfGE 123, 39, 58 ff.). Es ist daher nicht zulässig, den
Eingang zu einem Wahllokal während der Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses zu verschließen (vgl. hier-
zu Bundestagsdrucksache 17/4600, Anlage 28). Der Wahl-
prüfungsausschuss geht vorliegend zwar davon aus, dass der
– unwidersprochen gebliebene – Vortrag des Landeswahllei-
ters zutrifft, wonach der Eingang der Kindertagesstätte un-
verschlossen war, allerdings eine Kindersicherung durch
Hochdrücken der Türklinke überwunden werden musste.

einer verschlossenen Tür gleichkommen. Ob dies hier der
Fall war, kann der Wahlprüfungsausschuss auf der Grund-
lage der ihm vorliegenden Informationen nicht abschließend
beurteilen. Letztlich kommt es darauf im Rahmen der Wahl-
prüfung auch nicht an, denn selbst wenn ein Wahlfehler
vorläge, könnte dieser dem Einspruch nicht zum Erfolg ver-
helfen. Denn nach ständiger Praxis des Wahlprüfungsaus-
schusses und ständiger Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts können nur solche Wahlfehler die Gültigkeit
der Wahl beeinträchtigen, die auf die Verteilung der Mandate
im Deutschen Bundestag von Einfluss sind oder sein können
(vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/3100, Anlagen 7, 8,
10, 17 und 21; 17/4600, Anlagen 27 und 28 mit weiteren
Nachweisen; BVerfGE 89, 243, 254). Dafür, dass in der Zeit,
in der die Einspruchsführerin keinen Zugang zu dem Wahl-
raum hatte, das Wahlergebnis falsch ermittelt oder manipu-
liert worden wäre, liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor.
Ein Einfluss auf die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag
kann daher nicht angenommen werden. Dennoch unter-
streicht der Wahlprüfungsausschuss in diesem Zusammen-
hang, dass Wahlvorstände auch während der Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses darauf zu achten haben,
dass der Wahlraum für die Öffentlichkeit ohne unnötige Er-
schwernis zugänglich ist.

2. Der Schilderung des Ablaufs der Ergebnisermittlung
durch die Einspruchsführerin lässt sich kein Verstoß gegen
das Bundestagswahlrecht entnehmen.

a) In der Tatsache, dass die Urnen mit den Stimmzetteln für
die Landtags- und Bürgermeisterwahlen zeitgleich mit der
Urne für die Bundestagswahl geöffnet wurden, liegt kein
Verstoß gegen die für die Bundestagswahl geltenden Rechts-
vorschriften. Anhaltspunkte dafür, dass die sich farblich un-
terscheidenden Stimmzettel bei der Auszählung vermischt
worden wären, bestehen nicht und wurden auch nicht vorge-
tragen.

b) Soweit die Einspruchsführerin meint, dass die Anzahl der
Stimmzettel und der Wahlvermerke im Wählerverzeichnis
nicht übereingestimmt habe, hat der Landeswahlleiter un-
widersprochen und überzeugend dargelegt, dass dies bei der
– hier allein prüfgegenständlichen – Bundestagswahl nicht
der Fall war.

c) Auch die Darstellung des Ablaufs der Zählung der Stim-
men lässt keinen Verstoß gegen die hierfür einschlägigen
wahlrechtlichen Vorschriften erkennen. Anders als die Stadt-
wahlleiterin laut Landeswahlleiter vorgetragen hat, ist es
zwar nicht ausschließlich „Auffassungssache“, auf welche
Art und Weise der Wahlvorstand das Wahlergebnis feststellt.
Vielmehr macht die Bundeswahlordnung in § 69 hierfür aus-
führliche Vorgaben, die vom Wahlvorstand einzuhalten sind.
Die Einspruchsführerin hat jedoch nicht schlüssig vorgetra-
gen, dass diese Vorgaben verletzt worden wären. Insbeson-
dere ist die in § 69 Absatz 4 BWO vorgesehene zweimalige
Zählung der Stimmzettelstapel nach ihrem eigenen Vortrag
durchaus erfolgt. Ein erneutes Aufdecken der einzelnen
Stimmzettel zur Überprüfung der Stimmabgabe ist von der
BWO an dieser Stelle nicht vorgeschrieben, da die Stimm-
zettel bereits zuvor gemäß § 69 Absatz 2 und 3 BWO geprüft
werden. Dennoch haben Mitglieder des Wahlvorstandes auf
Wunsch der Einspruchsführerin Stimmzettelstapel sogar er-
Eine derartig gesicherte Tür kann aber, wenn für die Öffent-
lichkeit nicht erkennbar ist, wie sie zu öffnen ist, durchaus

