BT-Drucksache 17/6064

Tatsächlicher Stromnetzausbaubedarf

Vom 3. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6064
17. Wahlperiode 03. 06. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Johanna Voß, Ralph Lenkert, Dr. Barbara Höll, Harald Koch,
Richard Pitterle, Sabine Stüber, Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Tatsächlicher Stromnetzausbaubedarf

Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll auch nach dem Willen der Bundes-
regierung schnell vorangetrieben werden. Ein entscheidender und umstrittener
Punkt in der Diskussion um die dafür notwendigen Maßnahmen ist der tatsäch-
liche Stromnetzausbaubedarf.

Die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) veröffentlichte im November
2010 ihre Netzstudie II. Darin kam sie zum Ergebnis, dass bei einem ange-
strebten Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung 2020 von
39 Prozent ein Trassenzubaubedarf zwischen 1 700 km (bei Nutzung von Hoch-
temperaturseilen, TAL) und 3 600 km im Übertragungsnetz besteht. In der
öffentlichen Diskussion kursiert vor allem die Zahl 3 600, da diese Ausbau-
variante laut dena-Netzstudie-II die günstigste sei. Auch der Bundesminister für
Wirtschaft und Technologie (BMWi) bezieht sich auf diese Zahl (z. B. bei der
Ankündigung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes – NABEG – am
21. März 2011).

Allerdings verfügt das BMWi bereits seit Juni 2010 über das Ergebnis einer
vom Bundesministerium selbst in Auftrag gegebenen Studie der CONSENTEC
– Consulting für Energiewirtschaft und -technik GmbH/r2b energy consulting
GmbH, die „verschiedene Ausbauvarianten Erneuerbarer Energien hinsichtlich
ihrer Integrationsanforderungen auf das Stromversorgungssystem und die Kos-
tenwirkungen“ (S. 134) analysieren sollte.* Diese kommt zum Ergebnis, dass
für einen Anstieg des Anteils der erneuerbaren Energien auf 40 Prozent und
mehr bis 2020 im Übertragungsnetz ein „Netzausbau in einer Größenordnung
von 500 Stromkreiskilometern erforderlich“ sei. Diese Studie wurde allerdings
erst im Februar dieses Jahres – und ohne eine der dena-Netzstudie-II vergleich-
bare öffentliche Ankündigung – auf die Internetseite des Bundesministeriums
gestellt.

Beide Studien verstehen ihre Zahlen zusätzlich zu dem Netzausbaubedarf, der in
der dena-Netzstudie-I vorgesehen war und der bereits in das EnLAG (Energie-
leitungsausbaugesetz) eingeflossen ist. CONSENTEC/r2b energy consulting
GmbH hat am 8. April 2011 in einer Reaktion auf Zeitungsartikel zur Differenz
der Zahlen eine Erklärung auf ihrer Website veröffentlicht (www.consentec.de/

fileadmin/downloads/Consentec-r2b_BMWi-Studie_EE-Integration_
Information_20110408.pdf).

* CONSENTEC – Consulting für Energiewirtschaft und -technik GmbH/r2b energy consulting GmbH
(2010): Endbericht. Voraussetzungen einer optimalen Integration erneuerbarer Energien in das Strom-
versorgungssystem; Aachen/Köln.

Drucksache 17/6064 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie erklärt sich die Bundesregierung die unterschiedlichen Ergebnisse der
beiden Studien?

2. Ist aus Sicht der Bundesregierung mit der Erklärung von CONSENTEC/r2b
energy consulting GmbH die Differenz der Zahlen hinreichend geklärt
(bitte erläutern)?

3. Stimmt die Bundesregierung der Erklärung von Dr. Armin Steinbach im
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages am
11. Mai 2011 zu, dass die Netzberechnung in der Studie der CONSENTEC/
r2b energy consulting GmbH „weniger detailliert, weniger akkurat, grob,
um nicht zu sagen oberflächlich“ durchgeführt wurde?

Wenn ja, was genau hält die Bundesregierung an der Netzberechnung in der
Studie der CONSENTEC/r2b energy consulting GmbH für „weniger detail-
liert, weniger akkurat, grob“, und wie kommt es, dass CONSENTEC/r2b
energy consulting GmbH weiterhin Aufträge vom BMWi erhält ?

4. Wie viel kostete die Studie der CONSENTEC/r2b energy consulting
GmbH?

5. Bezahlte das BMWi trotz der von Dr. Arnim Steinbach erklärten Mängel
den vollen Preis?

Wenn ja, warum, und wenn nein, wie viel weniger bezahlte das BMWi?

6. Wie schätzt die Bundesregierung die Qualität der Studie der CONSENTEC/
r2b energy consulting GmbH insgesamt und im Vergleich mit der Studie der
dena ein (bitte begründen)?

7. Stimmt die Bundesregierung der Erklärung von Dr. Armin Steinbach im
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages am
11. Mai 2011 zu, dass die dena-II-Studie „ambitionierter beim Ausbau von
Wind und Photovoltaik“ ist als die Studie der CONSENTEC/r2b energy
consulting GmbH?

8. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den unterschied-
lichen Ergebnissen?

9. Warum bezieht sich der Bundeswirtschaftsminister vor allem auf die Zah-
len der dena-Netzstudie und nicht auf die Zahlen der von ihm in Auftrag
gegebenen Studie?

10. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Studie der CONSENTEC/r2b
energy consulting GmbH deshalb zu anderen Ergebnissen kam, weil sie
keinen Zugang zu den Daten der Netzbetreiber hatte?

11. Plant die Bundesregierung die Netzbetreiber zur Offenlegung aller tech-
nischen Daten zum Netzbetrieb zu verpflichten, damit eine zentrale Steue-
rung des Netzausbaues und alternative Studien möglich werden?

Wenn ja, wann ist damit zu rechnen?

Wenn nein, warum nicht?

12. Wieso stellte das BMWi die Studie der CONSENTEC/r2b energy consul-
ting GmbH nicht öffentlich vor, so wie es das mit der dena-II-Studie tat,
und wieso erschien die Studie der CONSENTEC/r2b energy consulting
GmbH erst Monate später auf der Website, obwohl diese vom BMWi selbst
in Auftrag gegeben wurde?

13. Welche energiepolitischen Auswirkungen hätte die Verwendung der Zahlen
aus der Studie der CONSENTEC/r2b energy consulting GmbH aus Sicht

der Bundesregierung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6064

14. Welche Zahlen wird die Bundesregierung für ihre weitere Planung verwen-
den, und warum?

15. Plant die Bundesregierung die im „Plan N“ zum Stromnetzausbau des
„Forums Netzintegration Erneuerbare Energie“ empfohlenen Maßnahmen
und Schritte zu einem kostengünstigen und von der Bevölkerung akzeptier-
ten Ausbau der Stromnetze umzusetzen?

Wenn ja, welche Empfehlungen werden wie umgesetzt, wenn nein, warum
werden welche Empfehlungen nicht umgesetzt?

Berlin, den 1. Juni 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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