BT-Drucksache 17/6128

Demokratie durch Transparenz stärken - Deklassifizierung von Verschlusssachen gesetzlich regeln

Vom 8. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6128
17. Wahlperiode 08. 06. 2011

Antrag
der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Petra Pau,
Jens Petermann, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Demokratie durch Transparenz stärken – Deklassifizierung von Verschlusssachen
gesetzlich regeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, dass die Prinzipien des Amts-
und Aktengeheimnisses in einer fortschrittlichen Demokratie keinen Platz
haben. Staatliches Handeln ist kein Selbstzweck der unter Ausschluss der
Öffentlichkeit verfolgt werden kann und darf. Es hat sich allein am Gemein-
wohl zu orientieren und bedarf dazu demokratischer Legitimation. Nur durch
Transparenz und Nachvollziehbarkeit aller Entscheidungsprozesse kann dies
gewährleistet werden. Wissen stellt für eine Demokratie keine Gefahr dar.
Geheimnisschutz und im Geheimen operierende staatliche Institutionen hin-
gegen befördern Lobbyismus, Korruption, Desinformation der Öffentlich-
keit, schüren Misstrauen und schaden nicht nur dem Gemeinwohl, sondern
auch dem Ansehen der Demokratie insgesamt. Sie sind klassische Mittel des
Machterhalts Einzelner in totalitären Systemen.

2. Der Deutsche Bundestag bekräftigt daher seinen Willen, den mit dem Infor-
mationsfreiheitsgesetz beschrittenen Weg zur Herstellung einer Aktenöffent-
lichkeit konsequent fortzusetzen. Eine Vielzahl gesetzlicher Geheimhal-
tungsvorschriften verhindert jedoch bisher in der Praxis eine effektive
Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes und des Bundesarchivgeset-
zes. Allein mehr als 6 Millionen Dokumente von Ministerien und Behörden
unterliegen einer Einstufung als Verschlusssache aufgrund von Verwaltungs-
vorschriften und sind der Einsichtnahme entzogen, selbst wenn diese Vor-
gänge schon Jahrzehnte zurückliegen.

3. Der Deutsche Bundestag bedauert die Entscheidung des Bundesministeriums
des Innern aus dem Jahr 2008, die im Jahr 2006 getroffene Entscheidung für
eine rückwirkende automatische Offenlegung aller vor 2006 nach Ablauf von
30 Jahren angelegten Verschlusssachen wieder rückgängig gemacht zu haben.
Der Deutsche Bundestag sieht sich daher in der Verantwortung, die Klassi-

fizierung und Deklassifizierung von Verschlusssachen gesetzlich zu regeln.

4. Der Deutsche Bundestag bringt nachdrücklich sein Unverständnis darüber
zum Ausdruck, dass mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit noch immer an
als Verschlusssache qualifizierten Unterlagen scheitert. Der Deutsche Bun-
destag missbilligt ausdrücklich die Bemühungen von Ministerien und Behör-
den, die Offenlegung der unmittelbar und mittelbar im Zusammenhang mit

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den NS- Verbrechen stehenden Unterlagen mit dem Einwand der Gefährdung
der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu ver-
weigern. Der Deutsche Bundestag sieht es als seine Pflicht an, die sofortige
Deklassifizierung und Offenlegung sämtlicher Unterlagen nach dem Vorbild
des „Nazi War Crimes Disclosure Act“ des US-amerikanischen Kongresses
gesetzlich zu verankern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Voraussetzungen und den materiellen
und organisatorischen Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungs-
bedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen (Verschlusssachen)
restriktiv, umfassend und abschließend gesetzlich regelt, wobei

1. eine automatische Deklassifizierung von sämtlichen Verschlusssachen nach
20 Jahren ab der Einstufung erfolgen soll, ohne die Möglichkeit der Verlänge-
rung dieser Frist,

2. sämtliche Unterlagen, die mittelbar oder unmittelbar im Zusammenhang mit
den Verbrechen der NS-Vergangenheit stehen, unabhängig vom Zeitpunkt
ihrer Erstellung, sofort deklassifiziert und der Öffentlichkeit zur Verfügung
gestellt werden sollen.