neut überprüft und nachgezählt. Ein Zählfehler wurde, wie
die Einspruchsführerin ebenfalls selbst mitteilt, vom Wahl-

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/6300
Wahlperiode – 139 – D

vorstand vor Feststellung des Wahlergebnisses entdeckt und
durch eine Nachzählung behoben. Für die von der Ein-
spruchsführerin behauptete Manipulation der Stimmzettel-
stapel durch Mitglieder des Wahlvorstands fehlt jeglicher
Beleg. Gleiches gilt für weitere von ihr genannte Manipula-
tionsmöglichkeiten. Insbesondere hat die Einspruchsführe-
rin nicht einmal behauptet, dass das festgestellte Wahlergeb-
nis in dem von ihr beobachteten Stimmbezirk besondere
Auffälligkeiten gezeigt hätte. Zu weitergehenden Nachfor-
schungen durch den Wahlprüfungsausschuss bestand daher
kein Anlass. Denn die Wahlprüfung erfolgt weder von Amts
wegen, noch findet sie stets in Gestalt einer Durchprüfung
der gesamten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des
Wahlprüfungsgesetzes erfolgt sie vielmehr nur auf Ein-
spruch, der zu begründen ist. Die Begründung muss mindes-
tens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird,
erkennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen für
eine Nachprüfung enthalten (BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271,
276; 85, 148, 159 f.; 89, 291, 304 f.). Wahlbeanstandungen,
die, wie hier, über unbelegte Vermutungen oder die bloße
Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinaus-
gehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen
Tatsachenvortrag nicht enthalten, sind deshalb als unsubs-
tantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksa-
chen 17/3100, Anlagen 3, 4, 38 und 39; 17/4600, Anlagen 9,
18, 19, 22 bis 24, 34, 35 und 39, jeweils mit weiteren Nach-
weisen; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49
Rn. 24).

Reihe nach abgestimmt worden sei. Deshalb sei sie „grob
fehlerhaft“. Der Letzte der genannten vier Bewerber habe

Nach § 27 Absatz 5 i. V. m. § 21 Absatz 5 BWG bleibe die
Regelung der Einzelheiten des Verfahrens der Wahl der Be-
werber der Satzung der Parteien vorbehalten. Sofern die ein-
satz 5 BWG und § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO unvereinbar,
nämlich dass die Festlegung der Reihenfolge der Bewerber
auf der Landesliste in geheimer Abstimmung erfolge. Dies

in Verbindung mit § 21 Absatz 3 Satz 2 BWG für jeden Lis-
tenplatz einen eigenen Wahlvorschlag unterbreiten könne
und jedem Bewerber gemäß § 27 Absatz 5 in Verbindung mit
mit 164 Ja-Stimmen das beste Wahlergebnis erhalten, sei je-
doch auf dem letzten Platz eingereiht worden. Umgekehrt
habe die Listenführerin mit 105 Ja-Stimmen das schlechteste
Wahlergebnis unter den aufgeführten Bewerbern erhalten,
habe aber den besten Listenplatz erlangt. Die beiden anderen
Listenbewerber seien zwar, soweit ersichtlich, in der Rei-
hung, die dem Gewicht der erreichten Stimmen entsprochen
habe, richtig eingeordnet worden. Er könne dies jedoch nicht
abschließend beurteilen, da offenbar über mehr als die vier in
der Pressemitteilung genannten Listenplätze entschieden
worden sei. Es könne jedenfalls nicht sein, dass schon auf
den ersten vier Listenplätzen der Bewerber mit dem schlech-
testen Ergebnis den besten Platz erhalte und der Bewerber
mit dem besten Ergebnis auf dem schlechtesten Platz einge-
ordnet werde. Dies sei mit den Anforderungen von § 27 Ab-

