BT-Drucksache 17/5989

zu dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/3686- Visumfreie Einreise türkischer Staatsangehöriger für Kurzaufenthalte ermöglichen

Vom 26. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5989
17. Wahlperiode 26. 05. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Marieluise
Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/3686 –

Visumfreie Einreise türkischer Staatsangehöriger für Kurzaufenthalte ermöglichen

A. Problem

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legt in ihrem Antrag dar, dass auf-
grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Februar 2009 in der
Rechtssache C-228/06 („Soysal“) klar geworden sei, dass von vielen türkischen
Staatsangehörigen kein Visum für die Einreise verlangt werden dürfe, weil dies
gegen das Assoziationsrecht verstoße. Dies gelte auch für türkische Touristen,
welche in Deutschland vielfältige Dienstleistungen in Anspruch nehmen und so
von ihrer Dienstleistungsfreiheit Gebrauch machen könnten. Mit dem Antrag
soll die Bundesregierung aufgefordert werden, sich in der EU für eine allgemei-
ne visumfreie Einreise türkischer Staatsangehöriger bei einem Kurzaufenthalt
durch Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 einzusetzen. Bis dahin solle
die Bundesregierung die deutschen Auslandsvertretungen und Grenzbehörden
dahingehend instruieren, dass türkische Staatsangehörige, die in Deutschland
die Dienstleistungsfreiheit während eines Kurzaufenthaltes in Anspruch neh-
men wollten, entsprechend den Vorgaben des Assoziationsrechts EG-Türkei
visumfrei einreisen könnten.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Keine.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/5989 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/3686 abzulehnen.

Berlin, den 11. Mai 2011

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Daniela Kolbe (Leipzig)
Berichterstatterin

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Memet Kilic
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5989

Gerichtshofes würden nur die grenzüberschreitende Erbrin- spruch zu nehmen. Dies spreche gerade dafür, die Visapflicht

gung von Dienstleistungen betreffen. Weitere Auswirkungen
hätten sie nicht. Gegen den Antrag spreche zudem, dass die
Türkei ihre Verpflichtungen aus Rückübernahmeabkommen
nicht einhalte. Sie solle zunächst die Personen zurückneh-

türkischer Staatsangehöriger für Kurzaufenthalte grundsätz-
lich entfallen zu lassen. Die Steuerungsmöglichkeiten der
Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich langfristiger Auf-
enthalte würden dadurch nicht beeinträchtigt.
Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Daniela Kolbe (Leipzig), Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Ulla Jelpke und Memet Kilic

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/3686 wurde in der 81. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 16. Dezember 2010 an
den Innenausschuss federführend sowie an den Auswärtigen
Ausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie,
den Ausschuss für Tourismus und den Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung
überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 37. Sitzung am
11. Mai 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in sei-
ner 44. Sitzung am 11. Mai 2011 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
empfohlen, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Tourismus hat in seiner 31. Sitzung am
11. Mai 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 38. Sitzung am 11. Mai 2011 mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag abzu-
lehnen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat den Antrag auf Drucksache 17/3686
in seiner 39. Sitzung am 11. Mai 2011 abschließend beraten
und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
des Antrags.

Die Fraktion der CDU/CSU betont, dass gelungene Inte-
gration auch Zuwanderungskontrolle voraussetze. Diese
Kontrolle wolle die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
mit ihrem Antrag aufheben. Die Urteile des Europäischen

men, welche unberechtigt nach Deutschland eingereist seien.
Solange dies nicht geschehe, komme auch eine gelockerte
Visapolitik nicht in Frage. Eine grundsätzliche Visafreiheit
würde schließlich die Wirkungen des Spracherfordernisses
beim Ehegattennachzug und andere Integrationsmaßnahmen
erschweren. Der Antrag gehe daher in jedem Fall zu weit.

Die Fraktion der SPD teilt die rechtliche Bewertung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie gehe auch davon
aus, dass das assoziationsrechtliche Verschlechterungsver-
bot die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse. Deutschland
müsse seine vertraglichen Verpflichtungen einhalten, wes-
halb der Antrag richtig sei. Daran änderten auch die zwi-
schenstaatlichen Konflikte hinsichtlich bestehender Rück-
übernameabkommen nichts. Diese Probleme könnten im
Übrigen schon deshalb nicht zur Argumentation herangezo-
gen werden, weil sie nicht die eigenen Staatsangehörigen,
sondern Personen aus Drittstaaten beträfen.

Die Fraktion der FDP misst den Urteilen des Europäischen
Gerichtshofes keine Auswirkungen hinsichtlich der Visa-
pflicht bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen bei.
Das Assoziierungsabkommen weise einen ganz anderen
Charakter auf als das übrige Unionsrecht. Daher könne man
auch die rechtlichen Wertungen nicht einfach übertragen.
Nach ihrer rechtlichen Einschätzung sei die passive Dienst-
leistungsfreiheit im Assoziationsrecht keinesfalls entspre-
chend der aktiven geschützt. In der Praxis ergäbe sich sonst
auch eine erhebliche Missbrauchsgefahr. Die mit dem An-
trag verfolgte vollständige Visafreiheit würde darüber hinaus
zu unkontrollierter Migration führen. Man lehne diesen Vor-
schlag daher ab.

Die Fraktion DIE LINKE. schließt sich im Wesentlichen
dem Sachvortrag des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN an. Die unterschiedlichen rechtlichen Auf-
fassungen der Fraktionen seien bereits in der letzten Legis-
laturperiode deutlich geworden. Nach dem Vorlagebeschluss
des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg vom
13. April 2011 stehe nun ein klärendes Urteil des Gerichts-
hofes der Europäischen Union in dieser Sache bevor. Dieses
werde klare Voraussetzungen schaffen, an die sich dann auch
Deutschland werde halten müssen. Insofern wäre es besser
gewesen, den Antrag erst nach dem Urteil zu stellen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Über-
zeugung, dass das Assoziierungsabkommen auch die passive
Dienstleistungsfreiheit türkischer Staatsangehöriger umfas-
se. Schließlich seien aktive und passive Dienstleistungsfrei-
heit im gesamten Unionsrecht grundsätzlich gleichgestellt.
Natürlich könne in der Praxis nicht überprüft werden, in wel-
chen Fällen tatsächlich geplant sei, Dienstleistungen in An-

Drucksache 17/5989 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Berlin, den 11. Mai 2011

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Daniela Kolbe (Leipzig)
Berichterstatterin

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Memet Kilic
Berichterstatter

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