Berlin, den 8. Juni 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Kontrolle staatlichen Handelns durch die Bürgerinnen und Bürger dient nicht
nur der Wahrnehmung ihrer Rechte. Staatliches Handeln und die Ausübung
staatlicher Gewalt bedürfen in einer Demokratie einer ununterbrochenen Legiti-
mationskette von den Bürgerinnen und Bürgern zu den mit staatlichen Aufgaben
betrauten Organen (BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 – 2 BvR 134/76
= BVerfGE 47, S. 253 ff.). Die im Prinzip der repräsentativen Demokratie ange-
legte fehlende Bindung staatlicher Organe an den jeweils tatsächlichen Willen
der Bürgerinnen und Bürger (vgl. Grzeszick in: Maunz/Düring, Grundgesetz,
Artikel 20, Rn. 66, 67) erfordert im Gegenzug als Ausfluss des Verantwortungs-
prinzips (Grzeszick, a. a. O., Rn. 63) auch ein Höchstmaß an Transparenz bei
den Entscheidungsprozessen, um Bürgerinnen und Bürgern den durch Artikel 20
Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) geforderten effektiven Einfluss auf die Aus-
übung der Staatsgewalt zu ermöglichen. Die Grundlage der dafür erforderlichen,
durch staatliche Organe unbeeinflussten Meinungs- und Willensbildung der
Bürgerinnen und Bürger ist der ungefilterte und unaufbereitete Zugang zu allen
Informationen, auf deren Basis staatliche Organe ihrerseits Entscheidungen vor-
bereiten und treffen (vgl. zum juristischen Meinungsstand insgesamt Grzeszick,
a. a. O., Rn. 21 ff.). Dies zu gewährleisten erfordert Aktenöffentlichkeit, das
heißt den Zugang zu den bei staatlichen Organen vorgehaltenen Unterlagen
durch selbständige und umfassende Akteneinsicht von Bürgerinnen und Bür-
gern.

Dem steht jedoch die „Kultur der Amtsverschwiegenheit“ (vgl. Partsch/Schurig,
„Das Informationsfreiheitsgesetz von Nordrhein-Westfalen – ein weiterer
Schritt aus dem Entwicklungsrückstand Deutschlands“, DÖV 2003, S. 482), ge-

speist aus den Prinzipien des Amtsgeheimnisses, des Aktengeheimnisses und

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der Vertraulichkeit der Verwaltung, in Deutschland entgegen. Es handelt sich da-
bei um Prinzipien, die zum Machterhalt im Absolutismus entwickelt wurden
(Prof. Lutterbeck, „Die Europäische Informationsgesellschaft und das deutsche
Amtsgeheimnis – Abschied von einer heiligen Kuh des Obrigkeitsstaates?“,
Vortrag auf der Konferenz „Der gläserne Bürokrat“ 1999) und zutreffend als
„demokratiewidrig“ eingeschätzt werden (Schwan, „Amtsgeheimnis oder
Aktenöffentlichkeit? Der Auskunftsanspruch des Betroffenen, das Grundrecht
auf Datenschutz und das Prinzip der Aktenöffentlichkeit“, Seite 95).

Zwar wurde an diesen Grundfesten deutscher Verwaltungstradition in den letz-
ten zwei Jahrzehnten insbesondere durch die Einführung von allgemeinen Lan-
desinformationsfreiheitsgesetzen und dem Informationsfreiheitsgesetz des Bun-
des (IFG) gerüttelt. Diese haben erstmalig einen allgemeinen Zugang zu
Informationen für an den Vorgängen unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger eröff-
net. Eine Reihe von Urteilen zu Akteneinsichtsersuchen nach diesen Gesetzen
und dem Bundesarchivgesetz (BArchG) offenbart jedoch, dass neben handwerk-
lichen Schwächen der Gesetze ein Mentalitätswechsel bei staatlichen Organen
zur Aktenöffentlichkeit noch nicht stattgefunden hat (vgl. beispielsweise im
Hinblick auf die Verteidigung gegen die Akteneinsichtsgesuche BVerwG, Urteil
vom 29. Oktober 2009 – 7 C 21/08 = NVwZ 2010, S. 326 ff.; VGH Kassel, Be-
schluss vom 2. März 2010 – 6 A 1684/08 = NVwZ 2010, S. 1036 ff.; OVG Ber-
lin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2011 – OVG 12 B 69.07, OVG 12 B 69/
07 = BeckRS 2011, S. 47816; OVG Koblenz, Urteil vom 23. April 2010 – 10 A
10091/10.OVG, 10 A 10091/10 = BeckRS 2010, S. 49569). Besonders deutlich
trat dies in einem Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Be-
schluss vom 19. April 2010 – 20 F 13/09 (Archivunterlagen Adolf Eichmann) =
NVwZ 2010, S. 905) zum Vorschein, in dem die Vorlage von Archivunterlagen
unter anderem mit dem Einwand verweigert wurde, dass diese „ihrem Wesen
nach geheim zu halten sind“. Ein Einwand, den das BVerwG mit dem klaren
Hinweis „Akten und Unterlagen der Sicherheitsbehörden sind nicht schon
wegen ihres Wesens geheimhaltungsbedürftig“ verwarf. Diese Geheimhaltungs-
mentalität macht selbst vor dem höchsten deutschen Gericht nicht halt (vgl. die
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.
„Freigabe von Akten des Bundesverfassungsgerichts“ auf Bundestagsdruck-
sache 17/4073 und den Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Akteneinsichtsrechte
Dritter in Verfahrensakten des Bundesverfassungsgerichtes stärken“ auf Bun-
destagsdrucksache 17/4037).