schlägige Parteisatzung es zulasse, könne die Wahl der Lan-
deslistenbewerber daher entweder in gesonderten Wahlgän-
gen für jeden Einzelplatz – sogenannte Einzelwahl – oder
durch gleichzeitige Abstimmung über mehrere Kandidatu-
ren in einem einzigen Wahlgang für alle Positionen oder in
mehreren Wahlgängen für bestimmte zusammengefasste
Listenplätze – sogenannte Blockwahl oder Sammelwahl –
erfolgen. Auch eine Kombination von Einzel- und Sammel-
wahl für bestimmte Listenplätze werde allgemein für zuläs-
sig gehalten.

Bei Einzelabstimmungen werde der Einfluss der Wähler auf
die Reihenfolge der Listenbewerber nicht zurückgedrängt.
Dieser werde vielmehr dadurch gewahrt, dass jeder stimm-
berechtigte Versammlungsteilnehmer gemäß § 27 Absatz 5
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141 – Drucksache 17/6300

Anlage 43

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn L. B., 64859 Eppertshausen
– Az.: WP 160/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 17. November 2009, das beim Deutschen
Bundestag am 27. November 2009 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die Landesliste
Hessen der Partei DIE LINKE., die seiner Ansicht nach nicht
den Anforderungen des Bundeswahlgesetzes (BWG) und
der Bundeswahlordnung (BWO) entsprechend aufgestellt
worden und daher ungültig sei.

Der Einspruchsführer verweist auf eine Pressemitteilung der
Partei DIE LINKE., Landesverband Hessen, vom 25. April
2009 über die Wahl der ersten vier Bewerber der Landesliste
Hessen und moniert, dass die Wahl nicht in Sammel-, son-
dern in Einzelabstimmung erfolgt sei, bei der über die Rei-
henfolge der Bewerber nicht im Schutz der geheimen Wahl
abgestimmt worden sei. Die Reihenfolge habe vielmehr von
vornherein festgestanden, weil über jeden Listenplatz der

der in geheimer Wahl abgegebenen Ja-Stimmen ergebe. Es
bedürfe keiner umständlichen Beweisführung, dass bei einer
ergebnisoffenen Sammelabstimmung derjenigen Bewerber,
der die meisten Stimmen erhalte, auch auf den besten Listen-
platz gelangen und derjenige Bewerber mit dem schlechtes-
ten Wahlergebnis, auch den schlechtesten Listenplatz erhal-
ten müsse. Bei der Einzelabstimmung sei das nicht der Fall.
Denn hier sei die Reihung durch das Abstimmungsverfahren
vorgegeben und deshalb gerade nicht das Ergebnis einer
geheimen Abstimmung. Es könne daher bei einer Einzelab-
stimmung keine Rede davon sein, dass die Festlegung der
Reihenfolge in geheimer Abstimmung erfolgt sei, wie Wahl-
gesetz und Wahlordnung das zwingend anordneten.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass der Landes-
bzw. der Bundeswahlleiter hätte einschreiten und eine Besei-
tigung der Mängel durch Wahlwiederholung im Wege der
Sammelwahl anordnen müssen.

Zu diesem Wahleinspruch hat der Bundeswahlleiter wie
folgt Stellung genommen:
könne nur in einer ergebnisoffenen Sammelabstimmung er-
reicht werden, bei der sich die Reihung allein aus der Zahl

§ 21 Absatz 3 Satz 3 BWG Gelegenheit zu geben sei, sich
und sein Programm der Versammlung in angemessener Zeit