Als praktisch besonders relevant und streitanfällig bei der Anwendung des IFG
und des BArchG hat sich die Klassifizierung von Behördenvorgängen als Ver-
schlusssache erwiesen. Der allgemeine Informationsanspruch nach § 1 IFG auf
Akteneinsicht besteht namentlich dann nicht, wenn die Information aufgrund
einer Verwaltungsvorschrift als Verschlusssache klassifiziert ist (§ 3 Nummer 4
IFG). Dies gilt durch die an eine solche Einstufung gesondert anknüpfende
Schutzfrist gleichermaßen für archivierte, das heißt abgeschlossene Vorgänge im
Anwendungsbereich des BArchG; § 5 Absatz 3, 5 Satz 5 i. V. m. § 2 Absatz 4
Nummer 2 BArchG (vergleiche BVerwG NVwZ 2010, S. 905, 906). Nach § 4
Absatz 1 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) sind Verschlusssachen im
öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder
Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform, die entsprechend ihrer
Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung
nach Maßgabe von Absatz 2 eingestuft werden. In Anwendung von § 35 SÜG
hat das Bundesministerium des Innern (BMI) eine entsprechende Verwaltungs-
vorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen
(VS-Anweisung – VSA) erlassen.

Es ist schon mehr als fraglich, ob der Verweis in § 3 Nummer 4 IFG auf Verwal-

tungsvorschriften dem Vorbehalt des Gesetzes gerecht wird (bejahend: BVerwG,
NVwZ 2010, S. 326, 327), wonach allein der Gesetzgeber dazu berufen und

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verpflichtet ist, in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Ent-
scheidungen, soweit sie einer staatlichen Regelung zugänglich sind, selbst zu
treffen und nicht anderen Normgebern zu überlassen (Herzog/Grzeszick, in:
Maunz/Düring, Grundgesetz, Artikel 20, Rn. 107). Denn auch wenn insbeson-
dere aus Artikel 5 Absatz 1 GG selbst kein Anspruch auf Einsicht in Unterlagen
hergeleitet werden kann, eröffnet der Gesetzgeber jedoch mit einer Zugangs-
regelung wie dem IFG eine Informationsquelle und damit dessen Schutzbereich
(vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 1 BvR 2623/95 = NJW 2001,
S. 1633, 1634). Dies bedarf indes keiner weiteren Vertiefung, da es dem Gesetz-
geber grundsätzlich freisteht, selbst außerhalb der verfassungsrechtlich zwin-
gend vorgegebenen Bereiche ein Zugriffsrecht auszuüben und einen Gegenstand
zu regeln (Herzog/Grzeszick, a. a. O., Rn. 127).