Drucksache 17/6300 – 142 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

vorzustellen. Dadurch sei es auch unbedenklich, dass es vor-
kommen könne, dass ein weiter hinten Platzierter mehr Stim-
men erhalten habe, als ein weiter vorne Platzierter. Denn je-
dem Versammlungsteilnehmer hätte es frei gestanden, den
weiter hinten Platzierten für einen weiter vorne stehenden
Listenplatz vorzuschlagen. Solange jeder Versammlungsteil-
nehmer einen der weiter hinten benannten Bewerber bei der
Einzelabstimmung über einen weiter vorn stehenden Listen-
platz oder umgekehrt ohne weiteres vorschlagen und damit
eine Abstimmung über die Reihenfolge erzwingen könne,
sei die Reihenfolge durch die Abfolge des Aufrufens der
Wahlvorschläge durch den Wahlvorstand nicht unabänder-
lich vorgegeben und damit der Kernbestand einer demokra-
tischen Wahl sichergestellt. Allein die Kenntnis der Platzie-
rung der einzelnen Bewerber bei einer Einzelwahl verstoße
auch nicht gegen den Grundsatz der geheimen Wahl, solange
der Wahlvorgang als solcher geheim durchgeführt werde.

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu geäußert und sie zurückge-
wiesen. Er führt aus, dass, wenn der Gesetzgeber gewollt
hätte, dass die politischen Parteien in ihren Satzungen frei
bestimmen könnten, ob sie bei Aufstellungsversammlungen
austauschbar die Sammel- oder die Einzelwahl oder sogar
eine Kombination von beidem anwenden wollten, er das in
§ 21 Absatz 3 BWG und § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO
auch zum Ausdruck gebracht hätte. Dies habe er aber gerade
nicht getan, sondern betone in § 39 Absatz 4 Ziffer 3 BWO,
dass die Festlegung der Reihenfolge der Bewerber in der
Landesliste in geheimer Wahl zu erfolgen habe. Er verlange
sogar vom Versammlungsleiter und zwei weiteren von der
Versammlung zu bestimmenden Personen, an Eides Statt zu
versichern, dass nicht nur über die Person der Wahlbewerber,
sondern ausdrücklich auch über die Reihenfolge in geheimer
Wahl entschieden worden sei. Es sei kein Geheimnis, dass in
der Praxis in vielen Fällen zwar über die Person des Wahlbe-
werbers, nicht aber auch über die Reihenfolge in geheimer
Wahl entschieden werde. Dies werde im Schrifttum von
Schreiber (Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 27
Rn. 21) sogar gebilligt; allerdings finde sich auch Wider-
spruch (Hettlage, in: Bayerische Verwaltungsblätter, 2/2010,
S. 33 ff.).

Außerdem leugne der Bundeswahlleiter die allgemeine Le-
benserfahrung, wenn er behaupte, es könnten alle Bewerber
frei von Druck für den gleichen Listenplatz kandidieren.
Dies sei beispielsweise dann nicht der Fall, wenn der Partei-
vorsitzende eines Landesverbandes für den Listenplatz
Nummer 1 kandidiere. Außerdem sei der Bundeswahlleiter
den Beweis für seine Behauptung, Einzel- und Sammelab-
stimmung oder auch eine Kombination von beidem stünden
gleichwertig und austauschbar nebeneinander, schuldig ge-
blieben. Diese Behauptung sei auch nicht richtig.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Es liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften da-

Denn weder das Bundeswahlgesetz noch die Bundeswahl-
ordnung enthalten nähere Regelungen zum Abstimmungs-
verfahren bei der Aufstellung von Landeslisten. Insbesonde-
re ist keineswegs, wie der Einspruchsführer offenbar an-
nimmt, ein Sammelwahlverfahren vorgeschrieben. Es findet
sich lediglich in § 27 Absatz 5 BWG und § 39 Absatz 4
Nummer 3 BWO der Hinweis, dass die mit dem Wahlvor-
schlag einzureichende Niederschrift über die Aufstellungs-
versammlung eine Versicherung an Eides statt zu enthalten
hat, die sich auch darauf erstrecken muss, dass die Festle-
gung der Reihenfolge der Bewerber in der Landesliste in ge-
heimer Abstimmung erfolgt ist. Diese Vorschrift wurde mit
dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom
24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) in das BWG eingefügt,
wobei zugleich die Regelung, dass bei Fehlen einer erkenn-
baren Reihenfolge die alphabetische Reihenfolge der Fami-
liennamen und bei gleichen Familiennamen die der Ruf-
namen gilt (vgl. § 28 Absatz 3 BWG alte Fassung), gestri-
chen wurde. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt,
war Ziel dieser Änderung, dass auch die Angabe der Bewer-
berreihenfolge von einem Parteiversammlungsbeschluss ge-
tragen wird, da die Reihenfolge der Bewerber darüber ent-
scheidet, wer in das Parlament gewählt wird (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 7/2873, S. 40). Eine konkrete Regelung des
Abstimmungsverfahrens wurde damit vom Gesetzgeber hin-
gegen offensichtlich nicht bezweckt.