Hinsichtlich der Einstufung von Informationen als geheimhaltungsbedürftig im
öffentlichen und staatlichen Interesse sind die bisherigen Regelungen des IFG,
des BArchG und der VSA jedoch ungeeignet, dem gesetzgeberischen Ziel der
Aktenöffentlichkeit zur Durchsetzung zu verhelfen. Zwar hat das BVerwG diese
Regelung des IFG und des BArchG zutreffend dahingehend ausgelegt, dass es
nicht auf die formale Einstufung als Verschlusssache, sondern auf die materielle
Notwendigkeit dieser Einstufung ankäme (BVerwG, NVwZ 2010, S. 326;
BVerwG, NVwZ 2010, S. 905, 908), und damit den Informationszugang von
Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich gestärkt. In Anbetracht von wenigstens
6 Millionen Dokumenten bei Bundesministerien und -behörden, die als Ver-
schlusssache klassifiziert sind (vgl. die Pressemitteilung des Verbandes der His-
torikerinnen und Historiker Deutschlands vom 23. September 2009 „Gute Nach-
richt für die Zeitgeschichte – Bundesregierung gibt Millionen Geheimakten
frei“), läuft das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel eines Grundsatzes der Akten-
öffentlichkeit schon aus praktischen Gründen ins Leere. Im Streitfall muss ein
Gericht eine umfängliche Prüfung in jedem Einzelfall vornehmen, die sich auch
an den anderen Ausschlussgründen des § 3 IFG, die sich mit den materiellen
Gründen für die Klassifizierung von Informationen als Verschlusssache über-
schneiden, auszurichten hat und dem Gericht nur einen durch Beurteilungs- und
Ermessenspielraum begrenzten Prüfungsumfang zugesteht (vgl. BVerwG, a. a. O,
S. 326, 327; BVerwG, NVwZ 2010, S. 321 ff. zu § 3 Nummer 1 IFG). Erschwe-
rend kommt hinzu, dass die VSA als Verwaltungsvorschrift, die Regelungen zur
Klassifizierung und Deklassifizierung und unter anderem entsprechende Fristen
enthält (vgl. § 8 VSA), keine Rechtssicherheit durch ein Mindestmaß an Bestän-
digkeit gewährleistet. Exemplarisch sei nur auf die Veränderungen der VSA in
den letzten Jahren verwiesen. Nachdem es bis 1994 keine Befristung einer Ein-
stufung als Verschlusssache gab, wurde geregelt, dass zumindest alle nach dem
1. Januar 1995 klassifizierten Unterlagen nach 30 Jahren automatisch deklassi-
fiziert werden mit der Möglichkeit einmaliger Verlängerung. 2006 gab es eine
Veränderung – die zu der bereits benannten Pressemitteilung des Verbandes der
Historikerinnen und Historiker Deutschlands führte –, nach der alle vor 2006 an-
gelegten VS-Sachen nach Ablauf von 30 Jahren seit ihrer Anlage deklassifiziert
wurden. Diese Regelung wurde 2007 zunächst befristet, dann 2008 unbefristet
wieder aufgehoben (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion der FDP „Freigabe von Akten der Bundesregierung“ auf
Bundestagsdrucksache 16/11354).

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, klare gesetzliche Regelungen zu
schaffen, um dem demokratischen Legitimationserfordernis staatlichen Handels
hinreichend Rechnung zu tragen. In einem förmlichen Gesetz müssen sämtliche
Konstellationen einheitlich geregelt sein, in denen der Zugang zu Unterlagen,
die bei staatlichen Organen vorgehalten werden, aus Gründen des Geheimnis-
schutzes – unabhängig aufgrund welcher Erwägungen und spezialgesetzlichen

Regelungen – verwehrt werden soll. Unter Kenntnisnahme der verfassungs-
gerichtlichen Rechtsprechung, wonach es u. a. offenbar ein im Grundgesetz

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angelegtes objektives verfassungsrechtliches Prinzip des Staatswohls und der
Sicherheit und des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland und der Länder
gibt, das einen Geheimnisschutz rechtfertigt (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom
17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07 = NVwZ 2009, S. 1353, 1356), ist es hinzunehmen,
dass für die Dauer der Klassifizierung von Verschlusssachen eine angemessene
Frist eingeräumt wird. Nicht zuletzt aufgrund der geringen Halbwertzeit von
Informationen im 21. Jahrhundert bedarf es in einem modernen demokratischen
Rechtsstaat in Abwägung mit diesen Grundsätzen keiner längeren Frist als
20 Jahre des Geheimnisschutzes, wenn man dem Prinzip der demokratischen
Öffentlichkeit und der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns zur
Wirksamkeit verhelfen will.

Unter keinem tatsächlichen wie rechtlichen Gesichtspunkt ist es jedoch geboten,
Unterlagen, die mittelbar oder unmittelbar im Zusammenhang mit den NS-Ver-
brechen stehen, unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Erstellung einem Geheimnis-
schutz zu unterwerfen. Sie sind daher insgesamt zu deklassifizieren und der
Öffentlichkeit zur Aufarbeitung der Geschichte zur Verfügung zu stellen. Selbst
66 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird aus Gründen der Beein-
trächtigung der Sicherheitsbelange (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Geheimhaltung von BND-Akten
zur NS-Vergangenheit“ auf Bundestagsdrucksache 17/5005) die Offenlegung
verweigert und die Aufarbeitung der Geschichte unter wissenschaftlichen, jour-
nalistischen, politischen sowie juristischen Gesichtspunkten massiv be- und ver-
hindert.

„The Second World War ended more than fifty years ago. It’s time for the entire
story of this horrible era in the history of man’s inhumanity to man to emerge.“
(aus einem Brief vom 14. März 1997 von 60 Kongressmitgliedern an den
damaligen US-Präsidenten Bill Clinton zur schnellstmöglichen Deklassifizie-
rung von Akten im Zusammenhang mit den NS-Verbrechen – www.fas.org/sgp/
clinton/warcrime.html).

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