Vielmehr sieht § 21 Absatz 5 BWG, der gemäß § 27 Absatz 5
BWG auch für die Listenwahl gilt, explizit vor, dass die Par-
teien das Nähere über das Verfahren für die Wahl der Bewer-
ber durch ihre Satzungen regeln.

Dabei ergibt sich aus der Anlage 23 zu § 39 Absatz 4 Num-
mer 3 BWO ausdrücklich, dass sowohl Einzelabstimmungen
als auch Sammelabstimmungen wahlrechtlich zulässig sind.
Denn nach dem in dieser Anlage enthaltenen Muster der Nie-
derschrift über die Versammlung zur Aufstellung der Bewer-
ber für die Landesliste ist unter anderem anzugeben, über
welche Bewerber einzeln und über welche gemeinsam abge-
stimmt worden ist. Damit werden sowohl die Einzelabstim-
mung als auch die Sammelabstimmung oder eine Kombina-
tion von beidem als Möglichkeiten der Wahl der Bewerber
und der Festlegung ihrer Reihenfolge anerkannt (vgl. Bun-
destagsdrucksache 16/3600, Anlage 5; Schreiber, Kommen-
tar zum Bundeswahlgesetz, 8. Auflage, 2009, § 27 Rn. 21).

Abgesehen davon vermögen die vom Einspruchsführer vor-
getragenen Bedenken auch in der Sache nicht zu überzeugen.
Bei der Einzelabstimmung wird keineswegs der Einfluss der
Wähler auf die Reihenfolge der Listenbewerber zurückge-
drängt. Dieser wird, wie der Bundeswahlleiter zutreffend
ausführt, vielmehr dadurch gewahrt, dass jeder stimmbe-
rechtigte Versammlungsteilnehmer gemäß § 21 Absatz 3
Satz 2 BWG für jeden Listenplatz einen eigenen Wahlvor-
schlag unterbreiten kann und jedem Bewerber gemäß § 21
Absatz 3 Satz 3 BWG Gelegenheit zu geben ist, sich und sein
Programm der Versammlung in angemessener Zeit vorzu-
stellen. Deshalb ist es auch völlig unbedenklich, dass – was
der Einspruchsführer kritisiert – es vorkommen kann, dass
ein Bewerber bei der Abstimmung für einen hinteren Listen-
platz mehr Stimmen bekommt, als ein weiter vorne Platzier-
ter für seinen Listenplatz. Dies ist erfahrungsgemäß insbe-
rin, bei der Aufstellung einer Landesliste nacheinander ein-
zeln über Listenplätze abzustimmen.

sondere dann wahrscheinlich, wenn sich weniger Kandida-
ten um einen Platz bewerben. Schließlich hätte es jedem

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/6300
Wahlperiode – 143 – D

Versammlungsteilnehmer freigestanden, den weiter hinten
Platzierten für einen vorderen Listenplatz vorzuschlagen
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 5). Ein An-
spruch der Versammlungsteilnehmer darauf, statt durch das
Einbringen eines weiteren Wahlvorschlags ausschließlich
„mit dem Stimmzettel“ im Wege der Sammelwahl die Rei-
henfolge der Listenbewerber zu beeinflussen, wie der Ein-
spruchsführer zu fordern scheint, lässt sich aus dem Grund-
satz der geheimen Wahl nicht ableiten. Dieser ist, wie der
Bundeswahlleiter zutreffend ausführt, gewahrt, solange der
eigentliche Wahlgang geheim erfolgt.

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